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Starbuck: Der Kämpfer E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

«Der beste aus der Reihe von Cornwells Bürgerkriegsromanen … Die Kakophonie des Tötens überwältigt den Leser.» (Daily Mail) Im Spätsommer 1862 hat sich das Kriegsglück gewendet: Nun marschieren die Armeen der Südstaaten in den Norden ein. Nate Starbuck ist mit dabei, doch immer noch schlägt ihm Misstrauen entgegen. Man hat ihm das Kommando über ein Strafbataillon übertragen: Eine gottverlorene Truppe, angeführt von Offizieren, die ihren neuen Vorgesetzten offen ablehnen. Starbucks Bataillon zieht in den Norden, Sharpsburg an dem kleinen Flüsschen Antietam entgegen. Vor ihnen liegt das blutigste Schlachtfeld des gesamten Bürgerkriegs … Der vierte Band von Bernard Cornwells großem Epos über den Amerikanischen Bürgerkrieg.

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Seitenzahl: 659

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Bernard Cornwell

Starbuck. Der Kämpfer

Roman

Über dieses Buch

«Der beste aus der Reihe von Cornwells Bürgerkriegsromanen … Die Kakophonie des Tötens überwältigt den Leser.» (Daily Mail)

 

Im Spätsommer 1862 hat sich das Kriegsglück gewendet: Nun marschieren die Armeen der Südstaaten in den Norden ein. Nate Starbuck ist mit dabei, doch immer noch schlägt ihm Misstrauen entgegen. Man hat ihm das Kommando über ein Strafbataillon übertragen: Eine gottverlorene Truppe, angeführt von Offizieren, die ihren neuen Vorgesetzten offen ablehnen. Starbucks Bataillon zieht in den Norden, Sharpsburg an dem kleinen Flüsschen Antietam entgegen. Vor ihnen liegt das blutigste Schlachtfeld des gesamten Bürgerkriegs …

 

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugeben, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: weit über 20 Millionen.

 

Weitere Veröffentlichungen

 

Die Uhtred-Serie:

Band 1: Das letzte Königreich

Band 2: Der weiße Reiter

Band 3: Die Herren des Nordens

Band 4: Schwertgesang

Band 5: Das brennende Land

Band 6: Der sterbende König

Band 7: Der Heidenfürst

Band 8: Der leere Thron

 

Die Artus-Chroniken:

Band 1: Der Winterkönig

Band 2: Der Schattenfürst

Band 3: Arthurs letzter Schwur

 

Die Bücher vom Heiligen Gral:

Band 1: Der Bogenschütze

Band 2: Der Wanderer

Band 3: Der Erzfeind

 

Die Starbuck-Chroniken:

Band 1: Der Rebell

Band 2: Der Verräter

Band 3: Der Gegner

Band 4: Der Kämpfer

 

Sowie

Das Zeichen des Sieges

Stonehenge

Das Fort

1356

Waterloo. Eine Schlacht verändert Europa

 

Inhaltsübersicht

WidmungKarteErster TeilEinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunZweiter TeilZehnElfZwölfDreizehnVierzehnFünfzehnNachwort des Autors

Für Zachary Arnold, möge er die Schrecken des Krieges niemals kennenlernen

Erster Teil

Eins

Es regnete. Es hatte schon den ganzen Tag geregnet. Zunächst war es ein kurzer, warmer Schauer gewesen, den unbeständige Südwinde herangeweht hatten, aber am späten Nachmittag hatte der Wind auf Ost gedreht, und der Regen wurde übel. Er stürzte herunter; ein heftiger Regen, der hieb und stach und eine Arche zum Schwimmen hätte bringen können. Er trommelte auf die unzureichenden Zelte der Armeen; er überflutete die aufgegebenen Gräben der Yankees bei Centreville; und er spülte die oberste Erdschicht von den Grabhügeln neben dem Bull Run, sodass eine Armee von fischweißen Leichen, die kaum zwei Tage unter der Erde gelegen hatten, plötzlich wieder zum Vorschein kam wie die Toten am Tag des Jüngsten Gerichts. Die Erde Virginias war rot, und das Wasser, das in immer breiter werdenden, schlammigen Strömen auf die Chesapeake Bay zulief, nahm die Farbe des Bodens an, sodass es wirkte, als wäre es Blut. Es war der erste September 1862. In Washington sollte die Sonne erst vierunddreißig Minuten nach sechs untergehen, und doch waren bereits um halb vier die Glühstrümpfe im Weißen Haus angezündet worden, die Pennsylvania Avenue war einen ganzen Fußbreit im Schlamm versunken, und die offenen Abwassergräben von Swampoodle liefen über. Im Kapitol prasselte der Regen durch die Balken und Gerüste der halbfertigen Kuppel hinunter auf die Verwundeten, die nach der Niederlage des Nordens bei Manassas eingetroffen waren und nun auf dem blanken Marmorboden des Rundbaus liegend große Qualen litten.

Zwanzig Meilen westlich von Washington schleppten sich weitere Flüchtlinge aus John Popes geschlagener Armee schutzsuchend auf die Hauptstadt zu. Rebellen versuchten, ihnen den Weg zu versperren, aber der Regen verwandelte den Zusammenstoß in ein großes Durcheinander. Infanteristen drängten sich zum Schutz unter triefende Bäume, Artilleristen fluchten über ihre durchnässten Schießpulverladungen, Kavalleristen bemühten sich, die durch die Blitze aus den dunklen Wolken in Panik versetzten Pferde zu beruhigen. Major Nathaniel Starbuck, Kommandant der Legion Faulconer aus Swynyards Brigade, die wiederum zu Jacksons Truppe der Nordvirginia-Armee gehörte, bemühte sich gerade, eine Patrone trocken zu halten, während er das Pulver in sein Gewehr schüttete. Er versuchte, die Patrone mit seinem Hut abzuschirmen, aber der Hut war komplett durchnässt, und das Pulver, das er aus dem Wachspapier schüttelte, war verdächtig klumpig. Er drückte das zerknüllte Papier auf das Pulver, spuckte die Kugel in die Gewehrmündung und rammte dann die Ladung tiefer in den Lauf. Er spannte den Hahn, fischte ein Zündhütchen aus der Tasche an seinem Gürtel und setzte es auf das Piston des Gewehrs, dann zielte er durch den silbernen Regenvorhang. Sein Regiment befand sich am Rand eines Waldes, sie blickten nordwärts über ein dem Regen ausgeliefertes Maisfeld auf eine weitere Gruppe von Bäumen, unter denen die Yankees Schutz gesucht hatten. Starbuck hatte kein Ziel im Visier, aber er drückte trotzdem den Abzug. Der Hahn schlug auf das Zündhütchen, das explodierte und ein kleines Rauchwölkchen entließ, aber das Pulver im Verschluss des Gewehrs weigerte sich stur, Feuer zu fangen. Starbuck fluchte. Er zog den Hahn zurück, nahm das zerschmetterte Zündhütchen vom Piston und ersetzte es durch ein neues. Er versuchte es noch einmal, aber das Gewehr wollte immer noch nicht feuern. «Da könnten wir auch gleich Steine nach den Bastarden werfen», murmelte er. Aus den Bäumen in der Ferne wurde ein Gewehr abgefeuert, aber das Geräusch, mit dem die Kugel durch das Blätterdach über Starbucks Kopf zischte, wurde vom Prasseln des Regens verschluckt. Starbuck kauerte über seinem nutzlosen Gewehr und überlegte, was zum Teufel er jetzt tun sollte.

Was er jetzt tun sollte, war, das Maisfeld zu durchqueren und die Yankees aus dem Wäldchen zu vertreiben, aber die Yankees hatten mindestens ein Regiment und ein Paar Feldgeschütze dort, und Starbucks im Kampf geschrumpftes Regiment war von diesen zwei Geschützen bereits blutig getroffen worden. Als die Legion durch das tropfnasse Maislabyrinth gewatet war, hatte Starbuck die Kanonenschüsse zunächst nur für Donner gehalten; dann hatte er gesehen, dass die Kompanien zu seiner Linken auseinandergerissen wurden, und er hatte wahrgenommen, wie die Kanoniere der Yankees ihre Waffen ausrichteten, um dem Rest der Legion in die Flanke zu schießen. Er hatte seinen Männern befohlen, auf die Geschütze zu feuern, aber nur eine Handvoll von Gewehren hatte ausreichend trockenes Pulver, um zu schießen, und so hatte er den Überlebenden zugebrüllt, sie sollten sich zurückziehen, bevor die Artillerie ein weiteres Mal feuerte, und dann hatte er anhören müssen, wie die Nordstaatler seine besiegten Männer verhöhnten. Jetzt, zwanzig Minuten später, versuchte er immer noch, einen Weg durch das Maisfeld oder an ihm vorbei zu finden, aber zu seiner Linken lag ein offenes Feld, auf dem die feindlichen Geschütze den Ton angaben, während die Wälder zur Rechten von noch mehr Yankees wimmelten.

