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Nach einem Burnout beginnt der 78-jährige Erasmus Eisenblätter ein Einsiedlerdasein in Böllstein im Odenwald. Den Kontakt zu seiner in Frankfurt lebenden Familie blockiert er bewusst. Nur seine 18-jährigen Enkel, die Zwillinge Josef und Friedrich, dürfen ihn besuchen. Zu seinem 80. Geburtstag erscheinen die beiden, um mit ihm einen "3-Generationen-Fragenkatalog" abzuarbeiten. Mit einem "Glückspfeil-Geschenk" versuchen sie, ihr einziges Großelternpaar wieder zu vereinen. Großvater und Enkel erleben ein spannendes Wochenende voller Überraschungen.
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Horst Pape
Umwelt-Opa Erasmus
Erzählung vom Großvater und seinen Enkeln
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© 2021 Horst Pape
Verlag und Druck:tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-37464-5
Hardcover:
978-3-347-37465-2
e-Book:
978-3-347-37466-9
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Kapitel-Verzeichnis
1. Der Besuch der Enkel
2. Die Enkel haben einen Plan
3. Über 30 Fragen - Erasmus bleibt keine Antwort schuldig
4. Erasmus öffnet das geheimnisvolle Geschenk
5. Eine Überraschung kommt selten allein
6. Ein unerwarteter Telefonanruf
7. Retten die Enkel das Familienglück?
8. Der Glückspfeil zeigt Wirkung
9. Wird Oma kompromissbereit?
10. Zieljustierung für den Glückspfeil
11. Volltreffer zum Glück
12. Wiedersehen macht Freude
Danksagung
Ein herzlicher Dank gebührt meiner Schwiegertochter, Karen Krebs, die als Amateur-Lektorin den Formulierungen und der Interpunktion den letzten Schliff gab.
Kapitel 1
Der Besuch der Enkel
Es begann zu regnen, dunkle Gewitterwolken und fernes Donnergrollen ließen den geistig regen, bärtigen, grauhaarigen Erasmus Eisenblätter im einsam gelegenen Elternhaus in Böllstein im Odenwald - ein wahrer Ort der Besinnung - unruhig werden. Wie jedes Jahr am 9. September, seinem Geburtstag, erwartete Erasmus den Besuch seiner Enkel Josef und Friedrich. Nur zu den beiden achtzehnjährigen Zwillingen hatte er noch familiären Kontakt.
Seine Frau Eulalia hatte er vor zwei Jahren ohne Streit verlassen. Erasmus, ein durchweg lebensbejahender, lustiger Typ, hatte sich von einem Tag auf den anderen dafür entschieden, nur noch vegetarisch zu essen sowie ohne Fernseher, Telefon und Auto auszukommen. Damit wollte und konnte Eulalia nicht leben, es war ein Schock für sie, hatten sie immerhin zweiundfünfzig glückliche Ehejahre miteinander verbracht und nach der Pensionierung mit vielen spannenden Reisen, Museums-, Theaterbesuchen und gemeinsamen Wanderungen mit Freunden Versäumtes nachgeholt.
Bevor Erasmus, diesen für Eulalia und die Familie seines jüngeren Sohnes Karl schwer nachvollziehbaren Entschluss fasste, war er über zweiundvierzig Jahre ein erfolgreicher Angestellter eines Warenhausunternehmens. Für ihn hatten während dieser Zeit die Belange seines Arbeitgebers stets oberste Priorität, für die Familie war seiner Meinung nach die Frau zuständig, er sorgte für die wirtschaftliche Grundlage dieser Gemeinschaft.
Erasmus geriet in eine Phase des Umbruchs, andere Dinge beschäftigten ihn, bereiteten ihm Sorge, wie z.B. soziale Ungerechtigkeiten, die Energie- und Verkehrspolitik in Deutschland, die enormen Flüchtlingsströme nach Europa aus Ländern, in denen kriegerische Auseinandersetzungen oder Hungersnöte herrschten. Auch sein persönliches Verhalten hinsichtlich des Umwelt- und Klimaschutzes stellte er in Frage. Und immer öfter kreisten seine Gedanken um den verlorenen, erstgeborenen Sohn Justus.
Sein Positivgen, das ihn bisher beflügelte, war plötzlich ins Gegenteil umgeschlagen.
