This is Our Time - Kathinka Engel - E-Book
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Kathinka Engel

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Beschreibung

Zwischen gespielten Küssen und echten Gefühlen | »Dieses Buch ist wie die perfekte Netflix-Serie: Es macht absolut süchtig! Lest es unbedingt!« Bianca Iosivoni Für Hollywoodstar Rio McQuoid sollte die neue Netflix-Show »This is Our Time« nach einem Absturz das große Comeback werden. Doch als die weibliche Hauptrolle durch eine wahnwitzige Idee des Regisseurs an die ahnungslose Praktikantin Ferne geht, rastet Rio aus. Während Ferne überfordert ist von der oberflächlichen Glamourwelt, ist dem Hollywood-Frauenschwarm die Gnadenlosigkeit des Showbiz bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Die gegenseitige Abneigung weicht Verwirrung, als die beiden sich vor der Kamera näherkommen – und sie bald nicht mehr wissen, was echt ist und was fake. Band eins der »Hollywood Dreams«-Reihe von SPIEGEL-Bestsellerautorin Kathinka Engel, die zwei junge Schauspieler auf der Suche nach ihrem Real-Life-Happy-End begleitet.

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© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2023

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

Redaktion: Michelle Gyo

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Zehn Fakten über Rio McQuoid

1

Ferne

2

Rio

3

Ferne

4

Rio

Von der Praktikantin zum Serienstar

5

Ferne

6

Rio

7

Ferne

8

Rio

9

Ferne

10

Rio

11

Ferne

12

Rio

Promis lesen fiese Tweets über sich #56 – Rio McQuoid

13

Ferne

14

Rio

15

Ferne

16

Rio

Auszug aus dem Wikipedia-Artikel über Rio McQuoid

17

Ferne

18

Rio

19

Ferne

Kommentare unter dem Instagram-Video von Ferne Resniks Ice-Tube-Challenge

20

Rio

21

Ferne

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Rio

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Ferne

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Rio

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Ferne

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Rio

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Ferne

GQ-Interview mit Rio McQuoid (Auszug)

28

Rio

29

Ferne

30

Rio

31

Ferne

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Rio

33

Ferne

34

Rio

Erster Sneak Peak auf This is Our Time

35

Ferne

36

Rio

37

Ferne

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Rio

39

Ferne

40

Rio

41

Ferne

42

Rio

43

Ferne

44

Rio

Rio McQuoid und Lidia Penning beantworten die häufigsten Suchanfragen über sich

45

Ferne

46

Rio

47

Ferne

48

Rio

49

Ferne

Verschwiegenheitserklärung

Epilog

Ferne

Rio

This is Our Time – Netflix hat es wieder getan!

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für Euch.

Zehn Fakten über Rio McQuoid. Nummer 7 wird dir die Schuhe ausziehen!

Rio McQuoid, Sexsymbol und bis vor Kurzem bestbezahlter Schauspieler Hollywoods unter 25, hat ein fettes Image-Problem. Der erneute Absturz des Teenieschwarms im Blabla Club könnte ihn einiges an Sympathiepunkten gekostet haben.

Da kommen die Gerüchte gerade recht, dass der Hollywood-Hottie die Hauptrolle in der neuen Netflix-Hit-Show This is Our Time übernehmen soll. Doch was für ein Mensch ist der junge Filmstar eigentlich abseits der Glamour-Welt? Wir haben euch die zehn spannendsten Fakten über Rio McQuoid zusammengestellt.

Rios Nachname ist weder Zufall noch Fake. Der Schauspieler ist zu einem Achtel Schotte.Nach eigenen Aussagen hört der Schauspieler am liebsten eine Musikrichtung namens Balkan Beats. Warum? Das ist bislang noch sein Geheimnis. Aber wir bleiben dran! Neben seinem sexy Äußeren zeichnet ihn vor allem sein Signature-Move aus, bei dem er sich langsam mit dem Daumen über die Lippen streicht – und jedes Mal setzt unser Herz einen Schlag aus. Rio ist ein absoluter Familienmensch. Seine Eltern (und der Familienschäferhund Zsa Zsa) gehen ihm über alles. Mal im Ernst, kann er noch perfekter sein? *Schmacht*Rios Unterwäsche wird vom italienischen Luxus-Modeunternehmen Ermenegildo Zegna für ihn spezialangefertigt. Die nahtlose Seide-Kaschmirmischung mit den aufgestickten Initialen RMQ kostet unfassbare dreihundert Dollar pro Stück! Der zweite Zeh des Hollywoodstars ist länger als sein großer Zeh. Laut Fußexpertin Emilia Lightfoot findet man diese Fußform nur bei etwa zwanzig Prozent der Menschen. Sie deutet, so die Expertin, auf eine dominante Person hin – nicht nur, aber auch im Bett … Als der Schauspieler das belgische Supermodel Mila Maes küsste, fiel diese doch tatsächlich in Ohnmacht! Seine Lippen- und Zungenfertigkeit scheint nichts für schwache Nerven zu sein. Wir würden das Risiko aber auf jeden Fall eingehen. Sexy Rio dürfte uns definitiv auch ohnmächtig küssen. Obwohl der Hottie Gerüchten zufolge verschiedene Immobilien in und um L.A. besitzt, wohnt er in einer Suite im Beverly Wilshire. Nach einem anstrengenden Tag geht Rio McQuoid ins Fitnessstudio, um sich so richtig auszupowern. Wir sagen Danke für den stählernen Bilderbuch-Sixpack. Die markante Narbe an seiner linken Augenbraue zog sexy Rio sich beim Dreh zu Rebel, Rebel zu. Nicht nur gelang dem damals Fünfzehnjährigen mit dem Coming-of-Age-Kultfilm der Durchbruch in Hollywood, sein Leinwandvater Ethan Hawke verpasste Rio bei der ikonischen Schlägerei auch gleich noch unfreiwillig sein Markenzeichen.

1

Fakt Nummer 11: Ferne Resnik hasst Rio McQuoid. Und bedankt sich bei ihrem kleinen Bruder Eric dafür, dass er ihr vorhin in ihrer Fünf-Minuten-Pinkelpause diesen aufschlussreichen Clickbait-Artikel aufs Handy geschickt hat.

Vor zehn Sekunden habe ich – Ferne Resnik – dem Frauenschwarm und Hollywood-Hottie seinen Decaf-Frappuccino mit einem Drittel Hafermilch und zwei Dritteln Sojamilch in den Casting-Raum gebracht, wo heute die Entscheidung fällt, wer neben Rio McQuoid die weibliche Hauptrolle in der neuen Netflix-Hit-Show This is Our Time spielen wird. Seit zehn Sekunden starrt er mich unter seiner bescheuerten Cap an, als würde ich ihn vergiften wollen. Ob Ethan Hawke ihm deswegen eine verpasst hat? Weil er schon damals ein unausstehliches Arschloch war? Nervigerweise fällt mir jetzt tatsächlich die Narbe an seiner ansonsten perfekten Augenbraue auf. Der einzige Makel in seinem viel zu perfekten Gesicht mit dem viel zu perfekten Dreitagebart und den viel zu perfekten dunkelgrauen Augen. Und wenn überhaupt möglich, macht ihn das für die Welt natürlich nur noch attraktiver.

Nun beugt er sich zu seinem Manager und flüstert ihm etwas ins Ohr.

»Rio trinkt das nicht«, sagt Steve Abbott, sein Blick mitleidig und spöttisch zugleich. Steve ist Mitte vierzig, glaubt offenbar, Ziegenbärtchen seien der letzte Schrei, und trägt eine blau getönte Brille. Vom ersten Moment an war er mir unsympathisch.

»Äh, was?«, frage ich.

»Rio wird das nicht trinken.«

Ich runzle die Stirn, ziehe den klein zusammengefalteten Zettel aus meiner Rocktasche und versuche, ihn zu glätten. »Es ist ein Decaf-Frappuccino mit einem Drittel Hafermilch und zwei Dritteln Sojamilch«, lese ich und adressiere Rio direkt, weil diese Kommunikation über seinen Manager absolut bescheuert ist.

»Es steckt ein Plastikstrohhalm darin«, fährt Abbott fort.

»Äh …« Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Stört es ihn auch, dass ein Becher um das Getränk herum ist? Hätte ich es in meinen Händen transportieren sollen?

