Succubus - Felicitas Brandt - E-Book

Succubus E-Book

Felicitas Brandt

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Beschreibung

Die Leser haben entschieden, welche 11 Geschichten in die Anthologie aufgenommen werden. Und so ist ein bunter Mix aus emotionalen, gruseligen, melancholischen und humorvollen Geschichten entstanden, die alle eins eint: Sie sind fantastisch.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 542

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Succubus

diese und weitere

Geschichten

fantastischer Art

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www.verlagshaus-el-gato.de

Taschenbuchausgabe

1. Auflage November 2013

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf - auch teilweise - nur mit

Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Umschlaggestaltung: Grafik & Design

Ursula Morgenstern

Bildnachweis: 123rf.Stocks

Satz: Verlagshaus el Gato

Lektorat: Andrea el Gato

Druck: CPI Druck

ISBN: 978-3-943596-39-7

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.deabrufbar

Inhalt

Feuer und Mond

Das Erwachen

Die Augen des Succubus

Das Schattentor

Usch, der große Jäger

Die falsche Vergangenheit

Die Wette

Das Zwischenreich

Frei wie ein Vogel

Ranya und Lucien von Sallestra

Das Spiel von Licht und Schatten

Succubus diese und weitere Geschichten

Felicitas Brandt

Hi, ich heiße Felicitas, die meisten nennen mich einfach Lizzy. Ich hab während des Abis mit dem Schreiben angefangen. Zuerst nur Gedichte, dann später Geschichten und jetzt kann ich nicht mehr aufhören. Hier und da hab ich auch schon die ein oder andere Kurzgeschichte veröffentlicht. Bücher waren schon immer mein liebster Rückzugsort und als ich das Schreiben für mich entdeckte, begann ich meine eigenen Fantasiewelten zu schaffen. Ich will die Menschen damit berühren, zum Nachdenken, Lachen, Weinen bringen.

Feuer und Mond

Die Sonne stand schon seit vielen Stunden am Himmel, doch ihr Antlitz hatte sie hinter dichten Wolken verborgen, als würde sie den Blick auf das zerstörte Dorf scheuen. Feine Rauchfäden stiegen von den Trümmern auf.

Die Elfe stand reglos da und betrachtete das Bild des Todes. Rotes Haar ergoss sich weit über ihren Rücken, zwei Zöpfe umrahmten ihr Gesicht. Ihr schwarzer Mantel war staubig und streifte über den Boden, auch die Stiefel verrieten, dass sie schon eine lange Zeit unterwegs war. Ein Bogen lag in ihrer Hand, und der Köcher auf ihrem Rücken war voller Pfeile. An dem ledernen Gürtel hing ein langes Messer. Der Wind strich über sie hinweg und trug den Geruch des schwelenden Feuers zu ihr hinüber. Das Dorf war verloren. Ebenso wie seine Bewohner.

Und doch ...

Ohne zu wissen warum, lenkte die schlanke Gestalt ihre Schritte auf das Dorf zu.

Lautlos schritt sie zwischen den Ruinen hindurch und sah sich um. Der Geruch des Todes tränkte die Luft. Kein Laut war zu hören, als würde die ganze Welt den Atem anhalten, angesichts dieser Zerstörung. Sie sah die Leichen von Kindern, und ein Anflug von Zorn wallte in ihr hoch. Was hatten diese Menschen getan, dass sie so bestraft wurden?

Plötzlich vernahm sie ein Geräusch. Augenblicklich duckte sie sich hinter einen halb zerfallenen Karren und lauschte. Einen Moment später erklang das Wimmern wieder und führte sie zu einem noch halbwegs gut erhaltenen Gebäude, das die Kirche dieses Dorfes gewesen zu sein schien. Mit katzenhafter Geschwindigkeit schlich sie heran, jederzeit bereit, zu fliehen.

Das Wimmern ertönte erneut und gleich darauf ein beruhigendes Murmeln. Kurz entschlossen trat sie in den Eingang der Kirche. Das Wimmern wurde zu einem erschrockenen Keuchen.

Ihre scharfen Augen erspähten einen Mann, der sich bei ihrem Anblick aufrichtete. Ein Schwert blitzte in seiner Hand auf. Seine Augen bohrten sich in die ihren. Sie waren von einem so tiefen Blau, dass sie unwillkürlich an den Himmel jenseits dieser Berge denken musste. Ein Ort, an dem noch Frieden herrschte.

Sie zwang ihre Gedanken zurück und sah auf die Frau, die am Boden lag. Der Bogen in ihrer Hand, auf dem schon ein Pfeil lag, sank langsam. Sie duckte sich unter der Tür hindurch und kniete wortlos neben der Frau nieder. Deren Augen waren vor Schmerz halb geschlossen. Ihr Körper war grausam verletzt und schweißnass. Hier gab es keine Hoffnung. Wieder stieß sie ein schmerzvolles Wimmern aus und der Mann, der sich bis dahin nicht bewegte hatte, ließ das Schwert zurück in die Schatten sinken und beugte sich erneut über sie. Mit beruhigendem Murmeln strich er ihr mit einem nassen Tuch über die Stirn.

Sie betrachtete ihn. Dunkelblonde Locken fielen in ein sonnengebräuntes Gesicht von fast überirdischer Schönheit. Die Züge waren weich und doch stark gezeichnet, die Lippen voll und die Nase gerade. Seine Kleidung war schlicht aber sauber, der Körper darunter muskulös.

„Weißt du, wer das getan hat?“ Seine Stimme klang tief und weich, doch es lag eine unverhohlene Anspannung darin. Sie schnitt durch die Elfe hindurch und raubte ihr den Atem. Sie verfluchte ihre Entscheidung dieses verdammte Dorf betreten zu haben und schüttelte stumm den Kopf. Seine Augen musterten sie, und sie hatte das Gefühl, dass er in ihr Innerstes sehen konnte. Doch was dort lauerte, würde ihm nicht gefallen. Eilig stand sie auf.

„Ich sehe nach, ob ich noch jemanden finden kann.“ Schon trat sie zurück ins Freie und rang nach Atem. Sie hatte nicht vor nach Überlebenden zu suchen, doch sie musste aus dieser Kirche raus, weg von ihm und dieser Frau, die dem Tod so nahe war, dass man seine Schatten schon auf ihr sehen konnte. Sie schritt durch die Trümmer und fragte sich, warum sie nicht einfach die Flucht ergriff. Was hielt sie hier? Als eine Stimme in ihren Gedanken zu flüstern begann, drängte sie diese hastig fort. Nicht jetzt! Sie zwang ihre Aufmerksamkeit zurück und durchsuchte das Dorf. Asche knirschte unter ihren Stiefeln. Hier gab es kein Leben mehr. Die Frau war die Einzige und selbst sie würde nicht mehr lange am Leben sein. Sie tauchte in den Schatten eines halbwegs gut erhaltenen Hauses ein und spähte durch die zerborstene Tür. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Was tat sie eigentlich hier? Sie musste weiter.

Ein Geräusch in ihrem Rücken ließ sie herumwirbeln. Ihre Hand streifte einen Balken, Schmerz schoss durch sie hindurch. Etwas flammte in ihr auf, bereit, den Angreifer zu vernichten.

Es war der Fremde, der jetzt einen Schritt zurücktrat und die Hände ausbreitete. „Ich bin’s nur.“

Sie nickte knapp und sah sich um. „Ist es dein Dorf?“ Warum fragte sie das, es war nicht wichtig.

Er schüttelte den Kopf. „Ich war in der Gegend und hab den Rauch gesehen. Es ist nicht das erste Dorf.“ Erneut trat er einen Schritt auf sie zu und sie wich vor ihm zurück. „Ich tu dir nichts“, sagte er sanft und wies auf ihre Hand, von der rotes Blut tropfte. „Lass mich mal sehen.“

Seine Stimme weckte Vertrauen in ihr, doch alles in ihr schrie danach zu fliehen. Als er in die Hosentasche griff, zuckte sie zusammen, doch er holte nur ein sauberes Tuch hervor.

„Allein wirst du es nicht hinkriegen“, sagte er leise, „lass mich dir helfen. Ich schwöre du hast vor mir nichts zu befürchten.“

Es kostete sie eine gewaltige Überwindung, die Hand auszustrecken. Er gab sich Mühe, sie nicht zu berühren, als er den Stoff sanft um ihre Hand band. Als er fertig war, zog sie die Hand rasch zurück und drückte sie an ihre Brust. „Danke.“ Das Wort schmeckte wie Asche in ihrem Mund.

Er nickte. „Mein Name ist Cyrian. “

Jetzt war sie es, die nickte. Sie konnte die Augen nicht von seinem Gesicht abwenden. Etwas lag darin, das sie nicht verstand. Noch immer ging ihr Atem rasch. Beinahe wäre es wieder passiert. Wie hatte er sich so unbemerkt nähern können? Normal hörte sie …

„Da kommen Fremde.“

Der Satz brach wie ein Steinschlag durch ihre Gedanken. Sie fuhr herum, glühende Hitze kochte durch ihre Adern, flammende Angst brannte über sie hinweg. Ihre Augen suchten den Waldrand ab, erahnten Bewegungen. „Sie haben uns gefunden“, wisperte die Stimme in ihrem Kopf. „Sie werden uns töten! Lauf, Gwen, lauf bitte lauf!“ Ihre Beine wollten der Stimme gehorchen, ihre Muskeln spannten sich. „Wir müssen hier sofort weg!“ Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder, konnte sich nicht erinnern, die Worte ausgesprochen zu haben.