Aus Verzweiflung sehnte sich Erasmus nach Einsamkeit, Ruhe und Selbstfindung. Er fand sie im Elternhaus, dessen Obergeschoss nach dem Tod seines Vaters Friedhelm vor einunddreißig Jahren seiner Familie als Wochenendbleibe diente. Sehr zur Freude seiner Mutter Maria, die ihren Lebensabend im Parterre des Hauses in ihrer gemütlichen Wohnung verbringen konnte. Sie starb im hohen Alter von siebenundneunzig Lenzen sechs Jahre zuvor.
Es war ein rustikales Heim in Hanglage, fast völlig von Mischwald umgeben. Vom großen Balkon an der Frontseite hatte man einen herrlichen Blick über die Hügellandschaft des Odenwaldes. Innen gelangte man in die Diele in Küche, Ess-, Wohn-, Schlaf- und Badezimmer. In der oberen Etage befanden sich zwei Zimmer mit Bad und kleinem Balkon. Vom Keller, in dem sich Heizung, Waschküche, Hobbyraum mit Werkbank und Sauna befanden, gelangte man auf eine idyllische Terrasse mit rustikaler Sitzgruppe und Springbrunnen. Neben dem Kellerausgang und einem Stapel Kaminholz hatte Erasmus einen Hühnerstall errichtet und den Gemüsegarten nach seinen Vorstellungen angelegt. Für die Wasserversorgung hatte sein Vater eine Grundwasserpumpe anlegen lassen, was Erasmus inspirierte, auch Waschmaschine und Dusche damit zu versorgen. Seinen Drahtesel, der ihn schon während seiner Lehrzeit in Frankfurt werktäglich zum Bahnhof nach Bad König und zurück gebracht hatte, hatte Erasmus wieder fahrtüchtig gemacht, um lebensnotwendige Besorgungen im drei Kilometer entfernten Zentrum des Dorfes zu tätigen.
Erasmus Eltern, Maria und Friedhelm, waren unmittelbar nach seiner Schulzeit von Dortmund in diese gottverlassene Gegend umgezogen, weil Friedhelm seinen gefährlichen Beruf als Bergarbeiter auf Marias Wunsch nach einem Unfall unter Tage aufgegeben und eine Arbeit in der Forstwirtschaft in Erbach im Odenwald angenommen hatte. Damit hatte sich Friedhelm einen Jugendtraum erfüllt.
Nach einer Lehre als Großhandelskaufmann in Frankfurt hatte Erasmus in einem Warenhauskonzern in derselben Stadt angeheuert. Hier lernte er auch Eulalia kennen und lieben. Sie heirateten 1959 und zogen nach Frankfurt-Niederrad. Zwei Söhne, Justus und Karl, bereicherten das Familienglück. Während Justus, der Erstgeborene, nach abgebrochenem Studium der Landschaftsarchitektur mit einem Freund nach Amerika ausgewandert war, und die Eltern nie wieder etwas von ihm gehört hatten, lebte Karl, mittlerweile selbständiger Einzelhandelskaufmann, mit seiner Frau Herta und den Kindern Josef und Friedrich im selben Haus in Niederrad, das zwischenzeitlich ihr Eigentum geworden war.
Ob Erasmus Abnabelung von seiner Familie ein vernünftiger Entschluss war, darüber ließ er keine Zweifel aufkommen. Er hatte Eulalia und Karl sogar Besuchsverbot erteilt, da er keine Lust auf ihre kritischen Blicke und Kommentare verspürte. Er genoss seinen Schlendrian in vollen Zügen.
Seine Enkel Josef und Friedrich liebten ihren Opa sehr. Als Kind hatten sie so manchen abenteuerlichen Spaziergang durch Wald und über Wiesen gemacht. Viele spannende Geschichten aus seinem Leben gehört. Sie schätzten seinen Scharfsinn und seine Objektivität. Wann immer sie wollten, durften sie zu Besuch kommen doch Erasmus war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob die kindliche Loyalität der beiden zwischenzeitlich unter dem Einfluss des Elternhauses stand.
