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Starbuck: Der Verräter E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Von Helden und Verrätern. Auf Seiten der Konföderierten kehrt der gefeierte Kriegsheld Captain Nate Starbuck an die Frontlinien zwischen Nord und Süd zurück. Im Sommer 1862 bewährt er sich aufs Neue in der Schlacht von Ball's Bluff. Sein alter Widersacher Washington Faulconer neidet ihm indes den Ruhm. Und Faulconer ist nur einer von Nates Gegnern, die alle nicht vergessen haben, dass er aus dem Norden stammt. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis gewisse Leute ihn des Verrats an der Sache der Konföderation zeihen. Denn da ist jemand, der Geheimstes an den Feind weitergibt. Nate wird brutal verhört. Und er erkennt, dass es für ihn nur einen Ausweg gibt: Er muss wirklich zum Spion werden, zum Spion für den Süden. Es beginnt eine gefährliche Odyssee, mitten hinein ins Feindesland. Der zweite Band von Bernard Cornwells großem Epos über den Amerikanischen Bürgerkrieg. «Ein Knaller …» (Mail on Sunday) «Erstklassige Lektüre von einem Meister des historischen Dramas.» (Irish Press) «Ein toller Leckerbissen für die vielen Cornwell-Fans.» (Publishers Weekly) «Schonungslos deckt Bernard Cornwell das Grauen des Bürgerkriegs auf.» (Hamburger Abendblatt)

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Seitenzahl: 791

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Bernard Cornwell

Starbuck. Der Verräter

Roman

Aus dem Englischen von Karolina Fell

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Von Helden und Verrätern.

 

Auf Seiten der Konföderierten kehrt der gefeierte Kriegsheld Captain Nate Starbuck an die Frontlinien zwischen Nord und Süd zurück. Im Sommer 1862 bewährt er sich aufs Neue in der Schlacht von Ball’s Bluff. Sein alter Widersacher Washington Faulconer neidet ihm indes den Ruhm. Und Faulconer ist nur einer von Nates Gegnern, die alle nicht vergessen haben, dass er aus dem Norden stammt. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis gewisse Leute ihn des Verrats an der Sache der Konföderation zeihen. Denn da ist jemand, der Geheimstes an den Feind weitergibt. Nate wird brutal verhört. Und er erkennt, dass es für ihn nur einen Ausweg gibt: Er muss wirklich zum Spion werden, zum Spion für den Süden. Es beginnt eine gefährliche Odyssee, mitten hinein ins Feindesland.

 

Der zweite Band von Bernard Cornwells großem Epos über den Amerikanischen Bürgerkrieg

 

«Ein Knaller …» (Mail on Sunday)

 

«Erstklassige Lektüre von einem Meister des historischen Dramas.» (Irish Press)

 

«Ein toller Leckerbissen für die vielen Cornwell-Fans.» (Publishers Weekly)

 

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugeben, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: weit über 20 Millionen.

 

Weitere Veröffentlichungen

Die Uhtred-Serie:

Band 1: Das letzte Königreich

Band 2: Der weiße Reiter

Band 3: Die Herren des Nordens

Band 4: Schwertgesang

Band 5: Das brennende Land

Band 6: Der sterbende König

Band 7: Der Heidenfürst

 

Die Artus-Chroniken:

Band 1: Der Winterkönig

Band 2: Der Schattenfürst

Band 3: Arthurs letzter Schwur

 

Die Bücher vom Heilgen Gral:

Band 1: Der Bogenschütze

Band 2: Der Wanderer

Band 3: Der Erzfeind

 

Die Starbuck-Chroniken:

Band 1: Der Rebell

Band 2: Der Verräter

Band 3: Der Gegner

 

Sowie

Das Zeichen des Sieges

Stonehenge

Das Fort

1356

Waterloo

 

Gemeinsam mit seiner Frau Judy hat Bernard Cornwell unter dem Pseudonym «Susannah Kells» zwei weitere historische Romane verfasst:

Das Hexen-Amulett

Die dunklen Engel

 

Weitere Informationen zum Autor

Inhaltsübersicht

WidmungKarte: Halbinselfeldzug von McClellamErster TeilEinsZweiDreiZweiter TeilVierFünfSechsSiebenAchtDritter TeilNeunZehnEpilogNachwortLeseprobeStarbuck: Der Gegner

Der Verräter ist für Bill und Anne Moir

Erster Teil

Eins

Die Invasion begann um Mitternacht.

Es war keine echte Invasion, nur ein schwerer Überraschungsangriff auf eine Rebellenstellung, die eine Patrouille in den dichten Wäldern entdeckt hatte, welche sich über die Steilfelsen auf dem Flussufer von Virginia zogen. Doch für die zweitausend Mann, die darauf warteten, den kalten, schiefergrauen Potomac zu überqueren, war die Unternehmung dieser Nacht viel bedeutender als ein bloßer Überraschungsangriff. Dieser Kampf auf der anderen Uferseite bot ihnen Gelegenheit, ihre Kritiker ins Unrecht zu setzen. Kinderstubensoldaten waren sie in einer Zeitung genannt worden; zwar sehr gut ausgebildet und bestens gedrillt, aber viel zu kostbar, um in einer Schlacht schmutzig gemacht zu werden. Doch in dieser Nacht würden die verachteten Kinderstubensoldaten kämpfen. In dieser Nacht würde die Potomac-Armee Feuer und Stahl in ein Rebellenlager tragen, und wenn alles gutging, würde sie weitermarschieren und Leesburg besetzen, eine Stadt, die zwei Meilen hinter der gegnerischen Stellung lag. Die erwartungsvollen Soldaten stellten sich die beschämten Bürger dieser Stadt Virginias vor, wenn sie nach dem Aufwachen bemerkten, dass das Sternenbanner wieder über ihrer Gemeinde wehte, und sie stellten sich vor, wie sie weiter nach Süden marschierten, immer weiter, bis der Aufstand niedergeschlagen und Amerika in Frieden und Brüderlichkeit wiedervereint war.

«Du Bastard!», schrie jemand am Flussufer, wo ein Arbeitstrupp gerade dabei war, ein Boot zu Wasser zu lassen, das vom nahe gelegenen Chesapeake and Ohio Canal bis an den Fluss getragen worden war. Ein Mann aus dem Arbeitstrupp war im Lehm ausgerutscht und hatte das Heck des Bootes auf den Fuß eines Sergeanten fallen lassen. «Du unfähiger Hundesohn, gottverdammter Bastard, du!» Der Sergeant hinkte von dem Boot weg.

«Entschuldigung», sagte der Mann nervös.

«Ich geb dir gleich Entschuldigung, du Bastard!»

«Ruhe! Seid jetzt ruhig!» Ein Offizier, prächtig anzusehen in einem neuen grauen Mantel mit schönem roten Futter, stieg die steile Uferböschung hinunter und half, das Ruderboot ans graue Wasser hinüberzutragen, von dem zarter Nebel aufstieg und den niedrigen Hang am gegenüberliegenden Ufer verhüllte. Sie arbeiteten bei hellem Mondlicht, keine Wolke stand am Himmel, und die Sterne strahlten so leuchtend und klar, dass sie wie ein Omen für ihren Erfolg wirkten. Es war Oktober, der angenehme Monat, in dem die Luft nach Äpfeln und Holzrauch roch und in dem die glühend heißen Hundstage des Sommers von frischeren Temperaturen abgelöst wurden, die gerade genug Winterkühle ankündigten, um die Männer aus der Truppe dazu zu bringen, ihre schönen neuen Uniformmäntel in der gleichen Farbe wie der dahinziehende Flussnebel zu tragen.

Die ersten Boote wurden schwerfällig vom Ufer weggeschoben. Klappernd fuhren die Riemen in die Ruderlöcher, dann tauchten sie spritzend ins Wasser, während die Boote im Nebel verschwanden. Die Männer, die noch einen Moment zuvor als fluchende, unbeholfene Gestalten das Lehmufer herunter- und in die klobigen Boote gestiegen waren, verwandelten sich auf wundersame Weise in waffenstarrende Kriegersilhouetten, die schweigend und edel durch die dunstige Nacht den nebeligen Schatten des feindlichen Ufers entgegenglitten. Der Offizier, der sich von dem Sergeanten Ruhe auserbeten hatte, starrte wehmütig übers Wasser. «Ich glaube», sagte er leise zu den Männern an seiner Seite, «so muss sich Washington bei der Überquerung des Delaware gefühlt haben.»

«Die Nacht damals war allerdings wesentlich kälter, denke ich», erwiderte ein zweiter Offizier, ein junger Student aus Boston.

«Hier wird es auch bald reichlich kalt werden», sagte der erste, ein Major. «Es sind nur noch zwei Monate bis Weihnachten.» Als der Major in den Krieg gezogen war, hatten die Zeitungen versprochen, dass die Rebellion im Herbst niedergeschlagen sein würde, doch inzwischen fragte er sich, ob er zum weihnachtlichen Familienfest zu Hause bei seiner Frau und seinen drei Kindern sein würde. Am Heiligabend sangen sie immer Weihnachtslieder im Common, einem Bostoner Park; auf den Gesichtern der Kinder lag der Abglanz auf Stangen gehängter Laternen, und danach gab es in der Sakristei der Kirche Punsch und geschmortes Gänsefleisch. Dann, am nächsten Tag, gingen sie zur Farm seiner Schwiegereltern in Stoughton, wo sie die Pferde anschirrten und sie zum Entzücken ihrer Kinder in Wolken von aufgewirbeltem Schnee und zu klingenden Schlittenglocken über die Landstraßen traben ließen.

«Und ich gehe stark davon aus, dass General Washingtons Organisation besser war als unsere», bemerkte der zum Lieutenant gewordene Student amüsiert. Er hieß Holmes und war klug genug, um seinen Vorgesetzten Respekt abzunötigen, aber normalerweise auch intelligent genug, um sich durch seine Klugheit nicht ihre Gunst zu verscherzen.

