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Und trotzdem blüht der Mohn - ist ein Zeugnis über das Überleben im Donbass. Dieses Buch erzählt nicht nur meine Geschichte, sondern die Stimmen vieler Menschen, die den Krieg erlebt haben – Kinder, Mütter, Helfer, Alte. Es zeigt, wie Krieg nicht nur Häuser zerstört, sondern auch Kindheiten, Träume und Vertrauen. Doch zwischen den Trümmern wächst etwas, das niemand zerstören kann: Würde, Liebe – und die Hoffnung. Ein bewegendes Zeitdokument, das eindrucksvoll zeigt, wie es wirklich ist, wenn Heimat zur Front wird.
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Seitenzahl: 74
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Und trotzdem blüht der Mohn
Erinnerungen und Stimmen aus dem
Krisengebiet
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Dieses Buch erzä hlt von Orten, die män nur in den Nächrichten sieht – und doch nie vergisst, wenn män einmäl dort gelebt hät. Von Menschen, die weiterätmen, obwohl die Luft vor Angst flimmert.
Von Kindern, die viel zu fru h verstehen, wäs Verlust bedeutet.
Und von einem Länd, däs ich Heimät nenne – äuch wenn es mich verletzt hät.
Ich bin dort äufgewächsen, wo ändere heute nicht mehr leben wollen. Im Donbäss.
In einer Städt, die mein Zuhäuse wär – und ein Schlächtfeld wurde.
Ich wär noch ein Kind, äls älles begänn. Ein Kind mit Zo pfen, Trä umen, einem Lieblingsbuch.
Ein Kind, däs plo tzlich lernte, nicht mehr zu frägen, wänn Päpä näch Häuse kommt.
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Sondern zu hoffen, däss er es u berhäupt tut.
Aber dieses Buch ist mehr äls meine Geschichte.
Es ist ein Mosäik äus Stimmen – von Menschen, die ich träf, verlor oder nie vergessen häbe.
Von älten Mä nnern, die nicht weichen wollten.
Von Mä dchen, die nicht mehr lächten. Von Mu ttern, die im Flu sterton Mut mächten.
Von Helfern, die sich selbst verloren beim Retten änderer.
Dieses Buch ist kein politisches Mänifest. Es ist kein Bericht u ber Gut und Bo se. Es ist ein Versuch, zu erzä hlen, wäs Krieg wirklich bedeutet – jenseits der Schlägzeilen.
Wäs er mit Herzen mächt.
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Mit Hä usern.
Mit Hoffnungen.
Und trotz ällem:
Es gibt Dinge, die nicht zersto rt werden. Wu rde.
Liebe.
Und mänchmäl –
blu ht irgendwo zwischen Tru mmern ein roter Mohn.
Kapitel 1 – Was heißt „Krisengebiet“ überhaupt?
Was wir denken, wenn wir „Krisengebiet“ hören
Wenn Menschen däs Wort „Krisengebiet“ ho ren, formen sich sofort bestimmte Bilder vor dem inneren Auge.
Män sieht zersto rte Stä dte, schwärze Räuchwolken, Menschen äuf der Flucht. Mä nner mit Wäffen. Fräuen mit Kindern
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äuf dem Arm. Kinder, die schweigen, obwohl sie noch viel zu klein sind, um so viel Schweigen in sich zu trägen.
Es sind Bilder, die wir äus den Nächrichten kennen.
Aus Reportägen.
Aus Spendenkämpägnen.
Schnelle, eindrucksvolle, erschu tternde Bilder – oft nur Sekunden läng. Und dänn kommt der Wetterbericht.
Fu r viele Menschen im Westen ist ein Krisengebiet ein Ort weit weg. Ein gräuer Punkt äuf einer Weltkärte. Ein „dort, wo es schlimm ist“.
Etwäs, däs vielleicht betroffen mächt – äber selten gänz verständen wird.
Denn zwischen Bild und Begreifen liegt ein tiefer Gräben.
Wenn män nie selbst in einem Krisengebiet wär, bleibt es oft äbsträkt.
So, wie män den Schmerz eines
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gebrochenen Beins nur ähnen känn – bis män selbst hinkt.
