Weihnachtsgrab - Felicity Green - E-Book

Weihnachtsgrab E-Book

Felicity Green

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Beschreibung

Ein schauriger Weihnachtskrimi mit 24 spannenden Kapiteln
WEIHNACHTSGRAB – der Violet-Grave-Mystery-Thriller als Adventskalender


Violet Grave wird entführt.
Statt Weihnachten wie geplant mit ihrer Freundin Cat zu verbringen, findet sich die Grabexpertin auf der Hebrideninsel Iona wieder.
Das kleine Eiland befindet sich im Lockdown und es gibt kein Entkommen. Violet muss auf die Forderungen ihrer Kidnapper eingehen und das Rätsel der Gräber der schottischen Könige auf dem Reilig Odhráin, dem berühmt-berüchtigten Friedhof neben dem Kloster Iona Abbey, lösen.



Dabei hat Violet einen sehr guten Grund, sich von allen gefährlichen Abenteuern fernzuhalten und über ihre unberechenbare übernatürliche Gabe Stillschweigen zu bewahren. Denn es gibt jemanden, den sie um jeden Preis beschützen muss.


Das erweist sich als nahezu unmöglich auf einer Insel, die so viele historisch bedeutende Verstorbene birgt, dass Violet keine zwei Schritte gehen kann, ohne über ein Grab zu spazieren. Violet wird unweigerlich in das dunkle Geheimnis des Friedhofs hineingezogen. Es gibt niemandem, dem sie vertrauen kann, denn alle scheinen an ihrer Entführung beteiligt:
Cat und ihr neuer Partner;
ein mysteriöser Orden mit dem Ziel, die schottische Geschichte umzuschreiben – und der bereit ist, über Leichen zu gehen;
und die vermeintlich gastfreundliche Familie, die ihr Unterschlupf gewährt.


Bald ist Violet nirgendwo auf der Insel mehr sicher … und alle Wege führen zum Friedhof.


Nach GRABSCHWESTERN, GRABGESANG und GRABSÜCHTIG ist WEIHNACHTSGRAB der vierte Mystery-Thriller mit Friedhofsenthusiastin Violet Grave in der Hauptrolle.
Das Buch kann unabhängig von den anderen gelesen werden und ist das perfekte schaurig-spannende Leseabenteuer – nicht nur für die Adventszeit.


WEIHNACHTGRAB jetzt lesen!

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

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WEIHNACHTSGRAB

EIN VIOLET-GRAVE-ADVENTSKALENDERKRIMI

FELICITY GREEN

Felicity Green

Weihnachtsgrab

Ein Violet-Grave-Adventskalenderkrimi

© Felicity Green, 1. Auflage 2022

www.felicitygreen.com

A. Papenburg-Frey

Schlossbergstr. 1

79798 Jestetten

[email protected]

Umschlaggestaltung: CirceCorp design - Carolina Fiandri

(www.circecorpdesign.com)

Korrektorat: Wolma Krefting, bueropia.de

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden oder wurden fiktionalisiert. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Mehr Informationen dazu im Nachwort.

www.felicitygreen.com

ISBN Taschenbuch 978-3-98595-513-8

INHALT

Ohne Titel

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Nachwort & Dank

Gratis Buch

Highland-Hexen-Krimis

Violet-Grave-Mystery-Thriller

Wenn das Schicksal will, dass ich auf Iona sterbe,

Dann wäre das ein gnadenvoller Abschied.

Ich kenne unter dem blauen Himmel

kein besseres Örtchen für den Tod.

Adomnán von Iona

* * *

EINS

»Cat? Hi!«

Endlich war Violets Freundin ans Telefon gegangen. Violet nahm sich die Tasse Tee, die sie gerade aufgebrüht hatte, und ging in den Wohnbereich ihres winzigen Apartments.

»Hallo. Wie geht es dir?«

Violet schluckte. Das war eine Frage, auf die sie viele verschiedene lange Antworten geben könnte.

In den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft war ihr andauernd speiübel gewesen. Zunächst hatte sie gar nichts von ihrem unverhofften Glück gewusst und gedacht, sie hätte Magenprobleme. Als ihr bestätigt wurde, dass sie schwanger war, hatten der Schock und die Verarbeitung dieser Neuigkeit im Vordergrund gestanden, und die Beschwerden waren zurückgegangen.

