The Woman in Me - Britney Spears - E-Book

The Woman in Me E-Book

Britney Spears

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Beschreibung

Endlich bricht Britney Spears ihr Schweigen: Die bewegende Autobiografie über ein Schicksal, das Millionen berührt

The Woman in Me ist eine mutige und tief berührende Geschichte von Freiheit, Ruhm, Mutterschaft, Überleben, Glaube und Hoffnung.

Als Britney Spears im Juni 2021 vor Gericht aussagte, hielt die Welt den Atem an. Der Moment, in dem sie ihre Stimme erhob und die Wahrheit sprach, sollte ihr Leben verändern – und das unzähliger anderer. The Woman in Me enthüllt erstmals ihre ganze, unglaubliche Geschichte und offenbart die innere Kraft einer der größten Künstlerinnen der Popmusikgeschichte.

Mit bemerkenswerter Offenheit und Humor beweisen Britney Spears‘ bewegende Memoiren, welche Macht der Musik und der Liebe innewohnt. Und sie zeigen, wie wichtig es ist, dass eine Frau endlich in ihren eigenen Worten und zu ihren eigenen Bedingungen ihre Geschichte erzählen kann.

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Seitenzahl: 289

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Zum Buch

Als Britney Spears im Juni 2021 vor Gericht aussagte, hielt die Welt den Atem an. Der Moment, in dem sie ihre Stimme erhob und die Wahrheit sprach, sollte ihr Leben verändern – und das unzähliger anderer. The Woman in Me enthüllt erstmals ihre ganze, unglaubliche Geschichte und offenbart die innere Kraft einer der größten Künstlerinnen der Popmusikgeschichte.

Mit bemerkenswerter Offenheit und Humor beweisen Britney Spears’ bewegende Memoiren, welche Macht der Musik und der Liebe innewohnt. Und sie zeigen, wie wichtig es ist, dass eine Frau endlich in ihren eigenen Worten und zu ihren eigenen Bedingungen ihre Geschichte erzählen kann.

Zur Autorin

Die mehrfach mit Platin und Grammy Awards ausgezeichnete Pop-Ikone Britney Spears gehört mit weltweit über 100 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten und beliebtesten Künstlerinnen der Musikgeschichte.

2021 wurde sie vom »Time Magazine« zu einer der 100 einflussreichsten Personen gekürt. Ihr Album Blackout ist seit 2012 Teil der Rock & Roll Hall of Fame’s Library & Archives. Sie lebt in Los Angeles, Kalifornien.

BRITNEY SPEARS

THEWOMAN IN ME

Meine Geschichte

Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Bieker, Karlheinz Dürr, Astrid Gravert, Karsten Petersen und Anke Wagner-Wolff

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel The Woman in Me bei Gallery Books, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 2023 by Britney Jean Spears

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with the original publisher, Gallery Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023

Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München nach einem Entwurf von Lisa Litwack

Coverabbildung: © HERB RITTS/TRUNK ARCHIVE

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30350-1V005

www.penguin-verlag.de

Für meine Jungs – ihr seid die Liebe meines Lebens.

PROLOG

___________

Als kleines Mädchen streunte ich oft stundenlang singend durch den stillen Wald hinter unserem Haus in Louisiana. Hier draußen fühlte ich mich lebendig und mutig. Während meiner Kindheit stritten sich meine Mutter und mein Vater ständig. Er war Alkoholiker. Zuhause hatte ich meistens Angst. Draußen zu sein war zwar auch nicht unbedingt himmlisch, aber hier war meine Welt. Himmel oder Hölle, sie gehörte mir allein.

Bevor ich wieder heimging, nahm ich den Weg zum Haus unserer Nachbarn, der an einem Swimmingpool vorbei durch einen gepflegten Garten führte. Dort gab es einen Steingarten mit kleinen, glatten Kieseln, welche die Hitze einfingen und auf eine Art warm blieben, die sich auf meiner Haut ganz wunderbar anfühlte. Ich legte mich auf die Steine, sah zum Himmel empor und spürte die Wärme von unten wie von oben. Dabei dachte ich: Ich kann meinen eigenen Lebensweg gehen. Ich kann meine Träume verwirklichen.

Still auf diesen Steinen liegend fühlte ich mich Gott ganz nahe.

1

_________

In den Südstaaten zielte die Kindererziehung früher vor allem darauf ab, den Eltern Respekt zu zollen und den Mund zu halten. (Heute haben sich die Rollen umgekehrt: Es geht mehr darum, die Kinder zu respektieren.) Bei mir zu Hause durfte man einem Elternteil nie widersprechen. Der Regel zufolge musste man schweigen, egal wie schlimm es kam. Hielt ich mich nicht daran, hatte es Folgen.

In der Bibel heißt es: Deine Zunge ist dein Schwert.

Mein Gesang waren meine Sprache und mein Schwert.

Meine ganze Kindheit über sang ich. Ich sang zum Autoradio auf dem Weg zum Tanzunterricht. Ich sang, wenn ich traurig war. Für mich hatte Singen etwas Spirituelles.

Zur Welt gekommen war ich in McComb, Mississippi, und besuchte dort auch die Schule, während ich im vierzig Kilometer entfernten Kentwood, Louisiana, wohnte.