Das Gewitter tobte in diesem Moment über Erasmus Haus, als Josef und Friedrich, die blondgelockten, sportlichen und selbstbewussten Zwillinge, triefend nass und ohne anzuklopfen ins Haus stürmten. Sie wussten, dass ihr Opa die Haustür grundsätzlich nie abschloss. Ein Strahlen huschte über Erasmus glattes, bärtiges Gesicht, weil er ahnte und hoffte, wer die Eindringlinge waren. Noch bevor sie sich ihrer durchnässten Klamotten entledigten, ertönte laut und wenig melodisch von der Diele: „Happy Birthday to You.“ Voller Freude erhob sich Erasmus aus seinem am Fenster stehenden Schaukelstuhl und ging schnellen Schrittes in den Flur. „Hallo, ihr Bengel, habt euch wieder wie in alten Tagen ans Haus angeschlichen, damit ich euch vom Fenster aus nicht sehen konnte.“ „Stimmt, Opa, aber zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem 80. Geburtstag und weiterhin alles Gute, bleibe gesund!“, sprach Josef, während er seinen Opa umarmte und herzlich drückte. „Du bist ja schon genauso groß wie ich“, wunderte sich Erasmus, während sich Friedrich den Worten seines Bruders anschloss und dem strahlenden Opa ein kleines Päckchen übergab, das für die beiden „das“ Glückspfeil-Geheimnis war. „Der Inhalt soll eine besondere Überraschung für dich sein, hoffentlich gefällt sie dir“, lächelte Friedrich verschmitzt. „Herzlichen Dank, da bin ich aber gespannt. Jetzt zieht euch erstmal um, Unterwäsche, alte Hosen und Hemden findet ihr in eurem Schrank im Kinderzimmer“, freute sich Erasmus.
Der Größenvergleich mit Josef wurmte Friedrich. „Opa, ich gehe erst, wenn du festgestellt hast, dass ich auch so groß bin wie du“, empörte sich Friedrich, und stellte sich demonstrativ neben seinen Opa. „Du hast Recht, ihr beide habt eine Länge, aber über die Größe entscheidet die Nachwelt“, lachte Erasmus.
Kapitel 2
Die Enkel haben einen Plan
Im Räuberzivil vom letzten Jahr, das ihnen noch passte, und frisch geduscht saßen nun Josef und Friedrich mit ihrem Opa im Esszimmer. Das alte Gemälde eines röhrenden Hirsches hing schon sechzig Jahre über der Anrichte, es stammte noch aus Dortmund.
Zum Mittagessen hatte Erasmus die Lieblingsspeise seiner Enkel angerichtet, Speckpfannkuchen. Erasmus als Vegetarier bevorzugte sie mit Äpfeln. Während die lecker duftenden Pfannkuchen verzehrt wurden, erzählten die Zwillinge, dass es ihren Eltern und Oma Eulalia gut gehe, die Zugfahrt von Frankfurt nach Bad König kurzweilig, aber der Fußmarsch zu Erasmus verdammt anstrengend gewesen sei, weil sie unbedingt vor dem Gewitter bei ihm sein wollten und einen Schritt schneller gegangen seien als gewöhnlich. „Warum habt ihr kein Taxi genommen“? , fragte Erasmus, der diesen anstrengenden Weg noch gut aus seiner Lehrzeit in Frankfurt kannte. „Der Schulbus hat uns bis nach Brombachtal mitgenommen, für die letzten paar Kilometer wollten wir uns das Taxengeld sparen“, antwortete Friedrich. „Jungs, das spricht für eure Sparsamkeit“, lobte Erasmus.
Als Dessert gab es Erdbeeren a la Erasmus mit gehacktem grünem Pfeffer, Limettensaft und Joghurt. „Opa, du hast mal wieder ein köstliches Mahl für uns bereitet, vielen Dank“, sagte Josef. Friedrich nickte zustimmend, während Erasmus zur Feier des Tages einen Sektkorken knallen ließ. Seine mittlerweile achtzehnjährigen Enkel ließen ihren Opa euphorisch hochleben.
Josef und Friedrich hatten sich für diesen Tag vorgenommen, die Erzählfreude ihres Opas in besonderem Maße herauszufordern, zu gern hörten sie ihn mit seiner sonoren Stimme reden und argumentieren. Mit Unterstützung ihrer Eltern hatten sie in den zurückliegenden beiden Wochen einen umfangreichen Fragenkatalog zusammengestellt und einen Glückspfeil-Plan ausgearbeitet, um zu versuchen, Opas Kontakt zu ihrem Elternhaus und Oma Eulalia wieder zu beleben. Bei passender Gelegenheit wollten sie mit der Aktion starten.