Cyrian sah sie aufmerksam an, sah, wie aufgelöst sie war. „Du weißt wer da kommt.“ Es war keine Frage. „Wer?“

„Der Tod“, murmelte sie und gewann endlich die Herrschaft über ihre Glieder wieder, um ihre Sachen vom Boden aufzuheben. „Wir müssen schnell sein.“

Warum verdammt sprach sie in der Mehrzahl? Sie hatte mit diesem Menschen nichts zu schaffen. Früher hätten diese Gedanken sie erschreckt. Doch das war schon lange her. Ihr Blick schweifte umher. Von Südwesten kam der Feind. Zumindest schien es so. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass sie getäuscht würde.

Plötzlich fiel ihr die Frau in der Kirche wieder ein. Cyrian schien ihre Gedanken gelesen zu haben. „Sie ist tot“, sagte er leise.

„Kanntest du sie?“

Er schüttelte den Kopf. Das wenige Sonnenlicht warf goldene Schatten auf sein Gesicht und ließ ihn noch mehr wie ein überirdisches Wesen erscheinen, das sich in diese Hölle verirrt hatte.

„Es ist besser, dass sie tot ist“, sagte sie rau und bereute es, als sie sah, wie ein Schatten über sein Gesicht glitt. „Ich breche auf. Du solltest dasselbe tun.“

Er nickte und schulterte den Rucksack, der neben ihm auf dem Boden gestanden hatte. „Ich folge dir.“

Ihre Stimme klang kalt. „Ich bin an Gesellschaft nicht interessiert.“

„Du wirst es schon überleben“, gab er zurück und deutete nach Norden. „Wenn wir dort entlang gehen, haben wir einigermaßen Sichtschutz, bis wir die Berge erreichen.“

Widerwillig musste sie zugeben, dass sie ebenso gedacht hatte. Sie biss sich auf die Lippen, klammerte die Hand in den Riemen ihres Köchers und eilte mit langen Schritten los.

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Sie erreichten die Berge ohne Zwischenfall.

Der Fremde hielt mit ihrem Tempo mühelos mit, seine federnden Schritte zeugten von großer Ausdauer. Die Elfe beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. War er auch auf der Flucht? So wie sie?

Sie schüttelte die Gedanken ab und blieb stehen, um zu lauschen. Alles war still, niemand war zu sehen. Und doch war sie unruhig. War ihre Flucht zu einfach gewesen? Minutenlang sah sie sich um, bevor sie vorsichtig weiter ging. Cyrian bewegte sich ebenso lautlos wie sie selbst, sein Gesicht war angespannt. Er wusste nicht, vor was sie flohen, doch er spürte ihre Angst und das beunruhigte ihn. „Siehst du etwas?“

Sie schüttelte den Kopf. Das ungute Gefühl verstärkte sich. „Wir müssen hier weg.“ Sie griff die Riemen über ihrer Schulter fester. „Wir …“

Ein Zweig knackte. Die Stimme in ihrem Kopf schrie hellauf: „Sie sind da!“

„Lauf!“, zischte sie und sprintete los, ohne darauf zu achten, ob er ihr folgte. So schnell sie konnte, stürmte sie über den unebenen Boden, wich Erdspalten aus und duckte sich unter Ästen hindurch. Es war nicht das erste Mal, dass sie die Flucht ergriff, und ihre Muskeln waren der Anstrengung gewachsen. Doch die letzten Tage waren hart gewesen und hatten an ihren Kräften gezehrt. Schon bald begannen ihre Beine zu schmerzen. Sie rannte weiter, voll blinder Panik, verlor Zeitgefühl und Orientierung. Weg nur weg. Sie durfte nicht zurück. Er durfte sie nicht bekommen!

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, wie weit sie gelaufen war, als sie plötzlich von einem moosigen Felsen abrutschte und hart stürzte. Die letzte verbliebene Luft wurde durch den Aufprall aus ihren Lungen gepresst. Schmerz zuckte durch ihren Körper, der Bogen wurde ihr aus der Hand geprellt. Keuchend holte sie Atem und rappelte sich halb auf. Ein Wimmern stieg in ihrer Kehle hoch. Sie war müde, so müde. Sie war es müde zu fliehen. Wann würden sie sie endlich in Frieden lassen?

„Nie“, flüsterte die Stimme. „Sie werden uns nie in Ruhe lassen. Du musst laufen Gwendolyn, bitte, bitte lauf! Ich will nicht noch einmal sterben, Gwendolyn du musst leben, bitte lauf weiter!!“

Plötzlich legte sich eine warme Hand auf ihre Schulter. „Hey …“

Augenblicklich war sie auf den Beinen, wirbelte herum, eine Hand ausgestreckt. Flammen züngelten durch ihre Adern, entfachten das alte Wissen, und die Worte brannten bereits auf ihrer Zunge.

Doch da erkannte sie Cyrian. Sorge lag in seinen himmelsblauen Augen.

Keuchend rang sie nach Atem. „Wir müssen …“

„… nach Norden.“ Seine Stimme brach durch ihre Überlegung. „Im Norden sind wir in Sicherheit.“

„Wie willst du …“

„Vertrau mir ...“

„Gwendolyn“, sagte sie leise. „Ich heiße Gwendolyn.“

„Gwendolyn.“ Ihr Name glitt weich über seine Lippen. „Vertrau mir, Gwendolyn. Im Norden warten meine Leute auf mich. Wenn wir sie erreichen, sind wir sicher. Ganz egal, was dir Angst macht, dort kann dir nichts mehr geschehen.“

Sie unterdrückte eine abfällige Bemerkung. Alles in ihr verlangte danach, den Kopf zu schütteln und weiter zu laufen. Doch ihr Herz wollte ihm vertrauen. Seinen Worten Glauben schenken und sich in Sicherheit wiegen. Sicherheit. Das Wort klang fremd und verlockend. Wie gut wäre es auszuruhen, frei von der Angst. Sie wusste nicht mehr, wann das zuletzt so gewesen war. „Du kennst ihn nicht, was, wenn er zu ihnen gehört?“ Die Stimme in ihrem Kopf war verängstigt. Ja was wenn?

Und was wenn nicht?

„Vertrau mir.“ Seine Augen lagen warm auf ihr. Sie erinnerten sie an jemanden und waren doch so anders.

„In Ordnung.“ Die Worte kratzen in ihrer ausgetrockneten Kehle. „Aber wir müssen schnell sein.“

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Schweigend liefen sie nebeneinander her. Als die Sonne untergegangen war, suchten sie einen Rastplatz. Cyrian blieb dort, während Gwendolyn noch einmal fortging, um die Umgebung abzusuchen. Kurz flackerte in ihr der Gedanke auf, nicht zurückzukehren. Er war nur ein Mensch, wie wollte er sie vor dem schützen, der sie verfolgte? Die Stimme in ihr zischelte wütend, als sie zu ihm zurückkehrte. Er hatte sich auf dem Boden niedergelassen, und vor ihm prasselte ein kleines Feuer.

Gwendolyn starrte in die hellen Flammen, die in wunderschönen Farben tanzten und sich zu einer unhörbaren Musik wiegten. Sie sangen, und ihr Atem jagte kleine Rauchschwaden in die Nacht. So schön, so wunderschön.

Langsam ging sie auf das Feuer zu, die Hand ausgestreckt. Ihr Körper reagierte auf den Gesang, Wärme stieg in ihr auf, wärmte ihre Haut und schmiegte sich um ihr Herz. Ein zitterndes Glühen trat auf ihre Fingerspitzen, und sie fühlte eine alte Macht in sich, die stärker war, als alles andere.

Verlockend.

Grausam.

Kurz bevor ihre ausgestreckten Finger die Hitze erreichten, riss sie sich aus der Trance des Flammengesangs los und trat das Feuer rasch aus. Es fühlte sich an, als habe sie einen Teil von ihrem Innersten mit bloßen Händen herausgerissen. Cyrian sah erstaunt zu ihr hoch.

„Die Flammen sind weit zu sehen, sie verraten uns“, sagte sie rau und ließ sich ein Stück entfernt von ihm nieder. Einige Momente vergingen schweigend. Gwendolyn saß da und starrte in die sterbenden Überreste des Feuers. Tränen saßen in ihrer Kehle. Sie sah nicht auf, als Cyrian sich neben sie setzte und ihr ihren Mantel, den sie bei ihm zurückgelassen hatte, um die schmalen Schultern legte.

„Die Nacht wird kalt. Daher das Feuer, ich wollte nicht, dass du frieren musst“, sagte er schlicht.

Dankbarkeit und Zuneigung schlichen sich in ihr Herz. „Mir wird nicht so schnell kalt“, antwortete sie leise. Eine stumme Entschuldigung. Ein Friedensangebot.

Einen Moment war es wieder still, dann fragte er: „Die, vor denen wir weglaufen, sind das dieselben, vor denen du schon die ganze Zeit auf der Flucht bist?“

Sie sah ihn an und er zuckte die Schultern. „Du siehst nicht aus wie jemand, der aus Spaß durch diese Gegend zieht. Du fliehst vor etwas. Sind sie es? Haben sie auch das Dorf niedergebrannt?“

„Ich weiß es nicht.“

Er sah sie nachdenklich an. „Wie lange läufst du schon weg?“

Sie dachte zurück und spürte, wie Tränen in ihr hochstiegen. So lange. Seit … Nein. Rasch verbannte sie den Gedanken zurück in die Finsternis, bevor die Trauer sie fortreißen konnte. „Wir sollten schlafen“, murmelte sie, wickelte sich in ihren Mantel und bettete den Kopf auf einen Arm. Ihre Hand verharrte nah dem Messer an ihrem Gürtel. Sie spürte seinen Blick auf sich und die unausgesprochenen Worte, doch er blieb still. Nur ein Rascheln verriet, dass auch er sich zum Schlafen niederlegte.

