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Eine verzweifelte Mission im Kampf um den Frieden ...
Der Sternkreuzer Proxima hat Zuflucht im randständigen Onyx-System gefunden. Doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis aus dem instabilen Frieden der Nachkriegszeit ein neuer Brandherd entsteht. Denn die von den ehemaligen Kolonialen übernommene Regierung auf Terra stellt immer stärkere Allmachtsansprüche. Auch im Outback der besiedelten Galaxis nimmt die Bedrohung zu ... und militärisch haben die Gegner der Neuen Republik kaum Chancen.
Da bietet sich eine Möglichkeit, den Aggressor zu destabilisieren und eine ausgeglichene Nachkriegsordnung zu schaffen, die den Frieden sichert: Zadiya Ark soll Terra infiltrieren - und Ricardus Bonet ermorden! Denn der ehemalige Admiral ist nicht nur ein alter Bekannter von Ark - er ist auch zu einer zentralen Figur des neuen Regimes aufgestiegen. Und eine seiner engsten Vertrauten ist ausgerechnet Zadiyas Halbschwester Laya ...
Spannende Military-SF-Action: "Sternkreuzer Proxima" von Dirk van den Boom!
Dieser Sammelband enthält die Folgen:
In den Untergrund (13)
Piraten! (14)
Infiltration (15)
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Seitenzahl: 379
Veröffentlichungsjahr: 2024
Digitale Erstausgabe
beTHRILLED in der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe von:
Sternkreuzer Proxima - In den Untergrund
Sternkreuzer Proxima - Piraten!
Sternkreuzer Proxima - Infiltration
Copyright © 2023 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln
Für diese Ausgabe: Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach
Covergestaltung: Arndt Drechsler
ISBN 978-3-7517-4894-0
be-thrilled.de
Dirk van den Boom (geboren 1966) hat bereits über 100 Romane im Bereich der Science-Fiction und Fantasy veröffentlicht. 2017 erhielt er den Deutschen Science Fiction Preis für seinen Roman »Prinzipat«. Zu seinen wichtigen Werken gehören der »Kaiserkrieger-Zyklus« (Alternative History) und die Reihe »Tentakelkrieg« (Military SF). Dirk van den Boom ist darüber hinaus Berater für Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik und Sozialpolitik sowie Professor für Politikwissenschaft. Er lebt mit seiner Familie in Saarbrücken.
Eine verzweifelte Mission im Kampf um den Frieden …
Der Sternkreuzer Proxima hat Zuflucht im randständigen Onyx-System gefunden. Doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis aus dem instabilen Frieden der Nachkriegszeit ein neuer Brandherd entsteht. Denn die von den ehemaligen Kolonialen übernommene Regierung auf Terra stellt immer stärkere Allmachtsansprüche. Auch im Outback der besiedelten Galaxis nimmt die Bedrohung zu … und militärisch haben die Gegner der Neuen Republik kaum Chancen.
Da bietet sich eine Möglichkeit, den Aggressor zu destabilisieren und eine ausgeglichene Nachkriegsordnung zu schaffen, die den Frieden sichert: Zadiya Ark soll Terra infiltrieren – und Ricardus Bonet ermorden! Denn der ehemalige Admiral ist nicht nur ein alter Bekannter von Ark – er ist auch zu einer zentralen Figur des neuen Regimes aufgestiegen. Und eine seiner engsten Vertrauten ist ausgerechnet Zadiyas Halbschwester Laya …
Cover
Titel
Impressum
Vita
Über das Buch
Inhalt
Sternkreuzer Proxima – In den Untergrund
Cover
Grußwort des Verlags
Titel
1
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Sternkreuzer Proxima – Piraten!
Cover
Grußwort des Verlags
Titel
1
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9
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Sternkreuzer Proxima – Infiltration
Cover
Grußwort des Verlags
Titel
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Contents
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DIRK VAN DEN BOOM
IN DEN UNTERGRUND
Folge 13
»Das ist ja alles furchtbar alt.«
Ein unwilliges Grunzen war die Reaktion des Mannes, der neben Marcus Hamilton im flachen Wartungszugang lag und mit der Taschenlampe auf den Kabelbaum leuchtete, an dem sichtlich der Zahn der Zeit genagt hatte. »Was wollen Sie damit sagen, Sie Jungspund?«, schimpfte er. »Alt ist verbraucht? Alt ist verzichtbar? Ich bin zweiundsiebzig und stecke Sie dreimal in die Tasche! Das Alter sagt gar nichts aus! Ich werde hier noch Kabel reparieren, wenn Sie Ihre Urenkel auf den Knien wippen!«
Es war Johann Pesken, der dies mit einer dünnen Fistelstimme von sich gab. Sie hatte in etwa so viel Substanz wie sein dürrer Leib. Marcus hütete sich, ihm einen zweifelnden Blick zuzuwerfen. Der Technikmeister dieser Kolonialstation war sicherlich ein fähiger Mann, aber er war ein bisschen zu stolz für diese heruntergekommene Gegend, zu stolz auf vergammelte Kabelbäume und auch zu stolz auf sich und seine Fähigkeiten.
Aber natürlich hatte Pesken in einem Punkt recht: Er würde so lange arbeiten, bis er eines Tages in einem Wartungsschacht in Ohnmacht fiel und dort vergessen wurde. Er würde selbst zu einem Teil seines großen Werkes werden, das niemals abgeschlossen wurde. Ein technischer Sisyphos, den irgendwann sein Stein überrollen würde. Und es schien, als wollte er es gar nicht anders.
Dennoch, das hier war nicht akzeptabel.
»Das dort ist ein Sicherheitsrisiko«, erklärte Marcus. »Denn das kann alles jederzeit durchschmoren und einen Kaskadenfehler im ganzen System auslösen. Schauen Sie sich doch die Isolierung an! Mein Gott, wann ist hier wohl das letzte Mal eine Grundüberholung durchgeführt worden? Das ist nicht einfach nur alt, das hier ist lebensgefährlich, und zwar für alle Bewohner der Station!«
»Erzählen Sie mir nichts über Kaskadenfehler«, murrte Pesken. »Ich kenne hier jede Ecke und jede Leitung beim Namen. Ich habe sie verlegt, ich besuche sie, wenn es ihnen nicht gut geht. Sehen Sie die blaue Verteilerstelle mit der Notkappe da vorne? Das ist Trudy.«
»Wie bitte?«
»Meine Trudy hat mich noch nie enttäuscht. Nicht wahr, Kleine?«
Die Verteilerstelle antwortete nicht. Marcus war überzeugt davon, dass sie zu sehr damit beschäftigt war, jeden Moment in ihre chemischen Bestandteile zu zerfallen, sodass ihr für ein Gespräch die Kraft fehlte.
»Wir sollten sie austauschen«, schlug er nun behutsam vor. Trudy schien dem alten Mann irgendwie am Herzen zu liegen, tatsächlich wusste Marcus nicht so recht, wie er damit umgehen sollte. Auf jeden Fall sanft. »Ein modernes Kristallmodul hält ewig. Die Proxima hat ein Dutzend davon gespendet. Trudy könnte man … na ja in die Werkstatt geben zur … Erhol…, äh Generalüberholung.«
Empathisch und zugewandt, das war die richtige Taktik. Der Wutausbruch blieb aus.
