Stefan Zweig, Judentum und Zionismus - Mark H. Gelber - E-Book

Stefan Zweig, Judentum und Zionismus E-Book

Mark H. Gelber

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Beschreibung

Dieser Band zeigt das komplexe und relativ intensive Verhältnis Stefan Zweigs zum Judentum und zum Zionismus vom Beginn seiner Karriere an. Einige seiner wichtigsten Schriften und auch Teile von bedeutenden Briefwechseln können partiell als Auseinandersetzungen mit Stellungnahmen zu Judentum und Zionismus verstanden werden. Der Band versucht zu zeigen, dass die jüdischen und zionistischen Aspekte seiner Karriere und Schriften ihren gerechtfertigten Platz in der Gesamtinterpretation seines Schaffens haben. Zweigs jüdische Sensibilität kommt in mehreren seiner Werke klar zum Ausdruck, genauso wie in seinen Briefen. Jüdische Rezeptionen von Zweigs Schriften helfen, verschiedene Deutungsoptionen für seine Texte anzuwenden und sie in einem bestimmten spezifisch jüdischen Rahmen zu verstehen.

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Mark H. Gelber

Stefan Zweig,Judentum und Zionismus

Schriften des Centrums für Jüdische Studien

Band 24

herausgegeben von Gerald Lamprecht

Reihenherausgeber: Klaus Hödl

Mark H. Gelber

Stefan Zweig, Judentum und Zionismus

Gedruckt mit Unterstützung durch die Universität Graz, das Land Steiermark, Abt. 3, Wissenschaft und Forschung sowie die Ben-Gurion University of the Negev (Beer Sheva).

Für Vered

© 2014 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7065-5740-5

Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder

Satz und Umschlag: Studienverlag/Georg Toll

Umschlagabbildungen: Der junge Zweig. In: Stefan Zweig. Eine Bildbiographie von Friderike M. Zweig. Kindlers klassische Bildbiographien. München: Kindler und Schiermeyer Verlag AG, München, 1961, S. 21. Der ältere Zweig. In: Stefan Zweig. Eine Bildbiographie von Friderike M. Zweig. Kindlers klassische Bildbiographien. München: Kindler und Schiermeyer Verlag AG, München, 1961, S. 102. Zweigs Ex-Libris. In: E. M. Lilien. Sein Werk. Berlin: Schuster & Loeffler, 1903.

Registererstellung durch den Autor

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

Stefan Zweigs jüdisches Manifest und seine jüdische Sensibilität

Kapitel 2

Ist eine jüdische Rezeption Zweigs möglich? Hermann Levin Goldschmidt liest Stefan Zweig

Kapitel 3

Darf man Zweigs Bild mit Hilfe von Foucault jüdischer malen?

Kapitel 4

Theodor Herzl, Karl Emil Franzos und Stefan Zweigs Selbstbild: die Berlin-Episode in Die Welt von Gestern

Kapitel 5

Stefan Zweig, Egon Zweig und der politische Zionismus

Kapitel 6

Stefan Zweig und Martin Buber: eine Freundschaft?

Kapitel 7

Stefan Zweig und E. M. Lilien im Lichte des Kulturzionismus

Kapitel 8

Stefan Zweig, Romain Rolland und die Komplexitäten einer jüdischen Identität

Kapitel 9

Stefan Zweigs Jeremias, Beer-Hofmanns Jaákobs Traum und das zionistische biblische Drama

Kapitel 10

Das Jiddische, die Ostjuden und Stefan Zweigs Reise nach Galizien im Ersten Weltkrieg

Kapitel 11

Literaturproduktion und Mittlertum: Ist Stefan Zweigs Mittlertätigkeit als jüdische Eigenschaft zu verstehen?

Kapitel 12

Der begrabene Leuchter zwischen Judentum und Zionismus: Stefan Zweig, Schalom Asch und Joseph Leftwich

Kapitel 13

Stefan Zweigs Konzeptionen des Exils und die Darstellung von Sigmund Freud als Exilant

Kapitel 14

Die Welt von Gestern als ein Beispiel von Exilliteratur: Die Freundschaft mit Joseph Roth und die Themen Romaneschreiben und Reisen

Kapitel 15

Übersetzung und Autobiographie: Die Welt von Gestern auf Französisch, Englisch und Hebräisch

Kapitel 16

Stefan Zweig auf Hebräisch und seine Rezeption in Israel

Nachwort

Stefan Zweig, Judentum und Zionismus

Bibliographie

Vorwort

Das Ziel dieser Monographie ist es, eine Lücke in der Stefan-Zweig-Forschung zu schließen. Bei einer Stefan-Zweig-Konferenz (2009) in Berlin wurde während einer Diskussion anknüpfend an einen Vortrag beklagend bemerkt, dass keine Monographie über Zweigs Verhältnis zum Judentum existiere. Dies entspricht zwar der Realität, jedoch sind bereits viele Aufsätze in unterschiedlicher Qualität zu diesem Thema erschienen. Es wäre einerseits falsch zu behaupten, dass dieses Thema in der Zweig-Forschung oder im Rahmen der jüdischen literarischen Studien völlig vernachlässigt worden sei. Andererseits werden im Allgemeinen Zweigs komplexes Verhältnis zum Judentum und seine vielleicht noch komplexere Stellungnahme zum Zionismus selten differenziert oder als separate Kategorie kritisch erläutert.

Vielleicht hat der bedeutende Zweig-Biograph Donald Prater die Richtlinien dieser Sichtweise gesetzt, als er in seiner Zweig-Biographie, die mehr als dreißig Jahre lang als das Standardwerk in der Zweig-Forschung diente, Folgendes schrieb: „Überdies waren Familien wie die der Zweigs […] in ihrem Auftreten europäisch, sie hatten weitgehend ihre spezifisch jüdischen Charakteristika verloren. Im größten Teil seines Lebens hat Stefan Zweig seinem Judentum nur untergeordnete Bedeutung beigemessen, und […]. Seine Familie war weder religiös noch nationalistisch“.1 Anknüpfend an diese Art der Darstellung behauptete Sarah Fraiman-Morris, dass das Judentum für Zweig lediglich Weltbürgertum bedeutet hätte: „Being Jewish for him meant being a citizen of the world“.2 Für Fraiman-Morris wurde das religiöse Judentum von Zweigs Ahnen durch einen Prozess der Akkulturation in einen vagen Humanismus umgewandelt.3 Eva Reichmann wiederum behauptete, dass Zweigs Werke, als die eines übernationalen, kosmopolitischen Europäers eher „eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber dem Zionismus“ zeigen würden.4 Obgleich Fraiman-Morris und Reichmann überzeugt davon sind, dass die historischen Entwicklungen in den zwanziger und dreißiger Jahren, insbesondere der Aufstieg des Nationalsozialismus mit all den gravierenden Konsequenzen, auch für Zweig diese allgemeinen Aussagen, die typisch für viele Studien über Zweig sind, teilweise in Frage stellen – indem Zweig neue differenziertere Stellungnahmen dem Judentum wie auch dem Zionismus gegenüber traf –, steht ihr allgemeines Verständnis von Zweig fest. Auch wenn sie, so wie mehrere Beobachter, möglicherweise dazu beigetragen haben, Licht auf verschiedene Aspekte dieses jüdischen und zionistischen Gefüges zu werfen, sind in der Regel entweder ihre Voraussetzungen, Methodologien oder Argumente problematisch oder gar fehlerhaft. Viele Versäumnisse, Vereinfachungen und schlichte Unkenntnis stören die Glaubwürdigkeit vieler Arbeiten auf diesem Gebiet. Ich hege die Hoffnung, dass die vorliegende Studie ein gewisses Maß an Klarheit bezüglich der problematischen Aspekte dieses Themas bewirken wird, um letztendlich zu einem besseren Verständnis von Zweig und seinem Werk beizutragen.

Ich möchte mich bei mehreren Kollegen bedanken, die mich über viele Jahre hinweg eingeladen haben, um über vielfältige Aspekte des Themas „Stefan Zweig, Judentum und Zionismus“ zu referieren, sei es im Rahmen wissenschaftlicher Tagungen oder sei es als separate Einzelvorträge: vor allem bei Vivian Liska (Antwerpen), Bernard Greiner (Tübingen), Klemens Renoldner (Salzburg), Thomas Eicher (Dortmund), Karl Müller (Salzburg), Ivan Marcus (New Haven), Stephan Resch (Auckland), und Carol Kahn Strauss (New York). Kapitel 15 (Übersetzung und Autobiographie: Die Welt von Gestern auf Französisch, Englisch und Hebräisch) stellt eine revidierte und wesentlich erweiterte Fassung eines Vortrags dar, den ich 2012 auf Englisch beim MLA-Kongress in Seattle gehalten habe. Ich danke Mary Bryden (Reading), die die Session über Autobiographie und Übersetzung organisiert und moderiert hat, für die Einladung und Gelegenheit, meine Gedanken darüber in diesem Rahmen zu präsentieren. Ich bedanke mich auch bei vielen Kollegen, die die Zeit gefunden haben, mit mir über diese Themen zu diskutieren oder die meine Fragen beantwortet haben, vor allem bei: Knut Beck, Randy Klawiter, Rainer Siegel, Gert Kerschbaumer, Donald Daviau, Klaus Zelewitz, Matjaž Birk, Jeffrey B. Berlin, Jacob Golomb, Dietmar Goltschnigg, Jeffrey L. Sammons, Ruth Klüger, Hans Otto Horch, Cathy Gelbin, Glenda Abramson, Friedrich Voit, Monica Tempian, Birger Vanwesenbeeck, Jasmin Sohnemann, Helmut und Heiner Scholz, Dominic Bitzer und Sabrina Gurski. Ich darf auch Personen und Kollegen, die bereits verstorben sind, nicht vergessen: besonders Sol Liptzin, Margarita Pazi, Kurt Maschler, Abrahão Koogan, Gerschon Shaked und Harry Zohn. Von Gesprächen und Briefwechseln mit ihnen habe ich unendlich viel gelernt, obwohl ich nicht immer mit ihnen oder mit ihren Ansichten zu Stefan Zweig einverstanden war.