Zunächst fragte Erasmus nach Neuigkeiten: „Sagt mal, wie ist denn euer Abitur ausgefallen, und wie stellt ihr euch eure Zukunft vor?“ Josef erwiderte, dass seine Abi-Note eine glatte drei sei, und er gerne BWL studieren wolle, aber vorher auf Anraten seines Vaters noch ein Jahr im Sozialen Dienst tätig sein solle. „Woran denkst du dabei“?, wollte Erasmus wissen. „Entweder in der Altenpflege oder in der Uni-Klinik in Frankfurt, genau habe ich mich noch nicht festgelegt“, antwortete Josef. Friedrich konnte stolz eine zwei als Abi-Note präsentieren, hatte aber noch keine Zukunftspläne. Er meinte: „Ich habe jetzt lange genug die Schulbank gedrückt und gebüffelt, ich möchte mir erstmal eine Auszeit nehmen, bevor ich ein Studium beginne.“ „Was meinst du mit einer Auszeit“?, fragte Opa erschrocken. „Ich möchte ein Jahr durch Europa trampen, möchte die Menschen und ihre Gewohnheiten, ihre Kultur, ihre Art zu denken näher kennenlernen, vielleicht bekomme ich dabei auch eine Idee für mein Studium.“ „Hört sich besser an, als ich es befürchtete“, war Opas Reaktion und fuhr fort: „Wenn ich mich recht erinnere, hattest du schon immer ein Faible für das Leben in und mit der Natur, und dir traue ich zu, ein positiver Mosaikstein für eine bessere Welt zu werden.“ „Danke, Opa, aber mein Bruder wird der zweite Mosaikstein sein, denn wir beide sind bemüht, von dir zu lernen.“ und ergänzte: „Es hat aufgehört zu gewittern, ein Rundgang durch deinen Garten wird uns bestimmt guttun. Ist dir das recht, Opa?“ „Na klar, nur raus aus den Puschen und rein in die Holzschuhe“, war Opas klare Ansage.
Erasmus hielt sich durch tägliche Gymnastik und Ausdauertraining auf dem Hometrainer in Form. Er trug einen alten Trainingsanzug; die Zwillinge hatten ihn noch als stets elegant sportlich gekleideten Pensionär in Erinnerung.
Im Haus war unverkennbar, dass Staubwischen und Ordnung halten nicht Opas Stärken waren, der Garten war ein Prunkstück für Liebhaber sich selbst überlassener Naturparadiese, all dies fanden Josef und Friedrich stinknormal. Mit den Ansichten ihrer Eltern waren die beiden diesbezüglich eh nicht immer einer Meinung.
„Jetzt müsst ihr euch meine neueste Errungenschaft ansehen, denn seit eurem letzten Besuch vor drei Monaten hat sich schon wieder etwas verändert“, frohlockte Erasmus und ging mit den beiden in die Nähe des Hühnerstalls. „Schaut mal, mein neuestes Prachtstück in meinem Paradies!“ Er zeigte auf ein schneeweißes Kaninchen, das in einem kleinen Gehege genüsslich an einer Mohrrübe knabberte. „Wie bist du denn jetzt noch auf diese Idee gekommen“? , fragte Friedrich erstaunt. „Als ich neulich bei meinem Freund Ludwig auf dem Bauernhof war, hüpfte mir Hansi im Kuhstall entgegen. Ich erinnerte mich sofort an die Flucht aus Schlesien. Damals musste ich mich von meinem geliebten Hansi unter Tränen verabschieden. Das und meine Fluchterlebnisse erzählte ich dem interessierten Ludwig und zu meiner Überraschung schenkte er mir Hansi.“ „Ich befürchtete schon, dass Hansi der nächste Sonntagsbraten wird“, scherzte Josef, der Opas vegetarische Lebensweise mittlerweile kannte.
