Teneriffa-Krimi: Das goldene Netz von Costa Adeje
Mirko Kukuk
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[email protected] Unterstützung bei Text/Bild: GeminiAlle Rechte vorbehaltenDie in diesem Buch dargestellten Figuren und Ereignisse sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten realen Personen ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.
Inhalt
Titelseite
Impressum
Prolog
Kapitel 1: Der perfekte Morgen, der zerbricht
Kapitel 2: Ein Fall für Kommissar Morales
Kapitel 3: Die Fassade bröckelt
Kapitel 4: Der Kreis der Reichen und Mächtigen
Kapitel 5: Ungereimtheiten in den Büchern
Kapitel 6: Alte Familienfehden
Kapitel 7: Die undurchsichtigen Investoren
Kapitel 8: Eine gefährliche Liaison
Kapitel 9: Die digitale Spur
Kapitel 10: Bedrohung und Warnungen
Kapitel 11: Der Maulwurf
Kapitel 12: Die Wahrheit ans Licht
Kapitel 13: Die Konfrontation
Kapitel 14: Der Sturm bricht los
Kapitel 15: Nachbeben und neue Anfänge
Epilog
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Prolog
Teneriffa, die Insel des ewigen Frühlings, glänzte in der warmen kanarischen Sonne. Türkisblaues Wasser umspülte goldene Sandstrände, der Teide wachte majestätisch über die Insel, und in den luxuriösen Villen von Costa Adeje florierte ein Leben im Überfluss. Hier, wo der Champagner floss und die Geschäfte in Millionenhöhe abgeschlossen wurden, schien das Leben ein endloser Traum zu sein. Doch hinter der strahlenden Fassade aus Reichtum und Schönheit verbarg sich ein undurchsichtiges Geflecht aus Gier, Korruption und dunklen Geheimnissen. Ein Netz, das so tief und weit verzweigt war, dass es die ganze Insel in seinem goldenen Glanz gefangen hielt. In diesem schimmernden Kokon aus Geld und Macht spielte Laura Richter eine Schlüsselrolle. Sie war die Königin der Immobilien, eine Frau, die keine Angst hatte, sich in den Kreisen der Reichen und Mächtigen zu bewegen, und die ihre Kontakte skrupellos nutzte. Bis zu jenem verhängnisvollen Abend, an dem die Fassade zerbrach und ihr Tod die erste Welle eines Sturms auslöste, der die Insel bis in ihre Grundfesten erschüttern sollte. Ein Sturm, der die hässliche Wahrheit hinter dem Glanz des „Goldenen Netzes von Adeje“ ans Licht bringen würde.
Kapitel 1: Der perfekte Morgen, der zerbricht
Der Morgen brach über Costa Adeje herein, so wie jeden Tag: makellos und vielversprechend. Die Sonne malte erste goldene Streifen auf die Glasfassaden der Luxushotels, ließ die Pools in Aquamarin leuchten und versprach einen weiteren Tag voller perfekten Scheins. In der Villa „La Esmeralda“, hoch über der Küste gelegen, war alles auf diese Perfektion ausgerichtet. Der Infinity-Pool spiegelte den azurblauen Himmel wider, die prächtig gepflegten Bougainvilleen blühten in verschwenderischem Purpur, und im Inneren des weitläufigen Anwesens wartete ein stilles Chaos auf seine Entdeckung.
Maria, die Haushälterin, zog ihren traditionellen weißen Kittel glatt und summte leise eine alte kanarische Melodie. Seit fünfzehn Jahren arbeitete sie für Señora Laura Richter, die berühmteste und gefürchtetste Immobilienmaklerin auf Teneriffa. Maria schätzte die Ruhe der frühen Morgenstunden, bevor der Tag in der Villa in den üblichen Reigen aus Telefonaten, Besichtigungen und Geschäftsessen mündete. Señora Richter war ein Wirbelwind, eine Frau, die keine Zeit verschwendete und alles mit preußischer Präzision und kanarischer Leidenschaft organisierte.