Ich bin auch für die Unterstützung, die mir in vielen Bibliotheken und Archiven zu Teil wurde, zu großem Dank verpflichtet: der National Library of Israel, dem Deutschen Literaturarchiv zu Marbach a. Neckar, dem Zentralen Zionistischen Archiv in Jerusalem sowie der Zweig-Sammlung in Salzburg (Hildemar Holl), dem Zweig-Archiv, SUNY-Fredonia (Gerda Morissey), dem London Nachlass (Sonja Dobbins) und Beinecke Library der Yale University (Christa Sammons). Den in Klammern angeführten Personen danke ich für ihre Gastfreundschaft, ihren Rat sowie archivalische und bibliographische Hilfestellungen. Eva und Ken Albermann in London erlaubten mir mehr als einmal, ihre Zweig-Sammlung in ihrem Privathaus intensiv zu studieren, wofür ihnen großer Dank gebührt.

Für ihre technische und bibliographische Unterstützung sowie zahlreiche Korrekturvorschläge, wodurch das Manuskript verbessert wurde, danke ich Nina Wiedl, Julia Rammer-Gurevitch, Alana Sobelman, Manja Herrmann, Ulrich Tigges, Christiane Reves, Jody Gelber und vor allem Maria Gierlinger-Landa. Diese Studie hat aufgrund ihrer Korrekturen und unermüdlichen Bemühungen wesentlich gewonnen. Schließlich schulde ich Gerald Lamprecht (Graz) Dank für seine Unterstützung, Geduld und Ratschläge in Bezug auf die Veröffentlichung der Monographie im Studienverlag in Innsbruck.

Mark H. Gelber

1Donald Prater, Stefan Zweig. Das Leben eines Ungeduldigen. Frankfurt a. Main: 1984, S. 21. Die deutsche Fassung der ursprünglichen englischen Version, die 1972 unter dem Titel European of Yesterday in Oxford erschien, ist eine Übersetzung mit einigen Ergänzungen und Revidierungen. Dieses Zitat ist der ursprünglich englischen Formulierung treu.

2Sarah Fraiman-Morris, Stefan Zweig’s ‚Untergang eines Herzens‘ as a Version of Tolstoy’s ‚Ivan Illych‘. In: Mark H. Gelber (Hg.), Stefan Zweig Reconsidered. New Perspectives on his Literary and Biographical Writings, Tübingen: 2007, S. 111.

3Fraiman-Morris, ebenda.

4Eva Reichmann, Übernationaler kosmopolitischer Europäer – die jüdischen Romanciers Lion Feuchtwanger, Georg Hermann, Joseph Roth, Jakob Wassermann, Franz Werfel und Arnold und Stefan Zweig. In: Daniel Hoffmann (Hg.), Handbuch zur deutsch-jüdischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Paderborn, München, Wien, Zürich: 2002, S. 185.

Kapitel 1

Stefan Zweigs jüdisches Manifest und seine jüdische Sensibilität

Die Tatsache, dass Stefan Zweig jüdischer Abstammung war, wird regelmäßig in der Sekundärliteratur erwähnt, jedoch meistens ohne weiteren Kommentar. Es lässt sich daraus schließen, dass dieses Faktum als unwichtig oder nebensächlich angesehen wird, angesichts seiner vielfältigen und viel wichtigeren literarischen, kulturellen und intellektuellen Tätigkeiten, die nichts mit dem Judentum zu tun haben. Darüber hinaus wird gemeinhin akzeptiert, dass Zweig sein ganzes Leben lang kein religiöser Mensch, dass er kein praktizierender Jude war. Daher habe das Judentum im Sinne einer Religion für seine Schriften und Karriere meist keine Rolle gespielt, obwohl es auch einige Ausnahmen von dieser Regel gibt. Beispielsweise verwies er ab und zu in Briefen auf Gott, sodass der Eindruck gelegentlich entsteht, dass er selbst an Gott glaubte. Aber er ging nur selten zum jüdischen Gottesdienst in eine Synagoge, obwohl davon auszugehen ist, dass er seine Bar Mizwa gefeiert hat.1 Er hat dies um die Jahrhundertwende einmal so ausgedrückt, dass er dem „gelebten Judentum fernstehe“.2 Um religiöse Juden für seine Fiktionen überzeugend darzustellen, was er gelegentlich tat, brauchte er aber kein religiöser Mensch zu sein. Gelegentlich wird Zweig selbst zitiert, der nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten meinte, es wäre reiner Zufall gewesen, dass er als Jude geboren wurde bzw. dass sein „Judentum ihm nie anders, als eine akzidentelle Eigenschaft“ erschienen sei.3 Dies würde bedeuten, dass seine Eltern und Ahnen zwar Juden waren bzw. dass er in einer jüdischen Familie aufgewachsen war, aber dass dies dann keine tiefgreifende persönliche, kulturelle oder politische Bedeutung oder Auswirkung gehabt hätte, jenseits der bloß genetisch-biologischen oder wie man damals sagte, der rassischen. Wenn sein Judentum wirklich bloßer Zufall war, hätten die Nationalsozialisten einer naiven Meinung folgend vielleicht keinen Grund gehabt, ihn aus der deutschen Kulturwelt auszuschließen, da er und viele andere Beobachter zumindest am Anfang nicht wussten, wie ernst die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten und ihre logischen Konsequenzen waren. Sicherlich war die überwiegende Mehrzahl der Titel seiner deutschsprachigen Literaturproduktion und seiner Bestseller, die keine explizite Beziehung zum Judentum aufwiesen, für eine deutsche Leserschaft auch nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten in diesem Sinn noch konsumierbar. Nach diesem Denkschema wäre es verständlich gewesen, nur selbstbewusste oder öffentlich identifizierbare Juden zu verfolgen bzw. nur sie aus der deutschen Gesellschaft auszuschließen. Dies erklärt die Verwirrung in den frühen dreißiger Jahren, als die deutschen Behörden den Namen Arnold Zweig mit Stefan Zweig verwechselten, da Arnold Zweig regelmäßig ausgesprochen jüdische Stellungnahmen und Meinungen veröffentlichte. Arnold Zweig war mit dem Judentum viel konsequenter assoziiert als Stefan Zweig.

Während eine jüdische Abstammung die Grundlage für eine jüdische Identität bildet, ist sie in der Regel nicht ausreichend, ein solides Fundament für eine stabile jüdische Identität zu legen, besonders in nicht-jüdischen Gesellschaften, die Integration, Akkulturation oder Assimilation erlauben. In einem Interview mit David Ewen gestand Zweig 1931: „Although I do not come from a rigorously Jewish family, I have been vitally interested in Jewish problems all of my life, vitally aware of the Jewish blood that is in me ever since I have been conscious of it.“4 Dieses Bekenntnis ist der Ausgangspunkt meiner These in diesem Kapitel.

In der Tat ist Stefan Zweigs Verhältnis zum Judentum und zum Zionismus viel komplexer und differenzierter, als es die Stefan-Zweig-Forschung bisher verstanden hat. Mehrere kritische Beiträge über Zweig und das Judentum bzw. den Zionismus wurden über die Jahre veröffentlicht, und einige davon wurden von bedeutenden Denkern, Kritikern oder Zweig-Spezialisten verfasst: man denke dabei an Hannah Arendt, George Mosse, Sol Liptzin, Harry Zohn und Margarita Pazi,5 die sich mit verschiedenen Aspekten dieses Themas auseinandersetzten. Mosse behauptete zum Beispiel, dass Zweigs Judentum jenseits von Religion und Nationalismus zu finden wäre, etwa in seiner kulturellen Stellungnahme oder Orientierung („cultural stance“), die mit den Idealen des mitteleuropäischen Bildungsbürgertums verbunden sei.6 In ihrem Nachwort zum ersten Band der gesammelten Briefe Stefan Zweigs, die er zwischen 1897 und 1914 verfasst hat, behaupteten die Herausgeber Knut Beck, Jeffrey B. Berlin und Natascha Weschenbach-Feggeler, dass Stefan Zweig das Judentum im Grunde als ästhetisches Phänomen erfahren habe.7 Diese Aussage ist jedoch eine schlichte Vereinfachung eines sehr komplexen Gefüges von literarischen, kulturellen, politischen und nationalen Themen, die auch mit dem Judentum verbunden sind, und die für Zweig seit Anfang seiner schriftstellerischen Karriere von Bedeutung waren.

Ich behaupte, dass Stefan Zweig eine jüdische Sensibilität hatte und, dass diese als ein wichtiges, ja sogar unentbehrliches Element seines Selbst sowie seiner schriftstellerischen Karriere zu verstehen ist. Sie untermauert einen Teil seiner literarischen Produktion und sein Selbstverständnis sowie seine persönlichen Beziehungen zu einem Großteil seiner Zeitgenossen. Der Terminus „Sensibilität“ hat eine lange Geschichte, die zurück ins 18. Jahrhundert reicht und an die englischen Dichter der „Sensibilität“ wie William Cowper, Thomas Gray und William Collins erinnert, sowie an Sense and Sensibility (1811), den bekannten Roman von Jane Austen.8 Obschon „Sensibilität“ mit dem deutschen Begriff der „Empfindsamkeit“ wohl viel gemeinsam hat, verwende ich „Sensibilität“ im spezifischen Sinne von einem empathischen Verständnis, von einem Wahrnehmungsvermögen und einer Kapazität für inniges Empfinden und emotioneller Solidarität. „Sensibilität“ hat auch mit einem tiefen Grundgefühl zu tun, das einfühlsame Wahrnehmungen ermöglicht. Nach Michel Foucault ist Sensibilität eine Struktur des menschlichen Erlebnisses, die Empfindungsfähigkeit und geistige Wahrnehmung aktualisieren kann.9 Infolgedessen besteht die Möglichkeit, dass sich neue Sensibilitäten im Laufe eines menschlichen Lebens entwickeln können. Zwar ist Zweigs jüdische Sensibilität im Vergleich zu anderen Sensibilitäten, die er zugleich innehat, nicht dominierend, sie fungiert eher als ein Begleitstück, d. h. als Komplement zu anderen Sensibilitäten wie zum Beispiel seiner ausgesprochenen europäischen Sensibilität. In einem Brief an Friderike Zweig, datiert vom 27. Oktober 1941, schrieb Stefan Zweig, dass sein „ganzes Denken und Betrachten … an europäische, ja sogar lateinische Mentalität gebunden“ sei10 und diese Mentalität ist sicherlich mit einer gewissen Sensibilität verwandt. Im jüdischen Kontext ziehe ich das Wort und den Begriff Sensibilität vor, denn eine jüdische Mentalität verweist auf eine viel ausgedehntere Gedankenstruktur und ein solides Bewusstsein, das vielleicht auch auf tieferem und fundiertem jüdischen Wissen, das Zweig fehlte, basiert. Mein Argument ist, dass ein Teil seines Denkens und Betrachtens an seine jüdische Sensibilität gekoppelt ist, ohne dass dies ein Paradox darstellt.

