The Extraordinaries – Die Außergewöhnlichen - T. J. Klune - E-Book

The Extraordinaries – Die Außergewöhnlichen E-Book

T. J. Klune

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Beschreibung

Nick Bell ist ein ganz gewöhnlicher Teenager. Wobei das in einer Stadt voller Superhelden schon wieder ungewöhnlich ist. Und der beste Autor von Superhelden-Fan-Fiction zu sein, ist ja quasi auch eine Superkraft, oder? Als Nick eines Tages Shadow Star, dem berühmtesten Helden der Stadt – und sein heimlicher Schwarm – begegnet, beschließt er, selbst ein Held zu werden, um Shadow Star zu beeindrucken. Widerwillige Hilfe bekommt er dabei von seinem besten Freund Seth. Wird Nick Shadow Stars Herz erobern oder erkennt er, dass seine wahre große Liebe eigentlich schon die ganze Zeit an seiner Seite ist?

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Seitenzahl: 701

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Das Buch

Nick Bell lebt zusammen mit seinem allein erziehenden Vater in Nova City und schlägt sich mit den Alltagsproblemen eines Highschool-Schülers herum: die Schule nervt (ganz besonders die Sport-Cracks, die sich für was Besseres halten), sein Vater versucht, peinliche Aufklärungsgespräche mit ihm zu führen, seine Freundinnen Jazz und Gibby sind frisch verknallt und haben nur Augen füreinander. Auch sein bester Freund Seth verhält sich in letzter Zeit sehr komisch. Gott sei Dank gibt es da noch Nicks große Leidenschaft: die Außergewöhnlichen, eine Gruppe von Superhelden, die Nova City vor dem Bösen beschützen. Nick ist nicht nur ihr größter Fan, er ist auch der beste Autor von Superhelden-Fan-Fiction in der ganzen Stadt. Ganz besonders Shadow Star hat es Nick angetan. Also beschließt Nick, selbst außergewöhnlich zu werden. Versteht sich von selbst, dass er dazu Seths Hilfe braucht. Doch der hat so gar keine Lust, Nick bei seinem Unterfangen zu unterstützen – ganz im Gegenteil. Und dann findet Nick auch noch heraus, das Shadow Star nicht der ist, der er zu sein scheint …

Der Autor

T. J. KLUNE griff im Alter von sechs Jahren zu Stift und Papier und schrieb eine mitreißende Fanfiction zum Videospiel Super Metroid. Zu seinem Verdruss meldete sich die Videospiel-Firma nie zu seiner verbesserten Variante der Handlung zurück. Doch die Begeisterung für Geschichten hat T. J. Klune auch über dreißig Jahre nach seinem ersten Versuch nicht verlassen. Für die herausragende Darstellung queerer Figuren in seinen Romanen wurde er mit dem Lambda Literary Award ausgezeichnet. Mit seinem Roman Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte gelang T. J. Klune der Durchbruch als international gefeierter Bestsellerautor. Im Heyne Verlag sind von T. J. Klune außerdem erschienen: Das unglaubliche Leben des Wallace Price, Die unerhörte Reise der Familie Lawson und Aus Sternen und Staub.

T. J. KLUNE

Roman

Aus dem Amerikanischen übersetztvon Charlotte Lungstrass-Kapfer

Titel der Originalausgabe:

THEEXTRAORDINARIES

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 04/2024

Redaktion: Lisa Scheiber

Copyright © 2020 by TJ Klune

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabeund der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-29270-6V002

Für all die neurodivergenten Menschen dort draußen, die große Pläne und noch größere Träume haben. Ihr seid Superhelden, und eure Kräfte sind unermesslich.

Lasst euch von niemandem etwas anderes erzählen.

Titel: Wir werden die Erde entflammen

Autor:ShadowStar744

Kapitel 67 von? (ESWIRDIMMERLÄNGER!)

267.654 Wörter (ALSOVIELLÄNGER!!)

Pairing:Shadow Star/OMC

Altersempfehlung:ab 13 (Könnte noch raufgehen, aber ich weiß nicht, ob ich das dann so gut hinkriege. Würg.)

Tags:True Love; Romantik; Shadow Stars sanfte Seite; Action; Happy End; Erster Kuss; Vielleicht etwas Schweinkram, wenn ich mich dazu durchringen kann, wer weiß

Kapitel 67: Gefangen im Sturm

Anmerkung des Autors: Hey! Tut mir leid, dass so lange nichts Neues mehr kam, erst hatte ich Computerprobleme, und dann hatte ich in den Ferien eine Menge zu tun. Außerdem hatte ich eine Schreibblockade, was echt die Hölle ist. Ich wollte euch bestimmt nicht vier (!!) Monate lang mit einem Cliffhanger zurücklassen, aber eure Fragen, wann es endlich weitergeht, haben mir dann die Inspiration verschafft, die ich brauchte. Vielen Dank! Ich kann leider nicht versprechen, wann das nächste Kapitel kommt, denn die Schule fängt wieder an – kotz –, und in der Oberstufe werde ich wohl richtig ranklotzen müssen. Hoffentlich dauert es nicht zu lange. Und ich entschuldige mich jetzt schon mal für die Fehler, die noch dringeblieben sind! Mein Korrekturleser ist momentan sehr »beschäftigt« (was auch immer das heißen soll), und ich bin echt nicht gut beim Überarbeiten. Schreibt einfach alles, was euch auffällt, in die Kommentare, dann werde ich versuchen, es zu verbessern. Danke!!!!!

Nate Belen war sicher nicht der Typ Jungfrau in Nöten, auch wenn er gerade hoch oben auf einer Brücke festgebunden war und darauf wartete, von Shadow Star gerettet zu werden. Während er langsam wieder zu Bewusstsein kam, spürte er eigentlich nichts außer Schmerz. Ein leises Stöhnen entkam ihm. Alles tat weh – der Hals, die Beine, die rechte Hand.

Und sein Herz.

Sein Herz schmerzte am schlimmsten.

Denn es war gebrochen, war in kleine Splitter zerschlagen worden.

Immer wieder hörte er Shadow Stars tiefe Stimme, hörte die Worte, die er ihm zugeraunt hatte: Ich empfinde so viel für dich, Nate, aber wir können nicht zusammen sein. Nova City braucht einen Helden. Und ich muss dieser Held sein. Meine Feinde dürfen niemals erfahren, wie wichtig du mir bist, denn sonst würden sie das gegen mich einsetzen. Es ist vorbei.

Eine einsame Träne rollte über Nates Wange. Dabei war er nun wirklich keine Heulsuse! Nein, er weinte nie. Er war stark und mutig und heulte nicht. Niemals.

Außer wenn sein dämlicher Quasi-Freund von einem Superhelden mit ihm Schluss machte.

»Wie ich sehe, bist du wieder unter den Lebenden«, stellte eine boshafte Stimme fest.

Nate öffnete die Augen.

Er keuchte entsetzt.

Der Wind fuhr durch sein dickes Haar. Er versuchte, gegen die Fesseln anzukämpfen, die seinen Körper fixierten, doch es hatte keinen Sinn. Er war gefangen.

Gefangen hoch oben auf einem Pfeiler der McManus-Brücke, der höchsten Brücke von Nova City.

Vögel glitten an ihm vorbei. Die Sterne strahlten über ihm am Himmel. Und direkt vor ihm, mit wild flatterndem schwarzem Cape: Pyro Storm.

Eine Maske verhüllte sein Gesicht und ließ nur eine schmale Öffnung für den Mund. Seine Augen waren hinter roten Gläsern verborgen. Durch das enge, schwarze, mit roten Paspeln abgesetzte Kostüm kam sein muskulöser Körper besonders zur Geltung. Der Mann hatte ein Eight-Pack. Seine Brustmuskeln waren extrem definiert, seine Oberschenkel kraftvoll. Und seine Stiefel waren einfach umwerfend. Auf seiner Brust prangte das Symbol, das die guten Leute von Nova City vor Furcht erschauern ließ: ein Wirbelsturm aus Feuer.

Nate spürte, wie sein Herz zu rasen begann, doch er würde niemals zulassen, dass Pyro Storm erfuhr, wie groß seine Angst war. Auf keinen Fall. Wieder stemmte er sich gegen seine Fesseln. »Was willst du von mir?«, schrie er den Superschurken todesmutig an.

Pyro Storm legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Ach, Nate. Von dir will ich überhaupt nichts.«

»Und warum bin ich dann hier?«, fragte Nate heldenhaft.

Pyro Storm flog ein wenig näher heran. Sein Cape bauschte sich, und die Augen hinter der Maske wurden schmal. »Das weißt du genau.«

»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«

»Doch, ich denke schon«, erwiderte Pyro Storm. »Jeder weiß, wem dein Herz gehört. Und nachdem ich dich nun durch meinen teuflischen Plan in meine Gewalt gebracht habe, wissen wir auch beide, wer bald zu deiner Rettung eilen wird. Denn das tut er schließlich immer.«

Nate spürte, wie sich feine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. »Ich bin ihm völlig egal.«

Pyro Storm schüttelte den Kopf. »Da irrst du dich. Du bedeutest ihm einfach alles. Obwohl er so ziemlich jeden in dieser Stadt haben könnte, egal ob Mann oder Frau, hat er dich erwählt. Du musst schon etwas ganz Besonderes sein, wenn es ihn so erwischt hat. Und deshalb weiß ich nun auch, wie ich ihn treffen kann. Wie ich ihn in die Knie zwingen kann.«

»Du wirst niemals gewinnen«, fauchte Nate mannhaft. »Schurken wurden nur zu einem Zweck erschaffen: um besiegt zu werden!«

»Wow.« Pyro Storm klang beeindruckt. »Hast du dir das ganz allein ausgedacht?«

Nate nickte stolz. »Jawohl.«

»Das war wirklich stark. Ich begreife langsam, warum er so auf dich steht.«

Dann knurrte eine tiefe Stimme: »Du hättest besser die Finger von ihm gelassen.«

»Shadow Star!«, keuchte Nate.

