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The Guardian. Wächter deines Herzens. Ein Überraschungsurlaub auf der Südsee-Insel Bora Bora. Das ist Dereks genialer Plan, als er den arbeitssüchtigen, erfolgsversessenen Kellan genau dorthin entführt. Drei Tage voller Spaß, leckeren Cocktails und unvergesslichen Abenteuern warten auf sie. Doch als sie sich auf dem Heimweg befinden, geschieht eine Katastrophe, die ihr Leben von der einen Minute auf die andere vollkommen ändert. Derek und Kellan sind plötzlich auf sich allein gestellt und müssen ums bittere Überleben kämpfen. In der ausweglosen Situation wachsen zwischen den beiden Männern Gefühle, die nicht sein dürfen, denn Kellan ist nicht einfach nur ein Freund. Er ist der Verlobte seiner Schwester. Zwei Männer und die Frage, wie weit Verzweiflung reicht und wann Liebe beginnt.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
1. Auflage
Copyright ® 2022 T.C. Daniels
Covergestaltung: Catrin Sommer – rausch-gold.com
Korrektorat: Matti Laaksonen – www.mattilaaksonen.de
T.C. Daniels
c/o WirFinden.Es
Naß und Hellie GbR
Kirchgasse 19
65817 Eppstein
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum der rechtmäßigen Besitzer.
Kontakt: [email protected] . www.tcdaniels.com
Bitte beachte die Inhaltswarnung.
Du findest sie hier:
Zur Triggerwarnung am Ende des Buches
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Epilog
Nachwort
Triggerwarnung
Bücher von T.C. Daniels
Derek
Er betrat die Bar und beinahe sofort legte sich sein Blick auf Kellan, dabei war es weder sein Aussehen noch sein Verhalten, das ihn so hervorstechen ließ. Es war eher die Aura stiller Unnahbarkeit, die ihn umgab und damit so besonders machte.
Zumindest für Derek.
Er durchquerte die Bar, bis er den Tisch in der Ecke erreichte, an dem Kellan mit einem Wodka on the Rocks saß. Er hatte den Blick auf sein Handy gerichtet, während die Fingerspitzen der anderen Hand immer wieder über den Rand des Glases strichen.
»Sag mir nicht, dass das deine Vorstellung von einem gelungenen Junggesellenabschied ist«, sagte Derek und ließ sich auf dem Stuhl gegenüber von Kellan sinken.
Der sah auf und Erstaunen tanzte in seinen grauen Augen und ließ sie aufblitzen. »Was tust du hier?«
»Das ist genau die Frage, die du nicht stellen solltest«, erwiderte Derek grinsend, drehte sich zum Barkeeper um und deutete auf Kellans halbvolles Glas, um sich ebenfalls einen Drink zu bestellen. Der Barkeeper nickte und machte sich an die Arbeit, während Derek sich wieder zu Kellan umwandte, der an seinem Getränk nippte und ihn aufmerksam ansah.
»Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich keinen Junggesellenabschied haben will.«
»Ich weiß. Aber das geht nicht. Und deshalb bin ich hier«, sagte Derek mit verschwörerischer Stimme. »Nur ich. Nicht noch zehn andere Freunde.«
Kellans Augenbrauen zuckten in die Höhe, ließen ihn verwundert und neugierig zugleich aussehen. Ein Ausdruck, den Derek ganz besonders an ihm mochte.
»Ich habe nicht mal zehn Freunde«, erwidere er gleichmütig und leerte sein Glas.
Seit Derek Kellan vor knapp drei Jahren kennengelernt hatte, hatten sich seine Vorbehalte ihm gegenüber nach und nach vollständig aufgelöst. Anfangs war er nicht begeistert davon gewesen, dass seine Schwester einen Mann datete, der mehr Geld besaß, als es gut für einen Menschen sein konnte. Einen Typen, der die meiste Zeit seines Lebens in Privatjets zu irgendwelchen Meetings verbrachte, der an Feiertagen und Wochenenden arbeitete und Urlaub nur vom Hörensagen kannte.
So ein Typ war nicht zum Heiraten gemacht, weil er schon längst mit seinem Job verheiratet war.
Doch Kellan hatte sich bewiesen. Er hatte mit der Zeit dünne Schichten der Unnahbarkeit abgezogen. Das bedeutete nicht, dass sein Umfeld ihn nicht noch immer als distanzierten, unterkühlten Menschen wahrnahm. Aber in Gegenwart von Freunden und zukünftiger Familie taute er langsam auf.
Derek hatte sich Carly zuliebe also Mühe gegeben. Er hatte sich Kellan Schritt für Schritt genähert, Geduld mit ihm gehabt und ihn aus der Reserve gelockt. Sie waren keine Freunde – das war unmöglich –, aber es war irgendwie passiert, dass es sich nicht mehr ganz so unnatürlich anfühlte, ihn in seinem Leben zu haben. Manchmal liefen sie ein paar Runden über den Campus, auf dem Derek wohnte und arbeitete. Oder sie fuhren mit einem von Kellans Booten raus und ein- oder zweimal konnte Derek ihn sogar zu einem Männerabend in einem Club überreden.
Sie führten so etwas wie eine distanzierte, dennoch zugewandte Freundschaft, weshalb Derek akzeptiert hatte, dass Carly ihr Leben mit Kellan teilen wollte.
Er musste es akzeptieren, daran führte kein Weg vorbei.