Verschiedene Sensibilitäten können gleichzeitig in einem Menschen existieren und im Fall Stefan Zweigs tragen sie dazu bei, unterschiedliche Aspekte seiner Literaturproduktion und diesbezüglicher Aktivitäten zu kontextualisieren und erklären. Ich benutze die Kategorie Sensibilität im Sinne eines empathischen Verständnisses und einer ausgeprägten Empfindsamkeit gegenüber jüdischen Angelegenheiten, einer Art emotionellen Bewusstseins sowie einer natürlichen Solidarität mit anderen Juden und einem Gefühl der Zugehörigkeit zum jüdischen Volk. Diese Sensibilität hängt damit zusammen, dass Zweig sich die Jahre hindurch als Jude verstand, dass sein Judentum verschiedene Bedeutungen für ihn hatte. Er glaubte, dass sein Judentum unterschiedliche Ansichten und Stellungnahmen in verschiedenen Zusammenhängen ermöglichte. Diese Auffassung der Sensibilität als Kategorie ist vielleicht ähnlich oder nicht allzu weit von Zweigs eigenem Standpunkt entfernt, wenn er „vier Saiten seines Wesens“ in sich selbst identifiziert: „der Deutsche, der Jude, der Europäer, der weltbürgerliche Mensch“.11 Aber diese Formulierung revidierte er in Die Welt von Gestern, als er sich folgendermaßen darstellte: „als Österreicher, als Jude, als Schriftsteller, als Humanist und Pazifist“.12 In ähnlicher Weise beobachtete Zweig Aspekte des Wesens von anderen, etwa drei verschiedene „Menschen“ oder wirksame Elemente in der „seelischen Formung“ von Joseph Roth: den russischen, den jüdischen und den österreichischen Menschen.13 Jeder einzelne erklärte für Zweig die unterschiedlichen Ausprägungen und Dimensionen von Roths Persönlichkeit und seinem inneren Wesen, sowie sein künstlerisches Schaffen und auch seine Karriere als Ganzes. Für Zweig schuldete Roth dem Judentum seine „kritische Klugheit“ und seine „milde Weisheit“.14 Meine Auffassung betont im Gegensatz zu jener von Zweig die bewussten und aktiven Konsequenzen seiner jüdischer Sensibilität und nicht die angeblich vererbten und stereotyp jüdischen Eigenschaften, wie er sie bei Roth wahrnahm. Aber beide Auffassungen beinhalten eine Dimension der jüdischen Authentizität.

Vor der Zeit des Nationalsozialismus hat Zweig sein Judentum in der Regel positiv oder als persönlichen Gewinn betrachtet, was sich nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten änderte, da ihn die Tatsache seines Judentums in eine Reihe von Schwierigkeiten brachte. Als rassischer Feind des Nationalsozialismus konnte Zweig nach der Machtergreifung seine Werke nicht mehr im Deutschen Reich veröffentlichen. Seine vielen literarischen und kulturellen Aktivitäten sowie seine Partnerschaften mit Kollegen in Nazideutschland mussten aufhören. Zweigs jüdische Sensibilität erklärt implizit bis zu einem gewissen Ausmaß viele unterschiedliche Aspekte seiner Schriften sowie seiner Karriere im Allgemeinen, wie zum Beispiel: die Darstellung vieler jüdischer Figuren in seiner Fiktion, wie Buchmendel, Salomonsohn in Untergang eines Herzens und Kekesfalva in Ungeduld des Herzens sowie Nebenfiguren wie die jüdische Mutter in Brennendes Geheimnis oder einen unbenannten jüdischen Dozenten, der zur Zielscheibe antisemitischer Äußerungen wird in Verwirrung der Gefühle oder Professor Silberstein im Roman-Fragment Clarissa. Darüber hinaus wird seine jüdische Sensibilität auch durch seine jüdischen Legenden untermauert, insbesondere Rahel rechtet mit Gott und Der begrabene Leuchter, sowie seine jüdische biblische Tragödie Jeremias oder die vielen jüdischen Abschnitte in seiner Autobiographie Die Welt von Gestern. Die wichtigsten darunter sind wohl die Herzl-, „Jeremias“- und Freud-Passagen. Die vielen jüdischen Hinweise und Referenzen ziehen sich aber durch den ganzen Text. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass Zweig auf eine sehr stilisierte Weise mit Freud im Londoner Exil eine ausführliche Diskussion gerade über die jüdische Tragik entfachte, wo doch auch viele andere Dimensionen der Beziehung hätten thematisiert werden können.

Ich bin der Meinung, dass die Verortung einiger seiner Werke oder deren Teilabschnitte im Heiligen Land – wie Die Wanderung (1902), Jeremias (1917) und Der begrabene Leuchter (1936) – bzw. im jüdischen Osteuropa – wie Im Schnee (1901) oder Ungeduld des Herzens (1938) – mit Zweigs jüdischer Sensibilität zusammenhängt. Diese waren die räumlichen Zentren jüdischen Bewusstseins zu Lebzeiten Zweigs. Wenn Zweig beispielsweise als kritischer Leser Jakob Wassermanns, diesen 1912 als den authentischen, eingefleischten Juden betrachtete, und dessen Judentum als seine innere Substanz, „den Kern seines Wesens“ erkannte, sowie seine Werke als Spiegel der „elementaren Urkraft seiner jüdischen Weltvision“ verstand,15 oder auch wenn Zweig 1935 auf Kafkas Werke dergestalt reagierte, dass dieser „das Jüdisch-Geistige in der sublimsten Form repräsentiert“16, spiegeln seine Urteile einen klaren Ausdruck seiner jüdischen Sensibilität als kritischer Leser wider. Wenn er sich in einem Brief an seinen ehemaligen jungjüdischen Kommilitonen Marek Scherlag kritisch über dessen neue Gedichtsammlung (1913) äußerte, aber dann im nächsten Moment daran anknüpfend nuanciert über sein literarisches Verhältnis zu seinem eigenen Judentum reflektiert, ist dies auch als Aspekt seiner jüdischen Sensibilität zu verstehen. Zweig schrieb (seine Unterstreichungen):

Absolut treu dem Judentum habe ich von Jahr zu Jahr eine stärkere Abneigung es logisch mir zu decretieren, alle Bücher die es erklären wollen („Vom Judentum“ z. B. sind mir widerwärtig), ich verstehe es nur als Gefühlstatsache, als formlose, grenzlose und unabgrenzbare: ich spüre, dass wir jeder damit etwas anderes meinen und jeder nur das, was er davon ist. Deshalb nur deshalb möchte ich dies Thema auch nicht streifen, ich will mich nicht festlegen auf eine Meinung über das Judentum: manchmal flutets in mir und manchmal ebbt es zurück, jeder Mond kann das wandeln.17

Der Ausdruck verschiedener Dimensionen seiner jüdischen Sensibilität in Briefen hängt in der Regel vom jeweiligen Rezipienten ab wie auch vom genauen Moment bzw. der Gelegenheit. Im oben zitierten Brief an Scherlag äußerte sich Zweig distanzierend über den Sammelband Vom Judentum. Ein Sammelbuch, der 1913 von Hans Kohn zusammen mit dem jüdisch-nationalen Verein jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag herausgegeben worden war. Zweig selbst war aufgrund von Martin Bubers Vermittlung eingeladen worden, einen Beitrag zum Sammelband beizusteuern, lehnte dies aber ab. In diesem Moment und im Kontext eines Briefes an seinen jüdischen Freund beschrieb Zweig sein eigenes Judentum als „formlose Gefühlstatsache“. In einem späteren Brief an Scherlag vom 22. Juli 1920 schrieb Zweig, dass „die Aufgabe des Jüdischen politisch darin bestand, den Nationalismus zu entwurzeln in allen Ländern, um so die Bindung im reinsten Geiste herbeizuführen. Deshalb lehnte [er] den jüdischen Nationalismus ab“.18 Die Tendenz, seinem Judentum eine geistige Rolle zu geben, war nicht einmalig oder untypisch für Zweig, obwohl er die Jahre hindurch unterschiedliche Tendenzen in Bezug auf die Rolle oder Funktion seines Judentums und des Judentums im Allgemeinen zeigte. Manchmal schien das Judentum Zweigs Auffassung nach eine ambitionierte Rolle in der europäischen Gesellschaft zu spielen, manchmal aber war seine Rolle stark reduziert oder persönlich begrenzt.

Bei verschiedenen Gelegenheiten beschrieb Zweig sein Judentum auf unterschiedliche Weise. Beispielsweise sandte Zweig am 16. Februar 1925 eine Begrüßungsrede mit Begleitschreiben an den Wiener Zionisten Max Kiwe, um damit an den weltweiten Feiern zur Gründung der Hebräischen Universität in Jerusalem teilzuhaben. In diesem spezifischen Zusammenhang schrieb Zweig aus einer betont kulturzionistisch-freundlichen Perspektive, dass eine „jüdische Universität ein Anrecht […] dieser Nation des Geistes“ sei.19 Soweit jüdisch-nationale Mentalitäten und Aktivitäten einen geistigen Gewinn zu versprechen schienen, bejahte Zweig sie in der Regel enthusiastisch. Wenn sie ihm jedoch als Ausdruck von „Hochmut und Absperrung“20 erschienen, lehnte er sie entschieden ab.