Denn ja, er war es tatsächlich. Shadow Star war gekommen.

Er sah so umwerfend aus wie immer. Zwar war er nicht ganz so durchtrainiert wie Pyro Storm und sein Kostüm saß auch nicht so extrem eng, doch er war trotzdem der attraktivste Außergewöhnliche, den Nate je gesehen hatte – auch wenn sein Gesicht wie immer hinter der schwarzen Maske verborgen war, die seinen gesamten Kopf verhüllte. Alles bis auf den Mund. Sein Kostüm funkelte wie der nächtliche Sternenhimmel, und egal was seine Hater auch behaupteten – es sah absolut nicht aus wie ein Paillettenanzug. Nein, vielmehr schien er mit winzigen Diamanten bedeckt zu sein.

Einmal hatte Shadow Star Nate in seine Arme gezogen, und gerade als dieser sich sicher gewesen war, nun seinen ersten Kuss zu bekommen, hatte Shadow Star sich abgewandt und war verschwunden, war so schnell an einem Wolkenkratzer emporgestürmt, dass Nate ihm nicht einmal mit Blicken folgen konnte.

Doch nun war er hier, hielt sich mit einer Hand an dem Brückenpfeiler gegenüber fest, während die andere zur Faust geballt herabhing, während Hunderte Meter unter ihnen der Fluss im Mondlicht schimmerte. Schatten zogen sich um ihn herum zusammen wie eigenständige Wesen, dicke Tentakel aus purer Finsternis peitschten vor und zurück. Nichts wünschte sich Nate so sehr wie Shadow Stars geheime Identität zu kennen.

»Ah.« Mit einem zufriedenen Seufzen wandte sich Pyro Storm seinem Erzfeind zu. »Wie ich sehe, hast du meine Nachricht erhalten, Shadow Star.«

»Ja, das habe ich.« Shadow Stars tiefe Stimme löste bei Nate einen wohligen Schauer aus. »Die Bürger dieser Stadt hätten es allerdings lieber gesehen, wenn du sie mir einfach aufs Handy geschickt hättest, anstatt sie in die Wand des Rathauses einzubrennen.«

»Ich musste doch sichergehen, dass du ihr auch die nötige Aufmerksamkeit schenkst.«

»Nun, dieses Ziel hast du erreicht. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob dir das tatsächlich gefallen wird.« Shadow Star warf Nate einen kurzen Seitenblick zu. »Bist du okay?«

Der nickte. »Ja … mir geht es gut.«

»Ich hole dich da gleich runter.«

»Das wäre nett.«

»Und dann muss ich mit dir reden.«

Nate wusste nicht, ob das nun gut oder schlecht war. »O…kay?«

Shadow Star sah ihn durchdringend an. Oder zumindest glaubte Nate das, denn eigentlich konnte er Shadow Stars Augen gar nicht sehen. Ob sie wohl blau waren? Er hoffte es. Himmelblau, wie das Meer rund um eine exotische Insel. Wahrscheinlich waren sie wunderschön, total sexy und voller Schmerz und Qual, wenn er gezwungen war, mit anzusehen, wie Nate in Pyro Storms Gewalt ausharren musste.

»Wow«, staunte Pyro Storm. »Die erotische Spannung hier ist ja mal zum Schneiden dick. Seid ihr zwei etwa Seelenverwandte? Denn für mich sieht es ganz danach aus.«

Shadow Star wandte sich ab und blickte stumm in die Ferne, getrieben von stiller Furcht und Stärke. »Ich weiß nicht, ob ich noch an die Liebe glauben kann. Ich wurde schon zu oft verletzt. In der Vergangenheit.«

Pyro Storm nickte verstehend. »Ja, das kenne ich. Ein richtiges Scheißgefühl, oder? Aber manchmal muss man die Verletzungen der Vergangenheit einfach hinter sich lassen. Oder ebenjene, die sie verursacht haben.«

»Du hast doch keine Ahnung, wovon du sprichst, Schurke.« Shadow Star ballte die freie Hand zur Faust. »Das ist nicht so leicht, wie du denkst. Jemanden zu lieben, egal ob Außergewöhnlicher oder nicht, bringt nichts als Kummer.«

Oh, welch stille Kraft Shadow Star doch in sich barg! Nates Magen zog sich schmerzvoll zusammen. »Aber es ist all den Kummer wert«, sagte er. »Denn ohne Liebe haben wir nichts.«

Ganz kurz huschte Shadow Stars Blick zu ihm herüber. »Es liegt nicht an dir, Nate, das musst du wissen. Es ist mir völlig egal, dass du ADHS hast und glaubst, dein Gehirn wäre deshalb verkorkst, oder dass du dadurch diese schrecklichen Kopfschmerzen bekommst. Selbst als du im letzten Schuljahr notenmäßig so abgesackt bist und deinen Dad dadurch wahnsinnig enttäuscht hast, wusste ich, dass du dir alle Mühe gegeben hast. Du versuchst es. Du strengst dich so sehr an, mehr als jeder andere, den ich kenne. Das ist ein Grund, warum ich dich … Warum ich …« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss dir so vieles sagen, Nate. Dinge, dir ich dir schon längst hätte sagen sollen. Aber ich habe Angst. Angst davor, jemanden an mich heranzulassen, mich einem anderen Menschen zu öffnen. Den Mann hinter der Maske zu offenbaren.«

»Aber ich sehe ihn doch«, erwiderte Nate drängend. »Ich sehe dich so, wie du bist, egal ob mit oder ohne Maske. Und deshalb würde ich auch alles tun, um dich zu schützen.«

Im Folgenden wurde Pyro Storm durch Shadow Stars Heldenklage abgelenkt, da dieser eingestand, wie sehr er die Bedürfnisse seines Herzens ignoriert habe, da ihn das Leben gelehrt habe, dass Herzen nur dazu geschaffen seien, irgendwann gebrochen zu werden. So bemerkte Pyro Storm nicht, wie es Nate gelang, einen seiner Arme zu befreien. Ja, er war hier wirklich verdammt weit oben, aber er hatte keine Angst. Nichts konnte ihm Angst machen.

Nate sprang von dem Brückenpfeiler direkt auf Pyro Storms Rücken. Der Erzschurke schrie wütend auf, als Nate die Beine um seinen Bauch schlang, dann eine Hand zwischen ihre Körper schob und das Cape nach oben riss, um es dem Schurken anschließend über den Kopf zu werfen. »Und deshalb sollte man niemals ein Cape tragen, du Arsch«, knurrte Nate triumphierend.

Pyro Storm versuchte fluchend, sich von dem Cape zu befreien. Nate klammerte sich so gut wie möglich an ihm fest, aber Pyro Storm war größer und stärker als er. Und ihm blieb nicht genug Raum, um dem Ellbogenstoß des Schurken auszuweichen. So erwischte er ihn mit voller Wucht an der Wange. Vor Nates Augen tanzten Sterne.

Sein Klammergriff löste sich, er rutschte von Pyro Storms Rücken.

Er fiel.

»Nate!«, schrie Shadow Star entsetzt.

To be continued …

Kommentare:

AußergewöhnlichsterSuperFan 14:45:OMGWTF! Das war SENSATIONELL! Aber warum musstest du schon wieder mit einem Cliffhanger aufhören???!!! AAAAAAAAAAAA

PyroStarIsLife 15:13: Ich weiß, du hast gesagt, du willst nichts mehr davon hören, aber meiner Meinung nach sind Pyro Storm und Shadow Star total verliebt ineinander. Da ist diese Spannung zwischen ihnen!!!! Sie sollten sich endlich küssen und herausfinden, ob es funktioniert. Nate würde das sicher verstehen!

FlüssigesMagma 16:04: Wie lange willst du es noch hinziehen? Du schreibst inzwischen seit fast einem Jahr an der Geschichte. Nate und Shadow Star sollen endlich zusammenkommen. Das ist jetzt schon das längste Epos im Fandom.

AbsolutaußergewöhnlichGirl 16:14:JLKHGSLKDHT!!!! ICHLIIIIIIIIEEEEEBEES. DASISTMEINEABSOLUTELIEBLINGSFICAUFDIESERSEITEGAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHH

ShadowStarLieblingsmensch 16:25: Warum hat Nate plötzlich ADHS und Kopfschmerzattacken? Davon war bisher nie die Rede. Nimm’s mir nicht übel, aber das ist echt unrealistisch. Wie konnte sich Nate von den Fesseln befreien? Und wie ist es ihm gelungen, Pyro Storm auf den Rücken zu springen? Mir gefällt die Story, aber du musst schon realistisch bleiben, wenn du über real existierende Außergewöhnliche schreibst.

FireStoned 16:36:SHADOWSTARISTHETERO. ERLIEBTREBECCAFIRESTONE. HÖRAUF, EINENHOMOAUSIHMZUMACHEN, DASISTEINFACHNURSCHRÄG. ERISTNCHTSCHWUL. ESMUSSNICHTIMMERALLESSCHWULSEIN. ICHBEGREIFEEUCHSLASHSHIPPEREINFACHNICHT. HÖRTAUF, IMMERALLESUMZUDREHEN!!!!!!!!!!!!!!