Gwendolyns Augen blieben offen, bis der Schlaf sie übermannte.

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Als Gwendolyn erwachte, wusste sie, dass ihre Verfolger sie gefunden hatten. Die Schatten verdichteten sich, bewegten sich. Sie griff nach Cyrian und sah, dass er bereits auf den Beinen war, das Schwert in der Hand. Zu spät. Fünf Schatten lösten sich von den Bäumen und kamen auf sie zu.

„Leg das Schwert weg, Narr. Wir sind nicht wegen dir hier.“

Der Klang dieser Stimme zwang Gwendolyn beinahe in die Knie.

„Hab ich mir gedacht“, gab Cyrian ruhig zurück. „Aber ich fürchte, ich muss mich dennoch einmischen.“

„Das Mädchen gehört uns. Übergib sie uns und rette dein Leben.“

„Ich glaub, sie will aber nicht mit euch gehen“, meinte Cyrian und hob das Schwert ein wenig, „und ihr Wunsch ist mir Befehl.“

„Sie ist krank und wahnsinnig. Dein Leben ist in Gefahr, wenn du bei ihr bleibst. Sie weiß nicht, was sie tut.“

Cyrian zuckte die Achseln. „Hab Dank für den Rat, doch ich bin es gewohnt, selbst auf mich zu achten.“

Ein wütendes Zischen zeriss die Luft, dann griffen die fünf Gestalten an. Cyrian warf sich gleich zweien entgegen, doch die anderen stürmten an ihm vorbei, auf Gwendolyn zu. Sie presste die Hände zu Fäusten, sie durfte die Kontrolle nicht verlieren. Die Stimme in ihr tobte und schrie, flehte danach, die Feinde zu töten. Aber sie durfte nicht. „Es ist nicht richtig, es ist nicht richtig“, murmelte Gwendolyn verzweifelt, während sie immer weiter zurückwich. Die Wolkendecke riss auf, zeigte die Gesichter der Angreifer und die Erinnerung erfüllte sie mit blankem Entsetztem. Harte Züge in fein gemeißelten Gesichtern, mandelförmige Augen, die Kleidung aus demselben Stoff, wie ihre eigene, und ihre Schwerter schienen im Mondlicht beinahe zu leuchten.

Elfenkrieger.

Krieger ihres Volkes.

Die Angst schlug unerbittlich zu, und die Mauer ihrer Konzentration brach. Ihr Körper begann zu glühen. Etwas regte sich in ihr, strömte durch ihre Adern und ergriff von ihr Besitz. Verzweifelt wehrte sie sich, doch vergeblich. Ihr Schrei zerriss die Nacht. „Kinia nicht!“

Zu spät.

Ein Feuerstoß barst aus ihren Händen, und riss den ersten Mann in den Tod. Innerhalb von Sekunden waren die Angreifer in tanzendes Feuer gehüllt, zuckten und schrien.

Und dann war es vorbei.

Rauch stieg aus dem Gras empor, kräuselte sich und verschwand in der Nacht. Kleine Funken glommen am Boden, bevor sie erloschen. Gwendolyn stand mit hängenden Armen da. Flammen glommen in ihren Händen, heiße Lava kochte durch sie hindurch, ihr Herz war ein Ball aus reinstem Feuer. Mit jedem Atemzug verbrannte sie die Luft vor sich, ihre Haut war glühend heiß und hätte ihre Kleidung in Flammen aufgehen lassen, wäre sie nicht von Elfen gefertigt worden. Als sie den Blick hob, begegnete sie Cyrians dunklen Augen und am liebsten hätte sie sich weinend vor diesem Blick verkrochen.

„Wer bist du?“ Seine Stimme war ganz ruhig.

„Gwendolyn Ashyna Lohwem, Tochter des Herzogs der Feuerelfen.“ Tonlos krochen die Worte über ihre Lippen und fielen in die Stille. Das Erkennen, das in seinen Augen aufblitze, verriet ihr, dass er wusste, von wem sie sprach.

„Eine Elfe, die vor Elfen flieht?“ Sein Tonfall machte klar, dass er jetzt die Wahrheit wissen wollte, doch mehr als ein Nicken brachte sie nicht hervor. „Wer ist Kinia?“, fuhr er fort.

Die Worte brauchten lange, bis sie ihre Zunge verließen. „Sie war meine Schwester.“ Der Schmerz flammte hell auf und ihre Beine gaben unter ihr nach. Cyrian fing sie auf, und obwohl seine Finger unter der Hitze ihrer Haut verbrannten, setzte er sie vorsichtig hin, bevor er sie losließ.

Gwendolyn schlang die Arme um die Knie und kauerte sich zusammen. „Sie hat sich getötet, vor zwei Jahren. Meine Schwester nahm ihren Dolch und schnitt sich die Arme auf. Ich war es, die sie … die sie fand und seitdem ... ich … ich kann sie hören. Sie ist in mir. Ich kann meine Kräfte nicht mehr kontrollieren. Sie haben versucht mir zu helfen …“ Bilder stiegen in ihrem Kopf hoch und ließen sie schaudern. Die Erinnerung ließ die Flammen in ihren Händen erneut aufflackern. Cyrian wich nicht zurück, im Gegenteil; er streckte eine Hand nach ihr aus und legte sie sanft auf ihre Schulter. Der Stoff schützte ihn ein wenig vor der Hitze ihrer Haut.

„Sie konnten es nicht“, fuhr sie leise fort. „Es wurde immer schlimmer. Sie fühlte sich von ihnen bedroht und zerriss mich. Ich wurde zu einer Gefahr und lief fort.“ Zitternd sog sie die Luft ein. Tränen tropften aus ihren Augenwinkeln. „Sie werden niemals aufhören, mich zu jagen.“

Einen Moment lang geschah nichts. Dann beugte Cyrian sich vor und nahm sie wortlos in die Arme. Gwendolyn ließ es geschehen, ihre Kraft war fort. Sanft strich er über ihre Arme, und unter seiner Berührung sank die Hitze und die Flammen erloschen. Das Flüstern war fort, ebenso wie die Angst. Da war nichts mehr. Nur er.

Nichts hatte sich jemals so richtig angefühlt.

Eine Zeit lang hielt er sie einfach fest und ließ sie reden, bis ihre Seele nicht mehr schwer war. Irgendwann hob er sie hoch und trug sie behutsam durch die Nacht.

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Als sie aufwachte, fand sie sich in einer kleinen Höhle wieder. Ihr Kopf ruhte auf einer muskulösen Brust, und ein Arm hatte sich beruhigend um sie geschlungen. Vorsichtig hob sie den Kopf. Cyrian schlief noch. Seine Züge waren friedlich, das Gesicht hielt er ihr zugewandt. Seltsamerweise löste seine Nähe nicht die Beklemmung aus, die sie sonst in der Nähe von Menschen fühlte. Und als Gwen in sich hineinhorchte, konnte sie auch die Präsenz ihrer Schwester nicht finden. Zum ersten Mal seit ihrem Tod fühlte sie Frieden. Vorsichtig malte ihr Finger Cyrians weiche Züge nach, und er schlug die Augen auf. Als er sie sah, lächelte er. „Hey.“

„Hey.“

„Wie fühlst du dich?“

„Gut.“ Es war keine Lüge. Er hob die Hand und strich ihr eine Haarsträhne zurück. Gwen griff nach seinen Händen und betrachtet sie verwundert. „Warum sind sie nicht verbrannt?“

„Du bist nicht die Einzige mit einem Geheimnis“, erwiderte er schelmisch. Als er sie ansah, begannen seine Augen plötzlich zu glühen, und die Zähne hinter seinen zurückgezogenen Lippen waren nicht länger menschlich.

„Werwolf“, hauchte sie fasziniert. „Ich habe selten einen gesehen.“ Mit dem Finger fuhr sie über seine Lippen, und er schauderte leicht unter ihrer Berührung. Kein Wunder, dass er sich mit dieser Anmut bewegte, dass seine Schritte völlig lautlos waren und er mit ihr Schritt halten konnte. Werwolf. Mondkind. Und sie ein Kind des Feuers. Feuer und Mond.