Violet hatte geglaubt, das Schlimmste überstanden zu haben – schließlich las sie in den vielen Büchern, die sie zu dem ihr völlig neuem Thema gekauft hatte, dass die sogenannte Morgenübelkeit meist nach drei Monaten wegging.

Leider kam sie bei ihr mit aller Macht zurück. Und wollte wohl auch noch ein bisschen länger bleiben, als es im Buche stand.

Erst in den letzten Tagen war sie in der Lage gewesen, wieder was anderes zu essen als trockenes Brot und Cracker. Sie hatte sogar den einen oder anderen Spaziergang am Strand gemacht und sich in ihre Werkstatt getraut, wo sie Grabsteinreproduktionen herstellte.

Was ihre körperlichen Beschwerden anging, konnte sie also ein Licht am Ende des Tunnels ausmachen.

Emotional sah es da etwas anders aus.

Jeden Tag änderte sie mehrere Male ihre Meinung darüber, ob sie ihren Ex-Freund David anrufen und ihm endlich erzählen sollte, dass er Vater werden würde. David lebte in Dundee und forschte an der dortigen Universität, war also weit weg von Violets Heimatstadt Brighton. Das war allerdings nicht die einzige Komplikation in ihrer Beziehung.

Natürlich wäre es nur fair gewesen, David über die völlig unerwarteten Neuigkeiten zu informieren, aber Violet wusste immer noch nicht, was genau sie sich von ihm wünschte. Violet und David waren grundverschieden, und Violet hatte die meiste Zeit ihr Bestes gegeben, David von sich zu stoßen. Am Ende war es David, der sich von ihr getrennt hatte, nachdem Violet drauf und dran gewesen war, sich auf eine gemeinsame Zukunft festzulegen.

Sie liebte David, aber das war für eine Beziehung nicht genug. Würde er aus Pflichtbewusstsein wieder mit Violet zusammenkommen wollen? Erwartete er dann von ihr, dass sie nach Dundee zog? War sie dazu bereit, um des Kindes willen?

Oder machte sie sich all diese Gedanken überhaupt bloß, weil es hart sein würde, das Kind allein aufzuziehen, und sie sich zugegebenermaßen schon jetzt ziemlich einsam fühlte?

Bis vor ein paar Tagen hatte Violet andere Probleme gehabt, aber jetzt wurde ihr immer bewusster, dass Weihnachten näher rückte und sie ganz allein war. Seit sie ihrer letzten Pflegefamilie entkommen war, hatte Violet es nie anders gemacht. Eigentlich bevorzugte sie ihre eigene Gesellschaft und war auch gar nicht sentimental, was solche Familienfeste anging.

Jetzt kamen ihr die Tränen bei der Vorstellung, am Weihnachtsmorgen mit ihrem dicken Bauch allein auf der Couch zu sitzen und niemanden hier zu haben außer ihrer Katze Luna.

Violet machte die verdammten Schwangerschaftshormone dafür verantwortlich.

»Ganz okay«, beantwortete sie schließlich die Floskel nach viel zu langem Schweigen, ohne Cat in die Achterbahnfahrt ihrer Gefühle einzuweihen. »Weißt du was, ich habe es mir überlegt und ich nehme deine Einladung an!«

»Ähm, was?«

»Na, deine Einladung. Weihnachten bei dir und Jacob zu verbringen.«

»Ach so.« Cat hörte sich alles andere als enthusiastisch an, und Violet fühlte sich ein wenig zurückgewiesen.

»Du hast mich doch eingeladen, erinnerst du dich?«, sagte sie in einem etwas zu heiteren Ton, der leicht passiv-aggressiv klang. »Einige Male sogar?«

»Ja schon, aber … na ja, also jetzt haben wir doch diese Quarantänebestimmungen und da dachte ich nicht, dass du kommen kannst. Öffentliche Verkehrsmittel sind doch gerade keine Möglichkeit, oder?«

»Natürlich fahre ich mit meinem eigenen Auto. Gibt es denn Infektionsfälle bei euch im Umfeld?«

»Nein«, antwortete Cat mit einem Seufzer, der sich enttäuscht anhörte.