ReturnOfTheGray 17:15: Sorry, konnte diesmal nicht den Beta-Leser machen. Ist was dazwischengekommen. Hast es aber gut hingekriegt. Gefällt mir, wirklich. Allerdings lässt du dich ziemlich darüber aus, dass Pyro Storm in Sachen Muskeln mehr zu bieten hat als Shadow Star. Worauf soll das hinauslaufen? Schreibe dir später noch.

1

Nick Bell rutschte auf seinem Bett herum und starrte auf sein Telefon. »Nicht schwul«, brummte er. »Er hat Pailletten auf seinem Kostüm!« Kurz überlegte er, ob er den Kommentar löschen sollte, aber einige andere antworteten bereits darauf und fielen wutentbrannt über FireStoned her, also beschloss er, es dabei zu belassen. Wer auch immer FireStoned war – er oder sie würde schnell begreifen, dass man besser keinen Kommentar dieser Art zu einer FF von ShadowStar744 hinterließ. Immerhin gehörte Nick zu den beliebtesten Autoren des Außergewöhnlichen-Fandom. (Auch wenn er den Usernamen ShadowStar744 benutzen musste, da ShadowStar 1–743 schon vergeben gewesen waren. Arschlöcher.) Außerdem würde Slash immer besser ankommen als dieser Hetero-Bockmist, auf den FireStoned offenbar so scharf war. Nick schüttelte den Kopf. Er würde die Heteros nie verstehen.

Die anderen zweiundvierzig Kommentare waren aber gar nicht übel. Vor allem bei einem so kurzen Kapitel, das mit dem zweiunddreißigsten Cliffhanger in Folge endete. Gott sei Dank waren seine Fans da sehr verständnisvoll. Sie waren der eigentliche Grund, warum er immer weiter an etwas schrieb, das man im Prinzip als eine viertel Million Wörter lange masturbatorische Ode an Shadow Star bezeichnen konnte. Ohne sie hätte die Fic vermutlich schon vor langer Zeit ein Ende gefunden oder wäre – noch schlimmer – zu einem dieser unvollendeten Werke geworden, die als warnendes Beispiel für Neulinge im Fandom dienten. Da waren ihm vereinzelte Idioten wie FireStoned doch lieber. Er wechselte zu Tumblr und rebloggte ein paar Beiträge. Sein Daumen schwebte eine ganze Weile über einer ziemlich gewagten Zeichnung von Shadow Star in physisch unmöglicher und zugleich hocherotischer Pose, doch letztlich entschied er sich dagegen. Seit sein Dad herausgefunden hatte, was Tumblr war und dass sein Sohn dort aus Versehen ein Bild gepostet hatte, das niemand unter achtzehn sich auch nur ansehen sollte, hatte er strikt darauf geachtet, dass alles sauber blieb. Sonst hätte sein Dad ihm den Tumblr-Zugang komplett gestrichen, nachdem an höchster Stelle offenbar entschieden worden war, dass schon etwas so Belangloses wie ein Paar Nippel als Pornografie galt. Außerdem hatte sein Dad ihm sein Passwort abgepresst. Seitdem wurde Nick von Albträumen verfolgt, in denen sein Vater sich unter seinem Namen einloggte und all seinen Followern verriet, dass er Hausarrest bekommen würde, falls jemals wieder etwas auch nur ansatzweise Anzügliches auf seiner Seite erschien. Denn genau damit hatte er ihm gedroht.

Welch eine Demütigung.

Die natürlich noch verstärkt wurde, als Dad fragend die Stirn runzelte und beinahe nebensächlich hinzufügte: »Außerdem sollten wir uns vielleicht mal darüber unterhalten, warum da überhaupt ein nackter Mann auf deiner Seite zu sehen war, Nicky. Es sei denn, das sollte Kunst sein. Mit Kunst kenne ich mich nicht aus.«

Nicks Antwort darauf war nicht sonderlich artikuliert ausgefallen. Es war eher eine Lautfolge, die man in einer Dokumentation über das Paarungsverhalten der Elche im nordwestlichen Pazifikraum erwarten würde. Sein Gehirn hatte einen Totalausfall, als er nach einer logischen Erklärung dafür suchte, warum er ein Bild von Shadow Star mit einer so übergroßen Beule in der Hose gepostet hatte, dass man meinen könnte, er brauche dringend medizinische Unterstützung.

Sein Vater wartete geduldig.

Schließlich sagte Nick: »Ja. Ach so. Hm.«

Und Dad erwiderte: »Genau. Hattest du schon Sex?«

»Nein, Dad, oh mein Gott, wie kommst du überhaupt …«

»Weißt du, was ein Kondom ist?«

»Ja, Dad, oh mein Gott, natürlich weiß ich, was ein Kondom ist …«

»Sehr gut. Dann wirst du also auch eines benutzen, falls oder wenn du dich dazu entschließen wirst, Sex zu haben. Was natürlich noch sehr lange nicht der Fall sein wird.«

»Ja, Dad, oh mein – Halt, ich meinte nein, ich habe keinen Sex. Warum sagst du so etwas?«

»Wenn es um Mädchen ginge, würde ich dir genau dasselbe sagen. Pack ihn ein, Nicky. Du musst ihn immer einpacken, bevor du ihn irgendwo reinsteckst.« Er warf seinem Sohn einen abschätzenden Blick zu. »Oder bevor er in dich reingesteckt wird. Kümmert mich nicht, wie herum das läuft. Wie nennt man das noch gleich? Aktiv oder passiv? Mir egal, welcher von beiden du bist. Hauptsache, du schützt dich.«

Das hatte Nick in den Totalausfall getrieben: Synapsenkurzschluss, Quellaugen, Beklemmungsgefühl in der Brust, sodass er anfing zu hyperventilieren. Sein Vater war natürlich sofort zur Stelle, wie immer, wenn Nicks Verstand kurzzeitig aussetzte. Er setzte sich neben ihn, legte ihm den Arm um die Schultern und wartete ab, bis die Gedankenwelt seines Sohnes wieder aufklarte.

Danach hatten sie nicht mehr viel geredet. Die Bell-Männer waren nicht so gut mit Gefühlen, aber Aaron Bell stellte zumindest klar, dass überall Perverse lauerten, und dass sich, auch wenn Nick es im Internet sicher oft mit netten Leuten zu tun hatte, darunter aber auch einige Mittvierziger befanden, die noch bei Mutti im Keller wohnten und nur darauf warteten, einen unbedarften Sechzehnjährigen in ihre schändlichen Taten zu verstricken, die letztlich darauf hinausliefen, dass sie sich Handpuppen aus ihren Opfern bastelten oder ihnen die Haut abzogen und sich daraus Klamotten schneiderten.

Und auch wenn Nick nicht glaubte, dass ihm so etwas passieren würde, konnte er sich doch nicht ganz sicher sein. Er war der Sohn eines Polizisten. Er kannte die Statistiken, war mit den Geschichten der Schrecklichkeiten aufgewachsen, denen sein Vater auf Streife begegnete. Und da er nicht als Handpuppe enden wollte, postete er nun also keine Pornografie mehr, egal wie geschmackvoll die Bilder auch sein mochten.

(Was allerdings bedeutete, dass er seine andere Tumblr-Seite löschen musste, die sich eindeutig an ein erwachsenes Publikum richtete. Doch je weniger darüber gesagt wurde, desto besser.)

So also war das Coming-out bei seinem Vater abgelaufen, und das im zarten Alter von fünfzehn.

Wegen pornografischer Darstellungen eines Außergewöhnlichen.

Wie jung und naiv er damals doch gewesen war. Jetzt war er sechzehn, und damit ein Mann. Okay, vielleicht ein Mann, der sich bei Etsy ein Kissen mit Shadow Stars Gesicht bestellt hatte. Er hatte den Versandstatus stündlich abgerufen, um sicherzugehen, dass er bei der Lieferung als Erster an der Haustür war. Nicht etwa, weil es ihm peinlich war (auch wenn er das Kissen bis heute unter seinem Bett versteckte), sondern einfach, weil … das eine Menge Fragen nach sich gezogen hätte, die zu beantworten er keinerlei Lust verspürte.

(Ebenfalls unerwähnt sollte bleiben, dass er das Kissen nach drei Tagen geküsst hatte, sehr wohl wissend, dass das nicht ganz normal war.)

Aber Nick war trotzdem ein ganzer Mann. Er hatte versprochen, in diesem Schuljahr nur noch vernünftige Entscheidungen zu treffen, quasi noch einmal bei null anzufangen. Neuer Tag, neues Glück, bla, bla, bla.

Er schob seine Füße gerade in seine abgetragenen Chucks, als es an der Tür klopfte. Auch das war Teil ihrer Abmachung. Nick durfte seine Zimmertür schließen, wenn er seine Wäsche selber wusch, sodass sein Vater nicht mit den Beweisen für seine … Selbsterforschung konfrontiert wurde. Nick liebte seinen Dad, doch dieser Mann verfügte über ein so ausgeprägtes Talent, das Leben seines Sohnes mit Höllenqualen anzureichern, dass sich eigentlich dringend mal jemand darum kümmern sollte.