„Ich bevorzuge den Namen Shahari“, sagte er. „Werwolf klingt zu sehr nach den Monstergeschichten, die sich die alten Weiber beim Spinnen erzählen.“ Wieder glitt seine Hand durch ihr Haar. „Ich mag diese Farbe.“

„Wie geht das, ich meine … ich dachte …“

„Das wir ungehobelte Kerle mit übermäßig starkem Bartwuchs sind?“ Er lachte. „Und ich dachte ihr seid steif, meidet alles, was nicht wie ihr ist. Und doch …“ Er fuhr mit dem Finger die Konturen ihres Kinns nach, „an deine Gesellschaft kann ich mich durchaus gewöhnen.“

Ihre Wangen färbten sich dunkel und er lachte leise. Doch dann wurde seine Miene ernst. Seine Hand lag wieder an ihrer Wange. Vorsichtig zog er sie zu sich hinab. Ganz sanft. Ganz langsam. Ließ ihr tausend Möglichkeiten auszuweichen. Und dann, mit einem letzten Zögern, drückte er seine Lippen kühn auf die ihren. Der felsige Boden sackte unter ihr weg. Das Feuer flammte heiß in ihr auf, drängte nach oben, doch sie beruhigte es, flüsterte den Flammen zu, und sie beruhigten sich wie Kinder durch die Worte ihrer Mutter. Sie spürte nichts mehr außer seiner Wärme, seiner Berührung und seinen Lippen, die weich auf ihren lagen. Ein Funkenregen durchrieselte sie. Das Gefühl war unbeschreiblich. Als er sich von ihr löste, verharrte sie mit geschlossenen Augen, während seine Finger sanft über ihre Wangenknochen strichen.

„Alles okay?“

Sie lehnte die Stirn gegen seine. „Hast du überhaupt eine Ahnung, auf was du dich da einlässt? Ich bin gefährlich. Du hast den Krieger gehört.“

„Hab ich. Aber ich geb ein bisschen mehr auf das, was ich sehe, als auf die Worte eines gekränkten Elfen. Du hast ein Problem, ja. Aber es heißt nicht, dass du damit nicht fertig werden kannst.“ Er sah sie aufmerksam an. „Fühlst du sie jetzt?“

Gwen schüttelte den Kopf. „Nein. Sie ist fort.“

„Wie ist das, wenn du sie hörst?“

„Ein Flüstern. In meinem Kopf. Sie warnt mich. Sie hat Angst.“ Sie senkte den Blick. „Sie sagen, ich sei besessen.“

Cyrian strich ihr über die Wange. „Dann können wir sie zumindest austreiben. Der Grund ist egal, du musst dich von ihr lösen.“

„Und wenn sie stärker ist?“ Tränen stiegen in ihre Augen. Plötzlich wütend wischte sie sich über die Augen. „Warum ist das hier so, warum …?“

„Warum redest du mit einem Fremden?“ Er zuckte die Schultern und fuhr fort: „Ich denke, weil du noch nie mit jemandem geredet hast. Ich denke, dass du seit einer ganzen Weile wegläufst, dass du nicht schläfst und dass du Angst hast, schlimmer als man es sich vorstellen kann. Und ich denke, du brauchst jemanden, der das mit dir durchsteht.“

Gwendolyn biss die Zähne zusammen. „Ich will dir nicht wehtun.“

„Ich bin nicht so leicht kleinzukriegen.“ Sein Lächeln war ehrlich und berührte ihre Seele.

Vorsichtig bettete sie den Kopf wieder auf seiner Schulter. „Ich hab Angst.“

Er legte eine Hand in ihren Nacken und zog sie fest an sich. „Ich werde auf dich aufpassen Gwendolyn, ich lass nicht zu, dass dir was passiert.“ Seine Lippen streiften ihre Stirn. „Und jetzt schlaf einfach.“

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„Kannst du noch?“

Gwen nickte stumm und kämpfte sich weiter den Berg hinauf. Seit zwei Tagen liefen sie fast ununterbrochen, flohen, vor etwas, das sie nicht sahen. Doch etwas war anders. Cyrian war der Fels in der Brandung, unerschütterlich ruhig. Er bestimmte den Weg, führte sie in die Richtung, in der er seine Gefährten vermutete.

„Nur ein kleines Stück, dann sind wir an einem Platz, wo wir rasten können. Ich war hier schon einmal.“ Er griff nach ihrer Hand. „Hey, was ist los?“

„Nichts.“ Sie schüttelte die Gedanken ab und drückte seine Finger. „Los komm, ich verhungere.“

Wenige Stunden später brannte ein winziges Feuer auf dem schmalen Felsplateau inmitten von dichtem Wald. Cyrian hatte darauf bestanden es anzuzünden, um einen Hasen zu braten, den Gwendolyn geschossen hatte. Fasziniert sah er zu, wie die Flammen aus ihren Fingern züngelten und über das Holz tanzten. „Ist das nicht seltsam? Ich meine, du kannst Flammen aus deinen Händen …“ Er gestikulierte verlegen und sie hob die Brauen. „Du kannst dich in einen Wolf verwandeln, zumindest sagt man das von euch, Shahari. Ist das nicht seltsam?“ Das Licht spiegelte sich in ihren Augen und ließ ihr Haar leuchten.

Cyrian lachte leise und sah fasziniert zu, wie ihr Lächeln ihr Gesicht weicher werden ließ.

„Touché.“

„Kannst du dich immer verwandeln? Auch ohne Mond?“ Ihr Blick wanderte unwillkürlich hinauf zu der leuchtenden Kugel, die den wolkenlosen Himmel erhellte.

„Ist es das, was man von uns sagt?“ Er legte den Kopf schief. „Was sagt man denn noch so?“

„Dass ihr euch vollkommen lautlos bewegen könnt, dass ihr innerhalb von Sekundenbruchteilen die Gestalten wechseln könnt und ihr die Gaben des Wolfes auch in eurer Menschengestalt habt: sein Gehör, seine Schnelligkeit. Man sagt, der König der Werwölfe sei ein Hüne, der für die Seinen durch Feuer gehen würde, und seine Frau, die letzte Tochter mit dem Blut von Silberherz, dem ersten Werwolf, sei schöner, als alle anderen Frauen. Es heißt, sie leben zusammen mit ihren engsten Freunden; einem Mann mit rotem Haar, den sie Feuerherz nennen, ein anderer, der Schatten des Königs, der nie von seiner Seite weicht und noch ein Dritter mit der Schönheit eines Engels und dem Mut eines Löwen. Diese Drei sind die Gefährten und Beschützer des Königs.“

Gwendolyn wandte den Blick vom Himmel und sah Cyrian an. Sein Gesicht lag im Schatten und seine Stimme war seltsam dunkel. „Das erzählt man sich?“

Die Elfe nickte stumm. „Es heißt, nichts sei stärker als die Treue der Shahari.“ Ihre Mundwinkel zuckten. „Und ihre Sturheit.“

Cyrian lachte schnaubend auf und streckte sich lang auf den Rücken aus. Gwendolyn löschte das Feuer und schmiegte sich an seine Seite. Vorsichtig strich sie über seinen Handrücken. „Also kannst du dich wirklich immer verwandeln?“

Seine Brust vibrierte, als er in sich hinein lachte. „Schlaf jetzt, Feuermädchen!“

Der Traum war seltsam wirklich. Sie stand auf der Spitze eines Berges und blickte weit über das bewaldete Land. Gestalten bewegten sich schemenhaft unter ihr. Instinktiv suchte sie nach Cyrian. Ihr Herz schlug schneller.

„Gweny.“ Die Elfe schloss die Augen. Langsam wandte sie den Kopf. Neben ihr stand ihre Schwester. Blass und zart, mit dem gleichen flammenden Haar, wie sie selber. Ihre Gesichtszüge waren einander so ähnlich; sie hätten Zwillinge sein können.

„Kinia.“

Die andere lächelte liebevoll und streichelte ihr über die Wange. „Wie wunderschön du geworden bist. Gweny.“

„Was tust du hier?“

„Ich bin deinetwegen hier.“

„Das ist ein Traum.“

Kinia nickte traurig. „Die einzige Weise, die mir geblieben ist, dich noch zu sehen.“

„Warum kann ich deine Stimme hören, Nia? Warum tust du mir das an? Du bist wie ein Geist, der mich heimsucht.“

„Ich versuche nur, dich zu beschützen Schwester. So, wie ich es immer getan habe.“

„Ich kann selbst auf mich aufpassen. Du musst mich gehen lassen.“

Kinia schüttelte traurig den Kopf. „Nicht ich bin es, die festhält, Gweny.“

„Ich muss Cyrian finden.“ Gwendolyns Blick glitt wieder über die Umgebung. „Hast du ihn gesehen?“

„Vertraust du ihm?“

Sie nickte heftig. „Er ist anders. Er versteht mich.“ Hektisch sah sie sich um. „Ich muss ihn finden.“

„Gweny du musst aufwachen.“

Gwendolyn schüttelte verzweifelt den Kopf. Ihr Herz klopfte immer heftiger. „Ich kann nicht, ich muss ihn …“ Plötzlich züngelten Flammen über die Bäume. Wie hungrige Mäuler stürzten sie sich auf alles in Reichweite und schwappten als Feuermeer auf die Gestalten zu. Gwendolyn schrie auf, als sie Cyrians Gesicht zu sehen glaubte.

„Gweny wach auf!“, schrie Kinia.

Mit einem leisen Schrei fuhr Gwendolyn aus dem Schlaf. Hastig suchte sie nach Cyrian, doch der Platz neben ihr war leer. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben. Es war seltsam still. Hastig schlang Gwendolyn den Umhang über die Schultern und suchte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Unschlüssig sah sie sich nach Cyrian um, doch es war nichts zu sehen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie horchte in sich hinein, konnte ihre Schwester jedoch nicht finden, nur das ungute Gefühl drohender Gefahr. Ihre Finger zitterten so sehr, dass ihr der Bogen aus der Hand glitt. Als sie sich bückte, knackte ein Zweig. Sie wusste, dass es nicht Cyrian war, er bewegte sich lautloser. Ganz langsam richtete sie sich auf, ihre Hand tastete nach dem Dolch an ihrem Gürtel, während sie sich umdrehte. Der Anblick der drei Männer vor ihr ließ sie erzittern. Selbst in dem wenigen Licht schienen ihre Rüstungen zu leuchten, das lange glatte Haar wurde von goldenen Spangen zurückgehalten. Ihre Augen standen leicht schräg und musterten sie ohne jedes Gefühl.