«Ich bin überzeugt davon, dass unsere Organisation ausreichen wird», sagte der Major eine Spur zu zurückhaltend.

«Da haben Sie ganz sicher recht», sagte Lieutenant Holmes, obwohl er in dieser Sache keineswegs sicher war. Drei Regimenter Nordstaatentruppen warteten darauf, über den Fluss zu setzen, und es waren nur drei kleine Boote vorhanden, die sie von der Seite Marylands zu der Insel dicht beim gegenüberliegenden Ufer bringen sollten, wo die Truppen landen mussten, bevor sie auf zwei weiteren Booten die kurze restliche Überfahrt von der Insel zum Festland Virginias in Angriff nahmen. Zweifellos war es ein Vorteil, den Fluss dicht bei dem gegnerischen Lager zu überqueren, aber Lieutenant Holmes verstand dennoch nicht, warum sie nicht eine Meile weiter flussauf übersetzten, wo keine störende Insel im Fluss lag. Vielleicht, mutmaßte Holmes, war dies hier eine so unwahrscheinliche Stelle zur Flussüberquerung, dass die Rebellen niemals darauf kommen würden, sie zu bewachen, und eine bessere Erklärung fiel ihm nicht ein.

Aber auch wenn die Wahl der Stelle zur Überquerung des Flusses rätselhaft war, so war der Zweck dieses nächtlichen Einsatzes umso klarer. Der Vorstoß würde über die Uferhänge auf der Seite Virginias zum Angriff auf das Rebellenlager führen, wo so viele Konföderierte wie möglich gefangen genommen werden sollten. Einige der Rebellen würden flüchten, ihren Weg aber von einer zweiten Yankee-Einheit blockiert finden, die fünf Meilen weiter flussab übersetzte. Diese Einheit würde den Weg über die Mautstraße abschneiden, die von Leesburg zum Hauptquartier der Rebellen in Centreville führte, und indem sie die geschlagenen Rebellen in eine Falle laufen ließen, würde der Norden mit einem kleinen, aber bedeutenden Sieg beweisen, dass die Potomac-Armee mehr konnte als zu exerzieren und Waffenübungen oder beeindruckende Paraden abzuhalten. Die Besetzung Leesburgs würde eine willkommene Dreingabe darstellen, aber das eigentliche Ziel dieses nächtlichen Einsatzes bestand darin zu beweisen, dass die neu ausgebildete Potomac-Armee bereit und imstande war, die Rebellen gründlich zurückzuschlagen.

Zu diesem Zweck kämpften sich die Boote vor und zurück durch den Nebel. Jede Überfahrt schien eine Ewigkeit zu dauern, und den ungeduldigen Männern auf dem Ufer Marylands schien es so, als würden die Warteschlangen niemals kürzer. Das 15th Massachusetts setzte als erstes Regiment über, und einige Männer im 20th Massachusetts fürchteten, ihr Schwesterregiment würde das feindliche Lager längst erobert haben, bevor die Boote endlich das 20th über den Fluss brachten. Alles ging so langsam und unbeholfen vor sich. Gewehrschäfte schlugen an Dollborde, und Bajonettscheiden verfingen sich im Ufergebüsch, als die Männer in die Ruderboote stiegen. Um zwei Uhr morgens wurde flussauf ein größeres Boot entdeckt und zu der Stelle ihrer Flussüberquerung hinuntergebracht, wo es mit spöttischem Jubel empfangen wurde. Lieutenant Holmes kam es so vor, als würden die wartenden Männer unglaublich viel Lärm machen, genug, um jeden Rebellen zu alarmieren, der möglicherweise das Ufer auf der Virginia-Seite bewachte. Doch kein Kampfruf klang durch den Nebel, und keine Gewehrschüsse hallten von dem hohen, bewaldeten Hang herunter, der jenseits der Insel so unheilvoll aufragte. «Hat die Insel einen Namen?», fragte Lieutenant Holmes den Major, der so sehnsüchtig an Weihnachten gedacht hatte.

«Harrison’s Island, glaube ich. Ja, Harrison’s.»

Dieser Name wirkte auf Lieutenant Holmes recht unspektakulär. Er hätte sich für die Feuertaufe des 20th Massachusetts etwas Erhabeneres gewünscht. Vielleicht einen Namen mit dem eisernen Klang von Valley Forge oder die schlichte Vornehmheit von Yorktown. Etwas, an das man sich noch lange erinnern würde und das gut aussah, wenn es auf die Regimentsfahne gestickt wurde. Harrison’s Island klang viel zu prosaisch. «Und der Hügel dahinter, Sir?», fragte er hoffnungsvoll. «Auf dem anderen Ufer?»

«Der heißt Ball’s Bluff», sagte der Major, und das war noch weniger heroisch. Die Schlacht von Ball’s Bluff klang mehr nach einem Pokerspiel als nach dem Wendepunkt, mit dem die Nordstaaten ihren Triumph einleiten würden.

Holmes wartete bei seiner Kompanie. Sie würden als Erste aus dem 20th Massachusetts zum anderen Ufer hinüberfahren und wären damit auch die Ersten ihres Regiments, die an einem Kampf teilnehmen würden, falls das 15th die Eroberung der Rebellenstellung nicht schon abgeschlossen hatte. Die Möglichkeit einer bevorstehenden Schlacht machte die Männer nervös. Keiner von ihnen hatte schon einmal im Krieg gekämpft, wenn auch alle die Geschichten von der Schlacht beim Bull Run drei Monate zuvor gehört hatten, und davon, wie es den dilettantischen grau uniformierten Rebellen dort irgendwie gelungen war, lange genug die Stellung zu halten, um die größere Unionsarmee schließlich in einen panikartigen Rückzug zu treiben. Aber niemand im 20th Massachusetts glaubte, dass ihnen solch ein Schicksal bevorstand. Sie waren hervorragend ausgerüstet, gut ausgebildet, standen unter der Führung eines Berufssoldaten und glaubten zuversichtlich, jeden Rebellen auf Gottes Erdboden bezwingen zu können. Es würde gefährlich werden, das schon – sie erwarteten und wünschten sich sogar ein wenig Gefahr –, aber die Anstrengungen dieser Nacht würde ein Sieg krönen.

Eines der Boote, das von Harrison’s Island zurückfuhr, brachte einen Captain vom 15th Massachusetts mit, der mit den ersten Truppen übergesetzt hatte und nun zur Berichterstattung an die Kommandooffiziere der wartenden Regimenter zurückkehrte. Der Captain rutschte aus, als er vom Bug sprang, und wäre gefallen, wenn ihm Lieutenant Holmes nicht die Hand hingestreckt hätte, um ihn zu stützen. «Alles ruhig auf dem Potomac?», fragte Holmes scherzhaft.

«Alles ruhig, Wendell.» Der Captain klang enttäuscht. «Zu ruhig. Da oben gibt es überhaupt kein gegnerisches Lager.»

«Keine Zelte?», fragte Lieutenant Holmes überrascht. «Tatsächlich?» Und er hoffte, dass seine Stimme wirklich enttäuscht klang, wie es sich gehörte für einen Krieger, dem die Gelegenheit zur Bewährung in der Schlacht genommen wurde, und ein wenig war er auch enttäuscht, weil er sich auf die Aufregung gefreut hatte, aber er war sich auch einer beschämenden Erleichterung darüber bewusst, dass auf dem jenseitigen Steilufer womöglich gar kein Feind wartete.

Der Captain zog seinen Uniformrock glatt. «Gott weiß, was diese Patrouille gestern Abend gesehen haben will, wir jedenfalls können nichts entdecken.» Er ging mit seinen Neuigkeiten weiter, während Lieutenant Holmes die Nachricht seiner Kompanie verkündete. Jenseits des Flusses wartete kein Feind, was bedeutete, dass die Truppen höchstwahrscheinlich zur Besetzung Leesburgs ziehen würden. Ein Sergeant wollte wissen, ob in Leesburg Rebellenverbände stationiert waren, und Holmes musste zugeben, dass er es nicht wusste, aber der Major, der das Gespräch mit angehört hatte, warf ein, in Leesburg seien bestenfalls eine Handvoll Milizionäre aus Virginia zu erwarten, deren Ausrüstung vermutlich aus den Waffen bestand, mit denen schon ihre Großväter gegen die Briten gekämpft hatten. Der Major führte weiter aus, dass ihre neue Aufgabe darin bestünde, die Ernte zu requirieren, die frisch in die Scheunen und Lagerhäuser von Leesburg eingebracht worden war, und dass solche Vorräte legitime Beute waren, während anderes Privateigentum respektiert werden solle. «Wir sind nicht hier, um Krieg gegen Frauen und Kinder zu führen», sagte der Major ernst. «Wir müssen den Sezessionisten zeigen, dass die Nordstaatentruppen ihre Freunde sind.»

«Amen», sagte der Sergeant. Er war ein Laienprediger, der versuchte, dem Regiment die Sünden des Kartenspiels, des Alkohols und der Frauengeschichten auszutreiben.

Die letzten Männer des 15th Massachusetts setzten auf die Insel über, und Holmes’ graugekleidete Soldaten schlurften ans Ufer hinunter und warteten darauf, dass sie an der Reihe waren, in die Boote zu steigen. Unter den Männern hatte sich Enttäuschung breitgemacht. Sie hatten sich eine wilde Jagd durch den Wald erhofft, doch nun sah es so aus, als würden sie in eine Stadt marschieren, um alten Männern die Musketen abzunehmen.

In den Schatten des zu Virginia gehörenden Ufers schlug ein Fuchs zu, und ein Kaninchen starb. Der Schrei des Tieres stieg unvermittelt und schrill auf, war so plötzlich vorbei, wie er begonnen hatte, und hinterließ im Dunkel des schlafenden, arglosen Waldes nur den Geruch nach Blut und das Echo des Todes.