»Modernes Zeugs. Kristalldingens. Das ist doch Firlefanz. So was haben wir hier noch nie gebraucht. Das wäre ja noch schöner.« Das Gemurmel wurde leiser. Dem alten Mann war trotz der schlechten Beleuchtung anzusehen, was er davon hielt. Mit einem Vertreter dieser verwerflichen Modernität in diesem Schacht zu liegen, musste für ihn ähnlich sein, wie wenn ein Priester mit einem Ketzer eingesperrt würde. Seine schlechte Laune war da nur allzu verständlich.
Für Marcus aber war es auch nicht leicht. Formell war er hier eine Art Gast, solange der genaue Status der Proxima noch nicht verhandelt worden war. Die Verhandlungen waren schon weit gediehen und durch die Zwänge der Wirklichkeit eigentlich nur noch eine Formsache: Das System brauchte den Kreuzer, der Kreuzer brauchte das System.
Pesken war in dieser konkreten Situation aber gewissermaßen der Gastgeber und besaß somit das Hausrecht. Wenn er also der Ansicht war, dass Trudy zur Familie gehörte, waren Marcus die Hände gebunden. Er konnte sie nicht einfach dorthin verfrachten, wo sie seiner Ansicht nach hingehörte: in die Recyclinganlage. Er glaubte nicht einmal, dass sie noch allzu viele Rohstoffe hergeben würde, aber vielleicht ja wenigstens ein paar hilfreiche Bakterien, die beim Zersetzen halfen. Hier waren die kleinen Biester mit ihrer Arbeit jedenfalls bald fertig.
»Ich kann das natürlich nicht entscheiden«, wagte er sich vorsichtig vor.
Der alte Mann nickte sofort triumphierend. »Ganz richtig.«
»Aber schauen wir uns doch mal diese Werte an!«
»Werte?«
Marcus hielt ihm den Multimeter hin. »All die Spikes. Ich meine, da ist nirgends auch nur ein normaler Energiefluss drin. Was würde passieren, wenn wir alle Generatoren gleichzeitig hochfahren, weil die Republik angreift?«
Pesken erwiderte nichts. Er starrte auf die Anzeige, dann auf seine Verteilerstelle, danach kurz vor sich hin. Zahlen und Fakten. Die mussten auch bei einem Mann etwas bewirken, der eine sehr persönliche Beziehung zu Trudy aufgebaut hatte.
»Meinen Sie, dass das passieren wird?«
»Was?«
»Dass … dass die Republik tatsächlich angreift?«
Jede Provokation und jeder Ärger waren aus der Stimme des alten Mannes gewichen. Es war diese düstere Aussicht, die sein wahres Ich zum Vorschein gebracht hatte. Die Angst, die im System umging, seit die Proxima hier Zuflucht gesucht hatte. Der Fall von Khalid sandte Wellen der Erschütterung durch die von Menschen besiedelten Sektoren. Wenn eine Welt wie Khalid den Intrigen Terras so leicht zum Opfer fiel, was würde dann über kurz oder lang aus den anderen werden. Den großen … und den kleinen?
Männer wie Johann Pesken hatten ihr Leben in kleinen Stationen am Rand des besiedelten Raums zugebracht, in diesem Niemandsland mit ein wenig staatlicher Gewalt und viel Wildem Westen. Männer wie er hatten stets hart gearbeitet, und manche waren dadurch zu einem bescheidenen Wohlstand gelangt. Viele hatten die rauen und lebensfeindlichen Systeme, die sie ausbeuteten, zu ihrer neuen Heimat gemacht. Das Ende der Republik hatte einen Schub ungeahnter Freiheiten und Möglichkeiten bedeutet, manchen in eine wilde Aufbruchstimmung versetzt. Doch jetzt sahen hier viele so aus, als hätten sie nach einer langen, durchzechten Nacht einen fürchterlichen Kater. Die Ankunft der Proxima hatte allen deutlich vor Augen geführt, was sie bisher nicht hatten glauben wollen.
Pesken machte da keine Ausnahme. Er war alt. Er wollte, dass es wieder so wurde wie früher, als man die Risiken des Lebens zwar nicht ausblenden, aber immerhin kalkulieren konnte. Kaputte Systeme, Unfälle, Versorgungsprobleme, eine gelegentliche Schlägerei, etwas Schmuggel, Dates mit Trudy und hier und da eine Polizeiaktion – Risiken, ja, aber bekannte Risiken. Jetzt aber war plötzlich alles anders, und Marcus hatte diesen Mann soeben unabsichtlich an diesen unangenehmen Umstand erinnert. Er hätte es vielleicht besser für sich behalten sollen.
Aber gesagt war gesagt. Und es war die Realität. Sich vor ihr in Wartungsschächten zu verkriechen, würde das Problem auch nicht lösen.
»Wir reparieren es, oder?« Marcus fragte sicherheitshalber. Pesken grummelte etwas, nicht gänzlich unverständlich, aber verzerrt durch den dicken Randweltakzent, in den langsam, aber sicher ein eigenes Vokabular Eingang gefunden hatte. Noch ein paar Hundert Jahre, und das hier gesprochene Standard würde für jemanden wie Marcus weitgehend unverständlich sein – außer er blieb hier hängen und gewöhnte es sich auch an.
Was durchaus passieren könnte.
»Ja«, grummelte der Mann schließlich, als Marcus’ ruhiges Abwarten ihm signalisierte, dass seine Botschaft noch immer nicht angekommen war. Es war aber nur noch schwacher Widerwille in seinen Worten zu spüren, eine nachlassende Kraft, vielleicht so etwas wie Fatalismus, wenn man es von einer dramatischen Seite betrachten wollte. »Ja«, kam es zerknirscht heraus, »wir reparieren es mit einem eurer komischen modernen Module. Kristall oder so was. Hm, was passiert eigentlich, wenn das mal ausfällt?«
»Dann setzen wir einfach ein neues ein.«
»Ah!« In Peskens Augen blitzte es auf. »Und die Ersatzteile kommen dann woher?«
Eine ausgezeichnete Frage. Es gab in der ganzen Bergwerkstation fünf Industriedrucker, die viele Ersatzteile herstellen konnten, aber diese Geräte wurden ständig beansprucht. Zwei Dutzend Schiffe voller Exilanten von drei verschiedenen Welten waren in den letzten Wochen hier angekommen, alles Flüchtlinge von Planeten, auf denen Agenten der Republik für eine Veränderung der politischen Prioritäten gesorgt hatten. Vertreter alter Regime – die doch im Grunde so alt noch gar nicht waren – und ihre Familien, Soldaten, die sich der Republik nicht hatten anschließen wollen, einige wohlhabende Leute, die Enteignung befürchteten, da sie sich nach dem Auseinanderbrechen der alten Ordnung zu sehr in der neuen engagiert hatten – es war ein ziemlich buntes Sammelsurium.
Und die ganze unerwartete Flotte brauchte ihre eigenen Ersatzteile, um funktionsfähig zu bleiben. Derzeit waren drei der fünf Drucker nur damit beschäftigt, sich selbst zu replizieren, um die Produktionskapazität insgesamt zu erhöhen. Marcus wusste das ganz genau, denn Margie war zur Chefin dieses zentralen Projektes ernannt worden. Auf der Proxima gab es keine Zweite, die sich mit dieser Technologie so gut auskannte wie sie.
