Starbuck: Der Gegner - Bernard Cornwell - E-Book

Starbuck: Der Gegner E-Book

Bernard Cornwell

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

«Der beste Roman über den Amerikanischen Bürgerkrieg» (Washington Times) Captain Nate Starbuck mag noch so sehr durch Wagemut in der Schlacht glänzen, sein größter Gegner steht ihm nicht im Feld gegenüber. Es ist ein Feind im eigenen Lager. So kämpft Starbuck im glühend heißen Sommer 1862 nicht nur gegen die Yankees, die auf die Hauptstadt der Konföderation marschieren, sondern ebenso gegen einen missgünstigen Vorgesetzten, General Washington Faulconer, der seinem besten Mann nichts weniger wünscht als Degradierung – und den Tod. Der dritte Band von Bernard Cornwells großem Epos über Nathaniel Starbuck.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 773

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bernard Cornwell

Starbuck. Der Gegner

Roman

Aus dem Englischen von Karolina Fell

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

«Der beste Roman über den Amerikanischen Bürgerkrieg» (Washington Times)

 

Captain Nate Starbuck mag noch so sehr durch Wagemut in der Schlacht glänzen, sein größter Gegner steht ihm nicht im Feld gegenüber. Es ist ein Feind im eigenen Lager. So kämpft Starbuck im glühend heißen Sommer 1862 nicht nur gegen die Yankees, die auf die Hauptstadt der Konföderation marschieren, sondern ebenso gegen einen missgünstigen Vorgesetzten, General Washington Faulconer, der seinem besten Mann nichts weniger wünscht als Degradierung – und den Tod.

 

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugeben, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: weit über 20 Millionen.

 

Weitere Veröffentlichungen:

 

Die Uhtred-Serie:

Band 1: Das letzte Königreich

Band 2: Der weiße Reiter

Band 3: Die Herren des Nordens

Band 4: Schwertgesang

Band 5: Das brennende Land

Band 6: Der sterbende König

Band 7: Der Heidenfürst

 

Die Artus-Chroniken:

Band 1: Der Winterkönig

Band 2: Der Schattenfürst

Band 3: Arthurs letzter Schwur

 

Die Bücher vom Heiligen Gral:

Band 1: Der Bogenschütze

Band 2: Der Wanderer

Band 3: Der Erzfeind

 

Die Starbuck-Chroniken:

Band 1: Der Rebell

Band 2: Der Verräter

 

Sowie

Das Zeichen des Sieges

Stonehenge

Das Fort

1356

 

Gemeinsam mit seiner Frau Judy hat Bernard Cornwell unter dem Pseudonym «Susannah Kells» zwei weitere historische Romane verfasst:

 

Das Hexen-Amulett

Die dunklen Engel

 

Weitere Informationen zum Autor

Inhaltsübersicht

WidmungKarte: Die zweite Schlacht von ManassasErster TeilEinsZweiDreiVierZweiter TeilFünfSechsSiebenAchtNeunZehnElfZwölfDreizehnVierzehnNachwort des AutorsLeseprobe: Der KämpferErster Teil

Der Gegner ist für meinen Vater, in Liebe.

Erster Teil

Eins

Captain Nathaniel Starbuck sah seinen neuen Kommandogeneral zum ersten Mal, als die Legion Faulconer an einer Furt den Rapidan überquerte. Thomas Jackson war auf dem Nordufer des Flusses und anscheinend in Trance verfallen, denn er saß vollkommen unbeweglich im Sattel, die linke Hand hoch erhoben und den Blick seiner blauen Augen vorwurfsvoll auf die leeren, trüben Tiefen des Flusses gerichtet. Seine düstere Erstarrung war so unheimlich, dass die Marschkolonne lieber an den äußersten Rand der Furt auswich, als dicht an einem Mann vorbeigehen zu müssen, dessen Haltung ein so klares Vorzeichen des Todes schien. Die äußere Erscheinung des Generals wirkte ebenso wenig vertrauenerweckend. Jackson trug einen struppigen Bart, einen schlichten Mantel und auf dem Kopf eine verdreckte Kappe, und sein Pferd sah aus, als hätte man es schon längst ins Schlachthaus bringen sollen. Es war schwer zu glauben, dass dies der umstrittenste General des Südens sein sollte, der Mann, der dem Norden schlaflose Nächte und unruhige Tage bereitete, doch Lieutenant Franklin Coffman, sechzehn Jahre alt und neu in die Legion Faulconer aufgenommen, versicherte, diese merkwürdige Erscheinung sei tatsächlich der berühmte Stonewall Jackson. Coffman war einst von Professor Thomas Jackson unterrichtet worden. «Allerdings», vertraute Lieutenant Coffman Starbuck an, «glaube ich nicht, dass Generäle in der Schlacht einen großen Unterschied machen.»

«So jung und schon so weise», sagte Starbuck, der zweiundzwanzig Jahre alt war.

«Es sind die Soldaten, die eine Schlacht gewinnen, nicht die Generäle», sagte Coffman, ohne auf die Spötterei seines Captains einzugehen. Lieutenant Coffman hatte eine einjährige Ausbildung an der Militärakademie von Virginia absolviert, an der Thomas Jackson ihn recht wirkungslos in Artillerie und Naturphilosophie unterwiesen hatte. Nun schaute Coffman zu der starren Gestalt hinüber, die reglos auf ihrem schäbigen Sattel saß. «Ich kann mir die alte Quadratlatsche überhaupt nicht als General vorstellen», sagte Coffman verächtlich. «Er könnte nicht mal in einem Klassenzimmer für Ordnung sorgen, geschweige denn in einer Armee!»

«Quadratlatsche?», fragte Starbuck. General Jackson hatte zahlreiche Spitznamen. Die Presse nannte ihn Stonewall, seine Soldaten nannten ihn Old Jack oder sogar Old Mad Jack – alter, verrückter Jack –, während viele seiner ehemaligen Studenten den Namen Tom Fool Jack – der Narr – bevorzugten, aber Quadratlatsche hatte Starbuck noch nicht gehört.

«Er hat die größten Füße der Welt», erklärte Coffman. «Die sind riesig! Und die einzigen Schuhe, die ihm passen, sind Quadratlatschen.»

«Was für eine Quelle nützlicher Informationen Sie doch sind, Lieutenant», sagte Starbuck leichthin. Die Legion war noch zu weit vom Fluss entfernt, als dass Starbuck die Füße des Generals hätte sehen können, aber er nahm sich vor, auf diese erstaunlichen Exemplare zu achten, wenn er endlich den Rapidan erreichte. Die Legion bewegte sich im Moment überhaupt nicht, ihr Vormarsch wurde von den Männern weiter vorne gebremst, die ihre ramponierten Stiefel ausziehen wollten, bevor sie durch den Fluss wateten. Mad Jack Stonewall Quadratlatsche Jackson hasste solche Verzögerungen bekanntermaßen, doch diesen Stillstand schien er nicht wahrzunehmen. Stattdessen saß er einfach im Sattel, die Hand gehoben und den Blick auf den Fluss gerichtet, während sich direkt ihm gegenüber die Kolonne zusammenschob und zum Stillstand kam. Die Männer hinter dem Hindernis waren dankbar für den erzwungenen Halt, denn der Tag war glühend heiß, die Luft stand, und die Hitze war feucht wie der Wasserdampf über einem Kochtopf. «Sie waren gerade bei der Unzulänglichkeit von Generälen?», forderte Starbuck seinen neuen untergebenen Offizier heraus.

«Wenn Sie einmal darüber nachdenken, Sir», sagte Coffman mit jugendlicher Leidenschaft, «haben wir überhaupt keine richtigen Generäle, nicht wie die Yankees, aber trotzdem gewinnen wir Schlachten. Ich vermute, das liegt daran, dass der Südstaatler unbesiegbar ist.»

«Und was ist mit Robert Lee?», fragte Starbuck. «Ist er auch kein richtiger General?»

«Lee ist alt! Er ist vorsintflutlich!», sagte Coffman, schockiert darüber, dass Starbuck den Namen des neuen Kommandanten der Armee von Nordvirginia überhaupt ins Spiel gebracht hatte. «Er muss mindestens fünfundfünfzig sein!»

«Aber Jackson ist nicht alt», hielt Starbuck ihm entgegen. «Er ist noch nicht einmal vierzig.»

«Aber er ist verrückt, Sir. Im Ernst! Wir haben ihn immer Tom Fool genannt.»

«Dann muss er ja verrückt sein», foppte Starbuck Coffman. «Und warum gewinnen wir dann Schlachten, obwohl wir verrückte Generäle, uralte Generäle oder überhaupt keine Generäle haben?»

«Weil den Südstaatlern der Kampf im Blut liegt, Sir. Deswegen!» Coffman war ein lebhafter junger Mann und entschlossen, ein Held zu werden. Sein Vater war an der Schwindsucht gestorben und hatte seine Mutter mit vier jungen Söhnen und zwei kleinen Töchtern allein zurückgelassen. Der Tod seines Vaters hatte Coffman gezwungen, nach dem ersten Jahr von der Militärakademie Virginia abzugehen, aber dieses eine Jahr Militärausbildung hatte ihn mit einer Fülle martialischer Theorien versorgt. «Die Nordstaatler», erklärte er nun Starbuck, «haben verwässertes Blut. Im Norden gibt es zu viele Einwanderer, Sir. Aber der Süden hat reines Blut, Sir. Echtes Amerikanerblut.»

«Sie halten die Yankees für eine minderwertige Rasse?»

«Das ist eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache, Sir. Sie haben ihren reinrassigen Stamm verloren, Sir.»

«Sie wissen schon, dass ich ein Yankee bin, Coffman, oder?», fragte Starbuck.