 

Captain Nathaniel Starbuck kam um drei Uhr morgens beim Lager seines Regiments an. Es war eine sternenklare, mondhelle Nacht, nur in den Niederungen zeigte sich ein Hauch Nebel. Er war zu Fuß von Leesburg gekommen und hundemüde, als er das Feld erreichte, auf dem in vier säuberlichen Reihen die Zelte und Unterstände der Legion aufgestellt worden waren. Ein Wachposten aus der Kompanie C nickte dem jungen, dunkelhaarigen Offizier kameradschaftlich zu. «Haben Sie das Kaninchen gehört, Captain?»

«Willis? Sie sind Willis, stimmt’s?», fragte Starbuck.

«Bob Willis.»

«Sollten Sie nicht Ihr Gewehr heben, Bob Willis, nach dem Passwort fragen und mich erschießen, falls ich es nicht weiß?»

«Ich weiß, wer Sie sind, Captain.» Willis grinste im Mondlicht.

«So wie ich mich fühle, Willis, hätten Sie mir einen Gefallen getan, indem Sie mich erschießen. Und was hat Ihnen das Kaninchen gesagt?»

«Hat geschrien, als würde es sterben, Captain. Schätze, ein Fuchs hat es erwischt.»

Starbuck erschauerte bei dem genüsslichen Ton des Postens. «Gute Nacht, Willis, und Engelscharen singen dich zur Ruh.» Er ging weiter, vorbei an den Resten der abendlichen Lagerfeuer und zwischen den paar Sibley-Zelten hindurch, in denen einige Männer der Legion Faulconer schliefen. Die meisten Regimentszelte waren im Chaos des Schlachtfeldes von Manassas verlorengegangen, deshalb schliefen die meisten Männer jetzt unter freiem Himmel oder in Unterständen, die sie aus Zweigen und Grassoden errichtet hatten. Bei den Unterständen von Starbucks Kompanie K flackerte ein Feuer, und ein Mann sah auf, als Starbuck näher kam.

«Nüchtern?», fragte der Mann.

«Sergeant Truslow ist wach», deklamierte Starbuck. «Schlafen Sie eigentlich nie, Truslow? Ich bin vollkommen nüchtern. Nüchtern wie ein Pastor.»

«Ich habe zu meiner Zeit ein paar ziemlich besoffene Pastoren erlebt», sagte Sergeant Truslow mürrisch. «Unten in Roskill gibt es einen Baptistenschwindler, der kein Vaterunser aufsagen kann, ohne sich vorher mit Fusel zugeschüttet zu haben. Einmal ist er beinahe ersoffen, als er im Fluss hinter der Kirche eine Schar tränenseliger Weiber taufen wollte. Die haben gebetet, und er war dermaßen volltrunken, dass er nicht mehr aufrecht stehen konnte. Also, was hast du gemacht? Katzenmusik?»

Katzenmusik war der geringschätzige Ausdruck des Sergeanten für Frauengeschichten. Starbuck gab vor, sich die Antwort gründlich überlegen zu müssen, während er sich neben Truslow am Feuer niederließ, dann nickte er. «Ich habe Katzenmusik gemacht, Sergeant.»

«Und mit wem?»

«Das behält ein Gentleman für sich.»

Truslow grunzte. Er war ein kleiner, stämmiger Mann mit wettergegerbten Zügen, und in der Kompanie K herrschte unter seiner Führung eine aus schierer Angst geborene Disziplin – allerdings fürchteten sich die Männer nicht vor Truslows Gewalttätigkeit, sondern eher vor seiner Verachtung. Er gehörte zu den Männern, dessen Anerkennung andere suchten, vielleicht, weil er in seiner eigenen brutalen Welt ein solcher Meister war. In seinem früheren Leben war er ein Farmer, ein Pferdedieb, ein Soldat, ein Mörder, ein Vater und ein Ehemann gewesen. Nun war er ein Witwer und, zum zweiten Mal, ein Soldat, der in dieses Gewerbe einen reinen, unverfälschten Yankee-Hass einbrachte. Und dies machte seine Freundschaft mit Captain Nathaniel Starbuck nur umso mysteriöser, denn Starbuck war ein Yankee.

Starbuck stammte aus Boston und war der zweite Sohn Reverend Elial Starbucks, der für seine vernichtende Kritik am Süden berühmt war, ein furchterregender Gegner der Sklaverei und leidenschaftlicher Prediger, dessen gedruckte Kanzelreden schuldbewusste Sünder der gesamten Christenheit erzittern ließen. Nathaniel Starbuck war auf dem Weg zu seiner eigenen Ordination schon weit fortgeschritten gewesen, als ihn eine Frau von seinem Studium in Yales Priesterseminar weggelockt hatte. Die Frau hatte ihn in Richmond sitzenlassen, wo Starbuck, der es nicht wagte, nach Hause zurückzukehren und sich dem fürchterlichen Zorn seines Vaters auszusetzen, stattdessen in die Armee der Konföderierten Staaten von Amerika eingetreten war.

«War es diese blonde Ziege?», fragte Truslow jetzt. «Die du beim Gebetstreffen nach dem Gottesdienst kennengelernt hast?»

«Sie ist keine Ziege, Sergeant», sagte Starbuck mit gequälter Würde. Truslow reagierte, indem er ins Feuer spuckte, und Starbuck schüttelte traurig den Kopf. «Suchen Sie nie den Trost weiblicher Gesellschaft, Sergeant?»

«Meinst du, ob ich mich je wie ein liebestoller Kater benommen habe? Natürlich, aber das hatte ich hinter mir, noch bevor mir ein Bart gewachsen ist.» Truslow hielt inne, vielleicht dachte er an seine Frau in ihrem einsamen Grab oben in den Bergen. «Und wo lässt die blonde Ziege ihren Ehemann?»

Starbuck gähnte. «Er ist in Magruders Einheit bei Yorktown. Er ist Artilleriemajor.»

Truslow schüttelte den Kopf. «Eines schönen Tages erwischt er dich und prügelt dir die Seele aus dem Leib.»

«Ist das Kaffee?»

«Das behaupten sie jedenfalls.» Truslow schenkte seinem Captain einen Becher mit der dicken, süßen Flüssigkeit voll. «Hast du überhaupt geschlafen?»

«Schlaf war nicht die Bestimmung dieses Abends.»

«Du bist genau wie alle anderen Predigersöhne, oder? Euch braucht nur der Geruch von Sünde anzuwehen, und schon suhlt ihr euch darin wie die Sau im Dreck.» In Truslows Stimme lag mehr als nur ein Hauch Missbilligung. Nicht, weil er etwas gegen Schürzenjäger hatte, sondern weil er wusste, dass seine eigene Tochter zu Starbucks Weiterbildung auf diesem Gebiet beitrug. Sally Truslow, die sich ihrem Vater entfremdet hatte, war Hure in Richmond. Das war für Truslow ein Grund zu schmerzlicher Scham, und während ihm das Wissen, dass Starbuck und Sally ein Liebespaar gewesen waren, Unbehagen bereitete, sah er doch in dieser Freundschaft die einzige Chance zur Rettung seiner Tochter. Das Leben konnte manchmal recht kompliziert werden. Sogar für einen so unkomplizierten Mann wie Thomas Truslow. «Und was ist aus deiner Bibellektüre geworden?», fragte er jetzt seinen Offizier und spielte damit auf die halbherzigen Versuche an, die Starbuck gelegentlich unternahm, um Frömmigkeit zu zeigen.

«Ich bin und bleibe eben ein Abtrünniger, Sergeant», sagte Starbuck sorglos, obwohl sein Gewissen in Wahrheit keineswegs so unbeschwert war, wie sein leichtfertiger Ton nahelegte. Manchmal, wenn ihn die Angst vor den Schrecken der Hölle plagte, fühlte er sich so verstrickt in die Sünde, dass er vermutete, Gottes Vergebung niemals mehr erlangen zu können, und in solchen Momenten litt er schreckliche Gewissensqualen, doch kaum kam der Abend, fühlte er sich wieder zu dem getrieben, was auch immer ihn in Versuchung geführt hatte.

Jetzt saß er an den Stamm eines Apfelbaums gelehnt und trank mit kleinen Schlucken seinen Kaffee. Starbuck war groß, schlank, gestählt von einem Sommer des Soldatendaseins, und er hatte langes, schwarzes Haar, das ein kantiges, glattrasiertes Gesicht einrahmte. Wenn die Legion in eine neue Stadt oder ein neues Dorf marschierte, bemerkte Truslow jedes Mal, wie die Mädchen Starbuck und immer nur Starbuck ansahen. Genau wie sich seine eigene Tochter zu dem großen Nordstaatler mit den grauen Augen und dem schnellen Grinsen hingezogen gefühlt hatte. Starbuck vom Sündigen abhalten zu wollen, war, als müsse man einen Hund aus einem Metzgerladen jagen. «Um welche Zeit ist Reveille?», fragte Starbuck jetzt.

«Jeden Augenblick.»

«Oh mein Gott», stöhnte Starbuck.

«Du hättest eben früher zurückkommen sollen», sagte Truslow. Er warf einen Holzscheit auf das heruntergebrannte Feuer. «Hast du der blonden Ziege gesagt, dass wir abziehen?»

«Ich habe beschlossen, es ihr nicht zu sagen. Trennungen sind immer so bitter.»

«Feigling», sagte Truslow.

Starbuck dachte über den Vorwurf nach, dann grinste er. «Sie haben recht. Ich bin ein Feigling. Ich hasse es, wenn sie weinen.»

