Sternkreuzer Proxima - Sammelband 3 - Dirk van den Boom - E-Book

Sternkreuzer Proxima - Sammelband 3 E-Book

Dirk van den Boom

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Beschreibung

Schicksalsmission jenseits der Grenzen der bekannten Galaxis!

Der verheerende Bürgerkrieg ist vorbei - zumindest vorerst. Die alte Republik liegt in Schutt und Asche. Die Nachkriegsordnung hängt vor allem von einer Frage ab: Wer kann sich als erster überlegene außerirdische Technologie sichern? Denn die terranische Zivilisation ist nicht allein im Universum!

Die außerirdische KI Caliban hat Captain Zadiya Ark und die Proxima um Hilfe bei einem verheerenden Konflikt in ihrem Heimatsystem gebeten. Unter der Flagge von Arks Heimat Khalid soll die Proxima mit dieser Mission auch einen essentiellen Wissensvorsprung sichern. Doch die Terranische Republik ist ebenfalls interessiert: Admiral Bonet beauftragt Captain Gerard Kraus - und beide haben noch eine Rechnung mit Zadiya Ark offen ...

Wer gewinnt das Wettrennen mit unbekanntem Ziel? Was wird die Terraner dort erwarten? Und warum sollen ausgerechnet die technologisch unterlegenen Menschen in der Lage sein, den Konflikt unter den Aliens zu beenden?

Sternkreuzer Proxima: Folge 7-9 der Military-SF-Serie von Dirk van den Boom als epischer Sammelband!

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Dirk van den Boom
Sternkreuzer Proxima - Sammelband 3

Digitale Erstausgabe

beTHRILLED in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe von „Ein neuer Aufbruch“:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln

Für die Originalausgabe von „Attacke aus dem Nichts“:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln

Für die Originalausgabe von „Tödliche Hoffnung“:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln

Für diese Ausgabe: Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: Massimo Peter unter Verwendung von Motiven © Arndt Drechsler

ISBN 978-3-7517-1523-2

be-thrilled.de

lesejury.de

Vita

Dirk van den Boom (geboren 1966) hat bereits über 100 Romane im Bereich der Science-Fiction und Fantasy veröffentlicht. 2017 erhielt er den Deutschen Science Fiction Preis für seinen Roman "Prinzipat". Zu seinen wichtigen Werken gehören der "Kaiserkrieger-Zyklus" (Alternative History) und die Reihe "Tentakelkrieg" (Military SF). Dirk van den Boom ist darüber hinaus Berater für Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik und Sozialpolitik sowie Professor für Politikwissenschaft. Er lebt mit seiner Familie in Saarbrücken.

Über diesen Sammelband

Schicksalsmission jenseits der Grenzen der bekannten Galaxis!

Der verheerende Bürgerkrieg ist vorbei – zumindest vorerst. Die alte Republik liegt in Schutt und Asche. Die Nachkriegsordnung hängt vor allem von einer Frage ab: Wer kann sich als erster überlegene außerirdische Technologie sichern? Denn die terranische Zivilisation ist nicht allein im Universum!

Die außerirdische KI Caliban hat Captain Zadiya Ark und die Proxima um Hilfe bei einem verheerenden Konflikt in ihrem Heimatsystem gebeten. Unter der Flagge von Arks Heimat Khalid soll die Proxima mit dieser Mission auch einen essentiellen Wissensvorsprung sichern. Doch die Terranische Republik ist ebenfalls interessiert: Admiral Bonet beauftragt Captain Gerard Kraus – und beide haben noch eine Rechnung mit Zadiya Ark offen …

Wer gewinnt das Wettrennen mit unbekanntem Ziel? Was wird die Terraner dort erwarten? Und warum sollen ausgerechnet die technologisch unterlegenen Menschen in der Lage sein, den Konflikt unter den Aliens zu beenden?

Ein neuer Aufbruch

Die Mission der Proxima steht unter einem schlechten Stern: Kurz vor dem Start erschüttert ein Anschlag die Basis auf Khalid. Captain Ark und ihre Crew müssen überhastet aufbrechen. Captain Kraus und die Terraner sind der Proxima auf den Fersen – dank gestohlener außerirdischer Antriebstechnologie. Doch ist diese zuverlässig? Zum Testen war kaum Zeit …

Attacke aus dem Nichts

Die Proxima macht sich auf den Weg zur Welt Hanri. Werden Ark und ihre Leute dort erfahren, was auf der verlassenen Habitat-Station am Rande der Allianzwelten der Aliens geschah? Ein grausamer Fund lässt erahnen, dass Menschen in diesem Konflikt eine ungeahnt verhängnisvolle Rolle spielen. Währenddessen trifft auch Captain Kraus in der Allianz ein und nimmt Kontakt mit einer ganz speziellen Zivilisation auf …

Tödliche Hoffnung

Gibt es eine Hoffnung auf Frieden in der zerrütteten Allianz? Auf Vermittlung der Caliban-KI dürfen Zadiya Ark und ihre Leute an einer Konferenz auf dem Planeten Javel III teilnehmen. Der Empfang ist misstrauisch, die Menschen sollen befragt werden. Dann werden die ohnehin zähen Friedengespräche durch einen plötzlichen Angriff zunichte gemacht. Zeit für die Crew der Proxima, ihre guten Absichten unter Beweis zu stellen … doch was ist die wahre Natur ihrer Angreifer?

Sternkreuzer Proxima - Sammelband 3

Cover

Titel

Impressum

Vita

Über das Buch

Inhalt

Sternkreuzer Proxima – Ein neuer Aufbruch

Cover

Titel

1

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Sternkreuzer Proxima – Attacke aus dem Nichts

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Titel

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Sternkreuzer Proxima – Tödliche Hoffnung

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Titel

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Guide

Start Reading

Contents

DIRK VAN DEN BOOM

EIN NEUER AUFBRUCH

Folge 7

1

»Ist sie nicht wunderschön?«

Simmons’ Stimme hatte etwas Schwärmerisches, und sein Gesicht wirkte unnatürlich weich im Licht der Kontrollen, die ein sanftes Netz bunter Effekte auf seine Haut zeichneten. Captain Zadiya Ark sah den Chefingenieur der Proxima halb amüsiert, halb gerührt an. Dieser Mann empfand hier ein echtes Gefühl, über das sie sich nicht lustig machen wollte, vor allem, da ihre eigenen Emotionen gar nicht allzu weit davon entfernt waren.

Wunderschön – das war allerdings dann doch nicht der Begriff, der ihr als Erstes eingefallen wäre. Aber die Ingenieure hatten es unbestritten geschafft, die Umbauten auf eine optisch gefällige Weise in die Gesamtlinie des Schiffes einzufügen. Die zusätzlichen Ausbuchtungen des neuen Tritranstriebwerks waren unverkennbar und gaben der alten Lady einen »dicken Hintern«, wie manche Crewmitglieder despektierlich sagten. Dass dieser aber zugleich eine technologische Innovation besonderer Qualität beherbergte, die der Proxima einen überlichtschnellen Flug mit einer Geschwindigkeit ermöglichen würde, die nie zuvor ein terranisches Schiff erreicht hatte, durfte man hierbei schon hervorheben.