In Kentwood kannten sich alle. Niemand schloss seine Haustür ab, das Gemeindeleben drehte sich um Kirche und Gartenpartys, die Kids liefen alle in ähnlichen Klamotten herum, und alle wussten, wie man eine Schusswaffe abfeuert. Die historisch wichtigste Stätte weit und breit war Camp Moore, eine frühere Ausbildungsbasis der Konföderierten Armee, die unter dem Südstaatenpräsidenten Jefferson Davis erbaut worden war. Jedes Jahr, immer am Wochenende vor Thanksgiving, fand dort eine Nachstellung des Bürgerkriegs statt, und der Anblick der vielen Menschen in historischen Uniformen erinnerte uns Kinder daran, dass der Feiertag bevorstand. Ich liebte diese Jahreszeit mit ihrem heißen Kakao, dem Geruch des Kaminfeuers in unserem Wohnzimmer und den Farben des Herbstlaubs am Boden.

Wir hatten ein kleines Backsteinhaus mit grün gestreifter Tapete und Holzpaneelen im Inneren. Als junges Mädchen aß ich Burger bei Sonic, fuhr Gokart, spielte Basketball und besuchte eine kleine christliche Schule namens Parklane Academy in McComb.

Das erste Mal, dass mich etwas zutiefst berührte und mir Schauder den Rücken hinunter rannen, war, als ich unsere Hauswirtschafterin in der Waschküche singen hörte. Eigentlich wusch und bügelte ich immer die Wäsche der Familie, aber wenn es uns finanziell besser ging, stellte meine Mutter eine Hilfe ein. Die Hauswirtschafterin sang Gospel, und es war buchstäblich ein Erwachen in einer ganz neuen Welt. Ich werde es nie vergessen.

Meine Sehnsucht und meine Begeisterung für das Singen sind seither immer größer geworden. Singen ist etwas Magisches. Wenn ich singe, bin ich ganz bei mir. Ich kann unverfälscht kommunizieren. Wenn man singt, verwendet man keine Floskeln mehr wie: »Hey, wie geht’s?«. Man kann Dinge äußern, die viel mehr Tiefgang haben. Mich entführt das Singen an einen magischen Ort, wo es nicht mehr auf die Sprache ankommt und alles möglich ist.

Ich wollte nur eins: aus meiner Alltagswelt entführt und in jenes Reich versetzt werden, in dem ich mich frei ausdrücken konnte, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. War ich mit meinen Gedanken allein, drängten sich all meine Sorgen und Ängste in mein Denken. Nur die Musik ließ dieses Rauschen verstummen, gab mir neue Zuversicht und führte mich an jenen wunderbaren Ort, an dem ich mich so ausdrücken konnte, wie ich wollte, und so sein durfte, wie ich von anderen Menschen gesehen und gehört werden wollte. Durch Singen gelangte ich in die Gegenwart des Göttlichen. Wann immer ich sang, war ich nur halb anwesend. Ich spielte zwar wie alle Kinder im Garten, war aber mit meinen Gedanken, Gefühlen und Hoffnungen an einem ganz anderen Ort.

Ich gab mir immer die größte Mühe, damit alles genau so aussah, wie ich es wollte. Und ich nahm mich selbst sehr ernst, wenn ich in unserem Garten meine einfachen, kleinen Musikvideos zu Mariah-Carey-Songs aufnahm. Als ich acht Jahre alt war, träumte ich davon, Regisseurin zu werden. Niemand in meinem Heimatort machte so etwas. Aber ich wusste, was es geben sollte, und versuchte, es zu erreichen.

Künstler erschaffen Werke, und Schauspieler spielen Rollen, weil sie in ferne Welten fliehen wollen, und Flucht war genau das, was ich brauchte. Ich wollte in meinen eigenen Träumen leben, wollte in meine wunderbaren fiktiven Welten entfliehen und nie an die Wirklichkeit denken müssen, wenn es sich vermeiden ließ. Singen überbrückte die Kluft zwischen Wirklichkeit und Fantasie, zwischen der Welt, in der ich lebte, und der Welt, in die ich mich verzweifelt sehnte.

In meiner Familie hat es immer Tragödien gegeben. Meinen zweiten Vornamen erhielt ich nach meiner Großmutter väterlicherseits, Emma Jean Spears, die Jean genannt wurde. Ich habe Fotos von ihr gesehen und weiß, warum alle behaupten, dass wir uns sehr ähnlich seien: das gleiche blonde Haar, das gleiche Lächeln. Sie sah immer jünger aus, als sie war.

Ihr Mann, mein Großvater June Spears senior, misshandelte sie. Jean verlor ein Kind, einen Jungen, der nur drei Tage alt wurde, und June schickte sie ins Southeast Louisiana Hospital in Mandeville. Nach allem, was man heute darüber weiß, muss es damals eine grauenhafte Nervenheilanstalt gewesen sein, wo man Jean unter Lithium setzte. Im Jahr 1966, als Jean 31 Jahre alt war, erschoss sie sich am Grab ihres Sohnes, gut acht Jahre nach seiner Geburt. Ich kann mir den Kummer kaum vorstellen, den sie empfunden haben muss.

Im Süden spricht man über Männer wie June so: »Nichts war ihm gut genug«, er war »ein Perfektionist«, er war »ein sehr engagierter Vater«. Ich würde es wohl schärfer formulieren.

Großvater June war ein Sportfanatiker. Er zwang meinen Vater, immer weiter zu trainieren, auch wenn der Junge längst erschöpft war. Tag für Tag musste er seine Basketballwürfe üben. So müde und hungrig er auch sein mochte, er musste trotzdem noch weitere hundert Würfe ausführen, bevor er ins Haus durfte.