»Dann gibt es doch keinen Grund, warum ich nicht kommen könnte?«

»Ich dachte nur, in deinem Zustand willst du bestimmt keine Risiken eingehen und …«

»Ich verstehe nicht, Cat«, sagte Violet nun, ohne den Ärger in ihrer Stimme ganz unterdrücken zu können. »Die Quarantänebestimmungen sind doch nicht anders als in den letzten Wochen. Wieder und wieder hast du mich gefragt, ob ich nicht Weihnachten zu dir kommen möchte. Was hat sich geändert?«

»Nichts!« Cat hörte sich jetzt ebenfalls ein bisschen genervt an. »Einfach … ich meine … du hast gesagt, du bist Weihnachten immer allein und es macht dir gar nichts aus und du bleibst in Brighton. Was hat sich denn bei dir geändert?«

Violet kamen die Tränen und sie wischte sie verärgert weg. »Ich fühle mich einsam, okay? Da hast du es. Ich mag nicht allein sein und ich dachte … ich dachte, dann fahre ich zu meiner besten Freundin, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass die mich auch nicht wirklich haben will.«

»Ach, Violet.« Cats Stimme wurde weicher. »Das tut mir leid, so hab ich es nicht gemeint. Bestimmt ist es hart, in deiner Situation. Was ist denn mit deinen Verwandten in Spanien? Bestimmt würden die dich liebend gerne zu Weihnachten bei sich haben.«

»Sicher. Aber wie du gesagt hast, komme ich da momentan nicht hin.«

»Ach so. Stimmt.« Cat seufzte wieder.

»Ich verstehe es echt nicht, Cat. Seit Wochen liegst du mir in den Ohren, dass ich deinen tollen neuen Freund kennenlernen soll. Weihnachten wäre eine prima Gelegenheit dafür, hast du gesagt. Komm zu uns nach Schottland, wir haben ein wunderschönes Cottage an der Westküste gemietet. Und jetzt willst du nicht, dass ich komme? Was ist denn? Ist das Cottage nicht so toll, wie du es dir vorgestellt hast? Du weißt, dass mir das egal wäre, ich brauche keinen Luxus.«

»Nein, das ist es nicht. Das Cottage ist perfekt, und ich würde gerne Weihnachten mit dir verbringen, Violet. Aber …«

Eine männliche Stimme im Hintergrund schien sie zu unterbrechen.

Cat fluchte leise.

»Ist das Jacob?«, fragte Violet.

»Hmmmm.«

Die männliche Stimme sagte wieder etwas.

»Ja, ja, das ist Violet.« Cat klang … nicht gerade genervt. Eher resigniert. Beklemmt.

Violet bekam ein komisches Gefühl im Magen, und sie war sich ziemlich sicher, dass es kein neuer Anfall von Übelkeit war.

»Cat? Ist alles in Ordnung?«

»Ja klar, ich … Wie gesagt, ich würde mich total freuen, wenn du kommst, aber ich kann verstehen, wenn du bei der aktuellen Situation nicht deine Gesundheit und die deines Kindes gefährden möchtest und …« Die männliche Stimme wurde lauter. »Ähm, Jacob ich …«

Als Nächstes meldete sich der Mann. »Violet? Hallo, hier spricht Jacob, Cats Freund.«

»Hallo, Jacob«, sagte Violet etwas verwundert.

»Hör zu, wir hätten dich gerne hier und es wäre mir eine Freude, dich endlich kennenzulernen. Wir sind ziemlich isoliert und in der Gegend gibt es keine Fälle von Covid. Wenn du mit dem Auto kommst und es vermeidest, an öffentlichen Orten wie Raststätten zu essen, dann denke ich nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Cat macht sich unnötig Sorgen. Also kommst du, oder?«

Violet hatte zuerst gedacht, Cat hätte sich womöglich mit Jacob gestritten oder etwas Unschönes über ihn herausgefunden. Für Violets Geschmack war sie bislang etwas zu begeistert von ihrem neuen Freund gewesen. Die rosa Brille bei frisch Verliebten in allen Ehren, aber nach Violets Erfahrung war kein Mensch fehlerfrei, und wenn sich jemand als so einen Supertyp ausgab, dann hatte er bestimmt irgendein hässliches Geheimnis.