Augenblicklich stand Verwirrung in Coffmans Miene, doch bevor er sich noch eine Entgegnung zurechtlegen konnte, wurde er von Colonel Thaddeus Bird unterbrochen, dem Kommandooffizier der Legion, der mit langen Schritten vom hinteren Teil der ins Stocken geratenen Kolonne herankam. «Ist das wirklich Jackson?», fragte Bird, den Blick über den Fluss gerichtet.

«Lieutenant Coffman hier teilt mir gerade mit, dass der eigentliche Name des Generals Old Mad Tom Fool Quadratlatsche Jackson ist, und das dort ist er in der Tat höchstpersönlich», antwortete Starbuck.

«Ah, Coffman», sagte Bird und spähte auf den viel kleineren Lieutenant hinunter, als wäre dieser der Vertreter einer seltenen Spezies und von wissenschaftlichem Interesse. «Ich weiß noch, wie du nichts weiter warst als ein piepsendes Küken, das die minderen Perlen meiner strahlenden Weisheit in sich aufgesogen hat.» Bird war, bevor er zum Soldaten wurde, Lehrer in der Stadt Faulconer Court House gewesen, wo Coffmans Familie wohnte.

«Lieutenant Coffman hat nicht aufgehört, Weisheiten in sich aufzusaugen», klärte Starbuck Bird mit ernster Miene auf, «und auch nicht, sie mit anderen zu teilen, denn gerade eben hat er mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir Yankees eine minderwertige Rasse sind, deren Blut von den Geschlechtern der Einwanderer verdorben, verunreinigt und verwässert wurde.»

«Und damit hat er auch recht!», sagte Bird energisch; dann legte der Colonel dem zierlichen Coffman seinen mageren Arm um die Schultern. «‹Wär mir’s nicht untersagt, junger Coffman, so höb ich eine Kunde an, von der das kleinste Wort die Seele dir zermalmte, dein junges Blut erstarrte, deine Augen wie Stern’ aus ihren Kreisen schießen machte.›» Dann beugte er sich vertraulich dicht ans Ohr des erstaunten Lieutenants. «Wusstest du, Coffman, dass in demselben Augenblick, in dem ein Einwandererschiff an den Docks von Boston anlegt, sämtliche Familien vom Beacon Hill ihre Frauen zum Hafen hinunterschicken, damit sie sich schwängern lassen? Ist das nicht die unbestreitbare Wahrheit, Starbuck?»

«In der Tat, Sir, und wenn das Schiff an einem Sonntag ankommt, schicken sie auch noch ihre Töchter.»

«Boston ist ein äußerst unzüchtiges Pflaster, Coffman», sagte Bird todernst, während er wieder einen Schritt von dem Lieutenant wegtrat, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, «und wenn ich dir auf dieser schlimmen, schlechten Welt nur einen einzigen Rat geben dürfte, wäre es, diesen Ort zu meiden. Mach einen Bogen darum, Coffman! Betrachte Boston, wie du Sodom und Gomorrha betrachten würdest. Streich es von der Liste deiner Reiseziele. Hast du mich verstanden, Coffman?»

«Ja, Sir», sagte Coffman vollkommen ernst.

Starbuck lachte über die Miene seines Lieutenants. Coffman war am Tag zuvor mit einem Kommando neuer Rekruten angekommen, um die Ausfälle von Gaines’ Mill und Malvern Hill auszugleichen. Die meisten dieser Rekruten waren in den Gassen von Richmond angeworben worden und wirkten auf Starbuck wie eine Bande dürrer und durchtriebener Kerle von zweifelhafter Verlässlichkeit, aber Franklin Coffman war, wie die ursprünglichen Mitglieder der Legion, ein Freiwilliger aus Faulconer County und voller Begeisterung für die Sache des Südens.

Colonel Bird hörte auf, den Lieutenant zu necken, und zupfte an Starbucks Ärmel. «Nate», sagte er, «auf ein Wort.» Die beiden Männer gingen von der Straße weg, überquerten einen seichten Graben und kamen auf eine Wiese, die unter der sommerlichen Hitzewelle fahl und bräunlich geworden war. Starbuck hinkte, nicht weil er verletzt gewesen wäre, sondern weil sich die Sohle seines rechten Stiefels teilweise vom Oberleder gelöst hatte. «Liegt es an mir?», fragte Bird, als die beiden Männer über das vertrocknete Gras schritten. «Werde ich immer klüger oder werden die Jungen immer dümmer? Und der junge Coffman, das können Sie glauben oder nicht, war schlauer als die meisten der Kinder, die ich das Unglück hatte unterrichten zu müssen. Ich erinnere mich, dass er die Bildung des Gerundiums schon nach einem einzigen Vormittag beherrschte!»

«Ich bin nicht sicher, ob ich das Gerundium jemals beherrscht habe», sagte Starbuck.

«Das ist keine große Kunst», sagte Bird, «man muss sich nur bewusst machen, dass es Substantive sind, die …»

«Und ich bin auch nicht sicher, dass ich das verdammte Zeugs jemals beherrschen will», unterbrach ihn Starbuck.

«Dann suhlen Sie sich weiter in Ihrer Unwissenheit», sagte Bird großspurig. «Aber Sie müssen auch auf den jungen Coffman aufpassen. Ich könnte es nicht ertragen, seiner Mutter von seinem Tod schreiben zu müssen, und ich habe das schreckliche Gefühl, dass er eine alberne Tapferkeit an den Tag legen wird. Er ist wie ein Hundewelpe. Schwanz hoch, Nase feucht und kann es kaum erwarten, mit den Yankees Krieg zu spielen.»

«Ich passe auf ihn auf, Pecker.»

«Aber auf sich selbst müssen Sie auch aufpassen», erwiderte Bird bedeutsam. Er blieb stehen und sah Starbuck in die Augen. «Es gibt da so ein Gerücht, es ist nur ein Gerücht, und Gott weiß, dass ich nur sehr ungern Gerüchte weiterverbreite, aber dieses hat einen unangenehmen Beiklang. Man hat Swynyard sagen hören, dass Sie die nächste Schlacht nicht überleben werden.»

Starbuck tat diese Prophezeiung mit einem Grinsen ab. «Swynyard ist ein Säufer, kein Hellseher.» Dennoch überlief ihn ein Schauder. Er war nun lange genug Soldat, um unmäßig abergläubisch zu sein, und kein Mann hört gern die Vorhersage seines eigenen Todes.

«Angenommen», sagte Bird und nahm zwei Zigarren aus seinem Hutband, «dass Swynyard beschlossen hat, es zu arrangieren?»

Starbuck sah seinen Colonel ungläubig an. «Meinen Tod zu arrangieren?», fragte er schließlich.

Bird strich ein Zündholz an und beugte sich über die Flamme. «Colonel Swynyard», verkündete er theatralisch, als seine Zigarre richtig zog, «ist ein besoffenes Schwein, ein Tier, ein teiggesichtiger Schwachkopf, ein Sklave der Natur und ein Höllensohn, aber er ist auch, Nate, ein überaus bösartiger Gauner, und falls er einmal nicht betrunken ist, muss ihm klar werden, dass er dabei ist, das Vertrauen unseres großen und verehrten Anführers zu verlieren. Weshalb er nun versuchen muss, etwas zu tun, was unserem hochgeschätzten Herrn und Meister gefällt. Sie loswerden.» Die letzten beiden Worte stieß er grob hervor.

Starbuck setzte sich mit einem Lachen über sie hinweg. «Glauben Sie, dass mir Swynyard eine Kugel in den Rücken jagt?»

«Ich weiß nicht, wie er Sie umbringen will. Ich weiß nur, dass er es gerne tun würde und dass es Faulconer gefallen würde, wenn er Sie tötet, und nach allem, was ich außerdem weiß, ist der General bereit, Swynyard mit einer ansehnlichen Summe in bar zu belohnen, wenn es ihm gelingt, Sie umzubringen. Also seien Sie vorsichtig, Nate, oder gehen Sie zu einem anderen Regiment.»

«Nein», sagte Starbuck sofort. Die Legion Faulconer war sein Zuhause. Er war Bostoner, ein Nordstaatler, ein Fremder in einem fremden Land, der in der Legion eine Zuflucht in seinem Exil gefunden hatte. Die Legion versorgte Starbuck mit zwangloser Freundlichkeit und einem ganzen Schwarm von Freunden, und diese Bande der Zuneigung waren viel stärker als die kühle Feindseligkeit Washington Faulconers. Diese Feindseligkeit hatte sich verstärkt, als Faulconers Sohn Adam aus der Südstaatenarmee desertiert war, um für die Yankees zu kämpfen, eine Untreue, für die Brigadegeneral Faulconer Captain Starbuck verantwortlich machte. Doch nicht einmal ihr Rangunterschied konnte Starbuck dazu bringen, seinen Kampf gegen den Mann aufzugeben, der die Legion gegründet hatte und die inzwischen fünf Regimenter der Brigade Faulconer befehligte, einschließlich der Legion. «Und ich muss auch gar nicht weglaufen», erklärte er Bird. «Faulconer wird nämlich nicht länger als Swynyard durchhalten. Faulconer ist ein Feigling und Swynyard ein Säufer, und noch bevor der Sommer zu Ende ist, Pecker, werden Sie der Brigadekommandant sein und ich der Befehlshaber der Legion.»

Bird johlte entzückt. «Sie sind unverbesserlich selbstgefällig, Nate. Sie! Die Legion befehligen? Ich könnte mir vorstellen, dass Major Hinton und das Dutzend weiterer Männer, die im Rang über Ihnen stehen, da eine andere Meinung vertreten würden.»

«Die haben vielleicht einen höheren Rang, aber ich bin der Beste.»