»Du bist also extra nach Chile gekommen, um mit mir einen der letzten Tage zu feiern, an dem ich unverheiratet sein werde?«
Der Kellner brachte Derek einen Wodka und er wartete, bis sie wieder allein waren, dann hob er die Hand und streckte einen Finger in die Höhe. »Mach dich bitte nicht lächerlich. Chile wird nicht unser Ziel sein.«
Kellan runzelte die Stirn. »Ich wollte morgen in die USA zurückkehren, also was auch immer du vorhast, es muss heute Abend geschehen – wenn es denn wirklich geschehen muss. Du weißt, dass ich kein Partyhengst bin.«
Derek nippte an seinem Wodka und lächelte in sich hinein. »Das ist mir bekannt. Aber ich habe Neuigkeiten für dich. In den kommenden Tagen übernimmt dein Vater die Geschäfte von Hawkins Associated. Du hast weder Termine, zu denen du so dringend musst, noch irgendwelche Deals, die du abschließen musst. Du hast einfach nur frei.«
»Tage?« Kellan klang entsetzt und brachte Derek damit zum Lachen.
»Du kannst dich beruhigen, es sind nur drei Tage.«
»Mein Vater sollte nicht in die Firma zurückkehren müssen, wegen so einem Blödsinn«, brummte Kellan. »Das ist unnötig.«
»Finde ich nicht. Du hast dir eine kleine Auszeit verdient.«
»Die Flitterwochen werden meine Auszeit«, entgegnete Kellan ernst.
»Du meinst die Flitterwochen, in denen du drei geschäftliche Termine vereinbart hast? Bisher?«
Kellan runzelte die Stirn und leerte seinen Wodka. »Woher willst du das wissen?«
Derek grinste. »Weißt du, Carly und ich, wir reden manchmal miteinander. So was tun Geschwister.«
»Ist sie sauer?«
»Du weißt, dass sie dir praktisch alles durchgehen lässt, also nein, sie ist nicht sauer.«
»Gut.«
»Kommst du jetzt also mit? Freiwillig? Oder muss ich dich fesseln, knebeln und entführen? Das werde ich allerdings nur machen, wenn Carly mir vorher bestätigt, dass du da nicht drauf stehst.«
»Du bist wirklich unheimlich komisch.« Kellan konnte seine Belustigung nur schlecht verbergen. »Wenn du mir sagst, wohin die Reise geht, werde ich dir darauf antworten.« Seine Mundwinkel zuckten, was ein seltener Anblick war. Ein amüsierter Kellan Hawkins war wirklich sehr nett anzusehen.
»Das wird eine Überraschung. Deine Piloten wissen Bescheid.«
Kellan starrte ihn kopfschüttelnd an, ehe er sich vorlehnte, sodass Derek sein Eau de Toilette wahrnehmen konnte. Ein Hauch Männlichkeit, herbe Zitrone, Reichtum. Kellan war durch und durch ein erfolgreicher, arbeitswütiger Mann.
»Du hast das alles hinter meinem Rücken organisiert?«
»Ohne deinen Vater hätte ich keine Chance gehabt. Was auch immer deine Angestellten von dir denken mögen, sie sind dir gegenüber uneingeschränkt loyal.«
»Ich bezahle sie auch gut dafür«, erwiderte Kellan schulterzuckend.
Derek glaubte nicht, dass das der einzige Grund war, doch er sagte nichts dazu. Kellan war nicht nur in seinem Umfeld als direkter, manchmal sogar zu ehrlicher Mensch bekannt. Er hatte auch selbst diese Meinung von sich und wusste, dass er nicht bei jedem gut damit ankam. Er lebte damit, dass Leute hinter seinem Rücken redeten, seine Entscheidungen anzweifelten und verurteilten.
Vermutlich war das eine der Begleiterscheinungen von unermesslichem Reichtum und Erfolg.
Als leitender Finanzdirektor der Investmentgruppe von Hawkins Associated war Kellan der Kopf und das Gehirn der Firma. Er entschied, wohin die Gelder flossen, in welche Projekte investiert wurde, wie viele finanzielle Mittel freigemacht wurden. Und wenn sie scheiterten, hielt er den Kopf hin.
Derek kam sich neben ihm manchmal wie ein furchtbarer Langweiler vor. Er unterrichtete am College in San Francisco internationales Recht. Das hörte sich weitaus faszinierender an, als es eigentlich war. Seine Arbeit mochte wichtig sein, sie war aber nicht schillernd. Sie hatte zumindest nichts mit Milliarden-Dollar-Deals und Privatjets zu tun.
»Trinkst du noch einen?«, fragte Derek und deutete auf Kellans leeres Glas, in dem die Eiswürfel langsam schmolzen und das Kondenswasser an den Außenseiten abperlte.
Kellan schüttelte den Kopf. »Ich muss noch einen Bericht fertigstellen und eine Telefonkonferenz mit …«
Derek lehnte sich vor. »Stopp«, flüsterte er.
Kellan hielt inne und starrte ihn fragend an.
»Die nächsten drei Tage wirst du einfach nur ausspannen. Keine Konferenzen, keine Berichte, kein verdammtes Handy.«
»Das geht nicht. Ich muss …«
»Heute Abend hast du noch Zeit, alles zu beenden, was noch offen ist. Ab morgen übernimmt dein Vater. Keine Widerrede.«
»Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du ein unausstehlicher Arsch sein kannst?«
Derek lachte. »Du nennst mich einen Arsch? Der Kellan Hawkins, den ich kenne, würde das nicht tun.«
Kellan zuckte mit den Schultern. »Immerhin kündigst du meine Entführung und die absolute Isolation an. Bitte entschuldige, dass ich keine Freudensprünge mache. Was sagt denn eigentlich Gray dazu? Ist er sehr begeistert davon, dass du einfach mit mir an einen geheimen Ort fährst?«
»Er weiß ja, wohin wir fliegen. Und da er dafür in seiner Hütte sitzen und angeln kann, hat er kein Problem damit, dass ich dich entführen werde«, erwiderte Derek süffisant grinsend.