Neben Abbott stöhnt Ferris Linch, der Regisseur von This is Our Time, leise. Er ist ohnehin schon angepisst, weil bislang keine der Schauspielerinnen, die die Casting-Direktorin gemeinsam mit Izzy, der Regieassistentin, in der ersten Castingrunde ausgewählt hat, auch nur ansatzweise überzeugen konnte. Vor einer Stunde hatte er den ersten seiner berüchtigten Wutanfälle, bei dem die wartenden Kandidatinnen mit Sicherheit sogar durch die Tür hindurch jedes Wort verstehen konnten. Unter Ferris’ höhnischen Worten stolperte die junge Schauspielerin völlig aufgelöst an mir und der Taschentuchpackung, die ich ihr hinhielt, vorbei und rauschte aus dem Raum Richtung Toiletten. Die nächste Kandidatin war daraufhin so verunsichert, dass sie wieder rausgeschickt wurde, noch ehe sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

»Rio ist sehr umweltbewusst«, sagt Abbott jetzt, ohne von Linch Notiz zu nehmen. »Er trinkt nur mit Papierstrohhalmen.«

»Okay, sorry, das wusste ich nicht«, erwidere ich. »Sie hatten leider keine …«

»Ah, ah, ah«, macht Abbott und wackelt mit seinem Zeigefinger hin und her.

Ich stehe unschlüssig herum. Was soll ich jetzt machen? Einen neuen Kaffee ohne Strohhalm holen? Wie umweltbewusst wäre das bitte?

Wieder flüstert Rio seinem Agenten etwas ins Ohr, und das nervt mich so über die Maßen, dass ich kurzerhand den bescheuerten Strohhalm einfach selbst aus Rios Kaffee ziehe. Ich tropfe ein bisschen Kaffee-Hafermilch-Sojamilch-geschmolzenes-Eiswürfel-Gemisch auf den Tisch vor ihn, das ich pragmatisch, wie ich bin, mit dem Ärmel aufwische. Auf dem gelb-weiß gepunkteten Stoff breitet sich ein brauner Fleck aus, aber es ist mir egal. Dann zerknülle ich den Strohhalm demonstrativ in meiner Hand.

»So«, sage ich. »Besser?«

Rio hat die Arme lässig vor der Brust verschränkt, bedenkt mich mit einem spöttischen Lächeln. »Und wie soll ich den Kaffee jetzt trinken?«, fragt er. Seine Stimme ist tief, heiser irgendwie. Als hätte er trainiert, so sexy wie möglich zu klingen. Hat er vermutlich auch. Neulich hat er in irgendeinem Pixar-Film den Bösewicht gesprochen, sodass ein paar Wochen lang seine Stimme in jeder Werbeunterbrechung zu hören war – sehr zu Erics Freude.

Ich atme langsam ein und löse dann vorsichtig den Deckel vom Becher, darauf bedacht, nicht schon wieder auf den Tisch zu kleckern. Kurz bin ich versucht, ihm zu erklären, dass man den Becher nun in die Hand nimmt, sich an die Lippen führt – diese fast schon ekelhaft perfekten Lippen –, ihn dann leicht neigt, bis Flüssigkeit in den Mund läuft, um dann zu schlucken. Aber ich bin klug genug, meine Veranlagung zu ungefilterter Ironie einem Hollywoodstar gegenüber einigermaßen im Zaum zu halten. Noch dazu, wenn er die Hauptrolle in der Serie hat, bei der ich ein Praktikum mache, um wichtige Kontakte in der Branche zu knüpfen. Stattdessen lächle ich also übertrieben freundlich.

»Ich hoffe für dich, du hast deine Hände gewaschen«, sagt Rio.

Wie auf Kommando erhebt sich Steve Abbott und macht tatsächlich Anstalten, meine Hand zu greifen, doch ich ziehe sie schnell weg. Was denkt er, wer er ist?

»Hier geht es um Rios Sicherheit«, sagt Abbott, und auch Linch schaltet sich wieder ein.

»So unterhaltsam dieses Spektakel ist, aber können wir dann langsam weitermachen?« Er fährt sich ungeduldig durch die kinnlangen schwarzen Locken. »Zeig ihm deine Hände, Praktikantin.«

»Ich habe den Becherrand nicht mal berührt«, sage ich, aber dann kapituliere ich und strecke meine Handflächen aus, sodass alle den braunen Fleck sehen können, den Rios Kaffee auf meiner bunten Bluse hinterlassen hat.

Abbott nickt, Rio grinst und nimmt endlich einen Schluck von seinem Getränk.

»Lidia ist auch eingetroffen«, verkündet Izzy mit einem Blick auf ihr Handy. Sie ist, soweit ich das bislang beurteilen kann, die Netteste von all den Leuten hier. Freundlich, professionell. Und sie sieht kaum älter aus als ich mit ihrem mädchenhaften Lächeln, der schwarz umrandeten Brille und dem blonden Pferdeschwanz. »Sie macht sich nur noch schnell frisch.«

Lidia Penning ist Linchs große Hoffnung und auch Rios nicht ganz so heimliche Wunschkandidatin für die Rolle, obwohl sie seine Ex ist. In den vergangenen Jahren gab es ab und zu Gerüchte, die beiden würden sich wieder annähern. Für die Promotion der Serie wäre es natürlich ein genialer Schachzug, Rio und sie Elizabeth-Taylor-und-Richard-Burton-mäßig als On-off-Hollywood-Power-Couple zu inszenieren. Rio sieht das anscheinend ebenso, denn vorgestern hat er ein gemeinsames Foto von ihr und sich auf irgendeinem roten Teppich gepostet. Instagram ist daraufhin fast explodiert, wie Eric mich natürlich sofort hat wissen lassen. Eigentlich sollte sie bereits ganz am Anfang vorsprechen, aber ihr Flug aus New York wurde in letzter Minute gecancelt.

»Dann holen wir so lange die Nächste rein«, sagt die Casting-Direktorin. Sie ist sichtlich erleichtert, dass ihr Star endlich da ist. Zumindest ist die mulmige Blässe aus ihrem Gesicht gewichen. »Ferne?«

Ich nicke, stecke meinen Kopf ins Vorzimmer, rufe die letzte übrig gebliebene Schauspielerin rein und setze mich dann auf den Stuhl neben der Tür.

»Hi, ich bin Melanie.«

»Hi, Melanie«, sagt Linch gelangweilt. Und an seiner Körperhaltung kann man jetzt schon erkennen, dass Melanie keine Chance hat, die Rolle der Madison Maguire zu bekommen. »Leg los.«

»Also, ich habe den Monolog vorbereitet«, sagt Melanie. »Soll ich einfach?«

Ferris Linch rutscht mit seinem Stuhl nach hinten, stützt die Ellenbogen auf seine Knie, legt die Fingerkuppen aneinander und atmet tief ein, als müsse er sich selbst beruhigen.

»Wir sind bereit.« Die Casting-Direktorin lächelt bemüht und nickt Melanie zu.

»Okay.« Melanie räuspert sich. Dann legt sie mit theatralischer Stimme los. »Aber du hast gesagt, ich sei etwas Besonderes. Du hast gesagt, wenn du mich ansiehst, verstehst du, was Schönheit bedeutet. Das, was wir hatten, das war echt.«

Ich bewege meine Lippen mit. Inzwischen kann ich den Text auswendig. Das war doch echt, Ryder, oder?

»Das war doch echt, Ryder, oder?«,sagt sie, und ihre Stimme bricht. »Wieso sagst du nichts? Wieso siehst du mich so an? Wieso ist da nichts in deinem Blick?« Melanies Nasenflügel beben, dann läuft eine Träne ihre Wange hinab.

Linch beugt sich zu Amanda Nicholls, der Produzentin, flüstert etwas, schüttelt den Kopf. Sie gibt es an Charles Silverman, ebenfalls Produzent, weiter. Glücklicherweise scheint Melanie es nicht zu merken.

»Du bist ein verfluchter Scheißkerl, Ryder, weißt du das? Die Leute hatten recht, als sie mich vor dir gewarnt haben. Du hast kein Herz.«

»Okay, danke«, sagt Linch und wedelt mit der Hand.

»Äh«, macht Melanie, und ich hoffe für sie, dass sie einfach geht.

»War noch was?«, fragt Linch.

»Der Dialog?«

»Wir haben genug gehört.«

»War ich nicht gut?«

Ich fand sie nicht mal schlecht, aber offensichtlich hat sie nicht das, wonach Ferris Linch und Netflix suchen. Ich schüttle kaum merklich den Kopf, hoffe, dass sie zu mir sieht. Doch Melanie bleibt einfach, wo sie ist.

»Ich könnte wirklich …«

»Raus jetzt«, sagt Linch lauter.