«Oho, leiden Sie denn immer noch unter dem Irrglauben, dass auf dieser Welt Verdienste belohnt werden? Ich vermute, diese Ansicht haben Sie mit all dem anderen Unsinn angenommen, mit dem Sie in Yale vollgestopft wurden, wo man daran gescheitert ist, Ihnen die Beherrschung des Gerundiums beizubringen.» Bird, dem es gelungen war, auf diese Weise eine Spitze auf Starbucks Alma Mater loszulassen, lachte hämisch. Sein Kopf ruckte dabei vor und zurück, und das war die zuckende Bewegung, die ihm seinen Spitznamen Pecker – der Specht – eingebracht hatte. Starbuck stimmte in das Lachen ein, denn wie alle anderen in der Legion mochte er Bird enorm. Der Schulmeister war exzentrisch, eigensinnig, widerspenstig und einer der menschlichsten Zeitgenossen, die man sich vorstellen konnte. Zudem hatte sich herausgestellt, dass er ein unerwartetes Talent für das Kriegshandwerk besaß. «Endlich geht es weiter», sagte Bird nun und deutete auf die ins Stocken geratene Marschkolonne, die sich jetzt näher an die Furt heranbewegte, wo die merkwürdige einsame Gestalt Jacksons bewegungslos über seinem schäbigen Gaul abwartete. «Sie schulden mir zwei Dollar», tat Bird kund, als er Starbuck voraus wieder zur Straße ging.

«Zwei Dollar!»

«Major Hintons fünfzigster Geburtstag droht. Lieutenant Pine hat mir versichert, dass er einen Schinken besorgen kann, und ich werde bei unserem geliebten Anführer etwas Wein herausschlagen. Wir müssen eine Feier bezahlen.»

«Ist Hinton wirklich schon so alt?»

«Das ist er in der Tat, und falls Sie so lange leben, werden wir Ihnen zu Ehren zweifellos ein Besäufnis ausrichten. Haben Sie zwei Piepen?»

«Ich habe nicht mal zwei Cent», sagte Starbuck. Er hatte etwas Geld in Richmond, aber dieses Geld war sein Polster für schlechte Zeiten und nicht dazu gedacht, für Schinken und Wein vergeudet zu werden.

«Ich werde Ihnen das Geld leihen», sagte Bird mit einem recht verzweifelten Seufzer. Die meisten Offiziere der Legion hatten private Mittel, doch Colonel Bird musste ebenso wie Starbuck mit dem spärlichen Sold eines Offiziers der Konföderierten auskommen.

Die Männer der Kompanie H standen auf, als Starbuck und Bird auf die Straße zukamen, doch einer der neu angekommenen Rekruten blieb auf dem Gras am Straßenrand liegen und jammerte, dass er nicht einen einzigen Schritt weiterkönne. Seine Belohnung war ein Tritt in die Rippen von Sergeant Truslow. «Das können Sie nicht mit mir machen!», protestierte der Mann und krabbelte zur Seite, um Truslow zu entkommen.

Truslow packte den Mann an der Jacke und zog sein Gesicht dicht an sein eigenes. «Pass mal auf, du Hundesohn, ich kann dir sogar deinen dreckigen Bauch aufschlitzen und deine Eingeweide als Schweinefutter an die Yankees verkaufen, wenn ich will, und nicht weil ich ein Sergeant bin und du ein einfacher Soldat, sondern weil ich ein gemeiner Hundesohn bin und du eine feige Laus. Und jetzt steh auf, verdammt noch mal, und marschier weiter.»

«Welch anheimelnde Worte von unserem guten Sergeant», sagte Bird, als er über den Graben zurücksprang. Er zog an seiner Zigarre. «Also kann ich Sie nicht dazu bringen, in ein anderes Regiment einzutreten, Nate?»

«Nein, Sir.»

Pecker Bird schüttelte betrübt den Kopf. «Sie sind ein Narr, Nate, aber seien Sie um Gottes willen ein vorsichtiger Narr. Aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen würde es mir leidtun, Sie zu verlieren.»

«Einreihen!», rief Truslow.

«Ich werde vorsichtig sein», versprach Starbuck und schloss sich wieder seiner Kompanie an. Seine sechsunddreißig Veteranen waren schlank, braungebrannt und zerlumpt. Ihre Stiefel fielen auseinander, ihre grauen Uniformröcke waren mit gewöhnlichen braunen Stoffstücken geflickt, und ihre weltlichen Besitztümer beschränkten sich auf das, was ein Mann an seinen Gürtelstrick hängen oder in die Decke stecken konnte, die er zusammengerollt über der Schulter trug. Die zwanzig Rekruten bildeten dazu einen misslichen Kontrast mit ihren neuen Uniformen, ihren Brogans – klobigen Lederstiefeln – und den steifen Tornistern. Ihre Gesichter waren blass und die Mündungen ihrer Gewehre noch nicht vom Schießpulver geschwärzt. Sie wussten, dass dieser Marsch nordwärts durch die zentralen Countys von Virginia vermutlich eine unmittelbar bevorstehende Schlacht bedeutete, aber was diese Schlacht bringen würde, war ihnen ein Rätsel, während die Veteranen nur allzu gut wussten, dass ein Kampf Schreie und Blut und Verwundungen und Schmerz und Durst verhieß, aber vielleicht auch einen Haufen erbeutete Yankee-Dollars oder einen Beutel echten Kaffee, den man einer faulenden, von Maden wimmelnden Nordstaatenleiche abnehmen konnte. «Weitermarschieren!», rief Starbuck und reihte sich neben Lieutenant Franklin Coffman an der Spitze der Kompanie ein.

«Sie werden schon noch sehen, ob ich recht habe, Sir», sagte Coffman. «Old Mad Jack hat größere Hufe als ein Ackergaul.»

Als Starbuck in die Furt kam, schaute er dem General auf die Füße. Sie waren tatsächlich riesig. Ebenso wie Jacksons Hände. Aber das Ungewöhnlichste an allem war, dass der General noch immer seine Hand mitten in die Luft hob wie ein Kind, das um die Erlaubnis ersucht, das Klassenzimmer zu verlassen. Starbuck wollte Coffman gerade nach einer Erklärung fragen, als sich der General überraschend bewegte. Er wandte den Blick vom Wasser ab und richtete ihn auf Starbucks Kompanie. «Coffman!», rief er unvermittelt mit schriller Stimme. «Kommen Sie her, Junge.»

Coffman stolperte aus der Furt und rannte beinahe zu dem General. «Sir?»

Jackson mit dem struppigen Bart sah stirnrunzelnd aus dem Sattel herunter. «Erinnern Sie sich noch an mich, Coffman?»

«Ja, Sir, selbstverständlich, Sir.»

Jackson ließ langsam seine linke Hand sinken, als befürchtete er, sich durch eine zu schnelle Bewegung den Arm zu verletzen. «Es hat mir leidgetan, dass Sie vorzeitig von der Akademie abgehen mussten, Coffman. Es war nach Ihrem Kadettenjahr, nicht wahr?»

«Ja, Sir. So war es, Sir.»

«Weil Ihr Vater gestorben ist?»

«Ja, Sir.»

«Und Ihre Mutter, Coffman? Geht es ihr gut?»

«Allerdings, Sir. Ja, Sir, danke, Sir.»

«Ein Todesfall in der Familie ist ein schrecklicher Kummer, Coffman», tat der General kund, dann änderte er langsam seine steife Haltung und beugte sich zu dem schlanken, blonden Lieutenant vor, «ganz besonders für diejenigen, die sich nicht im Stand der Gnade befinden. Befinden Sie sich im Stand der Gnade, Coffman?»

Coffman errötete, runzelte die Stirn, dann brachte er ein Nicken zustande. «Ja, Sir. Ich glaube, schon, Sir.»

Jackson richtete sich wieder so steif auf, als hätte er einen Stock verschluckt, und so langsam er die linke Hand gesenkt hatte, so langsam hob er sie wieder in die Luft. Er wandte den Blick von Coffman ab und starrte in die vor Hitze wabernde Ferne. «Sie werden es äußerst schwierig finden, Ihrem Schöpfer zu begegnen, wenn Sie sich Seiner Gnade nicht sicher sind», sagte der General freundlich, «also lesen Sie Ihre Bibel und sagen Sie Ihre Gebete auf, Junge.»

«Ja, Sir, das werde ich, Sir», sagte Coffman. Er stand unbehaglich da und wartete darauf, dass der General weitersprach, doch Jackson schien wieder in seine Trance verfallen, und so drehte sich der Lieutenant um und ging zu Starbuck zurück. Die Legion marschierte weiter, und der Lieutenant blieb schweigsam, während die Straße zwischen kleinen Weideflächen, vereinzelten Wäldchen und bescheidenen Bauerngehöften anstieg. Erst nach gut zwei Meilen brach Coffman sein Schweigen. «Er ist ein großer Mann», sagte der Lieutenant, «nicht wahr, Sir? Ist er nicht ein großer Mann?»

«Tom Fool?», mokierte sich Starbuck.

«Ein großer Mann, Sir», rügte Coffman Starbuck.

«Wenn Sie es sagen», erwiderte Starbuck, obwohl alles, was er wusste, war, dass Old Mad Jack einen großen Ruf als Marschierer genoss und dass Männer starben, wenn Old Mad Jack zu einem Marsch aufbrach. Und sie marschierten nun, marschierten Richtung Norden, und nach Norden zu gehen bedeutete nur eins: Yankees voraus. Was wiederum hieß, dass es bald eine Schlacht geben würde, und dieses Mal, sofern Pecker recht hatte, würden Starbucks Feinde nicht nur vor ihm sein, sondern auch hinter ihm. Starbuck marschierte weiter. Ein Narr auf dem Weg in den Kampf.

 

Mit rumpelnden Waggons, zischendem Dampf und dem Läuten der Lokomotivglocke hielt der Mittagszug beim Eisenbahnknotenpunkt Manassas Junction. Sergeants erhoben ihre Stimme über das mechanische Getöse und scheuchten Truppenangehörige aus den Waggons und auf den Sandplatz, der sich zwischen den Gleisen und den Lagerhäusern erstreckte. Die Soldaten sprangen vom Zug, froh, den engen Waggons zu entkommen, und begeistert darüber, in Virginia zu sein. Manassas Junction lag zwar nicht an der Frontlinie, war aber immerhin Teil eines Rebellenstaates, und so sahen sie sich genau um, als sei die Landschaft so wundersam und fremdartig wie die nebelverhangenen Berge des geheimnisvollen Japans oder des fernen Cathays.