Damit war die gute alte Proxima nicht nur das schnellste jemals von Menschen erbaute Schiff, sie war sogar schneller als die Caliban-Einheit, die ihnen diese Technologie gebracht hatte. Es war nicht einfach gewesen, dies zu erreichen. Pläne allein machten bekanntlich noch keine Technik, sondern es galt selbst für die Spezialisten, erst die dahinterstehenden physikalischen Prozesse zu verstehen. Caliban war freilich ein sehr geduldiger Lehrmeister gewesen, und da es hier um bereits erprobte Maschinen ging, musste nicht allzu viel experimentiert werden. Dennoch war es immer noch ein kleines Wunder, dass bisher alles so reibungslos vonstattengegangen war.

Die außerirdische Sonde würde den Rückweg quasi huckepack im Tritransfeld des Kreuzers mitmachen, und das würde eine Reise von vielen Monaten immerhin auf nur wenige Monate verkürzen. Es half sicher auch, dass sie im Gegensatz zur suchenden Sonde keine Umwege fliegen wollten.

Das war für Zadiya Ark das Wichtigste: das schnellste Schiff der ihr bekannten Galaxis! Wunderschön? Vielleicht nicht unbedingt. Wahrhaft beeindruckend? Ohne jeden Zweifel.

Das kleine Raumboot glitt langsam an der Hülle der Proxima entlang. Das Schiff wurde noch von einigen Wartungsgerüsten bedeckt, über deren automatische Magnetschienen Gerätschaften und Techniker an der Hülle entlangglitten. Denn obgleich der Kreuzer in drei Schichten umgebaut worden war und man in Rekordzeit geschafft hatte, wofür andere Monate einkalkuliert hätten, waren sie noch nicht ganz abflugbereit. Als ein Schatten auf die Hülle fiel, wandten sich Ark und Simmons gleichzeitig ab und erblickten die Sphäre der Caliban-Einheit. Sie schwebte keine eintausend Meter von der Proxima entfernt im All und sah aus wie ein Wachhund, der sein Territorium verteidigte. So falsch war diese Analogie gar nicht: Die Hilfe für den technologischen Sprung, den man auf Khalids Hauptwerft derzeit erlebte, war keineswegs uneigennützig erfolgt. Die Caliban-Einheit wünschte sich Hilfe, nicht für sich, sondern für jene, die sie hergeschickt hatten. Das war der Handel, den sie mit ihr eingegangen waren.

Auch Simmons schien in diesem Moment daran zu denken.

»Die Enthüllungen Calibans machen mir immer noch Angst, Captain«, sagte er leise, mit etwas belegter Stimme. »Er schilderte uns die Zustände in seinem Teil der Galaxis sehr eindringlich, und ich fühle mich hin- und hergerissen, was meine eigene Haltung dazu anbetrifft. Da ist auf der einen Seite diese wunderbare Utopie, von der er berichtet hat, diese Allianz ganz unterschiedlicher galaktischer Zivilisationen – aber dann ist da auch dieser harte Kontrast, ein Bürgerkrieg, in dem fast jeder gegen jeden kämpft. Und wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was er uns erzählt hat, ist es sogar noch schlimmer gekommen: Im Verlaufe dieses furchtbaren Konflikts tauchten Menschen auf, die hinter vielen der Intrigen, Anschläge und Attentate zu stecken scheinen … ich kann das immer noch nicht begreifen.«

»Calibans Erbauer auch nicht, daher haben sie ihn ja losgeschickt, um nach jenen zu suchen, die ihnen anscheinend so viel Ärger bereiten«, erwiderte Ark ruhig. »Und wir müssen uns vor Augen führen, dass wir vermutlich noch nicht einmal die Hälfte der Geschichte kennen, Simmons. Wir wissen bislang nur von einem Krieg und einem Feind. Wappnen Sie sich also besser gleich für unliebsame Überraschungen.«

Der Feind. Caliban hatte ihnen detailliert von dem Krieg berichtet, von den Angreifern, die die Allianz schon dadurch in ihren Grundfesten erschüttert hatten, indem sie eine Zivilisation gegen die andere ausgespielt und gleichzeitig durch gezielte Attentate und Anschläge Unruhe in die gesellschaftlichen Fundamente gebracht hatten. Zweifellos eine sehr menschliche Taktik, ein Eindruck, der sich noch dadurch verfestigt hatte, dass Caliban zu berichten wusste, dass unter den Trümmern der wenigen Anschläge, die missglückt waren, menschlich aussehende Tote gefunden wurden. Wie sich herausgestellt hatte, waren dies Angehörige einer Zivilisation, die gerade weit entfernt in einen eigenen schweren Konflikt verwickelt war: die Menschheit!

Caliban war schließlich dorthin aufgebrochen. Er hatte ihnen beteuert, nicht zu den Menschen geschickt worden zu sein, um Entschädigung oder Bestrafung einzufordern, sondern allein um zu verstehen und, wenn möglich, Hilfe zu erhalten.

»Es erinnert mich an unsere alte Republik.« Simmons klang jetzt bitter. »Eine großartige Utopie, zerstört durch einen Bürgerkrieg. Den wir gerade erst beendet haben. Jetzt leckt die Menschheit ihre Wunden und denkt schon wieder an Aufbau – aber wir müssen losfliegen, mitten in den nächsten Konflikt dieser Art hinein. Ist es das wirklich wert?«

»Sie hätten auch um Versetzung bitten können.«

Simmons schüttelte in plötzlicher Empörung den Kopf. »Und Sie im Stich lassen, Captain? Ich mag vielleicht Angst haben, aber ich bin nicht ehrlos. Sie brauchen mich jetzt. Das dürfte doch wohl klar sein.«

Ark lächelte. Ein Ingenieur benötigte Selbstbewusstsein. Simmons war reichhaltig damit ausgestattet.

Der Mann hatte in allem, was er sagte, absolut recht. Eine große Reise voller Ungewissheiten, aber auch voller Hoffnung. Wenn der Blick in die auseinanderbrechende Terranische Republik schon nur schlechte Nachrichten enthüllte, war es naheliegend, nach schöneren Dingen weiter draußen Ausschau zu halten. Und damit war keineswegs ein weiterer Krieg gemeint, sondern – ganz pragmatisch – das Interesse der Regierung von Khalid an neuen Freunden, neuen Partnern, neuem Wissen. Es war an der Zeit, den Blick nicht mehr nur auf den eigenen Bauchnabel zu richten. Das hätte Ark jederzeit unterschrieben.

»Sie gehen heute Abend auch auf den Empfang, Simmons?«

Der Mann verzog das Gesicht und wischte dadurch das Andächtige wie auch das Sorgenvolle aus seinen Zügen. Er würde gleich seinem Missfallen wortreich Ausdruck geben, falls sie ihn dazu aufforderte. Aber Zadiya Ark musste sich den ganzen Tag über schon genug Gejammere von Leuten anhören, die an irgendeiner Kleinigkeit etwas auszusetzen hatten. Sie brauchte jetzt wirklich keine weitere Dosis davon.