»Frühstück ist fertig«, rief Dad nun durch die geschlossene Tür. »Du solltest dich besser fertig machen, Nicky.«

Nick verdrehte genervt die Augen. »Schon geschehen.«

»Aha. Dann hör auf zu tumblern und schwing deinen Hintern nach unten. Dein French Toast wird kalt.«

»Komme gleich. Und es heißt nicht tumblern, du Banause. Gott, offenbar hast du von absolut nichts eine Ahnung.«

Er hörte, wie sein Vater zur Treppe ging. Die Bodendielen quietschten, was sie eigentlich schon seit Jahren hatten beheben wollen. Aber das war … na ja. Das war davor gewesen. Als noch alles in Ordnung gewesen war und alles einen Sinn gehabt hatte. Klar, damals hatte sein Dad auch schon zu viel gearbeitet, aber sie war immer da gewesen und hatte ihn an die Kandare genommen. Sie hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er mindestens dreimal pro Woche zum Essen zu Hause zu sein hatte, zur Familienzeit. Das sei nicht zu viel verlangt, betonte sie immer wieder. Dabei war allen klar, dass ein Nein keine Option war.

Heute arbeitete Dad immer noch zu viel.

Nick stemmte sich vom Bett hoch. Leise vor sich hin brummend (tumblern, also echt!) stellte er sein Handy auf lautlos und ging zum Schreibtisch hinüber, wo er das Telefon in seinen Rucksack packte.

Wie immer erwartete sie ihn dort auf dem Tisch, eingesperrt in einem Foto. Ihr Lächeln tat weh, selbst jetzt noch. Vermutlich würde das nie ganz verschwinden. Doch es war nicht mehr dieses brennende, klaffende Loch in seinem Inneren, das ihn vor zwei Jahren beherrscht hatte. Und auch nicht mehr der konstante Schmerz vom letzten Jahr. Seth, Jazz und Gibby schlichen auch nicht mehr wie auf Eiern um ihn herum, als befürchteten sie, er könnte bei jeder Erwähnung von Müttern in Tränen ausbrechen.

Dad hatte das Foto gemacht, bei einer ihrer Kurzreisen im Sommer. Damals waren sie zu diesem kleinen Cottage an der Küste von Maine gefahren. Erbärmlich kalt war es dort gewesen, am Strand hatte es nur Felsen gegeben, keinen Sand, und trotzdem war es … irgendwie schön gewesen. Nick hatte sich darüber beklagt, dass sie ihn von seinen Freunden weggeholt hatten, und dass es nirgendwo WLAN gab. Wie barbarisch konnten seine Eltern eigentlich noch werden? Sein Vater hatte nur gelacht, und seine Mutter hatte ihm die Hand getätschelt und versichert, dass er bestimmt nicht daran sterben werde.

Nick war sich da nicht so sicher gewesen.

Andererseits war er damals erst dreizehn und damit extrem melodramatisch. Die hinterfotzige Pubertät hatte ihn voll im Griff gehabt, hatte ihn in den Stimmbruch gejagt und ihm ein paar hartnäckige Pickel an die Nase gehext. Unbeholfen und unsicher war er gewesen und ihm waren plötzlich überall Haare gewachsen; da war es irgendwie ganz natürlich gewesen, alles äußerst tragisch zu nehmen.

Nick fand erst viel später heraus, dass sein Vater dieses Foto gemacht hatte.

Der Urlaub war schon halb vorbei gewesen, und an jenem Tag hatten sie sich vorgenommen, den örtlichen Leuchtturm zu besichtigen, der angeblich extrem malerisch sein sollte. Was nur ein anderer Ausdruck für extrem langweilig war. Am Ende dauerte das Ganze mehrere Stunden, da der Turm mitten im Nirgendwo lag und die altmodische Landkarte, die sie unbedingt benutzen wollte, vollkommen nutzlos war. Irgendwann fuhren sie dann an einem krummen alten Baum vorbei, hinter dem halb versteckt ein Wegweiser aufragte, woraufhin sie schrie: »Da!« Sie hatte angefangen zu strahlen, so begeistert war sie. Dad machte eine Vollbremsung, und Nick lachte zum ersten Mal, seit sie den Bundesstaat Maine erreicht hatten. Mit einem breiten Grinsen drehte sie sich zu ihm um. Das blonde Haar hing ihr ins Gesicht, und sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu, während sein Vater grummelnd den Wagen wendete.

Wenig später hatten sie den Leuchtturm gefunden.

Er war kleiner als erwartet, aber es war irgendwie mitreißend, wie Jenny Bell aus dem Wagen sprang, sobald sie auf dem leeren Parkplatz hielten. Im Hintergrund hörte man das Rauschen der Brandung. Durch die offene Tür rief sie zu ihnen herein: »Seht ihr? Ich wusste, dass wir ihn finden werden. Ich wusste es einfach.«

Die Bell-Männer folgten ihr. Wie immer.

Das Foto steckte in einem schweren Eichenholzrahmen. Nick hatte es sich, ohne groß darüber nachzudenken, vom Nachttisch seiner Mutter geholt. Und sein Vater hatte kein Wort gesagt, als er es auf seinem Schreibtisch entdeckte. Darüber sprachen sie nicht.

Wie über so vieles.

Nun lächelte sie jeden Tag zu ihm hoch. Offenbar hatte sie Dad mit der Kamera entdeckt, denn sie blickte direkt ins Objektiv, den Kopf auf die Schulter ihres Sohnes gestützt. Nick hingegen hatte das Gesicht mit geschlossenen Augen dem Himmel zugewandt.

Sie sahen sich so verdammt ähnlich: beide hellhäutig, mit grünen Augen, blond und mit widerspenstigen Augenbrauen. Kein Zweifel, woher er das hatte. Dad überragte sie beide, war größer als Nick wohl je werden würde, außerdem war er immer leicht gebräunt, hatte schwarze Haare und war mit Muskeln bepackt, auch wenn die nicht mehr ganz so straff waren wie früher. Nick war schlaksig und schmal gebaut, an den guten Tagen leicht unkoordiniert, an den schlechten nahezu gefährlich. Er kam ganz nach ihr, auch wenn die Tollpatschigkeit bei ihr sehr charmant wirkte, während sie bei ihm eher gesprungene Tischplatten oder gebrochene Knochen zur Folge hatte. Sie hatte ihm erzählt, dass sie seinen Vater kennengelernt hatte, indem sie in der Bibliothek auf ihn draufgefallen sei. Sie hatte auf einer Leiter gestanden, um an das oberste Regalbrett heranzukommen, und er war zufällig genau in dem Moment unten vorbeigegangen, als sie den Halt verlor. Dann habe er sie aufgefangen, behauptete Dad, während sie einschränkte: Nein, gar nicht, denn als ich auf dir gelandet bin, bist du sofort umgefallen. Dann hätten sie sich nicht mehr eingekriegt vor Lachen.

Nick sah aus wie sie.

Und er verhielt sich wie sie.

An manchen Tagen war für ihn unbegreiflich, wie sein Vater überhaupt seinen Anblick ertrug.

»Ich werde mich bessern«, versprach er ihr leise, damit sein Vater es nicht hörte. Dass er sich mit einem Foto seiner Mutter unterhielt, würde ihn wohl ohne Umwege auf die Psychiatercouch zurückbringen, und das wollte Nick unbedingt vermeiden. »Ich werde ein ganz neuer Nick, du wirst schon sehen. Fest versprochen.«

Er drückte zwei Finger an die Lippen und legte sie dann kurz an das Bild.

Sie lächelte weiter.

Dad stand in der beengten Küche, ein altes Geschirrtuch über der Schulter. Seine Uniform hatte er bereits ausgezogen, als er von der Nachtschicht nach Hause gekommen war. Das Frühstück war ihre gemeinsame Zeit – außer wenn Dad mal einen Tag frei hatte. Doch normalerweise blieb ihnen wochenlang nur das. Jetzt, wo die Schule wieder anfing, würde es noch schwieriger werden, aber irgendwie würden sie das schon hinkriegen. Die Geschehnisse im letzten Frühjahr hatten sie zu einem Team zusammengeschweißt.

Der Tisch war bereits mit Geschirr, Besteck und Saftgläsern gedeckt. Und natürlich lag auch die ovale, weiße Tablette mit dem fröhlichen Namen Concentra bereit. »Concentra wird Nick dabei helfen, sich zu konzentrieren«, hatte der Arzt ihnen vollkommen ernst erklärt. Dad hatte genickt, und Nick war es irgendwie gelungen, zu verhindern, dass etwas aus seinem Mund kam, das vermutlich niemand hätte hören wollen.

Dad verwahrte die Tabletten in dem Safe in seinem Zimmer. Was nichts damit zu tun hatte, dass er Nick nicht vertraute, wie er ihm erklärt hatte, aber er kannte die Gefahren des Gruppendrucks, und er wollte nicht, dass Nick in die Drogenszene abrutschte und das Zeug irgendwann unter der Tribüne am Footballfeld verkaufte.

»Danke, dass du dich meiner Karriere als Drogendealer in den Weg stellst«, hatte Nick geantwortet. »Bis jetzt konnte ich mich den Verlockungen einer Verbrecherlaufbahn kaum widersetzen, aber du hast mich gerettet.«

Jetzt griff Nick nach der Tablette und schluckte sie unter dem prüfenden Blick seines Vaters. Er spülte mit einem Schluck Orangensaft nach. Widerlich. Da hatte er sich gerade erst die Zähne geputzt, um schon wieder einen ekligen Geschmack im Mund zu haben. Mit einer gereizten Grimasse streckte er die Zunge heraus und bog sie einmal nach oben und nach unten, um zu zeigen, dass er die Tablette auch wirklich hinuntergeschluckt hatte.