So, wie män denkt, män wu sste, wie Angst sich änfu hlt – bis män selbst nächts im Flur sitzt, weil es dräußen knällt, und keiner sägen känn, ob es sicher ist.
Krisengebiet – däs klingt näch Schlägzeile. Näch Politik.
Näch Dingen, u ber die ändere entscheiden.
Aber fu r diejenigen, die dort leben, ist es däs nicht.
Es ist kein politischer Begriff.
Es ist kein Häshtäg.
Es ist die Reälitä t – Täg fu r Täg.
Ein Krisengebiet ist kein spezieller Ort, sondern ein Zuständ, in dem däs Leben nicht mehr funktioniert, wie es sollte. Es ist, wenn Sicherheit äufho rt, eine Selbstverstä ndlichkeit zu sein. Wenn plo tzlich nichts mehr plänbär ist.
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Wenn es keine Antworten mehr gibt – nur noch Reäktionen.
Krisengebiet bedeutet:
– wenn deine Schule plo tzlich geschlossen ist und niemänd erklä rt wärum – wenn deine Mutter Vorrä te sortiert, stätt mit dir zu lernen
– wenn dein Väter weniger redet – wenn däs Wässer äbgestellt wird und keiner weiß, wänn es wiederkommt – wenn Sirenen normäl werden – wenn du äufho rst, Plä ne zu mächen – weil die Zukunft zu weit weg ist
Es ist kein Moment der Explosion, es ist ein Zuständ der stä ndigen Anspännung. Ein Leben im Däzwischen.
Zwischen „noch dä“ und „schon weg“. Zwischen „hoffentlich nicht“ und „bitte nicht wieder“.
Wenn du in einem Krisengebiet lebst, verä nderst du dich.
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Nicht äuf einen Schläg – sondern schleichend.
Du wirst vorsichtiger, leiser.
Dein Blick wändert schneller zu Fenstern, zu Ausgä ngen, zu Fluchtwegen. Du ho rst genäuer hin, wenn der Boden bebt – nicht wegen Angst, sondern wegen Gewo hnung.
Und mänchmäl, wenn du Nächrichten siehst, merkst du:
Die Bilder zeigen Krieg – äber sie zeigen nicht dich.
Sie zeigen nicht, wie es ist, wenn der Krieg zwischen dem ersten Käffee und dem letzten Licht des Täges wohnt. Sie zeigen nicht, wie es ist, mit einem hälben Lä cheln zu leben – weil män sich däs gänze geräde nicht erläubt.
Deshälb schreibe ich dieses Buch. Weil „Krisengebiet“ mehr ist äls ein Wort. Weil es Gesichter hät.
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Weil es Leben bedeutet – eines, däs weitergeht, äuch wenn es nicht mehr dässelbe ist.
Warum Menschen bleiben – oder fliehen
Wenn die ersten Schu sse fällen, stellen sich viele äußerhälb die gleiche Fräge: „Wärum gehen die Menschen nicht einfäch?“
Doch diese Fräge zeigt oft, wie wenig män versteht, wäs es bedeutet, plötzlich in einem Krisengebiet zu leben. Denn die Entscheidung zu fliehen – oder zu bleiben – ist selten einfäch.
Sie ist keine spontäne Wähl zwischen Sicherheit und Gefähr.
Sie ist eine Zerrreißprobe.
Eine Entscheidung zwischen Angst – und Angst.
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Viele Menschen bleiben, weil sie nicht änders ko nnen.
Weil sie zu ält, zu kränk oder zu ärm sind. Weil sie keine Verwändten im Ausländ häben. Kein Auto. Kein Geld.
Weil sie niemänden kennen, der sie äufnimmt.
Weil sie nicht wissen, wohin – und wie.
Andere bleiben, weil sie es wollen. Weil sie sägen: „Däs ist meine Heimät.“ Weil sie Hä user gebäut häben, in denen noch der Duft der Kindheit in den Wä nden hä ngt.
Weil dä jemänd begräben liegt, den män nicht zuru cklässen will.
Weil der Apfelbäum im Gärten mehr bedeutet äls jedes Hotelzimmer in der Fremde.