Rasch fügte sie hinzu: »Schon gut, Simmons, Sie müssen nichts weiter sagen. Es ist eine politische Einladung. Der Rat von Khalid steht vor den ersten Wahlen nach der Trennung von der Republik. Die politische Lage ist nicht so stabil, wie wir das gerne hätten. Da steht für alle Kandidaten einiges auf dem Spiel. Wir sollen der ganzen Gala einfach zusätzlichen Glanz verleihen.«

Simmons zeigte mit beiden Händen auf sich selbst. »Das hier soll Glanz verleihen?«

Ark verstand, was er meinte, äußerte sich aber lieber nicht dazu. »Sie könnten ihre Ausgehuniform anziehen. Sie haben doch die neuen Embleme und Abzeichen?«

Simmons knurrte etwas. Natürlich waren auch ihm die neuen Symbole der Flotte Khalids übergeben worden, in deren Dienste er nunmehr getreten war. Um zu vermeiden, dass man an alle völlig neue Uniformen austeilen musste, war man pragmatisch vorgegangen: Die Monturen blieben gleich, und man entfernte nur alles, was an die Republik erinnerte, und klebte dafür etwas Neues drauf. Die Designer hatten sich Mühe gegeben. Ark war mit der Symbolik der neuen Flotte ganz zufrieden und ging davon aus, dass selbst ein immer etwas zerknautscht wirkender Mann wie Simmons, der permanent aussah, als hätte er zu wenig geschlafen, darin ganz passabel rüberkommen sollte.

»Ich bin kein Freund von Galas und Empfängen. Was passiert, wenn einer dieser Bürokraten mit mir reden möchte? Und an den Buffets gibt es nie das, was ich mag.«

»Das ist doch ganz einfach: Sie zaubern einen langen technischen Vortrag über irgendeine Nichtigkeit aus der Tasche. Ich versichere Ihnen, Simmons, Ihre Beliebtheit wird in kürzester Zeit ins Bodenlose sinken.«

Der Ingenieur sah auf, seine Augen leuchteten hoffnungsvoll. »Wirklich? Das wäre ja ganz wunderbar.«

Ark lachte und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie mich jetzt zurück zum Dock bringen könnten. Ich habe noch einiges zu erledigen, bevor ich mich auf dem Empfang unbeliebt machen darf.«

Wohl wissend, dass sie als Captain sich diesen Luxus gar nicht leisten durfte, nickte Simmons ihr mitleidig zu, ehe er das Raumboot herumschwingen ließ, um die Inspektionsreise zu beenden. »Wann fliegen wir los?«, fragte er.

»Bald. Es hängt ein wenig von Ihrer Arbeit ab. Wann sind Sie mit allem fertig?«

»Das kann ich Ihnen genau sagen: bald«, erwiderte Simmons, der vor Generationen etablierten Tradition folgend, einem Captain niemals einen Termin zuzusichern, wenn dieser selbst keinen festlegte. Ark hatte keine andere Antwort erwartet. Sie hätte ohnehin keinen solchen Termin nennen können. Tatsächlich hoffte sie, auf dem abendlichen Empfang ein wenig Orientierung über ihr Abflugdatum zu gewinnen. Es war ja nicht so, dass sie dort nur zum Vergnügen auftreten würde. Alle Entscheidungsträger waren anwesend.

Sie warf einen letzten Blick auf das allmählich aus ihrem Blickfeld verschwindende Schiff. Die Überholung des Schiffes war weitgehend abgeschlossen, und in Kürze würde auch der letzte Landurlauber wieder zum Dienst erscheinen. Sie war froh, dass fast die gesamte Crew sich bereit erklärt hatte, auch der neuen Regierung zu dienen, nur wenige hatten dies verweigert. Zu ihrem Erstaunen hatte selbst die Bordärztin unterschrieben, als klar wurde, dass die nächste Reise eine Hilfs- und Forschungsmission werden sollte und keine militärische Intervention. Sie war als Zivilärztin unter Vertrag genommen worden, eine der neuen flexiblen Regelungen der Flotte von Khalid, um dringend benötigtes Fachpersonal für die Schiffe anzuwerben. Dass von Kampen dazugehören würde, damit hatte Ark eigentlich nicht gerechnet, aber es war eine angenehme Überraschung gewesen.

Ark würde bald auf Reisen gehen, und sie vermisste Captain Yin von der Achat , mit dem sie einige aufregende Abenteuer erlebt hatte. Doch die Korvette stand nun unter einem anderen Kommando und wurde als Schiff der Systemflotte eingesetzt. Yin selbst hatte die Gelegenheit ergriffen, den Dienst zu quittieren, und wollte sich nun einer zivilen Karriere widmen. Ark hatte ihn seitdem aus den Augen verloren. So bald würde es wohl auch keine erneute Kontaktaufnahme zwischen ihnen geben. Sie bedauerte das sehr, aber sie respektierte auch Yins Entscheidung, ja es hatte sogar bei ihr selbst diesen Moment der Versuchung gegeben, in dem sie in Erwägung gezogen hatte, sich ähnlich zu entscheiden.

Aber es war wirklich nur ein Moment gewesen. Und er hatte sich nie wiederholt.

Nachdem sie an der Andockstation angekommen waren und sie sich von Simmons verabschiedet hatte, stellte sie fest, dass drei Männer auf sie warteten. Sie war keinem von ihnen je zuvor begegnet, aber da sie schnellen Schrittes auf sie zumarschierten, bestand kein Zweifel, dass es um sie ging.

Einer, ein schmaler Typ mit einem länglichen und knochigen Gesicht, hielt ihr einen Ausweis unter die Nase, den sie erst einmal in Ruhe inspizierte. Alles war neu auf Khalid, und die gewohnten Dokumente und Legitimationen hatten hier keine Bedeutung mehr. Wenn sie den Ausweis richtig verstand, war der Mann ein Vertreter dessen, was sich unter der neuen Regierung Schritt für Schritt als Geheimdienst etablierte. Arks Begeisterung hielt sich in Grenzen. Geheimdienste waren zwar von einem Nimbus der Verschwiegenheit und Effizienz umgeben, ihre Erfahrungen mit ihnen waren aber eher negativer Natur. Spätestens seit sie mit ihrem Schiff, damals noch unter der Flagge der Republik, in eine Schlacht geflogen war, die sich als Desaster erwiesen hatte, vertraute sie der nachrichtendienstlichen Omnipotenz nur noch unter Vorbehalt. An dieser Einstellung hatte sich nichts mehr geändert, egal, für wen die Schlapphüte gerade arbeiteten.

»Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«

»Brosik ist mein Name. Wollen wir uns nicht in einen Besprechungsraum setzen. Die Sache ist sehr wichtig.«

Das war sie doch immer. Ark spürte augenblicklich Widerwillen in sich aufsteigen.

»Hat es etwas mit meiner Mission zu tun?«

»Ja, in der Tat. Es könnte sein, dass wir Ihren Aufbruch … beschleunigen müssen.«

Ark war sofort alarmiert, denn Brosik strahlte den Habitus eines Mannes aus, der weder zu Übertreibungen noch Lügen neigte. Er wirkte überaus ernst, aber ohne diese Aura von Wichtigtuerei, die manche Leute seines Schlages ständig um sich verbreiteten. Deshalb war Ark bereit, ihren Widerwillen beiseitezuschieben.

»Da vorne ist ein Besprechungsraum. Wir setzen uns dorthin«, sagte sie und zeigte darauf. Brosik nickte sofort. Nachdem sie in dem leeren Raum Platz genommen hatten, wirkten die Geheimdienstler auch gleich nicht mehr so bedrohlich, und die Atmosphäre wurde deutlich entspannter.