Maria begann ihre Routine in der Küche. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee sollte als Erstes durchs Haus ziehen, dann folgte das Frühstück für Señora Richter, meist nur ein kleiner Joghurt mit frischen Früchten und ein Glas frisch gepresster Orangensaft. Doch heute war etwas anders. Eine seltsame Stille lag über dem Haus. Keine Geräusche aus dem Arbeitszimmer, wo Laura Richter oft schon vor Sonnenaufgang saß, um E-Mails zu checken und die internationalen Märkte zu studieren. Keine Musik, kein leises Summen. Nur das ferne Rauschen des Ozeans und das Zwitschern der ersten Vögel.
„Señora?“, rief Maria leise, als sie den Flur entlangging, auf dem der teure Marmorboden kühl unter ihren Füßen war. Keine Antwort. Sie klopfte leicht an die Tür des Arbeitszimmers. Stille. Das war ungewöhnlich. Laura Richter war eine Frühaufsteherin, und wenn sie einmal schlief, dann wie ein Murmeltier.
Maria entschloss sich, direkt ins Schlafzimmer zu gehen. Vielleicht hatte Señora Richter schlecht geschlafen. Sie schob die schwere Holztür behutsam auf. Der Raum war dunkel, die Vorhänge noch zugezogen. Der Geruch von etwas Süßlichem, aber auch Metallischem hing in der Luft. Ein unangenehmer Geruch, den Maria nicht sofort zuordnen konnte. Sie zog vorsichtig die Vorhänge zur Seite. Das morgendliche Licht flutete herein und enthüllte das Grauen.
Laura Richter lag quer auf dem Bett, in einem Seidennachthemd, das blutgetränkt war. Ihr blondes Haar war wirr um ihr Gesicht verteilt, ihre Augen starrten leer zur Decke. Ein großer, dunkler Fleck breitete sich auf den weißen Laken aus. Maria schrie. Ein hoher, panischer Schrei, der die Stille des perfekten Morgens zerriss und weit über die Terrassen der Villa hallte. Sie stolperte zurück, ihre Hände vor den Mund geschlagen, das Herz raste ihr bis zum Hals. Blut. So viel Blut.
Sie rannte zum Telefon im Flur, ihre Finger zitterten so sehr, dass sie kaum die Nummer wählen konnte. „Notruf!“, presste sie hervor, ihre Stimme brach. „Villa La Esmeralda! Es ist… es ist Señora Richter! Sie ist… tot!“
Der Anruf erreichte Kommissar Javier Morales eine halbe Stunde später, als er gerade seinen ersten Cortado in einer kleinen Bar in Santa Cruz genoss. Er war erst vor sechs Monaten von Madrid nach Teneriffa versetzt worden, eine Beförderung, die er sich hart erarbeitet hatte. Morales war Ende dreißig, sportlich, mit wachen, dunklen Augen und einem analytischen Verstand, der ihn in der Hektik der Großstadt ausgezeichnet hatte. Doch Teneriffa war anders. Die Uhren tickten langsamer, die Korruption schien tiefer zu sitzen, und die Touristenwelt von Adeje war ein Universum für sich.
„Morales, Sie sind dran“, sagte die Stimme seines Chefs, Inspektor Torres, knapp. „Toter in Costa Adeje. Luxusvilla. Sieht nach Raubmord aus. Holen Sie sich Díaz und das Team und fahren Sie raus.“
Morales runzelte die Stirn. Ein Raubmord in Costa Adeje war nicht ungewöhnlich, aber oft handelte es sich um Kleinkriminelle, die sich an Touristen vergriffen. Eine Villa dieser Größe, mit diesem Namen – das roch nach etwas Größerem. Er nickte in sich hinein und rief Sergeant Ana Díaz an, seine junge, ehrgeizige Kollegin, die trotz ihrer Unerfahrenheit mit scharfem Verstand und einem untrüglichen Gespür für Details überzeugte.
Als sie die „La Esmeralda“ erreichten, war die Szene bereits abgesperrt. Streifenpolizisten standen vor dem elektrischen Tor, das sich langsam öffnete und den Blick auf eine Auffahrt freigab, die von perfekt getrimmten Palmen gesäumt war. Das Haus selbst war ein architektonisches Statement aus Glas, Beton und lokalem Stein – ein Sinnbild für den Reichtum, der sich hier konzentrierte.