»Großartig«, gab Kellan seufzend zurück.
»Ist es«, antwortete Derek vergnügt. Diese Unterhaltung gefiel ihm viel zu sehr. »Das heißt also, du ziehst deine Arbeit heute meiner Gesellschaft vor?«
»Auf jeden Fall.«
»Kein Club für uns? Wir hätten es verdient, weißt du?«
Kellan verdrehte die Augen. »Wenn du diese dämliche Überraschungsreise mit mir unternehmen willst, dann muss ich jetzt noch arbeiten.«
Derek wackelte mit den Augenbrauen. »Tief in deinem Innern willst du unseren kleinen Ausflug. Ich kann es dir ansehen. Du bist der neugierigste Mensch, den ich kenne, und du liebst Überraschungen, willst aber allen weismachen, dass es nicht so ist.«
»In meinem Terminkalender gibt es keinen Platz für Überraschungen«, erwiderte Kellan schnaubend.
»Nun, ich habe Platz geschaffen und ich freue mich auf dein Gesicht.«
Kellan erhob sich und sah mit seiner stattlichen Größe auf ihn hinunter. »Bitte entschuldige mich nun, ich habe jede Menge wichtiger Arbeit zu erledigen.«
Derek lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. »Wenn du es dir anders überlegen solltest, dann schreib mir eine Nachricht. Ich werde heute das Nachtleben von Santiago de Chile noch etwas genießen.« Er würde sich einen Club suchen und sich abreagieren, bevor er drei Tage mit Kellan zusammen wäre, der schon immer diesen kleinen, geheimen Punkt in ihm angerührt hatte. Es war nicht unbedingt die beste Idee, mit Kellan allein seinen Junggesellenabschied zu feiern, doch Gray konnte nicht viel mit Kellan anfangen und bevorzugte seine einsame Hütte in den Bergen, und viele andere männliche Freunde hatte Kellan nicht. Außerdem war dieser Ausflug nur ein Gefallen, den er Carly tat, die in der nächsten Woche ebenfalls ihren Junggesellinnenabschied in New York feierte.
Er durfte einfach nicht näher über dieses Bauchkribbeln nachdenken, das er manchmal in Kellans Gegenwart verspürte. Selten. Wenn er für einen Moment seine Deckung aufgab, Gray vergaß und einfach nur Kellans Gesellschaft genoss. Wenn er seinen Anblick in sich aufsog und seine Hände einen Moment zu lang studierte.
Er war in einer festen und glücklichen Beziehung mit Gray und sein schlechtes Gewissen plagte ihn stets, wenn es Kellan gelungen war, seine Gedanken zu infiltrieren. Kellan hatte nichts zwischen Gray und ihm zu suchen.
»Nein danke, mir ist heute nicht nach einem Clubbesuch.« Kellan legte einige Geldscheine auf den Tisch, dann klopfte er mit den Fingerknöcheln auf die Platte. »Du bist wirklich immer für eine Überraschung gut, Derek«, sagte er leise und schenkte ihm einen dieser intensiven Blicke aus seinen grauen Augen, die Dereks Knie weich werden ließen. Wusste er eigentlich, was er damit in ihm anrichtete?
Und warum hatte er nochmal Kellans Junggesellenabschied geplant? War er denn eigentlich lebensmüde?
Kellan
Einen Privatjet zu besitzen, war einer der großen Vorteile in seinem Geschäftsleben. Er kam komfortabel und ohne großen Aufwand von einem Ort zum anderen, konnte während des Fluges arbeiten, telefonieren und sogar Konferenzen leiten und musste seine Zeit nicht mit Warten verbringen.
Heute nutzte er den Jet jedoch, um an jenen geheimen Ort zu kommen, an den Derek ihn bringen wollte.
Der Derek, der gerade eine dunkle Sonnenbrille im Gesicht trug, etwas blässlich aussah und an einem Kaffeebecher nippte.
»Lange Nacht gehabt?«, fragte Kellan. Offenbar hatte Derek seinen geplanten Clubbesuch in die Tat umgesetzt. Die Reue kam dann am nächsten Morgen.
»Hmm«, brummte Derek und presste die Lippen aufeinander. Derek hatte ihn einmal in den drei Jahren, die sie sich jetzt kannten, in einen Schwulenclub mitgenommen. Das war noch bevor er mit Grayson zusammengekommen war, und Kellan erinnerte sich noch heute an die wirklich heißen Dance-Moves, die Derek auf der Tanzfläche hingelegt hatte. Die Augen von so ziemlich jedem Mann hatten auf seinen schwingenden Hüften und dem perfekten Arsch gelegen – seine eingeschlossen.
Er konnte sich also gut vorstellen, wie der gestrige Abend vermutlich verlaufen war.
Tagsüber mochte er der ernsthafte Dozent an der Uni sein, doch wenn er einen Club betrat, dann kam seine andere Persönlichkeit zum Vorschein. Verführerisch, aufreizend und sehr, sehr sinnlich.
Und jetzt saß er mit seinem verkaterten Schwager in spe in seinem Jet, um an einen Ort gebracht zu werden, an dem er eigentlich gar nicht sein wollte, weil es zu viel Arbeit gab, die von ihm erledigt werden wollte.
»Verrätst du mir jetzt endlich, wo es hingeht?«, fragte Kellan und bemühte sich, die Neugierde aus seiner Stimme herauszuhalten.
»Das wirst du noch früh genug erfahren«, gab Derek zurück. Er kramte in seinem Rucksack, bis er offensichtlich fündig wurde und Airpods in den Händen hielt.