Die Legion kümmerte es sichtlich wenig, ob die Yankees blieben oder abzogen, denn ihr Feind war jetzt der Regen, nicht der Norden. Als Starbuck auf das linke Ende seiner Gefechtslinie zuging, merkte er, welche Mühe die Männer sich gaben, den Blickkontakt mit ihm zu vermeiden. Sie beteten, dass er keinen weiteren Angriff befahl, denn keiner von ihnen wollte den Schutz der Bäume verlassen und wieder in das mit Wasser durchtränkte Maisfeld. Alles, was sie wollten, war, dass der Regen aufhörte und sie eine Gelegenheit bekamen, Feuer zu machen und zu schlafen. Vor allem zu schlafen. Im letzten Monat waren sie Virginias nördliche Countys kreuz und quer abmarschiert; sie hatten gekämpft; sie hatten den Feind geschlagen; sie waren marschiert und hatten wieder gekämpft; und jetzt waren sie erschöpft von all dem Marschieren und Kämpfen. Ihre Uniformen waren Lumpen, ihre Stiefel verschlissen, ihre Rationen schimmelten, und ihre Knochen waren müde, und soweit es Starbucks Männer betraf, konnten die Yankees den triefnassen Wald jenseits des Maisfeldes ruhig behalten. Sie wollten sich nur ausruhen. Einige von ihnen schliefen selbst jetzt, trotz des Regens. Sie ruhten wie die Toten am Waldrand, die Münder offen und ihre Bärte und Schnurrbärte aufgeweicht und tropfend. Andere Männer, die wirklich tot waren, lagen zwischen den blutigen Maisstängeln, als ob sie schliefen.

«Ich dachte, wir wären drauf und dran, diesen verdammten Krieg zu gewinnen», begrüßte Captain Ethan Davies Starbuck.

«Wenn es nicht aufhört zu regnen», sagte Starbuck, «dann lassen wir die verdammte Marine kommen, sollen die ihn doch für uns gewinnen. Können Sie die Geschütze sehen?»

«Sie sind immer noch dort.» Davies wies mit einem Nicken auf den dunklen Wald.

«Bastarde», sagte Starbuck. Er war wütend auf sich selbst, weil er die Geschütze nicht gesehen hatte, bevor er den ersten Angriff befahl. Die zwei Kanonen waren gut hinter einer Brustwehr aus Ästen verborgen, aber er verfluchte sich dennoch dafür, dass er nicht mit dem Hinterhalt gerechnet hatte. Der kleine Sieg der Yankees ärgerte ihn, und dazu kam noch die Unsicherheit, ob dieser Angriff wirklich nötig gewesen war, denn außer ihnen schien keiner zu kämpfen. Gelegentlich war von irgendwo aus der trüben, nassen Düsternis ein vereinzelter Gewehrschuss zu hören, und manchmal tönte ein Knattern von Musketen durch das sintflutartige Rauschen, aber diese Geräusche hatten nichts mit Starbuck zu tun, und er hatte keine weiteren Befehle von Colonel Swynyard erhalten, seit dem ersten, dringenden Befehl, das Maisfeld zu durchqueren. Vielleicht hatte der Regen ja die ganze Schlacht zum Stillstand gebracht. Vielleicht kümmerte sie niemanden mehr. Der Feind war ohnehin auf dem Rückzug nach Washington gewesen, warum sollten sie ihn nicht einfach ziehen lassen? «Wie können Sie sicher sein, dass die Geschütze nicht abgezogen wurden?», fragte er Davies.

«Sie lassen es uns ab und an wissen», antwortete Davies trocken.

«Vielleicht sind sie jetzt weg», sagte Starbuck, aber kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurde eines der Yankee-Geschütze abgefeuert. Es war mit einer Kartätsche geladen worden, einem mit Musketenkugeln vollgestopften Blechzylinder, der an der Geschützmündung auseinanderriss, um seine Geschosse wie eine gewaltige Ladung Schrot zu streuen, und die Kugeln jagten durch die Bäume über Starbuck. Das Geschütz war etwas zu hoch ausgerichtet worden, und der Schuss verwundete niemanden, aber die wuchtige Salve ließ eine regelrechte Flut aus Regenwasser und Blättern auf Starbucks unglückliche Infanteristen herabstürzen. Starbuck, der neben Davies in Deckung ging, fröstelte von der unerwünschten Dusche. «Bastarde», sagte er noch einmal, aber der sinnlose Fluch wurde von krachendem Donner verschluckt, der den Himmel spaltete und sich dann grollend entfernte. «Es gab mal eine Zeit», sagte Starbuck säuerlich, «da dachte ich, Geschützfeuer klingt wie Donner. Jetzt denke ich, es ist gerade umgekehrt.» Er sann einen Moment über diese Erkenntnis nach. «Wie oft haben Sie in Friedenszeiten eine Kanone gehört?»

«Nie», sagte Davies. Seine Brille war mit Regenwasser besprenkelt. «Außer vielleicht am Vierten Juli.»

«Am Vierten und am Evacuation Day», sagte Starbuck.

«Evacuation Day?», fragte Davies, der noch nie etwas von diesem Feiertag gehört hatte.

«Am siebzehnten März», sagte Starbuck. «Das ist der Tag, an dem wir die Engländer aus Boston rausgeschmissen haben. Da gibt es Kanonenschüsse und Feuerwerk im Boston Garden.» Starbuck war aus Boston, ein Nordstaatler, der für den aufständischen Süden gegen seine eigenen Leute kämpfte. Er kämpfte nicht aus politischer Überzeugung, sondern einfach, weil er durch unglückliche Umstände im Süden gestrandet war, als der Krieg gerade begonnen hatte, und jetzt, anderthalb Jahre später, war er ein Major in der Armee der Konföderierten. Er war kaum älter als die meisten der Jungen, die er anführte, und jünger als viele, aber anderthalb Jahre voller Schlachten hatten seinem hageren, dunklen Gesicht eine grimmige Reife verliehen. Eigentlich, dachte er manchmal erstaunt, sollte er jetzt am Theologischen Seminar in Yale studieren, stattdessen hockte er in einer triefnassen Uniform neben einem triefnassen Maisfeld und heckte einen Plan aus, wie er ein paar triefnasse Yankees töten könnte, denen es wiederum gelungen war, ein paar seiner Männer zu töten. «Wie viele trockene Ladungen können Sie auftreiben?», fragte er Davies.

«Ein Dutzend», antwortete Davies zögerlich, «vielleicht.»

«Machen Sie sie bereit und warten Sie hier. Wenn ich den Befehl gebe, will ich, dass Sie diese verdammten Kanoniere töten. Ich kümmere mich um Verstärkung.» Er klopfte Davies auf die Schulter und rannte zurück unter die Bäume, dann arbeitete er sich weiter nach Westen vor, bis er die Kompanie A und Captain Truslow erreichte, einen kleinen, untersetzten und unermüdlichen Mann, den Starbuck nur wenige Wochen zuvor vom Sergeant zum Captain befördert hatte. «Noch trockene Patronen?», fragte Starbuck, als er sich neben dem Captain niederließ.

«Reichlich.» Truslow spuckte Tabaksaft in eine Pfütze. «Haben unser Feuer so lange zurückgehalten, bis du es brauchst.»

«Immer Tricks auf Lager, was?», sagte Starbuck erfreut.

«Immer Grips im Kopf», sagte Truslow mürrisch.

«Ich will eine Salve auf die Kanoniere. Sie und Davies töten die Kanoniere, und ich bringe den Rest der Legion über das Feld.»

Truslow nickte. Er war ein schweigsamer Mann, ein Witwer und so hart wie das Leben auf der Farm in den Bergen, die er verlassen hatte, um gegen die Eindringlinge aus dem Norden zu kämpfen.

«Warten Sie auf meinen Befehl», fügte Starbuck hinzu, dann zog er sich wieder unter die Bäume zurück, auch wenn es selbst unter dem dichten Blätterdach kaum Schutz vor dem Regen gab. Es erschien unmöglich, dass ein derart übler Regen so lange andauern konnte, aber es ließ sich nicht erkennen, dass er abnahm; er ging mit unverminderter und dämonischer Wucht auf die Bäume nieder. Blitze zuckten im Süden, dann ertönte ein Donnerschlag so laut über Starbucks Kopf, dass er zusammenschreckte. Ein beißender Schmerz fuhr über sein Gesicht wie ein Peitschenhieb, und er taumelte zurück, fiel auf die Knie und fasste sich an die linke Wange. Als er seine Hand wieder herunternahm, bemerkte er, dass sie voller Blut war. Einen Moment lang sah er bloß hilflos zu, wie das Blut verdünnt und von seiner Hand gespült wurde, dann, als er versuchte aufzustehen, musste er feststellen, dass er zu schwach war. Er zitterte am ganzen Körper und dachte, dass er sich übergeben müsse, dann fürchtete er, dass sich sein Darm entleeren würde. Er gab einen kläglichen Laut von sich, wie ein verletztes Kätzchen. Ein Teil seiner selbst war sich bewusst, dass er nicht in Gefahr schwebte, dass die Verwundung nur leicht war, dass er sehen und denken und atmen konnte, und dennoch konnte er nicht aufhören zu zittern, aber es gelang ihm, den dämlichen Kätzchenlaut zu unterbinden und einen tiefen Atemzug feuchter Luft zu nehmen. Er atmete noch einmal durch, wischte sich mehr Blut von der Wange und zwang sich dann aufzustehen. Der Donnerschlag, das wurde ihm nun klar, war gar kein Donnerschlag gewesen, sondern ein Kartätschenschuss aus dem zweiten Yankee-Geschütz, und eine der Musketenkugeln hatte einen Splitter aus einem Baumstamm getrieben, der sein Gesicht bis zum Wangenknochen durchdrungen hatte. Nur einen Zoll darüber, und er hätte sein Auge verloren, aber stattdessen war die Wunde glatt und unbedeutend, auch wenn sie Starbuck einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. Ganz allein zwischen den Bäumen, lehnte er sich für einen Augenblick an den vernarbten Baumstamm und schloss die Augen. Bring mich hier lebend raus, betete er, wenn du das tust, werde ich nie wieder sündigen.

