Why We Hide - T.C. Daniels - E-Book

Why We Hide E-Book

T.C. Daniels

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Beschreibung

Aspen Banks hat es geschafft. Als Leadsänger der Popband 4Reasons steht ihm die Welt offen und die Fans liegen ihm zu Füßen. Auf einem verbotenen nächtlichen Ausflug begegnet er dem noch unbekannten Singer und Songwriter Elliott Spencer. Zwischen den beiden Männern fliegen die Funken und sie verbringen eine Nacht miteinander. Kurzentschlossen sorgt Aspen dafür, dass Elliott mit auf Tour durch Amerika kommt. Aufregende Wochen liegen vor den beiden Männern und sie kommen sich schnell näher. Doch wo Licht ist, da existieren auch Schatten. Mit seiner selbstzerstörerischen Art stößt Aspen Elliott immer wieder von sich. Als Elliott jedoch Aspens uneingeschränkte Unterstützung braucht, muss der sich entscheiden, ob er an Elliotts Seite bleibt, oder ob er die Dämonen der Vergangenheit gewinnen lässt ... Dies ist Teil 1 der Dilogie um Aspen und Elliott.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Why we hide

T.C. Daniels

Inhalt

Triggerwarnung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Nachwort

Danksagung

Über den Autor

1. Auflage

Copyright ® 2024 T.C. Daniels

Covergestaltung: Catrin Sommer – rausch-gold.com

Korrektorat: Matti Laaksonen – www.mattilaaksonen.de

T.C. Daniels

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum der rechtmäßigen Besitzer.

Kontakt: [email protected] . www.tcdaniels.com

Triggerwarnung

Dieses Buch beinhaltet folgende möglicherweise triggernde Inhalte:

Drogenkonsum

Panikattacken

Bitte achte auf dich.

Prolog

Aspen

Der Schweiß lief ihm über den Rücken und sammelte sich am Bund seiner Hose. Es kam ihm vor, als würde sein Herzschlag durch seinen ganzen Körper vibrieren und ihn in unangenehme Schwingungen versetzen. Die Musik war nicht nur außen. Sie schallte nicht nur über den Lautsprecher durch den ganzen Raum und bestimmte ihre Tanzschritte. Sie war in ihm und das erste Mal, seit er Musik machte, wollte er sie dort nicht haben.

Sie fühlte sich nicht richtig an. Zu viel. Zu laut. Zu kreischend. Alles ging zu schnell.

»Verdammt, Aspen, was ist los mit dir? Schläfst du noch?«, fragte Leon und kam auf ihn zugestapft.

Dean, Jenson und Legend hielten inne. Sie nutzten die kleine Pause, schnappten sich Wasserflaschen und tranken gierig. Aspen starrte in den Spiegel vor sich. Er erstreckte sich über die ganze Länge der Wand. Er selbst wirkte furchtbar klein darin.

»Aspen!« Leon stand neben ihm. Er war größer und muskulöser als Aspen und von ihm gingen Ungeduld und Genervtheit aus.

»Sorry«, murmelte Aspen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich bin aus dem Takt gekommen.«

»Das wäre ja nicht weiter schlimm«, sagte Leon mit schneidender Stimme. »Wenn du an diesem Morgen wenigstens ein Mal im Takt gewesen wärst!«

Es war bekannt, dass Leon einen cholerischen Charakter hatte. Er war wie ein Vulkan, explodierte und schleuderte jede Menge Lava und Asche auf einen, konnte aber auch so anschmiegsam wie ein Kätzchen sein. Aber es gab nichts, was er mehr hasste, als Unkonzentriertheit und fehlende Kontrolle über den Körper.

»Können wir noch mal anfangen?«

»Weißt du, ich mach das hier für dich. Für eure Band. Ihr wollt auf Welttournee gehen. Die Choreo muss sitzen, vor allem, wenn da auch noch diese mehr als dämliche Flugshow dazukommt.«

Aspen grinste insgeheim, denn er musste Leon recht geben. Die Flugshow war dämlich. Aber die Verantwortlichen von Storm Records hielten sie für genial, immerhin lautete der Name ihrer Tour Rising Phoenix. Und was lag da näher, als den beliebtesten Sänger von 4Reasons in den Himmel steigen zu lassen?

»Ich weiß«, sagte Aspen. »Tut mir leid. Ich war kurz abgelenkt.«

Leon warf ihm einen strengen Blick zu. »Dann sei jetzt nicht mehr abgelenkt.«

»Okay.«

Aspen schüttelte Arme und Beine aus und versuchte, die merkwürdige Starre seines Körpers loszuwerden. Er tanzte gern. Er sang gern. Und Choreographien einzustudieren, war ihm schon immer leichtgefallen.

Durch den Spiegel bemerkte er, wie Norman Parker den Raum betrat. Elegant wie eine Katze schlich er an der Wand entlang zu zwei Stühlen und ließ sich auf einem davon nieder. Er war der Bandmanager und praktisch Tag und Nacht an ihrer Seite. Als verlängerter Arm von Storm Records war er derjenige, der dafür sorgte, dass Aspen und die anderen genau das taten, was ihr Musiklabel wollte. Wie kleine dressierte Äffchen tanzten sie komplizierte Choreos, verbrachten ihr Leben in Hotelzimmern und sangen Songs, die sie schon lange nicht mehr fühlten.

Manchmal fühlte sich Aspen alt.

Dann, wenn er nach der Begeisterung suchte, die er vor vier Jahren noch für die Musik empfunden hatte. Als ihm noch jeder Song gefallen hatte, als es noch aufregend gewesen war, ein Album aufzunehmen und auf Tour zu gehen.

Es fehlte ihm.

»Okay, zwei, drei, vier«, rief Leon. Die Musik erklang und sofort war alles wieder da. Der Puls, der hämmernde Schlag seines Herzens, die Vibrationen. Durch den Spiegel sah Aspen, wie Norman ihn betrachtete. Aufmerksam, wie er war, würde er jeden Fehler registrieren, den er machte. Er musste sich konzentrieren. Ein Mal.