June arbeitete als Officer im Police Department von Baton Rouge und hatte schließlich zehn Kinder aus drei Ehen. Soweit ich weiß, hat niemand auch nur ein einziges gutes Wort über die ersten fünf Jahrzehnte seines Lebens übrig. Sogar in meiner eigenen Familie erzählte man sich über die Spears-Männer nichts Gutes, und erst recht nicht über ihren Umgang mit Frauen.

Jean war nicht die einzige Ehefrau, die June in die Nervenheilanstalt von Mandeville schickte. Auch seine zweite Frau ließ er dort behandeln. Eine der Halbschwestern meines Vaters erzählte uns, June habe sie ab ihrem elften Lebensjahr sexuell missbraucht, bis sie schließlich mit sechzehn Jahren von zu Hause weggelaufen sei.

Als Jean auf jenem Grab starb, war mein Vater dreizehn Jahre alt. Ich weiß natürlich, dass dieses Trauma teilweise erklären kann, warum mein Vater meine Geschwister und mich so behandelte und warum wir ihm nichts recht machen konnten. Nichts war ihm je gut genug. Meinen Bruder trieb mein Vater zu sportlichen Höchstleistungen an. Oft trank sich mein Vater in die Bewusstlosigkeit. Manchmal verschwand er tagelang. Wenn mein Vater trank, war er äußerst gemein.

Dagegen wurde mein Großvater June mit fortschreitendem Alter milder. Den bösartigen Mann, der meinen Vater und seine Geschwister gequält und misshandelt hatte, habe ich nie kennengelernt. Ich kannte ihn nur als Großvater, der geduldig und nett wirkte.

Die Welt meines Vaters war das genaue Gegenteil der Welt meiner Mutter.

Wie meine Mutter uns erzählte, stammte ihre Mutter, Lilian »Lily« Portell, aus einer eleganten, kultivierten Londoner Familie. Meine Großmutter hatte etwas Fremdländisches an sich, das allen Leuten sofort auffiel – ihre Mutter war Engländerin gewesen, und ihr Vater stammte von der Mittelmeerinsel Malta. Ihr Onkel war Buchbinder. Die ganze Familie musizierte, und alle sangen gerne.

Während des Zweiten Weltkriegs lernte Lily bei einer Tanzveranstaltung für Soldaten einen US-Amerikaner kennen, meinen Großvater Barney Bridges. Barney diente als Fahrer für Generäle und liebte es, schnell zu fahren.

Doch als sie ihm in seine amerikanische Heimat folgte, erlebte sie eine herbe Enttäuschung. Sie hatte erwartet, dort so leben zu können wie in London. Als Barney sie nun von New Orleans zu seinem Milchbauernhof fuhr, schaute sie aus dem Fenster seines Wagens und sah bedrückt, wie leer seine Welt zu sein schien. »Wo sind denn die Lichter?«, fragte sie ihren frisch angetrauten Ehemann immer wieder.

Manchmal stelle ich mir vor, wie Lily durch das ländliche Louisiana fuhr, in die Nacht hinausblickte und sich klarmachte, dass ihr abwechslungsreiches, pulsierendes, von Musik erfülltes Leben mit seinen Nachmittagstees und den Londoner Museen von nun an eingeschränkt und hart sein würde. Statt ein Theater zu besuchen oder Kleider kaufen zu gehen, würde sie nun ihr Leben lang hier draußen auf dem Land weggesperrt sein und kochen und putzen und Kühe melken müssen.

Also blieb meine Großmutter für sich, las stapelweise Bücher, entwickelte einen Putzzwang und vermisste London bis zu ihrem Todestag. In meiner Familie erzählte man sich, dass Barney Lily nicht nach London reisen lassen wollte, weil er glaubte, dass sie von dort nicht wieder nach Haus käme.

Meine Mutter erzählte uns, Lily sei manchmal so sehr in ihre Gedanken versunken gewesen, dass sie das Geschirr abzuräumen begann, bevor alle zu Ende gegessen hatten.

Ich wusste nur, dass meine Großmutter eine schöne Frau gewesen war, und ich ihren britischen Akzent gerne nachmachte. Mit britischem Akzent zu sprechen, hat mich stets glücklich gemacht, weil dann sofort die Erinnerung an meine schöne, modebewusste Großmutter zurückkehrte. Ich wünschte mir ihre Manieren und ihre melodische Stimme.

Lily besaß ihr eigenes Geld, deshalb wuchsen meine Mutter Lynne und ihre Geschwister Sonny und Sandra sozusagen als reiche Kids auf, besonders für das ländliche Louisiana. Obwohl sie Protestanten waren, besuchte Mom eine katholische Schule. Als Teenager war sie wunderschön, mit kurz geschnittenem schwarzem Haar. Zur Schule trug sie immer die Stiefel mit dem längsten Schaft und die kürzesten Röcke. In der Stadt hing sie mit Typen ab, die sie auf ihren Motorrädern mitnahmen.

Dass sich mein Vater für sie interessierte, war wenig überraschend. Er war ein unglaublich guter Sportler, was wahrscheinlich dem absurd harten Training zu verdanken war, zu dem ihn sein Vater getrieben hatte. Die Leute fuhren viele Kilometer, nur um ihn bei einem Basketballmatch zu erleben.