„Herzogin.“ Einer von ihnen deutete eine leichte Verbeugung an. „Wir haben Euch gesucht. Es wird Zeit nach Hause zu gehen.“

Sie kannte sein Gesicht, doch der Name wollte ihr nicht einfallen. Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Vorsichtig tasteten ihre Finger weiter zu dem Dolch. „Ich werde nicht mit euch gehen.“

„Wir haben Befehl Euch notfalls mit Gewalt zurückzu- bringen Herzogin, bitte zwingt uns nicht.“

„Ich bin nicht eure Herzogin, den Titel könnt ihr euch sparen.“ Der Dolch kam ihr seltsam klein vor, gegen die Schwerter, die die Drei am Gürtel trugen. „Aber wenn ihr noch irgendwo Achtung oder Respekt für mich empfindet, dann lasst mich gehen.“

Der Wortführer schüttelte den Kopf. „Das ist nicht möglich. Und wenn Ihr vorhabt, diesen Dolch da zu ziehen, werde ich ihn Euch wegnehmen müssen.“

Gwendolyn lachte beinahe hysterisch auf und zog den Dolch. „Versucht es.“

Die Drei wechselten einen kurzen Blick und kamen dann auf sie zu. Gwendolyn umgriff die Waffe fester. Sie wusste, es war ein lächerlicher Versuch, doch ehe sie einen Pfeil auf der Sehne haben würde, wären die Drei schon bei ihr. Tränen brannten in ihren Augen. Kurz flackerte ein Gedanke in ihr auf. Wenn sie den Dolch gegen sich selbst richten würde … Doch ehe sie den Gedanken zu Ende bringen konnte, zerbarst plötzlich das Geäst und eine riesige Gestalt brach hindurch. Knurrend warf der gigantische Wolf sich auf den ihm am nächsten Stehenden und verbiss sich in seiner Kehle. Der Elf kam nicht einmal dazu, zu schreien. Mit blutigem Maul blieb der Wolf vor Gwendolyn stehen und duckte sich. Sein Fell war braun und golden wie Cyrians Haar. Das Grollen, das aus seiner Brust stieg, klang wie ein Donner. Die beiden Elfen starrten ihn erschrocken an. „Ein Shahari? Du hast dich mit einem Wolf eingelassen? Hure!“

Der Wolf brüllte voller Zorn auf und warf sich auf den Sprecher. Der kam gerade noch dazu, sein Schwert zu ziehen, bevor er unter dem riesigen Tier zu Boden ging. Gwendolyn schrie auf, als sie sah, wie die schimmernde Klinge blutig rot aus dem Rücken des Wolfes wieder austrat, und stürmte vor. Der letzte Elf stellte sich ihr in den Weg, doch sie wich seinem Arm aus und rammte ihm den Knauf ihres Dolches gegen die Schläfe. Benommen stürzte er zu Boden und gab den Weg frei. Gwendolyn stürzte zu Cyrian, der sich auf die Seite gedreht hatte. Das Schwert steckte noch immer in ihm, sein Gegner war entweder tot oder bewusstlos. „Cyrian …“ Gwendolyn ging neben ihm zu Boden und streichelte vorsichtig über das dichte Fell, das um die Wunde dunkel vor Blut war. Er stöhnte, die Zunge hing ihm weit aus dem Maul. Winselnd versuchte er mit der Pfote an das Schwert zu kommen, und Gwendolyn verstand. Tränen traten ihr in die Augen, als sie den Schwertgriff umfasste und die Klinge mit einem Ruck herauszog. Der Wolf jaulte gequält auf und sein Kopf fiel schwer zurück ins Gras. Angewidert schleuderte Gwendolyn das Schwert fort und schlang die Arme um Cyrians Nacken. „Nicht sterben hörst du?“, flüsterte sie erstickt. „Nicht so, tu mir das nicht an.“ Ihre Finger strichen über die feinen Härchen auf der breiten Schnauze. Seine Brust hob und senkte sich heftig. „Nicht so …“

Mit einem leisen Grollen schlug er die Augen auf und sah zu ihr hoch. Die Augen eines Wolfes in dem leuchtenden Blau von Cyrians Augen. Schluchzend barg Gwendolyn den Kopf in dem dichten Fell.

„Weint um ein Tier, während ihre Brüder in ihrem eigenen Blut liegen.“ Die Stimme war so hasserfüllt, dass Gwendolyn schauderte. Hinter ihr hatte sich der Krieger, den sie niedergeschlagen hatte, wieder aufgerichtet. Blut tropfte über seine Wange. Eins seiner Augen begann zuzuschwellen, das andere lag mit brennender Wut auf ihr. „Er hat recht, du bist nicht länger eine von uns.“

Zitternd kam Gwendolyn auf die Beine und stellte sich vor Cyrian. „Du wirst ihn nicht anrühren.“

„Er hat zwei der Meinen getötet, sein Leben gehört mir. Geh mir aus dem Weg!“

„Niemals!“ Wieder umklammerten ihre Finger den Dolch. Hinter ihr ertönte ein Grollen, dann streifte Fell ihre Hand. Cyrian. Stehend reichte er ihr bis zur Körpermitte. Sein Kopf war so breit, dass ihre Hände ihn nicht zu umfassen vermochten. Erleichterung durchfuhr sie, die im gleichen Moment wieder verflog, als der Elf, den Cyrian niedergeworfen hatte, sich benommen erhob und das Schwert seines toten Bruders aufhob. Gwen glaubte, ihr Herz müsste ihr im nächsten Moment aus der Brust springen, so rasch schlug es. Cyrian grollte erneut und stieß sie zur Seite. Gwendolyn stolperte und sah ihn verwirrt an. Der Blick in seinen Augen war deutlich. „Renn!“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich lass dich nicht allein.“

Er bellte und riss den Kopf zu Seite, sein Blick wurde flehend. Mit Tränen in den Augen wirbelte die Elfe herum und rannte los.

Sie rannte so schnell wie sie konnte. Tränen liefen ihr über die Wangen, Äste peitschten ihr ins Gesicht, rissen winzige Wunden, die sie doch nicht spürte. Zu groß war der Schmerz in ihrem Innersten, zu gewaltig das Brennen in ihrem Herzen. Sie hörte die Schritte erst, als sie bereits zu nah waren. Blind stürmte sie weiter, sprang mit einem wagemutigen Satz über einen Bachlauf, rollte sich ab und jagte weiter. Die Gegend wurde felsiger, ihre Füße fanden besseren Halt, und es machte sie noch schneller. Doch der Verfolger war noch immer da. Verfolger konnten nur eins bedeuteten: Cyrian war tot. Der Gedanke ließ einen Laut des Schmerzens über ihre Lippen kommen. Sie warf sich herum, um nach rechts zu fliehen und prallte gegen etwas Großes, das sie zu Boden warf und halb unter sich begrub. Entsetzte stemmte sie die Hände dagegen, um sich zu befreien, traf auf Fell und warme Haut und lachte im nächsten Moment unter Tränen auf. „Cyrian!“ Der Wolf winselte und leckte ihr über das Gesicht. Weinend schlang sie die Arme um ihn so gut es ging, und vergrub das Gesicht in seinem Fell. „Ich dachte du wärst tot … ich dachte … ich dachte …“

Beruhigend stupste er gegen ihre Rippen und grollte leise. Sie richtete sich auf, wischte die Tränen fort und bemerkte das Blut an ihren Händen. Sein Fell war an mehreren Stellen dunkel und verklebt. Erschrocken fuhr sie darüber, konnte wegen des Fells jedoch nicht genug sehen. „Du musst dich verwandeln, so kann ich dich nicht verbinden.“

Der große Kopf nickte. Hinkend verschwand er zwischen den Bäumen. Ein Stöhnen ertönte, dann fiel ein Körper zu Boden. Gwendolyn hastete zu ihm, fand ihn reglos am Boden liegen. Schnell breitete sie ihren Umhang über ihn aus und begann seine Wunden zu verbinden. Als er die Augen aufschlug, hielt sie ihm den Wasserschlauch an die Lippen.

Er trank gierig und umfasste dann ihre Hand. „Geht es dir gut?“ Als sie nickte, sank er erleichtert zurück ins Gras. Sein Blick glitt forschend über ihr Gesicht. „Du hast deine Kräfte nicht eingesetzt, warum? Du hättest die beiden töten können.“

„Ich … ich … “ Verwirrt schüttelte die Elfe den Kopf. „Ich weiß nicht, normal … passiert es einfach … aber diesmal. Ich … ich will keine Mörderin sein … ich habe von Nia geträumt und … “

„Du hast es kontrolliert.“

Schwang da stolz in seiner Stimme mit? „Du hast dich nicht mitreißen lassen.“ Er zog ihr Gesicht zu sich herunter und küsste sie. „Wir müssen weiter“, krächzte er und hustete erstickt. „Sie kommen.“

Stumm reichte sie ihm die wenigen Kleiderstücke, die sie in ihrem Bündel hatte retten können und drehte sich um. Ihre Gedanken kreisten.