Er schämte sich. Er hatte auf den Kratzer reagiert, als ob es sich um eine tödliche Wunde handelte, und doch überkamen ihn immer noch ängstliche, darmbedrohende Zuckungen, während er ostwärts zu den Kompanien auf seiner rechten Flanke ging. Diese Kompanien waren die am wenigsten loyalen, die Kompanien, die es hassten, Befehle von einem abtrünnigen Yankee entgegenzunehmen, und das waren die Kompanien, die er dazu bringen musste, ihre armseligen Unterschlupfe zu verlassen und auf das offene Maisfeld vorzurücken. Ihr Widerwille gegen einen Angriff war nicht nur eine Frage der Loyalität, sondern beruhte auch auf dem natürlichen Instinkt nasser, müder und elender Männer, bewegungslos in Deckung zu kauern, statt sich dem Gewehrfeuer des Feindes auszuliefern. «Bajonette!», rief Starbuck, als er hinter der Linie der Männer entlangging. «Bajonette aufpflanzen!» Er warnte sie damit vor, dass sie wieder vorrücken müssten, und er hörte einige der Soldaten murren, aber er überging ihre missmutigen Kommentare, denn er wusste nicht, ob sein Zustand ihm erlauben würde, ihnen die Stirn zu bieten. Er fürchtete, wenn er sie anherrschte, würde seine Stimme sich überschlagen wie bei einem Kind. Er fragte sich, was in Gottes Namen mit ihm geschah. Ein einziger kleiner Kratzer, und da war nur noch schlotternde Hilflosigkeit in ihm! Er sagte sich, dass es nur der Regen sei, der seine Erschöpfung in reines Elend verwandelt hatte. Wie seine Männer brauchte er eine Ruhepause, so wie er auch Zeit brauchte, um die Legion umzugestalten und die Unruhestifter auf verschiedene Kompanien aufzuteilen, aber das Tempo des Feldzugs in Nordvirginia verwehrte Lees Armee diesen Luxus.

Die Kämpfe hatten begonnen, als der Nordstaatler John Pope einen massiven Vormarsch auf Richmond, die Hauptstadt der Konföderation, in Gang gebracht hatte. Dieser Vormarsch war aufgehalten und dann in der zweiten Schlacht an den Ufern des Bull Runs vernichtend geschlagen worden, und nun trieb Lees Armee die übrig gebliebenen Yankees zurück, auf den Potomac zu. Mit ein bisschen Glück, dachte Starbuck, würden die Yankees ihn überqueren und sich nach Maryland zurückziehen, und die Konföderierte Armee würde die dringend benötigten Tage bekommen, um durchzuatmen und Stiefel und Mäntel für Männer zu finden, die mehr nach einem Trupp abgerissener Landstreicher aussahen als nach einer Armee. Und doch hatten diese Landstreicher alles getan, was ihr Land von ihnen verlangt hatte. Sie hatten den jüngsten Versuch der Yankees, Richmond einzunehmen, abgewehrt, und nun trieben sie die größere Armee des Nordens vollständig aus dem Gebiet der Konföderation hinaus.

Starbuck fand Lieutenant Waggoner am rechten Ende der Linie. Peter Waggoner war ein guter Mann, ein frommer Soldat, der mit dem Gewehr in der einen und der Bibel in der anderen Hand lebte, und wenn irgendjemand in seiner Kompanie Feigheit erkennen ließ, so bekam er eine dieser zwei respekteinflößenden Waffen zu spüren. Lieutenant Coffman, kaum mehr als ein Junge, hockte neben Waggoner, und Starbuck schickte ihn aus, um die Captains der übrigen Kompanien auf der rechten Flanke herbeizuholen. Waggoner runzelte die Stirn, als er Starbuck ansah. «Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?»

«Ein Kratzer, nur ein Kratzer», sagte Starbuck. Er leckte an seiner Wange und schmeckte salziges Blut.

«Sie sind schrecklich blass», sagte Waggoner.

«Dieser Regen ist das erste anständige Bad seit zwei Wochen», sagte Starbuck. Das Zittern hatte aufgehört, aber er fühlte sich dennoch wie ein Schauspieler, als er Waggoner angrinste. Er gab vor, keine Angst zu haben, und er gab vor, dass alles gut war, aber in seinem Innersten war er so scheu wie ein ungerittenes Fohlen. Er drehte sich von dem Lieutenant weg und spähte zwischen den Bäumen hindurch Richtung Osten, auf der Suche nach dem Rest von Swynyards Brigade. «Ist noch irgendwer dort?», fragte er Waggoner.

«Haxalls Männer. Die tun rein gar nichts.»

«Halten sich trocken, was?»

«Noch nie so einen Regen erlebt», grummelte Waggoner. «Es regnet nie, wenn man es braucht. Nie im Frühling. Regnet immer erst kurz vor der Ernte oder wenn das Heu gemäht werden muss.» Ein einzelner Schuss wurde aus dem Yankee-Wald abgefeuert, und die Kugel schlug in einen Ahorn hinter Waggoner. Der große Mann starrte ärgerlich stirnrunzelnd zu den Yankees hinüber, beinahe so, als ob er die Kugel für eine grobe Unhöflichkeit hielte. «Haben Sie eine Idee, wo wir sind?», fragte er Starbuck.

«Irgendwo in der Nähe des Flatlicks», sagte Starbuck, «wo zur Hölle auch immer das ist.» Er wusste nur, dass der Flatlick irgendwo durch Nordvirginia lief. Sie hatten die Yankees aus ihren Schützengräben in Centreville vertrieben und versuchten nun, eine Furt einzunehmen, die die Nordstaatler für ihren Rückzug verwendeten, auch wenn Starbuck den ganzen Tag lang weder den Fluss noch eine Straße gesehen hatte. Colonel Swynyard hatte ihm gesagt, dass der Fluss Flatlick Branch genannt würde, aber er war sich dessen selbst nicht ganz sicher gewesen. «Haben Sie je vom Flatlick gehört?», fragte Starbuck jetzt Waggoner.

«Nie davon gehört», sagte Waggoner. Waggoner kam, wie die meisten der Legion, aus dem mittleren Teil von Virginia und hatte keine Kenntnis über die Wege, die nach Washington führten.

Starbuck brauchte eine halbe Stunde, um den Angriff vorzubereiten. Es hätte nur Minuten dauern sollen, aber der Regen verlangsamte alles, und Captain Moxey brachte den unvermeidlichen Einwand vor, dass der Angriff Zeitverschwendung sei, weil er genauso scheitern müsse wie der erste. Moxey war ein junger, verbitterter Mann, der über Starbucks Beförderung grollte. Er war bei einem Großteil der Legion unbeliebt, aber an diesem verregneten Nachmittag sprach er nur aus, was die meisten der Männer dachten. Sie wollten nicht kämpfen. Sie waren zu durchnässt und zu durchgefroren und zu müde zum Kämpfen, und sogar Starbuck war versucht, der Trägheit nachzugeben, aber er spürte, trotz seiner Angst, dass ein Mann, der sich einmal der Furcht fügte, es wieder und wieder tun würde, bis er gar keinen Mut mehr hatte. Beim Kriegshandwerk, hatte Starbuck gelernt, ging es nicht darum, sich wohlzufühlen, und ein Regiment zu befehligen hieß nicht, den Männern zu geben, was sie wollten, sondern sie zu dem zu zwingen, was sie niemals für möglich gehalten hätten. Beim Kriegshandwerk ging es ums Siegen, und kein Sieg wurde je dadurch erreicht, dass man sich am Waldrand vor heftigem Regen unterstellte. «Wir rücken vor», sagte er ausdruckslos zu Moxey. «Das sind unsere Befehle, und wir rücken, verdammt noch mal, vor.» Moxey zuckte mit den Schultern, als wollte er damit andeuten, dass Starbuck sich wie ein Narr verhielt.

Die vier Kompanien auf der rechten Flanke brauchten noch mehr Zeit, um sich bereit zu machen. Sie pflanzten ihre Bajonette auf und schlurften dann zum Rand des Maisfelds, wo das strömende Wasser aus den Ackerfurchen in eine riesige Pfütze strudelte. Die Geschütze der Yankees hatten während der langen Zeit, in der Starbuck die Legion vorbereitete, sporadisch gefeuert, und jeder Schuss sandte eine glühend heiße Kartätschenwolke in die Bäume über den Südstaatlern, um die Konföderierten von jeglichem Gedanken an einen Angriff abzubringen. Das Kanonenfeuer hinterließ eine schwefelige Wolke aus Pulverdampf, die wie Nebel durch den Regen trieb. Es wurde dunkler und dunkler, ein unnatürliches frühes Zwielicht, das die schweren grauen Wolken mit sich brachten. Starbuck positionierte sich auf dem linken Flügel, in nächster Nähe der Yankee-Geschütze, zog sein Bajonett und schob es auf die Mündung seines Gewehrs. Er trug kein Schwert und keine Rangabzeichen, und sein Revolver, der ihn gegenüber den Yankees als Offizier der Konföderierten verraten konnte, steckte im Holster auf seinem Rücken, wo der Feind ihn nicht sehen konnte. Er vergewisserte sich, dass das Bajonett fest auf dem Gewehr saß, dann formte er mit den Händen einen Trichter. «Davies! Truslow!», brüllte er und fragte sich, wie eine Stimme den prasselnden Regen und den Wind überhaupt durchdringen konnte.