Die Stewardess schloss die Tür des Flugzeugs in dem Moment, in dem Derek sich die Kopfhörer in die Ohren schob. Er war nicht länger bewegungslos, dafür schien sein gesamter Körper plötzlich in Bewegung zu sein. Sein rechtes Bein zuckte auf und ab, während die Musik, die er über die Kopfhörer abspielte, deutlich hörbar war.
Seufzend klappte Kellan seinen Laptop zu und sah zu Derek hinüber. Er bedeutete ihm, einen Kopfhörer herauszunehmen, was der auch tat.
»Ja?«
Kellan unterdrückte ein Lächeln. »Was hörst du da?«
»Limp Bizkit.«
Kellan runzelte die Stirn, dann streckte er die Hand aus und Derek gab ihm einen Kopfhörer. Als er ihn an sein Ohr hielt, klangen ihm schnelle Gitarren-Riffs, laute Hip-Hop-Passagen und dröhnende Bässe entgegen.
»Vielleicht solltest du es mal mit klassischer Musik versuchen, die dich etwas entspannt«, sagte er und musste nun doch lächeln. »Bist du nervös?«
»Ich hasse es einfach nur, zu fliegen«, erwiderte Derek schulterzuckend und nahm den Kopfhörer wieder entgegen. »Bei den großen Maschinen geht’s, aber je kleiner sie werden, desto schlimmer ist es.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, ich spüre jede Bewegung und die Erde ist viel näher.«
Kellan ließ den Blick über Dereks angespanntes, bleiches Gesicht gleiten. »Wäre es dann nicht klüger gewesen, einen Urlaub auf dem Festland zu buchen?«
»Darauf gibt es nur eine Antwort«, brummte Derek. »Hast du zufällig Aspirin in der Nähe?«
»Hast du etwa einen Kater?«
»Und wenn?«
Kellan amüsierte sich hervorragend über Dereks miese Laune. Er war sonst immer die Fröhlichkeit in Person und es fühlte sich gut an, dass auch er eine grummelige Seite an sich haben konnte.
Kellan hob die Hand, woraufhin die Stewardess zu ihnen kam und ihn professionell anlächelte. »Mein Freund hier könnte eine Schmerztablette gebrauchen.«
»Selbstverständlich, Sir«, sagte die Stewardess und verschwand nach einem kurzen Blick auf Derek, nur um gleich darauf mit einem Glas zurückzukehren, in dem sich eine Brausetablette auflöste.
»Danke«, murmelte Derek, wartete, bis die Tablette sich aufgelöst hatte, und leerte das Glas in einem Zug.
»Wohin auch immer wir fliegen: Heute Abend gibt es keinen Alkohol für dich.«
Derek erwiderte seinen Blick und hob eine Augenbraue in die Höhe. »Warten wir es ab.«
* * *
Der Flug verlief mehr oder weniger ereignislos und als sie endlich auf Tahiti landeten, fühlte Kellan eine wilde Vorfreude in sich, denn er kannte diese Gegend sehr gut. Genaugenommen war es einer seiner Lieblings-Urlaubsspots, die er aber leider viel zu selten besuchte. Nicht einmal jetzt, wo er in Chile gewesen war, hätte er sich die Zeit dafür genommen, hierherzufliegen – wenn Derek nicht gewesen wäre.
Es dauerte weitere fünfundvierzig Minuten, in denen sie mit einem Schiff nach Bora-Bora transportiert wurden. Das Handy und den Laptop hatte er auf Dereks Geheiß im Flugzeug zurückgelassen. Eine kleine Herausforderung für ihn, denn er war nie ohne seine Arbeitsmaterialien unterwegs.
Als sie Bora-Bora erreichten, fiel die Hektik seines Alltags jedoch innerhalb eines Pulsschlags von ihm ab. Das türkisblaue Meer, Sandstrände, so weit er sehen konnte, riesige Palmen und freundliche Inselbewohner. Derek hatte nicht nur dafür gesorgt, dass er drei Tage an seinem heimlichen Sehnsuchtsort verbringen konnte, sondern auch, dass er in einem der Bungalows untergebracht war, das mithilfe von dicken Pfählen mitten im Meer stand.
Als er den Bungalow betrat, suchte er nach dem Schlafzimmer, bis ihm irgendwann die schmale Wendeltreppe auffiel, die in den unteren Bereich zu führen schien. Neugierig ging er die Stufen hinunter und betrat das Schlafzimmer, das sich in einer durchsichtigen Acrylkugel befand, umgeben von leuchtend blaugrünem Wasser und den Bewohnern des Meeres, die – vollkommen unbeeindruckt von seiner Anwesenheit – gemächlich ihre Bahnen zogen.
Kellan lächelte, als er eine riesige Schildkröte entdeckte, die von einem Schwarm winziger Fische, die in den schillerndsten Farben leuchteten, begleitet wurde. Vollkommen fasziniert und auch ein klein wenig fassungslos ließ er sich auf das Doppelbett sinken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah nach oben. Es gab nicht viele Dinge, die er noch nicht erlebt oder gesehen hatte, aber das war definitiv eins davon. Er würde sich später bei Derek für seine Umsicht und Fantasie bedanken. Kellan war jetzt schon froh, dass er zugestimmt hatte, mit ihm einen Kurzurlaub zu verbringen, denn offensichtlich war es genau das, was er gebraucht hatte.
Die langen Wochen in Chile, in denen er mit einer Firma für Solar-Anlagen in Verhandlungen gestanden hatte, die Hochzeitsvorbereitungen, die ganzen anderen Verpflichtungen, denen er bei Hawkins Associated nachkommen musste, beanspruchten den meisten Teil seiner Zeit. Er war jetzt Mitte vierzig und über die Jahre in diese Rolle hineingewachsen und liebte alles daran. Doch manchmal hatte er das Gefühl, er hätte verlernt, freie Zeit zu genießen. Es war einfach und verführerisch, den Laptop überall dabeizuhaben; nur mal kurz die E-Mails checken, hier Hintergrundinformationen einholen, dort eine kleine Krise abwenden.