Sein Körper war zu langsam. Den schnellen Takten von Magic konnte er nicht folgen. Sein Bein schwang durch die Luft, Sekunden nach der eigentlichen Bewegung. Es kam ihm vor, als würde er einerseits in Lichtgeschwindigkeit leben, seine Bewegungen waren aber in Zeitlupe. Er war in einem Loch gefangen und kam da nicht mehr raus.

»Aspen!« Das war wieder Leon, der jetzt wirklich wütend klang.

»Hey, Alter, was ist los?« War das Dean?

Aspen hatte keine Ahnung. Er taumelte, er konnte nicht aufhören, sich zu bewegen, aber das alles war nicht richtig. Er musste … atmen.

Daran lag es. Er bekam keine Luft mehr und wenn er nicht gleich richtig atmete, dann würde etwas Schlimmes passieren.

Aspen presste die Hand an den Hals, während er spürte, wie fremde Hände ihn umfingen. Ihn und seinen bebenden Körper, der nicht mehr ihm zu gehören schien.

»Aspen!«

»Er braucht Wasser!«

»Aspen!«

Aspen.

Aspen.

Aspen.

Aspen schloss die Augen und dann fiel er. Vielleicht fiel er in eine Zeit, in der er mithalten konnte, in der er wieder im Takt war, im Rhythmus.

* * *

Als Aspen die Augen aufschlug, lag er auf einer Chaiselongue, die in einer Ecke des Tanzstudios stand und auf der sie gewöhnlich ihre Rucksäcke abstellten.

Er sah fünf Köpfe über sich, die alle besorgt auf ihn herunterstarrten.

»Alter, du hast mir echt einen Schreck eingejagt.«

Aspen fand das Gesicht, zu dem die Stimme gehörte. Dean. Sein Freund Dean, der seltsam besorgt aussah, obwohl er sich sonst nie um etwas sorgte.

»Hier, trink.«

Aspen nahm die Wasserflasche von Jenson entgegen. Er sah ihn ruhig und dennoch besorgt an. Legend stand gleich hinter ihm, die Stirn in Falten gelegt.

»Was war das?«, fragte Dean. Er setzte sich zu ihm auf das Sofa. Dabei forderte er seinen Platz ein, sodass Aspen notgedrungen die Beine zur Seite schieben musste. Er trank und das eisgekühlte Wasser schmeckte köstlich.

»Du bist einfach so zusammengebrochen«, sagte Legend. »Auf einmal lagst du am Boden.«

»Sorry«, nuschelte Aspen, und trank einen weiteren Schluck. Er entdeckte Norman, der ihn prüfend betrachtete. Wenn Norman einen ansah, dann war es immer, als wäre man ein Pferd auf einer Auktion. Jede Bewegung, jeder Makel wurde genauestens registriert und analysiert.

»Bist du krank?«, fragte Leon und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich schwör dir, wenn du krank zu meinem Tanztraining kommst, dann reiße ich dir den Arsch auf.«

»Mir geht es gut«, sagte Aspen schnell.

»Hat nicht so ausgesehen«, erwiderte Jenson. »Du sagtest, du kannst nicht atmen.«

»Was?« Aspen schüttelte den Kopf. »Weil ich außer Atem war«, erklärte er.

Die Falten auf Legends Stirn vertieften sich.

»Kommt nicht wieder vor, wirklich. Können wir weitermachen?«

»Oder wir machen für heute Schluss«, schlug Leon vor. Er drehte sich zu Norman um und warf ihm einen fragenden Blick zu. Der nickte. Nur eine kleine Bewegung seines Kopfes, doch sie reichte aus, damit sich alle in Bewegung setzten. Sie suchten ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg zum Ausgang.

»Aspen. Kann ich dich einen Moment sprechen?«

Aspen schluckte schwer. Es wäre ja auch zu leicht und unkompliziert gewesen, einfach von hier zu verschwinden. Natürlich hatte sein Zusammenbruch Folgen.

Jenson, Legend und Dean warfen ihm fragende Blicke zu, Aspen zuckte mit den Schultern und ging zu Norman. Er seufzte erleichtert auf, als Dean neben ihm auftauchte. Auf ihn war immer Verlass. Zu seinem Erstaunen war Dean aber nicht der Einzige, der geblieben war. Auch Jenson und Legend folgten ihm.

Norman nahm dies zur Kenntnis. Ein Muskel an seinem Auge zuckte. Ein schlechtes Zeichen. Wenn Normans Augen zuckten, war er gestresst und mies drauf.

»Gibt es irgendwelche Probleme, von denen ich wissen sollte?«, fragte Norman betont beiläufig.

»Äh … nein. Alles okay«, sagte Aspen.

Es war nicht alles okay. Aber wie sollte er das sagen?

»Ich schätze, ich bin heute einfach etwas müde.«

»Dann solltest du früher ins Bett gehen.«

Aspen nickte. Ein Gefühl der Enttäuschung brannte auf seiner Zunge. »Ja. Stimmt.«

»Oder wir kriegen mal ein paar Tage frei.« Das war Jenson. Er überragte sie alle um einen Kopf und Aspen hatte manchmal das Gefühl, dass Norman und die anderen Leute, die etwas zu sagen hatten, ihn deshalb mit mehr Respekt behandelten. Als wäre er Hulk und sie hätten Angst davor, dass er ihnen den Kopf abreißen würde, wenn sie etwas taten, das ihm nicht gefiel.

Norman runzelte die Stirn und warf Jenson einen stechenden Blick zu. »Ihr hattet gerade erst eine Woche frei«, sagte er dann. »Der Terminkalender ist voll und die Choreo muss sitzen.«

»Wissen wir«, warf Legend ein.

Norman betrachtete jetzt auch ihn. »Haben wir ein Problem, von dem ich noch nichts weiß?«

Wir. Wir bedeutete ihr. Habt ihr ein Problem? Die Frage klang drohend, was bedeutete, dass man sich seine Antwort gut überlegen sollte.