«Dann gib ihnen keinen Grund dazu», sagte Truslow, aber er wusste, dass er ebenso versuchen konnte, den Wind am Wehen zu hindern. Davon abgesehen brachten Soldaten ihre Mädchen immer zum Weinen. Sie kamen, sie eroberten, und dann marschierten sie davon, und an diesem Morgen würde die Legion Faulconer von Leesburg wegmarschieren. Die letzten drei Monate hatte das Regiment zu der Brigade gehört, die nahe bei Leesburg Stellung bezogen hatte und einen zwanzig Meilen langen Abschnitt des Potomacs überwachte, doch der Feind hatte keinen Hinweis darauf gegeben, dass er über den Fluss wollte. Und jetzt, wo der Herbst langsam in den Winter überging, verdichteten sich die Gerüchte von einem letzten Yankee-Angriff auf Richmond, bevor Eis und Schnee die Armeen zur Unbeweglichkeit verdammten, und deshalb wurde die Brigade geschwächt. Die Legion würde nach Centreville gehen, wo das größte Kontingent der konföderierten Armee die wichtigste Straßenverbindung von Washington in die Rebellenhauptstadt verteidigte. Drei Monate zuvor hatte die Legion Faulconer auf ebendieser Straße bei Manassas geholfen, den Nordstaatlern bei ihrem ersten Einmarsch eine blutige Nase zu verpassen. Und jetzt, sofern die Gerüchte stimmten, könnte die Legion angefordert werden, um das Gleiche noch einmal zu tun.

«Es wird aber nicht das Gleiche sein.» Truslow nahm den unausgesprochenen Gedanken auf. «Ich habe gehört, dass in Centreville den ganzen Tag lang nur noch Erde aufgeschüttet wird. Wenn die Yankees kommen, dann stoppen wir die Bastarde von guten, massiven Wällen aus.» Er hielt inne, denn Starbuck war eingeschlafen. Sein Mund stand offen, den Kaffee hatte er verschüttet. «Verdammter Hundesohn», knurrte Truslow, jedoch mit hörbarer Zuneigung, denn Starbuck hatte sich trotz all der Katzenmusik eines Predigersohns als bemerkenswerter Offizier erwiesen. Truslow hatte die Kompanie K mit einer Mischung aus erbarmungslosem Drill und einfallsreicher Ausbildung zur besten der ganzen Legion gemacht. Aber es war Starbuck gewesen, der – nachdem man ihm das Schwarzpulver und die Kugeln verweigert hatte, die seine Männer brauchten, um ihre Treffsicherheit zu vervollkommnen – eine Patrouille über den Fluss geführt hatte, um vor Poolesville ein Versorgungsfuhrwerk der Union zu erbeuten. Er war in dieser Nacht mit dreitausend Patronen zurückgekommen, und eine Woche später war er noch einmal losgeritten und hatte zehn Säcke guten Nordstaatenkaffee mit zurückgebracht. Truslow, der etwas vom Kriegshandwerk verstand, erkannte, dass Starbuck ein natürliches Talent dafür besaß. Er war ein findiger Kämpfer, erahnte die Absichten des Gegners, und die Männer der Kompanie K, von denen die meisten eher noch Jungen waren, schienen diese Fähigkeiten ebenfalls zu erkennen. Starbuck, das wusste Truslow, war gut.

Flügelschläge ließen Truslow aufblicken, und er sah den gedrungenen Umriss einer Eule vor dem Mond vorüberziehen. Truslow vermutete, dass der Vogel in den offenen Feldern nahe der Stadt gejagt hatte und nun zu seinem Schlafplatz im dichten Wald auf dem Ball’s Bluff oberhalb des Flusses zurückkehrte.

Ein Trompeter blies einen falschen Ton, holte erneut Luft und schreckte die Nacht mit seinem Signal auf. Starbuck erwachte mit einem Ruck und fluchte, weil er sich mit dem verschütteten Kaffee das Hosenbein durchnässt hatte, dann gähnte er vor lauter Müdigkeit. Es war immer noch stockfinster, aber die Legion musste sich regen, sich zum Abmarsch von ihrer ruhigen Flusswache bereitmachen und in den Krieg ziehen.

 

«War das eine Trompete?», fragte Lieutenant Wendell Holmes seinen frommen Sergeant.

«Ich weiß nicht recht, Sir.» Der Sergeant stieg schwer atmend den Ball’s Bluff hinauf und trug seinen neuen grauen Mantel offen, sodass man das elegante, scharlachrote Futter sah. Die Mäntel waren ein Geschenk des Gouverneurs von Massachusetts, der beschlossen hatte, dass die Bay-States-Regimenter zu den bestausgerüsteten der Unionsarmee gehören sollten. «Wahrscheinlich war es einer von unseren eigenen Trompetern», vermutete der Sergeant. «Wird vielleicht ein Vorauskommando losgeschickt?»

Holmes ging davon aus, dass der Sergeant recht hatte. Die beiden Männer kämpften sich den abschüssigen und gewundenen Pfad hinauf, der zur Kuppe des Steilufers führte, wo das 15th Massachusetts auf sie wartete. Der Hang stieg so jäh an, dass ein Mann gerade noch hinaufsteigen konnte, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen, allerdings machte in der Dunkelheit manch einer einen falschen Schritt, glitt aus und schlitterte abwärts, bis er schmerzhaft von einem Baumstamm aufgehalten wurde. Der Fluss unter ihnen war immer noch mit Nebel verhangen, in dem sich dunkel die lange Form von Harrison’s Island abzeichnete. Auf der Insel drängten sich die Männer, die darauf warteten, von den zwei kleinen Booten über den letzten Abschnitt des Flusses gebracht zu werden. Lieutenant Holmes war von der Strömungsgeschwindigkeit überrascht gewesen, die das Boot erfasst und es flussab in Richtung des fernen Washingtons gezogen hatte. Die Ruderleute hatten gekeucht vor Anstrengung, als sie gegen die Kraft des Flusses kämpften, und hatten das kleine Boot dann hart auf das schlammige Ufer auflaufen lassen.

Colonel Lee, der Kommandooffizier des 20th Massachusetts, holte auf der Kuppe des Steilufers zu Holmes auf. «Der Sonnenaufgang steht kurz bevor», sagte er gut gelaunt. «Alles in Ordnung, Wendell?»

«Alles in Ordnung, Sir. Außer dass ich hungrig genug bin, um ein Pferd zu vertilgen.»

«Wir frühstücken in Leesburg», sagte der Colonel schwärmerisch. «Schinken, Eier, Maisbrot und Kaffee. Frische Südstaatenbutter! Das wird ein Genuss. Und zweifellos werden uns die Einwohner versichern, dass sie keine Aufständischen sind, sondern allesamt treue Bürger von Uncle Sam.» Abrupt drehte sich der Colonel um, aufgeschreckt von einem unvermittelten, bellenden Schrei, der rhythmisch und schrill durch den Wald auf dem Steilufer echote. Das Geräusch konnte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, und die Soldaten in der Nähe wirbelten mit erhobenen Gewehren herum. «Kein Grund zur Aufregung!», rief der Colonel. «Das ist nur eine Eule.» Er hatte den Ruf eines Streifenkauzes erkannt und vermutete, dass der Vogel mit einem Bauch voller Mäuse und Frösche von seiner nächtlichen Jagd zurückkehrte. «Sie rücken weiter vor, Wendell», Lee hatte sich wieder an Holmes gewandt, «diesen Pfad entlang, bis Sie bei der linken Flankenkompanie des 15th angekommen sind. Dort warten Sie auf mich.»

Lieutenant Holmes führte seine Kompanie hinter die Männer des 15th Massachusetts, die in die Hocke gegangen waren, um nicht entdeckt zu werden. Er blieb am mondbeschienenen Waldrand stehen. Vor ihnen lag nun ein kurzes Stück Wiese, das mit den Schatten kleiner Büsche und Robinien überzogen war. Dahinter erstreckte sich wieder dunkler Wald. Es war ungefähr diese Stelle gewesen, an der die Patrouille vom Vorabend ein gegnerisches Lager gemeldet hatte, und Holmes glaubte, dass ängstliche Männer das Muster aus Mondlichtflecken und schwarzen Schatten im Wald hinter der Wiese leicht für Zeltformen gehalten haben könnten.

«Vorwärts!» Colonel Devens vom 15th Massachusetts rief den Befehl, und seine Männer bewegten sich hinaus auf die mondhelle Wiese. Niemand feuerte auf sie, niemand rief sie an. Der Süden schlief, während der Norden ungehindert marschierte.

 

Die Sonne ging auf, färbte den Fluss golden und schickte scharlachrote Lichtspeere durch den nebeligen Wald. Auf den Höfen von Leesburg krähten die Hähne, während Eimer voll Wasser gepumpt wurden und die Kühe zum ersten Melken herantrotteten. Werkstätten, die am Tag des Herrn geschlossen gewesen waren, wurden aufgesperrt und die Werkzeuge aufgenommen. Vor der Stadt, in den Feldlagern der konföderierten Brigade, die den Fluss bewachte, zog der Rauch von Kochfeuern in die klare Luft des Herbstmorgens.

Die Lagerfeuer der Legion Faulconer waren schon aus, auch wenn der Abzug aus dem Lager nicht sehr drängte. Es versprach ein schöner Tag zu werden, und der Marsch nach Centreville war verhältnismäßig kurz, daher ließen sich die achthundert Mann der Legion Zeit, und Major Thaddeus Bird, der befehlshabende Offizier des Regiments, trieb sie nicht an. Stattdessen wanderte er leutselig zwischen seinen Männern umher, wie ein freundlicher Nachbar, der seinen Morgenspaziergang genießt. «Mein Gott, Starbuck.» Bird blieb beim Anblick des Captains der Kompanie K überrascht stehen. «Was ist denn mit Ihnen passiert?»

«Ich habe einfach nur schlecht geschlafen, Sir.»