Zweigs jüdische Sensibilität ist normalerweise mit seinem Interesse für jüdische Kultur und dem Kulturzionismus im Allgemeinen verknüpft bzw. auch mit seiner Empfindsamkeit für die prekäre Lage der Juden in Europa zu Zeiten des zunehmenden Antisemitismus bzw. mit dem jüdischen Leid im Ersten und im Zweiten Weltkrieg insbesondere in Osteuropa, aber nicht nur. Zweigs Interesse am Jiddischen bildet einen Teil seiner jüdischen Sensibilität und reicht von Freundschaften mit jiddisch-schreibenden Autoren wie Schalom Asch bis zum Einschluss jiddischer Begriffe, die sich durch seine Briefe aber auch durch seine Werke ziehen. Das beste Beispiel dafür ist wohl Buchmendel, der zahlreiche jiddische Ausdrücke benutzt, die eine Ahnung der gesprochenen Sprache, d. h. des „singenden jüdischen Jargons“21 des Protagonisten vermitteln, ohne dass der Text versucht, die gesprochene Sprache des Jiddischen wortwörtlich wiederzugeben. Jiddische Begriffe wie „Sechel“ oder „Amhorez“ finden Verwendung. Sie fungieren in diesem Fall nicht abwertend, sondern tragen dazu bei, die stereotyp negativen Eigenschaften des Ostjuden, die auch Teil der Darstellung des „Titanen des Gedächtnisses“, Jakob Mendel, sind, zu relativieren.22 Im Großen und Ganzen wird er als eine positive eigenartige Figur rezipiert, die wegen der Versäumnisse einer Gesellschaft, die einen Weltkrieg mit zahlreichen tragischen Konsequenzen für unschuldige Menschen führte, zugrunde ging und in Vergessenheit geriet.

Ob Zweigs Freundschaften mit Juden und seine Beziehungen zu jüdischen Kollegen mit seinen Freundschaften und Assoziationen mit Nicht-Juden zu vergleichen sind, scheint mir ein nebensächlicher Aspekt, da Zweig sicherlich enge dauerhafte Freundschaften mit wichtigen nicht-jüdischen Schriftstellern und Kollegen pflegte, unter anderem mit Romain Rolland, Emile Verhaeren und Anton Kippenberg. Auch war er in erster Ehe mit einer nicht-jüdischen Frau verheiratet gewesen.23 Seine jüdische Sensibilität kommt gelegentlich auch in Briefen an seine nicht-jüdischen Briefpartner zum Ausdruck, wie auch an seine jüdischen. Ob der Briefpartner jüdisch oder nicht-jüdisch war, scheint in diesem Zusammenhang nicht entscheidend gewesen zu sein. So schrieb Zweig in einem Brief an Richard Dehmel, den er einmal „das ganze deutsche Volk“ genannt hatte (datiert vom 12. Juli 1919; es entspann sich daraus eine lebhafte Diskussion zwischen den beiden über Deutschtum, Nationalität und Identität in Bezug auf den Ersten Weltkrieg):

Was bin ich zum Beispiel? Deutscher, wenn wir zu Deutschland geschlossen werden, Deutschösterreicher wenn uns die Entente zu einer Selbstständigkeit[!] zwingt, Czechoslowake, weil mein Vater Deutschböhme ist und wir vielleicht morgen schon annectiert werden, Jude, wenn das Judentum hier zur Minderheitsnation umgezwungen wird.24

Die Tatsache, dass Zweig in diesem Brief die unterschiedlichen Möglichkeiten einer nationalen Identität für sich selbst in Betracht zieht, verweist meines Erachtens auf eine gewisse jüdische Sensibilität.

Wenn Zweig gegen Ende seines Lebens im Exil empathisch über sein Leiden an Familienmitglieder oder an andere jüdische Exilanten, die sein Schicksal teilten, schrieb, kommt seine authentische jüdische Sensibilität besonders klar zum Ausdruck, beispielsweise in vielen seiner Briefe an Joseph Roth und Arnold Zweig oder auch in seinen Briefen an Felix Braun. Am 21. März 1938 gestand Zweig Felix Braun, dass er sich jetzt darauf beschränke „nur Juden zu helfen, denn denen hilft niemand“, obwohl dieser Standpunkt, d. h. ausschließlich Juden zu unterstützen, ihm bisher widerlich gewesen war.25 In einem anderen Brief an Braun, datiert vom 16. Oktober 1939 schrieb Zweig:

Wir haben zuviel erlebt! […] das innere Gleichgewicht wird, besonders bei uns Juden, lebenslänglich gestört bleiben; wir sind lebendige Anomalien, in einer Sprache schreibend und denkend, die uns entzogen wird, in einem Land lebend und an dessen Schicksal gebunden, dem wir nicht ganz verbunden und in dem wir bloß geduldet sind, Juden ohne den religiösen Glauben und den Willen, Juden zu sein; […]26

Die jüdische Solidarität, die Zweig hier zum Ausdruck bringt, findet man auch in einigen seiner Reden oder späten kurzen Schriften, in denen er sich für gefährdete jüdische Kinder engagierte.27

Zweig drückte öfters in seinen Briefen eine Gruppenidentifikation mit Juden („uns Juden“) aus, und engagierte sich für spezifisch jüdische Angelegenheiten, was keineswegs als eine Wendung oder als neue Entwicklung in seiner allgemeinen Orientierung gegenüber anderen Gruppierungen zu verstehen ist. Die jüdische Gruppenidentifikation ist dabei für ihn eine zusätzliche Identifikation unter mehreren, die kontextabhängig manchmal eine bedeutendere und manchmal eine unbedeutendere Rolle spielte. In diesem Sinn versuchte er mehr als einmal, einen Aufruf oder ein Manifest an die Juden in Deutschland und Österreich bzw. im Namen der mitteleuropäischen Juden zu organisieren. Diese seine Bemühungen sind als wichtiger Teil seiner jüdischen Sensibilität zu verstehen, besonders wenn sie sich in Taten konkretisierten. Diese Versuche und Aktivitäten Zweigs sind eher unbekannt in der Stefan-Zweig-Forschung. Am 18. Dezember 1918 ersuchte Zweig Martin Buber um einen Aufruf an die Juden in Deutschland und Österreich, damit sie „nicht vordrängen, nicht die Politik an sich reißen wollen“.28 Zweig sorgte sich um die Sichtbarkeit der Juden angesichts der gewaltvollen politischen Geschehnisse während und nach dem Ersten Weltkrieg, denn er war überzeugt, dass eine neue intensive antisemitische Welle leicht entstehen könnte, wenn einzelne Juden für gewisse politische Entwicklungen verantwortlich gemacht werden würden. Er war besorgt „um das Schicksal der jüdischen Nation“. Wie Zweig präzisierte:

Er soll nicht ein Manifest im nationaljüdischen, zionistischen Sinn sein, zunächst nur ein Appell zur Reserve, zur Achtung der deutschen und österreichischen Angelegenheiten […] einen Anruf zur Bescheidenheit […] Es ist mir entsetzlich zu sehen, wie Alles – Revolution, Rote Garde, Ministerien – von Juden gestürmt wird.29

Zweig meinte, dass sich Juden politisch wirksam engagieren könnten, aber nicht im Vordergrund, wegen der großen Gefahr einer Provokation des aufsteigenden Antisemitismus.

Da Buber diese Bitte Zweigs ablehnte, schlug Zweig ihm vor, „ein Bekenntnis“ der Juden mitten im Krieg zu Fragen betreffend Nationalität, Religion und Rasse durch eine Umfrage in Bubers kulturzionistischer Monatsschrift Der Jude zu veröffentlichen. Zweig hatte dieses Thema schon früher beim Erscheinen der ersten Nummer von Bubers Zeitschrift mit ihm brieflich besprochen, Buber hatte diesen Vorschlag jedoch auch damals abgelehnt. In einem Brief an Buber datiert vom 30. Dezember 1918 erklärte Zweig, in welcher Form eine Umfrage in Der Jude wichtige Stellungnahmen für die ihm am relevantesten erscheinenden Themen betreffend die mitteleuropäischen Juden Erkenntnisse bringen würde:

In Form von Fragen: welche Nation man als die wesentliche für sich empfinde, die jüdische oder die deutsche. Ob man ein jüdisches Nationalreich für wesentlich erachte. Ob man selbst dorthin siedeln wolle. Ob man die jüdische Religion als Element der Rasse bewahrenswert erachte oder im Bekenntnis nicht den Gottesglauben, sondern die Rassenzugehörigkeit feststelle. Ob man an eine jüdische Kunst und Geistigkeit im gesonderten Sinne von der anderer Nationen glaube.30

Zweigs Bedürfnis und sein Wunsch, diese Bekenntnisse zu initiieren, zeigen, dass seine jüdische Sensibilität zu dieser Zeit wiederholt Fragen nach Nation, Religion, Zionismus, Rasse, Kunst und Geistigkeit als besondere jüdische Kategorien miteinbezog.

Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus wurde die Idee eines jüdischen Manifests für Zweig umso dringlicher. In einem Brief, datiert vom 7. Mai 1933, an Felix Salten, dem Ehrenpräsidenten und Vorsitzenden des Österreichischen PEN-Clubs, schrieb Zweig, dass er beabsichtige nicht am kommenden PEN-Treffen in Ragusa teilzunehmen, da er „jedes Auftreten und Vortreten jüdischdeutscher Schriftsteller auf Congressen jetzt für falsch“ halte.31 Zweig war eher der Meinung, dass sich die „anderen“ Schriftsteller, d. h. die nicht-jüdischen Kollegen, der Sache der jüdischen Schriftsteller annehmen sollten. Im selben Brief schlug Zweig Salten auch vor:

Wir deutschen Schriftsteller jüdischer Rasse sollten jetzt gemeinsam ein Manifest verfassen, ein Manifest an die Deutschen und an die Welt, indem [!] wir nicht wehleidig über Unrecht klagen, nicht kleinmütig jammern, nicht gegen Deutschland sprechen, sondern einfach unsere Situation darstellen.32

Zweig erwähnte die Namen Franz Werfel, Richard Beer-Hofmann, Joseph Roth, Jakob Wassermann und Alfred Döblin als mögliche Mitunterzeichner eines solchen Manifests. Salten reagierte enthusiastisch auf Zweigs Idee („sie hat etwas Hinreißendes“), aber er bezweifelte, dass diese Idee realisiert werden könnte.33 Zweig hatte auch Joseph Roth in einem Brief darüber berichtet und in dessen Reaktion, datiert vom 9. Mai 1933, äußerte sich Roth zwar grundsätzlich positiv, wollte aber auch noch einige Fragen dazu stellen.34

Stefan Zweigs Idee eines jüdischen Manifests nahm erst zwei Jahre später konkretere Formen an. In einem Brief an Max Brod, undatiert aber vermutlich Mitte oder Ende August 1935 verfasst, informierte Zweig Brod darüber, dass in die Sache des Manifests langsam aber doch Bewegung käme. Zweig sandte Brod vertraulichst als Anhang seine Skizze, eigentlich eine erste oder frühe Fassung eines Protestschreibens, damit Brod seine „Einwände oder Beifügungen“ dazu „baldigst“ zurücksenden könnte.35 Da Zweigs Formulierungen weder damals noch später in einer revidierten Fassung erschienen sind, und auch da sie bis jetzt kaum in der Zweig-Forschung wahrgenommen oder kommentiert wurden, gebe ich den vollen Text an dieser Stelle wieder:

Einige Grundlagen zu einem kollektiv auszuarbeitenden Manifest.