Er vermisste Margie. Sie sahen sich viel zu selten. Und der Dienst, so schien es, endete nie. Er hatte aber läuten gehört, dass sie bald wieder zusammen zu einem Einsatz aufbrechen würden. Die Proxima wurde aktuell startklar gemacht. Es stand ihnen also eine kleine Reise bevor.
»Ich sage dir, was passieren wird«, sprach der Alte, während er Marcus bei der Arbeit zusah. Das neue Kristallmodul passte gut und war ohne jeden Zweifel flotter als Trudy, ein richtiges Glanzstück. Selbst den Veteranen der Wartungsschächte schien das zu beeindrucken.
Oder auch nicht. »Irgendwann gehen euch diese schicken Module aus, und dann ruft ihr mich und wollt, dass ich meine Trudy wieder einbaue. Und noch mehr wie sie. Weil sie simpel sind und ruckzuck funktionieren. Denn keiner von euch Schnöseln versteht wirklich, was in diesen versiegelten Modulen drinsteckt.«
Marcus schüttelte den Kopf. »Mein Modul wird uns alle überleben.«
»Auf deine Statistik scheiße ich, mein junger Freund.«
Er hatte nicht völlig unrecht. Die modularisierte Bauweise war darauf ausgerichtet, alles schnell reparieren zu können. Viele Techniker wussten tatsächlich nur theoretisch, was in den genormten Elementen alles steckte. Marcus aber gehörte nicht zu dieser Sorte. Er bastelte ständig an alten und ausrangierten Modulen herum, um genau zu verstehen, wie diese tickten. So gesehen unterschied er sich nicht allzu sehr von Pesken, der zweifelsohne ebenfalls gerne Hand anlegte. Marcus war, wie er ernüchtert feststellte, einfach nur eine jüngere und vielleicht etwas flexiblere Version des alten Mannes, der entspannt neben ihm lag und nichts tat außer meckern. Für einen Moment sah Marcus sich selbst, gebeugt, geschrumpft, gealtert, in einem Wartungsschacht liegend, wie er mit brüchiger Stimme einen jungen Techniker anmaulte. Hatten wir noch nie. Wäre ja noch schöner. Welch ein schrecklicher Gedanke!
Marcus nahm sich vor, Margie darum zu bitten, ihn sofort zu erschießen, sollte er sich jemals in diese Richtung entwickeln. Das war sie ihm einfach schuldig, wenn sie ihn liebte. Der Gnadenschuss. Manchmal sollte man das Leid nicht unnötig hinauszögern.
Er war nun fertig. Das Multimeter summte sehr zufrieden, alles war grün, die Energielinien liefen da, wo sie hingehörten, keine Spikes, keine Risiken, von den allgemeinen der menschlichen Existenz einmal abgesehen. Marcus zeigte Johann die Anzeige, ein stummes »Ich habe es doch gesagt!«, und genau so kam es auch an. Der Alte grunzte irgendwas, wahrscheinlich etwas sehr Despektierliches, nickte dann aber, denn er musste anerkennen, dass das moderne Zeugs genau das tat, was Marcus angekündigt hatte. Es funktionierte.
Pesken verpackte die deinstallierte Trudy, schlug die leicht angegriffenen Plastik- und Metallreste sorgfältig in eine Art Packpapier ein, zerknittert an den Enden, sodass es ein wenig wie ein überdimensioniertes Knallbonbon aussah. Angesichts der Gefahr, die von Trudy im Dauerbetrieb ausging, war dieser Vergleich nicht einmal besonders abwegig. Marcus konnte sich irren, aber die Bewegungen des Alten waren fürsorglich, fast zärtlich gewesen. Die Verteilerstelle würde wohl nicht im Recycling landen, sondern sich der ungeteilten Aufmerksamkeit ihres Verehrers auf Peskens Werkbank erfreuen. Marcus gönnte es ihm und ihr gleichermaßen.
»Sie wollen das Ding aufbewahren?«, fragte Marcus dennoch mit einem zweifelnden Unterton.
»Die Kleine ist noch gut.«
»Das bezweifle ich.«
»Zweifel sind ein Vorrecht der Jugend. Ich bin alt, ich nehme einen Schluck und weiß Dinge.«
Pesken klopfte zur Bestätigung auf seine Brusttasche, in der ein Flachmann steckte, der die Berührung mit einem metallischen Klink-Ton erwiderte. Enthalten war, je nach Sichtweise, ein hochprozentiger selbst gebrannter Schnaps aus der Hobbydestillerie von Pesken und seinen Kollegen oder ein hochwirksames Lösungsmittel, das Plastikreste auf Metallflächen ablöste. Die Tatsache, dass es sich ungeachtet der Sichtweise um ein und dieselbe Flüssigkeit handelte, hatte Marcus dazu bewogen, jede Einladung zu einem Schluck mit freundlicher Beharrlichkeit abzulehnen. Bisher war ihm das leichtgefallen. Aber wer wusste schon, was noch kommen würde?
»Sind wir hier fertig?«, fragte Marcus, um sich nicht auf eine weitere unerquickliche Diskussion einlassen zu müssen.
»So weit, so gut.« Pesken schaute auf einen zerknitterten Notizzettel. »Nahrungsautomat auf Ebene 3, Sektion D ist ausgelaufen. Reinigungsroboter haben die Grütze schon weggewischt, aber wir sollen das reparieren.«
»Das ist nicht mein Aufgabengebiet«, wandte Marcus ein. Das war formal richtig. Er hatte es trotzdem schon oft genug gemacht, um zu wissen, dass es ein ziemlich widerlicher Vorgang war. Hatte ein Automat einmal die organische Komponentsoße ausgespuckt, aus der eine breite Palette an Mahlzeiten »zubereitet« wurde, hieß das im Regelfalle, dass sie auch überall in der Maschine steckte. Und das Zeug fing, hatte es einmal die Druckpatronen verlassen, sehr schnell an zu stinken.
»Das macht nichts. Es ist ein Notfall. Die Anwohner beschweren sich schon. Der Automat soll übelst müffeln.«
Pesken grinste. Ja, das fand er amüsant. Oder, um genauer zu sein: Marcus’ leidender Gesichtsausdruck erfreute ihn.
Der Techniker der Proxima schaute auf seine Uhr. Ihm stand noch eine lange Schicht bevor. Vielleicht würde er nachher doch noch einen Schluck aus dem Flachmann nehmen. Es hörte sich so an, als würde er den nötig haben.
Ark verließ den Bürotrakt der Administratoren von Onyx mit einem Gefühl der Erleichterung. In den letzten Wochen war die Regierung hier gewachsen. Gesprächspartner hatten gewechselt, nachdem allgemeine Panik ausgebrochen war. Die Situation war kritisch. Flüchtlinge belagerten die begrenzten Ressourcen, Stationen und Habitate füllten sich, Schiffe schlossen sich zu behelfsmäßigen Stationen zusammen.
