Wenn blaues Licht die Nacht erhellt - Eli Bosch - E-Book

Wenn blaues Licht die Nacht erhellt E-Book

Eli Bosch

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Beschreibung

Ich wusste schon als Kind, dass ich Polizeibeamtin werden wollte, also setzte ich alles daran, meinen Traum zu verwirklichen, und mit diesem Buch möchte ich Menschen einen Einblick in den Polizeialltag ermöglichen: Mit meinem Lieblingskollegen Paul decke ich einen Kupferdiebstahl auf. Bisher habe ich nur davon gehört, dass Rohre und Kupferteile von Baustellen verschwinden, um auf dem Schwarzmarkt verkauft zu werden. Im Lauf der Dienstjahre muss ich feststellen, dass nicht jeder Einsatz ein schönes Ende nimmt. Emotionaler Schmerz trifft auch uns Beamte. Eine junge Frau schaut mich mit funkelnden grünen Augen an. Blut läuft aus ihrer Nase und über das wunderschöne Gesicht. Als ich den Motorradhelm abnehme, ist ihr Kampf ums Überleben bereits in vollem Gange. Ich freue mich auf meinen ersten Silvesterdienst. Aber am Ende verläuft die Schicht anders als erwartet. Eine Suizidmeldung. Wir sind in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort. Doch können wir das Schlimmste noch verhindern?

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Seitenzahl: 265

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Mein Weg zur Polizei

Fahrzeuge wie Flugzeuge

Auf der Suche nach Popcorn

Pech gehabt!

Beschwipste Post

Carfreitag

Die Welt von oben

Verbrenn dich nicht!

Brötchen für alle

Aktion mit Geschwindigkeit

Wer liebt, der schiebt

Ein dickes Ding

Mitternacht

Ab geht die Wurzel

Auf ein Bier

Auf Messers Schneide

Ausgetrickst

Überwacht

Freaky Friday

Schlusswort

Danksagung

Anlage – FAQ

Polizeialltag zum Anschauen

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung ›Impressumservice‹, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

© 2023, Eli Bosch · elibosch-polizeieinsaetze.de

Satz u. Layout / e-Book: Gabi Schmid · Büchermacherei · buechermacherei.de

Lektorat: Ursula Hahnenberg · Büchermacherei · ­buechermacherei.de

Covergestaltung: Vanessa-Bianca Rath

Bildquellen: Cover: Autorin, Seiten 103– 108: Christian Butt Film- und Fotojournalist, Obernstr. 47a, 28832 Achim

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

ISBN Softcover: 978-3-347-82998-5

ISBN Hardcover: 978-3-347-83003-5

ISBN E-Book: 978-3-347-83004-2 (Version 1.1)

Wer von euch hat schon einmal darüber nachgedacht, Erlebnisse in Worte zu fassen und niederzuschreiben?

Es ist schwierig einen Anfang zu finden.

Doch wenn man seinem Herzen folgt, zielstrebig vorangeht und seinen Gefühlen freien Lauf lässt, dann muss man nicht den richtigen Weg finden, sondern dann findet der Weg dich!

Prolog

Die Menschen in blauer Uniform – das sind wir.

Immer dann, wenn jemand in Not gerät, versuchen wir zu helfen, Lösungen zu finden und die Sorgen zu nehmen. Wir haben uns diesen Beruf ausgesucht, weil wir es lieben, für andere da zu sein und Gutes zu tun. Das heißt nicht, dass wir gelegentlich nicht mit Ängsten oder anderen Emotionen zu kämpfen haben. Es gibt Einsätze, da ist die Belastung sogar sehr groß und mentale Stärke ist wichtig, um handlungssicher und fehlerfrei zu arbeiten.

Wir sind keine Helden in Blau, wir sind nur Menschen. Menschen wie du und ich. Menschen, die ihren Job ausüben, wie Millionen tagtäglich. Es existieren viele Vorurteile über das Wie und Was unseres Handelns. Die Zahl der Schubladen, in die wir gesteckt werden, ist vermutlich unendlich. Mag sein, dass viele Filme und Fernsehserien das falsche Bild der Polizei stärken. Wir versuchen unser Handeln so transparent wie möglich zu gestalten, um Verständnis zu erwecken. Ich bin davon überzeugt, wir werden niemals alle erreichen. Es wird immer Gegner, Cop-Hasser oder Unruhestifter geben.

Aber ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass es immer sowohl einen Grund als auch eine Rechtsgrundlage für polizeiliches Handeln gibt und geben muss. Im Gespräch lassen sich Missverständnisse und Unverständnis aus der Welt schaffen. Denn wie sagte Wilhelm von Humboldt schon: »Sprache ist der Schlüssel zur Welt.«

Ja, mehr sogar, Sprache ist unsere größte Waffe.

Mein Weg zur Polizei

Nennen Sie drei Eigenschaften, die Sie am besten beschreiben!

Eifrig, offen, unvoreingenommen und ehrlich.

Oh, das waren jetzt sogar vier.