»Wir haben leider schlechte Nachrichten, Captain«, begann Brosik ohne weitere Umschweife. »Es gibt klare Hinweise darauf, dass die Reste der Republik auf Khaled einen aktiven Spionagering unterhalten.«

Die Reste der Republik, die auch noch den alten Namen trugen, regierten von Terra aus ein buntes Gemisch an Zentral- und Kolonialwelten, die sich nicht für unabhängig erklärt hatten. Nach aktuellen Schätzungen machte dies etwa vierzig Prozent des alten Staatsgebietes aus. Der Rest hatte sich – wie Khalid – auf die eine oder andere Weise selbstständig gemacht.

»Das sind schlechte, aber keine überraschenden Nachrichten«, erwiderte Ark. »Khalid ist eine der größeren Freien Welten, und natürlich will die Restrepublik ein Auge darauf haben, was hier passiert – und gegebenenfalls auch darauf Einfluss nehmen.«

»Das ist völlig richtig, aber leider noch nicht alles. Wir haben gestern zwei Agenten der Republik festnehmen können, die wir schon länger unter Verdacht hatten. Eine Nachlässigkeit auf der Seite unseres Gegners ermöglichte es uns, blitzschnell zuzuschlagen. Dadurch gelang es uns erstmals, Kommunikationsaufzeichnungen und Codes zu erbeuten, ehe sie vernichtet wurden oder abgelaufen waren. Die Auswertung dauert noch an, aber eines ist schon jetzt deutlich geworden: Die Restrepublik weiß über die Caliban-Einheit, ihre Herkunft und ihre Absichten Bescheid. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass auch sie die Pläne des Tritransantriebs erbeutet haben, den uns Caliban überlassen hat.«

Ark schwieg für einen Moment, um diese Nachricht zu verdauen. Das war ein Schlag in den Magen. Welch massive Anstrengungen sie doch in die Geheimhaltung der neuen Technologie gesteckt hatten, und zwar unter ständigen persönlichen Opfern. Und jetzt sollte all das umsonst gewesen sein?

»Sind Sie sich da absolut sicher?«, fragte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme, das sie sofort gewaltsam unterdrückte.

Brosik blickte sie mit sorgenvoller Miene an. »Wie gesagt, ist dies höchstwahrscheinlich. Als unsere Analysten uns darauf hingewiesen haben, machten wir uns auf der Stelle auf den Weg zu Ihnen.«

Ark holte tief Luft. Jetzt fokussieren! , ermahnte sie sich. »Der Zeitfaktor ist hier wohl entscheidend«, sagte sie dann möglichst ruhig. »Wenn die Republik tatsächlich in der Lage sein sollte, ebenfalls in die Heimat von Caliban vorzudringen – und es ist ja nicht auszuschließen, dass sie das tun würden, allein schon, um uns keinen weiteren technologischen Vorteil zu überlassen –, dann benötigt sie ebenso wie wir Zeit, um ein Schiff entsprechend auszurüsten. Die können ja auch nicht hexen, zudem verfügen sie über keine Werftanlage von der Qualität, wie sie auf Khalid zur Verfügung stehen. Dies war immer eine wichtige Kernwelt, und wir sind hier auf dem modernsten Stand.«

»Zweifellos. Aber leider haben wir noch mehr schlechte Nachrichten.« Brosik sah tatsächlich ziemlich deprimiert aus, und Ark war klar, dass dies wohl keine Schauspielerei war. Sie wappnete sich für das Schlimmste, während der Mann vom Geheimdienst fortfuhr. »Wir müssen davon ausgehen, dass wir von diesem Diebstahl erst sehr spät erfahren haben. Alles deutet darauf hin, dass unser Vorsprung …« Brosik räusperte sich, ehe er den Satz abschloss. »… dass unser Vorsprung inzwischen minimal ist. Tage vielleicht, Wochen im Höchstfall. Aber ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich glaube nicht an Wochen.«

Das war der zweite, noch viel härtere Schlag in die Magengrube, und Ark musste jetzt für einen Moment die Augen schließen, um sich der Konsequenzen, die sich aus dieser katastrophalen Enthüllung ergaben, bewusst zu werden – und ihre Nerven zu beruhigen. Das Bedürfnis, den Agenten anzuschreien und den Geheimdienst für seine Nachlässigkeit wortreich zu beschimpfen, war für einen Moment übermächtig. Doch sie wusste, dass das unfair wäre. Alles hier befand sich noch im Aufbau und Umbruch. Da hatten sich noch keine Routinen und feste Zuständigkeiten eingespielt. Es war zu erwarten gewesen, dass Fehler gemacht würden. Ark hatte bloß gehofft, es würden nicht gleich so fatale sein. Eine Hoffnung weniger. Aber daran hatte sie sich ja schon fast gewöhnt.

»Jetzt ist mir klar, warum Sie möchten, dass wir früher starten«, sagte sie schließlich. »Sie gehen davon aus, dass es ein Wettrennen zur Herkunftsregion von Caliban geben wird – und vor Ort werden wir möglicherweise in eine Konfliktsituation mit einem Schiff der Restrepublik geraten.«

»Wir können das nicht ausschließen.«

»Das genügt mir nicht!«

»Uns auch nicht. Aber mehr Informationen haben wir nicht. Leider sind unsere eigenen Netzwerke im Gebiet der alten Republik noch im Aufbau – und unsere wenigen Spione sind nicht halb so erfolgreich wie die der Gegenseite.« Brosik kratzte sich am Kopf. »Sie wissen vermutlich, wer dort die Führung der wichtigsten Abteilung des Militärgeheimdienstes übernommen hat?«

»Will ich das wirklich wissen?«

»Admiral Bonet.«

»Sie nehmen mich auf den Arm!«

»Danach steht hier keinem der Sinn, Captain, das kann ich Ihnen versichern.« Brosik erhob sich. »Captain, ich gehe jetzt zu einem Briefing mit dem Flottenkommando. Ich kann natürlich nicht für die Admirale sprechen, aber erlauben Sie mir die Vermutung, dass Sie noch heute den Befehl bekommen werden, die Arbeiten zu intensivieren und Ihren Abflug vorzuverlegen. Wäre das ein Problem für sie?«

Ark stand ebenfalls auf, sie hatte sich wieder gefasst. Es nutzte nichts, sich über das Unausweichliche zu grämen, wenn man keine Mittel in Händen hielt, um es abzuändern. Und Zadiya Arks Hände waren leer.

»Es ist sogar ein großes Problem. Aber wir sind erfahren darin, mit großen Problemen umzugehen.«

Brosik nickte zufrieden und reichte ihr die Hand. »Darauf bauen wir alle.«

Als er mit seinen Begleitern verschwunden war, fragte Captain Ark sich, auf wen sie in dieser Situation eigentlich bauen konnte. Es war zweifelsohne an der Zeit, mit Colonel Vara zu sprechen. Und in Kürze wurde ihr neuer Erster Offizier erwartet, um sich der Besatzung des Schiffes anzuschließen. Keiner von beiden würde sich über diese Entwicklung sonderlich erfreut zeigen.

Genauso wenig wie sie.

2

»Zweckmäßig ist es auf jeden Fall«, sagte Captain Gerard Kraus, während er die Augen zusammenkniff und die Silhouette der Anaconda betrachtete, des Schiffes, das ihm von der Admiralität der Republik übergeben worden war. Nicht von irgendeinem gesichtslosen Führungsoffizier, sondern von Admiral Bonet persönlich, der ganz eigene Interessen mit dieser Expedition verband. Das hatte er mit Kraus gemeinsam.