»Unser Problem ist, dass wir seit Wochen entweder stundenlang tanzen oder singen oder in irgendwelchen Talkshows auftreten«, sagte Jenson.

Norman wandte sich Aspen zu. »Hast du auch ein Problem damit?«

Er schluckte nervös. Normalerweise versuchte er, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich von Norman oder sonst wem zu bekommen. Er stand nicht gern im Mittelpunkt, was wohl ein Witz an sich war, denn das Management stellte ihn genau dorthin, wann immer sie konnten. 4Reasons mochte eine gecastete Popband mit vier Bandmitgliedern sein, doch Aspen war der geheime Star. Nie hatte jemand diese Tatsache ausgesprochen. Weder die von oben noch sie vier untereinander. Es war einfach so.

Und die meiste Zeit hasste Aspen genau das.

»Nein«, sagte er leise. Er hatte kein Problem. Er hatte genau das bekommen, was er sich schon immer gewünscht hatte, und er würde das nicht aufs Spiel setzen.

Dean stöhnte hinter ihm auf und Jenson fluchte.

Norman nickte. »Gut. Dann sehen wir uns morgen wieder hier. Mit hoffentlich besseren Leistungen.«

Aspens Wangen röteten sich, als er seine Sporttasche schnappte und sich zum Gehen wandte. Er verließ den Tanzraum, schlüpfte in seine Schuhe und ging los. Tucker, sein Bodyguard, der vierundzwanzig Stunden am Tag um ihn herum war, tauchte wie aus dem Nichts auf.

»Geht es schon nach Hause?«

Aspen hätte bei dem Ausdruck beinahe gelacht. Er war einer der bekanntesten Sänger der Gegenwart, aber ein Zuhause hatte er nicht. Allerdings würde ihn niemand verstehen, sollte er das mal laut aussprechen. Dann würden alle sagen, dass er doch diese schicke Villa in Beverly Hills besaß. Mit Swimmingpool und einem Tennisplatz und die Garage voll teurer Autos.

Niemand würde verstehen, dass er sich in diesem Haus noch nie zuhause gefühlt hatte.

»Ja«, sagte Aspen müde. »Nach Hause.«

1

Elliott

Elliott legte letzte Hand an seine Haare, die wie immer zu lang und zu unfrisiert waren.

»Hier«, sagte Shawn und reichte ihm einen schwarzen Haargummi.

Elliott seufzte, nahm es aber entgegen und band seine Haare zu einer unordentlichen Frisur nach hinten. Beabsichtigtes Chaos, weil die Mädchen drauf stehen, nannte June, seine Schwester, das immer.

»Seid ihr bereit?«, fragte Robert Milton, der Besitzer der Bar, der das Getränkelager betreten hatte, in dem sie sich für ihre Auftritte bereit machten. Neben Getränkekisten standen Schachteln mit Zitronen und Limonen herum. Irgendjemand war so nett gewesen, einen Spiegel aufzuhängen, der zwar schon ein paar blinde Flecken aufwies und dreckig war, aber immer noch besser, als sich mithilfe der Handykamera zu stylen.

Elliott und Shawn waren schon öfter im Milton aufgetreten. Die Kneipe war ganz okay, Robert bezahlte sie zuverlässig für den Auftritt und sie bekamen kostenlose Getränke.

»Klar«, sagte Elliott, weil – was sollte er sonst sagen? Immerhin waren sie so was wie Profis.

»Gut. Solltet ihr auch. Die Leute freuen sich schon auf euren Auftritt.«

Elliott runzelte die Stirn. »Ach ja?«, fragte er. Es war nicht so, dass sie vollkommen unbekannt waren. Aber dass sich irgendjemand auf sie freute oder ihrem Auftritt entgegenfieberte, das war neu. Das Miltons besaß zwar eine Bühne und auch eine akzeptable Licht- und Tontechnik, im Grunde war es aber einfach nur eine Kneipe, in der sich Menschen trafen, die eine gute Zeit miteinander verbringen wollten.

»Natürlich«, sagte Milton und rempelte ihn an. »Die Leute mögen eure Musik.«

Milton warf ihnen noch ein letztes Grinsen zu, dann verließ er den Raum. Elliott drehte sich zu Shawn um und zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was heute anders ist als sonst.«

»Vielleicht will er sich wichtigmachen, damit wir weiterhin hier auftreten.«

Elliott lachte. »Als ob wir eine andere Wahl hätten.«

Shawn und er traten als Duo auf und spielten soften Indie-Rock, mit dem sie unterdurchschnittlich erfolgreich waren. Ihre Musik kam zwar gut an und sie hatten mittlerweile einen guten Ruf unter Barbesitzern, die kleinere Konzerte in ihren Kneipen veranstalteten, doch der große Durchbruch ließ auf sich warten.

Elliott wusste, dass er mit seinen bald neunundzwanzig Jahren als ziemlich alt in der Musikindustrie galt. Die großen Musiklabels holten sich am liebsten Jugendliche an Bord, die sie nach ihren Vorstellungen schleifen und formen konnten. Elliott hatte bereits seit Jahren seinen Stil gefunden. Shawn und er texteten alle Songs selbst und feilten so lange an den Melodien, bis jede einzelne Note am richtigen Ort saß. In jeden ihrer Songs floss ihr Herzblut. Inzwischen wusste er selbst nicht mehr, ob er wirklich bekannt werden wollte. Natürlich würde ein gewisses finanzielles Polster sein Leben deutlich einfacher machen. Andererseits liebte er das wilde Leben in New York, nie zu wissen, was der nächste Tag brachte, Herausforderungen, Scheitern und Erfolg. Er liebte es mit jedem Atemzug und manchmal dachte er, dass er nur so gute Musik machen konnte, weil er eben genau so lebte.