Die ankommenden Soldaten waren zumeist siebzehn- oder achtzehnjährige Burschen aus New Jersey und Wisconsin, aus Maine und Illinois, aus Rhode Island und Vermont. Es waren Freiwillige, frisch eingekleidet und ungeduldig darauf aus, an diesem neuen Angriff auf die Konföderation teilzunehmen. Sie brüsteten sich damit, dass sie Jefferson Davis, den Präsidenten der Südstaaten, an einem Apfelbaum aufknüpfen würden, und prahlten, sie würden durch Richmond marschieren und die Rebellennester ausräuchern wie einen rattenverseuchten Kornspeicher. Sie waren jung und unverwüstlich, strotzend vor Selbstbewusstsein, doch auch ein wenig eingeschüchtert von der Wildheit dieser fremden Umgebung.

Denn Manassas Junction war wenig einladend. Das Eisenbahndepot war einmal von den Truppen des Nordens geplündert, beim Rückzug der Konföderierten erneut zerstört und dann hastig von Bauunternehmern aus dem Norden wiederaufgebaut worden, sodass nun zwischen Abstellgleisen und von Unkraut überwucherten Wiesen weit und breit nur schäbige Lagerhäuser aus rohen Balken standen, die vollgestellt waren mit Kanonen und Protzen und Munitionskisten und tragbaren Schmieden und Lazarettwagen und Fuhrwerken. Stündlich kamen weitere Vorräte und Waffen an, denn dies war das Versorgungsdepot, das den Nachschub für den Sommerfeldzug von 1862 liefern sollte, mit dem der Rebellion ein Ende gesetzt und die Vereinigten Staaten von Amerika wiederhergestellt würden. Die weit verteilten Gebäude wurden immerzu von über ihnen hängendem schmierigem Rauch beschattet, der aus den Schmieden, den Lokschuppen und den Feuerbüchsen der Lokomotiven aufstieg, die Güterwaggons und Personenwagen nach Manassas Junction zogen.

Zwei Kavallerieoffiziere warteten bei dem Depot. Sie hatten offenkundig einige Anstrengungen unternommen, um sich präsentabel herzurichten, denn ihre Uniformröcke waren makellos sauber gebürstet, ihre Sporenstiefel glänzten, und ihr ledernes Gurtzeug war gewichst. Der Ältere von ihnen hatte die Lebensmitte erreicht und wurde langsam kahl. Er hatte ein freundliches Gesicht und bauschige Koteletten. Sein Name lautete Major Joseph Galloway, und er hielt einen befiederten Hut in den nervösen Händen. Sein Begleiter war wesentlich jünger, gutaussehend und blond, mit einem eckig gestutzten Vollbart, breiten Schultern und einem offenen Gesichtsausdruck, der vertrauenerweckend wirkte. Auf seinem Uniformrock prangten die Streifen eines Captains.

Beide Männer stammten aus Virginia, doch beide kämpften für den Norden. Joseph Galloway hatte ganz in der Nähe von Manassas Landbesitz, und sein Gutshof war nun das Basislager für ein Kavallerieregiment der Nordstaaten, für das er ausschließlich Südstaatler rekrutiert hatte, die Washington gegenüber loyal waren. Die meisten Kavalleristen aus Galloways Reiterregiment waren Freiwillige aus den Grenzstaaten, dem umstrittenen Gebiet Marylands und den westlichen Countys von Virginia, doch viele waren auch Flüchtlinge aus den Konföderierten Staaten selbst. Galloway hegte keinerlei Zweifel daran, dass einige seiner Männer vor allem vor der Justiz der Südstaaten auf der Flucht waren, aber die Mehrheit waren Idealisten, die für den Erhalt der Union kämpften, und es war Galloways Einfall gewesen, diese Männer für Aufklärungsmissionen weit hinter den Linien der Rebellen einzusetzen. Die Nordstaatler waren solide, tüchtige Reiter, aber sie bewegten sich in Virginia als Fremde, folglich waren sie ängstlich im Vergleich zu den Haudegen aus den Südstaaten, die darauf zählen konnten, dass es in Virginia in jedem Dorf und jedem Weiler Sympathisanten gab, die bereit waren, sie zu verstecken und mit Lebensmitteln zu versorgen. Galloways Gedanke war es gewesen, ein Regiment aufzustellen, dessen Männer wie geborene Südstaatler durch die Rebellenstaaten reiten konnten, doch die Idee hatte in Washington nur halbherzige Unterstützung gefunden. Stellen Sie das Regiment auf, hatten die Bürokraten von der Regierung zu Major Galloway gesagt, dann lassen wir uns vielleicht dazu herab, es einzusetzen, aber nur, wenn es ordentlich mit Waffen, Pferden und Uniformen ausgestattet ist.

Und aus diesem Grund warteten nun Major Galloway und Captain Adam Faulconer auf einen Passagier, der mit dem gerade eingetroffenen Mittagszug ankommen sollte. Die beiden Kavallerieoffiziere kämpften sich in Gegenrichtung durch die Flut aufgeregter Soldaten zum letzten Waggon des Zuges, der für bedeutendere Passagiere reserviert worden war als das einfache Kanonenfutter. Ein Gepäckträger klappte die Treppe des Waggons herunter, und zwei Ladys, die sich mit ihren Reifröcken kaum durch die enge Türöffnung schieben konnten, wurde heruntergeholfen. Nach den Damen kam eine Gruppe hochrangiger Offiziere, die Schnurrbärte getrimmt, die Uniformen abgebürstet und die Gesichter gerötet von der Hitze des Sommertages und dem Genuss des Whiskeys der Eisenbahngesellschaft. Einer der Offiziere, der jünger war als die anderen, trat von der Gruppe weg und rief einer Ordonnanz zu, sie solle Pferde bringen. «Hopp, hopp! Pferde für den General!», rief der Adjutant. Die beiden Sonnenschirme der Ladys schaukelten mit ihrem weißen Spitzenbesatz durch den Tabaksnebel und den Schwarm dunkler Uniformhüte.

Als Letzter tauchte aus dem Waggon ein dünner, großer und schon älterer Zivilist mit weißem Haar und Bart, grimmigem Blick und einem hageren, strengen Gesicht auf. Seine Wangen waren eingefallen, seine Römernase wirkte genauso herrisch wie sein Blick, er trug einen schwarzen Gehrock, einen Zylinder und trotz der Hitze eine bis oben zugeknöpfte Weste, über welche die gestärkten Enden eines weißen Beffchens herabhingen. In der einen Hand hielt er eine kastanienbraune Reisetasche, in der anderen einen Ebenholzstock, mit dem er einen schwarzen Bediensteten wegschob, der gerade die Kabinenkoffer der Damen auf einen Handkarren lud. Die Geste war resolut und gedankenlos, das Vorgehen eines Mannes, der autoritäres Verhalten gewohnt war.

«Das ist er», sagte Adam, denn er erkannte den Geistlichen, den er kurz vor Kriegsausbruch in Boston hatte predigen hören.

Major Galloway schob sich durch die Menge auf den weißhaarigen Mann zu. «Sir?», rief er dem Prediger entgegen. «Doctor Starbuck, Sir?»

Reverend Elial Joseph Starbuck, Doktor der Theologie, Verfasser von Streitschriften und der berühmteste aller Abolitionisten des Nordens, blickte seinem Empfangskomitee finster entgegen. «Sie müssen Galloway sein. Und Sie sind Faulconer? Gut. Meine Tasche.» Er drückte seine Reisetasche Adam in die zur Begrüßung ausgestreckte Hand.

«Hatten Sie eine angenehme Reise, Sir?», erkundigte sich Galloway, während er seinen Gast zur Straße führte.

«Sie wurde zusehends unangenehmer, Galloway, denn ich bin ja in den Süden gefahren. Ich musste zu dem Schluss kommen, dass die Ingenieurskunst ihren Höhepunkt in New England erreicht hat und dass die Beförderungsmittel, je weiter man sich von Boston entfernt, desto unbequemer werden.» Reverend Starbuck verkündete dieses Urteil mit einer Stimme, die darin geschult war, bis in die letzten Winkel der größten Kirchen und Vortragssäle Amerikas zu dringen. «Die Schienen des Südens, muss ich sagen, sind ausgesprochen holprig. Unzweifelhaft das minderwertige Produkt einer Sklavenhaltergesellschaft. Wird von mir erwartet, zu meinem Bestimmungsort zu laufen?», wollte der Reverend wissen und blieb unvermittelt stehen.

«Nein, Sir. Ich habe einen Pferdewagen.» Galloway wollte Adam bitten, die Kutsche zu holen, doch dann stellte er fest, wie sehr sich Adam mit der schweren Reisetasche des Pfarrers mühen musste. «Ich hole sie sofort, Sir. Sie steht nicht weit weg.»

Reverend Starbuck entließ Galloway mit einer Geste, dann beäugte er mit leidenschaftlicher Neugier eine Gruppe Zivilisten, die darauf wartete, dass die Post aus dem Dienstabteil des neu eingetroffenen Zuges ausgeladen wurde. «Haben Sie Spurzheims Ausführungen zur Phrenologie gelesen?», wollte er von Adam wissen.

«Nein, Sir», gab Adam zurück, den diese ganz unvermittelt gestellte Frage überraschte.