Andererseits hatte Jacob auch vielleicht gar nichts damit zu tun, denn es passte zu Cat, maßlos zu übertreiben und etwas besser aussehen zu lassen, als es war.

Als Jacob mit ihr sprach, fand sie jedenfalls, dass er sich sehr sympathisch anhörte. Was auch immer Cats Problem war, Jacob wollte sie zumindest kennenlernen und an Weihnachten da haben.

Violet gab sich einen Ruck. »Ich komme sehr gerne.«

»Das freut uns. Wir schicken dir gleich die Adresse und Anfahrtsbeschreibung von Cats Handy.«

»Okay, super. Ich würde mich auf den Weg machen und die Nacht durchfahren, hab ich mir gedacht. So vermeide ich, mit anderen Menschen zusammenzukommen. Und Raststätten hätten da eh nicht auf, wo ich mich anstecken könnte. Außerdem soll das Wetter gut bleiben, das möchte ich gerne nutzen.«

»Wunderbar. Dann sehen wir dich schon morgen?« Jacob hörte sich ehrlich richtig froh an.

»Genau.« Cat sagte etwas im Hintergrund und Violet dachte, dass ihre Freundin sie noch einmal sprechen wollte. Zu ihrer Verwunderung sagte Jacob einfach bloß beschwingt »Tschüss, gute Fahrt«, bevor er auflegte.

Violet schüttelte verwundert den Kopf, legte das Telefon weg und nahm einen Schluck Tee. Sie wusste nicht so ganz, was sie von dem Gespräch halten sollte, insbesondere nicht von Cats widersprüchlichem Verhalten.

Ihr Handy vibrierte auf dem Küchentresen. Violet stellte ihren Tee wieder auf dem Couchtisch ab und ging zurück in die Küche. Es war die Nachricht mit der Wegbeschreibung und darunter stand: Wir freuen uns auf dich, Cat und Jacob.

Was auch immer Cat dazu veranlasst hatte, ihre Meinung über den Besuch zu ändern, Jacob schien sie sehr schnell davon überzeugt zu haben, dass es doch schön war, wenn sie kam.

Wenn sie erst einmal in Schottland war, konnte sie bei einem persönlichen Gespräch mit ihrer Freundin bestimmt herausfinden, warum sie sich auf einmal so komisch verhalten hatte.

Sie schrieb sich die Adresse auf, packte ihren Koffer und brachte Luna zu ihrer Nachbarin, mit der sie sich bereits abgesprochen hatte. Es war nicht das erste Mal, dass sich die freundliche Frau um ihre Katze kümmerte, und Luna schien auch nichts dagegen zu haben, so wie sie sich an die Beine der Nachbarin schmiegte.

Nachdem Violet sich reichlich Snacks eingepackt und das Gepäck im Auto verstaut hatte, fuhr sie los.

Es herrschte wenig Verkehr und sie kam gut durch. Doch sie hielt öfter an, als sie es normalerweise bei einer solchen Fahrt tat, weil ihr der Rücken ein wenig wehtat und sie das Gefühl hatte, sich die Beine vertreten zu müssen.

Es war nicht ihr erster Trip nach Schottland, doch dieser dauerte aufgrund ihres Zustands am längsten.

Erst hinter Glasgow stellte sie zu ihrem Schrecken fest, dass sie am Loch Lomond vorbeifahren musste, um an ihr Ziel zu kommen. Vor einigen Jahren hatte sie hier sehr furchtbare Dinge erlebt, an die sie sich lieber nicht erinnern wollte. In Wahrheit hatte sie Schwierigkeiten, sie sich ins Gedächtnis zu rufen, derart tief hatte sie alles, was damit zu tun hatte, in ihrem Unterbewusstsein vergraben.

Sie wollte so schnell wie möglich an Tarbet und Arrochar vorbeifahren, doch blöderweise meldete sich schon wieder ihre Blase. Sie trat aufs Gaspedal und schaffte es zu einem Parkplatz mit öffentlichen Toiletten hinter Inveraray.