»Okay, aber wenn Sie mir sagen, was ich besser …«

»RAUS!«, blökt er, und Melanie zuckt zusammen. »Hier sitzen neun erwachsene Menschen, deren Zeit teuer ist. Wenn du nicht auch noch eine Rechnung von mir bekommen willst, machst du, dass du hier rauskommst.«

Melanie schluckt, nickt hektisch und stolpert aus dem Raum.

»Ist Lidia endlich bereit?«

Izzy sieht zu mir und bedeutet mir mit einem Lächeln, nachzusehen. Und tatsächlich, vor der Tür wartet Lidia Penning.

Ich kenne Lidia lediglich von einer Kinderserie auf dem Disney Channel, die sie mit fünfzehn berühmt gemacht hat. Darin spielte sie die Tochter eines Hotelbesitzers und erlebte als diese mal mehr, mal weniger unterhaltsame Abenteuer in ebenjenem Hotel.

Man sieht ihr nicht an, dass sie gerade einen mehrstündigen Flug hinter sich hat. Die langen blonden Haare fallen ihr in perfekten Wellen über die Schultern. Ihre Haut ist makellos, und die großen blauen Augen sind mit dezentem Make-up betont.

»Lidia?«, frage ich. »Du kannst gleich weitermachen, wenn du bereit bist.«

»Ob ich bereit bin?« Sie lacht glockenhell. »Schätzchen, willst du mich beleidigen?«

»Nein, ich dachte nur …« Doch sie geht einfach darüber hinweg, rauscht in den Casting-Raum, und ehe ich michs versehe, tauscht sie Küsschen mit Rio McQuoid, Steve Abbott und Ferris Linch.

»Lidia, mein Augenstern«, sagt Linch. »Bitte erlöse mich von der allgemeinen Unfähigkeit.« Dann fällt sein Blick auf Lidias Dekolleté, und er runzelt kaum merklich die Stirn. Anscheinend ist an den Gerüchten etwas dran, und Lidia hat sich wirklich die Brüste machen lassen.

Lidia kichert. »Stets zu Diensten.« Sie blickt auf den Boden, um sich einen Moment lang zu konzentrieren. Dann strafft sie die Schultern, blickt auf und beginnt. »Aber du hast gesagt, ich sei etwas … Besonderes.« Ihre Stimme ist schwach, wimmernd beinahe. Und ich finde es erstaunlich, wie unterschiedlich die Interpretationen dieser Rolle sind. Ich habe Madison als einen ziemlich starken Charakter gelesen. Aber man kann sie wohl auch auf diese Weise spielen. »Du hast gesagt, wenn du mich ansiehst, verstehst du, was Schönheit bedeutet.« Die letzten Worte haucht sie nur noch, was für meine Begriffe ein bisschen zu erotisch aufgeladen klingt. »Das, was wir hatten, das war echt.«Sie schluckt. »Das war doch echt, Ryder, oder? Wieso sagst du nichts?« Sie beginnt zu weinen. »Wieso siehst du mich so an? Wieso ist da nichts in deinem Blick? Du bist ein ver…fluchter Scheiß…kerl, Ryder, weißt du das?« Sie schluchzt nun. »Die L…eute hatten recht, als sie mich vor dir gewarnt haben. Du hast kein H…erz.« Lidia erwacht aus ihrer Rolle und strahlt Ferris an. Sie ist sich sicher.

»Lidia, Liebes.« Linch faltet die Hände und legt sie behutsam vor sich auf den Tisch. Ihm hat die Performance offenbar genauso wenig gefallen wie mir. »Kannst du das Ganze noch mal machen? Diesmal mit ein bisschen weniger theatralischem Rumgeheule? Ein bisschen mehr Girl next door?«

»Oh, okay, ich dachte, weil er doch Schluss macht …«

Aber Madison würde vor Ryder nie zusammenbrechen. Wenn man das Drehbuch gelesen hat, weiß man das eigentlich.

Lidia sieht Linchs aufeinandergepresste Lippen und beginnt noch mal von vorne. »Aber du hast gesagt, ich sei etwas Besonderes.« Sie spielt sie jetzt mit Wut. Das ist besser, aber ich habe das Gefühl, sie übertreibt ein wenig. »Du hast gesagt, wenn du mich ansiehst, verstehst du, was Schönheit bedeutet.« Die Worte spuckt sie beinahe aus. »Das, was wir hatten, das war echt. Das war doch echt, Ryder, oder?«

»Stopp«, sagt Linch. »Können wir den Dialog hören, um die Dynamik zu sehen?« Mit irgendetwas ist Ferris Linch extrem unzufrieden.

»Selbstverständlich«, sagt Lidia und zwinkert Rio vertraulich zu.

Rio erhebt sich von seinem Platz. Er ist die Selbstsicherheit in Person in seinem weißen T-Shirt, seiner Markenjeans, seinen weißen Sneakers.

»Bereit?«, fragt er, und Lidia nickt. »Geh mit mir aus.« Er macht einen Schritt auf sie zu.

»Nein.« Sie schüttelt den Kopf und grinst ihn an. Provokativ. Beinahe lasziv.

»Geh mit mir aus, Madison.«

»Das ist keine gute Idee.«

»Warum nicht?« Er steht nun dicht vor ihr, streckt seine Finger nach ihrem Haar aus und wickelt sich eine Strähne um seinen Finger.

»Weil du ein Arschloch bist, Ryder, deswegen.« Lidias Stimme ist flirty. Zu flirty. Und ein Blick zu Linch sagt mir, dass er es ebenso sieht. Er hat den Mund verzogen, als hätte er einen schlechten Geruch in der Nase. Amanda Nicholls und Charles Silverman sehen ebenfalls unglücklich aus.

»Wer sagt das?« Rios Stimmlage wird tiefer. Das Spielerische wird von etwas Dunklem verdrängt. Und obwohl ich ihn unerträglich finde, muss ich zugeben, dass er gut ist. Aber das ist auch nicht weiter überraschend.

»Alle, Ryder. Alle sagen das.«

»Und hörst du auf das, was alle sagen?«

»Ich …« Sie blinzelt ihn beinahe verträumt an. Als hätte er sie hypnotisiert oder so.

»Aufhören!«, ruft Linch dazwischen. »Das ist ja grauenhaft!«

»Aber …«

»Den ganzen Tag sitze ich hier, schaue mir eine PEINLICHEVORSTELLUNG nach der anderen an. Und dann kommt eine LIDIAPENNING und spielt eine SCHEISSE zusammen, dass ich mich ernsthaft fragen muss, ob sie vielleicht einfach zu DUMM für die Rolle ist.«

Ich halte die Luft an.

»Was habt ihr euch dabei gedacht? IHRALLE?« Linchs Stimme wird noch lauter. »Ich habe die Schnauze gestrichen voll von dieser Stümperei! GESTRICHENVOLL! WENNICHNOCHEINGOLDGELOCKTESVOLLBUSIGESSEX-PÜPPCHENVORGESETZTBEKOMME, SCHREIEICH!« Dabei tut er das auch jetzt schon ziemlich eindrucksvoll.

»INMEINEMGANZENLEBENALSREGISSEURHABEICHNOCHNICHTSOVIELUNFÄHIGKEITAUFEINEMHAUFENERLEBT. IHRSEIDEINEBELEIDIGUNGFÜRMEINENVERSTAND! IHRALLEZUSAMMEN.« Inzwischen ist er aufgestanden.

»Sag Bescheid, wenn er sich abgeregt hat«, flüstert Lidia mir zu. »Das muss ich mir nicht geben.« Sie verlässt den Raum, und am liebsten würde ich mich ihr einfach anschließen. Doch gleichzeitig ist Linchs Ausbruch wie ein Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann.

»WASFÜREINUNFASSBARERMÜLLHIERABGELIEFERTWIRD!«

Rio verkneift sich ein Lachen. War ja klar, dass es ihn amüsiert, wenn andere Leute zur Schnecke gemacht werden. Die Casting-Direktorin sieht aus, als wäre sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. Amanda Nicholls macht Anstalten, Linch zu beschwichtigen, zuckt aber bei seinen nächsten Worten zurück.

»HATAUCHNUREINERVONEUCHDIESESBESCHISSENEDREHBUCHGELESEN? WEISSAUCHNUREINERVONEUCH, WASMADISONFÜREINCHARAKTERIST? ICHWETTE, JEDEDAHERGELAUFENEPRAKTIKANTINKRIEGTDASBESSERHIN!«, keift er. Dann blickt er zu mir, als wäre ihm eben eingefallen, dass ich anwesend bin. Und jetzt bereue ich doch, dass ich nicht mit Lidia den Raum verlassen habe. »Ich wette, die Praktikantin kriegt das besser hin«, wiederholt er und setzt sich wieder. Er nickt Rio zu. »Los geht’s.«

»Was?«, fragt Rio vollkommen entgeistert.