Meine Mutter sah ihn und fragte: »Oh, wer ist das denn?«

Nach allem, was man sich erzählte, entsprang ihre Beziehung gegenseitiger Anziehung und einer gewissen Abenteuerlust. Doch als ich geboren wurde, waren ihre Flitterwochen längst vorbei.

2

_________

Nach ihrer Heirat wohnten meine Eltern in einem kleinen Haus in Kentwood. Meine Mutter wurde von ihrer Familie nicht länger unterstützt, weshalb meine Eltern sehr arm waren. Außerdem waren sie jung – Mom war 21 und mein Vater 23 Jahre alt. Als 1977 mein älterer Bruder Bryan geboren wurde, verließen sie das erste, beengte Häuschen und kauften ein kleines einstöckiges Haus mit drei Schlafzimmern.

Nach Bryans Geburt setzte Mom ihr Lehramtsstudium fort. Dad arbeitete als Schweißer in Ölraffinerien. Seine Arbeitseinsätze waren hart; manchmal dauerten sie einen Monat, manchmal auch drei. Er begann stark zu trinken, und es dauerte nicht lange, bis die Familie die Folgen zu spüren bekam. Wie Mom erzählte, waren sie erst wenige Jahre verheiratet, als mein Großvater Barney, Moms Vater, bei einem Autounfall ums Leben kam. Bald danach versank mein Vater buchstäblich im Suff und verpasste sogar Bryans erste Geburtstagsparty. Wenig später, als Bryan noch klein war, betrank sich mein Vater bei einer Weihnachtsfeier und blieb auch am ersten Weihnachtsfeiertag verschwunden. Dieses Mal hatte Mom genug und zog zu ihrer Mutter Lily. Im März 1980 reichte sie die Scheidung ein. Aber Dads Vater June und dessen neue Frau überredeten sie, wieder zu Dad zurückzukehren.

Für einige Zeit schien alles in Ordnung zu sein. Dad gab seinen Job als Schweißer auf und gründete eine Baufirma. Nach vielen Mühen eröffnete er außerdem ein Fitnessstudio. Das Studio hieß »Total Fitness« und sorgte dafür, dass einige Männer der Stadt, darunter auch meine Onkel, Bodybuilder wurden. Dad betrieb das Studio in einem Nebengebäude auf unserem Grundstück, direkt neben dem Haus. In dem Studio herrschte ein reges Kommen und Gehen muskulöser Männer, die ihre Muskeln vor den Spiegeln unter der Neonbeleuchtung anspannten.

Dad hatte nun richtig Erfolg und wurde einer der wohlhabendsten Männer unserer kleinen Stadt. Meine Familie veranstaltete große Gartenpartys, bei denen es im Freien gekochtes Seafood gab. Sie feierten wilde Partys, bei denen die ganze Nacht getanzt wurde. (Ich habe immer angenommen, dass Speed das geheime Mittel war, das sie die ganze Nacht auf den Beinen hielt, denn dies war damals die Droge der Wahl.)

Meine Mutter gründete mit ihrer Schwester, meiner Tante Sandra, eine Kindertagesstätte. Um ihre Ehe zu stabilisieren, bekamen meine Eltern schließlich ein zweites Baby – mich. Ich wurde am 2. Dezember 1981 geboren. Bis heute verpasst meine Mutter keine Gelegenheit zu erzählen, dass sie wegen mir 21 Stunden lang unglaublich schmerzhafte Wehen erdulden musste.

* * *

Ich liebte die Frauen in meiner Familie. Meine Tante Sandra hatte bereits zwei Söhne, doch dann bekam sie mit 35 Jahren überraschenderweise noch ein Baby: meine Cousine Laura Lynne. Wir waren nur wenige Monate auseinander und so waren Laura Lynne und ich wie Zwillinge, wir waren beste Freundinnen. Laura Lynne war wie eine Schwester für mich und meine Tante Sandra wie eine zweite Mutter, die stolz auf mich war und mich immer ermutigte.

Und obwohl meine Großmutter Jean längst verstorben war, als ich geboren wurde, hatte ich das große Glück, ihre Mutter, meine Urgroßmutter Lexie Pierce, noch gekannt zu haben. Lexie war so schön wie die Hexe in Wicked – nur trug sie statt grünem immer schneeweißes Make-up und blutroten Lippenstift. Sie war eine knallharte Frau und das mit zunehmendem Alter immer mehr. Wie ich erfuhr – und sofort glaubte –, war sie siebenmal verheiratet gewesen. Siebenmal! Offensichtlich konnte sie ihren Schwiegersohn June nicht ausstehen, aber nachdem ihre Tochter Jean gestorben war, kümmerte sie sich trotzdem um meinen Vater und seine Geschwister und später dann auch um ihre Urenkel.

Lexie und ich standen uns sehr nahe. Meine lebhaftesten und fröhlichsten Erinnerungen als kleines Mädchen stammen alle aus den Zeiten, die ich mit ihr verbringen durfte. Oftmals übernachtete ich bei ihr, und wir veranstalteten so eine Art Pyjamaparty nur für uns beide, bei der wir dann nachts ihren Schminktisch durchstöberten. Am Morgen bereitete sie mir oft ein riesiges Frühstück zu. Ihre beste Freundin wohnte nebenan; manchmal kam sie herüber, und wir hörten uns die langsamen Balladen aus den 1950er-Jahren an, die Lexie in ihrer Schallplattensammlung hatte. Tags hielten Lexie und ich ein Nickerchen. Nichts gefiel mir mehr, als neben ihr einzuschlafen, den Duft ihres feinen Gesichtspuders und ihres Parfüms zu riechen und zuzuhören, wie ihr Atem tief und regelmäßig wurde.