Nachdem sie wieder ins Auto eingestiegen war, checkte sie ihr Handy.

Sie hatte eine neue Nachricht von Cat.

Violet – komm auf keinen Fall zu uns!

ZWEI

Verdattert starrte Violet die Nachricht an.

Was für ein komisches Spiel trieb Cat hier eigentlich?

Erst vor ein paar Tagen hatte sie ihr geschrieben und sie noch einmal herzlich eingeladen. Violet konnte es im Chatverlauf schwarz auf weiß lesen: Überleg es dir doch noch mal. Wir würden wirklich sehr gerne Weihnachten mit dir verbringen.

Vorhin am Telefon hingegen war sie sehr ablehnend gewesen und hatte versucht, es Violet wieder auszureden. Doch dann hatte sie immerhin die Nachricht mit den Wegbeschreibungen geschickt und noch gesagt, dass sie sich auf Violet freuen würden.

Und jetzt … eine solch direkte … Abfuhr.

Violet fühlte sich verletzt und reagierte mit Trotz.

Verärgert warf sie das Handy auf den Beifahrersitz und ließ den Motor an. Sie fuhr vom Parkplatz und bog in Richtung Oban ab.

Ganz sicher würde sie nach der langen Fahrt nicht wieder umkehren.

Schon gar nicht, wo sie schon an Tarbet und Arrochar vorbei war.

Die letzten paar Meilen bis zu dem Cottage musste sich Violet sehr konzentrieren, damit sie nicht am Steuer einschlief. Ihre Wut auf Cat half wenigstens dabei.

Eigentlich war Cat Violets beste Freundin, doch ihre Freundschaft hatte schon einiges durchgemacht.

Während der Studienzeit waren sie ein Dreiergespann gewesen, doch die dritte Freundin, Cats Mitbewohnerin Cecilia, hatte sich das Leben genommen.

Violets besondere Gabe war für sie bis zu dem Zeitpunkt kein großes Thema gewesen. Sie hatte auch niemandem davon erzählt. Ihre Freundinnen wussten lediglich, Violet war taphophil und trieb sich gerne auf Friedhöfen herum.

Violet war sich selber unsicher gewesen, was sie davon halten sollte, wenn manche Grabsteine sie besonders ansprachen. Die Impressionen von Begrabenen, die sie durch die Steine bekam, hatten sie neugierig genug gemacht, um Recherchen anzustellen. Aber es war nicht so weit gegangen, dass sie aktiv etwas unternommen hätte, um den Bestatteten auf irgendeine Art und Weise zu helfen.

Doch nach Cecilias Suizid hatte Violet zum ersten Mal Verbindung mit dem Grabstein einer Person aufgenommen, die sie persönlich kannte.

So hatte sie das Tagebuch im Versteck unter den Dielenbrettern im Zimmer der Freundin gefunden. Darin stand geschrieben, warum sich CeeCee das Leben genommen hatte. Violet hatte Cat davon erzählt und die beiden informierten die Mutter der Freundin über das schreckliche Geheimnis.

Seitdem war Cat eine der wenigen Personen gewesen, die von Violets übernatürlichen Fähigkeiten wussten. Sie hatten sich nicht oft gesehen, aber das gemeinsame Erlebnis hatte sie so zusammengeschweißt, dass sie in Kontakt blieben.

Violet war Cat gegenüber immer sehr loyal gewesen, auch wenn sie mit Cats Wertvorstellungen und Meinungen häufig nichts anfangen konnte. Cat hatte als Archäologin Karriere machen wollen; Wohlstand und Ansehen waren ihr wichtig gewesen. Violet hingegen hatte ihre Arbeit immer als eine Berufung angesehen, bei der sie gerne darauf verzichtete, Wertschätzung zu bekommen, weil sie nie öffentlich machen konnte, was sie tatsächlich vollbrachte. Wenn sie es schaffte, gerade so ihren Lebensunterhalt so bestreiten, war sie zufrieden.

Vor weniger als einem Jahr hatte sich ihre Freundschaft grundlegend verändert.