Daraufhin wandte sich Dad wieder dem Herd und dem wachsenden Stapel gebratener Toastscheiben zu.

Neben dem Kühlschrank stand ein alter Fernseher, der wie immer auf den Nachrichtenkanal eingestellt war. Nick achtete nicht weiter darauf, bis der perfekt frisierte Sprecher eine Liveschaltung zu Rebecca Firestone am Ort des Geschehens ankündigte.

Sofort starrte Nick wie gebannt auf den Bildschirm, schnappte sich die Fernbedienung und stellte den Ton lauter.

Plötzlich war alles egal: der bittere Nachgeschmack der Tablette ebenso wie die Tatsache, dass sein Vater gerade genug French Toast für eine vierunddreißigköpfige Familie produzierte. Sogar seine Befürchtung, dass er nach dem Duschen das Deo vergessen haben könnte, verflog. Nein, jetzt gab es nur noch Rebecca Firestone. Denn wenn Rebecca Firestone erschien, konnte das nur eines bedeuten:

Shadow Star.

Und da war sie, perfekt geschminkt, die braunen Haare zu einem frechen Pixiecut geschnitten, mit ihren großen Augen und den hollywoodweißen Zähnen, die sie nun in einem breiten Lächeln erstrahlen ließ. Im Hintergrund sah man mehrere Streifenwagen, die mit eingeschaltetem Blaulicht am Straßenrand parkten. »Vielen Dank, Steve. Ich befinde mich hier an der Ecke Achtundvierzigste und Lincoln, direkt vor dem Burke Tower, wo sich letzte Nacht ein wirklich dreister Einbruchsversuch abgespielt hat.« Für einen Moment wurde der vollkommen überflüssige Wolkenkratzer eingeblendet, der über den Dächern von Nova City aufragte. »Wie ich aus verlässlichen Quellen erfahren konnte, hat eine Gruppe bewaffneter Kämpfer versucht, mit Fallschirmen auf dem Dach des Hochhauses zu landen. Auch wenn ihre Motive zu diesem Zeitpunkt noch unklar sind, wurden ihre Pläne bereits bei ihrer Landung vereitelt, da sie dort von Nova Citys höchsteigenem Außergewöhnlichem empfangen wurden, von Shadow Star.«

»Höchsteigenem«, murmelte Nick mit abfälliger Miene. »Mann, das geht ja mal ganz toll von der Zunge. Such dir einen anständigen Redakteur, Firestone. Du bist eine Schande für deinen ganzen Berufsstand.«

Nun erschien wieder die Reporterin auf dem Bildschirm, die mit einem strahlenden Lächeln und leicht geröteten Wangen in die Kamera blickte. »Ich konnte heute Morgen ein kurzes Gespräch mit Shadow Star führen, und er hat mir verraten, dass die Eindringlinge zwar gut vorbereitet waren, dann aber an dem Versuch scheiterten, sich über das Belüftungssystem Zutritt zum Gebäude zu verschaffen. Alle sieben wurden in kürzester Zeit überwältigt und inzwischen an die Polizei übergeben. Es wurden keine Zivilisten verletzt.«

Nein, Nick bekam keine weichen Knie. Und wenn, hatte das absolut nichts mit Rebecca Firestone zu tun. Sie war das nervtötende Anhängsel, das an dem Wunder namens Shadow Star klebte. So ziemlich jeder glaubte, dass die beiden irgendwann einmal etwas miteinander gehabt hatten. Und auch wenn Nick wusste, dass Rebecca Firestone bloß eine aufdringliche Tussi war, die nichts lieber tat als die Jungfrau in Nöten zu spielen, war Shadow Star doch jedes Mal zur Stelle, um sie zu retten, wenn sie sich wieder einmal in Schwierigkeiten brachte.

Nick war kein Fan der selbst ernannten unerschrockenen Reporterin. Es war nicht zu übersehen, dass sie Shadow Star nur benutzte, um sich in der harten Branche der Außergewöhnlichen-Berichterstattung einen Namen zu machen. Okay, vielleicht gewährte Shadow Star ihr tatsächlich Exklusivinterviews, die er allen anderen verweigerte, und ja, da war dieses eine Bild gewesen, als er sie aus einem brennenden Gebäude gerettet hatte: Rebecca in seine muskulösen Arme geschmiegt, das Gesicht an seinem Hals vergraben. Und ja, Nick hatte das Foto ausgedruckt und für Zielübungen an die Dartscheibe in seinem Zimmer geklebt. Aber er war nicht eifersüchtig. Er war nur ein überzeugter Verfechter journalistischer Standards.

»Hier bei mir ist nun Rodney Caplan, der Polizeichef von Nova City.«

Die Kamera schwenkte nach links, und neben Rebecca Firestone erschien ein großer Schwarzer Mann, der sichtlich schwitzte. Sein raupenartiger Schnurrbart hing schlaff herab. Um den Bauch herum saß seine Uniform etwas knapp, und er wischte sich hastig die Stirn, bevor er sich an einem Lächeln versuchte, das eher einer Grimasse gleichkam.

»Cap sieht aus, als könnte er Urlaub gebrauchen«, stellte Nick fest, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.

»Das gilt für uns alle, Junge«, erwiderte Dad. »Aber du kannst es ihm gerne sagen, wenn er das nächste Mal zum Essen kommt. Bin gespannt, was passiert.«

»Das habe ich letztes Mal schon versucht. Er hat mich ausgelacht.«

»Was daran liegen könnte, dass es eine dämliche Feststellung ist.«

»Positive Verstärkung«, mahnte Nick.

»Richtig, entschuldige. Es war eine dämliche Feststellung, aber du hast sie treffend formuliert. Bin stolz auf dich.«

»Vielen Dank.«

»Was können Sie uns zu diesem Zeitpunkt sagen, Chief?«, fragte Rebecca Firestone inzwischen.

»Absolut gar nichts«, antwortete Cap. »Eigentlich wissen Sie sowieso schon mehr, als Sie sollten. Vermutlich sogar mehr als wir.«

Das brachte Rebecca Firestone nur vorübergehend aus dem Konzept. Manch einer hielt sie für hoch professionell; Nick gehörte allerdings nicht dazu. »Dies war das dritte Mal in fünf Monaten, dass Kriminelle versucht haben, sich Zugang zum Burke Tower zu verschaffen. Natürlich war dank Shadow Star keiner dieser Versuche von Erfolg gekrönt, aber …«

»Nicht dank Shadow Star«, unterbrach Cap sie und starrte finster in die Kamera. »Sondern dank der hart arbeitenden Männer und Frauen des Nova City Police Departments. Wir brauchen sicher keine selbst ernannten, kostümierten Wächter, die mit ihren Capes und ihren Superkräften durch die Gegend fliegen und versuchen …«

»Shadow Star trägt kein Cape«, sagten Nick und Rebecca Firestone gleichzeitig.

Cap drehte sich um und starrte Rebecca Firestone an.

Dad drehte sich um und starrte Nick an.

Nick achtete gar nicht darauf.

Rebecca Firestone begann erneut: »Ist es denn nicht so, dass Shadow Star …«

»Soweit wir wissen, könnte Shadow Star ebenso gut für diese Verbrechen verantwortlich sein«, fiel ihr Cap ins Wort. Seine Miene verfinsterte sich so sehr, dass sogar sein Schnurrbart noch weiter an Form verlor. »Um dadurch sein Image aufzupolieren. Diese Gruppierungen könnten für ihn arbeiten. Es könnte alles arrangiert sein, um ihn als Helden zu präsentieren. Nova City war eine wesentlich sicherere Stadt, bevor die Außergewöhnlichen wieder aufgetaucht sind, und ich werde alle mir zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um sie hinter Gitter zu bringen.«

»Oh ja«, meinte Nick, »du solltest Cap unbedingt mal wieder zum Essen einladen. Ich würde gerne ein paar Dinge mit ihm besprechen.«

Kommentarlos schob Dad seinen Arm an Nicks Schulter vorbei und schaltete den Fernseher aus. Was eine ziemlich deutliche Erwiderung war. Nick war beeindruckt. Genervt, aber beeindruckt. »Eigentlich wollte ich das sehen.«

»Frühstück«, mahnte Dad, als hätte Nick gar nichts gesagt.

Da Nick sich in diesem Schuljahr bessern sollte, protestierte er nicht weiter, zumindest nicht laut. In Gedanken feuerte er allerdings einen vernichtenden Kommentar ab.

»Warum warst du eigentlich nicht da?«, fragte er, während er sich einen Stuhl heranzog und sich an den Tisch setzte.

Dad fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht, bevor er gegenüber von ihm Platz nahm. »Wenn ich dir sage, dass ich sehr wohl dort war, darfst du mir genau zwei Fragen stellen. Zwei, nicht mehr.«

Fassungslos starrte Nick ihn an.

Dad legte ihm zwei Scheiben French Toast auf den Teller.

»Aber … Ich will … Du kannst doch nicht einfach …«

»Zwei Fragen, Nicky. Wähle klug.«

Sein Vater war erstaunlich. Schroff, aber gleichzeitig liebevoll. Und er machte seine Sache echt gut. Wenn er lachte, bildeten sich feine Fältchen um seine Augen, und die Mimikfalten an seinem Mund vertieften sich. Ein Anblick, der Nick jedes Mal glücklich machte, auch wenn er ihn heutzutage nur noch selten zu sehen bekam. Er war tatkräftig und gerecht, und manchmal wusste Nick absolut nicht, was er ohne ihn tun würde.

Aber er konnte auch ein Volldepp sein. So wie jetzt gerade. »Sieben Fragen.«

»Null Fragen«, konterte Dad, während er Nick die Butter reichte.

»Sechs Fragen!«

»Mir wird langsam langweilig.«

»Du bist ein grauenvoller Verhandlungspartner. Wie soll ich den ganzen Erwachsenenkram lernen, wenn die Vaterfigur in meinem Leben die Zusammenarbeit verweigert?«

»Das Leben ist ungerecht, Junge. Nimm, was du kriegen kannst.«

»Na schön. Zwei Fragen.«

Dad zeigte mit seiner Gabel auf ihn. »Und du isst dabei. Du hast deine Tablette genommen, dann musst du auch etwas im Magen haben.«

»Eigentlich soll ich eine halbe Stunde warten, bis …«

»Nicky.«

»Was wollten die?«, fragte Nick und schob sich ein Stück French Toast in den Mund.

»Keine Ahnung. Ich habe nicht mit ihnen gesprochen, bevor man sie weggebracht hat. Cap hat mich nach Hause geschickt, weil er wusste, dass heute der erste Schultag ist. Ich soll dich übrigens daran erinnern, dass eine hübsche Zelle auf dich wartet, falls du in diesem Jahr etwas Schlechteres als eine Zwei minus im Zeugnis stehen hast.«

»Weiß der Bürgermeister eigentlich über die Einschüchterungstaktik Bescheid, mit der seine Polizeikräfte Minderjährige bedrohen?«

»Na klar. Und er gibt uns volle Rückendeckung. Eine Frage hast du noch.«

Als ob er nicht wüsste, was Nick ihn fragen würde. »Hast du ihn gesehen?«

»Ja.« Dad tunkte seinen Toast in ekelhaft viel Sirup.

Nick wartete.

Dad schwieg.

Aber Nick beherrschte dieses Spiel ebenso gut.

Okay, bei näherer Betrachtung wohl doch nicht. »Und …?«

»Ist das noch eine Frage?«

Am liebsten hätte Nick ihm seine Gabel an den Kopf gepfeffert. »Warum bist du so?«

Dad grinste breit. »Weil deine jugendliche Verunsicherung zu den Freuden meines Elterndaseins beiträgt.«

»Dad!«

»Ja, Nick, ich habe Shadow Star gesehen. Ich habe sogar mit ihm gesprochen. Und ich habe ein Autogramm für dich besorgt. Und seine Telefonnummer. Er hat sie mir gegeben, nachdem ich ihm erzählt habe, wie verknallt du in ihn bist. Er meinte, er würde gerne mal mit dir ausgehen, weil du auf dem Foto, das ich ihm gezeigt habe, so einen herrlich verträumten Blick hättest.«

»Bitte sag mir, dass ich adoptiert wurde«, flehte Nick. »Das ist das Einzige, was mich in dem Scherbenhaufen meines Lebens vielleicht noch retten könnte.«

»Tut mir leid, Junge. Du bist direkt meinen Lenden entsprungen.«

Stöhnend drückte Nick die Stirn auf die Tischplatte. »Warum musstest du es ausgerechnet so formulieren?«

Eine Hand legte sich in seinen Nacken und drückte sanft zu. »Weil ich es schrecklich süß finde, wenn du dich so aufregst. Vor allem, wenn es um dein Herzblatt geht.«

»Er ist nicht mein Herzblatt«, erklärte Nick an die Tischplatte gewandt. »Er weiß ja nicht einmal, dass ich existiere.«

»Was vermutlich auch besser ist. Würde ihn sowieso nur abschrecken, wenn er herausfindet, was du über ihn tumblerst. Niemand steht auf Stalker, Nicky.«

Empört schob Nick die Hand seines Vaters weg und richtete sich auf. »Ich bin kein Stalker …«

»Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Keiner von uns hat ihn gesehen. Was sein Glück war, denn sonst hätten wir ihn auf der Stelle verhaftet. Verdammte Außergewöhnliche, die machen …«

»… euch Polizisten nur das Leben schwer, ja, ja. Ich weiß. Das sagst du ständig. Aber, Dad, er kann Wände hochklettern und Schatten kontrollieren. Offenbar begreifst du nicht ganz, wie fantastisch das ist.«

»Oh doch, das verstehe ich sehr gut. Aber er muss uns unsere Arbeit machen lassen. Das Leben ist kein Comicbuch, Nick. Das hier ist die Realität. Es könnten Menschen verletzt werden.«

»Er gehört aber zu den Guten!«

Dad schnaubte höhnisch. »Sagt wer?«

»Alle sagen das!«

Nun schüttelte Dad entschieden den Kopf. »Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß dort draußen, nicht nur Helden und Schurken. Shadow Star ist genauso eine Nervensäge wie dieser Feuertyp …«

»Er heißt Pyro Storm, und wage es ja nicht, die beiden in einen Topf zu werfen. Pyro Storm ist Shadow Stars Erzfeind, und das Schicksal von Nova City hängt davon ab, dass Shadow Star für uns gegen die Tyrannei von …«

»Sie sind beide Vollidioten in Billigstrumpfhosen.«

Nick warf ihm einen bitterbösen Blick zu, den Dad achselzuckend hinnahm.

Doch Nick beschloss, sich großmütig zu zeigen. »Ich werde so tun, als hättest du das niemals gesagt.«

»Welch ein Segen.«

Okay, vielleicht nicht ganz so großmütig. »Das ist der schlimmste erste Schultag ever.«

»Apropos.«

Ja, da war er jetzt selbst schuld. Das hätte er wissen müssen. »Nicht schon wieder.«

»Oh doch.« Dad lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Nick bemerkte die dunklen Ringe unter seinen Augen, die tiefen Falten auf seiner Stirn, die vor ein paar Jahren noch nicht da gewesen waren. Plötzlich spürte er einen schmerzhaften Stich in der Brust. Er zwang sich, die Geister zu ignorieren, die noch immer in dieser Küche umgingen: am Gewürzregal, das keiner von ihnen anrührte, oder an den Geschirrtüchern mit den Katzenstickereien, die am Ofen hingen. Das waren ihre Lieblingshandtücher gewesen. »Einfach, damit klar ist, dass wir auf demselben Stand sind.«

Am besten brachte er es schnell hinter sich. »Ich werde im Unterricht aufpassen.«

»Und?«

»Ich werde jeden Abend meine Hausaufgaben machen.«

»Und?«

»Wenn ich in Schwierigkeiten stecke, werde ich um Hilfe bitten.«

»Und?«

»Wenn mir alles über den Kopf wächst, werde ich es dir sagen.«

»Und zwar weil …?«

Mühsam unterdrückte Nick ein Stöhnen. »Weil es besser ist, zusammenzuhalten, als sich alleine abzustrampeln.«

Dad nickte bedächtig. »Gut.« Dann fügte er hinzu: »Ich weiß, dass es schwer für dich war, Nick. Und ich war nicht gerade eine angenehme Gesellschaft.«

Alarmiert hob Nick den Kopf. »Das hat nichts …«

Als Dad mahnend die Hand hob, verstummte Nick. »Ich habe Fehler gemacht – Fehler, die ich nicht hätte machen dürfen. Aber ich habe dir versprochen, mich zu bessern, und dieses Versprechen werde ich halten. Vielleicht wirst du mich hin und wieder daran erinnern müssen, aber ich weiß, dass du das dann auch tun wirst. Und du weißt, dass ich dasselbe für dich tun werde. Wir müssen zusammenhalten, Junge. Denn genau das … genau das hätte sie sich von uns gewünscht. Das weißt du ebenso gut wie ich.«

Da er seiner Stimme nicht traute, nickte Nick stumm.

»Gut. Hand drauf.« Er hob die Faust.

Oh Gott, sein Dad war so was von peinlich.

Nick gestand seinem Vater trotzdem einen Faustcheck zu. Es wäre extrem unhöflich gewesen, ihn hängen zu lassen.

2

Gibby und Jazz warteten an der Haltestelle Franklin Street auf ihn, als er aus der U-Bahn stieg. Dicht aneinandergeschmiegt saßen sie auf der Metallbank. Gibby musterte mit finsterer Miene die Menschenmassen, die sich die Treppen zum Ausgang hinaufschoben. Jazz hingegen machte pinke Kaugummiblasen und spielte mit ihren dunklen, strähnig gestylten Haaren. Sie hatte ihr Handy in den Schoß gelegt, an dem ein Paar Kopfhörer angeschlossen waren – einen Knopf hatte sie selbst im Ohr, den anderen Gibby.

Gibby hatte schon vor einiger Zeit entschieden, dass sie eine Butch sein wollte, was dazu geführt hatte, dass sie sich die Haare abrasierte und ihre Geldbörse an einer Hosenkette trug. Außerdem ließ sie alle Welt wissen, dass jeder, der sie mit Lola ansprach, einen Tritt in die Eier riskierte. Wer das nicht ernst nahm, wurde eines Besseren belehrt, wie damals, als ein hirnloser Trottel ihr anzüglich zuzwinkerte und dafür genau das kassierte. Der Typ konnte ein paar Tage nur auf Eisbeuteln sitzen. Gibby musste dafür eine Woche nachsitzen.