«Sie sehen aus wie der wandelnde Tod!», krähte Bird, den Starbucks Unwohlsein offenkundig amüsierte. «Habe ich Ihnen je von Mordechai Moore erzählt? Er war ein Gipser aus Faulconer Court House. An einem Donnerstag ist er auf einmal gestorben, die Witwe weint sich die Augen aus dem Kopf, die Kinder schreien wie verbrühte Katzen, Beerdigung am Samstag, die halbe Stadt in Schwarz, Grab schon ausgehoben, Reverend Moss macht sich bereit, um uns mit den üblichen Albernheiten zu langweilen, da hören sie ein Kratzen am Sargdeckel. Machen ihn auf, und was sehen sie? Einen höchst verwirrten Gipser! So lebendig wie Sie und ich. Oder sagen wir eher wie ich. Aber ausgesehen hat er wie Sie im Moment. Ganz genau wie Sie, Nate. Halb verwest.»

«Vielen Dank auch», sagte Starbuck.

«Alle sind nach Hause gegangen», fuhr Bird mit seiner Erzählung fort. «Doctor Billy hat Mordechai untersucht. Hat ihm noch mindestens zehn weitere Jahre gegeben, und, nicht zu fassen, was macht Mordechai? Er geht hin und stirbt am nächsten Tag. Nur dass er dieses Mal wirklich tot war und sie das Grab noch einmal ausheben mussten. Guten Morgen, Sergeant.»

«Major», knurrte Truslow. Truslow hatte noch nie einen Offizier mit «Sir» angeredet, nicht einmal Bird, den befehlshabenden Offizier des Regiments, den Truslow mochte.

«Sie erinnern sich doch bestimmt an Mordechai Moore, oder, Truslow?»

«Kann man wohl sagen. Der Hund konnte ums Verrecken keine Wand verputzen. Mein Vater und ich haben für ihn das halbe Cotton House noch mal gemacht. Nicht, dass wir dafür je bezahlt worden wären.»

«Dann ist das Bauhandwerk jetzt ja sicher besser dran, wo er tot ist», sagte Bird unbekümmert. Pecker Bird war ein großer, struppiger Mann, dünn wie ein Skelett, und in der Stadt Faulconer Court House Schulmeister gewesen, als Colonel Washington Faulconer, der größte Landbesitzer in Faulconer County und Birds Schwager, die Legion aufgebaut hatte. Faulconer, der bei Manassas verwundet worden war, hielt sich derzeit in Richmond auf und hatte Bird den Befehl über die Legion gegeben. Der Schulmeister war vermutlich der am wenigsten soldatische Mann in ganz Faulconer County, wenn nicht in ganz Virginia, und er war nur zum Major ernannt worden, um seine Schwester zu besänftigen und damit er sich um die Schreibarbeiten des Colonels kümmerte; doch perverserweise hatte sich der struppige Schulmeister als effektiver und beliebter Offizier erwiesen. Die Männer mochten ihn, vielleicht, weil sie seine große Sympathie für alle menschlichen Fehlbarkeiten spürten. Jetzt legte Bird seine Hand auf Starbucks Arm. «Auf ein Wort», sagte er und zog den jüngeren Mann von der Kompanie K weg.

Starbuck ging mit Bird auf die Wiese hinaus, auf der die bleichen runden Formen im Gras den ehemaligen Standort der Regimentszelte verrieten. Zwischen den fahlen Kreisen befanden sich kleinere verkohlte Stellen, wo die Lagerfeuer gebrannt hatten, und jenseits dieser Spuren zeigten große, abgeweidete Kreise, wie weit der Radius der angebundenen Offizierspferde gereicht hatte. Die Legion konnte zwar von diesem Feld abziehen, überlegte Starbuck, aber es würde noch tagelang den Beweis ihrer Anwesenheit bewahren.

«Haben Sie eine Entscheidung getroffen, Nate?», fragte Bird. Er hatte Starbuck sehr gern, und diese Zuneigung spiegelte sich in seinem Ton. Er bot dem jüngeren Mann eine billige, dunkle Zigarre an, nahm selbst eine, entzündete ein Streichholz und gab Starbuck und sich Feuer.

«Ich bleibe beim Regiment, Sir», sagte Starbuck, als seine Zigarre brannte.

«Auf diese Antwort habe ich gehofft», sagte Bird. «Sogar sehr.» Er verstummte, zog an seiner Zigarre und starrte nach Leesburg hinüber, über dem hauchfeiner Rauch von morgendlichen Feuern hing. «Wird ein schöner Tag heute», sagte der Major. In der Ferne knatterten ein paar Gewehrschüsse, aber weder Bird noch Starbuck achteten darauf. Es verging kaum ein Morgen, an dem nicht gejagt wurde.

«Und wir wissen nicht, ob der Colonel den Befehl über die Legion wirklich wieder selbst übernimmt, oder, Sir?», fragte Starbuck.

«Wir wissen überhaupt nichts», sagte Bird. «Soldaten leben ebenso wie Kinder in einem natürlichen Zustand vorsätzlicher Unwissenheit. Aber es ist ein Risiko.»

«Sie gehen das gleiche Risiko ein», sagte Starbuck betont.

«Nur ist Ihre Schwester nicht mit dem Colonel verheiratet», antwortete Bird ebenso betont, «was Sie, Nate, wesentlich verwundbarer macht, als ich es bin. Erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, Nate, dass Sie der Welt den großen Dienst erwiesen haben, den zukünftigen Schwiegersohn des Colonels zu ermorden, und während der Himmel und all seine Engelein über Ihre Tat frohlockt haben, bezweifle ich, dass Faulconer Ihnen schon verziehen hat.»

«Nein, Sir», sagte Starbuck tonlos. Er wurde nicht gern an Ethans Tod erinnert. Starbuck hatte Ridley im Schutz des Durcheinanders auf dem Schlachtfeld getötet und sich seither eingeredet, es sei ein Akt der Selbstverteidigung gewesen. Doch er wusste, dass er den Mord im Herzen getragen hatte, als er den Abzug durchzog, und er wusste auch, dass alle Erklärungsversuche nicht ausreichen würden, um diese Sünde aus dem großen Buch im Himmel zu tilgen, in das all seine Verfehlungen eingetragen wurden. Und Colonel Washington Faulconer würde Starbuck ganz bestimmt niemals verzeihen. «Ich möchte trotzdem lieber beim Regiment bleiben», erklärte Starbuck nun. Er war ein Fremder in einem fremden Land, ein Nordstaatler, der gegen den Norden kämpfte, und die Legion Faulconer war zu seiner neuen Heimat geworden. Die Legion ernährte ihn, kleidete ihn ein und schenkte ihm gute Freunde. Außerdem hatte er in der Legion die Tätigkeit entdeckt, die er am besten beherrschte, und mit dem Verlangen der Jugend, einen höheren Zweck im Dasein zu finden, hatte Starbuck beschlossen, dass er dazu bestimmt war, einer der Legionsoffiziere zu sein. Er gehörte hierher.

«Dann wünsche ich uns beiden viel Glück», sagte Bird, und Glück hatten sie beide nötig, wenn seine Vermutungen zutrafen und der Befehl zum Marsch auf Centreville zu Colonel Washington Faulconers Versuch gehörte, die Legion wieder unter seine Kontrolle zu bringen.

Es war immerhin Washington Faulconer, der die Legion Faulconer aufgestellt, nach sich selbst benannt und mit der besten Ausrüstung bedacht hatte, die er mit seinem beträchtlichen Vermögen kaufen konnte. Und dann hatte er sie in den Kampf am Ufer des Bull Runs geführt. Faulconer und sein Sohn, die beide Verwundungen davongetragen hatten, waren nach Richmond zurückgeritten und als Helden gefeiert worden, obwohl Washington Faulconer in Wahrheit bei dem Angriff der weit überlegenen Yankees nicht einmal in der Nähe der Legion gewesen war. Nun war es zu spät, um die Sache richtigzustellen: Virginia, und im Grunde der gesamte Süden, hielt Faulconer für einen Helden und forderte, dass er das Kommando über eine Brigade erhielt, und wenn das geschah, das wusste Bird, würde der Held erwarten, dass seine eigene Legion den Kern dieser Brigade darstellte.

«Aber es ist nicht sicher, dass dieser Hundesohn seine Brigade auch bekommt, oder?», fragte Starbuck mit einem vergeblichen Versuch, ein herzhaftes Gähnen zu unterdrücken.

«Es heißt, er bekommt stattdessen einen Posten in der Diplomatie», sagte Bird, «was wesentlich passender wäre, denn mein Schwager findet einen natürlichen Gefallen daran, Prinzen und Potentaten den Hintern abzulecken. Aber unsere Zeitungen sagen, er sollte General werden, und die Wünsche der Zeitungen werden von den Politikern normalerweise erfüllt. Das ist einfacher, als eigene Ideen zu entwickeln, verstehen Sie?»

«Ich gehe das Risiko ein», sagte Starbuck. Seine Alternative bestand darin, in General Nathan Evans’ Truppenverband einzutreten und in dem Lager bei Leesburg zu bleiben, wo Evans das Kommando über die wild zusammengewürfelte konföderierte Brigade führte, die den Fluss bewachte. Starbuck mochte Evans, aber er wollte lieber bei der Legion bleiben. Die Legion war sein Zuhause, und er konnte sich im Grunde nicht vorstellen, dass das Oberkommando der konföderierten Streitkräfte Washington Faulconer zum General machen würde.

Wieder hallte Gewehrfeuer aus dem Wald etwa drei Meilen nordwestlich. Bei dem Geräusch drehte sich Bird stirnrunzelnd um. «Da ist ja jemand äußerst eifrig.» Er klang missbilligend.

«Vielleicht ein Geplänkel unter den Vorposten?», mutmaßte Starbuck. Während der vergangenen drei Monate hatten sich die Wachposten an den Flussufern gegenübergestanden, und auch wenn es die meiste Zeit friedlich geblieben war, versuchte gelegentlich ein neuer und energiegeladener Offizier, einen Kampf zu provozieren.

«Ja, vermutlich nur die Vorposten», stimmte Pecker Bird zu, dann drehte er sich wieder um, weil Sergeant Major Proctor kam, um darüber Bericht zu erstatten, dass die gebrochene Wagenachse, die den Aufbruch der Legion verzögert hatte, nun wieder instand gesetzt war. «Bedeutet das, dass wir bereit zum Abmarsch sind, Sergeant Major?», fragte Bird.