Cat hatte Violet gebeten, nach Schottland zu kommen, um ihr bei einer Ausgrabung zu helfen. Violet ließ alles stehen und liegen und fuhr zum Loch Laggandhu im Cairngorms Nationalpark.

Der Bau eines Luxus-Golfresorts auf dem Gelände der ehemaligen Nervenheilanstalt war von einem Gutachten der kommerziellen Archäologiefirma Highlands Archeology abhängig gewesen, bei der Cat als Projektleiterin arbeitete.

Cat und ihr Team hatten das Gelände untersucht und ein Gutachten erstellt. Nachdem deshalb dem Bauantrag stattgegeben worden war, wurden in dem ausgetrockneten Loch Laggandhu Knochen entdeckt. Cat bekam eine letzte Chance, ihren Job zu behalten, und erhielt den Auftrag, die Knochen zu untersuchen sowie das Gelände auf weitere unliebsame Überraschungen zu durchkämmen.

Sie hoffte, Violet könnte ihr mit ihrer ungewöhnlichen Gabe behilflich sein.

Bei ihrer Arbeit lernte Violet David kennen, der als Knochenexperte hinzugezogen worden war. Es war keineswegs Liebe auf den ersten Blick, denn David lehnte Violet zunächst ab, da sie seines Erachtens keine wissenschaftliche Expertin war.

Die übernatürlichen Ereignisse auf dem Loch-Laggandhu-Gelände konfrontierten Violet mit einem Trauma aus ihrer Vergangenheit. Sie musste um ihre eigene geistige Gesundheit fürchten.

Sie hätte eine Freundin brauchen können, die zu ihr steht, aber Cat war zu sehr damit beschäftigt, ihr eigenes Ansehen und ihre Karriere zu sichern. Cat verleugnete David gegenüber, dass Violet eine übernatürliche Gabe hatte, und bestätigte ihn in seiner Meinung, dass Violet selbst in eine Anstalt gehörte.

Später versuchte Cat, ihre Freundschaft wieder zu reparieren.

Obwohl Violet Probleme damit hatte, Cat zu vertrauen, rauften sie sich zusammen.

Cat hatte sich auch geändert – sie kündigte ihren Job und ging nach Bosnien, um dort bei den Bergungsarbeiten an Kriegsmassengräbern zu helfen. Im Sommer kam sie Violet zu Hilfe geeilt, als die in Irland das Rätsel um ein altes Mooropfer löste.

Zwar war Violet nicht besonders begeistert davon, dass Cat sozusagen hinter ihrem Rücken mit David zu tun hatte und sich in ihre Beziehung einmischte, aber sie akzeptierte, dass die beiden befreundet waren.

Nach der Trennung von David war Cat ihr eine große emotionale Stütze gewesen. Sie war eine der wenigen Personen, die von der Schwangerschaft wussten. Cat ermutigte Violet zwar andauernd, David von dem Baby zu erzählen, aber sie hatte sich noch nicht bei ihm verplappert – oder es ihm gar absichtlich verraten. Sie gab sich wirklich große Mühe, Violet zu zeigen, dass sie sich auf sie verlassen konnte.

Trotz vieler Telefonate war es dennoch eine Weile her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.

Das lag einerseits an den Pandemierestriktionen, aber auch an Cats neuer Beziehung. Sie hatte den Archäologen Jacob über Kollegen kennengelernt und war hin und weg von ihm.

Obwohl Cats Schwärmereien manchmal nervten, so gönnte Violet ihrer Freundin ihr Glück von Herzen.

Sie hatte sich darauf gefreut, Jacob endlich kennenzulernen.

Es sah ganz danach aus, als ob das auf Gegenseitigkeit beruhte, denn als Violet endlich beim Cottage ankam und aus dem Auto stieg, ging die Haustür auf und Jacob kam ihr mit offenen Armen entgegen.

»Violet! Wie schön, dass du da bist.«

Er umarmte sie fest, so als ob sie sich schon ewig kennen würden.

Jacob war genauso groß, dunkelhaarig und gut aussehend, wie Cat ihn beschrieben hatte. Er hatte einen kurzen Vollbart und warme braune Augen.