Wenn wir mit einer gemeinsamen Erklärung vor die Welt treten, so sei es nicht unsere Absicht, Mitleid zu fordern: es ist zuviel anderes Leiden in unserer Zeit, als dass wir einen Vorrang beanspruchten. Ebensowenig ist es unsere Absicht, zum Hass aufzurufen und Gericht zu fordern: es ist genug Hass in der Welt. Wir wollen nichts als klar unsere Stellung zu den Geschehnissen der letzten Zeit bekunden und gegen den systematischen Versuch, uns zu entrechten und zu entehren, der jemals gegen ein Volk unternommen wurde, unser Wort erheben.

Es ist in Deutschland unternommen worden, im Namen einer Rassenideologie, welche weder von der Wissenschaft noch von der Moral der übrigen Welt anerkannt wird, uns durch organisierten Hass und offizielle Verfolgung aus einer mehr als tausendjährigen Verbundenheit loszulösen und zu einer Rasse oder Nation minderer Art zu erniedrigen. Man hat Gesetze geschaffen, um Rechte zu nehmen, die als Menschrechte in unserer zivilisierten Welt sonst unantastbar und unablösbar gelten, man hat autoritäre Bürger, die seit hunderten Jahren dem Lande verbunden gelebt, als lästige Gäste erklärt. Wir erklären nun, dass wir niemals eine solche Minderung unserer Menschenrechte auch in der äussersten Wehrlosigkeit und Bedrängnis als giltig anerkennen werden, weil wir unbeugsam der Überzeugung sind, dass Gott die Menschen nicht geteilt habe in obere und untere Rassen, in Herrenvölker und Sklavenvölker, Edelinge und Parias, sondern sie alle nach seinem Ebenbilde geschaffen. Wir glauben, dass weit über unser persönliches Schicksal hinaus eine solche prinzipielle Proklamierung der ethischen Überlegenheit eines Volkes über die andern unweigerlich zu Erbitterungen und kriegerischen Spannungen führen müsste und die friedliche Einheit unserer Welt vernichten. Deshalb verwerfen wir jeden Rassendünkel nicht nur als eine uns persönlich feindselig gemeinte Gesinnung, sondern als eine der Wahrheit widersprechende und der ganzen Welt gefährliche Ideologie.

Wenn wir so mit aller Entschlossenheit jeden Versuch, uns oder irgend eine Rasse oder Nation der Erde als eine untergeordnete und parasitäre zu bezeichnen als verhängnisvolle Überheblichkeit ablehnen, erklären wir aber gleichzeitig, dass wir durch keine der Methoden, die jetzt gegen uns im Sinne solcher Erniedrigung versucht werden, uns entehrt fühlen. Nicht für uns empfinden wir es beschämend, wenn Frauen mit abgeschorenem Haar durch die Strassen geschleppt werden, weil sie einem Freunde die Treue gehalten, wenn … etc. [am Rand: mehr Beispiele] und ein aufgepöbelter Hass nicht einmal Halt macht vor den heiligen Leichensteinen der Toten; Erniedrigungen dieser Art sind unserer Meinung nach nicht schandbar für denjenigen, der sie erleidet, sondern für denjenigen, der sie vollbringt. Aber was auch geschehen ist und noch geschehen mag, es kann unsere Ehre nicht berühren. Ein Volk, das der Welt das heiligste und kostbarste Buch aller Zeiten gegeben, auf dessen religiöse Lehre die ganze Sittlichkeit unseres Erdkreises aufgebaut ist, braucht sich nicht zu verteidigen, wenn es als inferior erklärt wird [,] und hat nicht Not, sich selbst zu rühmen der unablässigen Leistungen auf allen Gebieten der Kunst, der Wissenschaft, der denkerischen Taten: sie sind eingeschrieben, unauslöschbar in der Geschichte jedes Landes, in dem wir Heimstatt hatten. Und wäre im Raume der deutschen Wissenschaft unter tausend Taten von jüdischen Gelehrten keine andere geleistet worden als die eine Tat Ehrlichs allein, welche die grausamste Geissel der Menschheit, die Syphilis [,] beseitigte und Millionen in Deutschland und [in der] Welt zum Segen ward, wir hätten allein schon alle Fehler und Verstösse entgolten, die der Hass uns heute zuschreibt.

Wir verwerfen also ohne Erregtheit, aber mit aller denkbaren Entschlossenheit den organisierten Versuch unserer Volkentehrung, wie er heute von den Rassenideologen unternommen wird und sind bereit, lieber unterzugehen, ehe diesen Wahn als eine Wahrheit anzuerkennen. Dies soll aber keineswegs besagen, dass wir uns blind stellen gegen das Vorhandensein der sozialen Tatsache eines jüdischen Problems, das durch den Krieg und die Krise ebenso wie alle andern sozialen und nationalen Probleme eine gesteigerte Schärfe angenommen hat. Niemand weiss mehr um dieses Problem als wir selbst, die wir es in zweitausend Jahren erzwungener Heimatlosigkeit erlitten. Aber wir weichen ihm nicht aus, wir wollen es weiterhin in seiner ganzen Tiefe erleben, in seiner ganzen Schwere ermessen, wir wollen es in Tat und Befriedung verwandeln, wie ja schon seit dreissig Jahren unsere besten Kräfte aufopfernd seiner Loesung gewidmet sind. In diesen dreissig Jahren haben wir aus eigener Energie, aber ohne jede Gewalt, ohne jede fremde Hilfe und doch sieghaft gegen die schwersten Widerstände, und die alte Heimat erschlossen und grossartig aufbauend den Beweis geliefert gegen die Verleumdung, wir seien nur im Zersetzenden tätig; es ist unser eigener Wille, niemandem zur Last zu fallen, der uns nicht volle Brüderlichkeit zuerkannt und keiner, der Palästina gesehen, kann unseren ehrlichen Willen verkennen, selbst die Lösung des jüdischen Problems in schöpferischer Form zu beschleunigen und zu verwirklichen. Selbstverständlich kann ein zweitausendjähriges Schicksal nicht mit einem Schlage beendet werden, aber wir sind mitten am Wege, mitten in der Arbeit, es aus eigener Kraft zu bewältigen. Was wir nun fordern ist nichts, als dass man uns bei diesem Werke nicht störe, dass unsere Aufgabe gemeinsam mit uns gelöst werde und nicht eigenmächtig gegen uns. Dass sie beendet werde im Geiste der Humanität und nicht in der Gesinnung des Hasses und der Erbitterung. Darum erklären wir hier öffentlich im Namen des jüdischen Volkes: sosehr wir jeden Versuche einer Entrechtung und Entehrung von Seite irgend einer Nation ablehnen, sosehr sind wir bereit mit allen Nationen und ihrer gemeinsamen Vertretung, dem Völkerbunde an jeder Lösung des jüdischen Problems mitzuwirken, sofern sie unserer Ehre und der Ehre des Jahrhunderts entspricht. Wir sind bereit jedes Opfer zu bringen, um für die Ausgestossenen den Aufbau einer neuen Heimat zu beschleunigen, wir werden jeden Vorschlag dankbar prüfen, jede Anregung eifrig entgegennehmen; zu allem und allem, was Energie, Opfer, Hingabe und Gesinnung fordert, wird die Welt die Judenheit freudig bereit sehen, – nur zu dem einen nicht, dass wir einen weltgefährlichen rassischen Wahn als gültig anerkennen und Gewalt jemals Gerechtigkeit nennen.36

Die verschiedenen Elemente und Formulierungen im Manifest, die mit Zweigs jüdischer Sensibilität verbunden sind, liegen offen auf der Hand. Sie schließen seine Identifizierung und Solidarität mit dem Judentum ein, das der Welt die Bibel gegeben hat, d. h. „das heiligste und kostbarste Buch aller Zeiten“, und auf dessen religiöse Lehre „die ganze Sittlichkeit unseres Erdkreises“ aufgebaut ist. Zweig zeigte sich bereit, die Rhetorik der Religion problemlos mit einzubeziehen. Weiters deutete Zweig auf jüdische „Leistungen auf allen Gebieten der Kunst, der Wissenschaft, [sowie seine] denkerischen Taten“ hin. Entscheidend in diesem Manifest ist die explizite Befürwortung der zionistischen Bestrebungen, den „Aufbau einer neuen Heimat“ zu realisieren, die „von unseren besten Kräften“ geführt werden, um möglicherweise „das jüdische Problem“ zu lösen. Er brachte jedoch auch seine Bereitschaft zum Ausdruck, alle anderen ehrlichen Optionen zu prüfen, die eine alternative Lösung böten. Wahrscheinlich meinte er alternative territoriale Lösungen, die andere Asylländer für die gefährdeten europäischen Juden in Betracht zogen.

Was aber vielleicht am frappierendsten ist, bezüglich der einfachen Tatsache, dass Zweig im Spätsommer 1935 diese ersten Formulierungen eines jüdischen Manifests niedergeschrieben hat, ist nämlich seine offensichtliche Hoffnung auf die Möglichkeit, zusammen mit anderen „im Namen des jüdischen Volkes“ vor der Öffentlichkeit laut und klar zu sprechen. Zu dieser Zeit hat die Idee dieses Manifests ihm die Hoffnung gegeben, zusammen mit anderen eine öffentliche Aussage und Protestaktion über die sich verschlechternde politische Lage der Juden im nationalsozialistischen Deutschland zu tätigen. Dies stellte eine gewisse Wende in Zweigs grundlegender unpolitischer Orientierung dar. Denn Zweig zog es in der Regel vor, keine öffentlichen politischen Stellungnahmen zu machen, er war bestrebt sich von der alltäglichen Politik zu distanzieren und betrachtete seine kreative Arbeit als die beste Antwort auf Versuche, ihn, seine Ethnie oder seine Nation zu erniedrigen.