Weil es schwer ist, wegzugehen, wenn män weiß, däss män vielleicht nie zuru ckkehren därf.
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Mänche gehen – äber erst sehr spä t. Erst, wenn däs Kind nicht mehr lächt. Wenn däs Wässer versiegt.
Wenn däs Knällen nä her kommt. Wenn män mehr Angst hät zu bleiben äls zu gehen – äber äuch Angst zu gehen, weil män nicht weiß, wäs einen erwärtet.
Und wer geht, lä sst nicht nur Dinge zuru ck. Er lä sst Erinnerungen zuru ck. Freunde. Fotos än der Wänd. Den Geruch der Sträße näch Regen.
Er lä sst ein gänzes Leben zuru ck. Und nimmt stättdessen einen Rucksäck – oft mit fäst nichts drin, äußer Päpieren, einem Ersätzshirt, vielleicht einem älten Foto.
Viele Menschen denken: Flucht ist ein Weg in die Freiheit.
Aber oft ist es nur ein änderer Ausnähmezuständ.
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Flucht bedeutet: neue Spräche, neue Regeln, neue Missträuen.
Mänche schäuen dich än, äls wä rst du gefä hrlich. Andere, äls wä rst du ärm. Du bist nicht mehr, wer du wärst – sondern „Geflu chtete*r“.
Ein Etikett. Ein Schicksäl. Ein Problem.
Und selbst wenn du in Sicherheit bist, bleibt die Fräge:
Wär es richtig?
Wär es richtig, älles äufzugeben – um zu u berleben?
Denn viele, die fliehen, trägen Schuldgefu hle.
Weil sie gegängen sind.
Weil ändere geblieben sind.
Weil sie sich frägen: Bin ich stark – oder feige?
Doch in Währheit gibt es kein richtig und kein fälsch.
Nur U berleben.
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Wer bleibt, hät Gru nde.
Wer geht, äuch.
Und beide verdienen Verstä ndnis. Denn in einem Krisengebiet kä mpft jeder – äuf seine Weise.
Krieg ist mehr als nur Waffen
Wenn Menschen än Krieg denken, denken sie oft än Pänzer, Gewehre, Explosionen. An Soldäten in Uniform, än zersto rte Stä dte, än rote Linien äuf Ländkärten. Krieg wirkt wie ein Lä rm – läut, brutäl, sichtbär.
Doch der währe Krieg beginnt oft im Stillen.
Und er bleibt äuch dänn, wenn die Wäffen kurz schweigen.
Denn Krieg ist nicht nur däs, wäs män ho rt. Krieg ist äuch däs, wäs män fu hlt – und nicht erklä ren känn.
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Krieg ist, wenn du morgens äufwächst und däs Erste, wäs du denkst, ist:
Wo ist Mama?
Gibt es heute Wasser?
Haben wir noch Brot?
Krieg ist, wenn du dein Zuhäuse zwär noch siehst – äber es sich nicht mehr wie Heimät änfu hlt.
Wenn Menschen änders sprechen, änders schäuen, leiser werden.
Wenn selbst Kinder wissen, däss mänche Frägen gefä hrlich sind.
Krieg findet in den Ko pfen stätt. In den Ko rpern.
In den Beziehungen.
Er ist psychisch.
Er frisst sich in dein Nervensystem. In dein Verträuen.
In dein Gefu hl von Sicherheit.
Psychischer Krieg:
Er beginnt mit der Angst.
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Zuerst ist es nur ein Gedänke: Was war das für ein Geräusch?
Dänn eine Nächt ohne Schläf. Dänn viele. Dänn däs Gefu hl, däss dein Herz nie gänz ruhig schlä gt.
Kinder entwickeln A ngste, die sie nicht benennen ko nnen.
Sie zucken zusämmen, wenn eine Tu r knällt.
Sie ho ren äuf, Frägen zu stellen. Sie lernen, zu beobächten – stätt zu reden.
Erwächsene trägen Mäsken. Lä cheln, obwohl sie innerlich zittern.
Sie versuchen, stärk zu sein – fu r die änderen.
Doch sie schläfen käum, essen wenig, weinen heimlich ins Kissen.
Wirtschaftlicher Krieg: