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Der vierte Fall der Kultermittlerin Bella Block jetzt neu im eBook! Die dreckigen Schattenseiten der Hansestadt … Dort, wo Hamburg am hässlichsten ist, auf dem trostlosen Straßenstrich hinter dem Berliner Tor, tobt ein erbitterter Bandenkrieg. Privatdetektivin und Ex-Kripo-Beamtin Bella Block weiß, dass die Anstrengungen der Polizei, den Sumpf des Verbrechens trockenzulegen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind – und versucht auf anderem Wege für Gerechtigkeit zu kämpfen: Sie lässt sich mit dem Schutz einer Prostituierten beauftragen, die aus dem Geschäft aussteigen will. Doch bereits kurze Zeit später wird die junge Frau tot aufgefunden; es ist ein Mord der übelsten Sorte … Wider besseren Wissens schwört Bella sich, den Killer zu finden – ein Fehler, den sie schon bald bitter bereuen wird … »Eine der herausragenden deutschen Autorinnen ist zweifellos Doris Gercke. Ihr vierter Roman ist zugleich ihr bester.« Tages-Anzeiger Zürich Der vierte Fall der legendären Kommissarin Bella Block, der unabhängig gelesen werden kann – ein bitterböser Kriminalroman für die Fans von Simone Buchholz. In Band 5 will Bella auf einer spanischen Insel ausspannen – und gerät in den tödlichen Strudel eines Drogenkartells …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 169
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Dort, wo Hamburg am hässlichsten ist, auf dem trostlosen Straßenstrich hinter dem Berliner Tor, tobt ein erbitterter Bandenkrieg. Privatdetektivin und Ex-Kripo-Beamtin Bella Block weiß, dass die Anstrengungen der Polizei, den Sumpf des Verbrechens trockenzulegen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind – und versucht auf anderem Wege für Gerechtigkeit zu kämpfen: Sie lässt sich mit dem Schutz einer Prostituierten beauftragen, die aus dem Geschäft aussteigen will. Doch bereits kurze Zeit später wird die junge Frau tot aufgefunden; es ist ein Mord der übelsten Sorte … Wider besseren Wissens schwört Bella sich, den Killer zu finden – ein Fehler, den sie schon bald bitter bereuen wird …
Über die Autorin:
Doris Gercke, 1937 in Greifswald geboren, ist eine der bekanntesten Krimi-Autorinnen Deutschlands. Berühmt wurde sie durch ihre Reihe um die Kultermittlerin Bella Block, im ZDF verfilmt mit Hannelore Hoger in der Titelrolle. Auf der Criminale 2000 erhielt sie den »Ehrenglauser« für ihr Gesamtwerk. Doris Gercke lebt in Hamburg.
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre 17-teilige Reihe »Ein Fall für Bella Block«. Folgende Fälle sind als Hörbücher bei Saga Egmont erschienen: »Du musst hängen«, »Das lange Schweigen«, »Schlaf, Kindchen, schlaf« und »Das zweite Gesicht«.
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eBook-Neuausgabe Februar 2024
Dieses Buch erschien bereits 1990 unter dem Titel »Der Krieg, der Tod, die Pest« bei Fischer.
Copyright © der Originalausgabe 1990 by Verlag am Galgenberg
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Arnold.Petersen, Wut_Moppie
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)
ISBN 978-3-98952-508-5
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Doris Gercke
Sumpf der Sünde
Ein Fall für Bella Block 4
dotbooks.
Alle Namen, Personen und Ereignisse sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit sind zufällig und unvermeidbar.
Die Luft ist so warm, dass du denkst, du schwimmst in Scheiße.
Halts Maul, Mann.
Hab ich ja gleich gesagt, dass wir den Blödmann zu Hause lassen sollen.
Die drei Männer blieben einen Augenblick stehen. Der Letzte, ein Junge im Jogginganzug, stellte einen Kanister auf den Sandboden.
Aufmerksam beobachteten sie den Weg hinter sich. Ihre Augen hatten sich schon an die Dunkelheit gewöhnt. Unten an der Straße erkannten sie ihren Wagen. Der Weg vor ihnen führte über einen Hügel. Es war still.
Dahinter sind die Viecher. Ruhe jetzt.
Der Letzte nahm den Kanister wieder auf. Langsam, vorsichtig, um nicht auf einen trockenen Zweig zu treten oder Steine in Bewegung zu setzen, gingen die Männer weiter. Sie erreichten die Hügelkuppe und sahen sich um. Von hier oben hatten sie einen guten Überblick über das Gelände. Links unten lagen flache, lang gestreckte Gebäude. Die leeren, schwarzen Flächen davor waren eingezäunt. Hinter dem ersten Zaun sahen sie undeutlich einen großen hellen Fleck am Boden.
Riesiger Köter, flüsterte der mit dem Kanister.
Er fing einen Tritt gegen die Wade. Vor ihnen senkte sich der Weg, führte durch eine Fahrradsperre und verschwand hinter einer Hecke. Unten war eine breite Straße zu erkennen, und auf der gegenüberliegenden Straßenseite begann das Schrebergartengelände. Deutlich zeichneten sich die Konturen von Büschen, Hecken und verschiedenen Laubendächern ab. Dort brannte kein Licht mehr. Rechter Hand senkte sich der Hügel. Er bildete mit einem zweiten Hügel ein kleines Tal. Hinter dem zweiten Hügel ragte ein Sprungturm hervor. Dort musste die Badeanstalt liegen. Das Wasserbecken konnten die Männer nicht sehen.
Auf der breiten Straße tauchten abgeblendete Scheinwerfer auf, ziemlich weit weg, aber deutlich zu erkennen, weil die Stadtverwaltung in dieser Gegend an Licht sparte.
Die drei Männer bemerkten die Scheinwerfer fast gleichzeitig. Sie sahen sie langsam näherkommen.
Bullen, runter.
Ohne besondere Eile gingen die Männer ein paar Schritte an der Schwimmbadseite den Hügel hinunter und legten sich flach auf den Boden. Der Kanister trudelte den Hügel hinab.
Liegen lassen.
Der Polizeiwagen kam die Straße herauf, ein langsames, ruhiges Späherfahrzeug. Die Späher sahen gelangweilt durch die Wagenfenster.
Nichts los heute – kein Stoßgeschäft, was?
Der ältere Polizist am Steuer, eingeschlagene Nase und ziemlich fett – das helle Hemd unter den Armen und am Rücken durchgeschwitzt –, sah gleichgültig auf ein paar Wohnwagen-Anhänger am Straßenrand. Sein Kollege bewegte die Schultern ein paar Zentimeter nach oben, was, wenn es eine Antwort sein sollte, auf jeden Fall eine unbestimmte Antwort war. Er kurbelte das Wagenfenster auf seiner Seite so weit wie möglich herunter und ließ einen kurzen, dicken Arm hinausbaumeln. Die beiden arbeiteten seit Jahren zusammen. Sie hatten sich aneinander gewöhnt, so wie sie sich zu Hause an ihre Ehefrauen gewöhnt hatten. Auch die Kollegen betrachteten sie als Paar. Sie galten als langsam, waren aber in Wirklichkeit ein bisschen schneller, als man ihren fetten Körpern zugetraut hätte. Sie waren dumm und brutal und deshalb gefährlich, weshalb sie von den Kollegen die Bullen genannt wurden. Der Streifenwagen wendete langsam am Ende der Straße.
Nicht mal die Köter kläffen.
Bei der Hitze. Halt mal.
Der Wagen hielt sofort. Er stand neben der Fahrradsperre, hinter der der schmale Weg den Hügel hinaufführte. Beide sahen eine Weile auf den Weg und auf die dunklen Umrisse des Hügels.
Ich dachte nur – als ob sich da was bewegt hätte.
Kaninchen, vermutlich.
Der Wagen fuhr langsam weiter. Noch immer saßen die beiden Polizisten gelangweilt da. Nur wer sie genau beobachtet hätte, hätte an ihren fetten Körpern winzige Veränderungen wahrgenommen, eine ganz leichte Anspannung der Muskeln unter dem Fett vielleicht, und dass die Schweißflecken unter den Achseln sich ein wenig schneller vergrößerten.
Aussteigen?
Karnickeljagd im Dunklen und bei dreißig Grad, bist du verrückt?
Der Fahrer seufzte erleichtert. Er hatte gefragt, weil sie alles, was sie taten, vorher miteinander abstimmten. Manchmal verpassten sie deshalb den winzigen Vorteilsmoment, der im Polizistenleben so unerhört wichtig ist. In Wirklichkeit hatte er natürlich nicht die geringste Lust verspürt, den Wagen zu verlassen, jedenfalls nicht hier und nicht jetzt.
Ich muss was trinken.
Der Schuppen da vorn. Hast du die Neue gesehen? Ob die’s auch macht?
Die machen es alle, für uns machen sie’s alle, das weißt du doch.
Wieder seufzte der Fahrer, diesmal eher sehnsüchtig. Er fuhr schneller; ein ganz klein wenig schneller. Nicht, weil er wirklich schneller fahren wollte, sondern nur, weil eine bestimmte geile Empfindung seine Körperhaltung, ähnlich wie vorher die Anspannung, ein bisschen verändert hatte und dabei ganz automatisch der rechte Fuß etwas stärker auf das Gaspedal getreten war. In Wirklichkeit hatten sie keine Eile. Es war zwei Uhr. Die ganze Nacht lag noch vor ihnen.
Die Männer auf dem Hügel waren liegen geblieben, ohne sich zu bewegen. Niemand hob den Kopf. Der, der den Kanister getragen hatte, deshalb nicht, weil ihm einer der anderen das Gesicht ins Gras drückte, die beiden anderen, weil sie es nicht der Mühe wert fanden. Der Wagen würde weiterfahren. Auch sie hatten Zeit.
Eng auf den Boden gepresst, hörten sie den Streifenwagen langsam herankommen, vorbeifahren und am Ende der Straße wenden.
Während er wieder näher kam, hoppelte, ohne dass sie es merkten, auf der Kuppe des Hügels ein Kaninchen vorbei. Sie wussten nicht, weshalb der Wagen auf dem Rückweg direkt unter ihnen anhielt, und der Nervöse wäre aufgesprungen und weggelaufen, wenn ihn die beiden anderen nicht daran gehindert hätten. Sie lagen da, atmeten hastig und geräuschlos und spürten bei jedem Atemzug das Gras und irgendwelche Käfer oder Ameisen, die ihnen über die feuchte Bauchhaut krochen. Ihre Baumwollhemden waren zu kurz, um bei der Schräglage im Hosenbund stecken zu bleiben. Das war unangenehm, und es schien ihnen eine Ewigkeit zu dauern, bis der Wagen wieder anfuhr und sich langsam entfernte. Trotzdem blieben sie, als der Streifenwagen schon nicht mehr zu hören war, noch eine Weile liegen. Dann ließen sie den Kopf des Jungen los und standen auf. Der Junge sprang erleichtert den Hügel hinunter, um den Kanister zu holen, während die beiden anderen versuchten, Grashalme, Steinchen und Käfer von ihren Bäuchen zu klopfen, ohne dass irgendetwas davon in den Hosenbund rutschte. Die beiden Männer waren mager, trugen enge schwarze Hosen und an den Füßen klobige Stiefel. Als der Junge mit dem Kanister zurückgekehrt war, gingen sie wortlos das letzte Stück den Hügel hinauf. Oben blieben sie einen Augenblick stehen. Deutlich sahen sie eine große, schwarz-weiß gefleckte Dogge langsam am Zaun entlangtrotten. Wenn die anfinge zu kläffen, würde das Tierheim Kopf stehen. Deshalb liefen sie möglichst schnell und lautlos den Weg hinunter. Aufatmend, und ohne dass die Dogge sie wahrgenommen hätte, erreichten sie die Fahrradsperre und blieben stehen. Sie waren jetzt auf gleicher Höhe mit den Wohnwagen auf ihrer Straßenseite und den Schrebergärten, die an die gegenüberliegende Straßenseite angrenzten. Die Straße war leer, die Wohnwagen und Schreberhäuser lagen dunkel da. Etwa drei Meter entfernt stand eine hohe Straßenlaterne, deren Licht einen mäßig hellen Fleck in die Nacht setzte.
Die Männer traten ein paar Schritte hinter die Hecke. Der Junge holte aus den ausgebeulten Taschen seines Jogginganzuges mehrere Schachteln, entfernte die Verpackung und breitete den Inhalt im Gras aus. Er schraubte den Kanister auf. Sofort stieg ein starker Benzingeruch auf. Mit der warmen, klebrigen Nachtluft ergab das eine unangenehme Mischung.
Warte.
Einer der beiden Männer zog aus einer schmalen Seitentasche, die auf sein rechtes Hosenbein genäht war, eine kurze Metallstange, die er wie ein Teleskop auseinanderzog, bis sie etwa zwei Meter lang war. In das offene Ende der Stange schob er sorgfältig die Ecke eines Taschentuches.
Los.
Eifrig goss der Junge Benzin über das Zeug.
Genug.
Der andere Mann nahm ihm den Kanister aus der Hand und stellte ihn zur Seite. Vorsichtig und sich noch einmal vergewissernd, dass die Straße leer war, ging er auf den mittleren Wohnwagen zu. Er umkreiste den Wagen, sah in die geschlossenen Fenster und winkte den beiden anderen zu. Der Junge kam als Erster hinter der Hecke hervor. Zappelig und lautlos kichernd begann er, Stoffstreifen um den Wohnwagen zu wickeln, wobei er die Enden an der Anhängerkupplung festmachte. Er arbeitete schnell und geräuschlos, und seine Lippen bewegten sich unaufhörlich in wüsten Beschimpfungen, besonders wenn er sich an der Tür aufhielt. Der zweite Mann kam mit dem Kanister hinter der Hecke hervor, lief auf den Wohnwagen zu, ging in die Knie, goss das Benzin schnell und gezielt unter der Mitte des Wagens aus und verschwand wieder hinter der Hecke.
Der Junge wickelte mehrere Lagen Stoff um den Wohnwagen, bevor er ebenfalls hinter der Hecke verschwand. Einen Augenblick lag die Straße da wie vorher. Nur der Benzingeruch war jetzt sehr aufdringlich. Sie würden sich beeilen müssen.
Die Männer entfernten sich ein Stück von der Stelle, an der sie den Stoff mit Benzin getränkt hatten, bevor sie den Lappen am Ende der Stange anzündeten. Während der Junge aufgeregt hinter der Hecke vor sich hin brabbelte, trug einer von ihnen die schmale Fackel auf die Straße, reckte den Arm, berührte leicht die Pfütze unter dem Wohnwagen, warf ein paar Zettel auf die Straße und trat dann ruhig wieder in den Schutz der Hecke zurück. Sie warteten, bis der Rest des Lappens verbrannt war, bevor sie über den Hügel zurückliefen.
Auf der Straße wurde es jetzt sehr hell. Kurz bevor sie ihren Wagen erreichten, hörten sie Schreie.
Scheiße, sagte der, der die zusammengeschobene Teleskopstange in den Wagen warf, während sie einstiegen. Ich hab ’ne Ameise am Arsch.
Bella Block, ehemalige Polizistin, jetzt Privatdetektivin in Hamburg, hatte einen langen, schönen, einsamen Sommerabend gehabt, bevor sie schlafen gegangen war. Seit ein paar Monaten, genauer seit ihrem letzten Moskau-Aufenthalt, hatte sie beschlossen, die Beschäftigung mit russischer Lyrik für eine Weile aufzugeben. Am vergangenen Abend nun hatte sie unter ihren Büchern eine Trakl-Ausgabe gefunden, von Fühmann kommentiert. Den ganzen Abend und die halbe Nacht hatte sie darin herumgelesen. Jetzt schlief sie – unruhig und beunruhigt. Unruhig, weil es auch nachts nicht kühler geworden war. Beunruhigt von einem Satz, der ihr auch im Schlaf nicht aus dem Kopf ging. Im Gegenteil, er stand in blauen Neonbuchstaben über einem Haus, das sie zu kennen meinte, ohne zu wissen, woher.
Du verlierst nichts von dem, was du
einmal warst und bist gewesen,
was du erst wirst.
Sie erwachte und sah auf die Uhr. Es war erst drei Uhr morgens. Bella zog sich das Laken über den Kopf und versuchte, wieder einzuschlafen. Der blaue Satz erschien auf dem Haus, das sie kannte.