»Was?«, wiederhole auch ich, denn das ist ja wohl ein schlechter Scherz.

»Ferris«, sagt Amanda, »das ist doch Quatsch. Wir haben heute ein paar Kandidatinnen gesehen, die absolut okay waren.«

»Absolut okay? Das sind professionelle Schauspielerinnen. Und keine einzige hat es geschafft, etwas rüberzubringen, das über ›Ich will, dass Rio McQuoid mich fickt‹ hinausging. Du!« Er zeigt auf mich. »Willst du Rio McQuoid ficken?«

»Ziemlich sicher nicht«, murmle ich, zu überrumpelt, um meinem natürlich Fluchtinstinkt nachzugeben.

»Dann hoffe ich, dass du außerdem schlau genug bist, meine Wette für mich zu gewinnen. Mauerblümchen genug bist du schon mal.« Ein selbstzufriedener Ausdruck hat sich auf sein Gesicht geschlichen.

»Ich …« Was soll das? Es gehört sicher nicht zu meinen Aufgaben, für Ferris Linch den Tanzbär zu geben. Schon gar nicht, wenn er mich als Mauerblümchen bezeichnet.

»Willst du deinen Job behalten oder nicht?«

»Ja, aber …«

Er bedeutet mir, in die Mitte des Raums zu treten. »Hat mal jemand den Text für die Praktikantin?«

»Ferris, bitte. Das ist doch lächerlich«, sagt nun auch Steve Abbott. »Sie kann ja nicht mal Kaffee holen, wie soll sie dann …«

»Ich brauche keinen Text.« Verdammt. Habe ich mich gerade von dem verfluchten Steve Abbott provozieren lassen?

»Was?«, fragen Abbott und Linch gleichzeitig.

»Ich kann den Text auswendig.«

»Na wunderbar!« Linch klatscht in die Hände. Diesem widerlichen Sadisten macht das hier viel zu viel Spaß. »Noch mal den Dialog bitte. Rio?«

Rio hat die Augenbrauen spöttisch nach oben gezogen und streicht sich langsam mit dem Daumen über die Lippen. Lächerlich. Lächerlich heiß in den Augen seiner Fans. In meinen Augen: einfach nur lächerlich. Er setzt die Cap ab und wieder auf. Dann zuckt er mit den Schultern, ein diabolisches Grinsen auf den vollen Lippen.

»Geh mit mir aus.« Wie schon bei Lidia tritt er einen Schritt auf mich zu. Das ist doch nicht sein Ernst. Er macht tatsächlich mit? Verflucht!

Ich bin völlig verwirrt. Mein Herz rast. Was sagt Madison jetzt noch mal? Mein Blick fällt auf den Fleck auf meiner Bluse. Ich höre, wie Steve Abbott verächtlich schnaubt. Dieser Drecksack.

»Nein.« Ich weiche einen Schritt vor Rio zurück. Es ist eine ganz natürliche Bewegung.

»Geh mit mir aus, Madison.« Er kommt mir nach wie ein großes Tier, das mit seiner Beute spielt.

»Das ist keine gute Idee.« Ich zucke mit den Schultern, drehe mich um, gehe noch zwei Schritte. Hauptsache weg von Rio, seiner Narbe und seinem teuren Markenparfüm. Das muss ich nicht mal spielen.

»Warum nicht?« Er packt mich von hinten an der Schulter, und ich bin so überrumpelt, dass ich einen Moment lang vergesse, mich loszureißen.

»Weil du ein Arschloch bist, Ryder, deswegen«, sage ich bestimmt. Selbstbewusst. Zumindest versuche ich es. Keine Ahnung, ob es mir gelingt. Jedenfalls wische ich seine Hand von meiner Schulter, weil ich nicht angetatscht werden will. Nicht von Rio und schon gar nicht zum Amüsement von Ferris Linch.

»Wer sagt das?« Da ist sie wieder, die dunkle Färbung in seiner Stimme. Es ist eine Mischung aus Warnung und heißem Flirt.

»Alle, Ryder. Alle sagen das.«

»Und hörst du auf das, was alle sagen?« Glücklicherweise sind die Strähnen, die aus meinem Messy Bun fallen, nicht lang genug, als dass er sie wie bei Lidia vorhin um seinen Finger wickeln könnte. Stattdessen drängt er mich Richtung Wand, stützt sich mit der Hand neben meinem Kopf ab und grinst mich an. Igitt.

»Ich höre auf mein Bauchgefühl«, erwidere ich und ducke mich unter seinem Arm hindurch.

»Dann muss ich also deinen Bauch überzeugen, bevor ich dein Herz für mich gewinnen kann?« Er dreht sich um, lehnt sich gegen die Wand und verschränkt lässig die Arme. »Was ist dein Lieblingsessen, Madison?«

»Find’s raus«, gebe ich zurück und entferne mich ein paar Schritte, ohne den Blick zu ihm umzuwenden.

»Das werde ich, glaub mir. Und dann gehst du mit mir aus.«

»In deinen Träumen«, sage ich, während ich weitergehe.

»In meinen Träumen machen wir noch ganz andere Dinge.«

Und im letzten Moment kommt mir eine Idee. Eine kleine Rache für die Schikane mit dem Kaffee. Ohne mich noch mal umzusehen, recke ich meinen Mittelfinger in die Luft.

2

Klapp … Klapp … Klapp … Klapp … Ferris, das kleine Arschloch, klatscht langsam in die Hände.

»Okay, Leute, ich glaube, ihr schuldet mir was.« Ein süffisantes Grinsen erscheint auf seinem Hipster-Gesicht, für das er eigentlich zu alt ist.

»Sorry, Ferris, aber nein.« Amanda schüttelt den Kopf. »Das können wir nicht bringen. Nichts gegen dich …« Sie hat den Namen der Praktikantin ebenso vergessen wie wahrscheinlich alle. Ich auf jeden Fall.

»… Ferne«, sagt Izzy, denn die Praktikantin selbst wirkt ein bisschen versteinert und schweigt. Steht ihr.

»Nichts gegen dich, Ferne, aber du bist keine Schauspielerin.«

»Sie ist nicht nur keine Schauspielerin, sie ist eine Liability.« Steve hat seinen Verstand noch beisammen. Gott sei Dank. Auf ihn ist immer Verlass.

»Ich habe nie behauptet …«, murmelt die Praktikantin.

»Seid ihr alle blind, oder was?«, bellt Ferris. »Das war die erste Performance heute, die ein bisschen Feuer hatte. Klar sind …« Ferris sucht wieder nach ihrem Namen.

»Ferne.« Diesmal sagt die Praktikantin ihren Namen selbst.

»… sind Fernes Schauspielkünste ausbaufähig.«

Steve prustet.

»Aber ich für meinen Teil habe gerade die erste Madison des Tages gesehen.« Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust, als wäre damit alles gesagt. »Alles andere waren B-Models, mit denen sich niemand aus der Zielgruppe je identifizieren wird. Ihr Gesicht hingegen« – er nickt Richtung Praktikantin – »ist langweilig genug, um echt zu wirken. Und wenn man sich die bunten Klamotten wegdenkt …«

So langsam dämmert mir, dass das vielleicht nicht nur ein geschmackloser Witz von ihm ist, und das macht mich unruhig. Denn mit irgendeiner dahergelaufenen Praktikantin eine Szene zu spielen, um sie ein bisschen zu provozieren, ist eine Sache. Aber meine Karriere ruinieren, damit sie ihr nichtssagendes Gesicht in eine Kamera halten kann? Ohne mich. Keine Chance.

»Alter, Ferris, mach mir keine Angst«, sage ich mit dem jovialsten Grinsen, zu dem ich gerade in der Lage bin. Ich vermeide, die Praktikantin anzusehen. Aber ich hoffe, dass sie sich unwohl fühlt. Das Beste wäre, sie würde selbst merken, dass das hier eine Nummer zu groß für sie ist.

»Ferne, kannst du dich mal im Profil zeigen?«, fragt Ferris. Er geht einfach über meinen Kommentar hinweg. Das passt mir nicht. Niemand geht über meine Kommentare hinweg.

»Lieber nicht«, sagt die Praktikantin, und kurz flackert mein Blick doch zu ihr. Braune Haare, die sie unordentlich hochgebunden hat, eine alberne gelb gepunktete Bluse mit Kaffeefleck, bunter Rock. Nur Farbe und Muster. Kein Style. Aber immerhin hat sie keinen Bock. Gut.