«Hab dich gehört!», schrie Truslow zurück.

Starbuck zögerte. Sobald er den nächsten Befehl rief, würde er kämpfen müssen, und plötzlich überkam ihn ein weiterer heftiger Zitteranfall. Die Angst zehrte an ihm, aber er zwang sich, tief durchzuatmen und den Befehl zu erteilen. «Feuer!»

Die Salve klang schwächlich, ein kurzes Knacken wie brechende Maisstängel, aber zu seiner Überraschung war Starbuck aufgesprungen und stieß nun ins Maisfeld vor. «Los!», schrie er den Männern in seiner Nähe zu, während er sich einen Weg durch die starren, verworrenen Stängel bahnte. «Los!» Er wusste, dass er den Angriff anführen musste, und er konnte nur hoffen, dass die Legion ihm folgte. Er hörte einige Männer hinter sich durch den Mais stürmen, und von der rechten Flanke kamen Peter Waggoners anspornende Zurufe, aber Starbuck vernahm auch, wie die Sergeants Zauderer anschrien, sie sollten aufstehen und vorrücken. Dieses Geschrei sagte ihm, dass einige Männer immer noch im Schutz der Bäume kauerten, aber er wagte nicht, sich umzudrehen und nachzusehen, wie viele ihm folgten, damit sie nicht dachten, er gäbe den Vorstoß auf. Der Angriff war stümperhaft, aber er war nun in vollem Gange, und Starbuck zwang sich, blind weiterzustürmen, obwohl er in jedem Moment mit einer Kugel rechnete. Einer seiner Männer stimmte einen kraftlosen Rebellenschrei an, aber niemand nahm ihn auf. Sie waren alle zu müde und zu nass, um sich die Kehle aus dem Leib zu brüllen.

Eine Kugel peitschte quer über das Feld durch die gebogenen Maisspitzen, dass das Wasser von den herabhängenden Kolben nur so spritzte. Die Kanonen blieben stumm, und Starbuck fürchtete, die zwei Geschütze würden gerade gedreht, um seinen Angriff von der Flanke zu beschießen. Er rief noch einmal, trieb seine Männer an, aber der Angriff kam nur im Schritttempo voran, denn das Feld war zu schlammig und der Mais zu dicht, als dass sie rennen konnten. Außer dem einen Gewehrschuss ließen die Yankees nichts von sich hören, und Starbuck war klar, dass sie ihr Feuer wohl eingestellt hatten, bis die zerlumpten grauen Angreifer in Kernschussweite gerieten. Er wollte sich vor dieser erwarteten Salve ducken, wollte sich am liebsten zwischen die nassen Stängel fallen lassen, den Boden küssen und einfach abwarten, bis der Krieg vorüber war. Er hatte zu große Angst, um zu schreien oder zu denken oder irgendetwas anderes zu tun, als blind vorwärtszustürzen, auf die dunklen Bäume zu, die jetzt nur noch dreißig Schritt entfernt waren. Es schien so dumm, für eine Furt über den Flatlick sein Leben zu lassen, aber die Dummheit dieses Unterfangens erklärte nicht seine Furcht. Es war etwas tiefer Liegendes, etwas, das er sich nicht eingestehen wollte, weil er den Verdacht hegte, dass es nichts weiter als reine Feigheit war, aber der Gedanke daran, wie seine Widersacher in der Legion über ihn lachen würden, wenn sie ihn so ängstlich sähen, trieb ihn weiter voran.

Er rutschte in einer Pfütze aus, ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten, und stieß dann weiter vor. Rechts von ihm stachelte Waggoner seine Jungs immer noch an, aber die übrigen Männer stapften einfach durch das vollgesogene Maisfeld. Starbucks Uniform war so durchnässt, als wäre er gerade durch einen Fluss gewatet. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich je wieder warm und trocken fühlen würde. Die nasse, schwere Kleidung machte jeden Schritt zu einer großen Anstrengung. Er versuchte es mit einem Kriegsruf, aber der Ansporn klang eher wie ein ersticktes Schluchzen. Wenn es nicht geregnet hätte, wäre ihm fast der Verdacht gekommen, dass er weinte. Und die Yankees schossen immer noch nicht, und nun waren die Bäume der Gegner nah, ganz nah, und die Panik der verbleibenden paar Yards verlieh ihm eine wahnsinnige Kraft, die ihn durch die letzten klebenden Maisstängel, durch eine weitere große Pfütze und geradewegs in den Wald hinein katapultierte.

Wo er feststellen musste, dass der Feind weg war. «Oh, lieber Gott im Himmel!», rief Starbuck und wusste selbst nicht genau, ob es ein Fluch oder ein Dankesgebet sein sollte. «Lieber Gott», sagte er noch einmal und starrte voller Erleichterung in den leeren Wald. Er hielt keuchend an und sah sich um, aber der Wald war wirklich verlassen. Der Feind war verschwunden und hatte nichts zurückgelassen außer ein paar feuchten Stückchen Patronenpapier und tiefen Räderfurchen, die anzeigten, wo sie die zwei Geschütze aus dem Wald geschoben hatten.

Starbuck rief seine übrigen Kompanien über das Maisfeld, dann ging er vorsichtig weiter, bis er den Waldstreifen durchquert und einen Ausblick über ein weites Stück verregnetes Weideland hatte, bis hin zu einem kleinen Fluss, der über die Ufer trat. Es war kein Gegner zu sehen, nur ein großes Haus, das halb verdeckt von Bäumen auf einer Anhöhe in der Ferne stand. Ein Blitz fuhr herab und ließ den Umriss des Hauses deutlich erkennen, dann verhüllten heftige Regenschwaden das Gebäude wie Seenebel. Für Starbuck hatte es ausgesehen wie ein Herrenhaus, eine höhnische Erinnerung an das bequeme Leben, das einen Mann erwarten mochte, wenn sein Land nicht von Krieg zerrissen war.

«Was jetzt?», fragte ihn Moxey.

«Ihre Männer können eine Postenkette aufstellen», sagte Starbuck. «Coffman? Gehen Sie den Colonel suchen und sagen Sie ihm, wir sind auf der anderen Seite des Maisfelds.» Es gab Tote zu begraben und Verwundete zu versorgen.

Die gelegentlichen Kampfgeräusche erstarben ganz, überließen das Feld Regen und Donner und dem kalten Ostwind. Ein paar schwächliche Flammen flackerten in den Tiefen des Waldes, aber die meisten Männer waren nicht geschickt genug, um bei einem solchen Regen Feuer zu machen, also zitterten sie stattdessen vor Kälte und fragten sich, was sie eigentlich getan hatten und warum und wo der Feind war und ob der nächste Tag ihnen Wärme, Essen und Erholung bringen würde.

Colonel Swynyard, eine hagere Gestalt mit struppigem Bart und vernarbtem Gesicht, stieß nach Anbruch der Dunkelheit zu Starbuck. «Keine Probleme bei der Durchquerung des Maisfelds, Nate?»

«Nein, Sir, keine Probleme. Überhaupt keine Probleme.»

«Gut gemacht.» Der Colonel wärmte seine Hände an Starbucks Feuer. «Ich werde in ein paar Minuten eine Gebetsstunde abhalten. Sie möchten sich wohl nicht anschließen?»

«Nein, Sir», antwortete Starbuck, so wie er auch an jedem zweiten Abend geantwortet hatte, wenn der Colonel ihn zum Beten einlud.

«Dann werde ich für Sie beten, Nate», erwiderte der Colonel, so wie jedes Mal zuvor. «Das werde ich gewiss.»

Starbuck wollte bloß Schlaf. Nur Schlaf. Nichts als Schlaf. Aber ein Gebet, dachte er, könnte vielleicht helfen. Irgendetwas musste ja helfen, denn er fürchtete, oh Gott, wie er fürchtete, dass er langsam zu einem Feigling wurde.

 

Starbuck zog seine nassen Sachen aus, weil er das Scheuern nicht länger ertragen konnte, und hängte sie auf, damit sie so viel Wärme von den Überresten seines Feuers aufnahmen wie möglich. Dann wickelte er sich in die klamme Decke ein und schlief trotz des Regens, aber es hatte nur den Anschein von Erholung, denn tatsächlich war es ein Wachschlaf, in dem sich seine Träume mit dem Regen, den tropfenden Bäumen, dem Donner und der geisterhaften Erscheinung seines Vaters, Reverend Elial Starbuck, mischten, der den Sohn für seine Ängstlichkeit verspottete. «Habe schon immer gewusst, dass du verdorben bist, Nathaniel», sagte sein Vater in dem Traum, «von Grund auf verdorben, wie vermodertes Holz. Kein Rückgrat, Junge, das ist dein Problem», und dann hüpfte sein Vater unbeschadet durch eine Salve Gewehrfeuer davon, während Starbuck träumte, dass er selbst sich an den feuchten Boden schmiegte. Sally kam ebenfalls in seinem Traum vor, aber das war kein Trost, denn sie erkannte ihn nicht und ging einfach an ihm vorbei ins Nichts, und dann wachte er auf, weil jemand an seiner Schulter rüttelte.