Die Sonnenstrahlen brachen sich im Wasser und spiegelten sich als schimmernde Reflexe in der Acrylkugel. Die Lichtschatten verteilten sich in seinem Zimmer und gaben ihm ein Gefühl von Frieden.
Er sollte sich viel öfter die Zeit nehmen, hierherzukommen. Seit er mit Carly zusammen war, seit immerhin drei Jahren, hatte er es erst zweimal geschafft. Carly bevorzugte Städtereisen. Je bunter und lauter es war, desto besser gefiel es ihr.
Kellan war eher der Typ Strand-Entlangwanderer, Vulkan-Besteiger, durch-den-Dschungel-Läufer. Zumindest in dieser Hinsicht unterschieden sie sich, doch das war okay, denn ansonsten hatten sie sehr viele Gemeinsamkeiten, und Kellan freute sich schon darauf, seine Verlobte in wenigen Tagen wiederzusehen.
In knapp fünf Wochen würden sie heiraten und er war sich sicher, dass Carly im Moment bis zum Hals in Hochzeitsvorbereitungen steckte.
Er nutzte den Augenblick, um noch kurz mit ihr zu telefonieren. Glücklicherweise besaß er hier im Bungalow zumindest ein Telefon, das er benutzen konnte, wo Derek ihm schon sein privates Handy abgenommen hatte.
»Es war eine großartige Idee von Derek, dich an deinen Lieblingsort zu entführen, oder?«, fragte Carly, als sie seinen Anruf annahm.
Kellan konnte sich ihr großzügiges, verschmitztes Lächeln und ihre warm schimmernden, blauen Augen so gut vorstellen. Es war wirklich schwer, Carlys Charme zu widerstehen, und warum sollte er auch? Er liebte diese Frau.
»Eine Überraschung, mit der ich nicht gerechnet habe«, erwiderte Kellan.
»Kann ich mir vorstellen.« Carly lachte. »Ich habe ihm gesagt, dass du Überraschungen verabscheust, aber er hat sich nicht davon abhalten lassen.«
»Es ist großartig, wirklich.«
»Habt ihr denn schon Pläne, was ihr noch miteinander unternehmen werdet? Derek war in den letzten Wochen ein furchtbarer Geheimniskrämer, es war ein Wunder, dass ich überhaupt erfahren durfte, wo ihr hinreist.«
Kellan schmunzelte und beobachtete eine weitere Schildkröte. Diese war etwas kleiner als die erste, doch das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch.
»Nun, er scheint es zu genießen, Herr der Geheimnisse zu sein. Er hat überhaupt nichts verraten und mir sogar mein Handy und Laptop weggenommen.«
»Den Tipp habe ich ihm gegeben«, sagte Carly lachend. »Du hattest nicht ernsthaft vor, während deines Junggesellenabschieds zu arbeiten, oder?« Sie kannte ihn einfach viel zu gut, denn wenn er seine Arbeitsmaterialien bei sich gehabt hätte, wäre das wohl durchaus passiert.
»Natürlich nicht«, sagte er aber, weil er ihr nicht die Zufriedenheit überlassen wollte, ihn durchschaut zu haben. Sie bemerkte sowieso schon viel zu viele Dinge, die sie gar nichts angingen, und besaß häufig einen viel zu klaren Blick auf die Geschehnisse um sich herum.
Jetzt lachte sie auf und Kellan musste unwillkürlich mitlachen. »Du wurdest ein bisschen überrumpelt, oder?«
»Irgendwie schon, ja.«
»Ich gebe dir einen Tipp: Genieß es einfach. Wer weiß, wann du das nächste Mal die Zeit findest, dorthin zu reisen.«
»Du hast recht. Aber … er hat meine Pläne total durcheinandergebracht.«
»Auf eine gute Art?«
»Eine sehr gute.« Kellan lächelte.
Carly lachte, dann räusperte sie sich. »Was hältst du eigentlich von Bangkok?«, fragte sie dann.
Kellan schüttelte den Kopf und erhob sich von seinem Bett. Mit einer Hand zog er sich an, während er das Telefon mit der anderen hielt oder es zwischen Schulter und Ohr einklemmte.
»Nein«, sagte Kellan. »Keine Megastadt, darauf hatten wir uns doch geeinigt.«
Obwohl sie schon bald heirateten, verhandelten sie noch immer über das Ziel ihrer Hochzeitsreise.
»Oh, komm schon«, bettelte Carly. »Du hast jetzt Bora-Bora, dafür könntest du mir Bangkok geben.«
»Ich halte es dort aber keine zwei Wochen aus«, widersprach Kellan. Er hasste die riesigen, vollgestopften Städte mit zu vielen Menschen und Smog. Es gab zwar viel zu sehen, doch er sah in seinem beruflichen Alltag schon so viel, dass er seine wenigen freien Tage lieber in aller Ruhe verbringen wollte.
Andererseits saß Carly als Dermatologin tagein, tagaus in ihrer Praxis, bekam keinen Szenenwechsel, kaum räumliche Abwechslung. Er konnte es verstehen, wenn sie ihrem Alltag einfach nur entfliehen wollte.
Er seufzte. »Lass uns einen Kompromiss machen. Eine Woche planst du, eine ich.«
»Du willst einen Urlaub planen?«, fragte Carly, ihre Stimme angefüllt mit Zweifeln.
Kellan schnaubte. »Und warum nicht?«
»Weil du noch nie einen Urlaub geplant hast. Das macht sonst immer Miranda.«
Miranda war seine Assistentin. Bei Weitem die beste Assistentin, die er jemals gehabt hatte und die er für kein Geld der Welt eintauschen würde.