Ferris steht auf, geht auf sie zu, stellt sich vor sie und mustert sie von oben bis unten. »Wie würdest du Madison beschreiben?«, fragt er.

»Ähm …« Sie räuspert sich. »Ich habe sie immer als Girl next door gesehen, die sich von niemandem was gefallen lässt. Sie ist normal, damit die Zuschauerinnen sich mit ihr identifizieren können. Aber eben auch leidenschaftlich in dem, was sie tut, und ein No-Bullshit-Charakter, damit es nicht langweilig wird, oder? So irgendwie.«

»Mhm«, macht Ferris und betrachtet sie von allen Seiten. »Und du, Rio?«

Ist das sein beschissener Ernst? Ich will der Praktikantin eigentlich nicht zustimmen. Aber auch eine Praktikantin kann wohl eine Figur charakterisieren. Sie zu spielen, ist allerdings etwas ganz anderes. Wie man gesehen hat.

»Würdest du auch sagen, Madison ist ein Girl next door?«, fragt er nun.

Und fuck it. Was soll ich machen? »Ja, klar.«

»Und was sagt mehr Girl next door?«, fragt Ferris. »Ein B-Model mit gemachten Möpsen oder ein tatsächliches Girl next door?«

Obwohl es nicht gerade nett ist, Lidia als B-Model zu bezeichnen – vor allem nicht mit den neuen Brüsten, die mir sofort aufgefallen sind –, finde ich die Formulierung ganz amüsant.

»Schaut sie euch an.« Er nimmt ihr Kinn in die Hand, um sie zu präsentieren. »Sie hat ein absolutes Durchschnittsgesicht. Durchschnittshaare. Sie ist die perfekte Identifikationsfläche. Und sorry, aber was verursacht mehr Buzz? Lidia fucking Penning oder eine No-Name-Praktikantin?«

»Lidia fucking Penning«, sagen alle im Chor. Inklusive mir. Denn mit Lidia hatten Steve und ich Pläne. Die Liebesgeschichte vor der Kamera hätte zu einer Neuauflage unserer Liebesgeschichte für die Klatschpresse werden sollen, um mein Image wieder ein bisschen geradezurücken. Die Welt liebt Liebesgeschichten von attraktiven Menschen. Und die Welt hat mich und Lidia geliebt. Mit der Praktikantin würde ich mich höchstens ablichten lassen, wenn sie mich um ein Autogramm bittet. Aber auch dann wäre es medienwirksamer, sie wäre ein benachteiligter Teenager aus einem Problemviertel.

»Wenn ihr Lidia wollt, müsst ihr euch einen neuen Regisseur suchen. Ich will diese hier oder keine.«

Einen Moment herrscht Schweigen. Das meint er nicht ernst. Das kann er nicht ernst meinen. Das geht nicht. Aber Ferris meint es ernst. Er meint es tatsächlich ernst. Will er das Projekt schon ruinieren, bevor wir überhaupt mit dem Dreh angefangen haben?

»Ähm«, sagt die Praktikantin wieder, weil sie offenbar ein bisschen begriffsstutzig ist. »Ich will die Rolle nicht.«

»Sei nicht dumm, natürlich willst du die Rolle.«

»Ich will sie wirklich nicht.« Diesmal sagt sie es mit mehr Nachdruck. Und das ist das erste Mal, dass ich sie nicht einfach nur lästig finde.

»Jeder will Fame.«

»Ich nicht.« Sie hat zwar offensichtlich einen absoluten Knall, aber mir soll es recht sein. You go, Praktikantin! Lass dich nicht kleinkriegen!

»Schhhhh.« Ferris legt ihr den Finger auf den Mund, und sie wischt barsch seine Hand weg.

Witzig. Vor allem, weil ich mindestens eine Handvoll Schauspielerinnen kenne, die mit Ferris ins Bett gehen würden, um die Rolle zu kriegen. Nacheinander und miteinander.

»Bei einer Sache muss ich dir recht geben«, sagt Amanda. »Sie hat diese Girl-next-door-Ausstrahlung.«

»Könnt ihr aufhören, über mich zu reden, als wäre ich nicht im Raum?«, fragt die Praktikantin. Langsam kriegt sie ihren wenigen Biss zurück. Dann hat das hier hoffentlich bald ein Ende.

»Sorry, wie unhöflich«, sagt Ferris. »Du hast völlig recht. Wo sind unsere Manieren?« Er geht zur Tür, öffnet sie und bedeutet ihr mit einer Geste hinauszugehen. »Die Erwachsenen wollen sich unterhalten.«

»Ihr habt doch alle ’nen Knall«, murmelt sie, als sie an mir vorbeigeht und tatsächlich den Raum verlässt.

Ferris schließt die Tür wieder und sagt: »Das ist Madison.«

»Das ist definitiv nicht Madison«, sagt Steve. »Rio wird mit Sicherheit nicht an der Seite von irgendeinem No-Name spielen. Was ist das hier? Ein Kindergarten?«

»Je länger ich darüber nachdenke, desto vielversprechender finde ich es.« Fuck. Jetzt schwenkt auch noch Amanda um. Sogar Charlie nickt. Haben die alle den Verstand verloren?

»Und es wäre auf jeden Fall kostengünstiger«, wirft die dämliche Casting-Direktorin ein. Was ist ihr fucking Problem? Erst macht sie einen absolut beschissenen Job, und jetzt kriecht sie Ferris in den Arsch?

»Es wäre auch kostengünstiger, wenn Ferris Ryder spielen würde«, sage ich. Schließlich bin ich ihr verfluchter Star. Ohne mich keine Show. Und wenn das ihr Ernst ist und sie wirklich eine dahergelaufene Praktikantin casten, können sie sich gleich jemand anderen suchen. Dann bin ich raus. So was von.

»Sei keine Dramaqueen, Rio. Für dich ändert sich nichts. Im Gegenteil, neben der bunten grauen Maus stichst du noch mehr heraus. Betrachte es einfach als Wohltätigkeit.«

»Fick dich«, sage ich.

»Jeden Tag mehrmals. Aber das ist kein Thema für eine große Runde.«

»Dann müssen wir über einen saftigen Bonus verhandeln«, ergreift Steve das Wort, und es gefällt mir nicht, wohin sich das Gespräch bewegt, »wenn wir dieser Farce zustimmen.«

»Ferne«, korrigiert die Casting-Direktorin, und ich beginne, ernsthaft an ihrem Verstand zu zweifeln.

»Es stehen Kuss- und Nacktszenen im Vertrag. Die kosten mehr, wenn der Spaßfaktor wegfällt.« Gott sei Dank kann ich mich auf Steve verlassen.

Allerdings habe ich jetzt das traurige Bild im Kopf, wie die Praktikantin ihren mausgrauen Freundinnen kichernd bei einem Glas billigem Pinot Grigio davon erzählt. Na toll.

»Darüber können wir sprechen«, sagt Charlie. »Ich bin mir sicher, wir werden uns einig. Da ist ja jetzt ein bisschen Budget frei.«

Obwohl ich gegen mehr Kohle nichts einzuwenden habe, wäre es mir immer noch lieber, wir würden einfach Lidia die Rolle geben. Mit den neuen Brüsten habe ich sie schließlich noch nicht nackt gesehen. Da wäre der »Spaßfaktor«, wie Steve es nennt, definitiv hoch.

»Steve, können wir kurz unter vier Augen sprechen?«, frage ich. Mir geht das hier alles zu schnell, und so langsam habe ich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren.

»Du bist der Boss«, sagt Steve und steht auf. »Entschuldigt uns kurz.«

Als er die Tür von außen geschlossen hat, sage ich: »Alter, nein! Das ist eine völlige Wahnsinnsaktion von Ferris.«

Steve zuckt mit den Schultern. »Ich bin auch nicht gerade begeistert, das kannst du mir glauben. Es war anders abgesprochen.«

»Wie sieht das aus? Jetzt mal ernsthaft! Wohltätigkeit? Die können froh sein, dass ich ihnen ihr beschissenes Projekt nicht um die Ohren haue.«

»Na, na«, macht Steve. »Du bist und bleibst der Star. Das wissen die auch. Lass mich den Bonus klarmachen, dann ist es eine faire Nummer.«

Eigentlich geht es mir nicht so sehr ums Geld. Auch wenn nach der schlechten Presse in den letzten Monaten ein Filmprojekt weggefallen ist, brauche ich This is Our Time weniger, als This is Our Time mich braucht.