Eines Tages fuhren Lexie und ich zu einer Videothek, um einen Film auszuleihen. Auf dem Rückweg stieß sie mit einem anderen Fahrzeug zusammen, wir blieben in einem Loch stecken, brachten den Wagen nicht mehr heraus und mussten von einem Abschleppwagen befreit werden. Der Unfall jagte meiner Mutter einen riesigen Schrecken ein. Danach durfte ich nicht mehr allein zu meiner Urgroßmutter.

»Das war doch nicht mal ein schlimmer Unfall!«, versuchte ich sie umzustimmen. Ich bettelte darum, Lexie wieder besuchen zu dürfen. Mir war sie die liebste Person überhaupt.

»Nein – ich glaube, sie wird allmählich senil«, sagte meine Mutter. »Es ist zu gefährlich für dich, mit ihr allein zusammen zu sein.«

Danach kam Lexie mich zwar in unserem Haus besuchen, aber ich durfte nicht mehr in ihrem Auto mitfahren, und es gab auch keine Pyjamapartys mehr bei ihr. Für mich war das ein großer Verlust. Ich konnte nicht begreifen, warum es für mich gefährlich sein sollte, mit einem Menschen zusammen zu sein, den ich liebte.

Damals hatte ich noch eine weitere Lieblingsbeschäftigung, von meinen Besuchen bei Lexie abgesehen: mich in Schränken zu verstecken. Daraus wurde in meiner Familie der Running Gag: »Wo ist Britney?« Sobald wir im Haus meiner Tante waren, verschwand ich. Alle mussten nach mir suchen. Kurz bevor sie in Panik gerieten, öffneten sie eine Schranktür – und da war ich.

Wahrscheinlich wollte ich, dass sie nach mir suchen. Das war viele Jahre lang mein Ding – mich zu verstecken.

Durch das Verstecken bekam ich Aufmerksamkeit. Außerdem liebte ich es, zu singen und zu tanzen. Ich sang im Chor unserer Kirche und ging an drei Abenden in der Woche und jeden Samstag zum Tanzunterricht. Später kam noch Gymnastik hinzu, eine Autostunde entfernt in Covington, Louisiana. Von Tanzen und Singen und Akrobatik konnte ich nicht genug kriegen.

Beim Berufsinformationstag in der Grundschule sagte ich, dass ich Anwältin werden wolle, aber sowohl die Nachbarn als auch die Lehrer redeten schon damals davon, dass ich irgendwann »auf dem Broadway landen« würde, und allmählich gewöhnte ich mich an meinen Ruf als »kleiner Showstar«.

Bei meinem ersten Tanzauftritt vor Publikum war ich drei Jahre alt, und mit vier sang ich mein erstes Solo »What Child Is This?« bei einer Weihnachtsfeier in der Kindertagesstätte meiner Mutter.

Ich wollte mich verstecken, wollte aber auch gesehen werden. Beides konnte wahr sein. In der kühlen Dunkelheit eines Schranks zusammengekauert fühlte ich mich so klein, dass ich schier verschwand. Waren hingegen die Blicke aller auf mich gerichtet, verwandelte ich mich in etwas anderes – in eine Person, die einen ganzen Raum beherrschen konnte. Wenn ich in meiner weißen Strumpfhose einen Song in die Welt hinaus jubelte, war mir, als wäre alles möglich.

3

_________

»Mrs Lynne! Mrs Lynne!«, brüllte der Junge. Er war völlig außer Atem, als er plötzlich ins Wohnzimmer stürzte. »Sie müssen kommen! Kommen Sie sofort!«

Ich war vier Jahre alt und saß gerade zwischen meiner Mutter und meiner Freundin Cindy auf der Couch im Wohnzimmer. Kentwood war eine Kleinstadt wie aus einer Soap Opera – es gab immer irgendein Drama. Cindy plapperte meiner Mutter etwas über den neusten Skandal vor. Ich hörte zu und versuchte, die ganze Geschichte zu verstehen. Plötzlich flog die Tür auf. Der Gesichtsausdruck des Jungen sagte mir sofort, dass etwas Entsetzliches geschehen sein musste. Mein Magen verkrampfte sich.

Meine Mutter und ich rannten los. Die Straße war gerade frisch geteert worden, und ich rannte barfuß über den heißen, schwarzen Belag.

»Aua! Aua!«, schrie ich bei jedem Schritt. Als ich hinunterschaute, sah ich, dass Teer an meinen Füßen klebte.

Endlich erreichten wir das Feld, auf dem mein Bruder Bryan mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft herumgealbert hatte. Mit ihren Quads wollten sie das hohe Gras niederwalzen. Das war ihnen als besonders schlaue Idee erschienen. Weil sie eben Idioten waren. Denn natürlich hatten sie einander in dem hohen Gras nicht sehen können und waren frontal aufeinandergekracht.

Ich muss wohl alles gesehen haben – muss meinen Bruder vor Schmerzen brüllen und meine Mutter vor Angst schreien gehört haben –, aber ich erinnere mich an nichts mehr davon. Ich glaube, Gott hat dafür gesorgt, dass ich eine Gedächtnisstörung erlitt, sodass ich mich nicht mehr an die Schmerzen und die Panik erinnerte, und auch nicht an den Anblick meines schwer verletzten Bruders.