»Miranda ist mehr als fähig, unseren Urlaub zu buchen«, erwiderte Kellan, obwohl er genau wusste, was Carlys Antwort sein würde.
»Wenn du einen Urlaub nach deinen Wünschen haben willst, dann planst auch du ihn und niemand sonst, Mister«, sagte Carly entschieden.
Kellan lachte. »In Ordnung. Ich werde ihn ganz allein planen. Du bekommst die erste Woche, ich die zweite.«
»Versprich es«, beharrte Carly.
»Ich würde meine Verlobte niemals anlügen.«
Derek
Eigentlich hatte er sich nur umsehen wollen, bis er sich später mit Kellan traf, doch dann hatte eine Gruppe von Leuten ihn dazu eingeladen, sie auf ihrer Bananenboot-Fahrt zu begleiten.
Und hier war er nun, saß auf diesem unbequemen, gelben Ding und klammerte sich an den beiden Griffen vor ihm fest, während das Boot an Geschwindigkeit zunahm.
Seine neuen Freunde schrien und kreischten vor Vergnügen und Derek tat es ihnen gleich. Der Wind peitschte seine Haare zurück, Wasser spritzte ihm ins Gesicht und er konnte einfach nur lachen.
Sie flogen fast über die Wasseroberfläche, zogen Kreise und Kurven. Ein paar von den anderen landeten im Wasser und wurden im Laufe der Zeit wieder eingesammelt. Es war ein riesiger Spaß und Derek merkte erst jetzt, wie sehr er selbst diesen kleinen Trip gebraucht hatte, um mal wieder rauszukommen, sich zu entspannen und etwas anderes zu sehen. Nach dem Ende ihrer Fahrt gaben sie die Schwimmwesten zurück an den Veranstalter und gingen zurück in Richtung der Hotelanlage, in der sie sich kennengelernt hatten.
»Hey, begleite uns doch noch. Es soll hier einen heißen Spot geben mit den hübschesten Frauen und dem besten Essen weit und breit«, sagte Nick, ein ziemlich attraktiver Kerl, der mit jedem Mädchen aus der Gruppe flirtete. Wahrscheinlich würde es viel Spaß machen, mit ihm um die Häuser zu ziehen, doch Derek schüttelte den Kopf, denn er war bereits mit Kellan verabredet. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der eher ruhige Mann so begeistert wäre, mit wildfremden Leuten in Clubs abzuhängen.
»Das hat nach Spaß ausgesehen«, sagte Kellan in diesem Moment.
Derek blieb abrupt stehen und hob den Blick. Er sah absolut fantastisch aus in den graukarierten Chinos und dem enganliegenden weißen T-Shirt, das er jetzt trug. Derek war ein großer Fan davon, Kellan in Freizeitkleidung zu sehen. Es kam viel zu selten vor, wenn es aber so weit war, dann stahl er allen anderen die Show – und bemerkte es selbst nicht mal.
Derek schluckte leer, denn was auch immer er für Vorstellungen von Kellan Hawkins im Urlaub gehabt haben mochte, er übertraf sie alle und verwandelte ihn in einen sabbernden Teenager, der doch nur mal gucken wollte.
»Oh … äh …«
»Alter, geht’s dir gut?«, fragte Nick und legte ihm den Arm über die Schultern. Derek schüttelte ihn ab.
»Hattet ihr noch weitere Pläne?«, fragte Kellan und sah zwischen Nick und Derek hin und her.
»Nichts da. Ich habe fest geplant, dich mit dem besten Essen der Insel und fantastischen Cocktails zu verwöhnen«, widersprach Derek und zwinkerte Kellan zu.
* * *
Kellan
»Diese Cocktails haben es wirklich in sich«, sagte Kellan verwundert und musterte das leere Glas vor sich. Er war sonst nicht der Cocktail-Fan, doch Derek hatte ihn richtiggehend dazu verführt, und nach einem gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant direkt am Meer saugte er jetzt am Strohhalm seines dritten Vanilla Punches. Im Laufe des Abends war eine Tanzgruppe auf die Bühne gekommen, die zu den rhythmischen Klängen der Ukulelen und dem stampfenden, hypnotisierenden Trommeln der Pahu bewegten. Ihre Baströcke raschelten leise, während das Lächeln der Tänzerinnen lockend und verführerisch war.
Irgendwann verteilten sich die Frauen und forderten die Gäste des Restaurants zum Tanzen auf. Kellan ließ seinen Blick zu Derek wandern, der sich begeistert quer durch die Cocktail-Karte probierte. Er hatte inzwischen den Überblick verloren, was er im Moment für einen Drink in der Hand hielt. Er war pink und sah süß wie die Sünde aus.
Derek bemerkte seinen Blick und grinste ihn an. »Und, schwingst du auch das Tanzbein?«
Kellan trank einen Schluck. »Ich bin wirklich nicht so der Tänzer«, gab er zu. Es reichte schon, wenn er den obligatorischen Hochzeitstanz vorführen musste. Carly hatte vorgeschlagen, noch Tanzstunden zu nehmen, obwohl Kellan keine Ahnung hatte, wann er die in seinem Zeitplan unterbringen sollte.
Eine der Schönheiten mit den braunen Augen kam lächelnd auf sie zu. Ihr Blick wanderte zwischen Kellan und Derek hin und her, ehe sie sich an Derek wandte, ihre Hand lockend ausstreckte und ihn mit sich auf die Tanzfläche zog.
Derek sah über seine Schulter hinweg zurück zu Kellan und zwinkerte ihm zu, was der mit einem Augenrollen quittierte.