Elliott umfasste Shawns Schultern. Er sah ihm ernst in die Augen. »Wir rocken heute das Ding, okay?«

Shawn nickte grinsend. Er liebte die Bühne, auch wenn Elliott derjenige von ihnen beiden war, der mit dem Publikum agierte. Er war an der Front, flirtete mit den Frauen und verbreitete gute Laune, während Shawn durch seine Zurückhaltung seine ganz eigenen Fans hatte.

Es gab nichts Besseres, als mit seinem besten Freund genau die Musik machen zu können, die sie liebten. Sie spielten schon so lange miteinander, dass er nicht mehr wusste, wann das alles begonnen hatte.

Shawn und er waren miteinander aufgewachsen, sie waren Nachbarn gewesen, dann beste Freunde und eine Zeit lang auch ein Liebespaar. Sie hatten gemeinsam ihre Sexualität miteinander erkundet und ihre Liebe zur Musik entdeckt. Nach dem tragischen Tod von Shawns Eltern, war er sogar bei Elliott und seinen Eltern eingezogen. Gemeinsam hatten sie die High School beendet und waren dann zusammen nach New York gegangen, um dort weiter für ihren Traum zu kämpfen, als professionelle Musiker arbeiten und leben zu können.

»Wir fangen heute mit Surprise an«, sagte Elliott. »Wir brauchen was Flottes, um die Leute gleich mitzureißen.«

»Okay.«

»Kriegen wir das hin?«, fragte Elliott und streckte Shawn seine Faust entgegen.

Shawn vollendete den Fistbump und grinste. »Und wie wir das hinkriegen. Ich schwör dir, wir liefern die verdammt beste Show, immerhin sind wir Petrichor.«

»Eben«, sagte Elliott grinsend. Er schnappte sich seine Akustikgitarre und hängte sie sich über die Schulter, dann ließ er seine Halswirbel noch einmal knacken und bekreuzigte sich, so wie er es vor jedem Auftritt tat.

Shawn würde auf dem Keyboard spielen und erst zum Ende ihres Auftritts die E-Gitarre hervorholen, denn Swirl war eine Kombination aus Akustik- und E-Gitarren-Riffs, die so gegensätzlich waren, dass sie einfach gut klangen.

Sie betraten die kleine improvisierte Bühne, Elliott ließ sich auf den Barhocker sinken, während Shawn das Keyboard einstellte. Sie hatten das schon etliche Male gemacht und waren inzwischen routiniert. Elliott war nicht mal mehr nervös. Die meisten Gäste hatten noch nicht bemerkt, dass sich jemand auf der Bühne befand. Das würden sie erst, wenn die Musik aus den Lautsprechern leiser gestellt wurde, bis sie schließlich ganz verklang.

Elliott warf Shawn einen kurzen Blick zu und dann begannen sie zu spielen. Surprise war ein fröhlicher Song mit einer eingängigen Melodie. Gut für den Anfang, um die Leute in Schwung zu bringen und die Stimmung anzuheizen. Einzelne Köpfe bewegten sich im Takt des Songs mit, was ein großartiges Zeichen war.

Anschließend spielten sie Teatime, Honeymoon undnoch einige andere Titel ihres umfangreichen Repertoires, das sie in den vergangenen Jahren entwickelt hatten. Spider Webs erntete brandenden Applaus, was nicht neu war. Die Leute liebten den verrückten Song, in dem er seiner Stimme alles abverlangte. Außerdem war der Text witzig und etwas morbid. Er erinnerte sich gern an den Abend zurück, als Shawn ihm einen Joint gedreht hatte. Vollkommen bekifft war ihm der Text zu Spider Webs ins Gehirn geflossen und hatte sich zu einem geheimen Liebling der Hörer entwickelt. Auf Spotify war es eines ihrer beliebtesten Lieder, was vermutlich auch daran lag, dass sie bisher nur drei Songs professionell im Tonstudio aufgenommen hatten.

Gerade stimmte Elliott die ersten Takte zu Swirl an, als er Roberts Blick auffing. Der hatte während ihres gesamten Auftritts hinter der Bar gestanden und Getränke ausgeschenkt. Vor seinen Bauch hatte er sich eine schneeweiße Schürze gebunden und auf seiner Schulter lag ein kariertes Geschirrtuch. Er warf ihm ein zufriedenes Nicken zu.

Elliott konzentrierte sich wieder auf den Song und die folgenden zwei Minuten und dreiundvierzig Sekunden vergaß er alles um sich herum. Er war vollkommen in seinem Song gefangen, der von fallenden Blättern und einer vergangenen Liebe erzählte.

Die Gäste applaudierten, als sie den Song und damit auch den Auftritt beendeten. Der Abend war ein voller Erfolg gewesen, und als Shawn die Dose herumgab, mit der sie sich noch ein paar Extra-Dollar einsammelten, hatte Elliott ein gutes Gefühl. Toller Abend, tolle Gäste, beste Laune. Das würde die Kasse – oder in dem Fall die Dose – klingeln lassen.

Shawn und er verbeugten sich und lachten. Shawn ließ es sich nicht nehmen, noch einen Gitarrenriff zum Besten zu geben, dann war die Show wirklich zu Ende. Auf dem Weg zur Bar wurde Shawn und Elliott auf die Schultern geklopft und verschiedene Gäste beglückwünschten sie zu ihrem Auftritt. Im Laufe der Jahre, seit sie nach New York gezogen waren, hatten sie schon viele Auftritte im Miltons gehabt und hier offenbar einige treue Fans gewonnen.

Trotzdem zitterten seine Hände lächerlicherweise, als eine hübsche Blondine ihm mit einem verführerischen Lächeln eine Serviette und einen Edding vor die Nase hielt. Sie wollte ein Autogramm. Von ihm. Elliott Spencer. Dem Jungen aus Wisconsin.

Das war so schwer vorstellbar, dass er es kaum fassen konnte. Er reichte die Serviette an Shawn weiter, der dicht hinter ihm gegangen war, auch wenn er gar nicht wusste, ob die Blondine von ihnen beiden ein Autogramm haben wollte. Als er jedoch Shawns breites Grinsen auf seinem Gesicht entdeckte, war er zufrieden mit seiner Entscheidung.