Um vier Uhr morgens war von dem Wohnwagen nichts weiter übrig, als ein paar glühende Eisenstangen und heißes Blech unterschiedlicher Größe, vier Felgen und ein Haufen Scherben. Die Feuerwehr hatte die links und rechts stehenden Wagen beiseitegeschoben und den Wohnwagen ausbrennen lassen. Zu retten wäre sowieso nichts mehr gewesen. Ob Menschen mitverbrannt waren, ließ sich in der Nacht nicht endgültig feststellen. Irgendwelche verkohlten menschlichen Überreste hatten sie jedenfalls nicht gefunden. Da keine Gefahr bestand, dass das verglimmende Feuer auf das Schrebergartengelände übergreifen würde – es war windstill, und die nächsten Lauben waren mehr als vierzig Meter entfernt –, nahmen die Bullen den als Brandwache zurückgelassenen Feuerwehrmann wieder mit.
Sie waren gerade dabei gewesen, mit der Serviererin im Spielsalon anzubändeln, als die Feuerwehr die Straße entlanggerast kam. Notgedrungen hatten sie sich in ihren Wagen begeben und waren hinterhergefahren. Natürlich hatten sie nichts davon gesagt, dass sie kurz vorher fast genau an der Stelle angehalten hatten, an der das Feuer ausgebrochen war. Die Feuerwehr war von einem Schrebergärtner alarmiert worden, dessen Klo außerhalb der Laube lag und der aufgestanden war, um nach draußen zu gehen. Die beiden Polizisten hatten das umliegende Gelände untersucht, aber außer einem Fleckchen Erde hinter der Hecke, das stark nach Benzin roch, hatten sie nichts Verdächtiges gefunden. Dafür tobten und heulten jetzt sämtliche Hunde in dem nahe gelegenen Tierheim, sprangen gegen die Zäune und waren derart außer sich, dass die Polizisten unwillkürlich die Hand an die Waffe legten, während sie über den Hügel von ihrer ergebnislosen Suche zurückkamen. Natürlich hatten sie auch den Schrebergärtner befragt, ein Protokoll aufgenommen und durch die Fenster in die beiden anderen Wohnwagen gesehen. Aber das Protokoll war eine unergiebige Routinesache, in den Wohnwagen hatten sie keine Menschenseele entdecken können, das Feuer war fast erloschen, das Hundegebell wurde lästig, und die Nacht war durch die glühenden Eisenstangen noch mehr aufgeheizt. Es wurde Zeit, dass sie hier wegkamen.
Da sie die benzingetränkte Stelle hinter der Hecke gefunden hatten und der Fluchtweg der Brandstifter deshalb ihrer Meinung nach nur über den Hügel geführt haben konnte, waren sie gar nicht auf die Idee gekommen, das nahe liegende Schrebergartengelände abzusuchen.
Deshalb hatten sie auch die Frau nicht gefunden, die, Schuhe mit hohen Absätzen in der Hand haltend, im Begriff gewesen war, über die Straße zu gehen, als das Benzin unter dem Wohnwagen verpuffte und der Wagen zu brennen begann. Sie hatte den Mann erkannt, der mit der Fackel hinter der Hecke hervorgetreten war, und sofort begriffen, was los war. Sie hatte Angst, entdeckt zu werden. Mit solchen Kerlen war nicht zu spaßen.
Die Frau hatte sich hinter einen Sandhaufen gehockt. Die Straße war zu hell erleuchtet. Sie konnte jetzt nicht weitergehen. Sie sah, wie die Tür des Wohnwagens aufgestoßen wurde und ein junges Mädchen schreiend davonlief. Sie kannte das Mädchen nicht.
Während der Wagen verbrannte, blieb sie hinter dem Sandhaufen sitzen. Sie fürchtete sich davor, dass die Bullen sie finden und mitnehmen könnten, auch wenn sie auf der Wache in Sicherheit gewesen wäre. Erleichtert stellte sie fest, dass die beiden keine Anstalten machten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu suchen. Überhaupt sahen die beiden Polizisten ziemlich lustlos aus, während sie neben dem langsam kleiner werdenden Feuer standen und mit einem älteren Mann in Trainingshosen und mit freiem Oberkörper sprachen, der aus einem der Schrebergärten über die Straße gekommen war. Schließlich ging der Mann zurück in seinen Garten. Die Bullen sprachen einen Augenblick mit dem zurückgelassenen Feuerwehrmann. Dann stiegen alle drei in den Streifenwagen und fuhren davon. Drüben glühten ein paar Eisenstangen. Es roch nach verbranntem Gummi. Das Geheul der Hunde ließ langsam nach.