Zuerst dachte er, das Rütteln sei Teil des Traums, dann fürchtete er, dass die Yankees wohl einen Angriff gestartet hatten, und rollte blitzschnell aus seiner Decke, um nach seinem Gewehr zu greifen. «Schon gut, Major, sind nicht die Yankees, bloß ich. Da ist ein Mann für Sie.» Es war Luzifer, der ihn geweckt hatte. «Ein Mann für Sie», sagte Luzifer noch einmal, «ein richtig eleganter Mann.» Luzifer war ein Junge, den Starbuck zu seinem Diener gemacht hatte; ein entflohener Sklave, der nicht nur äußerst selbstgefällig war, sondern auch eine gehörige Portion schelmischen Humors mitbrachte. Er hatte seinen wahren Namen nie verraten und stattdessen darauf beharrt, Luzifer genannt zu werden. «Wollen Sie Kaffee?», fragte er.

«Gibt es denn welchen?»

«Ich kann welchen stehlen.»

«Dann mach dich ans Werk», sagte Starbuck. Er stand auf, wobei jeder Muskel in seinem Körper schmerzte, und nahm sein Gewehr an sich, das, wie ihm jetzt einfiel, immer noch mit der nutzlosen Ladung aus feuchtem Pulver bestückt war. Er befühlte seine Uniform und musste feststellen, dass sie noch feucht war. Das Feuer war längst erloschen. «Wie spät ist es?», rief er Luzifer hinterher, aber der Junge war schon weg.

«Kurz nach halb sechs», antwortete ein Fremder. Starbuck trat nackt aus dem Unterholz und erblickte eine in einen Mantel gehüllte Gestalt zu Pferde. Der Mann ließ den Deckel seiner Uhr zuschnappen und zog den Mantel zurück, um den Chronometer in ein Täschchen seiner Uniform gleiten zu lassen. Starbuck erhaschte einen Blick auf einen mit Tressen besetzten, eleganten Rock, der niemals vom Pulver geschwärzt oder mit Blut befleckt worden war, dann wurde er wieder von dem scharlachrot gefütterten Mantel bedeckt. «Maitland», stellte der Reiter sich vor, «Lieutenant-Colonel Ned Maitland.» Er blinzelte ein paarmal angesichts von Starbucks Blöße, aber enthielt sich jeglichen Kommentars. «Ich habe Befehle für Sie aus Richmond», fügte Maitland hinzu.

«Für mich?», fragte Starbuck träge. Er war noch nicht ganz wach und versuchte zu verstehen, warum irgendjemand in Richmond ihm Befehle übermitteln sollte. Er brauchte keine Befehle, er brauchte Schlaf.

«Sie sind doch Major Starbuck?», fragte Maitland.

«Ja.»

«Freut mich, Sie kennenzulernen, Major», sagte Maitland und lehnte sich aus dem Sattel, um Starbuck die Hand zu reichen. Starbuck hielt die Geste für unangebracht und zögerte, die ausgestreckte Hand zu ergreifen, aber es schien ihm auch ungehobelt, sie zu verweigern, und deshalb ging er zu dem Pferd hinüber und schüttelte dem Colonel die Hand. Der Colonel zog seine schnell zurück, als ob er fürchtete, dass Starbuck sie beschmutzt haben könnte, dann zog er wieder seinen Handschuh über. Er versuchte, seine Reaktion vor dem Major zu verbergen, aber in Maitlands Augen bot Starbuck einen entsetzlichen Anblick. Sein Körper war bleich und ausgemergelt, während seine Hände und sein Gesicht von der Sonne braun gebrannt waren. Ein Klumpen geronnenes Blut verunstaltete Starbucks Wange, und sein schwarzes Haar hing lang und strähnig herunter. Maitland war stolz auf sein äußerliches Erscheinungsbild und gab sich Mühe, gepflegt zu wirken. Er war jung für einen Lieutenant-Colonel, vielleicht dreißig, und hatte einen dichten braunen Bart vorzuweisen und einen sorgfältig gezwirbelten Schnurrbart, den er mit parfümiertem Öl einfettete. «War das Ihr Diener?» Er wies mit einem Nicken in die Richtung, in die Luzifer verschwunden war.

«Ja.» Starbuck hatte sich seine feuchten Sachen geholt und zog sich an.

«Wissen Sie denn nicht, dass Schwarze keine Waffen tragen sollen?»

«Sie sollten auch keine Yankees erschießen, aber er hat am Bull Run trotzdem ein paar getötet», antwortete Starbuck gereizt. Er hatte bereits mit Luzifer über den Colt-Revolver gestritten, den der Junge unbedingt tragen wollte, und Starbuck hatte keine Lust, den gleichen Kampf noch einmal mit einem hochnäsigen Colonel aus Richmond auszutragen. «Was für Befehle?», fragte er Maitland.

Colonel Maitland antwortete nicht. Stattdessen starrte er durch das fahle Licht der Dämmerung auf das Herrenhaus jenseits des Flusses. «Chantilly», sagte er sehnsüchtig. «Ich glaube, das ist Chantilly.»

«Was?», fragte Starbuck, schlüpfte in sein Hemd und fummelte an dessen verbliebenen Knöpfen herum.

«Das Haus dort. Es wird Chantilly genannt. Ein wirklich schöner Ort. Ich habe ein paar Nächte unter diesem Dach getanzt und werde es unzweifelhaft wieder tun, sobald wir die Yankees gebührend verabschiedet haben. Wo finde ich Colonel Swynyard?»

«Wahrscheinlich auf seinen Knien», antwortete Starbuck. «Werden Sie mir jetzt diese Befehle übergeben oder nicht?»

«Müssten Sie mich nicht mit ‹Sir› anreden?», erkundigte Maitland sich höflich, jedoch mit einem ungeduldigen Unterton in der Stimme wegen Starbucks Feindseligkeit.

«Im Leben nicht», sagte Starbuck barsch und war überrascht über seine Streitlust, die ein immer auffälligerer Charakterzug zu werden schien.

Maitland entschied sich, keine große Sache daraus zu machen. «Ich soll Ihnen die Befehle in Anwesenheit von Colonel Swynyard übergeben», sagte er und wartete dann, während Starbuck gegen einen Baum pisste. «Sie wirken ein bisschen jung für einen Major», bemerkte er, als Starbuck seine Hosen zuknöpfte.

«Sie wirken auch ein bisschen jung für einen Colonel», antwortete Starbuck mürrisch. «Und mein Alter, Colonel, betrifft nur mich und den Kerl, der es auf meinen Grabstein meißelt. Wenn ich je einen Grabstein bekomme. Die meisten Soldaten können nicht darauf hoffen, es sei denn, sie führen ihren Kampf hinter einem Schreibtisch in Richmond.» Nachdem er diese Beleidigung gegen einen Mann ausgeteilt hatte, der wie ein Schreibtischsoldat aussah, beugte Starbuck sich vor, um sich die Stiefel zu schnüren, die er einem toten Yankee am Cedar Mountain abgenommen hatte. Der Regen hatte aufgehört, aber die Luft war immer noch feucht und das Gras tropfnass. Ein paar Männer der Legion waren aus dem Wald geschlendert, um den eleganten Colonel anzustarren, der ihre prüfenden Blicke geduldig ertrug, während er darauf wartete, dass Starbuck seinen Uniformrock auflas. Luzifer war mit einer Handvoll Kaffeebohnen zurückgekehrt, und Starbuck trug ihm auf, sie zu Colonel Swynyards Feldlager zu bringen. Er setzte seinen nassen Hut auf sein ungekämmtes schwarzes Haar und gab Maitland dann ein Zeichen. «Hier entlang», sagte er.

Starbuck zwang den eleganten Maitland, vom Pferd zu steigen, indem er ihn absichtlich durch das dichteste Unterholz führte, sodass Blätter und Gestrüpp den mit Seide gefütterten Mantel des Colonels durchnässten. Maitland protestierte nicht, und auch Starbuck sprach kein Wort, bis die zwei Männer Swynyards Zelt erreicht hatten, wo der Colonel, wie von Starbuck vorausgesagt, mitten im Gebet war. Die Zeltklappen wurden zurückgeschlagen, und da kniete der Colonel auf dem Boden, mit einer aufgeschlagenen Bibel auf der Decke seines Feldbetts. «Er hat vor drei Wochen zu Gott gefunden», erklärte Starbuck Maitland laut genug, um den Colonel zu stören, «und seitdem hängt er ihm ständig in den Ohren.» Die drei Wochen hatten bei Swynyard Wunder gewirkt, hatten einen armseligen Säufer in einen ausgezeichneten Soldaten verwandelt, der nun, gekleidet in Hemdsärmel und graue Hosen, sein gesundes Auge auf die Männer richtete, die sein Morgengebet gestört hatten.

«Gott wird Ihnen vergeben, dass Sie mich unterbrochen haben», sagte er großmütig, stand auf und zog seine Hosenträger über seine hageren Schultern. Maitland musste sich bei Swynyards Anblick unfreiwillig schütteln, denn er wirkte noch ungepflegter als Starbuck. Swynyard war ein dürrer, von Narben bedeckter Mann mit struppigem Bart und gelben Zähnen, dem an der linken Hand drei Finger fehlten.

«Nagelkauer», erklärte Starbuck, als er sah, dass Maitland die drei Stümpfe anstarrte.

Maitland zog eine Grimasse, dann trat er vor und streckte eine Hand aus. Swynyard schien überrascht über die Geste, aber ging bereitwillig darauf ein und nickte anschließend Starbuck zu. «Guten Morgen, Nate.»

Starbuck ignorierte den Gruß und wies stattdessen mit einem Nicken auf Maitland. «Der Mann hier ist Lieutenant-Colonel Maitland. Hat Befehle für mich, aber sagt, er müsse erst Sie sehen.»