Die „Affäre Klaus Mann“, auf die immer wieder in diesem Kontext verwiesen wird, zeigt, dass Zweig offensichtlich bereit war, einen Beitrag zu dessen Exilzeitschrift Die Sammlung beizusteuern, sofern diese keine politischen Stellungnahmen bzw. Kritiken an der deutschen Tagespolitik vertreten würde.37 Sobald Zweig bewusst wurde, dass Klaus Manns Projekt einen unleugbaren politischen Charakter hatte, lehnte er sein Mitwirken ab und bat Klaus Mann, seinen Namen nicht mehr in Verbindung mit der Zeitschrift zu verwenden. Zweig schrieb an ihn, dass „[er] keine polemische Natur [sei], [er] habe [sein] ganzes Leben lang immer nur für Dinge und für Menschen geschrieben und nie gegen eine Rasse, eine Klasse eine Nation oder einen Menschen […]“38 Daher bedeutet die Idee der Verbreitung eines jüdischen Manifests sicherlich eine Kehrtwende in seiner Einstellung. In der ersten Zeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war noch nicht völlig klar, welche kulturpolitischen Maßnahmen die neue Regierung ergreifen würde bzw. inwiefern Juden ausgeschaltet werden würden. Man wusste nicht genau, ob die rassistische und antisemitische Ideologie der neuen Regierung konsequent im alltäglichen Kulturleben Deutschlands Anwendung finden würde. Deshalb schien es vielleicht korrekt, nicht gegen nationalsozialistische Maßnahmen in der Öffentlichkeit zu protestieren. Als bald allen klar wurde, dass die rassistische und antisemitische Politik der Nationalsozialisten gravierende Konsequenzen in allen Bereichen des Staatslebens nach sich ziehen würde, konnte Zweig über die Realisierung des Manifests konkreter nachdenken.

Für Stefan Zweig gab es auch verschiedene spezifische Arbeitsverhältnisse, die ihn daran hinderten, in der Öffentlichkeit als Jude jüdische Ansichten bzw. kritische Äußerungen gegen die nationalsozialistische Regierung zu vertreten. Ein Aspekt war sicherlich sein Verhältnis mit dem Insel Verlag und seinem Inhaber Anton Kippenberg, mit dem er eine lange enge Freundschaft mit großem gegenseitigem Vertrauen und Respekt pflegte. Ein zweiter Aspekt war sein Arbeitsverhältnis mit dem weltbekannten Komponisten Richard Strauss, das sich nach dem Tod Hugo von Hofmannsthals Ende 1931 wesentlich intensivierte. Zweigs Zusammenarbeit mit Strauss als Librettist der Schweigsamen Frau basierte gewissermaßen auf dessen eigenem Schweigen oder seiner Weigerung, seine Rolle als Librettist öffentlich zu machen. Der Briefwechsel zwischen Zweig und Strauss zeigt eindeutig, dass Zweig sich dieser Situation bzw. seines Judentums und der sich daraus ergebenden Konsequenzen nach der Machtübernahme viel klarer bewusst war als Strauss. Seit dem Beginn ihres sehr lebendigen Austausches von Ideen und der produktiven Zusammenarbeit zwischen den beiden versicherte Zweig Strauss immer wieder, dass er nichts mit der Politik am Hut hätte und er nie mit einer kontroversen politischen Aussage an die Öffentlichkeit treten würde. Zweigs Empfindsamkeit in Bezug auf mögliche Auswirkungen, Gefahren oder negative Konsequenzen, die sich als Ergebnis ihrer Zusammenarbeit zeigen könnten, war wesentlich ausgeprägter als jene von Strauss. Diese Angelegenheit gewann noch an Brisanz, als Zweig nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und nach Strauss’ Ernennung zum Präsidenten der Reichsmusikkammer im November 1933 gerade intensiv am Libretto für Die schweigsame Frau arbeitete. Zweig schrieb am 26. Juli 1934 an Strauss, dass er „Schweigen und Abseitsstehen immer für die ruhigste und gebotenste Form“ der Reaktion gehalten habe.39 Er versicherte Strauss, dass er „nie durch eine Vordringlichkeit [seinerseits] zu irgendeiner Erörterung Anlass“ geben würde. Zweig beabsichtigte, schweigsam und demütig im Schatten zu bleiben, während Strauss sein musikalisches Genie in der Öffentlichkeit zur Schau stellen konnte, ohne dass die rassistische und antisemitische Regierung die Zusammenarbeit mit einem Juden unterband. Auch aus diesem Grund ist Zweigs Anliegen, ein jüdisches Manifest zu initiieren von großer persönlicher Bedeutung, wenn es letztendlich auch nicht realisiert werden konnte. Dass Zweig die erste Fassung des Manifests erst nach dem offiziellen Verbot weiterer Aufführungen der Oper (nach den ersten drei erfolgreichen Abenden), d. h. nach dem praktischen Ende der Zusammenarbeit mit Strauss, formuliert hat, unterstreicht den großen Respekt Zweigs vor Strauss als kreativem Genie.

Vielleicht ist diese Kehrtwende auch mit seiner späteren literarischen Entscheidung verbunden, sein Judentum in Die Welt von Gestern zu betonen oder es zumindest eine bescheidene aber wesentliche Rolle im Text spielen zu lassen. Dieses späte Memoirenbuch wurde 1941 während der kurzen Zeit seiner Entstehung und häufig vor allem kurz vor seinem Tod mehrmals revidiert und korrigiert, viele der jüdischen Aspekte und Hinweise wurden jedoch nicht gestrichen. Im Gegenteil, sie tauchen immer wieder in der Letztversion auf, und der Eindruck entsteht, dass Zweig darauf aus war, sein Judentum im Großen und Ganzen zu betonen. Dies steht im Gegensatz zur Absenz oder Reduzierung jüdischer Dimensionen oder Elemente in seinen früheren Selbstdarstellungen oder zu seinem Selbstverständnis in seinen früheren autobiographischen Skizzen.40 Jene Abschnitte in Die Welt von Gestern über seine jüdische Abstammung, das jüdische Milieu seiner Jugend und Lehrjahre in Wien, die Begegnung mit Herzl, die innerliche jüdische Bedeutung des Aufschreibens seines biblischen Jeremias-Stücks sowie seine Diskussionen über das Judentum mit Freud sind wahrscheinlich die wichtigsten Beispiele dafür. Zweig verschwieg viele zusätzliche Dimensionen seiner jüdischen Beziehungen und Sensibilität, besonders sein Verhältnis mit der Jüdischen Nationalbibliothek, seine Beziehungen zu vielen bedeutenden jüdischen Persönlichkeiten oder Freunden, die wichtige Rollen in seinem Leben gespielt haben wie Karl Emil Franzos, Martin Buber, Joseph Roth, Joseph Leftwich oder Felix Braun, aber auch seine komplexe Beziehung zum Zionismus. Es kann sein, dass er bis zu seinem Lebensende keine endgültige Stellung zum Zionismus einnahm, d. h. er trat teilweise für die politischen- und kulturzionistischen Bestrebungen ein, kritisierte sie aber mitunter auch oder distanzierte sich von ihnen. Möglicherweise war er bis zur Korrektur der letzten Fassung des Buches unentschieden, welche Rolle der Zionismus im literarisch-ästhetischen Sinn spielen sollte, um den Text attraktiver für einen ausgedehnten Leserkreis zu machen. Es war sicherlich keine leichte literarische Aufgabe, die Formen des modernen Nationalismus allgemein zu verleumden und gleichzeitig den Zionismus zu verteidigen.

In der Zweig-Forschung ist nicht bekannt, dass Zweig in der ersten Fassung der Welt von Gestern den Zionismus im zweiten Kapitel, „Schuljahre“, zusammen mit anderen Massenbewegungen aggressiver oder revolutionärer Art, erwähnte. Er kritisierte und verneinte sie alle: den Sozialismus (der Proletarier), den christlichen Sozialismus (des Kleinbürgertums) und den Deutschnationalismus. Er stellte diese Bewegungen auf negative Weise und ablehnend dar und verleumdete den Nationalismus als „die Krankheit des Jahrhunderts“.41 Er beschrieb, wie diese politischen Bewegungen ihm und dem Kreis seiner jungen Wiener Schulfreunde lächerlich erschienen waren. Während die Auflistung und negativen Beschreibungen von Sozialismus, dem christlichen Sozialismus und dem Deutschnationalismus in der letztgültigen gedruckten Fassung der Welt von Gestern geblieben sind, wurde die Beschreibung und kritische Einstellung gegenüber dem Zionismus ausgestrichen. Die jüdische Bewegung wurde an dieser Stelle des Textes gar nicht mehr erwähnt.

Eine Balance zwischen der Begeisterung für Herzl und für dessen Auffassung des Zionismus’ und der Verneinung jedweder nationalistischer Ideologien in ein und demselben Buch kann kaum oder nur mit Mühe und gewissen Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten geleistet werden. So schreibt Zweig beispielsweise ablehnend und kritisch über die schlagenden Verbindungen und ihren Ethos, die um die Jahrhundertwende an der Universität in Wien relativ populär waren. Sie waren ein wichtiger Ausdruck der deutschnationalen Männlichkeit, die Zweig und seinem Freundeskreis befremdlich war. Herzl hingegen trat vehement für das Fechten und die jüdische Satisfaktionsfähigkeit ein, die seinen Begriff von jüdischem Stolz, der im Kern seines Zionismus einen Ehrenplatz einnahm, untermauerten. Dank seines Einsatzes für das Duellieren gewann er die Loyalität der jüdisch-nationalen Kommilitonen, für die die jüdische Satisfaktionsfähigkeit einen zentralen Wert darstellte. Zweig verschwieg diese Aspekte von Herzls Auffassung des Judentums und Zionismus’ in Die Welt von Gestern, um die Umrisse seiner Darstellung schärfer zu skizzieren, obwohl sie teilweise die Geschichte verfälschen, bzw. stilisiert präsentieren, um Herzl einerseits für seine Handlung zu loben und andererseits den Zionismus nur teilweise oder kaum kritisch zu kommentieren.