»Euer Hals muss vollkommen ausgetrocknet sein«, sagte Robert und stellte zwei Gläser Bier vor sie auf den Tresen.

Elliott ließ sich nicht lange bitten, er nahm eines der Gläser, stieß es gegen Shawns und leerte es mit einem Zug zur Hälfte. Er war durstig ohne Ende und das Adrenalin rauschte nur so durch seinen Körper. Musik war sein Leben. Er liebte alles daran. Egal ob es ums Texten oder Komponieren ging. Er liebte es, in der Musikschule zusammen mit Shawn zu proben, wenn die letzten Schüler nach Hause gegangen waren. Aber Auftritte wie heute Abend, die zeigten ihm, wo er wirklich sein wollte. Er wollte auf die Bühne, auf größere Bühnen, er wollte die beste Tontechnik, er wollte jubelnde Fans und er wollte dabei seine eigenen Lieder singen.

Insgeheim wusste Elliott, dass sich seine Wünsche vermutlich nie erfüllen würden. Die wenigsten Künstler besaßen die Freiheit, genau die Musik zu machen, die sie machen wollten, und auch noch davon leben zu können.

Doch Elliott weigerte sich, auch nur einen Millimeter von seinem Traum abzuweichen. Wenn er nur fest genug daran glaubte und nicht lockerließ, dann würde er wahr werden.

»Ziemlich genialer Auftritt«, sagte eine Stimme über den Lärm der anderen Gäste hinweg zu ihm. Elliott wandte sich um und hielt den Atem an. Er wusste genau, wer da vor ihm stand. Und holy – er war nicht unempfänglich für strahlende Schönheit. Und genau das war dieser Mann. Er war wunderschön. Die hellbraunen Augen von Aspen Banks schimmerten im gedämpften Licht der Bar. Er stand dicht neben ihm, weil die Menschenmenge ihn gegen Elliott drückte. Er besaß eine gerade Nase und einen Dreitagebart, der sein schmales Gesicht fülliger erscheinen ließ.

Elliott hatte sich Aspen Banks größer vorgestellt. Aber er war nicht nur kleiner als er, er war auch noch ziemlich zierlich. Seine Haut so hell, dass sie fast durchscheinend war. An seiner Augenbraue hatte er ein Piercing – einen Ring, an dem ein einzelner glitzernder Stein hing. Er hatte dunkle Augenbrauen, die sein beinahe schon ätherisches Erscheinungsbild nur noch betonten, genauso wie die dunkelbraunen Haare, die kunstvoll verwuschelt auf seinem Kopf lagen und aussahen, als wäre erst vor Kurzem jemand mit den Händen hindurchgefahren.

Er würde das tun, dachte Elliott insgeheim. Sollte er jemals die Möglichkeit bekommen, Aspen Banks’ Haare zu berühren, er würde sie sich nicht nehmen lassen.

»Kannst du sprechen?«, fragte Aspen und machte Elliott darauf aufmerksam, dass er noch immer keinen Ton von sich gegeben hatte. Vielmehr hatte er gestarrt. Er hatte einen der bekanntesten Sänger der Gegenwart wortlos angestarrt, was ziemlich peinlich war.

»Äh … ja«, sagte Elliott unglaublich geistvoll und leerte sein Bierglas.

»Du bist Elliott. Habe ich auf dem Flyer gelesen.«

»Ja.«

Aspen nippte an seinem eigenen Glas und versuchte, ein Lächeln zu verbergen, das Elliott trotzdem bemerkte. Er spürte, wie sein ohnehin schon erhitzter Körper noch heißer wurde.

Das lag daran, dass gerade der Superstar schlechthin mit ihm sprach.

»Hast du meinen Auftritt gesehen?«, fragte Elliott.

»Habe ich«, sagte Aspen mit einem kleinen Grinsen.

Elliott musste sich ernsthaft zwingen, weiterzuatmen. Aspen war doch sicher nicht allein hier, oder? Vielleicht befanden sich auch die anderen Mitglieder von 4Reasons in der Bar! Plötzliche Aufregung ließ seinen Hals eng werden. Aspen Banks hatte ihm beim Spielen zugehört. Er hatte seine Musik gehört!

O mein Gott!

Es fehlte nicht viel und Elliott wäre in Ohnmacht gefallen. Stattdessen umklammerte er das zweite Bierglas, das Milton ihm in diesem Moment mit einem Augenzwinkern in die Hand schob.

Aber … was sollte er jetzt tun? Was sollte er sagen oder fragen? Er sollte vermutlich einfach mal anfangen, sich nicht wie ein absoluter Vollidiot zu benehmen.

»Bist du oft hier?«, fragte Elliott. Seine Hand zitterte nun, als er das Glas mit dem Bier an seinen Mund hob und es erneut zur Hälfte leerte. Himmel, er war so nervös, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Aspen Banks stand in einer Bar direkt neben ihm und plauderte mit ihm!

Das würde ihm niemand glauben.

Unwillkürlich sah er sich nach Shawn um, doch der stand mehrere Meter von ihm entfernt und schien gar nicht mitbekommen zu haben, mit wem sich Elliott gerade unterhielt.

Ihm brach der Schweiß aus und er leerte das zweite Bierglas. Wer schwitzte, musste trinken.

»Du scheinst ziemlich durstig zu sein«, sagte Aspen, nickte zu seinem Glas hin und grinste wieder. Es sollte verboten werden, so gut auszusehen, wenn man grinste. Ernsthaft.

Elliott bemerkte erst jetzt das Piercing in seiner Unterlippe. Just in dem Moment kam Aspens Zunge hervor und umspielte das kleine Metallstück.

Elliott schluckte schwer und seufzte erleichtert auf, als Robert ihm das dritte Bier hinstellte. Er nahm allerdings nur einen einzigen, sehr bedächtigen Schluck, weil er nicht wollte, dass Aspen dachte, er hätte ein Alkoholproblem. Außerdem musste er einen klaren Kopf behalten.