Kraus war stolz auf sich.

Die Anaconda lag angedockt an der großen Flottenversorgungsstation, an der immer noch Beschädigungen von den Kämpfen um Terra erkennbar waren – oberflächliche Schäden, die die Arbeit der Station, vor allem Umbau und Ausrüstung des Jagdkreuzers, nicht beeinträchtigten. Das Schiff hatte seine einstmals elegante Form verloren, denn das Triebwerk, das die Ingenieure in fliehender Hast und mit einem etwas kruden Verständnis von Ästhetik angeflanscht hatten, wirkte unfertig, wie ein Fremdkörper, und in gewisser Hinsicht war es das ja auch.

Tamara Johannsen, seine Erste Offizierin, sagte nichts. Sie fanden beide, dass die Konstruktion dem Auge nichts Gefälliges bot, wussten aber natürlich, wie nebensächlich dieser Aspekt war. Die Anaconda hatte zu funktionieren, und dass das der Fall sein würde, dessen hatten sich beide Offiziere in endlosen Briefings und ermüdenden Inspektionen mehrfach versichert. Das Schiff würde in wenigen Tagen ablegen können, mit einer Besatzung, die größtenteils aus Männern und Frauen von Kraus’ altem Kommando bestand. Leute, auf die er sich verlassen konnte und die alle seine primäre Leidenschaft teilten: Captain Zadiya Ark endlich zur Strecke zu bringen, so oder so.

Der Gedanke allein erfüllte Captain Gerard Kraus mit stiller Vorfreude. Er zeigte sie allerdings nur in einem sehr beherrschten Maße. Johannsen wusste wahrscheinlich, dass er an Ark dachte, wenn er über seinen Backenbart strich, diese besondere Zier, der er tägliche Pflege angedeihen ließ und die alles symbolisierte, wofür er in seinen vielen Dienstjahren eingestanden war. Der Bart betonte sein eckiges Kinn. Kraus wusste, wie er auf Untergebene wirkte, und er verband seinen äußerlichen Eindruck mit einer permanenten Aura harter Entschlusskraft. Es gab keinen an Bord der Anaconda , der für ihn nicht durch die Hölle gehen würde. Das war auch notwendig. Denn wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was Bonet ihm aus Geheimdienstbriefings mitgeteilt hatte, dann flogen sie direkt in eine hinein. Das machte selbst einen so entschlossenen Mann wie Kraus ein wenig unsicher.

Das war dann immer der Moment, an dem er aufhörte, sich über den Bart zu streichen.

»Sie haben Ihren persönlichen Kram verstaut, Tamara?« Hier, wo sie nur zu zweit waren, konnte er sich die vertrauliche Anrede erlauben. Johannsen hatte auf ein eigenes Kommando verzichtet, um diese Reise mitmachen zu können. Sie war definitiv der abenteuerlustige Typ. Ihre kurz geschorenen blonden Haare lagen wie Stoppeln auf ihrem Schädel, und ihre eiskalte Professionalität spiegelte sich in ihrem Äußeren wider. Sie könnte ihn jederzeit ersetzen, er wusste das. Und das war gut. Er wollte es nicht anders haben.

»Ich bin bereit.« Mehr sagte sie nicht. Dann schauten sie einen Moment weiter durch das breite Panoramafenster der Fähre, die sich nun der Station immer mehr näherte, bis diese das gesamte Blickfeld ausfüllte. Ihr letzter Zubringer. Sie würden nicht mehr nach Terra zurückkehren, für eine sehr lange Zeit nicht. Kraus kümmerte das nicht. Er wollte diese Mission, und er mochte sein neues Schiff, auch wenn es ziemlich hässlich war.

»Bonet wird auf uns warten«, erinnerte ihn Johannsen, als die Fähre festmachte. Der Kommandant der Anaconda ergriff seine Tasche und nickte.

»Letzte Informationen, hoffe ich.«

»Er hasst Ark und will ihren Kopf, deswegen ist er da.«

Kraus nickte. Seine Nummer eins hatte es mal wieder erfasst. Sinnlos, mit ihr um den heißen Brei herumreden zu wollen. Sie war nicht der Typ dafür.

Sie traten aus der Fähre, und wie immer hatte Johannsen recht behalten. Admiral Bonet, in seiner ganzen pompösen Pracht, war bereits da, um sie zu begrüßen. Er lächelte wohlwollend, das konnte er gut, hatte er sein schauspielerisches Talent doch an Bord der Proxima weiterentwickeln und verfeinern müssen. Kraus war sich sicher, dass der Mann über noch viel mehr Fähigkeiten verfügen musste, sonst wäre er niemals so weit gekommen. Er hatte aber auch keinerlei Zweifel daran, dass Bonet jetzt, im neuen Regime, vor allem ein politischer Funktionär war, der sich an Macht erfreute und alles tun würde, um diese auszuweiten. In diesem Punkt fielen seine Pläne mit denen von Kraus zusammen, dem es an Ehrgeiz ebenfalls nicht mangelte. In gewisser Hinsicht wurden sie dadurch zu zwei Verbündeten, die in der Lage waren, sich gegenseitig zu helfen.

Deswegen musste man sich ja nicht unbedingt mögen. Eine gewisse gesunde Antipathie half sogar, Vorsicht zu wahren. Vorsichtig zu sein war überlebensnotwendig in diesen Zeiten.

»Kraus, gut, Sie zu sehen!«, dröhnte Bonet. Johannsen nickte er nur kurz zu. Kraus wusste, dass man Bonets Haltung zu Frauen selbst bei allergrößter Beschönigung nur als rückständig bezeichnen konnte. Eine Freiheit, die sich ein Mann mit Macht eben herausnehmen durfte. Das war nicht der einzige Grund, warum Johannsen Bonet nicht ausstehen konnte, aber wie bei so vielen Menschen, die ihr missfielen, wartete sie vermutlich einfach auf den richtigen Moment, um ihrer Abneigung Ausdruck zu geben.

Dies war nicht der richtige Moment.

»Admiral. Wir sind startbereit.«

»Das ist gut zu hören.«

»Was haben Sie noch an Neuigkeiten für mich?«

Bonet grinste. »Sehr gut, Kraus. Immer gleich zur Sache kommen. Deswegen mag ich Sie. Wie eine Rakete, die auf ein Ziel abgefeuert wurde. Meinen Respekt. Schönes Schiff haben Sie da. Eines unserer besten für einen unserer Besten. Ich bin mir sicher, Sie sind stolz darauf.«

»Ich bin sogar sehr stolz. Admiral, muss ich vor unserer Abreise noch etwas wissen?«

»Ja, ja. Kommen Sie, wir gehen in den Besprechungsraum. Ich will nicht, dass jemand mithört.« Er warf einen Blick auf Johannsen, die an sich mit eingeladen war, die für Bonet aber irgendwie auch »jemand« zu sein schien. Die Offizierin nahm dies, wie so oft, äußerlich mit Gleichmut hin.

Sie betraten den Raum. Bonet schloss die Tür, und dann standen sie vor dem Panoramafenster, das einen guten Blick auf den schlanken Metallkörper der Anaconda bot – bis zum dicken, deplatziert wirkenden Hinterteil. Dennoch, das Gesamtbild konnte sich sehen lassen. Kraus hatte erst Schlimmeres befürchtet.