«Die Wissenschaft hat uns viel zu lehren», verkündete Reverend Starbuck, «solange wir nicht vergessen, dass all ihre Schlussfolgerungen der Bestätigung und Korrektur des Allmächtigen unterliegen, aber es interessiert mich, diese Beweise für Spurzheims Abhandlung zu beobachten.» Er hob seinen Stock in Richtung der wartenden Zivilisten. «Der Einwohner New Englands besitzt im Allgemeinen edel geschwungene Augenbrauen. Sein Schädelumriss weist auf Intelligenz, Nächstenliebe, Klugheit und Standvermögen hin, doch schon in diesen oberen Regionen des Südens stelle ich fest, dass die Schädelformen Verdorbenheit, Streitlust, Zerstörungswut und eine klar ausgeprägte Veranlagung zum Schwachsinn verraten.»

Adams Gewissensqualen, ebenso wie sein tief verwurzelter Patriotismus, hatten ihn zwar dazu bringen können, gegen das Land seines Vaters zu kämpfen, doch er war immer noch ein Sohn Virginias, und die Kritik des Predigers aus den Nordstaaten ließ ihn auffahren. «War nicht auch George Washington ein Südstaatler, Sir?», bemerkte er steif.

Doch Reverend Starbuck war ein zu erprobter Polemiker, um sich in Widerrufungen zu verstricken. «George Washington, junger Mann, war, ebenso wie Sie selbst, ein Produkt der Oberschicht. Meine Beobachtungen beschränken sich ausschließlich auf das gewöhnliche Volk. Der General dort, sehen Sie ihn?» Der herrische Stock verfehlte knapp einen Artilleriesergeant, als er auf einen korpulenten Offizier gerichtet wurde, der mit Reverend Starbuck im Passagierwaggon gereist war.

«Ich sehe ihn, Sir», sagte Adam und fragte sich, welche Charakterzüge der Schädel des Generals wohl verriet.

Doch Reverend Starbuck hatte das Thema der Phrenologie bereits hinter sich gelassen. «Das ist Pope», erklärte der Pfarrer. «Er war so freundlich, mir während der Fahrt seinen Respekt zu zollen. Ein wirklich gutaussehender Mann.»

Interessiert betrachtete Adam den neuen Befehlshaber der Armee von Nordvirginia. General John Pope hatte eine kräftige Gesichtsfarbe, einen buschigen Bart und war ein selbstbewusst wirkender Mann mit intelligentem Blick. Falls die Phrenologie ein zuverlässiger Schlüssel zu den Eigenschaften eines Mannes war, dann wiesen Popes hohe Stirn und seine solide, kräftige Erscheinung darauf hin, dass er tatsächlich zu dem Retter werden könnte, den der Norden seit dem Ausbruch dieses traurigen Krieges suchte. John Pope hatte sich bei den Kämpfen am Mississippi bewiesen und war nun weiter in den Westen beordert worden, um seine Wunder in den unbeugsamen ländlichen Gebieten Virginias zu wirken, in denen ein Nordstaatengeneral nach dem anderen überlistet und dann von der zerlumpten Rebellenarmee besiegt worden war.

«Pope hat die richtigen Einfälle», fuhr Reverend Starbuck begeistert fort. «Es hat keinen Sinn, mit Aufständischen sanft umzugehen. Ungehorsam verlangt Strafe, und Trotz verlangt Vergeltung. Die Sklavenhaltergesellschaft muss besiegt werden, Faulconer, und ihr Land in Schutt und Asche gelegt. Pope wird handeln, das hat er mir versichert. Er ist der rechte Mann für Gottes Werk.» Und in der Tat hatte General Pope, kaum dass er zum Befehlshaber der Armee von Virginia ernannt worden war, verkündet, es habe nun eine Ende mit der alten Politik, nach der die Zivilisten in den Südstaaten mit Respekt behandelt wurden. Künftig würden sich die Soldaten der Nordstaaten von den Bewohnern des Südens nehmen, was sie brauchten, und jeder Südstaatler, der sich solchen Plünderungen widersetzte, würde bestraft werden. Reverend Starbuck begrüßte diesen Pflichteifer Popes. «Der Südstaatler», belehrte der Pastor nun Adam, «versteht nur eine Sprache. Brutale Gewalt. Es ist die Sprache, die er benutzt hat, um die Schwarzen zu unterdrücken, und es ist die Sprache, die nun benutzt werden muss, um ihn selbst zu unterdrücken. Meinen Sie nicht auch?»

«Ich denke, Sir», sagte Adam diplomatisch, «dass der Norden sehr bald den Sieg erringen muss.»

«Ganz recht, ganz recht», sagte Reverend Starbuck, nicht ganz sicher, ob er nun eine Zustimmung gehört hatte oder nicht. Und diese Zustimmung verdiente er ganz gewiss, denn es war die Großzügigkeit Reverend Starbucks, von der sowohl die Zukunft Adams als auch die von Galloways Reiterregiment abhingen. Adam war ohne einen Penny aus dem Süden desertiert, aber es war sein Glück gewesen, dass er Major James Starbuck kannte, den ältesten Sohn des Pastors, und es war James gewesen, der Adam von Galloways Reitern erzählt und angedeutet hatte, sein berühmter Vater wäre möglicherweise in der Lage, Adam mit den notwendigen Mitteln auszustatten, um in das Regiment eintreten zu können.

Wie sich herausstellte, war Reverend Doctor Starbuck nur allzu bereit, das Geld vorzuschießen. Zu alt für den Kampf, aber zu leidenschaftlich, um das Kampfgeschehen nicht mitzuverfolgen, hatte er machtlos zugesehen, wie der Norden in Virginia Niederlage um Niederlage erlitt. Diese Niederlagen hatten den Reverend dazu gebracht, eigenes Geld und Geld von seiner Kirche zur Aufstellung und Ausrüstung von Regimentern aus Massachusetts beizusteuern, nur um erleben zu müssen, wie diese Regimenter in die Katastrophe geführt wurden. Andere Männer, unbedeutendere Männer, hätten ihre Anstrengungen wohl eingestellt, doch die Niederlagen hatten den Eifer des Pastors nur noch angestachelt, und aus diesem Grund hatte sich der Reverend Starbuck schnell bereit erklärt, als sich die Gelegenheit bot, etwas zur Aufstellung von Galloways Reitern beizutragen. Er unterstützte nicht nur Adam, sondern spendete dem gesamten Regiment Waffen und Munition im Wert von fünfzehntausend Dollar. Das Geld war nicht sein eigenes, es war von gottesfürchtigen Sklavereigegnern in New England aufgebracht worden. «Früher», erklärte er Galloway und Adam, als sie in der Kutsche von Manassas aus westwärts fuhren, «haben wir solche wohltätigen Spenden für unsere Arbeit im Süden eingesetzt. Wir haben Traktate verteilt, Sonntagsschulen für Schwarze eingerichtet und natürlich Nachforschungen über die Sünden der Sklavenhaltergesellschaft angestellt, aber jetzt, wo wir von unseren Unternehmungen abgeschnitten sind, suchen wir nach anderen Investitionsmöglichkeiten für unsere Wohltätigkeit.»

«Es muss doch gewiss viel für das Wohl entflohener Sklaven aufgewendet werden?», fragte Adam und hoffte zugleich, dass er Galloway und sich selbst mit dieser Frage nicht um ihre Zuwendungen brachte.

«Die werden schon üppigst versorgt. Üppigst!» Der missbilligende Ton Reverend Starbucks legte nahe, dass die Sklaven, denen es gelungen war, in den Norden zu entkommen, mit Luxus verzärtelt wurden und nicht etwa in unhygienischen, notdürftig errichteten Lagern ums Überleben kämpften. «Wir müssen die Sklaverei an der Wurzel packen, nicht einige wenige kranke Blätter von den oberen Zweigen pflücken.» Adam, der den Zorn hinter diesen Worten wahrnahm, vermutete, dass Reverend Starbuck viel eifriger darauf aus war, die Sklavenhalter zu strafen, als tatsächlich die Sklaven zu befreien.

Die Kutsche fuhr die leichte Anhöhe von New Market hinauf, durchquerte dichten Wald, und dann ging es wieder hügelabwärts in Richtung einer Mautstraße namens Warrenton Turnpike. Beim Fahren wies Major Galloway auf die berühmten Wahrzeichen der Schlacht hin, die hier im Sommer zuvor geschlagen worden war. Da waren die Ruinen des Hauses, in dem die Witwe von Surgeon Henry, wie der Schiffsarzt der USS Constitution genannt wurde, im Granatenbeschuss umgekommen war, und das Haus der Matthews, das man als Lazarett benutzt hatte. Als die Kutsche die Sudley Road nördlich des Turnpikes hinunterratterte, deutete Galloway zu der Stelle, an der vom gegenüberliegenden Flussufer aus ein Flankenangriff der Nordstaatler gestartet worden war, doch während seiner Schilderung der Ereignisse wurde ihm bewusst, dass der Bostoner Pastor nur sehr verhalten darauf reagierte. Reverend Doctor Elial Starbuck wollte keine Führung durch das Gelände der ersten Niederlage des Nordens; er wollte nur hören, dass der Norden siegen würde, und so erstarb das Gespräch, während Galloway die Kutsche auf einen Weg steuerte, der zu dem Gutshof führte, den er von seinem Vater geerbt hatte.

Major Galloway, ein sanftmütiger Mann, war nervös in der Gegenwart des berühmten Abolitionisten und erleichtert, als der Reverend verkündete, er habe nicht die Absicht, in dem behaglichen Gutshof zu übernachten, sondern wolle stattdessen den Abendzug nach Culpeper Court House nehmen. «Mein Freund Banks hatte die Liebenswürdigkeit, mich einzuladen», sagte der Pastor und bezog sich damit auf General Nathaniel Banks, der früher Gouverneur von Massachusetts gewesen, nun aber ein Unionsgeneral war und glaubte, dass ein Besuch seines alten Freundes den nachlassenden Kampfgeist seiner Truppen befeuern würde. Für den Kampfgeist des Pastors jedenfalls hatte diese Einladung Wunder gewirkt. Er hatte in Boston mit den Füßen gescharrt, sich aus Zeitungen und Briefen über den Kriegsverlauf informieren müssen, doch nun konnte er persönlich mitverfolgen, was in Virginia vor sich ging, und deshalb hatte er es so eingerichtet, dass er den gesamten Monat August nicht auf seine Predigtkanzel steigen musste. Er betete inniglich darum, dass ein Monat ausreichen würde, um ihn zum ersten Geistlichen aus den Nordstaaten werden zu lassen, der von einer Richmonder Kanzel aus das Evangelium verkündete.