Die Haushälterin, Maria, saß auf einer Bank am Pool, eingewickelt in eine Decke, und schluchzte leise. Eine psychologische Betreuerin der Polizei sprach beruhigend auf sie ein.
Morales betrat das Haus. Der Geruch, von dem Maria gesprochen hatte, war hier noch stärker. Süßlich-metallisch. Blut. Ein alter Kollege hätte es als „Geruch des Todes“ bezeichnet. Morales war desillusioniert genug, um zu wissen, dass es einfach der Geruch von Eisen und Verwesung war. Das Schlafzimmer war wie ein Albtraum in Pastellfarben. Das Bett, einst ein Ort der Ruhe, war zum Tatort geworden. Laura Richter lag da, leblos, die Augen weit aufgerissen, als hätte sie im letzten Moment etwas Unfassbares gesehen.
„Sergeant Díaz“, sagte Morales ruhig, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Sichern Sie alles. Fotos, Spurensicherung. Nichts anfassen, was nicht unbedingt sein muss. Und ich meine nichts.“
Díaz nickte, ihre Miene ernst. Sie begann sofort, mit ihrem Team die Sicherung des Raumes zu koordinieren. Morales trat näher an das Bett heran, ohne es zu berühren. Er scannte den Raum. Die Tür war nicht aufgebrochen. Die großen Schiebefenster, die zum Poolbereich führten, waren geschlossen. Es gab keine offensichtlichen Zeichen eines gewaltsamen Eindringens. War es doch ein Raubüberfall? Er suchte nach dem Offensichtlichen: fehlender Schmuck, ein durchwühlter Kleiderschrank, ein aufgebrochener Safe. Nichts dergleichen. Der Nachttisch war aufgeräumt, ein teures Buch lag darauf, daneben eine Designer-Lesebrille.
Der Blick von Laura Richter schien ihn direkt anzusehen. Es war kein Blick der Überraschung, eher einer des Unglaubens, des Verrats. Das irritierte Morales. Opfer von Raubüberfällen hatten oft eine Mischung aus Angst und Schock in den Augen. Lauras Blick war anders.
Er drehte sich zu einem der jungen Forensiker um. „Gibt es Anzeichen für Kampfspuren?“ Der Forensiker schüttelte den Kopf. „Bislang nicht, Kommissar. Keine Kratzer, keine blauen Flecken, nichts, was auf eine Gegenwehr hindeutet. Das einzige, was auffällt, ist die Art der Verletzung.“ Er deutete auf die Brust des Opfers. „Ein einziger Stich, sehr präzise. Direkt ins Herz, so scheint es. Sehr sauber.“
„Sauber?“, wiederholte Morales. Ein Raubmord war selten „sauber“. Meistens gab es eine grobe Wut, eine Panik, die zu unkontrollierten Stichen oder Schlägen führte. Ein einziger, präziser Stich deutete auf eine andere Art von Täter hin. Jemand, der wusste, was er tat. Jemand, der vielleicht keine Spuren hinterlassen wollte oder sich sicher war, keine hinterlassen zu müssen.
Morales blickte sich erneut im Raum um. Etwas fehlte. Das war es. Er konnte es nicht genau benennen, aber es war da. Ein Gefühl, dass etwas nicht stimmte, abseits der Tatsache, dass eine Frau tot war.
„Haben Sie das ganze Haus durchsucht?“, fragte er Díaz, die gerade dabei war, Fotos von einem teuren Schmuckstück zu machen, das auf einem Schminktisch lag. „Ja, Kommissar. Alles intakt. Nichts fehlt. Kein Hinweis auf einen Einbruch.“ Das war es. Wenn nichts gestohlen worden war, war es kein Raubmord. Oder zumindest kein gewöhnlicher.
„Also kein Raub“, murmelte Morales. „Dann ist es etwas Persönliches. Oder jemand wollte es wie einen Raub aussehen lassen.“ Er beugte sich über das Bett, ohne die Leiche zu berühren. Laura Richter hatte ein unbewegtes Gesicht, aber die leicht gerunzelte Stirn verriet eine letzte Emotion.