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Am Mittag des nächsten Tages geschah es. Sie durchquerten gerade ein Stück Wald, in dem die Bäume sehr weit auseinanderstanden, als ein Sirren ertönte. Geistesgegenwärtig stieß Cyrian Gwendolyn beiseite, da traf ihn schon ein Pfeil in die Schulter und warf ihn zu Boden. Brüllend krümmte er sich zusammen. „Silberpfeile, Werwolf.“ Die Stimme war eiskalt. „Wie gefällt dir das?“

Der Elf, der aus dem Schatten trat, war größer als die, die ihm folgten. Sein Gesicht wurde von zwei dünnen geflochtenen Zöpfen umrahmt, das Haar beinahe silbern, was ihn noch bleicher wirken ließ. Sein Blick fesselte Gwendolyn an den Boden, ihre Beine gehorchten ihr nicht. Zu schlimm waren die Erinnerungen, die sein Anblick in ihr hervorrief. „Alatan.“

„Hallo Gwendolyn.“ Er lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. Auf seinen Wink stürmten zwei der Elfen vor, zogen Cyrian hoch und hielten ihn fest. Das Gesicht des Shahari war vor Schmerz verzerrt. Das Silber vergiftete ihn. Gwendolyn machte einen Schritt auf ihn zu. „Lass ihn gehen! Cyrian!“

„Gwendolyn komm zu mir.“ Alatan streckte die Hand nach ihr aus. „Du weißt, ich will dir nichts tun.“

„Lass ihn los!“

„Wenn du versprichst mit mir zu kommen, werd ich ihm nichts tun.“

„Gwen nicht.“ Cyrian wand sich im Griff der Krieger. Ein Schlag ins Gesicht ließ ihn beinahe in die Knie gehen.

„Hör auf!“, schrie Gwendolyn. Hitze ballte sich in ihr zusammen. Automatisch schloss sie die Augen und rief das Feuer. Flammen begannen auf ihrer Haut zu tanzen, doch diesmal fühlte es sich nicht fremd an. Sie hatte das Feuer gerufen. Sie allein. „Lass ihn gehen oder ihr seid tot.“

„Das wirst du nicht Gwendolyn. Du kannst mich nicht töten“, sagte Alatan sanft. „Und wenn wir sterben, stirbt auch dein Spielzeug. Komm mit mir.“

„Nur wenn du ihn gehen lässt.“

„Gweny nein“, stöhnte Cyrian. „Lauf weg, los geh schon.“

„Halt den Mund Wolf.“ Alatan betrachtete ihn kühl. „Du kannst nichts tun. Gwendolyn gehört mir.“

„Wenn du sie anrührst bring ich dich um, du Bastard“, knurrte Cyrian. Reißzähne blitzen hinter seinen Lippen hervor, seine Augen leuchteten strahlend blau.

„Du?“ Der Elf lachte. „Du bist allein und verwundet und …“

„Wer sagt denn, dass er allein ist?“

Gwendolyn fuhr herum. Der Mann war so lautlos aufgetaucht, als wäre er direkt aus der Erde gewachsen. Er war groß, beinahe ein Riese mit breiten Schultern. Seine Kleidung war schlicht, der Umhang über seinen Schultern staubig und die Stiefel schlammverschmiert. An seinem Gürtel hing ein breites Schwert.

Alatan runzelte die Stirn. „Wer bist du, Fremder?“

„Was du sagst. Ein Fremder.“

„Und warum mischt du dich ein?“

„Ich mag die Art nicht, wie du ihn und das Mädchen behandelst.“ Der Hüne sprach so gelassen, als befände er sich in seinem sicheren Heim und nicht vor einer Überzahl von Gegnern. „Lass die beiden gehen.“

„Du willst ihm helfen? Du allein?“

Der Mann lächelte gefährlich. „Und wer hat gesagt, dass ich allein bin?“

Gwendolyn spürte, wie die feinen Härchen an ihren Armen sich aufrichteten. Plötzlich teilte sich überall das Unterholz, dunkle Schemen traten hervor. Ein Grollen erfüllte die Stille. Eine schlanke Frau trat an die Seite des Mannes und legte eine Hand auf seinen Arm. Ihre Augen glühten grün. „Claire Silberherz, Königin der Werwölfe“, flüsterte jemand ehrfürchtig. An die Seite der Frau trat ein Mann mit rotem Haar und breiten Schultern. Er hatte ein offenes Gesicht, doch seine Augen waren dunkel vor Sorge. Vier Wölfe und eine Gestalt in einem langen schwarzen Umhang, deren Kapuze ihr Gesicht größtenteils verbarg, vervollständigten die Gruppe. Die Elfen rückten unwillkürlich ein Stück enger zusammen, Gwendolyn stand genau zwischen den Fronten. Ihr Blick hing an Cyrian, der zitternd zwischen den beiden Kriegern hing. Ob er vor Erleichterung oder vor Schmerz zitterte, vermochte sie nicht zu sagen.

„Wie ist dein Name?“ Der Fremde hatte sich wieder an den Wortführer der Elfen gewandt. Seine Stimme war noch immer ruhig, beinahe freundlich.

„Alatan, Anführer des Ordens der brennenden Schwerter.“

Der Mann nickte. „Ein Krieger, gut. Ich bitte dich Alatan, lass uns Blutvergießen vermeiden. Gib mir Cyrian und lass das Mädchen selbst entscheiden, wem sie folgen will.“

„Gwendolyn gehört mir und der Mann hat Männer aus meinem Volk getötet. Sein Leben ist verwirkt.“

„Bevor du Hand an ihn legst, bist du tot.“ Die Drohung, die in den Worten des Rothaarigen lag, war unverhohlen. Augenblicklich legte einer der Elfen einen Pfeil auf die Sehne und richtete sie auf den Werwolf. Im nächsten Moment hatte aber auch Claire ihren Bogen in der Hand und fixierte den Elfen mit ruhiger Hand.

„Schluss damit!“ Der Mann im dunklen Umhang trat mit einem großen Schritt vor die Frau. „Lasst ihn gehen!“ Er schlug die Kapuze zurück, die sein Gesicht verdeckt hatte. Alatan wurde bleich.

„Der Bluträcher.“

Der Angesprochene neigte leicht den Kopf. Seine blaugrauen Augen lagen unverwandt auf dem Gesicht des Elfen. „Ich sehe, du erkennst mich.“

„Wer würde dich nicht kennen, Schlächter.“ Er spuckte die Worte beinahe auf die Erde, sein Blick wanderte erneut über die Gruppe, und plötzlich wich auch der letzte Rest Blut aus seinem Gesicht. „Sag mir, wer du bist!“ Sein Blick hing an dem Hünen, der jetzt ruhig einen Schritt vortrat.

„Ich bin Jonathan William Takoda, Sohn der Blutwölfin, Herr der Schattenwanderer.“ Er straffte sich kaum merklich „König der Shahari.“

Ein Muskel im Gesicht des Elfen zuckte. Andere hatten sich nicht so gut im Griff und erbleichten.

„Und seit wann …“, zischte Alatan, „mischt sich der König der Wölfe in unsere Geschicke ein?“

„Es ist nicht meine Art, aber der Mann, den du da festhältst …“ Sein Blick streifte Cyrian. „… ist einer meiner Brüder. Wenn du von mir gehört hast, weißt du, dass ich meine Familie niemals im Stich lasse.“

Gwendolyn stieß ein Wimmern aus. Feuerherz, der Bluträcher und der mit dem Gesicht eines Engels. Die Schatten des Königs. Ihre Knie gaben nach, sie wankte. Sofort flog Cyrians Blick zu ihr. Alatan machte einen Schritt nach vorn, doch Gwendolyn wich vor ihm zurück. „Wag es nicht!“

„Gwendolyn, du musst mit mir kommen. Es ist das Beste für dich.“

„Sie wird nirgendwo mit dir hingehen“, knurrte Cyrian und riss an dem Griff seiner Wächter. „Lass sie.“

„Schnauze Werwolf.“

„Hey!“ Der Rothaarige zog finster die Brauen zusammen und machte einen Schritt vor.

Dann ging alles ganz schnell.

Alatan machte einen weiteren Schritt in Gwendolyns Richtung, der Elf mit dem Bogen hob seine Waffe, doch noch während sein Arm sich spannte, sprang der Bluträcher vor. Ein Dolch blitze in seiner Hand auf, wirbelte durch die Luft und durchbohrte die Brust des Schützen. Ziellos schoss der Pfeil in den Himmel. Mit einem Schrei stürmte der Rothaarige vor. Einer der Wölfe setzte ihm nach und gemeinsam warfen sie sich auf Cyrians Wachen. Gwendolyn wollte ihnen nach, doch da packte Alatan ihren Arm und riss sie grob herum. Sie unterdrückte einen Schrei und schlug ihm ins Gesicht.

Der Elf zischte wütend: „Du weißt nicht, was du tust, Mädchen.“

„Lass mich gehen Alatan, ich kann sie dir nicht zurückgeben.“ Sie sah, wie der Schmerz für einen Moment den Hass aus seinen Augen vertrieb. „Sie ist tot. Du musst sie gehen lassen.“

„Ein Teil von ihr ist noch hier. Ich muss sie zurückholen.“

„Und mich willst du dafür opfern?“

„Ich brauche sie, Gwendolyn! Dein Tod ist …“

„Sprich nur weiter Elf, dein Leben ist ohnehin verwirkt.“ Cyrian war neben ihnen wie ein blutiger Racheengel aufgetaucht. Sein Hemd klaffte weit auf, offenbarte die tiefe Wunde, die der silberne Pfeil gerissen hatte. Seine Augen leuchteten blau. „Nimm die Hände von ihr.“

„Um dich zu töten, Werwolf.“ Im nächsten Moment blitze eine Klinge in der Hand des Elfen.