Violet hatte schon ein paar Minuten Smalltalk mit ihm gehalten, als auch endlich Cat nach draußen geschlendert kam. Sie wirkte unglücklich und umarmte Violet steif. Sie flüsterte ihr dabei leise etwas ins Ohr, das Violet nicht ganz verstand.

Hatte ihre Freundin gesagt »Du hättest nicht kommen sollen«?

Etwas verdutzt löste sich Violet von Cat. »Ähhm … gehen wir rein? Ich bin todmüde. Ich wäre froh, wenn ich mich erst einmal ein bisschen hinlegen könnte.«

»Leider geht das nicht«, sagte Jacob beschwingt. »Ich habe tolle Pläne für uns.«

Violet blinzelte müde. »Wie?«

»Ich habe einen Trip auf die Insel Mull organisiert. Ist das nicht super?«

»Hmmm, bestimmt, aber … jetzt sofort?«

»Ja, es passt wunderbar, dass du gerade noch rechtzeitig angekommen bist«, meinte Jacob freudestrahlend.

»Ich … versteht mich nicht falsch, ich würde gerne die Insel Mull sehen, aber ich bin die ganze Nacht durchgefahren und muss wirklich etwas Schlaf nachholen, sonst kippe ich um.« Violet lächelte entschuldigend. »Aber ihr könnt doch fahren, ich komme schon klar, wenn ihr mir schnell zeigt, wo alles ist.«

»Unsinn!«, befand Jacob. »Das ist eine einmalige Gelegenheit. Wegen der Pandemie verkehren weder die Fähren noch der Bus auf Mull. Ich habe das privat organisiert und das geht nur heute.«

»Tja, aber …« Violet schaute sehnsüchtig zum Cottage hinüber. Konnten sie nicht wenigsten reingehen? Ihr war ziemlich kalt, nachdem sie schon eine Weile hier draußen gestanden hatten. Alles, was sie wollte, war eine heiße Tasse Tee, ein gemütliches Bett und eine flauschige Decke.

»Violet hat offensichtlich keine Lust«, sagte Cat jetzt. »Bleiben wir doch alle hier, das ist doch sonst blöd.«

»Nein, nein, ihr könnt fahren, das macht mir gar nichts aus«, beeilte sich Violet zu sagen. Das Letzte, was sie wollte, war, Cat und Jacobs Pläne zu durchkreuzen. Wo Cat schon nicht besonders glücklich über ihre Anwesenheit zu sein schien …

»Wir können Violet nicht hierlassen und diese tolle Gelegenheit für sie verstreichen lassen. Kommt gar nicht infrage!« Jacob klang immer noch heiter, aber so entschieden, dass seine Aussage einen gefährlichen Unterton bekam.

»Jacob«, zischte Cat. »In ihrem Zustand sollte Violet sich auf jeden Fall ausruhen, nach der langen Fahrt. Bestimmt ist es besser, wenn wir einfach alle hierbleiben. Wir schauen uns Mull irgendwann später mal an, wenn Violet nicht bei uns ist. Es gibt genug andere Ausflugsziele hier in der Gegend …«

»Hast du eine Ahnung, was für einen Aufwand ich betrieben habe, damit eine Privatperson uns mit dem Boot nach Mull fährt?«, fiel Jacob ihr ins Wort. »Das kann ich jetzt nicht kurzfristig absagen …«

Oh Gott, jetzt stritt sich Cat auch noch wegen Violet mit ihrem Freund. Das hatte sie auf keinen Fall gewollt!

Möglicherweise war Cat so abweisend, weil sie doch lieber Weihnachten mit Jacob alleine verbracht hätte. Vielleicht erhoffte sie sich etwas von diesem außergewöhnlichen Trip auf die malerische Insel Mull …, dass Jacob ihr dort einen Antrag machte, eventuell.

Violet wäre da nur im Weg. Das war bestimmt der Grund, warum sie der Meinung war, dass Violet besser nicht mitkam.

Doch Jacob ließ nicht davon ab, dass Violet auch die seltene Gelegenheit bekommen sollte, Mull zu besuchen. Violet wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass seine Pläne platzten.