Doch bevor er zu Banks fuhr, hatte sich der Pastor zu einem Treffen mit Major Galloway und seinen Männern bereit erklärt. Er sprach auf der Wiese hinter dem Haus vor Galloways Männern, ermutigte sie dazu, sich für die gerechte Sache einzusetzen, doch seine abrupte Art machte klar, dass er es eilig damit hatte, die Pflichten dieses Tages hinter sich zu bringen und seine Fahrt fortzusetzen. Major Galloway verzichtete taktvoll auf die geplante Vorführung eines Säbelkampfes und führte seinen Gast stattdessen auf das Gutshaus zu, ein beeindruckendes Gebäude, das von großen Eichen beschattet und von weiten Rasenflächen umgeben war. «Mein Vater war ein renommierter Jurist», erklärte Galloway das luxuriöse Haus.

«Und ein Sklavenhalter?», erkundigte sich der Pastor grimmig und deutete mit seinem Ebenholzstock auf die kleinen Blockhäuser, die nördlich des Hauses standen.

«Ich habe alle freigelassen», sagte Galloway hastig. «Wenn ich sie verkauft hätte, Sir», fuhr er fort, «müsste ich kein Geld für das Regiment zusammenbetteln. Ich habe das Landgut mit einer Hypothek belastet, um Mittel aufzubringen, Sir, und das gesamte Geld eingesetzt, um die Pferde und Waffen zu kaufen, die Sie gerade gesehen haben, aber, freiheraus gesagt, Sir, ich habe keine Reserven mehr. Ich habe mich für die Sache der Freiheit an den Bettelstab gebracht.»

«Eine Sache, für die wir alle zu leiden bereit sein müssen, Galloway», erklärte Reverend Starbuck, als er dem Major über die Verandatreppen in die Eingangshalle folgte. Ihre Schritte hallten in dem Haus wie in einem leeren Gebäude, was es auch nahezu war, denn mit Ausnahme der notwendigsten Möbelstücke hatte Galloway all seine Bücher, Bilder, Draperien und Ziergegenstände zum Einlagern in den Norden geschickt, sodass sich seine Nachbarn, die den Aufstand unterstützten, nicht rächen konnten, indem sie seine Wertsachen stahlen. Und wenn die Sachen nicht von seinen Nachbarn gestohlen würden, erklärte er, dann würde es sein eigener Bruder tun. «Mein Bruder kämpft für den Süden, Gott sei’s geklagt», erzählte Galloway dem Pastor, «und er würde nichts lieber tun, als mir das Haus samt Einrichtung abzunehmen.» Er hielt einen Moment inne. «Nichts ist bedauerlicher, Sir, als Familienmitglieder, die auf verfeindeten Seiten kämpfen, nicht wahr?» Reverend Starbucks Antwort war ein grimmiges Knurren, und dieses übellaunige Geräusch hätte Major Galloway davor warnen sollen, das Thema weiterzuverfolgen, doch der Major war ein argloser Mann. «Gehe ich recht in der Annahme, Sir», fragte Galloway, «dass Sie einen Sohn haben, der bei den Rebellen kämpft?»

«Ich weiß nicht, von wem Sie reden», sagte der Pastor und drückte steif den Rücken durch.

«Aber Nate ist doch –», begann Adam, nur um wütend unterbrochen zu werden.

«Ich habe keinen Sohn namens Nathaniel», giftete der Pastor. «Einen Nathaniel Starbuck erkenne ich nicht an. Er ist verloren, er ist verstoßen, nicht nur aus meiner Familie, sondern auch aus der liebenden Gemeinschaft Christi! Er ist ein von Gott Verworfener!» Die letzte Verdammung wurde mit einer Lautstärke heraustrompetet, die auch noch bei starkem Gegenwind eine halbe Meile weit zu hören gewesen wäre.

Galloway erkannte seine Taktlosigkeit und begann hastig und unzusammenhängend von dem Haus und seinen Annehmlichkeiten zu sprechen, bis sie an der Flügeltür der Bibliothek angekommen waren, vor der sie ein großer, beleibter Captain erwartete. Der Captain hatte ein bereitwilliges Lächeln und eine zuvorkommende, freundliche Art. «Darf ich Ihnen meinen stellvertretenden Kommandanten vorstellen?», sagte Galloway zu dem Pastor. «Captain William Blythe.»

«Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Reverend.» Blythe streckte die Hand aus.

«Captain Blythe war vor dem Krieg Pferdehändler», sagte Galloway.

«Das hätten Sie dem Herrn Pfarrer niemals erzählen dürfen, Joe!», sagte Blythe mit einem Lächeln. «Jeder weiß doch, dass wir Pferdehändler die betrügerischsten Kerle diesseits der ewigen Verdammnis sind, aber Gott steh mir bei, Sir» – er hatte sich wieder dem Pastor zugewandt –, «ich habe mich darum bemüht, ein so ehrlicher Pferdehändler zu sein, wie es einem Christenmenschen nur möglich ist.»

«Freut mich zu hören», sagte Reverend Starbuck steif.

«Hundert Cent für einen ehrlichen Dollar, Sir, das war immer mein Wahlspruch», sagte Blythe heiter, «und wenn ich je einen Mann betrogen haben sollte, Sir, ist es nie absichtlich geschehen. Und ich sage Ihnen noch etwas anderes, Sir.» Blythe senkte vertraulich die Stimme. «Wenn ein Geistlicher ein Pferd wollte, wahrhaftig, Sir, dann habe ich auf den Gewinn gepfiffen und manchmal auf noch einiges mehr. Ich gestehe, dass ich nie ein eifriger Kirchgänger war, Sir, sehr zu meinem Bedauern, aber mein Pa hat immer gesagt, eine Portion Gebete hat noch keinem geschadet, und meine gute Ma, Gott hab sie selig, hat sich auf den Dielen des Kirchenbodens die Knie durchgewetzt. Und sie hätte Sie ganz bestimmt gern predigen hören, Sir, denn alle Welt sagt, dass Sie ganz gewaltige Predigten abhalten!»

Reverend Starbuck schien sich über Blythes unverblümte und herzliche Art zu freuen, und zwar so sehr, dass er keinerlei Abscheu zeigte, als der große Captain ihm den Arm um die Schultern legte, um ihn in die Bibliothek voll verwaister Regale zu führen. «Sie sagen, dass Sie kein Kirchgänger sind, Captain», befragte ihn der Pastor, «aber errettet sind Sie, wie ich hoffe?»

Blythe löste seinen Griff, sodass er Reverend Starbuck erstaunt ansehen konnte. «Mit dem Blut des Gotteslamms reingewaschen, Reverend», sagte Blythe in einem Ton, der ausdrückte, wie sehr es ihn schockierte, für einen Heiden gehalten zu werden. «Genau genommen wurde ich damit richtig überspült, Sir. Dafür hat meine teure Ma vor ihrem Tod gesorgt, gelobt sei der Herr, und Gott lasse ihre Seele in Frieden ruhen.»

«Und würde Ihre Mutter, Captain, es auch gutheißen, auf welche Seite Sie sich in diesem Krieg gestellt haben?», fragte Reverend Starbuck.

Captain William Blythe legte die Stirn in Falten, um zu zeigen, wie ernst es ihm war. «Meine teure Mutter, Gott segne ihre schlichte Seele, pflegte immer zu sagen, vor den Augen Gottes ist eine Negerseele genauso viel wert wie die Seele eines Weißen. Solange der Neger ein Christ ist, natürlich. Und wenn das göttliche Reich da ist, sagte sie, werden wir alle weiß wie Schnee sein, sogar der schwärzeste Neger, Lob sei dem Herrn für seine Güte.» Blythe hob den Blick zur Decke, und dann sandte er Major Galloway über den Kopf des ahnungslosen Pastors hinweg ein unverschämtes Zwinkern.

Galloway bereitete den Schmeicheleien seines stellvertretenden Kommandanten ein Ende, indem er seinem Gast einen Platz an dem langen Bibliothekstisch anbot, auf dem sich die Rechnungsbücher stapelten. Galloway, Adam und Blythe setzten sich dem Pastor gegenüber, und der Major schilderte seine Vorhaben für das Kavallerieregiment; wie es mit einem Selbstvertrauen und einer Landeskenntnis durch den Süden reiten würde, auf die kein Nordstaatler hoffen konnte. Der Major äußerte sich bescheiden, betonte, wie sehr die Armee auf gute Aufklärungsarbeit angewiesen war und wie sehr er selbst sich um eine streng disziplinierte Ausbildung seines Kavallerieregiments bemüht hatte, doch seine Worte enttäuschten den Pastor aus Boston ganz offensichtlich. Reverend Starbuck wollte schnelle Ergebnisse und aufsehenerregende Siege, und es war der bombastische William Blythe, der diese Sehnsucht als Erster erkannte. Blythe schaltete sich mit einem leisen Lachen ein. «Sie müssen es dem Major nachsehen, Reverend», sagte er, «dass er uns nicht allzu sehr anpreist, aber in Wahrheit werden wir Jeff Davis natürlich am Schwanz packen, und wir werden den Schwanz überbrühen und die Haut davon abziehen, und weiß der Kuckuck, ob wir das Ding nicht auch noch gleich abschneiden! Ich verspreche Ihnen, Reverend, dass wir die Rebellen kreischen lassen, und dieses Gekreisch werden Sie hören bis zum Boston Common. Stimmt’s oder stimmt’s nicht, Major?»