Sie hatte erst an diesem Morgen ein Netz aus fünf Frachtern erblickt, die durch Tunnel miteinander verbunden waren und damit den freien Verkehr zwischen ihren Schiffen ermöglichten. Die Leute wollten sich bewegen. Sie hassten es, auf engstem Raum zu hocken. Nur so konnte ein Koller vermieden werden. Doch durch diese prekäre Situation entstand auch eine neue Qualität in der politischen Führungsriege, denn die Administratoren waren gezwungen, andere Anforderungen zu erfüllen.
Die Proxima spielte dabei ihre Rolle. Genau das war eben das Thema gewesen.
Das Gespräch war gut verlaufen, viel besser als erwartet, wenngleich Ark da lieber nicht voreilig sein wollte. Was sie erreicht hatte, war, vorerst einen sicheren Hafen für die Proxima gefunden zu haben – doch auch hier war das Gefühl der Sicherheit eher trügerisch, denn alle gingen davon aus, dass die Republik früher oder später alle Renegatensysteme angreifen würde, um sie sich einzuverleiben. Es war mehr als ein Asyl, was sie erhalten hatte. Die Proxima war zum Rückgrat der Systemverteidigung geworden und Ark damit, wenn auch etwas widerwillig, zur Oberkommandierenden.
Sie machte sich keine Illusionen, wie sie zu diesem Amt gekommen war. Es gab niemand anders, der über vergleichbare Erfahrung verfügte sowie die Bereitschaft, sich voll und ganz diesem Wahnsinn zu widmen. Ein System wie dieses zu verteidigen – ohne eine echte Kampfflotte – war eine große Herausforderung. Aber sie hatten bereits Pläne gemacht und sammelten fleißig Ressourcen. Sie würden bereit sein.
Sie mussten es. Die Alternative wäre, sich auf den Rücken zu legen, alle viere von sich zu strecken und darauf zu hoffen, dass es nicht allzu wehtat? Niemand hier zog dies ernsthaft in Erwägung. Die Leute auf den Randwelten waren freiheitsliebend bis hin zu anarchistischen Tendenzen, und die neue Regierung auf Terra erweckte nicht den Eindruck, als wäre sie bereit, derlei zu dulden. Also war die Widerstandsbereitschaft groß. Bis auf Weiteres.
Ark hatte gelernt, nicht mehr auf eherne Wahrheit und eiserne Entschlossenheit zu bauen, sie kannte die Menschen in positiver wie negativer Hinsicht als wankelmütig. Sich selbst nahm sie da nicht aus. Aber sich der Republik ergeben, nein, der Gedanke war viel zu absurd, um auch nur einen Moment ernst genommen zu werden.
»Captain?«
Sie war nur wenige Schritte gegangen und nicht in Alarmbereitschaft. In der Hauptstation der Bergwerkskolonie wurde sie öfter angesprochen, häufig mit Fragen, auf die sie keine Antworten wusste. Vielleicht war es die Uniform, vielleicht ging ihr ein gewisser Ruf voraus – so richtig konnte sie es nicht abschätzen. Sie wusste ja nicht mehr als alle anderen. Sicher, sie hatte möglicherweise ergänzende Fakten, aber die Schlussfolgerungen daraus waren nicht ergiebiger als die eines Stationstechnikers.
Der Mann, der sie gerade angesprochen hatte, sah jedoch nicht wie ein Techniker aus. Er trug etwas abgetragene Bürokleidung, einen einfachen Anzug, der seine besten Tage noch nicht so lange hinter sich hatte, wie es auf den ersten Blick aussah. In Arks Bewusstsein fiel der Mann mit seinem schmalen Gesicht und den tief in den Höhlen liegenden Augen spontan unter die Kategorie »Flüchtling«.
Man sah hier überall Fremde. Denn beinahe täglich kamen Schiffe an mit Menschen, die die »Befreiung« ihrer Heimat durch die Republik als Anlass gesehen hatten, sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. Alle wirkten sie hungrig, und es gab gerade noch genug zu essen, um nicht zu sterben. Das sollte sich schnell ändern, aber wie? Selbst wenn Ark von der hiesigen Verwaltung einen Kaperbrief bekam, war doch die Aussicht, auf Raubzug zu gehen, mit ihrem Selbstverständnis als Offizierin nur schwer vereinbar. Es blieb die Hoffnung, dass es niemals so weit kommen würde.
»Was kann ich für Sie tun? Ich muss wirklich …«
»Nur auf ein Wort«, sagte der Mann. Seine Stimme war sanft, fast einschmeichelnd. »Ich soll Ihnen Grüße von Laya ausrichten.«
Das traf Zadiya Ark mitten ins Herz. Sie merkte für einen Moment gar nicht, dass sie starr dastand und den Fremden anstarrte, wie gelähmt, ganz erfüllt von dem Klang dieses Namens und der Resonanz, die dadurch in ihrem Innersten ausgelöst wurde. Sie hatte diesen Namen tief in sich begraben, und da war sie nicht die Einzige. Auch ihre Eltern erwähnten ihn so selten wie möglich. Niemand in der Familie wollte von Laya hören, und manche taten so, als hätte man sie bereits vergessen.
Aber wie konnte sie ihre Halbschwester vergessen? Das war unmöglich. Verdrängen, ja. Zuschütten mit angenehmeren Erinnerungen, mit Gedanken an nette Menschen, an liebenswerte Verwandte. An all jene, für die man leicht Zuneigung empfinden konnte. Bei Laya ging das nicht, aber die bloße Erwähnung hatte all den Schutt beiseitegeräumt. Da war sie wieder. Ark konnte offenbar niemals richtig vor ihr davonlaufen.
Schlechter Ort, noch schlechterer Zeitpunkt. Aber hatte sie eine Wahl?
»Setzen wir uns?«, fragte der Mann und zeigte auf ein nahes Automatencafé, eine karge, aber leistungsfähige Schenke für die Arbeiter und Angestellten dieses Distrikts, mit verblassenden Fotos von fremden Welten an den Wänden, vorzugsweise Strand- und Bergszenen. Sehr idyllisch, mit Fernweh und etwas Wehmut aufgeladen. Öffentlich. Kein Ort, an dem man jemanden überfiel oder verprügelte. Ark willigte ein, reagierte fast so automatisch, wie die Anlage Nahrung zubereitete.
Sie tasteten sich einen Kaffee sowie ein generisches Trockengebäck, das nicht nur beim Ansehen heftige Assoziationen mit einer Sandwüste auslöste. Um diese Zeit war nicht viel los, es herrschte normaler Schichtbetrieb, und im aktuellen Notzustand gab es niemanden, der sich langweilte. Gelegentlich holte sich einer der spärlichen Gäste ein Getränk, aber ansonsten war wenig los. Ark bestand auf einem Zweiertisch mit Fensterplatz, und ihr unbekannter Begleiter hatte keine Einwände. Das hätte sie eigentlich beruhigen sollen. Stattdessen empfand sie eine starke Anspannung.
Laya. Woher kannte er Laya? Natürlich konnte er ein Freund sein, vielleicht sogar ein Verwandter, eine verflossene Liebe womöglich oder einfach noch jemand, der sich durch ihre Halbschwester angepisst fühlte. Denn das war Layas Superkraft: Menschen vergrätzen. Verletzend sein. Sie hatte es mit ihrer Familie geschafft, warum nicht auch mit dem Rest der Welt?