Das war es ihr wert gewesen, behauptete sie. Ihrer Meinung nach brauchte die Welt definitiv mehr Schwarze Lesben, und sie würde sich von niemandem etwas gefallen lassen.

Nach diesem Vorfall beschloss Nick, sie in all ihren Entscheidungen hundertprozentig zu unterstützen. Sicher war es hilfreich, dass ihr der kahl rasierte Schädel unverschämt gut stand, was er selbst niemals versuchen würde, da er am Ende vermutlich aussah wie ein Vollidiot.

Jazz ließ die letzte Blase platzen, als sie ihn entdeckte, und sog den Kaugummi mit einem charmanten Lächeln wieder in den Mund hinein. »Nicky. Ich habe in der Bahn eine Taube gesehen, die einen Burrito gefressen hat. Für mich sah das künstlerisch aus, deshalb wollte ich es fotografieren, aber dann kam ein Obdachloser in einem orangefarbenen Mantel und hat mit einem Tritt das ganze Bild zerstört.«

Nick begrüßte sie, indem er mit seinen Chucks gegen ihre klobigen Schuhe stieß, die vermutlich mehr kosteten als seine gesamte Schlafzimmereinrichtung. »Hat er nach dem Burrito oder nach dem Vogel getreten?«

Ratlos zuckte sie mit den Schultern. »Nach beiden, schätze ich. Dann wollte ich den Obdachlosen fotografieren, aber er hat angefangen, in die Ecke zu pinkeln, also hielt ich es für besser, den Wagen zu wechseln, anstatt derart für die Kunst zu leiden.«

»Du bist quasi ein Van Gogh.«

»Der hat sich im Wahn ein Ohr abgeschnitten und es einer Sexworkerin namens Rachel geschenkt«, erwiderte Jazz ernst. »Zu so etwas bin ich noch nicht bereit. Ich stehe nicht sonderlich auf Schmerzen, und ich kenne auch nur eine Sexworkerin, nämlich Amanda.«

»Wie geht es der eigentlich?«, erkundigte sich Nick.

Wieder zuckte Jazz mit den Schultern. »Gut, schätze ich. Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit Mom beschlossen hat, dass Dad besser die Dienste eines Therapeuten in Anspruch nehmen sollte statt ihre.«

»Falls das hilft: Ich mag all deine Eltern, wie sie sind«, verkündete Gibby und drückte Jazz’ Knie.

»Und ich würde dir mein Ohr schenken, wenn du es haben willst«, erwiderte Jazz und ließ den Kaugummi knallen. Dann aber riss sie die blauen Augen auf. »Allerdings wäre mein Gesicht dann nicht mehr ganz symmetrisch.« Sie runzelte die Stirn. »Was vielleicht gar nicht so schlecht wäre.«

»Aha«, befand Nick. »Faszinierend. Wirklich. Und du hast also den Sommer der Liebe überstanden, Gibby. Herzlichen Glückwunsch.«

Da Gibbys Eltern beschlossen hatten, dass die Familie unbedingt mit einem alten Van durch das Land reisen musste, war sie während der letzten Monate weg gewesen. Angeblich diente das Ganze dazu, sich Colleges anzusehen, in Wirklichkeit aber waren ihre Eltern von einer Kommune zur nächsten gehüpft, da sie mitten in einer Midlife-Crisis steckten (Gibbys Worte) und nun der Meinung waren, viel bessere Hippies als Buchhalter abzugeben. Anscheinend waren sie der Ansicht, die Gemeinschaft der freien Liebe brauche mehr Schwarze Mitglieder.

Nick wusste nicht ganz, was er davon halten sollte, also hatte er Gibby im Juni nur aufmunternd den Arm getätschelt und ihr viel Spaß gewünscht.

Dabei hatte er sich fast einen Tritt in die Eier eingefangen. Es war echt knapp gewesen.

Da verstand Lola Gibson keinen Spaß.

Als ihre Partnerin war Jasmine Kensington alles andere als entzückt davon gewesen, dass Gibby so lange fort war. Dabei war es nicht gerade hilfreich, dass Gibby dieses Jahr ihren Abschluss machen und danach in die große, weite Welt hinausziehen würde, bevor sie ihr folgen konnte. Also hatte sie Gibby schlichtweg verboten, sich in irgendein Blumenkind zu verlieben, das Hanfröcke trug, die dann später geraucht würden. Gibby hatte ihr das sofort versprochen und sich nicht die Mühe gemacht, ihrer Freundin zu erklären, dass die meisten Blumenkinder darauf verzichteten, ihre Klamotten wegzurauchen.

Nick fand die beiden auf eine beinahe widerwärtige Art süß. Oder auf eine süße Art widerwärtig. Das war tagesformabhängig.

Zwar war Gibby schon vor einer Woche zurückgekommen, aber Jazz hatte unmissverständlich klargestellt, dass sie Gibbys gesamte Zeit bis zum Schulanfang für sich beanspruchte. Was vollkommen in Ordnung war, da Nick sowieso vollauf damit beschäftigt war, das neueste Kapitel von Wir werden die Erde entflammen zu vollenden. So hatte jeder seine Prioritäten.

Außerdem hätte er Jazz und Gibby nach ihrer monatelangen Trennung sowieso ständig dabei zusehen müssen, wie sie aneinander rumfummelten und sich Liebesschwüre ins Ohr flüsterten, und er war definitiv nicht masochistisch genug veranlagt, um sich das über einen längeren Zeitraum hinweg anzutun. Er liebte seine beiden Lesben. Aber er wollte trotzdem nicht den Zuschauer spielen, wenn sie sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckten, weshalb er ihnen gerne ihren Freiraum ließ. Da war er vollkommen selbstlos.

»Sommer der Liebe«, wiederholte Gibby nun finster.

Nick trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, um seine Eier zu schützen. Ihre Stiefel sahen ziemlich neu aus. Möglicherweise hatten die sogar Stahlkappen. Und die Kette an ihrer Hose schien dicker geworden zu sein. Allerdings kannte sich Nick in der Lesbenkultur nicht gut genug aus, um daraus eine Bedeutung ableiten zu können.

Genervt verdrehte Gibby die Augen. »Wenn ich jemals wieder in einem Trommelkreis sitzen muss, mutiere ich zur Massenmörderin.«

»Hast du dir schon ein College ausgesucht?«

Jazz runzelte die Stirn, und Gibbys Miene verfinsterte sich noch stärker. Wieder trat Nick unauffällig einen Schritt zurück.

»Ich habe mich noch nicht entschieden«, verkündete Gibby zähneknirschend. »Aber ich danke dir dafür, dass du so um meine Zukunft besorgt bist und dieses Thema ausgerechnet jetzt ansprechen musst.«

»Na ja«, gab Nick zu, »ich rede oft, bevor ich denke. Eigentlich wollte ich nur …«

»Ich komme damit klar«, versicherte Jazz ernst. »Ich meine, vermutlich werde ich anfangen zu heulen und mir das Make-up ruinieren, was dann ganz allein deine Schuld wäre, aber ich komme damit klar. Ich bin eine Kämpfernatur.«

»Das weiß ich doch«, versicherte Gibby. »Aber ich habe mich wirklich noch nicht entschieden. Wenn es so weit ist, erfährst du es als Erste.«

Das schien Jazz vorerst zu beruhigen. Nick fragte sich allerdings, für wie lange.

Dann aber registrierte er Gibbys Lächeln, und er begriff, dass er besser die Klappe gehalten hätte. Lola Gibson konnte auf drei Arten lächeln: Da war das liebevolle Lächeln, das sie für Jazz reserviert hatte, dann hatte sie ein spezielles Lächeln, wenn sie sich das Lachen verkniff, und schließlich das Lächeln, mit dem sie ankündigte, dass sie gleich zuschlagen würde. Mit diesem Lächeln hatte es Nick schon einige Male zu tun gehabt, und er bekam jedes Mal wieder Gänsehaut davon.

»Also, Nicky«, begann sie. Nick dachte ernsthaft darüber nach, in der Menge unterzutauchen und für immer zu verschwinden. »Wo wir gerade beim Sommer der Liebe sind – wie geht es Owen?«

Nick warf ihr einen bösen Blick zu. »Keine Ahnung, wovon du sprichst.«

»Oh, oh! Und wie geht es Seth?«

Noch böserer Blick. »Und wieder habe ich keine Ahnung, wovon du sprichst.«

Jazz, die nie gelernt hatte, Stimmungen aufzufangen, fragte verwirrt: »Ich dachte, Owen und Nick hätten Schluss gemacht? Weißt du nicht mehr? Nick meinte, Owen wäre ein Vollpfosten, und Owen war ganz er selbst und hat behauptet, er würde sich nicht zähmen lassen, und dann hat Seth gesagt, er …«

Gibby presste ihre Hand auf Jazz’ Mund, was diese mitten im Satz verstummen ließ.

Nick war bewusst, dass er knallrot wurde, aber er stand das durch. »Was hat Seth gesagt?«

Doch die beiden beachteten ihn gar nicht, sondern führten eine ihrer lautlosen Debatten, bei denen sie ständig die Augen zusammenkniffen und mit den Brauen wackelten. Das dauerte wesentlich länger, als Nick gutheißen konnte. Schließlich nickte Jazz, und Gibby ließ die Hand wieder in den Schoß sinken.