„Nein!“, schrie Gwendolyn und stieß Cyrian mit aller Macht zurück. Ein Feuersturm barst aus ihren Händen, zerstob in der Luft und formte sich neu zusammen. Gebannt hielten Werwölfe und Elfen im Kampf inne und starrten auf das Geschehen. Die Flammen wirbelten ineinander und formten eine Gestalt. „Nia“, flüsterte Alatan.

Das Wesen aus Feuer ging auf Gwendolyn zu, die ihr reglos entgegen sah. „Gweny. Es tut mir so leid.“

„Es ist nicht deine Schuld“, flüsterte Gwen.

Ihre Schwester schüttelte sanft den Kopf. „Ich weiß.“ Ihr Blick wanderte zu Cyrian. „Du musst sie beschützen.“

„Das werde ich“, nickte er. „Ich schwöre es.“

„Sie vertraut dir. Ich tue es ebenso.“ Sie streckte die Hand aus, und Gwendolyn tat ebenso. Warm umspielten die Flammen ihre Finger. „Leb wohl Schwester!“

„Geh nicht Nia … vielleicht …“

„Doch.“ Das Wesen lächelte traurig. „Es muss sein. Wir müssen loslassen. Wir beide.“

Tränen strömten Gwendolyn über die Wangen. „Werde ich dich wiedersehen?“

„Ich bin hier Gweny. Ich bin für immer bei dir.“ Mit diesen Worten beugte sie sich vor und küsste Gwendolyn auf die Stirn. Dann wirbelten die Flammen ineinander, stiegen immer weiter in den Himmel auf und verblassten. Gwendolyn schluchzte und schlug die Hände vor den Mund.

Ganz langsam wandte Alatan sich ihr zu. „Du hast sie vernichtet.“ Seine Stimme war tonlos. „Du hast sie mir weggenommen.“

„Alatan …“

Doch dieser schnitt ihr das Wort ab. Seine Augen waren leer. Cyrian schob sich schützend vor Gwendolyn, doch der Elf machte keine Anstalten ihr näherzukommen. „Das wirst du bereuen Gwendolyn.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging. Seine Kämpfer zögerten einen kurzen Moment, doch dann folgten sie ihm. Gwendolyn sah ihnen nach. Sie spürte Tränen ihre Kehle hinaufsteigen, doch ihre Augen blieben trocken. Cyrian schlang einen Arm um sie und zog sie an sich. „Komm her.“ Er barg ihren Kopf an seiner Schulter und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. „Alles gut, es ist alles gut. Ich hab dir doch gesagt, meine Leute sind hier irgendwo.“

Als sich ihr Herzschlag beruhigt hatte, richtete sie sich auf und sah ihm in die Augen. „Bruder des Königs?!“

Blut schoss ihm in die Wangen. „Nicht von der Blutlinie gesehen. Es ist mehr ein Ausdruck von …“

„Bruder?!“

„Es tut mir leid.“ Er lächelte halbherzig. „Soll ich dich vorstellen?“

„Wäre angemessen, denkst du nicht?“

Der Rothaarige stand mit verschränkten Armen vor ihnen. „Nachdem wir für dich Don Juan gerade unser Leben riskiert haben.“

„Lass ihn, Connor“, wies Claire ihn zurück und schlang Cyrian die Arme um den Hals. „Ich war so in Sorge.“

„Nichts passiert“, murmelte er. Nacheinander schlossen die Shahari ihn in die Arme, dann deutete John nach Osten. „Unser Lager ist nicht weit von hier entfernt.“ Sein Blick fand den Gwendolyns. „Bei uns seid Ihr in Sicherheit.“ Für einen Moment schien es, als könnte der dunkelhaarige Mann mit der Statur, die beinahe hünenhaft zu nennen war, bis in ihre Seele sehen und die Elfe fuhr erschrocken zurück. Cyrians Hand fand die ihre und drückte sie sanft. Doch sie löste sich von ihm und trat zur Seite, um neben dem toten Elf niederzuknien, der durch die Klinge des Bluträchers gefallen war. Vorsichtig strich sie ihm über das Gesicht und schloss seine Augen. Sie blickte auf, als ein Schatten auf sie fiel. Cyrian sah nachdenklich auf sie hinunter. „Läufst du wieder weg, Feuermädchen?“

Sie senkte den Blick. „Ich will deine Leute nicht in Gefahr bringen. Mein Volk ist immer noch hinter mir her. Alatan wird nicht aufgeben. Jetzt nicht mehr. Deine Freunde …“

„Die sind Kummer gewohnt“, entgegnete der Werwolf ruhig. „Gwendolyn, du kannst nicht immer weglaufen. Du musst dich dem stellen.“

Das Königspaar der Wölfe trat zu ihnen. Die anderen warteten ein Stück weiter entfernt. Der riesige John legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter „Wir werden dir helfen.“

Gwendolyn schüttelte den Kopf, ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Wie könnt ihr so viel für mich riskieren? Ihr kennt mich nicht.“

„Nein, aber mein Freund hat dir sein Herz geschenkt. Und wenn er dich verliert, werde ich ihn verlieren.“ Der König der Werwölfe schenkte ihr ein nachdenkliches Lächeln. „Er hat dich gewählt, damit gehörst du zu meiner Familie.“ Er tätschelte das Schwert an seiner Seite. „Und wir schützen unsere Familie.“ Er nickte ihr zu und wandte sich ab. Claire schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. „Wir würden uns freuen Gwendolyn. Komm mit uns“, sagte sie freundlich und folgte ihrem Mann. Jetzt waren nur noch Cyrian und sie auf dem kleinen Waldstück übrig, das Zeuge so vieler Dinge geworden war. Zitternd strich Gwendolyn sich durch die Haare und schüttelte den Kopf. Ihr Blick trübte sich leicht vor Tränen. „Ich hab Angst Cyrian.“

Er strich ihr über die Wange und zog sie in seine Arme. „Komm mit mir“, bat er leise. „Ich pass auf dich auf. Zusammen finden wir eine Lösung.“

Sie lehnte sich an seine Schulter und schloss die Augen. Das erste Mal seit langem sang das Feuer in ihr warm und hell voll Hoffung. Sie betrachtete ihre verschränkten Hände.

Warm und kühl.

Feuer und Mond.

So verschieden.

Sie hob den Kopf und sah in seine unglaublich blauen Augen. „Versprochen?“

Cyrians Lächeln war das eines Engels. „Versprochen!“

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Ana Nelayan

Mit Büchern hatte ich mein Leben lang zu tun: Angefangen mit den ersten, andächtig bestaunten Bilderbüchern und nächtelangen, heimlichen Leseabenteuern unter der Bettdecke bis hin zu einer Tätigkeit als Buchhändlerin. Später haben die Bücher meinen Kindern verzauberte Vorlesestunden geschenkt.

Nach einer zweiten Ausbildung zur Mediengestalterin widme ich mich heute der technischen Seite des Gestaltens von Büchern. All die Jahre hat mich die Begeisterung nicht nur für das Lesen, sondern auch für das Schreiben begleitet.

Ich lebe und arbeite in meiner Wahlheimat Detmold, zusammen mit meiner Tochter, mit der ich die Begeisterung für das geschriebene Wort teile.

Das Erwachen

„When the last eagle flies

Over the last crumbling mountain …“

Thorstens neue Volontärin faltete eifrig Infobriefe und trällerte dabei entspannt vor sich hin. Er warf ihr einen genervten Blick zu. Melissa konnte offenbar nicht arbeiten, ohne dabei kitschige Lieder zu singen. Und das bei der Bullenhitze. Er sehnte sich nach etwas Ruhe oder einem Song von Iron Maiden. Er krempelte die Ärmel hoch und tupfte sich die schweißnasse Stirn trocken.

Seit heute Morgen saß er hinter dem Schreibtisch und grübelte über eine passende Schlagzeile nach. Die Augustsonne knallte direkt auf den Bildschirm und machte es schwierig, den Text zu lesen. In zwei Wochen war die nächste Ausgabe seines Newsletters fällig, und das Sommerloch hatte alle halbwegs spannenden Themen geschluckt. Nicht einmal ein winziger Umweltskandal war in Sicht. Melissa hob den Kopf. „Ich brauche noch mehr Briefumschläge. Wo finde ich die?“, wollte sie wissen.

Sie war sehr engagiert, das musste Thorsten ihr lassen. Die Schülerin opferte ihre Sommerferien, um kostenlos und ehrenamtlich seine Umweltschutzorganisation zu unterstützen, statt am Badesee zu liegen und Eis zu essen. Er sollte lieber dankbar für ihren Elan sein als genervt zu gucken, dachte er schuldbewusst.

Er warf einen Blick auf die Uhr. „Das verrate ich dir nach der Mittagspause. Holen wir uns einen Kaffee und setzen uns auf die Terrasse. Im Kühlschrank ist noch Salat, möchtest du den?“

Befreit sprang das Mädchen auf. Thorsten lächelte über den Eifer, mit dem sie ihre Puderquaste aus der Handtasche zog, um ihre niedliche Nase einzustauben. Dass Frauen immer etwas an sich zu verbessern fanden. Melissa kam ihm hübsch genug vor, mit ihren dunklen Locken und der gebräunten Haut, ein schlanker, hochgeschossener Teenager, gerade dem Zahnspangenalter entwachsen.