»Grüße von Laya«, sagte sie schließlich, fast schon wie in einem Akt der Selbstüberwindung. »Sie kennen also meine Schwester?«
Der Mann lächelte und schüttelte dann sanft den Kopf.
»Kennen ist zu viel gesagt. Ich weiß, dass sie existiert und wie sie zu Ihnen steht. Wissen Sie, was nach dem Sieg der Kolonialen aus ihr geworden ist?«
»Ich weiß nicht einmal, was sie vor dem Sieg getan hat. Sie hat sämtliche Beziehungen zur Familie gekappt. Nein, ich korrigiere mich: Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Wenn Sie sie nicht persönlich kennen, dann darf ich Ihnen dazu gratulieren.«
Der Mann hob die buschigen Augenbrauen, die sein gesamtes Gesicht in Schatten zu legen schienen, und nahm einen Schluck Kaffee. »So schlimm? Aber es sollte mich nicht überraschen. Ich kann Sie auf den aktuellen Stand bringen, wenn Sie wollen: Sie hat zuletzt als Referatsleiterin im Versorgungsministerium gedient, direkt dem Notkabinett zugeordnet.«
Notkabinett nannte sich die Regierung der Republik, die es aus unerfindlichen Gründen noch nicht geschafft hatte, Wahlen abzuhalten. Ark war aus den gleichen unerfindlichen Gründen der Überzeugung, dass es diese Wahlen auch niemals geben würde. Dass Laya an verantwortlicher Position dem Regime diente, war für sie in etwa so überraschend wie die Tatsache, dass ihr trockenes Gebäck bei der ersten Berührung zu zerbröseln begann. Sie hatte ohnehin keinen Hunger.
»Verstehe«, sagte sie. »Und Sie? Wer sind Sie, und warum genau führen wir dieses Gespräch?«
»Ich bin das Gegenteil des Notkabinetts.« Der Mann schaute durch das Fenster auf den breiten Flaniergang davor. Die große Bergwerkstation tat so, als wäre sie ein richtiges Habitat, mit einer breiten Promenade und grünen Plastikpflanzen. Es war nicht sehr überzeugend. »Ich bin ein Mitglied des Widerstands, Captain Ark. Ich will Ihre Intelligenz nicht beleidigen, indem ich irgendeinen fadenscheinigen Namen sage, aber zum Zwecke dieses Gesprächs können Sie mich Smith nennen.«
»Selbstverständlich Smith. Wie könnte es anders sein?«
»Ich darf Sie aber von Captain Doran Hamad grüßen. Er hat sich von Khalid gerettet und befindet sich nun auf Terra.«
Ark seufzte. Hamad. Ein alter Freund, in der Tat. Sie hatte ihn zuletzt gesprochen, als die entscheidende Schlacht im Bürgerkrieg begonnen hatte, als sie die Flottenverbände vorbereiteten, die nach dem Fall von Terra in die Kolonien entfliehen und dort eine neue Heimat finden würden. Er lebte anscheinend immer noch, hatte alle Wirren überstanden. Das war eine Erleichterung, wenn Smith nicht log. Jemand, der sich Smith nannte, war zu Lügen durchaus in der Lage.
Der Mann reichte ihr seinen Kommunikator. »Hier. Eine Aufzeichnung für Sie. Er wird Ihnen nicht sagen, warum ich hier bin – er weiß es selbst nicht genau –, aber er wird Ihnen Dinge mitteilen, die nur Sie wissen können. Sie müssen einen Retinascan durchführen und dort Ihren Zeigefinger draufdrücken, um die Nachricht abzuspielen.«
»Das Gerät will auch einen Code.«
»Den kenne ich nicht. Hamad meinte, es würde Ihnen etwas sagen, dass Sie beide gemeinsam einen Mojito getrunken haben. Damit kann ich leider nicht so viel anfangen.«
Ark lächelte und gab eine Zahlenfolge ein. Das »2001« war die Bar, in die sie während der gemeinsamen Akademiezeit immer ihre Absacker nach einem langen Tag intensiven Lernens zu sich genommen hatten, manchmal auch mehr als einen. Hamad hatte sie damals mit dem Konzept eines guten Mojitos vertraut gemacht, eine stille Leidenschaft, der sie heute noch mitunter frönte.
Die Nachricht war knapp, das Gesicht des Mannes vertraut, seine Stimme, sein Lächeln. Es gab einen Grund, warum sie damals was miteinander gehabt hatten, sogar mehrere. Ark fühlte den Stich in ihrem Herzen, der ihr signalisierte, dass sie dieses Maß an Vertrautheit schon lange nicht mehr empfunden hatte. Hamad redete, leutselig, als ob sie sich wieder im 2001 gegenübersitzen würden. Er sprach von Dingen, die sie damals geteilt hatten, intimen wie weniger intimen, aber in jedem Falle von einer Kette absolut einmaliger Begebenheiten, die kein Geheimdienst der Welt hätte herausfinden können. Die gut fünf Minuten lange Schilderung endete mit einem nachdrücklichen Rat: »Du musst Smith nicht vertrauen, aber hör ihm bitte bis zum Ende zu und triff dann deine Entscheidung.«
Dazu war sie nun bereit. Einen besseren Leumund hätte sich der Mann mit den buschigen Augenbrauen gar nicht verschaffen können.
»Erst einmal Folgendes, Captain: Sie sind in Gefahr.« Smith sagte es mit einem tiefen Ernst in der Stimme, den Ark eher belustigend fand. Denn wenn sie auf die letzten Monate zurückblickte, gab es kaum einen Moment, in dem das nicht der Fall gewesen war.
»Das gesamte System ist in Gefahr und damit auch ich, weil ich mich hier aufhalte«, entgegnete sie deshalb.
»Das meine ich nicht. Ich rede von Ihnen ganz persönlich. Bonet will Sie tot sehen. Er hat Befehle gegeben, die ganz klar Ihren Namen enthalten. Ich weiß nicht, was alles vorgefallen ist, weshalb der Admiral nun eine so starke persönliche Abneigung gegen Sie hat, aber es scheint, dass er seine Machtfülle einsetzen möchte, um diese auszuleben.«
»Machtfülle?«
»Sie haben es noch nicht gehört? Bonet ist im Kriegskabinett zum stellvertretenden Präsidenten ernannt worden.«
Ark schüttelte den Kopf. Es musste sich um eine brandneue Entwicklung handeln, denn diese Nachricht hatte es noch nicht bis ins Outback geschafft. Überrascht war Ark allerdings nicht. Bonet war ein ambitionierter Mann, das war ihr klar. Dass er jetzt sie persönlich ins Fadenkreuz nahm, war unangenehm, aber noch keine Überraschung. Damit war wohl zu rechnen gewesen. Krieg war immer auch etwas Persönliches.
»Ich werde Vorbereitungen treffen.«
Smith nickte. »Das ist weise, aber ich biete Ihnen eine alternative Möglichkeit an. Etwas … weniger Defensives.«
»Sie machen mich neugierig.«
Smith nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Den Kuchen inspizierte er weiter mit berechtigtem Misstrauen und rührte ihn nicht an. Dann wandte er sich wieder Ark zu.