Galloway blickte ihn eher erstaunt an, während Adam auf das verschrammte Kopfende des Tisches starrte, Reverend Starbuck aber war entzückt von dem, was in Blythes Versprechen angedeutet wurde. «Haben Sie bestimmte Pläne?», fragte er eifrig.

Blythe wirkte einen Moment lang erschrocken. «Wir können nicht mal die verflixteste Kleinigkeit über Einzelheiten sagen, Sir, das wäre absolut unsoldatisches Verhalten, aber ich verspreche Ihnen, Reverend, dass es in den kommenden Wochen nicht Jeb Stuart sein wird, von dem Sie in den Bostoner Zeitungen lesen werden, nein, Sir, es wird Major Joseph Galloway und sein tapferes Reiterregiment sein! Ist es nicht so, Joe?»

Galloway, leicht außer Fassung, nickte. «Wir werden unser Bestes tun, ganz gewiss.»

«Aber wir können natürlich nicht das Geringste tun, Sir» – Blythe beugte sich mit ernster Miene vor –, «wenn wir dazu nicht die Kanonen, die Säbel und die Pferde haben. Wie meine hochverehrte Mutter zu sagen pflegte, Sir, Versprechen füllen keine Mägen. Und es erfordert ein hartes Stück Arbeit und einen ordentlichen Scheffel Geld, um den Magen eines Südstaatenburschen zu füllen, das können Sie mir glauben, Sir, und es schmerzt mich, es schmerzt mich wirklich, diese guten Südstaatenpatrioten nutzlos herumsitzen zu lassen, weil ein oder zwei Dollar fehlen.»

«Und was wollen Sie mit dem Geld erreichen?», fragte Reverend Starbuck.

«Die Frage lautet eher, was wir nicht erreichen können», gab Blythe zurück. «Mit Gott auf unserer Seite, Reverend, können wir den gesamten Süden umkrempeln. Wahrhaftig, Sir, ich sollte es Ihnen nicht sagen, aber ich halte Sie für einen verschwiegenen Mann, also gehe ich das Risiko ein; ich habe einen Stadtplan von Richmond in meinem Schlafzimmer, und wozu könnte ein Mann wohl einen Stadtplan von Richmond brauchen? Nun, ich werde es Ihnen nicht sagen, Sir, aber nur, weil es vollkommen unsoldatisch von mir wäre, dennoch glaube ich, dass ein kluger Mann wie Sie selbst darauf kommt, an welchem Ende die Schlange bissig ist.»

Adam sah erstaunt auf bei dieser Andeutung, das Regiment plane, die Hauptstadt der Aufständischen anzugreifen, und Galloway schien kurz davor, entschlossenen Widerspruch einzulegen, doch Reverend Starbuck war hingerissen von dem Coup, den Blythe in Aussicht gestellt hatte. «Sie gehen nach Richmond?», fragte er Blythe.

«Genau in diese Stadt, Sir. In diesen Pfuhl des Bösen, in diese Schlangengrube. Ich wünschte, ich könnte ausdrücken, wie ich diesen Ort hasse, Sir, aber mit Gottes Hilfe räuchern wir ihn aus, brennen ihn nieder und läutern ihn!»

Der Pferdehändler sprach nun die Sprache, nach der sich Reverend Starbuck gesehnt hatte. Der Bostoner Pastor wollte Versicherungen hören, dass der Süden gedemütigt würde und dass der Union strahlende Siege bevorstünden, die sich mit den dreisten Erfolgen des aufständischen Jeb Stuart vergleichen ließen. Er wollte nichts von langwierigen und gewissenhaften Erkundungsmissionen hören, sondern wilde Versprechen über die Siege des Nordens, und keine noch so großen Bedenken Major Galloways hätten den Pastor davon überzeugt, dass Blythes Zusagen übertrieben waren. Denn Reverend Starbuck hörte nur, was er hören wollte, und um diese Wünsche wahr werden zu lassen, zog er aus der Innentasche seines Gehrocks einen Scheck. Er lieh sich Feder und Tintenfass von dem Major aus, und dann unterzeichnete er den Scheck mit gebührender Feierlichkeit.

«Gelobt sei der Herr», sagte William Blythe, als der Scheck unterschrieben war.

«Lob sei Ihm, wahrhaftig», wiederholte der Pastor fromm und schob Galloway den Scheck über den Tisch zu. «Dieses Geld, Major, kommt von einer Vereinigung abolitionistischer Gemeinden aus New England. Es verkörpert die schwer verdienten Dollars einfacher, ehrlicher Arbeiter, die es mit Freuden für eine heilige Sache gegeben haben. Nutzen Sie es gut.»

«Wir werden unser Möglichstes tun, Sir», sagte Galloway und war dann einen Moment sprachlos, als er sah, dass der Scheck nicht auf fünfzehntausend Dollar ausgestellt war, wie er erwartet hatte, sondern auf zwanzigtausend. Blythes Beredsamkeit hatte ein kleines Wunder bewirkt. «Ich danke Ihnen, Sir», brachte Galloway heraus.

«Und ich verlange als Gegenleistung nur eines», sagte der Pastor.

«Was Sie wollen, Sir!», sagte Blythe und breitete seine langen Arme aus, als wolle er die ganze Welt umfangen. «Alles, was Sie wollen!»

Der Pastor warf einen Blick auf die Wand oberhalb der weit geöffneten Terrassentür, wo ein polierter Stab mit einer Lanzenspitze und einem verblassten Kavalleriewimpel den einzigen übrig gebliebenen Schmuck des Raumes darstellte. «Eine Flagge», sagte der Pastor, «ist wichtig für einen Soldaten, ist es nicht so?»

«So ist es, Sir», antwortete Galloway. Der kleine Wimpel über der Tür war das Banner gewesen, das er im Mexikanischen Krieg getragen hatte.

«Heilig, könnte man sogar sagen», fügte Blythe hinzu.

«Dann würde ich es als Ehre betrachten, wenn Sie mir eine Rebellenflagge beschaffen würden», sagte der Pastor, «die ich in Boston zum Beweis dafür zeigen kann, dass unsere Spenden für Gottes Werk eingesetzt werden.»

«Sie sollen Ihre Flagge haben, Sir!», versprach Blythe rasch. «Ich werde selbst dafür sorgen, dass Sie eine bekommen. Wann kehren Sie nach Boston zurück, Sir?»

«Ende des Monats, Captain.»

«Sie werden nicht mit leeren Händen heimkehren, Sir, nicht, solange ich Billy Blythe heiße. Ich verspreche Ihnen, beim Grab meiner teuren Mutter, Sir, dass Sie Ihre Kriegsflagge der Aufständischen bekommen.»

Galloway schüttelte den Kopf, doch das sah der Pastor nicht. Er sah nur die verhasste gegnerische Kriegsflagge an der Kanzel seiner Kirche hängen, wo sie zur Zielscheibe von Spott und Hohn werden würde. Reverend Starbuck schob seinen Stuhl zurück und konsultierte seine Taschenuhr. «Ich muss zum Bahndepot zurück», sagte er.

«Adam wird Sie fahren, Sir», sagte Major Galloway. Der Major wartete, bis der Pastor weg war, dann schüttelte er betrübt den Kopf. «Sie haben ihm eine Menge Versprechungen gemacht, Billy.»

«Und es ging um eine Menge Geld», sagte Blythe unbekümmert, «und zum Teufel, mir hat es noch nie etwas ausgemacht, Versprechen abzugeben.»

Galloway durchquerte den Raum bis zu der offenstehenden Terrassentür und starrte auf den sonnenverbrannten Rasen hinaus. «Mir macht es auch nichts aus, wenn ein Mann Versprechungen abgibt, Billy, aber was mir etwas ausmacht, ist, wenn er sie anschließend vergisst.»

«Ich vergesse meine Versprechen nie, so viel ist sicher. Ich habe sie sogar ständig im Kopf, während ich überlege, wie ich sie brechen kann.» Blythe lachte. «Wollen Sie mir jetzt einen Eintrag ins Sündenregister machen, weil ich Ihnen das Geld besorgt habe? Zur Hölle, Joe, ich kriege schon genügend Frömmigkeit von dem jungen Faulconer ab.»

«Adam ist ein guter Mann.»

«Ich hab auch nicht gesagt, dass er kein guter Mann ist. Ich habe nur gesagt, dass er der frömmlerische Sohn einer selbstgerechten Ziege ist, und nur Gott allein weiß, warum Sie ihn zum Captain befördert haben.»

«Weil er ein guter Mann ist», sagte Galloway entschieden, «und weil seine Familie in ganz Virginia bekannt ist und weil ich ihn mag. Und Sie mag ich auch, Billy, aber nicht mehr lange, wenn Sie die ganze Zeit mit Adam herumstreiten. So, und jetzt würde ich mich an Ihrer Stelle in Bewegung setzen! Sie haben eine Flagge zu erbeuten.»

Aber so eine Pflicht lehnte Blythe als unwürdig ab. «Habe ich das? Zum Teufel! Hier gibt es doch genügend roten, weißen und blauen Stoff, also lassen wir einfach Ihre Hausnigger eine Rebellenflagge zusammenschustern.»

Galloway seufzte. «Sie sind meine Bediensteten, Billy, Bedienstete.»

«Aber immer noch Nigger, oder? Und das Mädchen kann mit einer Nadel umgehen, stimmt’s? Und der Reverend wird den Unterschied niemals bemerken. Sie kann uns eine Flagge machen, und ich zerreiße und verdrecke sie ein bisschen, und dieser alte Narr wird glauben, dass wir sie Jeff Davis persönlich aus den Händen gerissen haben.» Blythe grinste bei dieser Vorstellung, dann nahm er den Scheck in die Hand. Er pfiff anerkennend. «Schätze, da hab ich ihm einen ordentlichen Erlös für uns abgeschwatzt, Joe.»