Amüsiert beobachtete er Derek dabei, wie der sich von der Frau führen ließ, sich ihre Bewegungen einprägte und imitierte, bis er sich beinahe genauso sinnlich und geschmeidig bewegte. Seine hellbraunen, gelockten Haare fielen ihm nach einiger Zeit ins Gesicht und er schob sie immer mal wieder lachend nach hinten, während seine Arme durch die Luft tanzten und seine Hüften kreisten.
Kellan leerte den nächsten Cocktail und kaum war das geschehen, stand schon wieder ein volles Glas wie von Zauberhand vor ihm. Ohne Derek aus den Augen zu lassen, trank er weiter, beobachtete wie sein Körper mit der Frau flirtete, wie sie sich immer weiter aufeinander zu bewegten, zu einer Einheit verschmolzen, bis an ihren Bewegungen rein gar nichts mehr unschuldig war. Die beiden hatten gerade einen wirklich heißen Trockenfick mitten auf der Bühne.
Kellan bemerkte, wie auch die anderen Gäste auf Derek und seine Partnerin aufmerksam wurden. Sie traten etwas zurück, um die beiden zu beobachten, bevor sie im Takt der Trommeln zu klatschen begannen. Derek lachte auf, drehte sich langsam im Kreis und klatschte mit. Er hatte den Spaß seines Lebens.
In San Francisco mochte er der brave Doktor für Recht sein, aber hier lebte er förmlich auf und besaß absolut keine Scheu, stattdessen verwandelte er sich in eine Versuchung auf zwei Beinen. Zumindest, wenn Kellan die interessierten Blicke der umstehenden Damen richtig interpretierte.
Kellan leerte seinen vierten Cocktail und behielt Derek weiterhin im Blick. Hitze stieg in ihm auf, als er einen Moment zu lange auf Dereks dunkelblaues Poloshirt und den sich darunter befindlichen Muskeln hängenblieb. Er konnte sich die Reaktion seines Körpers nicht erklären, doch irgendwie … er rutschte unruhig auf seinem Stuhl umher und leerte den Drink in Sekundenschnelle, bevor er einen neuen bestellte, obwohl er wusste, dass es klüger wäre, auf Wasser umzusteigen.
Die Musik wurde schneller, die Trommelschläge härter. Der Tanz war nicht länger sanft und verführerisch, er verwandelte sich in etwas Rohes, zu einer treibenden Kraft. Derek und die Frau passten ihre Bewegungen an, ihre Hüften stießen gegeneinander, sie lächelten einander zu.
Seine Kehle wurde trocken und er feuchtete sie schnell mit dem neuen Cocktail an, während er nichts gegen die Enge in seiner Hose tun konnte.
Fuck! Was passierte hier?
Die Trommelschläge wurden schneller und schneller, bis sie urplötzlich verklangen. Die anderen Gäste brachen in Beifall aus und die Tänzerin verabschiedete sich von Derek mit einem sanften Kuss und einem tiefen Blick, den der lächelnd erwiderte, ehe er zu ihrem Tisch zurückkehrte.
»Ich verdurste«, murmelte er und griff nach Kellans halbvollen Cocktail. »Gott, dieser Tanz war hot, oder?«, fragte er, nachdem er seinen Durst gestillt hatte.
Winzige Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und ließen sie glänzen. Kellan wettete, dass er jetzt bereute, nicht mit Gray zusammen hergekommen zu sein. Wenn der Tanz ihn schon so erregt hatte, wie musste es dann Derek selbst gehen?
»Ich glaube, die Tänzerin war ganz angetan von dir«, gab Kellan zurück, während sich sein Magen zusammenzog. Er hatte bereits genug Alkohol intus, doch nicht weiter zu trinken, war keine Option.
Nicht, wenn Derek ihn aus seinen blauen, funkelnden Augen ansah. Wenn er lächelte und seine Lippen sich hinreißend um diesen Strohhalm legten.
Kellan bestellte einen weiteren Cocktail und trank so schnell er konnte.
* * *
Derek
»Oh Himmel, Kellan, du bist ganz schön betrunken«, murmelte Derek und lachte leise, weil er eigentlich auch ziemlich betrunken war. Also, so richtig ziemlich.
Er hatte gerade erst den gestrigen Kater überwunden, und vermutlich würde er gleich morgen wieder leiden müssen. Doch Kellan hatte weitaus mehr getrunken. Derek hatte sich seinen Arm um die Schultern gelegt und führte den torkelnden, kichernden Mann nun den Steg entlang bis zu seinem Bungalow.
»Es war eine laue Nacht und die Mädchen schön und … Mist, ich habe den Text vergessen«, lallte Kellan und stützte sich schwer auf ihn.
»Kellan, du musst selber laufen, ich kann dich gleich nicht mehr tragen.«
»Ist doch nicht so schlimm«, murmelte der.
Himmel, es war ganz schön niedlich, ihn so ausgelassen und kichernd zu erleben, denn Kellan kicherte sonst nie. Überhaupt nie. Er war der ernsteste Mensch, dem er jemals begegnet war.
Sie taumelten in Kellans Bungalow und Derek suchte nach dem Schlafzimmer, fand aber nur ein Badezimmer und den Wohnbereich vor.
»Wo … ist dein Bett?«, keuchte er. »Haben die das Bett vergessen? Ich werde ihnen den Arsch aufreißen.«
Kellan schien das unglaublich lustig zu finden, denn er fing an zu lachen und krümmte sich regelrecht zusammen, während er auf eine Treppe zusteuerte.
Betrunkene Menschen sollten keine Treppen hinuntersteigen, doch genau das taten sie jetzt.
»Wer macht so was?«, fragte Derek entnervt, während er all seine Kraft aufbringen musste, damit Kellan nicht einfach abstürzte. Gar nicht so leicht, wo auch er alles andere als nüchtern war.