»Die Verräter auf Khalid wissen Bescheid, Captain«, eröffnete Bonet ihm dann, weiterhin Johannsen geflissentlich ignorierend. »Wir haben gerade Meldung bekommen. Sie haben in Erfahrung gebracht, dass wir die Tritranstechnik gestohlen haben, und wahrscheinlich auch, dass wir ein eigenes Schiff damit ausrüsten. Es tut mir leid, dass ich deshalb zusätzlichen Druck aufbauen muss, aber es lässt sich nicht vermeiden. Wenn Sie in der Lage sein sollten, Ihre Abflugvorbereitungen noch etwas zu beschleunigen, wäre das … zielführend.«

Kraus sagte nichts, sah Johannsen auffordernd an. Die Frau musste nicht lange überlegen, sie hatte stets alle Informationen parat, um solche Probleme kommentieren zu können.

»Das dürfte kein Problem sein«, meinte sie. »Wir brauchen nur etwas mehr Personal von der Flottenstation und oberste Priorität. Wenn Sie die entsprechenden Befehle geben würden, Admiral …«

»Das ist bereits geschehen«, erklärte Bonet selbstzufrieden. »Ich erwarte, dass die Anaconda zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufbricht. Es wird ein Wettrennen, Kraus, und zwar, wie erwartet, gegen Zadiya Ark.« Er sprach den Namen aus, als würden die beiden Worte in seinem Mund einen unerträglichen Geschmack auslösen, wie etwas Fauliges, in das er aus Versehen hineingebissen hatte. Kraus’ Reaktion war nicht ganz so überzogen, aber auch er hatte mit dieser Dame noch eine Rechnung offen.

»Wir werden die Zeit so weit wie möglich verkürzen. Die Crew ist vollständig. Es geht nur noch um die notwendigen Vorräte. Da sollten wir keine Abstriche machen. Wir wissen nicht, was uns erwartet und wie lange wir am Ende unterwegs sein werden.«

Bonet sah ihn etwas ungnädig an. Es gab aber Prinzipien, auf die Kraus nicht verzichten würde, vor allem dann nicht, wenn es darum ging, seine Mannschaft heil durchzubringen. Ein Schiff ohne funktionsfähige Besatzung war nur noch eine tote Hülle, aller Automatisierung zum Trotz. Selbst jemand, der gerne mal über Leichen ging, wie Bonet, musste das einsehen. Und der Admiral akzeptierte es auch. Es gefiel ihm nur nicht besonders.

»Eine Sache noch, Kraus. Ich muss Sie da über etwas informieren, was Ihre Reise beeinflussen könnte.«

Kraus sah Bonet alarmiert an. Er war Geheimniskrämerei gewöhnt, aber erst kurz vor der Abreise mit wichtigen Informationen herauszurücken, konnte gefährliche Folgen haben. Bonet schien das nicht zu bekümmern, jedoch wirkte er jetzt sehr ernst.

»Es geht um eine historische Aufzeichnung, die wir ausgewertet haben. Anlass waren die Informationen von diesem Caliban-Ding, die wir auf Khalid abgeschöpft haben. Meine Analysten sind nicht auf den Kopf gefallen und haben sich gefragt: Wie kann es sein, dass Menschen so weit entfernt von der Erde leben?«

»Wenn es denn Menschen wie wir sind.«

»Richtig, aber das haben wir mal als Hypothese angenommen. Wir haben die Archive buchstäblich auf den Kopf gestellt, und der Erfolg blieb nicht aus. Wir stießen auf ein bereits lange beendetes Projekt, über das allerdings nur noch spärliche Informationen vorliegen. Es war nicht einmal eine offizielle Regierungssache, sondern die private Spielerei eines großen Konzerns. Deshalb haben wir auch erst jetzt Kenntnis davon erlangt, wobei die Wirren des Bürgerkrieges es auch nicht gerade beschleunigt haben. Meine Analysten konnten die verschiedenen Informationen miteinander verknüpfen, und wir glauben, dass wir nun … eine Ahnung haben …«

»Eine Ahnung wovon?«

»Wie es dazu gekommen ist, dass es in dieser Ecke der Galaxis möglicherweise ebenfalls Menschen gibt. Haben Sie schon einmal von Projekt Fortuna gehört?«

»Nein, das sagt mir nichts.«

Bonet nickte. »Es hat seinen Erfindern damals auch kein Glück gebracht, wie es scheint. Aber vielleicht können wir jetzt sogar einen Vorteil daraus ziehen.«

»Haben wir denn konkrete Informationen über dieses Projekt?«

»Eher eine vage Ahnung. Vieles wurde gelöscht, und zwar durchaus systematisch.«

»Sie meinen, man wollte es vertuschen?«

»Der Eindruck entsteht, ja. Ich schicke noch einige Leute an Bord, eine letzte Erweiterung Ihrer Mannschaft. Eine Gruppe von Wissenschaftlern, die sich mit den wenigen Akten vertraut gemacht haben und möglicherweise einen Beitrag zum Erfolg Ihrer Mission leisten können. Besprechen Sie sich mit denen. Und bringen Sie mir, was wir wirklich benötigen, Kraus. Und damit meine ich nicht unsere kleine Rache an Zadiya Ark, obgleich die natürlich ein netter Nebeneffekt wäre.« Bonet lächelte. Seine Augen glitzerten gierig. »Ich will Alien-Tech, Kraus. So viel wie möglich, so gut wie möglich, so effektiv wie möglich, so revolutionär wie möglich. Ich will diese Alien-Tech nur für uns. Niemand sonst darf sie bekommen. Sie müssen den Kern Ihrer Mission immer im Auge behalten. Lassen Sie Ark gerne verrecken, oder krümmen Sie ihr meinetwegen kein Haar, denn wichtig ist nur, dass die Republik, unsere neue Republik, dringend einen entscheidenden Vorteil braucht. Und den können wir dort draußen finden.«

Bonet streckte seinen Arm in Richtung Weltall, zeigte zum Panoramafenster, sodass Kraus und Johannsen unwillkürlich in diese Richtung starrten.

»Holen Sie mir von dort alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Mir ist egal, wie Sie es anstellen, Kraus!« Bonets Stimme bekam eine gefährliche, beinahe drohende Schwingung. »Ich will alles haben!«

Das, fand Kraus, war immerhin eine klare Ansage.

3

»Du hast den Termin also verstreichen lassen.«

Was wie eine simple Feststellung klang, war ein Vorwurf. Er war nicht sehr vehement geäußert worden, das war aber auch gar nicht notwendig. Margie hatte ihre eigenen Methoden, ihrem Missfallen Ausdruck zu geben. Sie lächelte nicht. Das war ein erstes Zeichen. Marcus Hamilton wusste, dass es jetzt auf sein Geschick ankam, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.

Er verband damit nur geringe Hoffnungen. Er war Techniker. Kommunikation war nicht gerade seine Stärke.

»Es war so viel zu tun. Wir haben unseren Urlaub abgekürzt. All der Verwaltungskram, als wir in den Dienst von Khalid übernommen wurden. Dann kamen die Marschbefehle. Trotzdem bin ich befördert worden!«

Er war befördert worden, zum Spezialisten Erster Klasse, und teilte dieses Schicksal mit Margie, die sich davon aber wenig beeindrucken ließ.