Jazz fuhr fort: »Also, eigentlich habe ich überhaupt keine Ahnung, worum es hier geht. Habe ich dir schon von der Taube mit dem Burrito erzählt? Es war ein Frühstücksburrito.« Unschuldig blinzelte sie zu ihm hoch. »Und eine wirklich riesige Taube.«

Genervt verschränkte Nick die Arme vor der Brust. »Das ist doch schon Monate her. Wir waren nicht … Eigentlich waren wir auch gar nicht richtig zusammen. Owen war …«

Nick wusste nicht recht, wie er den Satz beenden sollte. Es fiel ihm generell schwer, das mit Owen Burke zu beschreiben. Klar, Owen war total heiß und allseits beliebt, und jeder schien den Boden anzubeten, auf dem er wandelte, weil er irgendwie die Anziehungskraft eines Superplaneten hatte. Er musste einfach nur dieses teuflische Grinsen aufsetzen, dann tat so ziemlich jeder (egal wie er sexuell orientiert war) genau das, was Owen wollte.

Nick eingeschlossen, auch wenn ihm das tierisch gegen den Strich ging.

Irgendwann vor den Weihnachtsferien war Owen plötzlich beim Mittagessen an ihrem Tisch aufgetaucht, angetan mit einem strahlenden Lächeln und einer Lederjacke, die früher sicher einmal das schickste Rind auf der Weide gewesen war und in der er einfach umwerfend aussah. Natürlich kannten sie ihn. Jeder kannte Owen Burke. Er stammte aus reichem (oder vielleicht sogar dem allerreichsten) Haus, denn sein Vater war Simon Burke, CEO von Burke Pharmaceuticals. Seth war davon überzeugt, dass der Konzern nur den Deckmantel für irgendwelche ruchlosen Machenschaften bildete, aber Seth dachte bei allem, dass es ein Deckmantel für ruchlose Machenschaften sei. Und bei Owen sowieso.

Nick hingegen … Nick war sofort, na ja, nicht wirklich verliebt. Nicht im eigentlichen Sinne. Aber er war fünfzehn Jahre alt und von Hormonen getrieben gewesen, und Owen war so ziemlich der heißeste Kerl der Schule, der nun aus irgendeinem Grund beschlossen hatte, Nick mit seiner Aufmerksamkeit zu beehren.

Weshalb Nick sich von da an regelmäßig zum Deppen gemacht hatte.

Jazz hatte das verwirrt, Gibby hatte es stinksauer gemacht. Und Seth?

Seth hatte sich zurückgezogen. Anfangs war es kaum merklich geschehen, trotzdem hätte es bei Nick sämtliche Alarmglocken auslösen müssen. Der aber hatte sich weiter von Planet Owen ansaugen lassen, und erst als Seth regelrecht feindselig wurde – was Nick nach beinahe zehn Jahren Freundschaft nie von ihm erwartet hätte –, war ihm langsam klar geworden, dass etwas nicht stimmte. Zwar wurde er nie ausfällig, wenn Owen dabei war (dazu war Seth viel zu anständig). Aber wenn Seth und Nick allein waren, und Nick Owen innerhalb von sechsunddreißig Minuten zehn Mal erwähnte? Oh ja, Seth konnte richtig fies werden.

»Da war nichts«, sagte Nick schließlich entschieden. »Ich habe ihn den Sommer über kaum gesehen. War zu beschäftigt.«

»Aha.« Gibby langweilte die Sache offenbar schon. »Ja, als Stalker eines Außergewöhnlichen bleibt einem vermutlich nicht viel Freizeit.«

»Ich stalke ihn nicht …«

»Hi, tut mir leid, dass ich so spät komme.«

Nick drehte sich um, als einer der besten Menschen der Welt neben ihm auftauchte und sich die ständig rutschende Brille höher auf die Nase schob. Eine dicke schwarze Locke hing ihm in die Stirn. Niemandem vertraute Nick mehr als Seth Gray. Wie immer trug er einen schlabbrigen Pulli über einem Hemd, das ordentlich in eine seiner unzähligen Chinohosen gesteckt war. Außerdem hatte er heute – aus welchem Grund auch immer – beschlossen, eine Fliege zu tragen, was in Nick den unwiderstehlichen Drang auslöste, während der nächsten drei Stunden nichts anderes zu tun als ihm diese Fliege geradezurücken und ihm dabei zuzuflüstern, dass er einfach zu gut war für diese Welt.

Angestrengt behielt er seine Hände unter Kontrolle.

Aber irgendwie … »Bist du gewachsen?«

Wie eine müde Eule blinzelte Seth ihn an. »Seit wir uns vor ein paar Tagen das letzte Mal gesehen haben? Ich … glaube nicht? Es ist möglich, ich habe mich in den letzten Stunden nicht mehr gemessen, aber …«

»Irgendwie siehst du größer aus.«

»Ach.« Seth wandte den Blick ab und zupfte an seinem Hemdkragen herum. »Äh … danke schön?«

»Oh mein Gott«, brummte Gibby. »Immer noch?«

»Ich finde die beiden einfach nur herzig«, raunte Jazz ihr zu.

Nick ignorierte die beiden, ohne wirklich mitzukriegen, worüber sie sprachen. Er war immer noch mit der Tatsache beschäftigt, dass Seth und er plötzlich beinahe auf Augenhöhe waren, was ihn stärker irritierte, als er gedacht hätte. Immerhin war Seth immer der blasse, pummelige Junge mit den Locken gewesen, die eigentlich verboten gehörten, weil sie immer so perfekt verstrubbelt waren. Aber er war kleiner gewesen als Nick und …

»Trägst du etwa Einlagen?«

Fast schon nervös trat Seth von einem Fuß auf den anderen. »Nein, ich trage keine Einlagen. Vielleicht wirst du einfach kleiner.«

»Ich werde bestimmt nicht kleiner. Das geht doch gar nicht.«

Seth wollte etwas erwidern, wurde aber von einem Gähnen daran gehindert.

Sofort runzelte Nick die Stirn. »Bist du müde? Warum bist du müde? Du siehst auch müde aus. Hast du letzte Nacht nicht genug geschlafen?«

Beruhigend legte Seth ihm die Hand auf die Schulter. »Es geht mir gut, Nicky. Ist gestern nur etwas spät geworden.«

»Was hast du denn gemacht?«

»Ich konnte nicht einschlafen. Vermutlich war ich nervös wegen heute. Erster Schultag und so. Du weißt doch, wie ich dann drauf bin.«

Ja, das wusste Nick. Manchmal zerbrach sich Seth den Kopf über absolute Nichtigkeiten, was für Nick immer schrecklich frustrierend war, weil Seth sich dann schlecht fühlte, ohne dass Nick die Ursache dafür in der Luft zerreißen konnte.

Gibby stand auf und zog Jazz mit hoch. »Auch wenn es äußerst amüsant ist, euch beiden bei eurem … was auch immer zuzusehen: Wir kommen zu spät.«

»Ich darf nicht zu spät kommen«, verkündete Jazz und schob die Kopfhörer zurück in ihre Tasche. »Daddy hat gesagt, wenn ich den ganzen ersten Monat über pünktlich bin, kauft er mir die Alexander-McQueen-Pumps mit dem Totenkopfmuster, ohne die ich nicht mehr leben kann.«

»Klingt wenig überzeugend, aber gut«, murmelte Nick, während er seinen Freunden zur Treppe folgte.

Die Straßen von Nova City waren bereits überfüllt, als sie sich der Centennial High School näherten, Heimstatt der unglaublichen Fighting Wombats. Der Verkehr staute sich, und die gelben Taxis hupten, als könnten sie die Schlange so dazu antreiben, sich vorwärtszubewegen. Jazz und Gibby gingen Händchen haltend voran, wobei Jazz fröhlich vor sich hin plapperte, während Gibby jeden mit bösen Blicken bedachte, der sie anrempelte.

Seth und Nick folgten den beiden Schulter an Schulter. Immer wieder versuchte Nick herauszufinden, ob Seth nicht vielleicht doch Einlagen trug, aber seine schrecklich entzückenden Slipper sahen so aus wie immer.

»Was?«, fragte er hastig nach, als er wieder einmal nicht mitbekam, was Seth sagte.

»Ich meinte nur, dass es mir leidtut. Ich hatte einfach keine Zeit, dein Kapitel durchzugehen, bevor du es gepostet hast.« Seth zog am Schulterriemen seines Rucksacks.

»Ist schon okay. Es ist auch so nahezu perfekt.«

Seth schnaubte. »Klar doch.«

Das war nicht das überschwängliche Lob, mit dem Nick gerechnet hatte. »Wie jetzt … klar doch?«

»Es war gut, Nicky.«

Nick entschied sich dafür, ihm zu glauben. »Ich habe deinen Kommentar gelesen. Da hast du geschrieben, es wäre etwas dazwischengekommen. Was war das denn?«

»Ach, du weißt schon. So Kram eben.«

»Aha. Klingt sehr glaubhaft.« Plötzlich kam Nick ein grauenvoller Gedanke, obwohl er sich selbst nicht erklären konnte, was daran eigentlich so grauenvoll war. »Hattest du etwa ein Date oder so?«

Seth begann krampfhaft zu husten.

Da er ein guter Freund war, klopfte Nick ihm kräftig auf den Rücken.

»Nein«, presste Seth schließlich hervor und wischte sich den Mund ab. »Warum sollte ich … Mit wem sollte ich …«

»Keine Ahnung, Mann. Vielleicht hast du eine geheime Freundin. Oder einen geheimen Freund.« Irgendwie wollten ihm die Worte nur schwer über die Lippen kommen.