«Jetzt haben Sie mich ja gesehen», sagte Swynyard zu Maitland, «also übergeben Sie Nate seine Befehle.»

Aber Maitland führte erst sein Pferd zum nächsten Baum und band die Zügel an einen tropfenden Ast. Er schnallte eine Satteltasche auf und holte ein Bündel Papiere heraus. «Erinnern Sie sich an mich, Colonel?», rief er über die Schulter zurück, während er die Tasche wieder verschloss.

«Leider nein.» Swynyard klang, als sei er auf der Hut, misstrauisch gegenüber jedem, dem er in seinem alten, vorchristlichen Leben begegnet war. «Sollte ich mich an Sie erinnern?»

«Ihr Pa hat meinem Pa mal ein paar Sklaven verkauft. Vor zwanzig Jahren.»

Swynyard entspannte sich, erleichtert darüber, dass es nicht um eine seiner alten Sünden ging. «Da müssen Sie ja noch ein Knabe gewesen sein, Colonel.»

«Das war ich auch, aber ich erinnere mich gut daran, wie Ihr Pa meinem Pa erklärt hat, dass die Sklaven gute Arbeiter seien. Und das waren sie nicht. Sie waren zu nichts zu gebrauchen.»

«In dem Gewerbe», sagte Swynyard, «heißt es oft, dass Sklaven immer nur so gut sind wie ihre Herren.» Swynyard hatte gelassen gesprochen, aber seine Worte machten deutlich, dass er eine ebenso große Abneigung gegen Maitland entwickelt hatte wie Starbuck. Maitland hatte eine gewisse Überheblichkeit an sich, die beiden Männern auf die Nerven ging, oder vielleicht rührte ihr Unmut auch daher, dass mit ihm ein Mann in ihr Leben eingedrungen war, der seine Zeit so offensichtlich fernab vom Kugelhagel verbrachte.

«Luzifer bringt uns etwas Kaffee, Colonel», sagte Starbuck zu Swynyard.

Der Colonel holte zwei Klappstühle aus seinem Zelt und lud Maitland ein, sich zu setzen. Starbuck bot er eine umgedrehte Kiste als Sitzplatz an und stellte eine weitere als Tisch auf. «Also, wo sind nun diese Befehle, Colonel?», fragte er Maitland.

«Habe sie gleich hier», sagte Maitland, legte die Dokumente auf die Kiste und bedeckte sie mit seinem Hut, um sowohl Swynyard als auch Starbuck daran zu hindern, sie an sich zu nehmen. Er zog seinen feuchten Mantel aus, und darunter kam eine makellos geschnittene Uniform zum Vorschein, die mit zwei Reihen glänzend polierter Messingknöpfe verziert war. Die goldenen Zwillingssterne auf beiden Schultern strahlten, als ob sie aus echtem Gold wären, und die Tressen an seinen Ärmeln schienen aus Goldfaden gewoben zu sein. Starbucks Uniformrock war fadenscheinig, weder mit Gold noch mit Messing verziert, und wies nicht einmal Rangabzeichen aus Stoff auf, nur weiße Salzspuren, wo der Schweiß das Gewebe durchdrungen hatte. Maitland wischte über die Sitzfläche seines Klappstuhls und zupfte seine Hosen mit den eleganten gelben Streifen zurecht, bevor er sich setzte. Er hob den Hut hoch, legte die versiegelten Dokumente beiseite und reichte Swynyard ein anderes einzelnes Blatt. «Ich melde mich zum Dienst, wie befohlen, Colonel», sagte er sehr förmlich.

Swynyard faltete das Blatt auseinander, las es, blinzelte und las es dann noch einmal. Er blickte zu Maitland auf, dann wieder zurück auf das Papier. «Haben Sie schon an irgendeiner Schlacht teilgenommen?», fragte er mit einer Stimme, die für Starbucks Ohren verbittert klang.

«Ich war eine Zeitlang bei Johnston.»

«Das ist nicht, was ich Sie gefragt habe», sagte Swynyard ausdruckslos.

«Ich habe die Schlacht erlebt», sagte Maitland steif.

«Und selbst gekämpft?», fragte Swynyard aufgebracht. «Ich meine, an vorderster Front? Haben Sie Ihr Gewehr abgefeuert und dann dagestanden und nachgeladen, während eine ganze Reihe Yankees auf Sie zielt? Haben Sie das schon getan, Colonel?»

Maitland warf Starbuck einen Blick zu, bevor er antwortete, und Starbuck, der aus dem Verlauf des Gesprächs nicht ganz schlau wurde, erkannte einen schuldbewussten Ausdruck in Maitlands Augen. «Ich habe die Schlacht erlebt», beharrte Maitland gegenüber Swynyard.

«Vom Rücken eines Offizierpferds», sagte Swynyard bissig. «Das ist nicht dasselbe, Colonel.» Er klang traurig, als er das sagte, dann beugte er sich vor, griff nach den versiegelten Papieren und warf sie Starbuck auf den Schoß. «Wenn ich nicht errettet worden wäre», sagte er, «wenn das erlösende Blut Christi mich nicht reingewaschen hätte, dann wäre ich jetzt versucht zu fluchen. Und ich denke, dass Gott mir vergeben würde, wenn ich es täte. Es tut mir leid, Nate, mehr, als ich es in Worten ausdrücken kann.»

Starbuck riss das Siegel auf und faltete die Dokumente auseinander. Das erste Blatt war ein Passierschein nach Richmond. Das zweite ein Befehl, sich bei Colonel Holborrow in Richmonds Camp Lee zu melden, wo Major Starbuck das Kommando über das Second Special Battalion übernehmen solle. «Verdammte Scheiße», fluchte Starbuck leise.

Swynyard nahm Nates Befehle an sich, überflog sie schnell und reichte sie ihm dann zurück. «Die ziehen Sie ab, Starbuck, und übergeben die Legion Mister Maitland hier.» Er sprach den Namen des Neuankömmlings voller Bitterkeit aus.

Maitland schenkte Swynyards Ton keine Beachtung. Stattdessen holte er ein silbernes Etui heraus, nahm sich eine Zigarre und zündete sie mit einem Streichholz an, bevor er gelassen zu den nassen Bäumen hinüberblickte, wo die Männer von Swynyards Brigade versuchten, Feuer zu entfachen, und mit stumpfen Bajonetten auf ihre Hartkekse einhieben. «Ich bezweifle, dass es noch einmal regnen wird», sagte er beiläufig.

Starbuck las die Befehle ein weiteres Mal. Er hatte die Legion erst ein paar Wochen lang angeführt und hatte das Kommando von Major General Thomas Jackson persönlich erhalten, doch jetzt wurde ihm befohlen, seine Männer diesem Lackaffen aus Richmond zu überlassen und stattdessen ein ihm unbekanntes Bataillon zu übernehmen. «Warum?», fragte er, aber er erhielt keine Antwort. «Gottverdammt!»

«Das ist einfach nicht richtig!», protestierte auch Swynyard. «Ein Regiment ist eine empfindliche Angelegenheit, Colonel», erklärte er Maitland. «Es sind nicht nur die Yankees, die ein Regiment zerschlagen können, sondern auch seine eigenen Offiziere. Die Legion hatte eine schlechte Phase, aber Starbuck hat sie wieder auf Kurs gebracht. Es ergibt keinen Sinn, ausgerechnet jetzt die Kommandanten auszutauschen.»

Maitland zuckte bloß mit den Schultern. Er war ein gutaussehender Mann, der seine Privilegien mit gleichmütigem Selbstbewusstsein genoss. Falls er Verständnis für Starbucks Situation hatte, so zeigte er es jedenfalls nicht, sondern ließ allen Protest einfach an sich abprallen.

«Das wird meine Brigade schwächen!», sagte Swynyard ärgerlich. «Warum?»

Maitland machte eine lässige Geste mit seiner Zigarre. «Ich bin nur der Überbringer der Befehle, Colonel, nur der Überbringer.»

Einen Augenblick lang sah es aus, als ob Swynyard Maitland wüst beschimpfen wollte, dann besann er sich und schüttelte stattdessen den Kopf. «Warum?», fragte er noch einmal. «Diese Brigade hat hervorragend gekämpft! Interessiert es denn niemanden, was wir in der letzten Woche geleistet haben?»

Anscheinend interessierte es wirklich niemanden, zumindest keinen, für den Maitland sprechen wollte. Swynyard schloss für einen Moment die Augen, dann sah er Starbuck an. «Es tut mir leid, Nate, wirklich.»

«Verdammte Scheiße», murmelte Starbuck vor sich hin. Die Sache wurde noch bitterer dadurch, dass er ein Nordstaatler war, der für den Süden kämpfte, und die Legion Faulconer war seine Heimat, seine Zuflucht. Er blickte auf die Dokumente herab. «Was ist das Second Special Battalion?», fragte er Maitland.

Zunächst schien es, als wollte Maitland darauf nicht antworten, dann verzog der elegante Colonel den Mund zu einem halben Lächeln. «Ich glaube, sie sind weithin als die Gelbschenkel bekannt», sagte er in irritierendem Tonfall, als ob er sich prächtig amüsierte.