«Das schätze ich auch. Und den geben Sie jetzt aus, Billy.» Galloway musste Adams Einheit mit Pferden und die meisten seiner Männer mit Säbeln und Schusswaffen ausrüsten, doch nun würden Galloways Reiter dank der Großzügigkeit von Reverend Starbucks Abolitionisten ebenso gut ausgerüstet und beritten sein wie jedes andere Kavallerieregiment der Nordstaatenarmee. «Geben Sie die Hälfte für Pferde und die andere Hälfte für Waffen und Sattelzeug aus», schlug Galloway vor.

«Pferde sind teuer, Joe», gab Blythe zu bedenken. «Durch den Krieg sind sie eine seltene Ware geworden.»

«Sie sind doch Pferdehändler, Billy, also sehen Sie zu, dass ein paar Pferdehändlerwunder geschehen. Oder wollen Sie lieber Adam losschicken? Er würde seine Pferde gern selbst einkaufen.»

«Man soll einen Jungen niemals Männerarbeit machen lassen, Joe», sagte Blythe. Er hob den Scheck des Pastors an die Lippen und küsste ihn theatralisch. «Lob sei dem Herrn», sagte Billy Blythe, «Lob sei Seinem heiligen Namen, Amen.»

 

Die Legion Faulconer schlug ihr Lager wenige Meilen nördlich des Flusses auf, an dem die Männer die unansehnliche Erscheinung ihres neuen Kommandogenerals zum ersten Mal erblickt hatten. Niemand aus der Legion wusste, wo sie sich befanden oder wohin sie gingen oder warum sie dort marschierten, aber ein vorbeikommender Artilleriemajor, der ein Veteran aus den Schlachten unter Jackson war, sagte, so sei es immer bei Old Jack. «Sie werden wissen, dass Sie angekommen sind, sobald es der Feind weiß, und nicht früher», sagte der Major, dann bat er um einen Eimer Wasser für sein Pferd.

Für das Hauptquartier der Brigade wurden Zelte aufgestellt, doch keines der Regimenter hielt sich mit solchem Luxus auf. Die Legion Faulconer hatte den Krieg mit drei Wagenladungen voll Zelten angefangen, doch davon waren nur noch zwei Zelte übrig, und beide waren für Doctor Danson reserviert. Die Männer hatten einiges Geschick darin entwickelt, sich aus Ästen und Grassoden einen Unterschlupf zu bauen, doch an diesem warmen Abend brauchte niemand Schutz vor der Witterung. Arbeitstrupps suchten Holz für die Lagerfeuer, während andere Wasser von einem Bach holten, der eine Meile entfernt war. Einige Männer ließen ihre bloßen Füße in den Bach hängen, um die blutigen Blasen zu reinigen, die sie sich bei dem Tagesmarsch geholt hatten. Die vier Männer im Strafkommando der Legion tränkten die Zugpferde der Munitionsfuhrwerke, dann stapften sie mit frisch gefällten Stämmen auf der Schulter um das Lager. Die Männer taumelten unter dem Gewicht, während sie die zehn Runden um das Lager der Legion drehten, auf die ihr abendliches Strafmaß festgelegt worden war. «Was haben sie getan?», erkundigte sich Lieutenant Coffman bei Starbuck.

Starbuck warf einen flüchtigen Blick auf die jämmerliche Prozession. «Lem Pierce hat sich betrunken. Matthews hat Patronen gegen einen halben Liter Whiskey getauscht, und Evans hat Captain Medlicott eine Abreibung angedroht.»

«Schade, dass er es nicht wahrgemacht hat», warf Sergeant Truslow ein. Daniel Medlicott hatte in Faulconer Court House eine Mühle betrieben und in dem Ruf gestanden, ein elender Knauser zu sein, aber vor den Wahlen der Feldoffiziere im Frühling hatte er sich mit genügend Versprechungen und Whiskey beliebt gemacht, um seine Beförderung vom Sergeant zum Captain zu erreichen.

«Und was Trent getan hat, weiß ich nicht», schloss Starbuck.

«Abram Trent ist einfach ein syphilitischer Hurensohn», sagte Truslow zu Coffman. «Er hat bei Sergeant Major Tolliver Essensvorräte gestohlen, aber deswegen ist er nicht bestraft worden. Er ist bestraft worden, Junge, weil er sich hat erwischen lassen.»

«Sie hören das Evangelium nach Sergeant Thomas Truslow», erklärte Starbuck dem Lieutenant. «Du sollst alles stehlen, was du kannst, aber du sollst dich nicht dabei erwischen lassen.» Starbuck grinste, dann zischte er vor Schmerz, weil er sich die Nadel in den Daumen gestochen hatte. Er mühte sich darum, die Sohle seines rechten Stiefels wieder ans Oberleder zu nähen, zu welchem Zweck er sich eine der drei kostbaren Nadeln ausgeliehen hatte, die sich im Besitz der Kompanie befanden.

Sergeant Truslow, der den beiden Offizieren am Lagerfeuer gegenübersaß, spottete über die Anstrengungen seines Captains. «Du bist ein lausiger Schuster.»

«Ich habe auch nie das Gegenteil behauptet.»

«Du wirst die gottverdammte Nadel noch abbrechen, wenn du so weiterdrückst.»

«Wollen Sie es machen?», fragte Starbuck und hielt dem Sergeant die halbfertige Arbeit hin.

«Teufel, nein, ich werd nicht bezahlt, um dir die Stiefel zu flicken.»

«Dann halten Sie verdammt noch mal die Klappe», sagte Starbuck und versuchte, die Nadel durch eines der alten Nahtlöcher in der Sohle zu schieben.

«Das geht beim ersten Schritt wieder auf», sagte Truslow nach kurzem Schweigen.

«Nicht, wenn ich es ordentlich mache.»

«So jedenfalls nicht», sagte Truslow. Er brach ein Stück Kautabak ab und schob es sich in die Backentasche. «Du musst den Faden schützen, klar? Damit er sich auf der Straße nicht durchscheuert.»

«Das tue ich doch gerade.»

«Nein, tust du nicht. Du zurrst bloß den Stiefel zusammen. Das würde ja sogar ein Blinder ohne Finger besser machen als du.»

Lieutenant Coffman hörte der Unterhaltung angespannt zu. Er hatte gehört, dass der Captain und der Sergeant Freunde seien – und sie waren tatsächlich Freunde, seit der Yankee Starbuck losgeschickt worden war, um den Yankee-Hasser Truslow dazu zu bringen, sein Blockhaus in den Bergen aufzugeben und stattdessen in die Legion Faulconer einzutreten –, doch es schien Coffman eine recht merkwürdige Art von Freundschaft zu sein, wenn sie sich in einer derartigen gegenseitigen Geringschätzung ausdrückte. Jetzt wandte sich der einschüchternde Sergeant an den Lieutenant. «Ein richtiger Offizier», vertraute Truslow Coffman an, «hätte einen Sklaven, der für ihn näht.»

«Ein richtiger Offizier», sagte Starbuck, «würde Sie mit einem Tritt Ihre verfaulten Zähne schlucken lassen.»

«Jederzeit, Captain», sagte Truslow lachend.

Starbuck verknotete den Faden und beäugte kritisch seine Handarbeit. «Perfekt ist es nicht», sagte er, «aber es wird gehen.»

«Es wird gehen», stimmte ihm Truslow zu, «solange du nicht damit herumläufst.»

Starbuck lachte. «Verdammt, wir haben in einem oder zwei Tagen eine Schlacht, dann besorge ich mir ein paar nagelneue Yankee-Stiefel.» Behutsam zog er sich den Stiefel über den Fuß und war angenehm überrascht, dass die Sohle nicht augenblicklich wieder abfiel. «So gut wie neu», sagte er, dann zuckte er zusammen, aber nicht wegen des Stiefels, sondern weil ein Aufschrei durchs Lager hallte. Der Schrei brach unvermittelt ab, kurze Stille folgte und dann ein trauriges Schluchzen.

Coffman stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, denn das Geräusch hatte sich angehört, als würde irgendein Geschöpf gequält, und genauso war es auch. «Colonel Swynyard», erklärte Sergeant Truslow dem neuen Lieutenant, «schlägt einen von seinen Niggern.»

«Der Colonel trinkt», fügte Starbuck hinzu.

«Der Colonel ist ein Säufer», berichtigte Truslow.

«Und alle fragen sich, ob ihn der Alkohol umbringt, bevor es einer von seinen Sklaven tut», sagte Starbuck, «oder auch einer von uns.» Er spuckte ins Feuer. «Ich würde den Bastard mit Freuden umbringen.»

«Willkommen in der Brigade Faulconer», sagte Truslow zu Coffman.

Der Lieutenant wusste nicht, wie er auf diesen Zynismus reagieren sollte, also saß er einfach nur beunruhigt und angespannt da. Dann runzelte er die Stirn, als ihm ein Gedanke kam. «Kämpfen wir wirklich in einem oder zwei Tagen?», fragte er.

«Wahrscheinlich morgen.» Truslow hob das Kinn in Richtung Norden, wo die Wolken den rötlichen Abglanz der Lagerfeuer trugen. «Dafür wirst du doch bezahlt, Junge», fügte Truslow hinzu, als er Coffmans Unruhe bemerkte.

«Ich werde nicht bezahlt», sagte Coffman und errötete sofort aufgrund dieses Eingeständnisses.

Truslow und Starbuck wussten ein paar Sekunden lang nicht, was sie sagen sollten. Dann runzelte Starbuck die Stirn. «Was zum Teufel meinen Sie damit?», fragte er.

«Nun, ich werde zwar bezahlt», sagte Coffman, «aber ich bekomme das Geld nicht, verstehen Sie?»

«Nein, verstehe ich nicht.»