Um dieses Dilemma etwas klarer zu erläutern, möchte ich eine interessante Formulierung Zweigs analysieren, die er 1939 niederschrieb, und die in der Zweig-Forschung unbekannt ist. Offensichtlich sandte Zweig ein kurzes Empfehlungsschreiben an das „American Committee for Jewish Palestine Participation at the New York World’s Fair 1939“, um das Ziel dieses Komitees zu unterstützen, d. h. eine offizielle Erlaubnis für die Errichtung eines „Jewish Palestine Pavilions“ bei der großen internationalen Weltausstellung in New York zu erhalten. Der amerikanische zionistische Aktivist, Publizist und Autor Meyer Weisgal leitete dieses Projekt, das Teil der energischen zionistischen Propaganda war, um internationale, aber vor allem amerikanische Unterstützung für die jüdischen Siedlungen in Palästina zu gewinnen.42 Weisgal hatte 1929 das große Gedenkbuch für Theodor Herzl, Theodor Herzl. A Memorial herausgegeben, um des 25. Todestags des zionistischen Führers zu gedenken, und es enthielt Beiträge von vielen namhaften Mitarbeitern verschiedenster Gebiete, darunter Martin Buber, Max Brod, Hermann Bahr, Felix Salten, Arnold Zweig, Simon Dubnow, Georges Clemenceau, André Spire, Rabbiner Mordecai Kaplan, Rabbiner Stephen Wise sowie König Ferdinand I. von Bulgarien. Es enthielt auch eine englische Übersetzung von Stefan Zweigs „Erinnerung an Theodor Herzl“, die im gleichen Jahr auf Deutsch im Budapester Lloyd erschien. Der englische Titel lautete: „König der Juden: The Man of Letters and the Man of Action“.43 Es darf vermutet werden, dass Weisgal Stefan Zweig als einen Wiener Freund und Kollegen von Herzl und aufrichtigen Unterstützer der zionistischen Bewegung betrachtete, den oder dessen Namen er verwenden oder ausnutzen konnte, um Glaubwürdigkeit und internationale Resonanz für zionistische Zwecke zu gewinnen. Zweig schrieb seine Worte auf anderthalb Seiten, die erste Seite mit dem Briefkopf des Royal York Hotels (Toronto), mit dem Titel: „Für American Committee for Jewish Palestine Participation at the New York World’s Fair 1939“. Da dieser Text in der Zweig-Forschung unbekannt ist, zitiere ich ihn ohne Kürzungen:

Palästina ist innerhalb unserer Zeit das sichtbarste Denkmal des jüdischen Idealismus. Millionen Juden in allen Ländern der Welt haben der tausendjährigen Sehnsucht dieses Volkes nach einer Heimat ihre besten Kräfte gewidmet. Die Ärmsten der Armen haben ihren letzten Cent gespendet, dass Bäume blühen konnten in dem verwahrlosten Land, Tausende und Zehntausende junger gläubiger Menschen haben ihre gesicherten Stellungen, ihre bequemen Lebensformen freiwillig verlassen, um die alte Erde wieder fruchtbar zu machen und sie ist heute mit dem Blut und dem Schweiss von zwei jüdischen Generationen gedüngt. Nicht wie die Auswanderer in andere Länder sind diese Pioniere dort hingezogen, um selbst reich zu werden und behaglicher zu leben, sondern um einer Idee willen, um der Idee ihrem Volk, ihrer Sprache, ihrer ererbten Cultur eine Heimat zu schaffen und sichtbar der Welt die productive Kraft dieses Volkes zu erweisen. Palästina ist von Anfang an eine moralische Leistung gewesen, aus einer reinen Sehnsucht ersonnen und mit dem Mut des Opfers verwirklicht. Wie immer auch die unselige Politik unserer Tage diese grosse Leistung verstümmeln möge, – vor dem unbeirrbaren Blick der Geschichte wird sie bleiben, wie sie erdacht und ausgeführt war: gross und heroisch, rührend und aufopferungsvoll, idealistisch und ehrenhaft, eine Legende, gewaltig und sinnvoll wie jene der Bibel. Wir wollen und können es darum nicht glauben, dass eine so reine und hingebungsvolle Tat ohne Frucht und Wirkung bleiben sollte; in Palästina – in der Idee: Palästina – hat das jüdische Volk seit Jahrhunderten wieder sich selbst gefunden und nur dank dieses innern Aufbaus wird es diese Zeit der furchtbarsten Prüfung zu überstehen, vermögen.44

Es soll an dieser Stelle erneut betont werden, dass Zweig hier vor der Öffentlichkeit eine Meinung vertrat, die unbestritten pro-zionistisch war. Gleichzeitig waren seine Worte nuanciert formuliert. Er distanzierte sich gewissermaßen im Allgemeinen von der „unseligen Politik“, die dennoch unentbehrlich sei, die zionistischen Ziele zu verwirklichen. Zweig befürwortete in seinem Empfehlungsschreiben den jüdischen Idealismus, der hinter der zionistischen Bewegung stand und unterstrich die Idee des Zionismus, die ihm bedeutsamer erschien als seine praktischen Leistungen. Er begriff den Zionismus hauptsächlich als „moralische Leistung“. Die produktive Kraft des Volkes, die Zweig lobte, sei für die Schaffung einer Heimat für Sprache und Kultur verantwortlich, und diese Heimat sei ein Ort, in dem das Volk sich wiedergefunden hätte. Daher stellte das Aufbauwerk für Zweig vor allem ein empathisches und geistiges dar, das eher im Rahmen des Kulturzionismus’ als des praktischen oder politischen Zionismus’ eingeordnet werden konnte. Einerseits wollte Zweig offensichtlich als Befürworter des Zionismus’ vor der Öffentlichkeit erscheinen, aber während er dies unternahm, betonte er andererseits die kulturzionistischen, idealistischen und geistigen Aspekte der Bewegung, die seit seiner Jugend und seit Anfang seiner Karriere seiner jüdischen Sensibilität am nächsten gestanden waren. Vielleicht dachte Zweig auch spät in seinem Leben, dass es ihm diese Art von nuancierten Formulierungen ermöglichten, bis zu seinem Lebensende den Nationalismus im allgemeinen Sinn als „verbrecherischen Ungeist“ zu verneinen und zu verleumden, wie er dies in Die Welt von Gestern tat, während der Zionismus oder zumindest der Kulturzionismus jenseits dieser Kritik an Nationalismus einen sicheren Platz in seinen Anschauungen finden konnte.45

Dennoch finden sich vereinzelt in Zweigs Briefen auch Beispiele von einer entschiedenen Verneinung der praktischen zionistischen Bestrebungen. Zum Teil übte das Zeitgeschehen Einfluss auf seine Meinungsbildung aus. So beschrieb er in einem Brief an Arnold Zweig, undatiert aber vermutlich im Mai 1938 verfasst, das zionistische Unternehmen als „eine Sentimentalität, ein[en] Antilogismus“ d. h. als einen unpraktischen abenteuerlichen Fehler, der negative Auswirkungen auf das Judentum und darüber hinaus verursache:

Auch Palästina war eine Sentimentalität, ein Antilogismus […]. Palästina kann nicht mehr von dem verarmten und erschöpften Judentum weiter getragen und subventioniert werden – vermag es sich trotz der ungezählten investierten [!] Millionen und Millionen an Spenden nach 25 Jahren nicht selbst zu erhalten, dann muss man die Position eben lösen oder einschränken […]46

Es kann sein, dass Zweig zwischen verschiedenen jüdischen Prioritäten eine pragmatische Entscheidung treffen wollte, und da ihm die dringende Lage der bedrohten jüdischen Massen und der jüdischen Flüchtlinge erste Priorität war, schien ihm wohl in diesem Moment eine territoriale Lösung für die Juden die beste Antwort zu sein, vielleicht die einzige Hoffnung, im Gegensatz zu einer unbedingt zionistischen. Sofern die gefährdeten mitteleuropäischen und (später) osteuropäischen Juden Zuflucht und Asyl in Afrika oder Südamerika oder anderswo finden konnten, war dies wegen der Dringlichkeit der Stunde vorzuziehen. Diese Stellungnahme kann auch als ein Teil seiner jüdischen Sensibilität betrachtet werden.

1In seiner frühen Novelle Im Schnee (1901) wird eine jüdische Gemeinde im Mittelalter dargestellt, und diese Darstellung bezieht jüdisch-religiöse Eigenschaften ein. Dies ist auch der Fall in Zweigs jüdischer Legende Der begrabene Leuchter (1936). In seiner Novelle Untergang eines Herzens spielt die Rückkehr zur jüdischen Religion seitens des Protagonisten eine wichtige Rolle. Auch ist die jüdische Religion ein natürlicher Aspekt seines biblischen Dramas Jeremias. Es beweist, dass Zweig seine Bar Mizwa gefeiert hat, und dass er dem hebräischen Gottesdienst einigermaßen folgen konnte. Siehe Erich Gottgetreu, „Stefan Zweig war sein Trauzeuge“. Mitteilungsblatt, Tel Aviv, 23. Juli 1976, S. 5. Im letzten Jahr seines Lebens besuchte Zweig ausnahmsweise die Synagoge für den Gottesdienst „Kol Nidre“, am heiligen Abend zu Beginn des Jom Kippurs, also am Abend des jüdischen Versöhnungstags, was offensichtlich als ein Zeichen seiner jüdischen Solidarität mit anderen Juden in Rio de Janeiro in den schwierigen Tagen des Zweiten Weltkriegs zu verstehen ist. Vgl. Abrahão Koogan, „Über die letzten Monate mit Stefan und Lotte Zweig“. In: Mark H. Gelber und Klaus Zelewitz (Hg.) Stefan Zweig. Exil und Suche nach dem Weltfrieden. Riverside, CA.: 1995, S. 327–334. Zweig schrieb am 1. Oktober 1941 an den Rabbiner H. Lemle: „… ich muß zu meiner Beschämung bekennen, dass ich – wie die meisten Österreicher – sehr lax in Dingen des Glaubens erzogen wurde …“ (aus einem undatierten Brief an Rabbiner H. Lemle, Archiv des Leo Baeck Instituts, New York). Vgl. Stefan Zweig, Briefe 1932–1942. Knut Beck und Jeffrey B. Berlin (Hg.), Frankfurt a. Main: 2005, S. 317.