Vorsichtig stand die Frau auf und strich sich den Sand von den nackten Knien. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war fast drei Uhr. Keine gute Zeit, um alte Leute aus dem Schlaf zu holen. Wahrscheinlich schliefen sie gar nicht. Der Brand, der Lärm der Feuerwehr – bestimmt waren sie aufgewacht. Die Frau nahm die Stöckelschuhe aus dem Sand, klopfte sie ab und ging barfuß über die Straße. Einen der Zettel, den die Männer in die Gegend geworfen hatten, nahm sie auf und stopfte ihn in ihre Handtasche.
Sie war sehr lange nicht hier gewesen. Die Hecken und Bäume waren höher geworden. Die Gartenlauben sahen kleiner aus, als sie sie in Erinnerung hatte. Das Grundstück ihrer Großeltern hatte am Wasser gelegen. Sie erinnerte sich, dass man einen langen Mittelweg fast bis zum Ende gehen und dann nach rechts abbiegen musste. Sie wusste nicht mehr genau, wo. Sie blieb stehen. Neben ihr begann ein Hund zu kläffen und dann noch einer. Das war nicht schlimm, auch aus dem Tierheim war noch immer Hundegebell zu hören. Aber sie wollte nicht unnötig falsche Wege gehen. Es war gut möglich, dass irgendeiner der Laubenbewohner nach all der Aufregung schlaflos hinter dem Fenster stand. Sie machte einen zögernden Schritt vorwärts und berührte mit der rechten Hand einen Laternenmast, unsicher, ob sie an dieser Stelle den Weg zum Wasser einschlagen sollte. Es war ein alter Mast mit einer geriffelten Oberfläche. Sie fühlte in ihrer Handfläche die Rillen. Ihr Körper erinnerte sich einen Augenblick früher als ihr Verstand an das Gefühl, das die sommerwarme, eiserne, unregelmäßige Oberfläche des Laternenmastes in ihr ausgelöst hatte, als sie noch ein Kind war. Sie war auf dem richtigen Weg.
Während sie hinunter zum Wasser ging, versuchte sie, sich zu erinnern, wie alt ihre Großeltern sein konnten. Es gelang ihr nicht. Sie spürte, dass es ihr schwerfiel, sich zu konzentrieren. Die ersten Anzeichen. In ein paar Stunden – aber daran wollte sie nicht denken. Sie würde die Großmutter schicken. Einmal würde sie es noch brauchen. Und dann war endgültig Schluss. Mit allem. Sie öffnete die Gartentür. Das Grundstück fiel zum Wasser hin ab. Undeutlich sah sie den Bootssteg und den alten hölzernen Kahn daneben.
Das Haus war dunkel, ein hässlicher, kleiner, steinerner Klotz mit winzigen Fenstern und zu großer Tür. Nachkriegshaus.
Leise und bestimmt klopfte die Frau an die Küchenscheibe. Sie wartete. Dann klopfte sie noch einmal.
Sie stand noch immer vor dem Küchenfenster, als undeutlich eine kleine Person hinter der Scheibe auftauchte. Über dem Herd ging ein Licht an.
Wie dumm von ihr, dachte die Frau, das Außenlicht hätte sie anmachen sollen. Wie klein sie geworden ist.
Die Alte war ans Fenster gekommen und sah angestrengt in die Dunkelheit. Die Frau trat noch näher an das Fenster heran. Ihre Gesichter waren sich nah. Einen Augenblick zögerte die alte Frau. Dann verließ sie die Küche und ging in den Flur. Als sie die Haustür öffnete, roch es sofort nach Moder und Trockenblumen. Es roch nach Kindheit.
Komm rein, mach leise.
Die Frau wusste, dass das Haus außer der Küche nur zwei winzige Zimmer hatte. In einem wurde geschlafen, in dem anderen gewohnt. Die Großmutter führte sie in die Küche, die so schmal war, dass die Frauen nicht nebeneinander sitzen konnten.
Petra?