Melissa ließ sich in der prallen Sonne auf einen der Gartenstühle fallen und angelte ihre Sonnenbrille aus der Handtasche. Sie hatte Muffins mitgebracht und stellte sie auf den Gartentisch. „Die habe ich selbst gebacken. Nimm dir einen. Sie sind mit Himbeeren gefüllt, echt superlecker!“, bot sie ihm an.

Thorsten rückte den Stuhl in den Schatten der Kastanie und lehnte den Kuchen bedauernd ab. „Leider hat mir meine Waage vom Verzehr von Muffins dringend abgeraten, ich muss mich an mein Grünzeug hier halten.“

„Oh, du Armer. Na ja, vielleicht kommt ja Daniel noch vorbei, dann kann er einen haben.“ Melissa errötete.

Thorsten dachte belustigt, dass Melissa die Muffins wohl vor allem gebacken hatte, um seinen Neffen zu beeindrucken. Seit einigen Tagen kam der junge Mann verdächtig oft im Büro vorbei, um sich eine Büroklammer zu leihen oder ‚mal eben‘ etwas auszudrucken. Meist blieb er dann stundenlang auf Melissas Schreibtischkante sitzen und diskutierte mit ihr über Abfallvermeidung oder Massentierhaltung. Thorsten fand, dass das eine seltsame Art war, einem Mädchen den Hof zu machen, aber Melissa schien sich nicht daran zu stören.

„Daniel hat mich am Wochenende auf Facebook geaddet. Und er hat alle meine Fotos geliked. Wir haben stundenlang gechattet“, erzählte sie ihm treuherzig. „Er hat versprochen, mir sein Terrarium zu zeigen und mich zu der Reptilienshow nächstes Wochenende mitzunehmen.“

Sein Verwandter hatte wohl einen Volltreffer bei der jungen Dame gelandet. Die wenigsten Mädchen konnten sich für Daniels geliebte Kriechtiere begeistern, aber Melissa schien sich tatsächlich dafür zu interessieren.

Als hätte man ihn gerufen, tauchte in dem Moment Daniel an der Gartenpforte auf. Thorsten wollte ihm schon zuwinken, als er bemerkte, dass Daniel seinen Finger auf die Lippen gelegt hatte und ihn beschwörend ansah. Die Sonne hatte seinen blonden Haarschopf gebleicht und seine Sommersprossen nachgedunkelt. Das weiße T-Shirt mit der Aufschrift ‚Save the Whales‘ hing lose über die ausgewaschenen Jeans. Im rechten Nasenflügel glänzte ein Piercing mit dem Peace-Symbol. Die linke Hand verbarg er hinter sich. So schlich er sich lautlos an Melissa heran, die mit dem Rücken zu ihm saß.

„Tatatata: für dich!“ Daniel hielt Melissa eine wohlgefüllte Eistüte vor die Nase.

Melissa fuhr erschrocken herum. „Hi Daniel!“, quietschte sie entzückt. „Mensch, hast du mich erschreckt! Ist das echt für mich? Das ist ja süß! Danke schön!“ Sie strahlte ihn an und lud ihn ein, sich zu setzen.

„Schön, dass du vorbeikommst. Ich habe das Rezept ausprobiert, das du mir per Mail geschickt hast und Muffins gebacken. Du möchtest bestimmt Kaffee, ja?“

Eifrig verschwand sie in der Küche. Thorsten schmunzelte in sich hinein. Seit wann interessierte sich Daniel für Rezepte? Melissa weckte ganz neue Seiten an ihm.

„Hallo, Daniel. Du bist ja ein geradezu vorbildlicher Neffe, so oft, wie du in letzter Zeit deinen alten Onkel besuchst“, zog Thorsten den jungen Mann auf. „Was macht dein Terrarium? Hat sich der Leguan endlich gehäutet? Wie hieß er gleich noch? Paul, nicht wahr?“, fragte er, als Melissa mit einer frischen Kanne Kaffee aus der Küche kam.

„Ja, das Paulchen ist wieder fit. Ein tolles Grün haben die Schuppen jetzt, wo die Haut wieder neu ist. Vorher sah er ja schon total schäbig aus.“

Daniel nutzte sein Stichwort und lud Melissa ein, sich doch gleich heute Abend das frisch gehäutete Pracht- exemplar anzusehen. Thorsten trank eine zweite Tasse Kaffee und verjagte nachlässig die lästigen Wespen, die sich von den kleinen Kuchen unwiderstehlich angezogen fühlten. Daniel verdrückte genüsslich einen Muffin und lobte Melissas Backkünste. Die junge Dame schleckte eifrig ihr Eis und gab sich alle Mühe, dabei nicht ihr rosa Tanktop zu verkleckern.

Thorsten lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück und genoss den Augenblick. Alles war friedlich.

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In diesem Moment passierte es. Eine kaum wahrnehmbare Erschütterung lief durch die Welt, eine Woge der Beunruhigung. Sie hinterließ ein vages Gefühl von Angst, so, wie ein Kräuseln auf der Oberfläche eines ruhigen Sees die Ahnung eines mächtigen Seeungeheuers brachte. Trotz der Hitze fröstelte Thorsten plötzlich. Hatte es ein Erdbeben gegeben? Verwirrt schaute er sich um, aber was immer es gewesen war, es war bereits wieder vorbei.

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Melissa streifte eine ihrer Locken zurück. Sie schloss genüsslich die Augen und ließ ihre Zunge um die Eiskugel kreisen. Ein dunkler Schlangenkopf schob sich neugierig an die Eiskugel heran und ließ die gegabelte Zunge über das Eis schnellen. Die Kälte der Masse schien sie zu irritieren, denn sie zog ihren Kopf ruckartig zurück. Eine zweite Schlange inspizierte unterdessen den Henkel der Kaffeekanne.

Thorsten schrie unwillkürlich auf, als er sie sah. Er zog seine Hände so hastig zurück, dass er seine Kaffeetasse zu Boden warf. Die Scherben blieben unbeachtet.

Daniel starrte Melissa mit aufgerissenen Augen an, den Mund voller Kuchenkrümel. Melissas Haar hatte sich in glänzende, sich windende Schlangen verwandelt, die neugierig ihre Köpfe hoben und sich in alle Richtungen drehten. Glänzende Knopfaugen schauten vorwitzig, gespaltene Zungen schnellten vor und zurück, geschmeidige Leiber wanden sich umeinander.

Melissa schaute sich fragend um: „Was ist los, warum schaut ihr so entsetzt?“

„Melissa, du hast … du hast Schlangen auf dem Kopf“, stotterte der Junge. Eine der schwarzen Nattern hatte sich um Melissas Handgelenk gewunden und blickte ihr direkt ins Gesicht. Sie sprang auf, der Gartenstuhl polterte zu Boden. Sie kreischte und fuchtelte panisch mit den Händen. Die Schlange wehrte sich gegen die rüde Behandlung und biss sie in die Finger.

Melissa schrie entsetzt auf. „Nimm sie weg!“, kreischte sie. „Wo kommt die her? Daniel, hast du sie mitgebracht? Das find ich echt nicht witzig“, schimpfte sie, „bitte, nimm sie endlich weg. Die ist doch nicht etwa giftig?“

Die Schlange klammerte sich fester um ihren Arm, die andern Nattern wogten aufgebracht auf ihrem Kopf.

Daniel schüttelte heftig den Kopf. „Nein, das war ich nicht. Wie könnte ich denn ... Melissa, wirklich, die Schlangen wachsen auf deinem Kopf! Ich kann nichts dafür!“

Melissa riss ungeduldig an der Schlange und schrie schmerzerfüllt auf. „Aua! Mein Kopf! Was ist hier los, das soll aufhören, sofort!“

Thorsten fasste sich ein Herz und wagte es, die böse zischende Schlange von Melissas Arm zu wickeln. Mit zitternden Fingern legte er sie auf ihrer Schulter ab. Melissa tastete über ihren Kopf, schüttelte angewidert die Hände und kreischte hysterisch. „Aaaah, nicht, ich will nicht! Ich will das nicht, macht das weg!“

Sie riss verzweifelt an den wild umherpeitschenden Schlangen und schrie. Die Schlangen auf ihrem Kopf reagierten panisch, sie waren nicht weniger aufgebracht als das Mädchen.

Daniel kam zu sich, er ergriff Melissas Hände und hielt sie fest. „Nicht Melissa, du machst es nur noch schlimmer. Du tust ihnen weh. Wenn du um dich schlägst, fühlen sie sich angegriffen. Beruhig dich, ganz ruhig.“

Thorsten zitterten noch immer vor Aufregung die Hände, aber er begriff, dass Daniel recht hatte. Er atmete tief durch und bemühte sich ruhig zu sprechen. „Setz dich, bleib ganz still sitzen und bewege dich nicht, damit sich die Schlangen beruhigen können.“

Er hob den auf dem Kies liegenden Klappstuhl auf und schob ihn Melissa hin. Das Mädchen sank in sich zusammen. Mit hängenden Schultern blieb sie sitzen. Die Nattern schmiegten sich tröstend an ihre Wangen. Sie züngelten aufgeregt.