»Wir wollen Bonet töten. Mindestens ihn. Wenn möglich, noch mehr von seiner Sorte.«
Es waren harte Worte, fast beiläufig ausgesprochen, aber ja, damit hatte er sie natürlich. Bonet töten, das war nichts, womit Zadiya Ark irgendein Problem hatte. Eine Erschütterung der Macht der Republik. Ein psychologischer Schlag. Die Logik eines solchen Vorgehens war ihr nicht fremd. Aber warum ausgerechnet sie … doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Das kam davon, wenn man die Existenz der Halbschwester erfolgreich verdrängte, sie aus der Erinnerung zu tilgen versuchte. Man vergaß, was sie miteinander verband. Es mochte eine schwierige Erkenntnis sein, aber ja: Es gab etwas Verbindendes.
»Ich ahne, warum Sie mit mir reden«, erwiderte sie also. »Meine Halbschwester und ich sind sehr unterschiedliche Menschen, aber wir haben eine sehr ähnliche DNA , und wir sind uns vom Aussehen her verdammt ähnlich.« Das kam davon, dass ihr Vater, Seitensprung hin oder her, einen ganz bestimmten Typ Frau bevorzugte. Er hatte, so bitter das auch klingen mochte, ihre Mutter mit einer jüngeren Variante ihrer selbst betrogen. Das Ergebnis war zumindest dem äußeren Anschein nach eine jüngere Variante von Zadiya Ark geworden.
»So ist es. Wir haben die Absicht, Laya DeWinter zu ersetzen – durch Sie, Captain Ark.«
»Sie trägt immer noch den Namen Ihres Ex-Mannes?«
Ihr Gesprächspartner lächelte. »Ich glaube, es wäre im Moment keine gute Idee, ihren alten Familiennamen zu tragen – ich glaube, Bonet reagiert auf so was sehr irrational. Und Laya DeWinter möchte Karriere machen, seien Sie dessen versichert.«
»Also hat sich nichts geändert.« Ark seufzte. »Einen Anschlag? Auf Terra? Das hört sich hochriskant an.«
»Wir sind nicht alleine. Der Unmut in der alten Heimat wächst. Manche äußern ihn offen und werden mit entsprechenden Konsequenzen konfrontiert. Die Gefängnisse füllen sich. Leute verschwinden, ohne dass jemand weiß, was aus ihnen geworden ist. Andere ziehen sich in die innere Emigration zurück, machen sich unsichtbar und schweigen, fressen Angst und Abneigung in sich hinein. Und die dritte Gruppe …«
»… will etwas tun, macht aber nicht den Fehler, einfach nur Kritik zu üben, weil das offenbar in diesem Stadium der Entwicklung nichts mehr nützt?«, vervollständigte Ark seinen Satz.
»Ganz genau. Es ist immer noch Krieg. Wir verhalten uns exakt so, wie man sich in einem solchen Fall eben verhält. Wir gehen die Risiken ein, die sich lohnen, und sind ansonsten brave Bürgerinnen und Bürger. Und wir haben einen Plan.«
»Einen guten, hoffe ich.«
Der Mann lächelte erneut und zuckte dann mit den Achseln. »Ich weiß nicht. Wollen Sie ihn sich anhören?«
Was für eine Frage!
Es war furchtbar peinlich.
Leute, die Vara nicht kannten, waren gewiss der Ansicht, dem Mann sei nie etwas peinlich. Seine Physiologie und die Art und Weise, wie er auftrat, unterstützten diesen Eindruck. Seine Dienstakte sprach ebenfalls eine eindeutige Sprache: Risikoeinsätze, vorderste Front, Auszeichnungen für Tapferkeit und Opfermut und Einsatzbereitschaft. Einer, der nie Nein sagte, einer, der immer bereit war. Ein harter Mann, ein Krieger. Jederzeit fähig, Blut zu vergießen, gerne auch mal unnötig, aber dabei absolut mit sich im Reinen. Jemand, der Schwäche nur bei seinen Feinden schätzte, als etwas, das es auszunutzen galt. Ein kalter Hund. Und so weiter. Bla, bla, bla.
Völlig falsch war das nicht. Disziplin war etwas, das Vara gut kannte und auf eine Weise verinnerlicht hatte, die vielleicht auch nicht mehr gesund war. Das Rückgrat aus Granit, immer durchgedrückt, immer aufrecht, auch dann, wenn es gerade mal wieder schlimm wurde. Das gehörte zu ihm, und er konnte gut damit leben, denn es hatte ihm dazu gedient, selbst gut zu dienen. In Ordnung also.
Ansonsten aber stimmte es nicht ganz. Das Problem war: Wie gut war ein Mann, der seit Jahrzehnten den sprichwörtlichen Stock im Arsch hatte, darin, Gefühle auszudrücken, die nichts mit kontrolliertem Ärger oder stiller Zufriedenheit über geleistete Arbeit zu tun hatten? Das war eine Frage, vor der er gerade stand, und genau deswegen war es einfach nur peinlich.
Er schaute auf den Teller mit dem Essen vor sich. An der Qualität war nichts auszusetzen. Ein gutes Restaurant, soweit diese Station über so etwas verfügte, jedenfalls mit einer Küche, die sich redlich Mühe gab. Das wollte er anerkennen. Sandra von Kampen saß ihm gegenüber, und sie erfüllte zweifellos alle Kriterien einer angenehmen Gesellschaft, sonst hätte er sie auch gar nicht eingeladen.
Die Ärztin aß nicht so lustlos wie er, ganz im Gegenteil: Ihre Fortschritte bei der Vernichtung der großzügig bemessenen Portion übertrafen die seinen deutlich. Sie schien sich der inneren Pein, die ihn vom Essen abhielt, nicht bewusst zu sein. Oder sie freute sich irgendwie darüber, dass es ihm nicht so gut ging. Sie hatte ja bereits einmal geäußert, was sie vom Krieg und von Kriegern hielt, und in beiden Fällen war das Urteil vernichtend ausgefallen. Was machte er hier eigentlich?
Diese Frage war irgendwie auch peinlich, aber nicht der wahre Grund für seine Zwangslage. Der wahre Grund lag woanders: Vara bekam den Mund nicht auf. Für das Essen schon, aber leider nicht für das, was man gemeinhin unter Small Talk verstand, das Warmreden, bevor man über die wichtigen Dinge sprach, wie z. B. Gefühle, die sich irgendwo hinter dem Stock in seinem Arsch versteckten. Aber wie sollte man diese ansprechen, wenn das Warmreden schon nicht funktionierte? Nicht einmal zur Mahlzeit wollte ihm etwas einfallen!
»Die Erbsen sind ganz schön groß!«, war noch der intelligenteste Satz, der ihm in den Sinn kam, der es zum Glück aber nicht über seine Lippen geschafft hatte. Erbsen. Ja, sie waren groß. Ach, es war schwierig.