Starbuck fluchte und starrte in den verhangenen Himmel. Die Gelbschenkel hatten in jener Woche im Frühjahr ihren Spitznamen erhalten und ihr Ansehen verloren, als Lee endlich McClellans Armee vor Richmond aufgehalten hatte. Jacksons Männer waren aus dem Shenandoah Valley gekommen, um Lee zu unterstützen, und unter ihnen befand sich auch das 66th Virginia, ein neu aufgestelltes Regiment, das bei Malvern Hill in sein erstes – und bisher einziges – Gefecht geraten war. Sie waren davongelaufen, nicht vor einem harten Kampf, sondern vor den allerersten Granaten, die in ihrer Nähe heruntergekommen waren. Ihr Spitzname, die Gelbschenkel, bezog sich auf den angeblichen Zustand ihrer Hosen, nachdem sie sich vor Angst hineingemacht hatten. «Gemeinschaftlich eingepisst», hatte Truslow Starbuck erklärt, als er die Geschichte gehört hatte, «und einen ganz neuen Sumpf geschaffen.» Später hatte man entschieden, dass das Regiment zu hastig aufgestellt, zu dürftig ausgebildet und zu schlecht geführt worden war, und so hatte man seine Gewehre an kampfbereite Männer verteilt und es zur erneuten Ausbildung wieder nach Hause geschickt. «Und wer ist dieser Colonel Holborrow?», fragte Swynyard Maitland.

«Er ist dafür zuständig, die Strafbataillone auszubilden», antwortete Maitland leichthin. «War nicht eins von ihnen bei der Schlacht letzte Woche dabei?»

«Oh ja», antwortete Starbuck. «Und es war zu nichts zu gebrauchen.» Das Strafbataillon war eine notdürftige Ansammlung von Ungehorsamen, Versprengten und Drückebergern gewesen, und es hatte sich innerhalb von Minuten aufgelöst. «Verdammt noch mal!», sagte Starbuck. Anscheinend war das 66th Virginia nun zum Strafbataillon umbenannt worden, was darauf schließen ließ, dass sich die Disziplin der Männer seit dem Tag ihrer Niederlage nicht gebessert hatte, und wenn man sich an der Darbietung des anderen Strafbataillons orientieren durfte, dann waren sie wohl auch nicht besser ausgebildet.

Luzifer stellte zwei Becher Kaffee auf den behelfsmäßigen Tisch, und dann, nach einem Blick auf Starbucks verzweifeltes Gesicht, entfernte er sich weit genug, dass die drei Offiziere denken mussten, er wäre außer Hörweite.

«Das ist Wahnsinn!» Swynyard hatte wieder Kraft zum Protestieren gefunden. «Von wem kommen die Befehle?»

«Vom Kriegsministerium», antwortete Maitland, «das versteht sich.»

«Von wem im Kriegsministerium?», fragte Swynyard hartnäckig.

«Sie können die Unterschrift doch lesen, Colonel, oder nicht?»

Der Name unter dem Befehl sagte weder Starbuck noch Swynyard etwas, aber Griffin Swynyard hatte eine Idee, wer die Dokumente in Auftrag gegeben haben mochte. «Ist General Faulconer ins Kriegsministerium berufen worden?», fragte er Maitland.

Maitland nahm die Zigarre aus dem Mund, spuckte ein Stück Tabakblättchen von seinen Lippen und zuckte mit den Schultern, als wäre die Frage ohne Bedeutung. «General Faulconer ist zum stellvertretenden Kriegsminister ernannt worden, ja», antwortete er. «Einen so fähigen Mann kann man schließlich nicht unbeschäftigt lassen, nur weil Tom Jackson ihn nicht mag.»

«Und General Faulconer hat Sie zum befehlshabenden Offizier dieser Legion gemacht», sagte Swynyard.

«Ich schätze, der General hat ein gutes Wort für mich eingelegt», sagte Maitland. «Die Legion ist ein Regiment aus Virginia, Colonel, und der General meint, dass sie auch von einem Mann aus Virginia geführt werden sollte. Und hier bin ich.» Er lächelte Swynyard an.

«Verdammte Scheiße», sagte Starbuck. «Faulconer. Das hätte ich mir ja denken können.» General Washington Faulconer war der Gründer der Legion und der Kommandant der Brigade gewesen, bis Jackson ihn wegen Unfähigkeit entlassen hatte. Faulconer war in dem Glauben aus der Armee geschieden, dass Starbuck und Swynyard für seine Schande verantwortlich wären, aber statt sich auf sein Landgut zurückzuziehen und seine Wunden zu lecken, war er nach Richmond gegangen und hatte seine Beziehungen und seinen Reichtum spielen lassen, um einen Posten in der Regierung zu erlangen. Nun, da er sich in der sicheren Hauptstadt der Konföderation befand, setzte er alles in Bewegung, um sich an den zwei Männern zu rächen, die er für seine erbittertsten Feinde hielt. Swynyard setzte er einen Mann von gleichem Rang vor die Nase, der unzweifelhaft ein Ärgernis für ihn darstellen würde, aber Starbuck versuchte Faulconer gänzlich zu vernichten.

«Mich wäre er sicher auch gerne losgeworden», sagte Swynyard. Er hatte Starbuck von dem Zelt weggeführt und ging nun außer Hörweite von Maitland mit ihm auf und ab. «Aber Faulconer weiß, wer mein Cousin ist.» Swynyards Cousin war der Herausgeber des Richmond Examiner, der mächtigsten unter den fünf Tageszeitungen, die in der Hauptstadt der Konföderation erschienen, und dieses Verwandtschaftsverhältnis hatte Washington Faulconer ohne Zweifel davon abgehalten, sich offen an Swynyard zu rächen, doch Starbuck war ein leichteres Ziel. «Aber da ist noch etwas anderes, Nate», fuhr der Colonel fort, «ein weiterer Grund, warum Maitland Ihnen den Posten weggenommen hat.»

«Weil er aus Virginia ist», sagte Starbuck verbittert.

Swynyard schüttelte den Kopf. «Ich schätze, Maitland hat Ihnen die Hand geschüttelt, oder?»

«Ja. Und?»

«Er wollte prüfen, ob Sie ein Freimaurer sind, Nate. Und das sind Sie nicht.»

«Was, zur Hölle, macht das denn für einen Unterschied?»

«Einen gewaltigen», sagte Swynyard unverblümt. «Es gibt eine Menge Freimaurer in der Armee, und in der Armee der Yankees genauso, und Freimaurer sorgen füreinander. Faulconer ist Freimaurer, Maitland ebenso, und ich bin übrigens auch einer. Mir haben die Freimaurer ganz gute Dienste geleistet, aber Sie haben sie erledigt, Nate. Die Gelbschenkel!» Der Colonel schüttelte den Kopf über diese grässliche Aussicht.

«Zu etwas anderem tauge ich auch kaum», gab Starbuck zu.

«Was soll das denn heißen?», fragte Swynyard.

Starbuck zögerte, schämte sich, die Wahrheit einzugestehen, aber er musste mit jemandem über seine Ängste reden. «Ich glaube, ich werde zu einem Feigling. Das Maisfeld zu durchqueren hat mich gestern große Überwindung gekostet, und ich bin nicht sicher, ob ich es noch einmal tun könnte. Ich schätze, ich habe allen Mut, den ich jemals hatte, inzwischen aufgebraucht. Vielleicht verdient ein Bataillon von Feiglingen ja einen Feigling als Kommandanten.»

Swynyard schüttelte den Kopf. «Mut ist nicht wie eine Flasche Whiskey, Nate. Man kann ihn nicht aufbrauchen. Sie sind nur dabei, Ihr Handwerk zu lernen. In der ersten Schlacht bildet ein Junge sich ein, er könnte alles und jeden besiegen, aber nach einer Weile lernt er, dass die Schlacht größer ist als ein jeder von uns. Mut entsteht nicht aus Unwissen und Arglosigkeit, sondern wenn man trotz seiner Erfahrung etwas wagt, Nate. Sie werden das schon schaffen, beim nächsten Mal. Und denken Sie immer daran, dass dem Gegner genauso die Knie schlottern wie Ihnen. Nur in der Zeitung sind wir alle Helden. In Wahrheit haben die meisten von uns eine Heidenangst.» Er hielt inne und wühlte gedankenverloren mit der Spitze seines löchrigen Stiefels im feuchten Laub. «Und die Gelbschenkel sind keine Feiglinge», fuhr er fort. «In der Schlacht ist etwas schiefgelaufen, das ist klar, aber unter ihnen werden genauso viele tapfere Männer sein wie in jedem anderen Bataillon. Ich schätze, sie brauchen nur eine gute Führung.»

Starbuck verzog das Gesicht und hoffte, dass Swynyard recht hatte, aber er wollte die Legion trotzdem nicht verlassen. «Vielleicht sollte ich bei Jackson vorsprechen?», schlug er vor.

«Damit diese Befehle widerrufen werden?», fragte Swynyard, dann schüttelte er zur Antwort den Kopf. «Old Jack hält nichts von Männern, die ihre Befehle in Frage stellen, Nate, solange diese Befehle nicht vollkommen irrsinnig sind, und das ist dieser Befehl nicht. Er ist bloß verkehrt, das ist alles. Außerdem», lächelte er, im Versuch, Starbuck aufzumuntern, «werden Sie ohnehin bald zurückkommen. Maitland macht es nicht lange.»

«Wenn er all das Gold in die Schlacht trägt», sagte Starbuck rachsüchtig, «werden sich die Yankees ihn sofort herauspicken.»