„Finden Sie ihre Handtasche“, befahl Morales Díaz. „Und ihr Handy. Alles, was sie persönlich bei sich hatte. Und die Haushälterin – fragen Sie sie, wann sie Frau Richter zuletzt lebend gesehen hat und ob sie in den letzten Tagen ungewöhnliche Besuche oder Anrufe hatte.“
Díaz notierte es sich. Morales wusste, dass dieser Fall sie fordern würde. Laura Richter war eine Persönlichkeit auf Teneriffa. Ihr Tod würde Wellen schlagen, nicht nur in der lokalen Presse, sondern auch in der glitzernden Welt der internationalen Investoren und der High Society, in der sie sich bewegte. Das „goldene Netz“, wie es auf Teneriffa genannt wurde. Ein Netz aus Reichtum, Beziehungen und undurchsichtigen Geschäften. Und Laura Richter war mittendrin. Morales ahnte, dass dieser „perfekte Morgen“ nur der Beginn eines sehr unperfekten Albtraums sein würde.
Kapitel 2: Ein Fall für Kommissar Morales
Kommissar Javier Morales stand am Tatort, die Hände in den Hosentaschen seiner dunklen Anzughose vergraben, und musterte die Leiche von Laura Richter. Die Forensiker waren eifrig bei der Arbeit, kleine Marker mit Nummern auf den Boden legend, Proben nehmend, alles dokumentierend. Der Geruch von Blut und Chemikalien füllte den Raum, ein beinahe süßlicher Dunst, der Morales’ Geruchssinn zu reizen begann.
„Kommissar, wir haben die persönlichen Gegenstände der Señora Richter gefunden“, sagte Sergeant Ana Díaz, die zu ihm trat. Sie hielt ein durchsichtiges Beweismittelbeutelchen in der Hand, in dem ein elegantes Smartphone und ein Lederportemonnaie steckten. „Kein Bargeld, keine Kreditkarten fehlen. Alles da. Das Handy ist gesperrt, wir müssen es zur Datenanalyse schicken.“
Morales nickte. „Gut. Und die Handtasche?“ „Nicht auffindbar, Kommissar. Überall gesucht. Aber der Safe ist unberührt, wie Sie sehen.“ Díaz deutete auf einen großen, in die Wand eingelassenen Safe, dessen Tür fest verschlossen war.
Das passte alles nicht zusammen. Ein Einbrecher, der keine Wertsachen mitnimmt? Das war mehr als nur ungewöhnlich. „Fragen Sie die Haushälterin noch einmal, Maria, wie sie heißt? Ob sie etwas über eine Handtasche weiß oder wo Señora Richter üblicherweise ihre Wertsachen aufbewahrt hat.“
Morales ging aus dem Schlafzimmer auf die Terrasse. Der Blick auf das Meer war atemberaubend. Die Luxusvillen reihten sich wie Perlen an einer Kette entlang der Küste, jede ein Statement von Reichtum und Erfolg. Doch hinter dieser glänzenden Fassade brodelte es oft. In seiner kurzen Zeit auf Teneriffa hatte Morales gelernt, dass die Insel nicht nur ein Urlaubsparadies war, sondern auch ein Schmelztiegel für internationale Geschäfte, von denen nicht alle sauber waren. Geldwäsche, undurchsichtige Investitionen, Schmiergelder – das war die dunkle Kehrseite des touristischen Booms. Laura Richter war eine zentrale Figur in dieser Welt gewesen. Jeder, der auf Teneriffa Land kaufen oder ein großes Bauprojekt starten wollte, kam an ihr kaum vorbei.
Er zog sein eigenes Handy hervor und rief Inspektor Torres an. „Inspektor, Morales hier. Wir sind am Tatort. Es ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Keine Anzeichen für einen erzwungenen Eintritt, keine fehlenden Wertsachen, abgesehen von einer möglichen Handtasche. Die Haushälterin fand sie. Stichverletzung, präzise, direkt ins Herz.“
Eine kurze Pause am anderen Ende der Leitung. „Das klingt nicht nach einem gewöhnlichen Raubmord, Morales. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Das hier wird Wellen schlagen. Laura Richter hatte Verbindungen bis in höchste Kreise.“