So hatte er sich das nicht gedacht. Eigentlich hatte er sich gar nichts gedacht. Sei spontan, hatte er sich gesagt. Geh mit dem Flow! Lass dich auf die Situation ein! Lebe im Augenblick! Das hatte vor der Verabredung mit der Bordärztin sogar ansatzweise vernünftig geklungen, erwies sich nun aber als grundfalsch. Ein Date, so war nunmehr seine Überzeugung, war wie eine taktische Planung für Feindkontakt in einem begrenzten Raum zu einem vorher definierten Zeitrahmen. Alle Faktoren waren zu berücksichtigen, alle Eventualitäten zu berechnen, und die Reaktionszeit …
»Sie mögen keine Erbsen?«
Vara blinzelte. »Oh doch. Sie sind … groß.«
Von Kampen nickte gemessen. »Sie quälen sich hier, Colonel. Sie schauen mich nicht an. Sie schauen die Erbsen nicht an. Sie bewegen die Schultern, als wäre Ihnen die Uniform zu eng, die sie doch nicht einmal anhaben. Schönes Hemd übrigens.«
»Danke. Es … wurde mir empfohlen.«
»Sie waren für diese Verabredung extra einkaufen?«
»Meine Garderobe ist übersichtlich und nicht immer für alle Anlässe geeignet.«
Die Ärztin lachte. »Anlass. Das hier ist keine Beförderungszeremonie. Auch kein Militärgerichtsverfahren.«
»Es fühlt sich so an.«
»Das sehe ich.«
Von Kampen goss sich etwas Wein ein. Vara vermutete, dass es guter Wein war. Auf jeden Fall war er teuer. Die Frau schien zufrieden. Immerhin eine Sache, die er gut geplant hatte.
»Was Sie damals unter der Kontrolle des Lügendetektors gesagt haben, treibt Sie sehr um«, kam sie schließlich zum Kern der Sache. »Sie hätten lügen können, und vielleicht hätte der Detektor es nicht bemerkt.«
Er war irgendwie erleichtert, dass sie ihm auf ihre Art die Bürde abnahm. Es fiel ihm nun leichter zu antworten.
»Ich bin gut, aber nicht so gut. Die Wahrheit half, sie hat auch jene aus dem Konzept gebracht, die uns verhört haben.«
»Und Sie selbst.«
»Aber Sie nicht?«
Von Kampen lächelte wieder. Sie wirkte so entspannt und gelöst, Vara empfand einen tiefen Neid für diese Fähigkeit. Er war so verkrampft, dass selbst seine Krämpfe Krämpfe bekamen.
»Ich bin Ärztin, habe gegen meinen Willen in einem Krieg gedient, habe den allerersten Erstkontakt der Menschheit mit außerirdischen Zivilisationen überlebt – und damit einen weiteren Krieg – und bin jetzt hier, mehr oder weniger heimatlos, und stehe, wenn ich das richtig sehe, direkt vor einem dritten Konflikt. Ich kann nicht mehr aus dem Konzept gebracht werden, denn ich habe gar keines mehr. Kein Konzept von Sicherheit, keines von Heimat, keines von Ruhe, keines von einem normalen Alltag. Wissen Sie, was die einzige Konstante ist, die mich einigermaßen bei geistiger Gesundheit hält?«
»Ihre Arbeit«, kam seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. Von Kampen schürzte die Lippen, als müsste sie einen Moment über diese Möglichkeit nachdenken, dann aber sagte sie: »Nein, das ist es nicht. Es sind die Leute, die um mich herum sind. Die vertrauten Gesichter der Crew. Jene, die ich nicht mögen muss, mit denen ich aber verbunden bin, durch die Umstände, die Ereignisse und die Gefahren der Zukunft. Leute wie Sie, Vara.«
»Ah«, machte der Mann. Er war verwirrt und zeigte das auch. »Nicht mögen muss« machte ihn besonders unsicher.
»Es ist egal, was Sie damals gesagt oder gemeint haben. Es muss Ihnen nicht peinlich sein. Wir sind weiterhin aufeinander angewiesen, und das wird sich nicht ändern. Wir sind eine Familie, jedenfalls sehe ich das so. Und es ist sonst niemand mehr da außer uns. Vielleicht ändert sich das eines Tages – ja, ich hoffe es natürlich. Aber was wissen wir schon? Eines weiß ich: Sie sind jetzt ein fester Bestandteil meines Universums, und wenn es Ihnen nicht gut geht, wenn Sie sich schwertun, wenn Sie an etwas leiden – körperlich oder mental –, dann geht es auch mich etwas an. Ich bin nicht nur die Bordärztin.«
»Ja«, sagte Vara nun. Das verstand er. Es beschrieb sein bisheriges Leben. Die Kompanie, die Schiffscrew, die Pflicht als Familie oder Familienersatz, als sein Universum. Und von Kampen gehörte dazu. Gut, damit konnte er leben. Es machte das Gesagte aber nicht ungesagt. Es machte es leichter, seine Erbsen zu essen, aber dieser sanfte Druck auf sein Bewusstsein, das Bedürfnis, die Sache zu klären, blieb. Denn er hatte seine Worte damals ernst gemeint. Er liebte diese Frau, die doch alles ablehnte, wofür er stand und sein Leben lang eingetreten war. Und er wollte gleichzeitig wissen und nicht wissen, was sie darüber dachte. Es genügte also noch nicht. Und dennoch würde er froh sein, wenn dieser Abend endete, ohne dass sie klar gesagt hatte, was sie von seinem Bekenntnis wirklich hielt.
Er musste etwas erwidern. Es war doch albern, dass er jetzt diese Möglichkeit verstreichen ließ. Also riss er sich zusammen. Disziplin war doch sein Credo! Diese Frau wollte ihn nicht einmal umbringen! Sie war keine Feindin! Das musste doch etwas wert sein!
Sein Kommunikator piepste. Er sah sofort, wer es war. Und so rettete ihn, einmal mehr, die Pflicht. Vara fühlte sich erleichtert, aber nicht erlöst. Es war ihm klar, dass er jetzt etwas Wichtiges unvollendet ließ. Er sah von Kampen um Entschuldigung bittend an, doch die Frau war ohne Vorwurf. Keine Feindin. Viel zu verständnisvoll. Das machte es jetzt eher schwieriger.
»Captain?«
»Vara, störe ich?«
»Nun … ja.«
Schweigen auf der anderen Seite, dann ein Seufzen. »Ich muss Sie sprechen. Sie dürfen mich dann beschimpfen, aber wir müssen reden.«
Ihr Unterton war unverkennbar. Ark rief nicht an, weil sie Langeweile hatte.
»An Bord der Proxima ?«, fragte er.
»Nein. Am Platz in Distrikt 2 unter diesem albernen Plastikbaum.«
»Ich weiß, was Sie meinen. Geben Sie mir zehn …« Er sah die Ärztin an. »… zwanzig Minuten.«
Ark schaltete ab.
»Captain Ark?«, fragte die Ärztin. Sie war ernsthaft interessiert, ein wenig besorgt, und das aus gutem Grund. Ark war nicht dafür bekannt, über eine militärische Leitung Small Talk zu führen. Es war etwas passiert. Irgendwas passierte immer.
Er nickte. »Ich muss leider …«
»Ich verstehe. Es ist gut.«
Vara sah sich die Erbsen an. Sie waren – wie alles hier – jetzt kalt.