Ein Rettungshubschrauber brachte ihn ins Krankenhaus.

Als ich Bryan nach ein paar Tagen besuchen durfte, trug er einen Ganzkörpergips. Soweit ich wusste, hatte er sich fast jeden Knochen gebrochen. Das Detail, das mir erst richtig klarmachte, wie schlimm es um ihn stand, war, dass er durch ein kleines Loch im Gips pinkeln musste.

Noch etwas anderes fiel mir auf: Das ganze Krankenzimmer war voller Spielsachen. Meine Eltern waren so dankbar, dass er überlebt hatte, und so voller Mitleid, dass sie ihn mit Geschenken überhäuften. Für Bryan war jeder Tag seiner Genesung wie Weihnachten. Meine Mutter schwirrte ständig um ihn herum, wohl auch deshalb, weil sie sich schuldig fühlte. Und sie bemuttert ihn bis heute. Es ist schon seltsam, wie ein Bruchteil einer Sekunde die Dynamik einer Familie für immer verändern kann.

Der Unfall sorgte dafür, dass ich mich meinem Bruder viel enger verbunden fühlte. Diese Verbindung entstand, weil mir vollkommen bewusst war, welche Schmerzen er ertragen musste. Nachdem Bryan aus dem Krankenhaus entlassen worden war, wich ich nicht mehr von seiner Seite. Ich schlief sogar jede Nacht neben ihm. Er konnte noch nicht in seinem eigenen Bett schlafen, weil er noch immer in dem Ganzkörpergips steckte. Deshalb hatte man ein spezielles Bett aufgestellt, an dessen Fußende meine Eltern eine kleine Matratze für mich legten. Aber manchmal kletterte ich zu ihm ins Bett und hielt ihn einfach fest.

Auch nachdem der Gips entfernt worden war, schlief ich noch jahrelang neben Bryan. Denn selbst als kleines Mädchen war mir klar, dass mein Bruder ein sehr schweres Leben hatte – zum einen wegen der Folgen des Unfalls, zum anderen aber auch, weil unser Vater sehr hart zu ihm war. Ich wollte Bryan ein wenig trösten.

Nach ein paar Jahren erklärte mir Mom: »Britney, du bist jetzt fast elf Jahre alt. Du musst von jetzt an alleine schlafen!«

Ich weigerte mich.

Ich führte mich wie ein Kleinkind auf – ich wollte nicht alleine schlafen. Aber Mom bestand darauf, und schließlich musste ich nachgeben.

Sobald ich in meinem eigenen Zimmer übernachtete, begann ich es zu genießen, einen Raum ganz allein für mich zu haben. Dennoch blieb ich meinem Bruder eng verbunden. Er liebte mich. Und auch ich liebte ihn so sehr – ich empfand den starken Drang, ihn beschützen zu wollen. Er hatte so viele Schmerzen ertragen müssen, und ich wollte nicht, dass er jemals wieder leiden musste.

Als es meinem Bruder besser ging, engagierten wir uns stark in der Gemeinde. Da es nur eine kleine Stadt mit wenigen Tausend Einwohnern war, versammelten sich alle, um die drei wichtigsten Umzüge zu unterstützen, die jedes Jahr stattfanden: an Mardi Gras, am 4. Juli und zu Weihnachten. Die ganze Stadt freute sich darauf. Lächelnde, winkende Menschen säumten die Straßen: Für einen Tag ließen sie das Drama ihres Lebens hinter sich, um sich daran zu erfreuen, wie ihre Nachbarn langsam auf dem Highway 38 vorüberzogen.

In einem Jahr beschlossen ein paar von uns Kindern, einen Golfwagen zu schmücken, um an der Karnevalsparade an Mardi Gras teilzunehmen. Es waren wahrscheinlich acht Kinder in dem Golfwagen, offenkundig viel zu viele. Auf der Sitzbank waren drei; zwei standen an den Seiten und hielten sich an dem kleinen Dach fest, und eines oder zwei schaukelten hinten umher. Das Gewicht war so groß, dass die Reifen des Wagens beinahe platt waren. Wir trugen alle Kostüme aus dem 19. Jahrhundert, warum weiß ich gar nicht mehr. Ich saß auf dem Schoß der größeren Kinder ganz vorne und winkte allen zu. Das Problem war, dass sich der Golfwagen mit so vielen Kindern darin und den platten Reifen sowieso kaum kontrollieren ließ, hinzu kamen noch das Lachen und Winken und unser aufgeregtes Zappeln … Nun, wir sind nur ein paar Mal auf den Wagen vor uns aufgefahren, das reichte aber, um von der Parade ausgeschlossen zu werden.

4

_________

Als mein Vater wieder schwer zu trinken anfing, litten auch seine Geschäfte darunter.

Zu der Belastung durch Geldsorgen kam erschwerend das Chaos der extremen Stimmungsschwankungen meines Vaters hinzu. Besonders viel Angst hatte ich, wenn ich zu Dad ins Auto steigen musste, weil er beim Fahren ständig mit sich selbst redete. Die Worte, die er sprach, verstand ich nicht. Er schien in seiner eigenen Welt zu stecken.