»Eine Bewerbung hätte dich fünf Minuten gekostet«, sagte sie ruhig. »Und du hättest, wenn du genommen worden wärst, mit all den theoretischen Kursen bereits an Bord der Proxima beginnen können, einfach in deiner dienstfreien Zeit. Nach unserer Rückkehr hättest du bereits die ersten Prüfungen abgelegt. Da Captain Ark dir sicherlich Dienstzeit auf der Brücke verschafft hätte, würdest du auch schon eine erste Runde der praktischen Übungen absolviert haben. Marcus, nach einer nur dreimonatigen Tour hättest du bestimmt die Hälfte des gesamten Akademiekurses schaffen können – doppelt so schnell wie vor Ort. Noch ein halbes Jahr, und du hättest dein verdammtes Offizierspatent in Händen gehalten. Ich meine … wie bescheuert kann man denn sein?«

Das war gewiss eine sehr wichtige Frage, die genauerer Betrachtung bedurfte. Marcus war sich darüber im Klaren, dass es immer wieder Situationen gab, in denen er die zugehörige Skala tatsächlich nach oben ziemlich weit ausreizte, in diesem speziellen Fall aber fühlte er sich ungerecht behandelt. Das hatte nämlich nichts mit dämlichem Verhalten zu tun, und Margie wusste das auch. Stattdessen war ihre rhetorische Frage lediglich eine komisch-verzweifelte Reaktion, um auf die simple Tatsache hinzuweisen, dass es dem Gefährten an ihrer Seite offensichtlich eklatant an Ehrgeiz mangelte.

Der ihr keineswegs fehlte. Marcus hatte auf ihrem Pad, mehr aus Zufall, die Empfangsbestätigung ihrer Bewerbung für die Akademie gesehen, sie aber nicht darauf angesprochen, weil er nicht den Eindruck erwecken wollte, er hätte geschnüffelt. Sie würde es ihm früh genug mitteilen. Marcus freute sich für sie. Er gönnte ihr jeden Aufstieg, bestärkte sie sogar darin, ihre Chancen zu ergreifen, und würde sie jederzeit voll dabei unterstützen. Sich selbst aber sah er einfach nicht als Kommandooffizier, und wenn das Bild, das er von sich hatte, nicht mit einer bestimmten Zukunftsmöglichkeit in Einklang zu bringen war, dann vermochte er auch nicht danach zu handeln.

War das eine Schwäche? Vielleicht. Fühlte er sich schlecht dabei? Nein. Das Einzige, was ihn dabei schmerzte, war die Tatsache, dass Margie von ihm enttäuscht war.

»Es tut mir leid, Margie. Ich hätte offener damit umgehen sollen«, sagte er also kleinlaut. »Ich weiß doch, dass du nur das Beste für mich willst. Und vielleicht hast du ja auch völlig recht mit allem. Aber ich fühle es einfach nicht in mir. Ich fühle mich nicht dazu berufen. Ich will nichts und niemanden kommandieren.«

»Du bist aber wirklich gut darin.«

»Ich mag es aber nicht.«

»Gerade das macht dich möglicherweise zu einem hervorragenden Offizier.«

»Vielleicht. Aber ich mag es nicht , Margie. Der Dienst ist anstrengend genug, er ist in den letzten Monaten bestimmt nicht einfacher geworden. Ich will aber weiterhin nicht vom Weltraum lassen. Das All hat mich motiviert, überhaupt der Flotte beizutreten. Und jetzt auch noch eine Forschungsmission, ein richtiger Erstkontakt! Aber um dabei zu sein, muss ich keine große Verantwortung tragen. Ich erfülle einfach nur meine Pflicht.«

Margie sagte nichts, sah ihn lange an. Ihr Gesichtsausdruck war ihm rätselhaft, und plötzlich war ihm bange zumute. An der Meinung dieser Frau lag ihm viel, sehr viel sogar, und er wollte sie nicht enttäuschen. Zugleich konnte er nicht über seinen Schatten springen, zumindest nicht in diesem Fall. Würde sie das akzeptieren, wenn sie es schon nicht verstehen konnte?

»Also gut«, sagte sie schließlich sanft, und die erlösenden Worte kamen ohne Vorwurf und ohne Zorn daher. »Ich kann und werde dich zu nichts zwingen. Aber versprich mir eines: Lass es nicht das letzte Wort sein, Marcus. Du wirfst dein Potenzial weg, und es tut mir weh, das mit anzusehen. Ich bitte dich also nur um dieses eine Versprechen: Du legst dir die Frage irgendwann noch einmal vor, wenn sich die passende Gelegenheit ergibt.«

Er nickte. »Das verspreche ich dir.« Was er nicht sagte, war, dass er nicht davon ausging, dass er seine Ansicht zu diesem Thema jemals ändern würde. Aber er fand, es sei nicht notwendig, darauf zu beharren. Der Frieden war wiederhergestellt, und das war das Wichtigste.

Während sie sich weiter unterhielten, verstauten sie Ausrüstungsgegenstände und Ersatzteile in einem Lager. Die Proxima war im Grunde abflugbereit, und sie alle spürten die sich langsam aufbauende Spannung im Schiff. Die Mannschaft war ergänzt worden, da einige den Dienst quittiert hatten. Es gab neue Offiziere an Bord, nicht nur die alte Behelfscrew, die Captain Ark sich in einer prekären Lage hatte heranziehen müssen. Die Neuen würden es deshalb nicht leicht haben. Sie trafen auf eine eingeschworene Besatzung, die durch gemeinsam bewältigte Belastungen zusammengeschweißt worden war. Die Proxima , das bestätigte auch diese neue Mission, war ein außergewöhnliches Schiff. Jeder an Bord spürte das, und jene, die mit der alten Lady schon einiges durchgemacht hatten, ganz besonders.

Die Zeit in der Werft hatte dem Schiff gutgetan. Marcus konnte das mit am besten beurteilen. Alles, was er und seine Kameraden notdürftig geflickt hatten, erstrahlte nun in neuem Glanz. Es war keine Generalüberholung im engeren Sinne – die hätte um einiges länger gedauert –, aber eine umfassende Wiederherstellung mit den Mitteln einer modernen Werft und den fähigsten Spezialisten, die man aufbringen konnte. Das ging weit über den Einbau des neuen Triebwerks hinaus. Die Proxima war nun einsatzbereit, daran gab es für Marcus Hamilton nicht den geringsten Zweifel.

Und er? War er selbst auch einsatzbereit?

Jetzt, wo die Stimmung zwischen ihm und Margie gereinigt worden war, fühlte er sich voller Elan. Das Problem war zwar nur aufgeschoben, nicht aufgehoben, aber damit konnte er leben. Jetzt stand ihm eine aufregende Reise bevor, die ihn mit großer Spannung und so etwas wie Vorfreude erfüllte – es war nicht unbedingt Enthusiasmus, denn das Neue konnte große Gefahren beinhalten, aber er spürte eine Bereitschaft, eine Reise zu wagen, die man nur als historisch bezeichnen konnte. Allein Teil dieser Geschichte zu sein sprach etwas in ihm an, das überraschend stark war. Er mochte vielleicht kein Offizier sein, aber eines war er ohne jeden Zweifel: ein Raumfahrer!