»Ich soll das unterschreiben? Aber ich darf nichts unterschreiben.«
Die Frau in dem fleckigen Overall sah den widerspenstigen Marcus an und runzelte die Stirn. Was sie ihm hinhielt, war ein sehr altmodisches Klemmbrett mit einer vorsintflutlichen Datenspeichereinheit: Papier. Darauf war eine Liste von Dingen gedruckt, die leicht explodierten, wenn man sie nicht richtig behandelte. Geliefert wurden sie an das Lagertor der Proxima , die fest angedockt an der großen Station hing.
Marcus sah die Berge an Containern, die die Frau mit ihren Robotern aufgefahren hatte. Er verstand, warum sie diese hierherbrachte. Er war aber einfach nicht zuständig. Nichts war im Militär gefährlicher, als so zu tun, als wäre man für etwas verantwortlich. Selbst wenn man es richtig machte, stand man schnell im Scheinwerferlicht der Kritik. Es gab immer Vorgesetzte, die zuständig waren.
»Jungchen«, sagte die Frau mit dem Klemmbrett etwas maulig. »Es läuft jetzt so: Du unterschreibst das, und ich ziehe ab, oder du unterschreibst das nicht, und ich ziehe ab. Zweihundertfünfzig Raketen Mark 1, frisch produziert aus unserem Industriedrucker Nr. 4, der eigentlich wichtige Ersatzteile für Nahrungsautomaten und Sauerstoffmodule herstellen sollte. Stattdessen bauen wir diese kleinen Knallbonbons hier. Morgen bringe ich noch mal welche. Ich scheiß dich zu mit dem Zeug, bis jemand Stopp schreit. Aber ich habe keine Lust auf dieses Herumeiern mit hier und da und wer und wo. Guck mal, hier steht dein Name.«
Sie zeigte ihm das Papier. Da stand tatsächlich sein Name. Und darunter befand sich das irisierend schimmernde Drucksiegel des Captains. Ark hatte ihn also für zuständig erklärt, aber vergessen, es ihm mitzuteilen. Kleine Flexibilitätsübung, wie es aussah. Die zweihundertfünfzig Raketen waren hier grundsätzlich richtig. Sie waren aber nicht für die Proxima selbst, denn sie trug weitaus modernere Bewaffnung. Mark 1 war beinahe schon antik. Die Raketen sollten ins All getragen werden, zu den ebenfalls am Fließband produzierten Werfersatelliten, die man gerade überall im Weltall zu verteilen begann.
Sie waren schnell und preiswert herzustellen und wurden mit einem einfachen Zielsuchsystem versehen, absolut nicht auf dem aktuellen technischen Stand – aber eben Masse statt Klasse. Und es wurden immer mehr. Wenn man mit einem Haufen Mist nach jemandem warf, reichte das manchmal auch, um ihn zum Wegrennen zu bewegen. Angesichts der Produktionsmöglichkeiten des Onyx-Systems hatte man sich zu exakt dieser Strategie entschlossen. Und die Proxima spielte dabei den Frachter.
Marcus unterschrieb, was der Frau im Overall ein triumphierendes Grunzen entlockte. Sie verschwand schnell, wohl in der Befürchtung, dass er sie sonst mit Dingen belästigen würde, für die sie nicht zuständig war. Er kratzte sich ein wenig theatralisch am Kopf, als er die Container betrachtete. An sich alles kein Problem. Die Behälter waren genormt. Sie würden perfekt in die Ladebuchten passen.
Dummerweise war die Proxima bereits bis zum Rand voll damit und sollte eigentlich in wenigen Stunden ablegen, um mit der Platzierung im Verteidigungsperimeter zu beginnen. Wenn die Frau recht hatte, würde sie den gesamten Dockbereich mit Explosivstoffen vollstellen, sofern sie niemand davon abhielt. Und ob Marcus es nun wollte oder nicht, irgendwie war das jetzt seine Verantwortung.
»Brücke, bitte melden!«
Eine Grundregel jeder militärischen Hierarchie war – man konnte es nicht oft genug sagen –, Verantwortung, vor allem lästige, so schnell wie möglich nach oben abzuschieben. Dieses Verhalten erlernte man bereits in der Grundausbildung und verfeinerte es dann in jedem weiteren Dienstjahr bis zur Perfektion. Es war eine Überlebensstrategie vor allem für jene, die sich bei allen Problemen immer am Ende der Nahrungskette wiederfanden und, wenn etwas schiefging, gerne von denen über ihnen gefressen wurden. Diese Verantwortung nach oben zu verschieben, war ein Vorgang, den Marcus schon gar nicht mehr reflektierte, er tat es nahezu instinktiv.
»Hamilton. Was gibt es?« Es war die vertraute Stimme von Simeon, der Brückendienst hatte. Marcus entspannte sich etwas. Mit dem jungen Mann konnte man reden.
»Wir sollten den Produktionseifer unserer hiesigen Freunde etwas drosseln«, sagte er, nachdem er die Situation vor Ort geschildert hatte. »Wir kommen nicht recht hinterher.«
»Das Problem wurde bereits gelöst. Der Kutter Elias wurde requiriert für die weitere Verbringung der Satellitenwerfer und zusätzlicher Munition. Sobald wir abgelegt haben, wird er anlegen und die restliche Fracht aufnehmen. Wir versuchen gerade, weitere zivile Schiffe in den Dienst zu pressen. Erwartungsgemäß reagiert nicht jeder Kommandant oder Eigner mit großer Begeisterung auf so ein Ansinnen.«
»Und der Skipper der Elias war dafür zugänglich?«
»Der Skipper der Elias ist tot, Alkoholvergiftung, und die Stationsleitung hat den Prozess der Eigentumsübertragung vor dem hiesigen Nachlassgericht eingefroren. Ich bin mir sicher, irgendwer ärgert sich jetzt, aber die Crew des Kutters macht, was man ihr befiehlt, solange jemand bezahlt. Schließen Sie die Ladeluke, und versiegeln Sie alles, wir legen ab, sobald Captain Ark an Bord ist.«
Marcus war sehr zufrieden. Die Verantwortung lag nun da, wo sie hingehörte: an höherer Stelle, und er war aus dem Schneider. Natürlich führte er den letzten Befehl Simeons schnell und mit größter Gewissenhaftigkeit aus.
»Nützt das alles überhaupt was?«
Marcus drehte sich um. Der Marinesoldat, der hier Wache stand, hatte die ganze Zeit über nichts gesagt, stumm und diszipliniert seinen Dienst versehen. Dem Gespräch mit der Lieferantin hatte er ebenso stumm zugehört und nichts kommentiert, obgleich es ja leicht hätte eskalieren können. Jetzt aber redete er auf einmal.
Marcus erinnerte sich vage an das Gesicht des Mannes. Bei einem seiner Einsätze mit dem Kontingent an Raumlandesoldaten musste er mit ihm unterwegs gewesen sein, aber sein Name wollte ihm partout nicht einfallen. Das Schild außen an der Bordrüstung war arg zerkratzt, sodass nur der erste Buchstabe lesbar war, ein S. Dennoch, der Mann hatte eine Frage an ihn gerichtet, und es war nicht zu leugnen, dass Marcus sich diese bereits selbst gestellt hatte. Um genau zu sein: Er hatte die ganze Situation mit Margie diskutiert, und ihre Antwort war ein klares »Ja!« gewesen. Er selbst tendierte eher zu einem »Ja, aber …«.
»Sie meinen unsere Anstrengungen zur Verteidigung?«