Ein plötzlich aufleuchtendes Licht ließ ihn blinzeln und Elliott sah sich über die Köpfe der anderen Menschen hinweg um.

»Ignorier es einfach«, sagte Aspen und rückte noch etwas näher an ihn heran.

»Was denn?«

»Die Leute.«

Elliott blickte sich genauer um. Ihm fiel plötzlich auf, wie eng es hier geworden war, wie dicht gedrängt die anderen Menschen um sie herumstanden. Wie warm es war. Heiß.

Das lag ganz sicher nicht an diesem wahnsinnig attraktiven Mann, der so dicht bei ihm stand. Der Mann, der alles hatte, was Elliott jemals erreichen wollte. Er sang in einer weltbekannten Boyband, würde in wenigen Wochen auf Welttournee gehen. Die Tickets waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft gewesen. Er hatte im Laufe der letzten Jahre mehrere Alben mit Platinstatus veröffentlicht. Er hatte es geschafft.

Natürlich wusste Elliott, dass die Band nicht nur aus Aspen Banks bestand. Da waren noch drei andere, die wirklich auch großartige Arbeit lieferten. Aber Aspen war derjenige, der die Fan-Herzen höherschlagen ließ, der mit dem Publikum flirtete wie kein anderer, der einfach jeden fucking Ton traf und einen Bühnenauftritt wie einen Spaziergang im Park wirken ließ.

»Die Leute sind alle wegen dir hier, oder?« Elliott konnte nicht aufhören, sich umzusehen. Es fühlte sich an, als würde das Miltons immer voller werden und als würden sich die Menschen in Kreisen um sie herumschieben und immer näher kommen.

»Ja«, sagte Aspen. Er trat noch näher. Ihre Körper berührten sich jetzt und Elliott schluckte schwer. Es war ein wenig peinlich, wie stark er auf Aspen Banks reagierte, aber so war es vermutlich, wenn man auf einen weltbekannten Star traf, oder? Er wusste nicht, was er sagen sollte. Wo waren eigentlich all die coolen, hammermäßigen Sprüche, wenn man sie mal brauchte? Wo waren seine einnehmende Persönlichkeit, sein sexy Lächeln und seine Flirtkünste?

Elliott holte tief Luft. Aspen Banks war kein Gott. Er war einfach nur ein Mann und zufälligerweise auch noch ein ziemlich gut aussehender Künstler, den er heimlich verehrte. Kein Grund, sich wie ein absoluter Idiot zu benehmen.

Weitere Blitzlichter flammten auf und jetzt entdeckte Elliott die Handys, die in die Luft gehalten wurden.

»Sie machen Fotos von uns«, sagte er in Aspens Ohr, das sich jetzt direkt vor seinen Lippen befand. Er müsste sich nur etwas vorbeugen, dann könnte er die Nase in seine Haare schieben.

Ein verführerischer Gedanke.

Aspen hob das Gesicht ein Stück an und sah ihm in die Augen. »Wir sollten von hier verschwinden.«

Elliott zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wir?«

Doch Aspen gab ihm keine Antwort, stattdessen umfasste er seine Hand und zog ihn mit sich. Durch die immer dichter werdende Menge zwängten sie sich hindurch, während sie von vereinzelten Rufen und weiteren Blitzlichtern verfolgt wurden. Elliott duckte sich unter Armen hindurch und zuckte zusammen, als irgendjemand ihm laut ins Ohr schrie.

»Aspen!«

Und dann ging es ganz schnell. Die Menge schien sich in ein stürmisches Meer zu verwandeln, das die Absicht hatte, sie zu verschlingen. Sie wurden vorwärtsgeschoben, aber gleichzeitig am Weiterkommen gehindert. Elliott umfasste Aspens Hand fester und quetschte sich immer weiter, bis sie das Getränkelager erreicht hatten.

»Hier entlang«, sagte er, ohne einen klaren Gedanken zu fassen. Alle Instinkte in ihm sagten nur noch: weg hier.

Aspen schien damit einverstanden zu sein, denn sie durchquerten das Lager und verließen es durch eine rostige und quietschende Stahltür, sodass sie in einer Seitengasse neben Müllcontainern und einer Feuerleiter standen.

»Wohin?«, fragte Aspen.

»Keine Ahnung. Was wollen die?«

»Mich«, war Aspens einfache Antwort. »Los, komm.«

Gemeinsam rannten sie durch die Seitenstraße, bis sie ihr Ende erreichten. Vereinzelte Menschen standen vor dem Miltons, weitere Blitzlichter leuchteten auf und blendeten Elliott.

»Aspen!«

»Aspen!«

Die Schreie wurden zu einem vielstimmigen Chor, hysterisch und laut. So etwas hatte Elliott noch nie erlebt. Zusammen mit Aspen rannte er weiter. An Passanten vorbei, die sich verärgert oder neugierig zu ihnen umdrehten. Sie schlugen Haken, machten Sprünge und versuchten, mehr Distanz zu den schreienden Fans aufzubauen.

Es ist nicht real.

Dieser Gedanke schwirrte Elliott während der ganzen Zeit durch den Kopf, in der er Aspens Hand hielt und mit ihm vor diesen Menschen wegrannte. Hatte er nicht eben noch gespielt? Und jetzt flüchtete er vor fremden Menschen, weil sie in ihrer Masse wirklich beängstigend waren.

Elliotts Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb und versetzte seinen Körper in unangenehme Vibration. Doch sein gesamtes Sein konzentrierte sich nur auf die Hand, die seine hielt.

Schneller, immer schneller bewegten sie sich durch die warme Nacht. Bald kam der Sommer und dann wäre das Leben in New York nur noch abends erträglich. Wenn die Hitze des Tages sich langsam zwischen den Häuserschluchten auflöste und man wieder atmen konnte. Aber noch war es nicht so weit.

»Wohin?«, rief Aspen zurück. Er grinste breit, als würde ihm das alles unglaublichen Spaß bereiten. Das Licht einer Straßenlaterne spiegelte sich in seinen Augen.