2In seiner „Einleitung“ zu E. M. Lilien. Sein Werk verwendet Zweig das inklusive „wir“, d. h. die erste Person Plural, um dies auszudrücken: „Wir, die wir gelebtem Judentume fernestehen, können sie [die traditionelle jüdische Lebensweise] nicht fühlen, sondern nur ahnen“. Siehe Stefan Zweig, „Einleitung“, in E. M. Lilien. Sein Werk, Berlin Leipzig: 1903, S. 27.

3In einem Brief von Joseph Roth an Stefan Zweig, datiert vom 24. Juli 1935 drückte er es so aus: „Mein Judentum ist mir nie anders als eine akzidentelle Eigenschaft erschienen“. In: Madeleine Rietra und Rainer Joachim Siegel (Hg.), „Jede Freundschaft mit Dir ist verderblich“. Joseph Roth und Stefan Zweig. Briefwechsel. Göttingen: 2011, S. 238.

4Zitiert in Joseph Leftwich, „Stefan Zweig and the World of Yesterday“. Yearbook of the Leo Baeck Institute, III, 1958, S. 91. Vgl. Gerhard Langer, „Stefan Zweig und die jüdische Religion“, in Joachim Brügge (Hg.) „Das Buch als Eingang zur Welt“, Würzburg: 2009, S. 39–66.

5Hannah Arendt, „Juden in der Welt von Gestern“. in Arendt, Sechs Essays, Heidelberg: 1948, S. 112–127; Sol Liptzin, Germany’s Stepchildren. Philadelphia: Jewish Publication Society of America, 1944, S. 211–225; George Mosse, German Jews Beyond Judaism. Bloomington, Cincinnati: 1985; Harry Zohn, „Jewish Themes in Stefan Zweig“. Journal of the International Arthur Schnitzler Research Association. 6, 2. 1967, S. 32–36; Margarita Pazi, „Stefan Zweig, Europäer und Jude“. In: Modern Austrian Literature, Vol. 14, 3–4, 1981. S. 1981. Vgl. Stephen H. Garrin, „Stefan Zweig’s Judaism“. In: Modern Austrian Literature. Ebenda, S. 271–290; Ken Frieden, „The Displacement of Jewish Identity in Stefan Zweig’s ‚Buchmendel‘ “. Symposium, 52, Nr. 4, 1999, S. 232–239.

6George Mosse, German Jews Beyond Judaism. S. 20–25.

7Stefan Zweig, Briefe 1897–1914. Knut Beck, Jeffrey B. Berlin und Natascha Weschenbach-Feggeler (Hg.), Frankfurt a. Main: 1995, S. 305.

8Vgl. Harold Bloom, Poets of Sensibility and the Sublime. Hamden: 1986.

9Michel Foucault, Histoire de la folie a l’âge classique. Paris: 1972, S. 305–315.

10Stefan Zweig, Briefe 1932–1942, S. 319.

11Stefan Zweig, „Flüchtiger Spiegelblick“. C. V. Zeitung, 20. Mai 1927, S. 1.

12Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Frankfurt a. Main: 1978, S. 7.

13Stefan Zweig, „Joseph Roth“. In: Zweig, Zeiten und Schicksale, Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1902–1942. Frankfurt a. Main: 1990, S. 326.

14Ebenda.

15Stefan Zweig, „Jakob Wassermann“. In: Zweig, Europäisches Erbe, Frankfurt a. Main: 1960, S. 149–150.

16Stefan Zweig, Briefe 1932–1942. S. 138.

17Stefan Zweig, Briefe 1897–1914. S. 288.

18Stefan Zweig, Briefe 1920–1931. Knut Beck und Jeffrey B. Berlin (Hg.), Frankfurt a. Main: 2000, S. 27.

19Der vollständige Text des Schreibens erschien als Faksimiledruck im Tel Aviver Jahrbuch der Bialikloge, Tel Aviv: 1944. Er wurde wieder abgedruckt in: Mark H. Gelber, „Stefan Zweigs verspätete Bekehrung zum Judentum? Ein Überblick zum Zentenarium in Beer Schewa und eine Fortsetzung der Debatte“. Bulletin des Leo Baeck Instituts, 63, 1982, S. 10.

20Stefan Zweig, Briefe 1920–1931. Ebenda.

21Stefan Zweig, Buchmendel. In: Zweig, Buchmendel, Erzählungen. Knut Beck (Hg.), Frankfurt a. Main: 1990, S. 219.

22Ebenda, S. 205.

23Offensichtlich stammte Friderike Maria Winternitz aus einer jüdischen Familie. Sie konvertierte früh im Leben zum Katholizismus. Vgl. Oliver Matuschek, Stefan Zweig. Drei Leben – Eine Biographie. Frankfurt a. Main: 2006, S. 110.

24Stefan Zweig, Briefe 1914–1919. Knut Beck, Jeffrey B. Berlin, Natascha Weschenbach-Feggeler (Hg.), Frankfurt a. Main: 1998, S. 285. In einem Brief an Ida Dehmel schrieb Zweig 1918: „[…] ich habe Dehmel stets leidenschaftlich geliebt, in diesen Tagen ist er mir noch mehr geworden: er ist das ganze deutsche Volk!“

25Stefan Zweig, Briefe 1932–1942. S. 218.

26Ebenda, S. 263.

27Vgl. Stefan Zweig, „Für das Inter-Aid Committee for Children from Germany“. In: Stefan Zweig, Die schlaflose Welt. Frankfurt a. Main: 1983, S. 271–275; Stefan Zweig, „The Jewish Children in Germany“, address delivered at the house of Mrs. Anthony de Rothschild, London, 30. November 1933. Zweig schrieb in dieser Rede: „It must be our ambition, our duty to see that the new Jewish generation rises superior to the present in strength and ethical feeling.“ (S. 6)

28Stefan Zweig, Briefe 1914–1919, S. 245.

29Ebenda.

30Ebenda, S. 255.

31Stefan Zweig, Briefe 1932–1942, S. 57.

32Ebenda.

33Siehe Brief Felix Saltens an Stefan Zweig, datiert vom 13. Mai 1933, Stefan-Zweig-Archiv, Fredonia.

34Roth an Zweig, 9. Mai 1933. In: „Jede Freundschaft mit mir ist verderblich“. Joseph Roth und Stefan Zweig. Briefwechsel 1927–1938. Madeleine Rietra und Rainer Joachim Siegel (Hg.), Göttingen: 2011, S. 102.

35Stefan Zweig, Briefe 1932–1942. S. 134.

36Ebenda, S. 134–137. Vgl. Rüdiger Görner, der über „das Appellatorische bei Zweig“ schreibt. Rüdiger Görner, Stefan Zweig. Formen einer Sprachkunst, Wien: 2012, S. 15–30. Ich habe Görners Studie verspätet und erst nachdem ich diese Studie in die Herstellung sandte in die Hand bekommen. Also darf ich an dieser Stelle lediglich darauf hinweisen. Soweit ich weiß, ist Görner der Erste, der diesen Aspekt von Zweigs Schaffen beachtete.

37Siehe Oliver Matuschek, Stefan Zweig. Drei Leben – Eine Biographie. Frankfurt a. Main: 2006, S. 264. Vgl. Klaus Zelewitz, „Vom Ende der Humanität zum inhumanen Ende“. In: Friedbert Aspetsberger (Hg.), Österreichische Literatur seit den 20er Jahren. Wien: 1979, S. 30.

38Stefan Zweig an Klaus Mann, datiert vom 18. September 1933, Stefan Zweig, Briefe 1932–1942. S. 66.

39Richard Strauss. Stefan Zweig. Briefwechsel. Willi Schuh (Hg.), Frankfurt a. Main: 1957, S. 69.

40Siehe Mark H. Gelber, „An Early Autobiographical Sketch (1908) by Stefan Zweig“. Modern Austrian Literature, 25, Nr. 1, 1992, S. 15–18; vgl. Stefan Zweig, „Autobiographische Skizze“. In: Das literarische Echo, 17., Heft 4, 1914, S. 199–202.

41Teile der ersten Fassung der „Welt von Gestern“ befindet sich im Stefan-Zweig-Archiv, Fredonia. Vgl. S. II, 17 – II, 21.

42Barbara Kirschenblatt-Gimblett, „Performing the State: The Jewish Palestine Pavilion at the New York World’s Fair 1939–40“. In: Jonathan Karp and Barbara Kirschenblatt-Gimblett (Hg.), The Art of Being Jewish in Modern Times. Philadelphia: 2006, S. 98–115; Vgl. James L. Gelvin, „Zionism and the Representation of Jewish Palestine at the New York World’s Fair 1939–40“. The International History Review, XXII, 2000, S. 37–64.

43Meyer W. Weisgal, Theodor Herzl. A Memorial. New York: 1929, S. 55–57.

44Dieser Text befindet sich im Stefan-Zweig-Archiv, Fredonia.

45In seiner Rede vom 15. Mai 1941 anlässlich der Gründung des „European P.E.N. in America“ beschrieb Zweig seinen lebenslangen Kampf, den er in derselben Sprache des Nationalsozialisten gegen den Nationalismus führte, folgendermaßen: „Es war in dieser Sprache [Deutsch], in der wir unser ganzes Leben lang gegen die Selbstvergötterung des Nationalismus gekämpft haben, und es ist die einzige Waffe, die uns geblieben ist, um weiterhin zu kämpfen gegen den verbrecherischen Ungeist, der unsere Welt verstört und die Würde der Menschheit in den Kot tritt.“ Siehe Stefan Zweig, „In dieser dunklen Stunde“, Aufbau, Vol. VII, No. 20, 16. Mai 1941. Wiederabgedruckt in: Stefan Zweig. Bilder, Texte, Dokumente. Klemens Renoldner, Hildemar Holl, Peter Karlhuber (Hg.), Salzburg und Wien: 2003, S. 205.

46Stefan Zweig, Briefe 1932–1942, S. 223.

Kapitel 2

Ist eine jüdische Rezeption Zweigs möglich? Hermann Levin Goldschmidt liest Stefan Zweig