Schon damals verstand ich, dass mein Vater Gründe hatte, warum er sich im Trinken verlieren wollte: Seine Arbeit belastete ihn so. Heute ist mir noch klarer, dass er nach Jahren des Missbrauchs durch seinen Vater June eine Art Selbst-Medikation betrieb. Damals hatte ich allerdings keine Ahnung, warum er so hart zu uns war, warum nichts, was wir taten, jemals gut genug für ihn war.

Das Traurigste für mich war, dass ich mich immer nach einem Dad gesehnt hatte, der mich so liebte, wie ich war, jemand, der mir sagen würde: »Ich liebe dich. Du könntest jetzt alles Mögliche anstellen, ich würde dich trotzdem bedingungslos lieben.«

Dad ging rücksichtslos, kalt und gemein mit mir um, doch Bryan gegenüber trat er noch härter auf. Er drängte ihn so sehr zu sportlichen Erfolgen, dass es grausam war. Damals war Bryans Leben viel härter als meins, weil unser Vater ihn demselben grausamen Regiment unterwarf, das June ihm auferlegt hatte. Er zwang Bryan, Basketball und Football zu spielen, obwohl Bryan dafür nicht gebaut war.

Auch Mom wurde von Dad zuweilen sehr schlecht behandelt, allerdings gehörte er eher zu jenem Typ Trinker, der tagelang verschwand. Ehrlich gesagt, war es für uns eine Wohltat, wenn er fortging. Mir war es lieber, wenn er nicht da war.

Was unser Familienleben damals besonders unerträglich machte, war, dass meine Mom manchmal nächtelang mit ihm stritt. Er war dabei meistens so besoffen, dass er kaum noch lallen konnte. Keine Ahnung, ob er sie verstand oder ihr überhaupt noch zuhörte. Aber wir hörten alles. Bryan und ich litten indirekt unter ihrer Wut, weil uns das Gezeter nächtelang nicht schlafen ließ. Ihre schrille Stimme schallte durch das ganze Haus.

Im Nachthemd stürmte ich ins Wohnzimmer und flehte sie an: »Gib ihm einfach was zu essen und steck ihn ins Bett! Er ist krank!«

Denn sie stritt sich mit einem Mann, der kaum noch bei Bewusstsein war. Aber sie wollte nicht auf mich hören. Deshalb ging ich wütend zurück ins Bett, starrte Löcher in die Decke, hörte weiter Moms Geschrei zu und verfluchte sie aus tiefstem Herzen.

Ist das nicht grauenvoll? Er war betrunken! Er hatte uns durch seine Alkoholsucht zu armen Leuten gemacht. Er hockte bis zur Bewusstlosigkeit besoffen in seinem Sessel. Meine größte Wut richtete sich jedoch gegen Mom, weil sie weiter tobte, während er in diesen Augenblicken wenigstens still war. Ich wollte unbedingt schlafen, doch sie wollte keine Ruhe geben.

Trotz all dieser nächtlichen Dramen schaffte es Mom tagsüber, unser Haus zu einem Ort zu machen, zu dem meine Freundinnen und Freunde gerne kamen – zumindest dann, wenn mein Vater rücksichtsvoll genug war, sich anderswo zu betrinken. Bei uns gingen dann alle Kinder aus der Nachbarschaft ein und aus. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll: Unser Haus galt einfach als »cool«. Wir hatten sogar einen Tresen mit zwölf Barhockern. Meine Mutter war eine typische junge Südstaaten-Mom, die oft tratschte, ständig mit ihren Freundinnen an der Theke Zigaretten rauchte (Virginia Slims, dieselbe Marke, die ich jetzt rauche) oder mit ihnen telefonierte. Für sie alle war ich Luft. Die älteren Kinder saßen auf den Barhockern vor dem Fernseher und spielten Videospiele. Ich war die Jüngste und wusste nicht, wie das geht, also musste ich immer um die Aufmerksamkeit der älteren Kinder kämpfen.

Unser Haus war ein einziger Zoo. Ich tanzte ständig auf dem Couchtisch herum, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Meine Mutter jagte wiederum immer Bryan hinterher, als der noch klein war. Sie hechtete über Sofas, um ihn zu fangen und ihm den Hintern zu versohlen, nachdem er ihr widersprochen hatte.

Ständig war ich total aufgedreht und nervte alle, weil ich versuchte, ihre Blicke vom Fernseher abzulenken oder die Erwachsenen bei ihren Gesprächen in der Küche zu unterbrechen.

»Britney, hör endlich auf!«, schrie mich meine Mutter dann an. »Wir haben Besuch! Sei einfach nett! Benimm dich!«

Doch ich beachtete sie nicht. Und stets fand ich einen Weg, die Aufmerksamkeit aller Menschen in meiner Umgebung auf mich zu ziehen.

5

_________

Ich war zwar still und zierlich, wurde aber lebendig, wenn ich sang, und ich hatte genug Gymnastikstunden gehabt, um mich gut bewegen zu können. Mit fünf nahm ich an einem lokalen Tanzwettbewerb teil. Dabei sollte ich mein Talent mit einer Tanznummer zeigen, bei der ich einen Zylinder trug und einen Spazierstock herumwirbelte. Ich gewann. Nach diesem Erfolg meldete mich meine Mutter bei verschiedenen Wettbewerben in der ganzen Region an. Auf den alten Fotos und Videos bin ich in den lächerlichsten Outfits zu sehen. Bei meinem Auftritt in einem Musical, das wir in der dritten Klasse aufführten, trug ich ein viel zu weites lila T-Shirt und eine riesige lila Haarschleife, mit denen ich wie ein Weihnachtsgeschenk aussah. Es war absolut schrecklich.