Sie hätte nichts lieber getan, als sich im Cottage unter einer Bettdecke zu verkriechen. Aber sie musste die Situation irgendwie retten. Der immer noch anhaltende Streit war ihr höchst unangenehm. »Ist schon gut, ich komme mit«, entschied sie.

Cat starrte sie entsetzt an.

Violet nahm sich vor, sich bei der Ankunft auf Mull irgendwohin zurückzuziehen, sodass die beiden alleine die Insel erkunden konnten. So war Jacob hoffentlich zufrieden, und Cat würde ihr verzeihen und einsehen, dass ihre Anwesenheit doch nur halb so störend war wie befürchtet.

»Wundervoll.« Jacob klatschte in die Hände. »Dann steig gleich mal ins Auto ein, wir fahren besser direkt los.«

Mit gerunzelter Stirn schaute Violet zur Tür des Cottages. »Kann ich vielleicht wenigstens eben auf die Toilette und was trinken und einen Snack einpacken?«

Jacob schaute auf seine Armbanduhr. »Toilette ja, essen nein.« Er lächelte. »Ich meine, ich hole dir etwas aus der Küche für die Fahrt.«

»Okay.« Sie ging zum Cottage, dann fiel ihr ein: »Ach, mein Gepäck nehm ich besser gleich mit.«

»Ich kümmere mich drum«, bot Jacob an.

»Danke.« Violet merkte, wie dringend sie musste.

»Erste Tür rechts«, sagte Jacob, der an ihr vorbei ins Cottage, vermutlich in die Küche eilte.

Als Violet aus dem Bad kam, scheuchte Jacob sie gleich zurück nach draußen. Dabei hätte sie gerne mehr vom Cottage gesehen. Dem kleinen Gästebad nach zu urteilen, war es so luxuriös ausgestattet, wie Cat erzählt hatte. Allein der Gedanke an ein warmes, gemütliches Bett mit frischer Bettwäsche ließ Violet ein wenig schwanken.

»Wow«, sagte Jacob besorgt und hakte sich bei ihr ein, um sie zum Auto zu führen. »Setz dich erst einmal und mach doch einfach die Augen zu. Es ist zwar nicht weit bis zum Steg, wo unser Boot ablegt, aber ich muss dann erst noch ein paar Sachen mit dem Bootsführer klären. Wir wecken dich dann einfach, bevor wir ablegen.«

Jacob drückte ihr noch eine Wasserflasche, eine Banane und ein Tütchen Nüsse in die Hand, aber sein Ratschlag klang so gut für Violet, dass sie Hunger und Durst erst einmal hintanstellte.

Mit letzter Kraft schnallte sie sich an und sank dann tief in den weichen Sitz. Sie ließ endlich die Lider zufallen und war keine Minute später eingeschlafen.

Es kam ihr vor, als hätte sie gerade erst die Augen zugemacht, als sie schon wieder geweckt wurde. »Violet, Violet, es geht los.«

»Hmm?« Verschlafen schaute sie sich um. Jacob beugte sich über sie und machte den Sicherheitsgurt los. Dann zog er sie geradezu aus dem Wagen.

Der kalte Wind wehte Violet um die Nase und sie war gleich ein kleines bisschen wacher. Sie stolperte Jacob hinterher, der den hölzernen Steg zu einem kleinen Boot entlangging. Cat saß schon darin. Sie hatte eine orangefarbene Rettungsweste an und blickte missmutig über das Wasser in Richtung … Violet überlegte, welche Hebrideninsel es war, die direkt gegenüber von Oban lag. Zumindest nahm sie an, dass sie noch in der Nähe von Oban waren …

Gedankenverloren war sie schon im Begriff, Jacobs Hand zu nehmen, als ihr etwas einfiel: »Warte, die Wasserflasche und die Snacks. Sie liegen noch im Auto.«

Jacob winkte ab. »Wir haben noch mehr zum Essen eingepackt. Komm, Mr MacDuff möchte ablegen.«

Ein grimmig dreinschauender älterer Mann am Steuer, der mit seiner gelben Wathose, dem dicken Strickpullover mit Fair-Isle-Muster und der Wollmütze über den grau melierten struppigen Haaren wie ein typischer schottischer Fischer aussah, nickte kurz.

---ENDE DER LESEPROBE---