«So dumm wird er nicht sein», sagte Swynyard, «aber er wird nicht lange bleiben. Ich kenne die Maitlands, und diese Leute sind ein anderes Leben gewohnt. Besaßen schon immer Kutschen, große Häuser und viele Morgen gutes Land. Hübsche Töchter, eingebildete Söhne und prächtige Pferde, das sind die Maitlands. Ähnlich wie die Faulconers. Und Mister Maitland ist nicht zu uns gekommen, weil er die Legion führen will, Nate, sondern weil er einmal als kommandierender Offizier auf dem Schlachtfeld gewesen sein muss, bevor er General werden kann. Mister Maitland hat bloß seine Karriere im Blick, und er weiß, dass er sich einen Monat lang die Stiefel schmutzig machen muss, wenn er jemals einen hohen Rang bekleiden will. Er wird uns schon bald wieder verlassen, und dann können Sie zurückkommen.»

«Nicht, wenn Faulconer etwas mit der Sache zu tun hat.»

«Dann zeigen Sie es ihm», sagte Swynyard energisch. «Machen Sie ein erstklassiges Regiment aus den Gelbschenkeln, Nate. Wenn jemand dazu in der Lage ist, dann Sie.»

«Manchmal frage ich mich, warum ich überhaupt für dieses verdammte Land kämpfe», sagte Starbuck verbittert.

Swynyard lächelte. «Es hält Sie nichts davon ab, wieder in den Norden zu gehen, Nate, rein gar nichts. Halten Sie sich einfach nördlich, und Sie werden irgendwann zu Hause ankommen. Ist es das, was Sie wollen?»

«Auf keinen Fall.»

«Dann zeigen Sie’s Faulconer. Er glaubt, ein Strafbataillon wäre das Ende Ihrer Karriere, also beweisen Sie ihm das Gegenteil.»

«Der Bastard soll in der Hölle schmoren», sagte Starbuck.

«Dafür zu sorgen ist Gottes Aufgabe, Nate. Ihre ist es zu kämpfen. Also erfüllen Sie sie gut. Und ich werde einen Antrag stellen, dass Ihre Männer in meine Brigade eingegliedert werden sollen.»

«Und Sie glauben, das hätte Aussicht auf Erfolg?»

«Vergessen Sie nicht, dass ich Freimaurer bin», sagte Swynyard mit einem Grinsen, «und ich habe noch ein oder zwei Gefallen gut. Wir holen Sie zurück zu Ihren Freunden.»

Maitland stand auf, als die zwei zerlumpten Offiziere wieder zum Zelt kamen. Er hatte einen Becher Kaffee ausgetrunken und sich inzwischen auch den zweiten vorgenommen. «Stellen Sie mich den Offizieren der Legion vor, Starbuck?», sagte er.

«Das mache ich, Colonel», sagte Starbuck. Er mochte zwar darüber grollen, dass dieser Mann ihn ersetzte, aber er würde Maitland keine Steine in den Weg legen, denn die Legion würde in jedem Fall gegen die Yankees kämpfen müssen, ganz gleich unter wessen Kommando, und Starbuck wollte nicht, dass ihre Moral mehr als nötig unter dem Wechsel litt. «Ich werde Sie ihnen empfehlen», versprach er widerwillig.

«Aber danach sollten Sie nicht länger bleiben», schlug Maitland siegesgewiss vor. «Niemand kann zwei Herren dienen, steht es so nicht im Buch der Bücher? Je eher Sie also weg sind, Starbuck, desto besser für die Männer.»

«Desto besser für Sie, meinen Sie wohl», sagte Starbuck.

«Das auch», stimmte Maitland ihm seelenruhig zu.

Starbuck würde die Legion verlieren, und stattdessen war ihm ein Bataillon der Verdammten zugeteilt worden, was bedeutete, dass man ihn vernichten wollte und er irgendwie überleben musste.

Zwei

Luzifer war ganz und gar nicht glücklich. «Richmond», erklärte er Starbuck, kurz nachdem sie in der Stadt angekommen waren, «ist nicht nach meinem Geschmack.»

«Dann geh doch woanders hin», erwiderte Starbuck mürrisch.

«Das ziehe ich auch in Erwägung», sagte Luzifer. Er neigte zu schwülstiger Rede, wenn er sich in seiner Würde angegriffen fühlte, und das konnte leicht passieren. Er war nur ein Junge, höchstens fünfzehn, und selbst mit dreizehn wäre er noch klein für sein Alter gewesen, aber er hatte in diesen wenigen Jahren eine Menge Lebenserfahrung angesammelt und besaß ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das Starbuck ebenso sehr faszinierte wie das Rätsel um Luzifers Vergangenheit. Der Junge sprach nie direkt über diese Vergangenheit, und Starbuck erkundigte sich auch nicht danach, denn er hatte die Erfahrung gemacht, dass jede Frage nur eine neue Geschichte heraufbeschwörte. Fest stand, dass der Junge ein entlaufener Sklave war, und Starbuck vermutete, dass Luzifer versucht hatte, den sicheren Norden zu erreichen, als er von Jacksons Armee bei Manassas aufgegriffen worden war, aber Luzifers Leben vor diesem Zeitpunkt blieb genauso ein Rätsel wie sein richtiger Name und der Grund, aus dem er sich dazu entschieden hatte, bei Starbuck zu bleiben.

«Er mag dich, das ist der Grund», erklärte Sally Starbuck. «Er weiß, dass er bei dir machen kann, was er will, und ein Bengel wie er braucht diese Freiheiten. Eines Tages wird er erwachsen, und dann siehst du ihn nie wieder.»

Starbuck und Luzifer waren von dem regennassen Schlachtfeld zum Kopfbahnhof bei Fredericksburg gelaufen und dann mit der Richmond, Fredericksburg and Potomac Railroad in die Hauptstadt gefahren. Starbucks Passierschein sicherte ihm einen Platz im Passagierwagen, während Luzifer mit den anderen Schwarzen im Güterwaggon reiste. Der Zug schnaufte, rüttelte, ratterte, bebte und kroch so Richtung Süden, bis Starbuck im Morgengrauen vom Ruf eines Richmonder Milchmädchens geweckt wurde. Das Depot der Eisenbahngesellschaft lag im Herzen der Stadt, die Gleise verliefen in der Mitte der Broad Street, und für Starbuck war es eine seltsame Erfahrung, die vertraute Stadt durch das rußbeschmutzte Fenster eines langsam dahinrollenden Eisenbahnwagens zu betrachten. Zeitungsjungen rannten neben dem Zug her und boten Exemplare von Examiner und Sentinel zum Verkauf, während die Passanten auf den Bürgersteigen sich an den Karren und Fuhrwerken vorbeizwängten, die wegen der langsamen, geräuschvollen Durchfahrt des Zuges an die Straßenseiten gedrängt worden waren. Starbuck starrte mit schläfrigem Blick durch das Fenster und nahm schwermütig zur Kenntnis, wie viele Türen mit Schwarz verhangen waren, wie viele Frauen trauerten, wie viele Krüppel auf den Bürgersteigen bettelten und wie viele Männer Armbinden als Trauerflor trugen.

Starbuck hatte sich eingeredet, dass er Sally keinen Besuch abstatten würde. Er sagte sich, dass sie nicht mehr sein Mädchen war. Sie hatte einen Liebhaber gefunden, Starbucks guten Freund Patrick Lassan, einen französischen Kavalleristen, der vordergründig als Militärbeobachter für die französische Armee tätig war, aber tatsächlich mit Jeb Stuart ritt. Starbuck sagte sich, dass Sally ihn jetzt nichts mehr anging, und er sagte es sich immer noch, als er an die blau gestrichene Tür neben dem Schneidergeschäft an der Ecke Fourth und Grace Street klopfte. Sally hatte sich gefreut, ihn wiederzusehen. Sie war bereits auf den Beinen, schon fleißig, und sie wies ihre Sklaven an, Starbuck ein Frühstück aus Kaffee und Brot zu bringen. «Das Brot schmeckt nicht besonders», sagte sie, «aber gutes Brot gibt es nicht. Guten Kaffee übrigens auch nicht. Ich muss ihn aus Eicheln, Weizenkörnern und Zichorien machen! Das Einzige, was dieser Tage noch gut ist, sind die Zigarren und das Geschäft.» Sallys Geschäft bestand darin, Madame Royall zu verkörpern, Richmonds teuerstes Medium, das kostspielige Séancen anbot, um die Lebenden und die Toten wieder zu vereinen. «Alles Schwindel», sagte sie verächtlich, «ich erzähle ihnen bloß das, was sie hören wollen, und je mehr ich dafür verlange, umso mehr glauben sie mir.» Sie zuckte mit den Schultern. «Eine ziemlich langweilige Angelegenheit, Nate, aber besser, als die Nächte durchzuarbeiten.» Sie meinte das Bordell in der Marshall Street, wo Sally ihren Geschäftssinn entdeckt hatte.

«Kann ich mir vorstellen.»

«Das bezweifle ich, Nate», sagte Sally gut gelaunt und bedachte ihn mit einem langen prüfenden Blick. «Du bist mager. Ausgemergelt wie ein altes Maultier. Ist das eine Schusswunde in deinem Gesicht?»

«Ein Splitter von einem Baum.»

«Die Mädchen werden es lieben, Nate. Nicht, dass du auf diesem Gebiet jemals Hilfe benötigt hättest, aber erzähl ihnen, es ist eine Schusswunde, dann wollen sie dich alle streicheln. Und einen Sklaven hast du jetzt auch?»

«Ich bezahle ihn, wann immer ich kann», sagte Nate zu seiner Verteidigung.