«So bereit, wie wir nur sein können, würde ich sagen.» Proctor war ein schwermütiger und argwöhnischer Mann, der überall eine Katastrophe witterte.

«Dann rücken wir ab! Rücken wir ab!», sagte Bird heiter, und während er mit langen Schritten zur Legion ging, war eine neue Salve zu hören, nur kam sie dieses Mal nicht aus dem Wald, sondern von der Straße im Osten. Bird kämmte sich mit seinen mageren Fingern durch den langen, zerzausten Bart. «Was denken Sie?», fragte er niemand im Besonderen, ohne sich die Mühe zu machen, seine Frage klarer zu formulieren. «Vielleicht?», fuhr er mit einem Hauch Aufgeregtheit fort, und dann hallte wieder Musketengeknatter von dem Steilufer im Nordwesten herüber, und Bird ruckte mit dem Kopf vor und zurück, was üblicherweise anzeigte, dass er sich amüsierte. «Ich denke, wir warten noch ein wenig, Mr. Proctor. Wir warten noch!» Bird schnippte mit den Fingern. «Es scheint so», sagte er, «als hätten uns Gott und Mr. Lincoln heute eine andere Beschäftigung zugedacht. Wir werden noch abwarten.»

 

Die vorrückenden Truppen aus Massachusetts entdeckten die Rebellen, als sie zufällig auf einen vier Mann starken Vorposten stießen, der in einer Geländerinne im unteren Bereich des Waldes kauerte. Die überraschten Rebellen feuerten als Erste, sodass sich die Männer aus Massachusetts hastig zwischen die Bäume zurückzogen. Der Rebellenposten floh in die entgegengesetzte Richtung, um Captain Duff zu suchen, den Kommandanten der Kompanie, der zunächst eine Nachricht an General Evans schickte und dann die vierzig Mann seiner Kompanie auf die Kuppe des Steilufers führte, wo sich nun einige Yankee-Tirailleure am Waldrand zeigten. Dann tauchten weitere Nordstaatler auf, so viele, dass Duff nicht mehr mitzählen konnte. «Ein ganzer Haufen von den Hundesöhnen», kommentierte einer seiner Männer, als Captain Duff seine Einheit hinter einem Koppelzaun Aufstellung nehmen ließ und Befehl gab draufloszufeuern. Rauchwolken verdichteten sich über der Zaunlinie, als die Kugeln den sanften Abhang hinaufpfiffen. Zwei Meilen hinter Duff in Leesburg wurden die Schüsse gehört, und irgendwem fiel es ein, zur Kirche zu laufen und nach der Miliz zu läuten.

Nicht dass sich die Miliz rechtzeitig hätte sammeln können, um Captain Duff zu unterstützen, der langsam begriff, in welch dramatischer Unterzahl seine Männer aus Mississippi kämpften. Er war gezwungen, sich den Abhang hinunter zurückzuziehen, als eine Kompanie der Nordstaatentruppen seine linke Flanke bedrohte, und dieser Rückzug wurde vom Jubel der Nordstaatler und einer Musketensalve begleitet. Duffs vierzig Mann erwiderten hartnäckig das Feuer, während sie zurückwichen. Sie waren eine zerlumpte Truppe in schäbigen walnussbraunen oder schmutziggrauen Uniformen, doch ihre Schießkünste übertrafen bei weitem die ihrer Gegner aus dem Norden, von denen die meisten mit Glattlauf-Musketen ausgerüstet waren. Massachusetts hatte zwar enorme Anstrengungen unternommen, um seine Freiwilligen auszurüsten, aber es hatte nicht genügend Rifle-Gewehre für alle gegeben, und deshalb kämpfte das 15th Massachusetts von Colonel Devens mit Musketen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Keiner von Duffs Männern wurde getroffen, aber ihre eigenen Kugeln forderten langsam und stetig Tribut von den Nordstaaten-Tirailleuren.

Das 20th Massachusetts kam seinen Gefährten aus dem Bay State zu Hilfe. Beim 20th hatten alle Rifle-Gewehre, und ihr gezielterer Beschuss zwang Duff, sich noch weiter den langen Hang hinunter zurückzuziehen. Seine vierzig Männer stiegen über einen Koppelzaun und kamen auf ein Stoppelfeld, auf dem Hafer-Kornpuppen standen. Dahinter gab es eine halbe Meile weit keine Deckung mehr, und Duff wollte die Yankees nicht zu viel Boden gewinnen lassen, also ließ er seine Männer mitten auf dem Feld halten und befahl ihnen, die Bastarde zu stoppen. Duffs Männer waren bei weitem in der Unterzahl, aber sie kamen aus den Countys Pike und Chickasaw, und deswegen glaubte Duff, sie müssten es mit jedem Soldaten in Amerika aufnehmen können. «Schätze, wir müssen diesem unfähigen Gesindel eine Lektion erteilen, Jungs», sagte Duff.

«Nein, Captain! Das sind Rebellen! Sehen Sie!», rief einer seiner Männer warnend und deutete zum Waldrand, an dem gerade eine Kompanie grau uniformierter Soldaten aufgetaucht war. Duff starrte entsetzt dorthin. Hatte er etwa auf seine eigenen Leute geschossen? Die vorrückenden Männer hatten lange, graue Mäntel an. Der Offizier, der sie anführte, trug seinen Mantel offen und hatte sein Schwert gezogen, um im Gehen das Unkraut niederzumähen, als wäre er auf einem Spaziergang.

Duff spürte, wie sein Kampfeswille nachließ. Sein Mund war trocken, ihm war übel, und in seinem Oberschenkel zuckte unaufhörlich ein Muskel. Der Beschuss über den Hang war erstorben, während die Kompanie in den grauen Mänteln weiter auf das Haferfeld herunter vorrückte. Duff hob die Hand und rief die Fremden an. «Halt!»

«Freunde!», rief einer der Männer in den grauen Mänteln zurück. Die Kompanie bestand aus sechzig bis siebzig Männern, die lange, schimmernde Bajonette auf ihre Gewehre gepflanzt hatten.

«Halt!», versuchte es Duff erneut.

«Wir sind Freunde!», rief ein Mann zurück. Duff sah die Nervosität in ihren Mienen. Im Gesicht eines Mannes zuckte ein Wangenmuskel, während ein anderer immer wieder zu einem schnurrbärtigen Sergeant hinübersah, der stur an der Flanke der vorrückenden Kompanie marschierte.

«Halt!», rief Duff noch einmal. Einer seiner Männer spuckte aus.

«Wir sind Freunde!», riefen die Nordstaatler wieder. Der Mantel ihres Kommandooffiziers war scharlachrot gefüttert, aber Duff konnte die Farbe seiner Uniform nicht erkennen, weil die Sonne hinter den Fremden stand.

«Das sind keine Freunde von uns, Cap’n!», sagte einer von Duffs Männern. Duff wünschte, er wäre da auch so sicher. Gott im Himmel, was, wenn diese Männer Verbündete waren? War er dabei, einen Befehl zum Morden zu geben? «Ich befehle Ihnen anzuhalten!», rief er, doch die vorrückenden Männer gehorchten nicht, und daher rief Duff seinen Männern zu, sie sollten anlegen.

Vierzig Gewehre wurden an vierzig Schultern gehoben.

«Freunde!», rief eine Nordstaatenstimme. Die zwei Einheiten waren nun noch etwa fünfzig Schritt voneinander entfernt, und Duff hörte die Stiefel der Nordstaatler knirschend und brechend in den Haferstoppeln.

«Das sind keine Freunde, Cap’n!», beharrte einer der Männer aus Mississippi, und im selben Moment stolperte der vorrückende Offizier, und Duff erhaschte einen klaren Blick auf die Uniform unter dem scharlachrot gefütterten grauen Mantel. Die Uniform war blau.

«Feuer!», rief Duff, und die Salve der Südstaatler knackte wie brennendes Röhricht, und ein Nordstaatler schrie auf, als ihn die Kugeln eines Rebellen trafen.

«Feuer!», rief ein Nordstaatler, und die Kugeln aus Massachusetts peitschten durch die Rauchbank.

«Weiterschießen!», rief Duff und leerte seinen Revolver in den Pulverrauch, der nun schon das Feld verhüllte. Seine Männer hatten hinter den Kornpuppen Deckung gesucht und luden immer wieder ihre Gewehre nach. Die Nordstaatler taten das Gleiche, mit Ausnahme eines Mannes, der zuckend und blutend auf dem Boden lag. Zu Duffs rechter Seite, etwas höher auf dem Hang, waren noch mehr Yankees, aber um die konnte er sich nicht kümmern. Er hatte entschieden, hier Stellung zu beziehen, genau in der Mitte des Haferfeldes, und jetzt würde er so lange gegen diese Bastarde kämpfen müssen, bis eine Seite nicht mehr länger durchhielt.

Sechs Meilen entfernt, bei Edwards Ferry, hatten noch mehr Nordstaatler über den Potomac gesetzt und die Mautstraße nach Centreville blockiert. Nathan Evans, der deshalb zwischen den beiden einmarschierenden Truppenverbänden festsaß, weigerte sich, übertriebene Aufregung zu zeigen. «Einer lenkt dich ab, und der andere kommt von hinten, so geht es doch, oder, Boston?» «Boston» war sein Spitzname für Starbuck. Sie hatten sich bei Manassas kennengelernt, wo Evans die Konföderation gerettet hatte, indem er den Angriff des Nordens aufhielt, bis sich die Kampflinie der Rebellen neu formierte. «Lügende, stehlende, Kirchenlieder singende Bastarde», sagte Evans jetzt und meinte damit offenkundig die gesamte Armee der Nordstaaten. Er war mit dem Befehl zur Legion Faulconer geritten, dass sie bleiben sollte, wo sie war, nur um festzustellen, dass Thaddeus Bird diesen Befehl bereits vorweggenommen hatte, indem er den Abmarsch der Legion widerrief. Jetzt neigte Evans sein Ohr in den Wind und versuchte an der Heftigkeit des Gewehrfeuers abzuschätzen, von welcher Seite die größere Gefahr drohte. Die Kirchenglocke in Leesburg läutete noch immer, um die Miliz zusammenzurufen. «Du bleibst also nicht bei mir, Boston?», bemerkte Evans.