Ich arbeitete mich durch den ganzen Talentzirkus und gewann einen regionalen Wettbewerb in Baton Rouge, der Hauptstadt Louisianas. Schon bald fassten meine Eltern andere Möglichkeiten ins Auge als Preise in Schulsporthallen zu gewinnen. Als sie eine Zeitungsanzeige entdeckten, mit der zur Teilnahme am Casting für die Fernsehshow »The All-New Mickey Mouse Club« aufgefordert wurde, schlugen sie vor, dass wir dort hinfahren sollten. Die Fahrt nach Atlanta, Georgia, dauerte acht Stunden. Es waren mehr als 2000 Kinder erschienen. Ich musste mich von allen abheben, auch weil – wie wir erst nach unserer Ankunft erfuhren – eigentlich Kinder gesucht wurden, die mindestens zehn Jahre alt waren.

Als mich Matt Casella, der Casting Director, fragte, wie alt ich sei, wollte ich schon »acht« sagen, als mir gerade noch rechtzeitig die Sache mit der Altersgrenze einfiel und ich antwortete: »Neun!« Er betrachtete mich stirnrunzelnd.

Ich trug »Sweet Georgia Brown« vor und führte dazu meine Tanznummer auf, ergänzt durch ein paar Flickflacks.

Von den Tausenden Kindern aus dem ganzen Land wurde nur eine Handvoll ausgewählt, darunter auch ein wunderschönes Mädchen aus Kalifornien namens Keri Russell. Sie war einige Jahre älter als ich.

Einem anderen Mädchen aus Pennsylvania namens Christina Aguilera und mir wurde erklärt, wir hätten es zwar nicht in die Endauswahl geschafft, besäßen aber Talent. Matt meinte, in ein paar Jahren würden wir es sicherlich in die Show schaffen, weil wir dann älter wären und mehr Erfahrung hätten. Er riet meiner Mutter, mit mir nach New York zu gehen, und empfahl uns eine Agentin, die jungen Talenten beim Einstieg in das Showbusiness half.

Allerdings reisten wir nicht sofort nach New York. Ich blieb noch ein halbes Jahr in Louisiana und half in Lexies Restaurant, »Granny’s Seafood and Deli«, beim Bedienen.

Der Fischgestank in dem Restaurant war grauenhaft, aber das Essen war fantastisch und unglaublich lecker. Wir Kids hingen nur noch im »Granny’s« rum. Im Nebenzimmer betrank sich mein Bruder manchmal mit seinen Kumpeln, wenn sie von der Highschool kamen. Und vorn im Gastraum entschuppte ich Fische und durfte sogar beim Servieren helfen, obwohl ich erst neun war. Manchmal führte ich in meinen süßen Outfits auch meine braven kleinen Tanznummern auf.

Meine Mutter hatte Bildmaterial von mir an die Agentin geschickt, die uns Matt empfohlen hatte – Nancy Carson. In dem Video sang ich »Shine On, Harvest Moon«. Und es funktionierte: Nancy lud uns nach New York ein. Sie wollte mich kennenlernen.

Nachdem ich Nancy in ihrem Büro im 20. Stock in Midtown Manhattan vorgesungen hatte, stiegen wir wieder in den Amtrak-Zug und fuhren nach Hause. Ich war ganz offiziell von einer Talentagentur unter Vertrag genommen worden.

Bald nach unserer Rückkehr nach Louisiana wurde meine kleine Schwester Jamie Lynn geboren. Laura Lynne und ich spielten stundenlang in unserem Spielhaus mit ihr, als wäre sie eine unserer Puppen.

Ein paar Tage nachdem meine Mutter mit dem Baby von der Klinik nach Hause gekommen war, fing sie an, sich seltsam zu benehmen. Wir waren mitten in den Vorbereitungen für einen Tanzwettbewerb, und Mom nähte gerade mit Nadel und Faden einen kleinen Riss in meinem Kostüm, als sie plötzlich aufsprang und das Kleid wegschleuderte. Sie wusste offenbar nicht, was sie tat. Das Kleid war zwar grauenhaft, doch um bei dem Wettkampf antreten zu können, brauchte ich es dringend.

»Mama! Warum wirfst du mein Kostüm weg?«, rief ich.

Und dann war da plötzlich Blut. Überall war Blut.

Nach der Geburt war etwas nicht richtig vernäht worden. Blut strömte aus ihr heraus. Ich rief meinen Vater. »Was ist los mit ihr?«, schrie ich. »Was hat sie denn?«

Dad stürmte ins Zimmer und brachte sie sofort ins Krankenhaus. Die ganze Fahrt über schrie ich unentwegt: »Mom darf nicht krank werden!«

Ich war neun. Zu sehen, wie die eigene Mutter so stark blutet, wäre für jeden ein traumatisches Erlebnis, doch für ein Kind in meinem Alter war es furchterregend. Noch nie hatte ich so viel Blut gesehen.

Sobald wir den Arzt erreicht hatten, kam es mir vor, als dauerte ihre Behandlung gefühlte zwei Sekunden. Niemand schien sich sonderlich große Sorgen zu machen. Anscheinend war eine solche nachgeburtliche Blutung nichts Ungewöhnliches. Aber sie grub sich in meine Erinnerung.