Gerade als er ein sorgfältig in Stützmaterial eingepacktes, hochempfindliches Teil in einem Regal sicher verankert hatte, leitete ein Knacken, gefolgt von einem kurzen Signalton, eine schiffsweite Ankündigung ein. Margie und Marcus hielten sofort inne und sahen sich bedeutungsvoll an. Das war die erste Nachricht dieser Art, seit die Proxima in der Werft lag, und das konnte im Grunde nur das eine bedeuten: dass es nun an der Zeit war aufzubrechen.

»Hier spricht die Kommandantin. Alle Besatzungsmitglieder sind an Bord zurückgekehrt. Der letzte Frachtcontainer wird gerade abgefertigt. Ich ordne hiermit für 14:00 Bordzeit Verschlusszustand an. Abhängig von der Freigabe wird die Proxima um 17:00 Bordzeit ablegen. Sollten Sie noch mit jemandem kommunizieren wollen, der sich außerhalb des Schiffes befindet, weise ich noch einmal ausdrücklich auf das aktuell in Kraft befindliche Geheimhaltungsprotokoll hin. Alle ausgehenden Nachrichten werden von der KI überwacht und Realzeitverbindungen mit Zeitverzögerung übermittelt. Ich erwarte von der gesamten Besatzung Kommunikationsdisziplin. Private Übermittlungen werden um Punkt 16:00 Bordzeit eingestellt und sind danach nur noch mit Einzelgenehmigung gestattet. Sichern Sie Ihre Stationen, und halten Sie sich bereit. Wir gehen mit Beginn des Verschlusszustandes auf normalen Schichtbetrieb. Beachten Sie Ihre Dienstpläne. Ich erwarte einen reibungslosen Übergang im Dienstverlauf. Zadiya Ark, Ende.«

»Es ist so weit«, murmelte Margie. »Und wir sind in der gleichen Schicht.«

»Dafür hast du jetzt wen genau bestochen?«

Margie sah ihn stirnrunzelnd an. »Das war gar nicht nötig. Simmons kam zu der Überzeugung, dass es unserer Produktivität zuträglich ist, wenn wir zusammenarbeiten, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, da wir uns verkrachen. Er bat lediglich darum, diesbezüglich auf dem Laufenden gehalten zu werden, um gegebenenfalls andere Arrangements treffen zu können.«

Marcus hob die Augenbrauen. »Ist Simmons jetzt etwa auch Beziehungsberater?«

Sie zuckte mit den Achseln. »Wenn es kriselt, will Simmons uns so schnell wie möglich in unterschiedliche Schichten einteilen.«

»Ich wusste es«, grinste er. »Ingenieure können am besten mit Menschen umgehen.«

»Hast du noch eine Nachricht zu verschicken?«, fragte Margie. Marcus zögerte mit der Antwort. Eine Konsequenz des Zerfalls der Republik war, dass Familien auseinandergerissen worden waren. Zwischen vielen Planeten gab es keine regulären Verbindungen mehr, und jene, die noch existierten, wurden oft durch Formalitäten, Einreisebürokratie und den generellen Unwillen, zu viele Besucher zu akzeptieren, behindert. Das würde sich vermutlich wieder legen, sobald die politischen Beziehungen zwischen den Fragmenten auf eine neue Basis gestellt worden waren und wirtschaftliche Überlegungen in den Vordergrund traten. Marcus hatte Familie auf Terra sowie weitere Verwandtschaft über die Reste der Republik verstreut. Er stand mit ihnen in einem sehr losen und damit für alle sehr unbefriedigenden Kontakt.

»Nein«, sagte er also. »Ich weiß nicht, was die alle so treiben. Außerdem ist es im Moment besser, den Mund zu halten. Die Geheimhaltungsprotokolle sind recht streng. Ich möchte da kein Risiko eingehen.« Er schaute auf die Uhr. »Aber wir könnten vorher etwas essen. Bis zum regulären Schichtbetrieb ist noch Zeit, und die Messen haben seit einer halben Stunde offiziell geöffnet. Gerüchteweise gibt es einiges an frischen Zutaten, direkt aus der Verpflegung, die gerade an Bord eingelagert worden ist. Und außerdem haben sie einen neuen Koch.«

Ein neuer Koch und frische Zutaten – Margie musste da nicht weiter überredet werden.

Zumindest in dieser Hinsicht hatte die Reise schon mal einen vielversprechenden Beginn.

4

»Adrian Maarten, zu Ihren Diensten!«

Die Stimme des alten Mannes war brüchig, so sehr, dass Ark fast erwartete, aus seinem Mund würde gleich zerriebener Sand zu Boden rieseln, sobald er ihn weiter öffnete. Die Haut des Greises war fast durchsichtig, seine Adern zeichneten sich unter der papierdünnen Haut ab. Dennoch hielt er sich bemerkenswert aufrecht, den Rücken durchgedrückt, und in seinen hellen blauen Augen strahlte eine wache Intelligenz. Er trug eine einfache Bordmontur, die nichts über seinen Rang, seine Aufgabe oder seine Herkunft aussagte. Doch Ark wusste, dass er direkt von der Admiralität an Bord der Proxima gesandt worden war, um die Crew bei ihrer Mission zu unterstützen.

Sie war für jede Hilfe dankbar, und ein richtiges Team von Wissenschaftlern im Schiff zu haben erschien ihr sehr sinnvoll. Aber dieser Mann war steinalt. Diese Reise würde für ihn eine große Belastung werden, möglicherweise sogar tödlich enden. Dass Bordärztin Sandra von Kampen, die mit ihr und Vara zusammen im Besprechungsraum neben der Brücke der Proxima saß, den Mann mit überaus sorgenvoller Miene betrachtete, zeigte, dass Arks Befürchtungen nicht grundlos waren.

Das machte sie vorsichtig und neugierig. Warum ausgerechnet er? Was hatte sich die Admiralität dabei gedacht?

»Dr. Maarten, ich bin … sehr dankbar für Ihre Hilfe, aber lassen Sie mich gleich eine Sache loswerden, die ohnehin zur Sprache gebracht werden muss«, sagte Ark in einem freundlichen Tonfall.

Über Maartens ätherisch-schmales Gesicht flog ein Lächeln. »Sie müssen nichts sagen, Captain. Mein Alter, richtig? Sie fragen sich, ob ich Ihnen noch eine Hilfe sein werde?«

»Eher, ob Sie das hier überleben können und sich so etwas wirklich antun wollen?«

Maartens Lächeln vertiefte sich. »Ich habe die Absicht zurückzukehren, ja. Ich bin der beste Kybernetiker auf Khalid, niemand kommt auch nur ansatzweise an mich heran. Und glauben Sie mir, das ist kein eitles Eigenlob. Ich halte mich sogar für relativ bescheiden. Es ist einfach so. Und Sie werden mir zustimmen, dass die Caliban-Einheit gezeigt hat, dass Fragen der Kybernetik für unsere Mission von Bedeutung sein dürften.«

»Ich gehe sogar ganz sicher davon aus. Aber dennoch …«

»Ich bin bei bester Gesundheit, meinem Alter entsprechend gut in Schuss. Dr. von Kampen?«

Sandra von Kampen hob die Augenbrauen, offenbar nicht erfreut über die Tatsache, dieser Selbsteinschätzung trotz ihrer Vorbehalte zustimmen zu müssen. Aber mit seiner Frage hatte Maarten sie mehr oder weniger von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden, und er nickte ihr sogar noch einmal bekräftigend zu, sodass sie aus dieser Nummer nicht mehr herauskam. Und lügen würde sie nicht, egal welche Sorge sie umtrieb.