«Mir gefällt es, ein Kompanieoffizier zu sein, Sir.»

Evans knurrte irgendetwas, doch Starbuck war keineswegs sicher, dass der kleine Offizier, dessen unflätige Ausdrucksweise berüchtigt war, seine Antwort überhaupt gehört hatte. Stattdessen lauschte Evans aufmerksam den konkurrierenden Geräuschen der zwei Einfälle durch die Nordstaatler. Otto, sein deutscher Ordonanzoffizier, dessen wichtigste Pflicht darin bestand, ein Fässchen Whiskey zur Erfrischung des Generals herumzutragen, lauschte ebenfalls auf das Gewehrfeuer, sodass die Köpfe der beiden Männer zeitgleich hin und her zuckten. Evans hörte als Erster damit auf und schnippte mit den Fingern nach einem Tropfen Whiskey. Er leerte den Zinnbecher, dann richtete er seinen Blick wieder auf Bird. «Sie bleiben hier, Pecker. Sie sind meine Reserveeinheit. Ich glaube nicht, dass es viele von den Bastarden sind, dafür machen sie nicht genug Lärm, also können wir genauso gut bleiben, wo wir sind, und abwarten, ob wir den Bastarden eine blutige Nase verpassen können. Yankees töten ist schließlich ein ebenso guter Start in die Woche wie jeder andere, was?» Er lachte. «Wenn ich mich irre, sind wir heute Abend natürlich allesamt tot. Komm mit, Otto!» Damit galoppierte Evans in Richtung der Grabenbefestigung, die sein Hauptquartier darstellte.

Starbuck kletterte auf ein mit gefalteten Zeltplanen beladenes Fuhrwerk und schlief, während die Sonne den Nebel über dem Fluss auflöste und den Tau auf den Feldern trocknen ließ. Weitere Truppen der Nordstaatler überquerten den Fluss, erklommen das Steilufer und sammelten sich im Wald. General Stone, der Befehlsführer über die Unionstruppen, die den Potomac bewachten, hatte entschieden, mehr Einheiten bei der Überquerung einzusetzen, und Befehl gegeben, dass die Angreifer nicht nur Leesburg besetzen, sondern zur Aufklärung in den gesamten Loudoun County ausschwärmen sollten. Falls die Rebellen abgezogen waren, lautete Stones Befehl weiter, sollten die Yankees die Region besetzen, aber wenn sich den Aufklärungseinheiten ein zu starker Konföderierten-Verband entgegenstellte, konnten sich die Unionstruppen mit den Nahrungsmitteln, die sie beschlagnahmt hatten, wieder über den Fluss zurückziehen. Stone verstärkte die Einmarschtruppe mit Artillerie, stellte aber klar, dass er die Entscheidung, ob die Einheiten in Virginia blieben, dem Mann überließ, dem er nun das Kommando über die gesamte Operation gab.

Dieser Mann war Colonel Ned Baker, ein großer, glattrasierter, weißhaariger, redegewandter Politiker. Baker war ein kalifornischer Anwalt, Senator für Oregon und einer von Präsident Lincolns engsten Freunden; so eng, dass Lincoln seinen zweiten Sohn nach dem Senator genannt hatte. Baker war impulsiv, leidenschaftlich und warmherzig, und seine Ankunft an der Stelle der Flussüberquerung wurde von den Männern des 15th Massachusetts, die immer noch mit dem Regiment der New York Tammanys am Maryland-Ufer warteten, begeistert aufgenommen. Bakers eigenes Regiment, das 1st Californian, schloss sich nun der Invasion an. Das Regiment kam aus New York, doch es waren dafür Männer rekrutiert worden, die Verbindungen nach Kalifornien hatten, und mit ihnen kamen eine Vierzehnpfünder-Kanone mit gezogenem Lauf aus Rhode Island und ein paar Haubitzen, die mit Berufsoldaten der U.S. Army bemannt waren. «Bringt alles über den Fluss!», rief Baker überschwänglich. «Jeden einzelnen Mann und jede Waffe!»

«Wir brauchen mehr Boote», drängte der Colonel der Tammanys den Senator.

«Dann suchen Sie welche! Bauen Sie welche! Klauen Sie welche! Holen Sie Gopherholz und bauen Sie eine Arche, Colonel. Suchen Sie eine schöne Helena, deren Antlitz an die tausend Schiffe zur Meerfahrt zwang, uns aber lasst zum Ruhm stürmen, Männer!» Baker ging mit langen Schritten am Ufer entlang und neigte sein Ohr in Richtung des stakkatohaften Musketenfeuers, das vom anderen Flussufer herüberklang. «Da sterben Aufständische, Freunde! Gehen wir und töten noch ein paar mehr!»

Der Colonel der Tammanys versuchte den Senator zu fragen, was genau sein Regiment tun solle, wenn es auf dem Virginia-Ufer des Flusses angekommen war, doch Baker tat die Frage ab. Es kümmerte ihn nicht, ob es hier nur um einen Beutezug ging oder um den Anfang der Besetzung Virginias, er wusste nur, dass er drei Kanonen hatte und vier erstklassige Regimenter, unverbrauchte Truppen, und das verlieh ihm die notwendige Stärke, um Präsident Lincoln und dem ganzen Land den Sieg zu schenken, den sie so dringend brauchten. «Auf nach Richmond, Männer!», rief Baker, als er sich zwischen den Soldaten hindurch zum Ufer drängte. «Auf nach Richmond, und der Teufel soll ihren Seelen keine Gnade schenken! Auf für die Union, Männer, auf für die Union! Ich will euch jubeln hören!»

Sie jubelten laut genug, um das knackende Geräusch der Musketenschüsse zu übertönen, das von der anderen Seite des Flusses kam, wo jenseits des bewaldeten Steilufers Pulverrauch zwischen den Getreidepuppen umherzog und das lange Sterben dieses Tages begonnen hatte.

Zwei

Major Adam Faulconer traf kurz nach der Mittagszeit bei der Legion Faulconer ein. «Da sind Yankees auf der Mautstraße. Sie haben mir eine Verfolgungsjagd geliefert!» Er sah glücklich aus, als wäre der wilde Ritt der letzten Minuten ein vergnügtes Querfeldeinrennen gewesen und keine verzweifelte Flucht vor einem entschlossenen Feind. Sein Pferd, ein edler Rothengst aus der Zucht Faulconers, war mit weißem Schaum besprenkelt, seine Ohren hatte das Tier nervös zurückgelegt, und es machte unruhige Rückwärtsschritte, die Adam unwillkürlich korrigierte. «Onkel!», grüßte er Major Bird fröhlich, und gleich darauf drehte er sich zu Starbuck um. Die beiden waren seit drei Jahren befreundet, waren sich aber seit Wochen nicht begegnet, und Adams Freude über ihr Wiedersehen kam von Herzen. «Du siehst aus, als wärst du im Tiefschlaf, Nate.»

«Er war gestern Abend bei einem Gebetstreffen», warf Sergeant Truslow in bewusst säuerlichem Ton ein, sodass außer Starbuck niemand mitbekam, dass er einen Witz machte. «Hat bis drei Uhr morgens gebetet.»

«Gut für dich, Nate», sagte Adam herzlich, dann ließ er sein Pferd wieder zu Thaddeus Bird umdrehen. «Hast du gehört, was ich gesagt habe, Onkel? Da sind Yankees auf der Mautstraße!»

«Wir haben schon erfahren, dass sie da sind», sagte Bird lässig dahin, als wären umherziehende Yankees in dieser herbstlichen Landschaft so selbstverständlich wie Zugvögel.

«Die Schufte haben auf mich geschossen.» Adam klang erstaunt darüber, dass es in Kriegszeiten zu einer derartigen Unhöflichkeit kommen konnte. «Aber wir haben sie abgehängt, was, mein Junge?» Er klopfte seinem schwitzenden Pferd auf den Hals, dann schwang er sich aus dem Sattel und warf die Zügel Robert Decker zu, der zu Starbucks Kompanie gehörte. «Geh ein bisschen mit ihm auf und ab, machst du das, Robert?»

«Sehr gern, Mr. Adam.»

«Und lass ihn noch nichts trinken. Erst wenn er sich abgekühlt hat», instruierte Adam den jungen Robert Decker, dann erklärte er seinem Onkel, dass er bei Tagesanbruch von Centreville weggeritten war und erwartet hatte, der Legion auf der Straße zu begegnen. «Ich konnte euch nicht finden, also bin ich einfach immer weitergeritten», sagte Adam heiter. Er ging mit einem leichten Hinken, der Folge einer Kugel, die er in der Schlacht von Manassas abbekommen hatte, aber die Wunde war gut verheilt und das Hinken kaum merklich. Adam hatte, anders als sein Vater Washington Faulconer, mitten in der Schlacht von Manassas gestanden, obwohl er noch wenige Wochen davor von Zweifeln über die moralische Vertretbarkeit eines Krieges geplagt worden war und nicht einmal gewusst hatte, ob er sich an den feindlichen Auseinandersetzungen würde beteiligen können. Nach der Schlacht, während seiner Genesung in Richmond, war Adam zum Major befördert worden und hatte einen Posten im Stab General Joseph Johnstons erhalten. Der General war einer der vielen Konföderierten, die der falschen Auffassung anhingen, Washington Faulconer habe den Widerstand gegen den Überraschungsangriff der Nordstaaten bei Manassas unterstützt, und die Beförderung des Sohnes und seine Berufung in den Stab waren als Dankbarkeitsbeweis für den Vater gedacht.