»Du bist der Boss«, sagt Steve erneut. »Wenn du keinen Bock auf das Farnmädchen hast, dann blasen wir es ab. Aber ich denke, du kannst davon profitieren. Nicht nur finanziell.«

Hinter uns räuspert sich jemand. Ich sehe mich um, und dort sitzt das Farnmädchen höchstpersönlich. Na großartig. Sie ist so unsichtbar, dass wir sie trotz leuchtender Bluse nicht mal wahrgenommen haben. Die perfekte Voraussetzung dafür, dass die Serie ein Erfolg wird, wenn sie dabei ist.

»Das Farnmädchen wird die Rolle nicht annehmen«, sagt sie und steht auf. »Ich habe es drinnen schon gesagt, und ich kann es gern noch mal wiederholen, damit ihr mir glaubt, dass nicht jeder Mensch auf dieser Welt wild darauf ist, Millionen von Instagram-Followern zu haben. Ich will hier einfach nur mein Praktikum machen. Okay? Leute kennenlernen, Kontakte knüpfen. Ich will Drehbücher schreiben, nicht mein Gesicht auf Netflix sehen. Das geht vielleicht in eure Köpfe nicht rein, aber so ist es.«

»Interessant«, sagt Steve. »Dann handle ich uns jetzt einen fetten Bonus aus, und dann sagt die Praktikantin ab. Wir machen gute Miene zum bösen Spiel, und sie ist diejenige, die den Plan dann ruiniert.«

»Bist du sicher?«, frage ich. Ich vertraue Steve. Blind. Aber ich vertraue der Praktikantin nicht. »Was, wenn sie lügt?« Es ist mir inzwischen egal, dass sie uns hören kann.

»Entschuldigung?«, fragt sie empört. »Ich lüge nicht. Wenn ich Bock auf die Rolle hätte, hätte ich sie schon angenommen.«

Das klingt einigermaßen logisch. Trotzdem kann ich mir nicht sicher sein. Ich sehe sie an. Studiere ihr Gesicht. Ulkige Nase, kleine Pausbäckchen, normale Standard-Lippen, die niemandem auf der Welt je in Erinnerung bleiben. Lidias Lippen wurden von einem Online-Magazin mal als »perfekte Blaselippen« betitelt. Und ja, sie hatten gar nicht mal unrecht. Doppelt schade also, wenn das mit der Promo-Fake-Beziehung nichts würde.

Die braunen Augen des Farnmädchens funkeln mich wütend an. Sie soll mal chillen. Sie hat schließlich keinen Ruf zu verlieren.

»No Pressure, Rio. Ich stehe hinter dir. Hundert Prozent. Aber strategisch ist es sinnvoller, wenn Ferris, Amanda und Charlie in deinem Team spielen.«

Das Farnmädchen hat sich inzwischen wieder hingesetzt und schmollt oder so.

»Ja okay. Dann lass es uns so machen. Aber wehe, du überlegst es dir anders, Praktikantin.«

»Mit jeder Sekunde, die ich dir zuhöre, wird es unwahrscheinlicher«, gibt sie zurück.

»Gehen wir wieder rein, machen sie zum Buhmann und vergessen die Sache«, sagt Steve. Und das klingt nach einer guten Idee.

»Rio ist einverstanden unter den vorher dargelegten Bedingungen«, sagt Steve, als wir zu dritt vor ihnen stehen.

»Mein Mann, Rio.« Ferris reibt sich die Hände. »Dann ist ja alles klar. Wir haben unsere Madison. Willkommen im Team, …«

»… Ferne«, sagt das Farnmädchen. »Aber sorry, ich will das nicht machen. Ich fühle mich geschmeichelt, dass ihr mir das zutraut, aber ich bin die Praktikantin, und das soll auch bitte so bleiben.«

»Willst du mich verarschen?«, fragt Ferris.

»Nein, und es tut mir leid, wenn ich euch enttäusche, aber ich bin keine Schauspielerin und habe auch keine Ambitionen in diese Richtung.«

Ferris schüttelt den Kopf. Und ich verstehe jetzt, dass Steves Idee genial war. Die Wut richtet sich nun gegen die Praktikantin. »Sorry, aber das ist keine Option.«

»Ihr könnt mich nicht zwingen.«

»Wir können dich nicht zwingen«, wiederholt Amanda. »Aber wir können dich dann leider auch nicht weiter als Setpraktikantin beschäftigen. Du solltest dir außerdem überlegen, welche Message das an Netflix sendet, aber das ist natürlich deine Sache.«

Ich stöhne innerlich. Warum müssen sie es so kompliziert machen?

»Euer Ernst jetzt?«, fragt sie. »Ich werde gefeuert, wenn ich nicht Madison spiele?«

»So sieht es leider aus. Wir können es uns nicht leisten, Leute zu beschäftigen, die nicht bereit sind, alles für This is Our Time zu geben.« Sie zuckt bedauernd mit den Schultern.

»Ich werde nicht mal bezahlt!«

»Na dann ist unser Angebot ja umso besser. Denn als Schauspielerin verdienst du sogar noch Geld.«

»Aber ich will nicht …«

»Ferne, richtig?« Ferris versucht, geduldig zu klingen. Leider ist er ein genauso schlechter Schauspieler wie die Praktikantin. »Du hast die Wahl. Du nimmst unser Angebot an, oder wir sorgen dafür, dass du nie wieder mit uns oder dem größten Streamer des Landes zusammenarbeiten wirst. Schlaf eine Nacht drüber, aber verschwende ansonsten nicht unsere Zeit. Klar?« Mit diesen Worten steht er auf und verlässt den Raum. Nach ihm Amanda, Charlie, die anderen. Izzy ist die Letzte und zuckt entschuldigend mit den Schultern, als sie an uns vorbeigeht. Zurück bleiben Steve, Ferne und ich.

»Wir werden uns dann ja wohl nicht mehr sehen. Hat mich sehr gefreut«, sage ich sarkastisch und strecke ihr die Hand hin. Sie ist ungesund blass geworden.

»Shit«, sagt sie.

Und als Steve und ich schon fast draußen sind, höre ich, wie sie noch »Das würden die nicht machen« murmelt. Und es klingt deutlich weniger überzeugt als noch vor ein paar Minuten.

3

 

 

»Uuuund? Wer spielt Madison?« Eric springt mir sofort entgegen, als ich meinen Wagen in die Einfahrt unseres Einfamilienhauses in Burbank lenke und den Motor ausstelle. Unsere Hündin Chaplin, eine völlig überdrehte Yorkshire-Terrier-Dame, rast zwischen Eric und meinem Auto hin und her.

Eric, für den ungefähr im März der Sommer beginnt, trägt nichts als kakifarbene Shorts, und seine nackten Füße klatschen auf dem Asphalt. So spärlich bekleidet wirkt er noch schlaksiger als ohnehin schon. Eric ist fünfzehn, hat sich vor einem Jahr geoutet und vor ein paar Monaten angefangen, wie verrückt zu wachsen, was ihm bei seiner neuesten Leidenschaft, dem Hürdenlauf, entgegenkommt. Und er ist emotional deutlich involvierter in This is Our Time als ich. Noch …

Ich seufze, schüttle wie automatisch den Kopf. Das ist doch absurd. Alles an diesem Tag ist absurd. Aber besonders die letzte Stunde im Studio. Auf der Fahrt habe ich mich gezwungen, alles wieder und wieder durchzugehen. Was war der Auslöser? Wo sind wir falsch abgebogen? Wie konnte ich in eine derart beschissene Situation geraten?

»Jetzt sag!«

Ich steige aus und lasse Chaplin einen Moment vor Freude völlig ausrasten. »Gib mir kurz eine Sekunde, um anzukommen.« Am liebsten würde ich mich erst mal eine halbe Stunde unter die lauwarme Dusche stellen. Aber Wasser ist in L. A. ein knappes Gut.

»Es ist Lidia Penning, oder? Ich wusste es. Sie hat das perfekte Netflix-Gesicht. Betty aus Riverdale meets Petra aus Jane the Virgin.«

Die Tür des einstöckigen Einfamilienhauses, das meine Eltern kurz nach meiner Geburt mit der Hilfe meiner Großeltern gekauft haben, steht offen, und Chaplin saust mit einem Affenzahn rein und dann, als Eric und ich ihr zu lange brauchen, wieder raus.

»Die Tür bleibt zu! Wie oft soll ich das noch sagen! Sonst pinkelt die Nachbarskatze wieder auf deine Schuhe, Eric.« Meine Mutter, der ich wie aus dem Gesicht geschnitten bin, taucht auf der Schwelle auf, die Arme in die Seiten gestemmt.

»Ich war nur kurz draußen«, mault Eric.