»Hier durch«, rief Elliott und deutete auf eine weitere Seitenstraße. Sie rannten an Mülltonnen und Feuerleitern vorbei, ein Tier huschte als dunkler Schatten über den unebenen Boden und verschwand. Sie erreichten ein Gitter, das sich glücklicherweise öffnen ließ, sodass sie hindurch schlüpfen und weiterrennen konnten. Elliott trug zum Glück nur ein T-Shirt, denn der Sprint brachte ihn ordentlich ins Schwitzen. Aspen trug eine Lederjacke, schien jedoch überhaupt nicht beeindruckt zu sein von der Jagd.

»Hier rüber«, sagte Elliott, denn inzwischen war er derjenige, der Aspen hinter sich herzog. In der Ferne hörte er Rufe und Schreie und das war selbst auf die Entfernung verdammt unheimlich, doch Elliott konzentrierte sich nur darauf, weiterzulaufen. Sie bogen um Ecken, verhinderten mit waghalsigen Sprüngen Zusammenstöße mit anderen Passanten und irgendwann fingen sie an zu lachen. Das Bier versetzte seinen Körper in Wallung und er fühlte sich leicht und auch ein klein wenig verrückt. Immerhin rannte er gerade mit Aspen Banks durch die Straßen von New York. Shawn hatte vermutlich gar nicht mitbekommen, dass er verschwunden war. Ihre Instrumente waren noch auf der Bühne und überhaupt war rein gar nichts so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte.

Plötzlich hielt er inne und blieb mitten auf dem Gehweg stehen. Ein vorbeieilender Passant warf ihm ein wenig schmeichelndes Schimpfwort an den Kopf, als er einen Bogen um sie machen musste.

»Soll ich dir ein Taxi rufen?«

Aspen schüttelte den Kopf. Er sah über seine Schulter, doch wie es aussah, hatten sie ihre Verfolger abgeschüttelt.

»O mein Gott, das ist Aspen!«, rief plötzlich jemand neben ihnen. Elliott sah eine Frau auf sie zu stürzen. Sie hatte die Arme ausgebreitet und er war sich absolut sicher, dass sie Aspen in die Arme gesprungen wäre, wäre der nicht in just diesem Moment losgerannt.

Er zog Elliott hinter sich her, und sie rannten weiter, bis Elliott schließlich anhielt und Aspen ebenfalls zum Stehen brachte. Er atmete schwer und stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab. »Nur eine kurze … Pause«, stöhnte er und schnappte nach Luft.

»Wir müssen weg von der Straße«, sagte Aspen. Er klang nicht, als hätte er gerade eine Art Marathon hinter sich. Er atmete nicht mal schwer, was wohl die Ungerechtigkeit hoch zehn war.

Aspen winkte ein Taxi heran, dann kletterten sie beide ins Auto.

»Wohin?«, fragte Aspen.

Elliott verzog das Gesicht. Inzwischen war er fest davon überzeugt, dass er träumte. Er rannte nicht gerade mit Amerikas beliebtestem Sänger durch die Straßen New Yorks auf der Flucht vor verrückten Fans.

»Elliott!«, sagte Aspen nun mit lauterer Stimme.

Elliott bemerkte den ungeduldigen Gesichtsausdruck des Taxifahrers und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht träumte er ja doch nicht. Vielleicht passierte das gerade wirklich. Aspen und er und das Taxi …

»Elliott!«, rief Aspen.

Elliott blinzelte, dann nannte er geistesgegenwärtig seine Adresse und sah Aspen vollkommen fassungslos an.

»Was ist?«, fragte Aspen lächelnd. Er hatte weiße Zähne und jetzt klopfte Elliotts Herz nicht mehr wegen der Jagd, sondern weil Aspen ihn anlächelte.

»Ich glaube, ich träume.«

»Ich bin sehr echt«, erwiderte Aspen. Dann griff er nach seiner Hand und legte sie an seine Wange. Seine Bartstoppeln fühlten sich verdammt echt an. Genauso wie der Geruch, der von seiner Lederjacke ausging, sehr echt war.

»Das ist verrückt«, flüsterte er und starrte in Aspens Augen. In der Bar hatte er gedacht, dass Aspen braune Augen hatte, aber dem war nicht so. Sie waren viel heller und erinnerten ihn an Honig. Sie schimmerten warm. »Oder?«, hakte er nach.

Aspen erstaunte ihn, indem er leicht den Kopf drehte und das Gesicht in seine Handfläche schmiegte. Dann nickte er. »Ja«, sagte er.

»Krieg ich ein Autogramm?«, hauchte Elliott. Er stöhnte auf, als Aspen auflachte und ihm gleichzeitig einen Ellenbogen in die Seite stieß. Dann lachte auch er, obwohl seine Frage nur zu fünfzig Prozent als Witz gemeint war. Aber es wäre peinlich, die Bitte zu wiederholen.

»Halt die Klappe«, sagte Aspen und ließ sich aufatmend in den Sitz zurücksinken.

Elliott tat es ihm gleich. Er war froh um die kleine Pause, denn er wusste wirklich nicht, wie lange er noch mit Aspens Lauftempo hätte mithalten können.

»Ich hatte gehofft, sie hätten mich nicht erkannt«, sagte Aspen einige Augenblicke später. Die Straßenlaternen, unter denen das Taxi hindurchfuhr, hinterließen orangegelbe Schatten auf Aspens schönen Gesichtszügen. Er war perfekt. Alles an ihm war pure Perfektion.

Elliott schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Du bist Aspen Banks. Natürlich haben sie dich erkannt. Hättest du nicht einen Bodyguard oder so bei dir haben müssen?«

Elliott bildete sich ein, dass Aspens Wangen sich röteten, doch ganz sicher war er sich nicht. Ohne darüber nachzudenken, ergriff er Aspens Hand und drückte sie. »Immerhin sind wir noch mal davongekommen. Wie oft passiert dir so etwas?«

»Zu oft.«

»Kannst du je einfach ganz normale Dinge tun? Ein Bier irgendwo trinken oder essen gehen?«

»Nur wenn Vorkehrungen getroffen werden«, erwiderte Aspen.