„Josef, schlauer Bruder, da gibst du mir ein Stichwort“, sagte Friedrich und fragte seinen Opa: „Wie und wovon ernährst du dich in deinem, wie du immer so schön sagst, Paradies?“
„Als Vegetarier benötige ich nur die Grundnahrungsmittel, wie Wasser, Gemüse, Obst, Vollkorngetreide und Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Nüsse pflanzliche Öle und Fette, Milch und Käse, sowie Eier.“ „Nun könnt ihr mir bestimmt verraten, was meine Umgebung davon nicht hergibt?“ Josef reagierte schnell und antwortete: „Opa, das können nur pflanzliche Öle, Fette und Käse sein, alles andere hast du im Wald, in deinem Garten und im Hühnerstall.“ „Du hast Recht, dafür und für andere Kleinigkeiten, wie Waschmittel etc. fahre ich einmal im Monat mit meinem Fahrrad ins Dorf, um sie zu besorgen.“ „Aber wie verarbeitest du die Lebensmittel“? , wollte nun Friedrich wissen.
„Ihr könnt euch bestimmt daran erinnern, dass ich eure Oma zuhause einmal in der Woche vom Küchendienst befreite. Das war kurz nach meiner Pensionierung, und nachdem ich einen Kochkursus für Männer in der Volkshochschule besucht hatte. Ohne Grundkenntnisse im Kochen hätte mich übrigens meine pingelige Eulalia nie an ihren Herd gelassen.
Hier im Küchenregal meiner Eltern entdeckte ich zu meiner Freude Dr. Oetkers Back- und Kochbuch meiner Mutter. So konnte ich mir auch Speisen aus meiner Kindheit zubereiten. Euer heutiges Mittagessen stammt auch aus diesem Kochbuch.“
„Kompliment, Opa, nicht nur Oma hast du vorzüglich bekocht, sondern jetzt auch uns, das hatte ich dir nicht zugetraut“, meinte Friedrich. „Jungs, das hatte Oma auch verdient, nachdem sie den ganzen Haushalt über vierzig Jahre alleine im Griff hatte.“
„Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, dass ich hier niemals über Langeweile klagen muss, obwohl ich weder Radio noch Fernseher oder Telefon besitze?“
„Nein, Opa, mit wem redest du denn, wenn nicht mit uns“? ,fragte Josef neugierig.
„Da ist die ältere Dame, Brunhilde, im Dorfladen, mit der ich schon während meiner Lehrzeit flirtete, mal ein Spaziergänger, der sich hierher verläuft, der Förster oder Bauer Ludwig. Aber damit ich das Reden nicht verlerne, spreche ich mit Gott und der Natur, mit meinen robusten, zutraulichen Lachs-Hühnern, die alle sechs einen Namen haben, mit den Blumen, Bäumen, Vögeln und den Rehen, die sich ab und zu hier blicken lassen.“ „Aber das ist auf Dauer doch langweilig, Opa, du bekommst doch keine Antworten“, war Josef überzeugt. „Da irrst du dich, Josef, mit etwas Fantasie höre ich am Gackern von Lisa, meinem ältesten Huhn, dass sie wieder ein Ei gelegt hat, und ich bedanke mich bei ihr. Meinem Hansi erzähle ich Geschichten aus Schlesien, und er nickt unentwegt. Wenn ich morgens vom Vogelgezwitscher geweckt werde, gehe ich ans offene Fenster, erfreue mich des neuen Tages und bedanke mich bei den Vögeln. Wenn nach einem langen, kalten Winter die Bäume und Sträucher im Frühjahr wieder ausschlagen, wandere ich durch den Wald und bete laut, dass sie auch dieses Jahr ohne Klimaschäden überstehen. Und jedem Würmchen, das ich beim Umgraben des Gemüsegartens entdecke, zolle ich Anerkennung, weil es den Boden durchmischt, belüftet und stabilisiert, zusätzlich verbessern die Tiere mit ihren Ausscheidungen die Erde. Wenn dann im Frühjahr die Aussaat im Gemüsegarten erste Keime sprießen lässt, und sie mir im Sommer und Herbst Früchte beschert, dann bin ich der glücklichste Mensch dieser Welt. So könnte ich euch noch hunderte Dinge der Natur aufzählen, die euch vielleicht spleenig vorkommen, in mir aber immer wieder Dankbarkeit und Demut hervorrufen. Denkt einmal darüber nach!“