»Dann kannst du auch kurz die Tür zumachen. Chaplin, bleib.«

»Sorry.«

»Hi, Ferne. Wir wussten nicht, wann du kommst, deswegen haben wir schon gegessen. Aber ich kann dir den Auflauf schnell warm machen. Hattest du einen guten Tag?«

Ich zucke mit den Schultern. »Geht so.« Aber Geht so klingt, als sei nichts weiter vorgefallen. Wenn allerdings etwas in dieser Größenordnung vorfällt, sollte man vermutlich ein bisschen überschwänglicher sein. Egal, in welche Stimmungsrichtung.

Ich kicke meine Schuhe von den Füßen, gehe in die Küche, schaufle mir selbst ein bisschen Auflauf auf einen Teller und stelle ihn in die Mikrowelle. Als ich mich wieder umdrehe, stützen sich Mom und Eric erwartungsvoll auf die Kücheninsel und sehen mich an. Zu ihren Füßen winselt Chaplin, die wissen will, was sich oberhalb ihres Sichtfelds abspielt.

»Ihr seid freaky.«

Eric grinst. Mom lächelt. Dann zieht sie die Augenbrauen nach oben.

»Also … ähm …« Ich weiß nicht, wie man so was sagt. Fällt man mit der Tür ins Haus? Gutes Storytelling sieht anders aus. Aber das ist jetzt nicht der Moment für einen Spannungsbogen, fürchte ich. Deutlich verlegener, als ich mir wünschen würde, blicke ich auf die Arbeitsplatte und sage: »Sie haben mir die Rolle angeboten.«

»Hä?«, macht Eric.

»Ferne …« Mom glaubt mir kein Wort und verdreht die Augen. Ich kann es ihr nicht verübeln.

»Verarsch mich nicht. Ich weiß eh schon, dass es Lidia ist.«

»Lidia hat es nicht gebracht. Ferris ist ausgeflippt. Dann hat er mich genötigt, die Szene mit Rio zu spielen, um irgendwas Bescheuertes zu beweisen.«

»Nicht dein Ernst.«

»Was ist nicht ihr Ernst?« Dad kommt in die Küche, stellt sich zwischen Mom und Eric und legt seine Arme um beide.

»Ferne wird … ein Filmstar?«, quietscht Eric. Wobei das Quietschen daher kommt, dass sich seine Stimme überschlägt. Der Stimmbruch hat bei ihm später angefangen als bei seinen Mitschülern, und er hat immer noch nicht so richtig raus, wie er damit umgehen soll.

»Soso«, sagt mein Dad mit einem Schmunzeln. »Machst deinem Ruf als Geschichtenerzählerin wieder alle Ehre, hm?« Dad nennt mich Geschichtenerzählerin, seit ich mit ungefähr drei Jahren angefangen habe, mir wilde Abenteuer für meine Playmobil-Figuren auszudenken, die ich ihm jeden Abend beim Zubettgehen erzählt habe.

»Ich wünschte, es wäre so.« Die Mikrowelle piept, und ich nehme den Teller raus und stelle ihn auf den Tisch. Eric und Dad setzen sich zu mir, Mom holt noch einen Kanister mit Orangensaft aus dem Kühlschrank und schenkt mir ein Glas ein.

»Also haben die dir echt die Rolle angeboten? Ohne Scheiß?«, fragt Eric und hebt Chaplin auf seinen Schoß, obwohl sie am Tisch nichts verloren hat. Aber Mom und Dad sind offenbar zu überrascht von meinen Neuigkeiten, um etwas zu sagen.

»Jep.« Ich puste auf meine Gabel.

»Aber …« Dad bleibt der Mund offen stehen.

»Du bist doch gar keine Schauspielerin«, sagt Mom.

»Ich weiß.«

»Habt ihr etwa vergessen, wie brillant sie in Pygmalion war?«, fragt Eric.

»Sehr witzig«, sage ich, weil ich zwar an der Highschool tatsächlich in der Theater AG war, das aber so wenig mit Hollywood zu tun hatte wie Brendan Frasers – in meinen Augen unterirdisches – Remake von Die Mumie mit dem expressionistischen Horrorkultfilm aus dem Jahr 1932.

»Ich dachte, du willst Drehbücher schreiben«, sagt Dad.

»Will ich auch.«

»Ja, und jetzt?«

Bevor ich mir einen Bissen Auflauf in den Mund schieben kann, lasse ich die Gabel wieder sinken. Obwohl ich seit einem Bagel heute Mittag nichts mehr gegessen habe, merke ich gerade, dass ich keinen Appetit habe. Bescheuerter Ferris Linch, bescheuerte Producer. Bescheuerter Rio McQuoid. Bescheuertes alles.

»Ich will die Rolle nicht.«

Dad stößt erleichtert die Luft aus. Mom sieht mich erstaunt an. Eric reißt die Augen auf und ruft: »Bist du bescheuert?« Und ja, »bescheuerte Ferne« kann auch auf die Liste, schätze ich.

»Ich will einfach nur mein Praktikum absolvieren. Mein Studium fertig machen. Des Zufalls Schicksal schreiben.« Geld verdienen. Ausziehen.

»Und das wirst du«, sagt mein Dad voller Überzeugung.

»Das Problem ist nur …«

Drei Augenpaare sind auf mich gerichtet. Teils neugierig, teils skeptisch. In Erics Fall einfach nur aufgeregt.

»… die sagen, wenn ich die Rolle nicht annehme, brauche ich gar nicht wiederzukommen. Und dass sie es Netflix stecken werden.«

»Die wollen dich zwingen?«, fragt Dad. »Das ist ja unerhört!«

Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung. Sie sagen, wenn ich nicht alles für die Show gebe, habe ich im Team nichts verloren.«

»Du findest was anderes«, sagt Mom und streicht einmal über meine Hand.

Aber das ist es eben. Dieses Praktikum zu kriegen war wie ein Lottogewinn. Und jeder einzelne Kontakt, den ich knüpfe, wird mir helfen, das zu tun, was ich liebe. Ich kann es mir nicht leisten, diesen Job zu verlieren. Und ich kann es mir erst recht nicht leisten, den mächtigsten Streamer des Landes zu verärgern. Nicht, wenn ich meinen Traum leben will.

»Ferne?«, fragt Dad.

»Ich weiß doch auch nicht.« Aber ich glaube nicht, dass ich eine Wahl habe.

»Du weißt es nicht?«, fragt Eric ehrlich schockiert. »Hast du Fakt 7 nicht gelesen?«

Ich verdrehe die Augen, muss aber tatsächlich lachen. »Wenn du wüsstest, was Rio McQuoid für ein unausstehliches Arschloch ist.«

»Wenn jemand so heiß ist, muss er nicht mehr nett sein. Ich sage nur …« Doch statt tatsächlich etwas zu sagen, fährt er sich einmal langsam mit dem Daumen über die Lippen.

»Du weißt schon, dass er das geklaut hat, oder? Das ist genau die Geste, die Jean-Paul Belmondo in Außer Atem macht.«

»Musst du immer alles mit deinen Filmfakten ruinieren?«, fragt Eric stöhnend.

»Es spielt auch gar keine Rolle, wie heiß dieser Junge ist«, sagt Mom und wirft Eric einen tadelnden Blick zu. »Jeder sollte nett sein.«

»Und ich gebe dir eigentlich auch recht, Mom. Aber hast du Rio McQuoid mal gesehen?«

»Als wäre das wich…«

Eric schiebt ihr sein Handy hin, auf dem er offenbar ein Foto von Rio aufgerufen hat.

»Oh, haha. Ja, das ist tatsächlich ein Hübscher.«

»Mom!«, rufe ich. »Stopp!«

»Und er küsst so gut, dass man in Ohnmacht fällt.«

»Eric! Ebenfalls Stopp!«

»Was willst du denn jetzt tun?«, fragt Dad, wirft auch einen Blick auf Erics Handy und verzieht anerkennend den Mund. Steht jetzt meine gesamte Familie auf dieses aufgeblasene Aas?

»Das ist eine große Entscheidung«, sagt Mom.

»Ich weiß.«

»Sie macht es. Natürlich macht sie es.« Aber ich bin mir nicht sicher, ob jemand, der einen so ungesunden Crush auf Rio McQuoid hat wie Eric, überhaupt eine Meinung dazu haben darf.

»Es geht ja nicht nur darum, auf einmal Schauspielerin zu sein …«, sagt Dad.

»Was ich nie wollte«, gebe ich zu bedenken und stochere in meinem Auflauf.

»Pygmalion!«, wirft Eric ein, aber ich ignoriere ihn.