Der Abend war einfach zu schön gewesen, die Musik grandios, die Tänzerinnen einladend und der Alkohol hatte geholfen, ihn vom Offensichtlichen abzulenken.
Nein, falsch, er hatte ihm geholfen, sein Geheimnis sicher zu verwahren und seinen Fokus nicht zu lange auf Kellan ruhen zu lassen. Insgeheim fragte er sich, was er sich dabei gedacht hatte, mit Kellan in den Urlaub zu fahren. Es war eine Herkulesaufgabe für seine Selbstbeherrschung und würde ihn noch ins Grab bringen. Außerdem wollte er nicht mal daran denken, was seine Gedanken für die Beziehung mit Gray bedeuteten. War es schon fremdgehen, wenn man hin und wieder von einem anderen Mann fantasierte?
»Oh fuck, das ist dein Schlafzimmer?«, fragte Derek entgeistert, als sie die letzte Treppenstufe hinter sich gebracht hatten. Sie befanden sich in einem verdammten Aquarium, nur dass es nun die Fische waren, die sie anstarrten.
Dezent angebrachte Leuchtstrahler erhellten das Wasser um sie herum, sodass es auch in der Nacht magisch leuchtete.
»Ich liebe dieses Bett«, seufzte Kellan und ließ sich darauf fallen. Er starrte an die Decke und zeichnete mit einem Finger umherziehende Fischschwärme nach. »Komm her, du musst dir das ansehen.«
Derek blinzelte und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Oh nein. Das Schlimmste, was er tun könnte, war in Kellans Nähe zu kommen, wenn der so süß und zauberhaft und niedlich und Derek nicht vollkommener Herr über seine Taten war.
»Derek«, jammerte Kellan und hob den Kopf. Er klopfte neben sich auf die Matratze. »Komm.«
»Äh … du solltest jetzt besser schlafen.« Wie jämmerlich war es, den Kerl anzuhimmeln, den seine Schwester seit drei Jahren liebte, während er selbst in einer glücklichen Beziehung steckte?
Und wie jämmerlich konnte es noch werden, wenn er sich nur einen kleinen Augenblick in Kellans Nähe erlaubte und sich zu ihm legte?
Mit einem kleinen Seufzen zog er sich die Schuhe aus und kletterte in Kellans Bett. Mit einem deutlichen Sicherheitsabstand legte er sich neben ihn und richtete den Blick an die Decke. Kleine Fische und schwebende Algen bewegten sich scheinbar schwerelos durch das schimmernde Wasser.
»Unglaublich«, murmelte Derek, der nicht abstreiten konnte, wie wunderschön die Lebewesen aussahen. Es musste fantastisch sein, so einzuschlafen und am nächsten Morgen wieder aufzuwachen.
»Ich habe mich noch nicht bei dir bedankt«, sagte Kellan, der sich plötzlich aufgerichtet hatte und sich nun in sein Blickfeld schob. Seine grauen Augen glitten über Dereks Gesicht, und es war bestimmt nur seinem Schwips anzulasten, dass es sich anfühlte wie eine sinnliche Liebkosung.
Ihm war echt nicht mehr zu helfen.
»Für die Reise?«
»Für alles«, hauchte Kellan und plötzlich senkte sich sein Kopf tiefer.
»Kell …«, sagte Derek leise und schob ihn mit der ihm verbliebenen Selbstbeherrschung vorsichtig zur Seite. Er erhob sich und starrte Kellan an, der jetzt fragend zu ihm aufsah.
»Du solltest jetzt besser schlafen«, sagte Derek, ehe er sich seine Schuhe schnappte und so schnell er konnte, Kellans Bungalow verließ.
Kellan
Kellan schleppte sich am nächsten Morgen ins Badezimmer und starrte sein Spiegelbild an. Nicht mal das Brummen in seinem Kopf konnte die Erinnerungen an den gestrigen Abend ausschalten, die wie Gummibälle durch seinen Kopf hüpften, unfähig, stillzuhalten.
Das fantastische Essen, der kontinuierliche Cocktail-Nachschub, die rhythmischen Trommelschläge und dann auch noch Derek und seine Art zu tanzen. Diese gottverdammten heißen Bewegungen, die kein Körper in der Lage sein sollte, auszuführen. Wie konnte man bitte so sexy tanzen, dass es einem Geschlechtsakt gleichkam?
Kellan starrte in den Spiegel, er versuchte, verärgert auszusehen, oder zumindest nicht angetörnt, versuchte, seinem Spiegelbild zu verstehen zu geben, dass er überhaupt nicht begeistert davon war, dass Carlys Bruder ihn so aus dem Konzept brachte.
In seiner Collegezeit hatte er mal eine Weile mit Männern experimentiert, was nett gewesen war, okay, dennoch fühlte er sich eher zu Frauen hingezogen.
Und dann kam Derek um die Ecke, ein Mann, den er seit inzwischen fast drei Jahren kannte, der Bruder seiner Verlobten. Derek, mit dem er auch sonst schon hin und wieder Zeit verbrachte, ohne dass er jemals zuvor irgendwelche merkwürdigen Gedanken gehabt hatte. Und jetzt sah er ihm beim Tanzen zu und bekam davon einen Harten?
Er stöhnte auf, als er bemerkte, dass sein Körper noch nicht fertig mit dem Verrat war. Gestern war er vielleicht zu betrunken gewesen, doch jetzt richtete sich sein Schwanz bei den Bildern auf, die wie ein Film vor seinem inneren Auge abliefen.
Kellan sah an sich hinunter, betrachtete die Beule in seiner Hose, versuchte, seine Gedanken fortzulenken, in unschuldige Gefilde, doch das stellte sich als sehr schwierig heraus.