The Wild Side of Life - James Lee Burke - E-Book

The Wild Side of Life E-Book

James Lee Burke

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Beschreibung

James Lee Burke, der Großmeister des epischen Südstaaten-Krimis beherrscht auch die Short Story. Hier erzählt er von den Menschen im tiefen Süden der USA, von ihren Hoffnungen und ihrer Verzweiflung, von Gewalt und Vergebung, von ihrem Leben in der schwülen Hitze der Bayous. So wie Elmore, Kriegsveteran, Mandolinenspieler, Arbeiter auf den Ölfeldern an der Golfküste. Als er Loreen trifft, die von ihrem brutalen Ehemann misshandelt wird, holt ihn seine eigene Vergangenheit ein - ein furchtbares Verbrechen, das er einst zugelassen hat.

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James Lee Burke • The Wilde Side of Life

JAMES LEE BURKE

The Wild Side of Life

Aus dem Amerikanischenvon Jürgen Bürger

Der Club, in dem die Leute vom Ölfeld abhingen, hieß The Hungry Gator. Er stand auf Stützpfeilern an einem langen, grünen, buckligen Deich im Atchafalaya Basin, einer riesigen Fläche bestehend aus Bayous, Treibsand, brackigen Buchten, überschwemmten Zypressen und Tupelos – es sah aus wie ein vergessener Winkel der Schöpfung aus der Zeit, bevor sich die Fische ans Land vorgearbeitet und Füße ausgebildet hatten. Im Gator gab es keine Uhren, keine Nachnamen, gelegentlich nicht einmal Vornamen, nur Initialen. Die meisten von uns lebten aus freien Stücken am Rand. Von allem. Klar, was ich meine?

Ich mochte den Rand. Man konnte so tun, als gäbe es kein davor oder danach; es gab nur jetzt, die leere Stille am Himmel eines Sommerabends, vielleicht eine einzelne schwarze Wolke, die aufbrach wie Tinte in klarem Wasser, während dazu ein Chor tausender Laubfrösche sang. Es war ein Ort, an dem ich weder Vergleiche anstellen noch mich mit Träumen und Erinnerungen auseinandersetzen musste, die fünf Sekunden nach dem Einschlafen hinter meinen geschlossenen Lidern zu flackern begannen.

Ich arbeitete auf einem Schiff für seismographische Messungen, zehn Tage Arbeit, dann zehn Tage frei; an Land spielte ich im Club manchmal Schlagzeug und Mandoline und übernahm sogar hin und wieder den Gesangspart. Ich hatte Freude daran, von der Bühne aus die Mädchen anzuschauen, mich insgeheim als ihren Beschützer zu sehen, ein Kerl, der schon immer da war, aber nie versuchte, andere Menschen zu benutzen. Die Wahrheit ist, dass ich die reinste Katastrophe war, wenn es um Frauen ging, und in zwischenmenschlichen Dingen ungefähr so clever wie dummes Gekritzel an der Toilettenwand.

Manchmal schaltete ich mitten in einer Unterhaltung einfach ab. Oder wanderte im Kopf an irgendeinen fernen Ort und kehrte für mehrere Stunden nicht zurück. Die Leute vermuteten, das läge daran, weil ich am Pork Chop Hill war. Ist aber nicht so. Ich hab mich nie für das geschämt, was wir am Pork Chop getan haben.

Während ich darüber sinnierte, bereits leicht angetrunken, berührte eine Frau an der Bar flüchtig meine Wange und sah mich traurig an, wahrscheinlich, weil sie selbst schon halb abgefüllt war, obwohl erst zwei Uhr nachmittags. „Hast du dir das in Korea geholt?“, fragte sie.

„Mein Daddy hat Whiskey gebrannt“, erwiderte ich. „Manchmal fliegen Destillationsblasen halt in die Luft.“

Ihr Blick wanderte fort. „Du brauchst gar nicht so cool tun.“

Ich versuchte ein Lächeln, winzige Falten kräuselten die vernarbte Haut unter meinem Auge. „War im Grunde kein großes Ding. Für mein Gesicht ist’s wahrscheinlich sogar ’ne Verbesserung.“

Sie betrachtete sich im Spiegel hinter der Theke. Ich wartete, dass sie etwas sagte, aber es kam nichts.

„Wie wär’s mit einem Drink?“, fragte ich.

Sie hob die linke Hand, damit ich den Ring sehen konnte. „Mit ihm kann man zwar nicht angeben, aber er ist der einzige, den ich habe.“

„Ich bewundere Prinzipien“, sagte ich.

„Deshalb hängst du auch hier ab, ja?“

„Gibt Schlimmeres.“

„Wo?“

Darauf hatte ich keine Antwort. Sie klaubte die Kirsche aus ihrem Wodka Collins und lutschte daran. „Es ist unhöflich, so zu starren.“

„Sorry.“

„Ich hab den Blues, das ist alles“, sagte sie.

„Ich weiß, was du meinst“, erwiderte ich.

Es war nicht zu erkennen, ob sie mich hörte oder nicht. Die Musikbox spielte einen Song von Kitty Wells.

„Würdest du mit mir tanzen?“, fragte ich.

„Ein anderes Mal.“

Durch das Fliegengitter vor dem Eingang fiel die Sonne hell und heiß herein, und über der Bucht waberten Hitzewellen. Der elektrische Ventilator an der Wand wehte ihr Haar über ihre Wangen. Sie hatte ein hübsches Gesicht und bernsteinfarbene Augen mit einem Schimmer wie ein Glas Bier. Vor ihr weder ein Päckchen Zigaretten noch ein Aschenbecher. Sie beugte sich ein wenig vor, und ich bemerkte das sanfte Schimmern auf ihren Brüsten. Ich glaubte nicht, dass sie das absichtlich machte.

„Ich hab im Top Hat in Lafayette Ernie Suarez und Warren Storm auf dem Klavier begleitet“, sagte sie.

„Suchst du einen Job?“

„Mein Mann find’s nicht gut, wenn ich in solchen Spelunken abhänge.“

„Was macht er so?“

„Er kommt und geht.“

„Was soll das denn heißen?“

„Jedenfalls nicht, was du denkst. Er fliegt mit dem Flugzeug raus zu den Bohrinseln.“

„Woher wusstest du, dass ich in Korea war?“

„Vom Barkeeper.“

Sie errötete, als wäre ihr klargeworden, ich wüsste nun, dass sie sich nach mir erkundigt hatte. „Ich heiße Loreen Walters.“

„Wie geht’s denn so, Miss Loreen?“

„Woher hast du diesen Akzent?“

„East Kentucky.“

Sie verstaute ihr Portemonnaie in ihrer Tasche, die an einer Kordel hing. Das Leder war an den Rändern geflochten und trug die Prägung eines sich aufbäumenden Pferdes, auf dem eine nackte Frau ritt. Ein merkwürdiges Portemonnaie für eine Frau. Ich warf Loreen einen kurzen Blick zu. Sie schien einer dieser Menschen zu sein, deren Gesicht sich im Licht ständig ändert, wodurch man nie weiß, wer sie wirklich sind.

„Willst du gehen?“, fragte ich.