«Hast du uns Befehle mitgebracht?», fragte Bird jetzt Adam.

«Ich habe nur meine Wenigkeit mitgebracht, Onkel. Der Tag schien mir viel zu schön, um ihn über Johnstons Papierkram zu verbringen, also wollte ich ein bisschen reiten. Das allerdings habe ich nicht erwartet.» Adam drehte sich um und lauschte auf das Gewehrfeuer, das aus dem nahen Wald herüberklang. Die Schüsse kamen nun beinahe ununterbrochen, waren aber nichts im Vergleich mit dem hallenden Geknatter einer Schlacht. Stattdessen hörte es sich nach methodischer, handwerklicher Routine an, und das deutete darauf hin, dass die beiden Seiten nur ihre Munition abfeuerten, weil es von ihnen erwartet wurde, und nicht, weil sie ernsthaft versuchten, sich gegenseitig niederzumachen. «Was geht da vor?», wollte Adam wissen.

Major Thaddeus Bird erklärte, dass zwei Yankee-Verbände über den Fluss gekommen waren. Adam war einer der einmarschierenden Truppen begegnet, während die andere auf dem Steilufer bei Harrison’s Island war. Niemand wusste genau, was die Yankees mit diesem Doppeleinfall bezweckten. Zu Beginn hatte es so ausgesehen, als würden sie versuchen Leesburg einzunehmen, aber eine einzige Kompanie aus Mississippi hatte genügt, um den Unionsvorstoß zurückzuschlagen. «Ein Mann namens Duff», erklärte Bird an Adam gewandt, «hat die Gauner gestoppt. Hat seine Männer mitten auf einem Feld in Gefechtslinie antreten lassen und Schuss für Schuss erwidert, und der Teufel soll mich holen, wenn sie sich nicht umgekehrt und den Hügel wieder hinaufgerannt sind wie eine verschreckte Schafsherde!» Die Geschichte von Duffs tollkühnem Widerstand hatte sich schnell in Evans’ Brigade verbreitet und die Männer mit Stolz auf die Unbesiegbarkeit des Südens erfüllt. Der Rest von Duffs Bataillon war jetzt im Wald auf dem Steilufer und nagelte die Yankees dort fest. «Du solltest Johnston von Duff erzählen», sagte Bird zu Adam.

Aber Adam schien nicht am Heldenmut der Männer aus Mississippi interessiert zu sein. «Und du Onkel, was machst du?», fragte er stattdessen.

«Auf Befehle warten natürlich. Ich schätze, Evans weiß nicht, wohin er uns schicken soll, also will er vorher feststellen, welche von den Yankee-Banden gefährlicher ist. Sobald das feststeht, rücken wir ab und schlagen ein paar Männern die Köpfe ein.»

Bei dem Ton seines Onkels zuckte Adam zusammen. Bevor er zur Legion gekommen und unerwartet Adams vorgesetzter Offizier geworden war, hatte Thaddeus Bird als Schulmeister gearbeitet und sowohl das Soldatentum als auch die Kriegsführung mit Hohn und Spott übergossen, doch eine Schlacht und ein paar Monate Kommandoführung hatten Adams Onkel zu einem viel grimmigeren Mann werden lassen. Er zeigte noch immer seinen scharfen Verstand, aber auf eine unerbittliche Art. Ein Symptom dafür, dachte Adam, wie der Krieg alles zum Schlechteren veränderte, auch wenn sich Adam manchmal fragte, ob er der Einzige war, der mitbekam, wie der Krieg alles verrohen ließ und zersetzte, was mit ihm in Berührung kam. Die anderen Adjutanten im Hauptquartier genossen den Konflikt, sahen ihn als sportlichen Wettstreit, der den eifrigsten Mitspielern den Sieg bringen würde. Adam hörte sich ihre bombastischen Reden an und schwieg dazu, weil er wusste, dass er mit seinen tatsächlichen Ansichten im besten Fall Hohn und im schlechtesten eine Verurteilung als Feigling provozieren würde. Doch Adam war kein Feigling. Er glaubte einfach nur, dass jeder Krieg eine Tragödie darstellte, die aus Stolz und Dummheit geboren wurde, und deshalb tat er seine Pflicht, versteckte seine wahren Gefühle und sehnte sich nach Frieden, doch wie lange er diese Verstellung oder Doppelzüngigkeit durchhalten konnte, wusste er nicht. «Hoffen wir, dass heute niemandem der Kopf eingeschlagen werden muss», sagte er zu seinem Onkel. «Der Tag heute ist viel zu schön zum Töten.» Er drehte sich um, als die Köche der Kompanie K einen Kessel vom Feuer hoben. «Ist da drin das Mittagessen?»

Zum Mittagessen gab es Cush, einen Eintopf aus Rindfleisch, Schinkenspeck und Maisbrotwürfeln, zu dem ein Brei aus gekochten Äpfeln und Kartoffeln gegessen wurde. Die Verpflegung war reichlich in Loudoun County, wo die Äcker ertragreich und konföderierte Truppen selten waren. In Centreville und Manassas, berichtete Adam, sei die Versorgung wesentlich schwieriger. «Letzten Monat ist ihnen sogar der Kaffee ausgegangen! Ich dachte, es gibt eine Meuterei.» Dann hörte er mit geheuchelter Erheiterung zu, wie Robert Decker und Amos Tunney ihm die Geschichte von Captain Starbucks großem Kaffee-Raubzug erzählten. Sie hatten nachts den Fluss überquert und waren fünf Meilen durch Wälder und Felder marschiert, um einen Krämerladen am Rand eines Nordstaaten-Lagers zu überfallen. Acht Männer waren mit Starbuck losgezogen und acht waren mit ihm zurückgekommen, und der einzige Nordstaatler, der sie entdeckt hatte, war der Krämer selbst gewesen, der sein Geld damit verdiente, den Truppen Luxuswaren zu verkaufen. Der Mann hatte in seinem Warenlager geschlafen, Alarm gerufen und einen Revolver gezogen.

«Der arme Mann», sagte Adam.

«Der arme Mann?», protestierte Starbuck gegen das Mitleid, das sein Freund zeigte. «Er wollte uns erschießen!»

«Und was hast du getan?»

«Ihm die Kehle durchgeschnitten», sagte Starbuck. «Wollte ja nicht das ganze Lager auf uns aufmerksam machen, indem ich einen Schuss abfeuere, verstehst du?»

Adam erschauerte. «Du hast einen Mann für ein paar Kaffeebohnen getötet?»

«Und für Whiskey und getrocknete Pfirsiche», ergänzte Robert Decker begeistert. «Die Zeitungen drüben haben spekuliert, es wären Sympathisanten der Sezession gewesen. Südstaatenguerilla haben sie uns genannt. Südstaatenguerilla! Uns!»

«Und am nächsten Tag haben wir zehn Pfund Kaffee an ein paar Yankee-Wachposten auf dem anderen Flussufer zurückverkauft!», fügte Amos Tunney stolz hinzu.

Adam lächelte flüchtig, dann lehnte er einen Becher Kaffee ab und tat so, als würde er lieber Wasser trinken. Er saß auf dem Boden und zuckte leicht zusammen, als er sein Gewicht auf sein verwundetes Bein verlagerte. Er hatte das breite Gesicht seines Vaters, einen eckig geschnittenen, blonden Bart und blaue Augen. Es war ein Gesicht, so hatte Starbuck immer gedacht, von unkomplizierter Aufrichtigkeit, auch wenn es dieser Tage wirkte, als hätte Adam seinen alten Humor verloren und mit immerwährender Sorge um die Probleme der Welt ersetzt.

Nach dem Essen gingen die beiden Freunde ostwärts am Rand der Wiese entlang. Die Unterstände der Legion aus Holz und Erdsoden waren noch da und sahen aus wie grasüberwachsene Schweinekoben. Starbuck tat so, als höre er den Erzählungen seines Freundes vom Hauptquartier zu, doch eigentlich dachte er daran, wie wohl er sich in seinem erdbedeckten Unterschlupf gefühlt hatte. Wenn er sich abends hingelegt hatte, war er sich vorgekommen wie ein Tier in seinem Bau: sicher, versteckt und unbemerkt. Sein altes Schlafzimmer in Boston mit seiner Eichentäfelung und den breiten Kiefernholzdielen und Gasglühstrümpfen und ehrfurchtgebietenden Bücherregalen erschien ihm nun wie ein Traum, etwas aus einem anderen Leben. «Es ist merkwürdig, wie mir die Unbequemlichkeit gefällt», sagte er leichthin.

«Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?», fragte Adam.

«Entschuldige, ich war in Gedanken.»

«Ich habe über McClellan geredet», sagte Adam. «Jeder hält ihn für eine Genie. Sogar Johnston sagt, McClellan sei der klügste Mann der gesamten alten U.S. Army.» Adam redete voller Begeisterung, als wäre McClellan der neue Kommandant der Südstaatentruppen und nicht der Befehlshaber der Nordstaatenarmee vom Potomac. Adam warf einen Blick nach rechts, ein plötzliches Anschwellen des Musketengeknatters im Wald auf dem anderen Flussufer hatte ihn aufmerksam gemacht. Das Gefecht war in der letzten Stunde nur noch sporadisch zu hören gewesen, doch nun verdichtete sich der Schusswechsel zu einem ununterbrochenen Knacken, das klang, als würde trockener Zunder auflodern. Die Schüsse wüteten etwa eine halbe Minute, dann fielen sie in ein stetiges und beinahe monotones Rattern zurück. «Sie müssen über den Fluss zurück nach Maryland!», sagte Adam wütend, als würde ihn die Dickköpfigkeit beleidigen, mit der die Yankees auf dieser Seite des Flusses blieben.

«Erzähl mir lieber noch mehr über McClellan», sagte Starbuck.