»Das betrifft dein ganzes Leben«, fährt Dad fort. »Es verändert dein ganzes Leben.«

»Ja, auf eine echt geile Weise«, sagt Eric.

»Aber so bin ich doch gar nicht. Ich will nicht Hunderttausende von Social-Media-Followern. Ich habe keine Lust, dass man im Internet Zehn Fakten über Ferne Resnik findet. Dass mein Privatleben in der Öffentlichkeit breitgetreten wird.« Die Schlagzeilen über Rios Eskapaden oder die Diskussionen über Lidias Boob-Job, die Eric mir ab und zu zeigt, sind abschreckend genug.

Dad nickt. »Das verstehe ich nur zu gut. All der Trubel. Das klingt grauenhaft.«

»Es klingt absolut mega!«, widerspricht Eric. »Jeder will berühmt sein.« Wie auf Kommando beginnt Chaplin, mit dem Schwanz zu wedeln.

»Du klingst wie Ferris.«

»Cool.«

»Das ist das Gegenteil von cool, Ferris ist genau so ein Arschloch wie Rio.«

Mom räuspert sich, weil sie es nicht leiden kann, wenn wir solche Worte verwenden. Schon gar nicht am Esstisch.

»Du scheinst ganz schön viele Leute für Arschlöcher zu halten«, sagt Eric, und Mom seufzt. »Vielleicht liegt es an dir.« Er grinst frech, und obwohl Eric unendlich nerven kann wie in diesem Moment, bin ich so froh zu sehen, dass es ihm nach den letzten Monaten, in denen er eine richtige Scheißzeit hatte, wieder besser geht.

»Das ist die Branche.« Ich zucke mit den Schultern. »Die macht aus Narzissten Narzissten mit zu viel Macht.«

»Und warum genau willst du dann in diese Branche?«, fragt Eric.

»Weil ich Geschichten erzählen will. Und weil ich will, dass diese Geschichten Menschen berühren.« Ich will die Geschichte meiner Urgroßeltern auf die Leinwand bringen. Die Geschichte von zwei jungen Menschen am Anfang des Zweiten Weltkriegs, die, ohne sich zu kennen, aus zwei benachbarten Dörfern im damaligen Jugoslawien in die USA emigrierten, um sich auf der Überfahrt Hals über Kopf zu verlieben. Bei ihrer Ankunft verloren sie sich aus den Augen, und nur durch einen Zufall trafen sie sich zwei Jahre später in Los Angeles wieder, wo sie nach nur zwei Monaten heirateten. Ich liebe diese Geschichte, die zeigt, wie zufällig unsere Existenz ist. Aber eben auch, wie schicksalhaft. Des Zufalls Schicksal eben.

»Und wenn du sie einfach mit deinem Gesicht berührst?«

»Das klingt creepy.«

»Aber es ist schon auch eine tolle Chance, oder?«, fragt Mom. »Und dass die dir das zutrauen? Also, da muss man schon sagen, das ist doch beachtlich. Du hast anscheinend etwas, das die gut finden, oder?«

Ich verkneife mir, ihr zu sagen, dass die Qualität, die von Ferris am stärksten hervorgehoben wurde, meine perfekt nichtssagende Girl-next-door-Mauerblümchen-Ausstrahlung ist. Denn es schlägt ungefähr in dieselbe Kerbe wie die Geschichte meines Vornamens. Der ist nämlich die Folge von Moms kleinem Post-Partum-Trauma nach meiner Geburt. Eigentlich wollte sie mich Lilly oder Rose nennen. Aber als die Ärzte mich nach der Geburt in ihre Arme legten, blieb das Wow-Erlebnis aus. Deswegen nannte sie mich Ferne. Weil ich in ihren Augen eben nicht schön wie eine Rose oder Lilie war, sondern so unscheinbar wie ein Farn. Nicht, dass diese Geschichte eine sonderlich große Wirkung auf mein Selbstwertgefühl hätte, weil man als Säugling glücklicherweise mit herrlicher Gleichgültigkeit gegenüber solchen Kleinigkeiten gesegnet ist, aber ich weiß, dass Mom sich deswegen manchmal schlecht fühlt, was sie dann mit beinahe manischer Positivität und ich mit bunten Klamotten überkompensiere. Und Ferris’ Worte sind für die Tonne und nichts, was überkompensiert werden sollte.

»Ich muss drüber schlafen.« Ich mache Anstalten aufzustehen.

»Du hast gar nichts gegessen.« Mom sieht mich besorgt an.

Also schaufle ich mir noch ein paar Gabeln Auflauf in den Mund. Den Rest stelle ich in den Kühlschrank und beruhige sie halbwegs damit, dass es bei solchen Castings immer jede Menge ungesundes Essen gibt.

 

Nach einer kurzen Dusche freue ich mich auf mein weiches Bett, auch wenn ich mir sicher bin, dass ich kein Auge zutun werde. Ich könnte Chloe, Marcello oder Leia (ja, ihre Eltern sind Star Wars-Fans) erzählen, was passiert ist. Sie um ihren Rat bitten. Immerhin studieren wir zusammen an der UCLA Drehbuch. Sie kennen meine Situation, verstehen, wie wichtig ein Fuß in der Tür ist. Aber ich bin zu müde. Emotional zu müde, um die ganze Geschichte noch mal zu erzählen. Und als ich die Tür zu meinem Zimmer öffne, sitzt dort ohnehin Eric auf meinem Bett. Chaplin liegt neben ihm, die Augen halb geschlossen.

»Was macht ihr denn hier?«, frage ich, während ich mir mit dem Handtuch durch die Haare rubble.

»Dich zur Vernunft bringen«, sagt Eric und krault Chaplin zwischen den Ohren.

»Haha, was?«

»Ich weiß, meine Argumente unten waren nicht gerade die stärksten. Aber ich habe auch noch bessere. Willst du sie hören?«

Ich setze mich auf mein Bett, nehme die Body Lotion von meinem Nachttisch und beginne, meine Arme und Beine einzucremen. »Dann schieß los.« Auch wenn er wohl kaum etwas sagen wird, was ich nicht auch schon gedacht habe.

»Du hast selbst gesagt, du bist ganz unten in der Nahrungskette. Dass die dich herumschubsen und du der Depp vom Dienst bist. Wenn du Madison spielst, dreht sich das um.«

»Oder ich bleibe der Depp, weil ich nicht schauspielern kann, den Betrieb aufhalte und mich jeden Tag von Neuem bis auf die Knochen blamiere.« Es ist eine Sache, nach einer Pflanze benannt zu sein, die niemand wahrnimmt. Eine andere, im Gegensatz zu allen anderen um einen herum unscheinbar zu sein, weil man kein verdammter Star ist. Aber eine ganz neue Sache wäre es, unscheinbar zu sein und gleichzeitig negativ aufzufallen. Every girl’s dream.

»Du hast dich so über das Praktikum gefreut. Nicht weil du die Serie so toll findest oder in Rio McQuoid verknallt bist, sondern weil dich das näher an deinen Traum bringt. Schau dir mal dein Zimmer an.« Er zeigt auf die alten Filmplakate, mit denen meine Wand tapeziert ist. Der dritte Mann neben Die Reifeprüfung.Der Pate neben Psycho. Denn sie wissen nicht, was sie tun neben Der Clou. »Seit ich denken kann, redest du darüber, dass du Filme machen willst. Das gesamte letzte Jahr hast du versucht, an genau so ein Praktikum zu kommen. Und jetzt hast du die Chance, noch mehr Eindruck zu machen als als Praktikantin. Vielleicht solltest du nicht so viel darüber nachdenken, welche Türen sich schließen, wenn du es nicht machst, sondern eher, welche Türen es öffnet, wenn du es machst. Auch bei Netflix.«

Ich zucke mit den Schultern. Ich weiß genau, dass er recht hat.

»Was meinst du, wie nah du an deinem Traum dran wärst, wenn dich auf einmal jeder kennt?«

»Aber wegen etwas ganz anderem.«

»Du hast Angst davor, dass sich dein Leben ändert. Aber es kann ja auch sein, dass es sich zum Guten ändert. Dass es ein richtig cooles Abenteuer wird. Schau dir den Cast von Shadow and Bone an. Das ganze Internet ist voll davon, was die für eine gute Zeit haben, wenn sie zusammen drehen.«

»Du verbringst zu viel Zeit auf Social Media«, sage ich. »Das ist ungesund und toxisch und redet dir Minderwertigkeitskomplexe ein. Und außerdem wäre ich da die absolute Außenseiterin, Eric.«

»Es ist nicht nur schlecht, ein Außenseiter zu sein.«