Das Taxi bog in die Straße ein, in der sich Elliotts Souterrain-Wohnung befand, die er mit Shawn bewohnte. Das Apartment etwas anderes als schäbig zu nennen, wäre die Übertreibung des Jahrhunderts gewesen, doch es war zentral gelegen und bezahlbar und das war alles, was wichtig war.

»Danke für die Fahrt«, sagte Elliott, als das Taxi hielt. Er tastete in seiner Hosentasche nach seinem Portemonnaie, doch das befand sich noch immer in dem Getränkelager, zusammen mit seinem Handy und dem Schlüssel. »Mist.«

»Ich übernehme das«, sagte Aspen.

Elliott starrte ihn an, dann musste er grinsen. »Hast du mich gerade eben zu einer Taxifahrt eingeladen? Das ist ganz schön romantisch«, neckte er ihn.

Aspen gab ein unwilliges Geräusch von sich, schüttelte den Kopf, konnte ein kleines Lachen jedoch nicht verbergen.

»Danke«, sagte Elliott. Er rutschte zur Tür und bemerkte erst jetzt, wie nahe Aspen und er beieinander gesessen hatten. Er hob den Kopf und blickte Aspen ein letztes Mal in die Augen, dann öffnete er die Tür und stieg aus. Er blieb mitten auf der verlassenen Straße stehen und sah zu, wie sich das Taxi in Bewegung setzte. Es war schon beinahe an der nächsten Kreuzung angekommen und Elliott hatte sich soeben abgewandt, als er eine Stimme vernahm. Eine wohlbekannte Stimme.

Er drehte sich um und sah Aspen, der in lockerem Trab auf ihn zugejoggt kam und schließlich vor ihm Halt machte.

»Hast du etwas vergessen?«, fragte Elliott. Sein Herz hämmerte schon wieder, aber dieses Mal war der Grund kein ausgewachsener Sprint. Es war Aspen. Seine honigbraunen Augen, sein schönes Gesicht, der forschende Blick.

»Zeigst du mir deine Wohnung?«

2

Elliott

Zeigst du mir deine Wohnung?

Das hatte Aspen gesagt und ihn dabei fragend angesehen. Elliott hatte nur genickt, ein dumpfes Pochen im Ohr, das zu einem Rauschen wurde und ihn die Treppen nach unten in ihr Apartment begleitete.

Mit bebenden Fingern hob Elliott den Blumentopf mit irgendeinem verwelkten Kraut an und holte den Ersatzschlüssel hervor. Er schloss auf, dann trat er zur Seite und ließ Aspen vorbei.

Der betrat das Apartment und sah sich neugierig um, als würde er zum allerersten Mal in seinem Leben eine Wohnung im Schuhkartonformat sehen, was vermutlich auch der Wahrheit entsprach. In irgendeinem Klatschheft hatte er nämlich mal gesehen, wie Aspen wohnte. Er bewohnte ein traumhaftes Anwesen in Beverly Hills, mit etlichen Zimmern und nur allem erdenklichen Luxus.

Elliott versuchte, sich nicht kleiner zu fühlen, schob die unwillkommenen Gedanken zur Seite und schloss die Tür hinter sich. So merkwürdig es auch sein mochte, Aspen hier zu haben, immerhin gab es keine kreischenden Fans, die sie verfolgten, als wären sie ein entlaufenes Zootier.

»Wow«, sagte Aspen.

Elliott räusperte sich, legte den Schlüssel auf den Küchentresen, der als Abgrenzung zwischen Küche und Wohnzimmer diente. Wenn man ihre Wohnung betrat, stand man bereits in dem länglichen Raum mit niedrigen Decken. Die Küche befand sich in einer kleinen Kammer auf der rechten Seite, doch da weder Elliott noch Shawn häufig kochten, war das gleichgültig. Im Wohnzimmer gab es einen kleinen Tisch mit drei klapprigen Stühlen, der nur als Ablagefläche für Rechnungen diente. Weiter hinten hing ein alter Fernseher an der Wand, direkt daneben ein Basketballkorb, in den sie keine richtigen Bälle warfen, weil sie Angst um ihren Fernseher hatten, was durchaus berechtigt war, wenn man ihre Treffsicherheit bedachte. Sie behalfen sich mit Schaumstoffbällen.

Elliott entdeckte auf dem Boden mehrere zusammengeknüllte Papiere. Na gut. Manchmal warfen sie auch Papierkügelchen, Bälle aus Alufolie oder Gummibärchen durch das Netz. Weil sie es konnten.

Elliott räusperte sich und sah zu Aspen in der stillen Hoffnung, dass der die Papierkügelchen nicht bemerkt hatte, doch die konnte er begraben. Das stille Lächeln auf Aspens Gesicht sprach Bände.

»Willst du … etwas trinken?«

»Nein«, sagte Aspen, schüttelte den Kopf und drehte sich jetzt zu ihm. »Ich will nichts trinken.«

»Okay«, sagte Elliott. Er fühlte sich gerade ziemlich durcheinander. Was sollte er jetzt tun? Warum war Aspen hier? In seinem Apartment? »Willst du fernsehen? Ich hab Netflix.«

Aspens Mundwinkel zuckten, dann neigte er ganz leicht den Kopf. Das Licht der Deckenlampe fiel auf seinen Hals und Elliott konnte nicht aufhören, dorthin zu starren. Er war nervös, wie bei seinem allerersten Date. Nur dass er kein Date hatte. Er stand einfach nur mit einem sehr, sehr berühmten Mann in seinem sehr, sehr schäbigen Apartment.

»Willst du denn einen Film gucken?«

»Ich …« Elliott holte tief Luft und atmete ein unsicheres Lachen aus. Er fuhr sich durch seine Haare, die im Gegensatz zu Aspens viel länger waren.

---ENDE DER LESEPROBE---