Wer kennt ihn nicht, diesen Satz? Einige Menschen bekommen da tatsächlich Probleme, die passenden Adjektive zu finden. Ich nicht, obwohl ich mir diese Eigenschaften nicht schon immer zugeschrieben hätte. Gerade im Teenager-Alter hätte ich mich vermutlich selbst als stilles Mäuschen bezeichnet.

Aufgewachsen bin ich da, was manche als Osten und andere als Mitteldeutschland bezeichnen. Also ein waschechter Ossi. Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich eine ganz normale Kindheit. Mit Kindheit meine ich, bis man langsam flügge wird und anfängt, die Welt anders zusehen. Meine Eltern reisten viel mit mir. Ein Sommer bedeutete für mich immer ab ins Warme. Bis heute liebe ich das Reisen und kann überhaupt nicht verstehen, wie manche freiwillig ihren Urlaub lieber damit verbringen nichts zu machen. Mir wurde früh beigebracht, dass man sich Erfolg verdienen muss, wofür ich noch heute dankbar bin. Ich kenne Menschen, die Anstrengung aus dem Weg gehen, anstatt sich ihr zu stellen.

Als ich älter wurde, schwächte das gute Verhältnis zu meinen Eltern ab. Ich weiß nicht, woran es lag, aber an meiner schulischen Leistung schon einmal nicht. Ich war nie der Lerntyp, aber das musste ich zum Glück nicht sein. Meine Schulnoten waren immer sehr gut, obwohl ich wenig Zeit ins Lernen investierte. Aber eben genau sowas bringt leider Schattenseiten mit sich. Relativ schnell wurde mir der Streberstempel aufgedrückt. Hinzu kamen kleine Streitigkeiten mit Mädels, die an der Schule angesehen waren, und auf einmal stand ich als Außenseiterin da. Ab da gab es zwei Optionen. Entweder sie lassen dich in Ruhe und du kannst einfach dein Ding machen oder du wirst beleidigt und ausgegrenzt, da deine Anwesenheit schon zu viel ist. Bei mir war letzteres der Fall. Es wurde zum Alltag, dass mir Sachen weggenommen wurden, Leute sich abwandten, wenn sie mich sahen, oder ich mal geschubst wurde. Mobbing an Schulen ist keine Seltenheit, lernte ich später. Richtig eskaliert ist es zum Glück nie. Ein Ende fand das Ganze, als meine Eltern sich an die Polizei wandten, und eine Psychologin ein klärendes Gespräch mit der Klasse und mir führte.

Wenn ich zurückdenke, habe ich unter dieser Zeit nicht groß gelitten und den Fokus auf mein Leben gesetzt. Doch meine damalige beste Freundin nahm der Druck sehr mit. Der Druck, dem sie als eine von zwei Freundinnen, die ich damals hatte, ausgesetzt war. Bis heute tut es mir unendlich leid, dass auch ihr Leben dadurch beeinflusst wurde. Doch heute wissen wir beide, wo wir stehen, dass wir starke Frauen sind, und all die, die uns nie etwas zugetraut haben, hinter uns gelassen haben.

Es mag komisch klingen, doch ich glaube, dass nichts im Leben ohne einen Grund geschieht. Heute würde ich sagen, vermutlich war es Bestimmung, dass diese Zeit mein Selbstbewusstsein stärken und mich zu dem Menschen machen sollte, der ich heute bin. Vorher war ich eher ruhig, habe viel gedacht und wenig gesagt, was für meinen jetzigen Beruf nicht vorteilhaft gewesen wäre. Heute bin ich die, die als erstes den Mund aufmacht, und kein Problem hat, ihre Meinung kundzutun. Trotzdem ist Mobbing absolut unschön und ich wünsche es keinem. Nicht jeder kann damit so umgehen, wie ich es getan habe.

Die letzten Jahre an der Schule verliefen ohne Zwischenfälle. Ich wechselte nach der 10. Klasse und machte mein Abitur. Da hatte ich mir das Ziel schon gesetzt, später eine berufliche Karriere in Richtung Polizei einzuschlagen. Nach dem Abitur beschloss ich, mein Umfeld zu wechseln und von Zuhause wegzugehen. Mich trieb es raus aus den wohlbehüteten vier Wänden und hinein in etwas komplett Neues.

Ich wollte endlich mein eigenes Leben gestalten, mir etwas aufbauen, um am Ende stolz darauf zu sein, was ich erreicht hatte. Mir war schon immer klar, dass, wenn ich meine Heimat nicht verlasse, ich im Leben nicht vorankommen würde. Vielleicht macht es Menschen glücklich, ein Leben lang an einem Ort zu verweilen, aber meine Art zu leben war das nie. Ich wäre die letzten Jahre nicht glücklich gewesen und Glück ist meiner Ansicht nach eins der höchsten Güter im Leben. Menschen, die mit sich selbst zufrieden sind, strahlen diese positive Einstellung auch nach außen hin aus. Sie besitzen Willensstärke und sind bereit, für ihre Träume zu kämpfen.

Nun wollte ich meinen Traum, Polizeibeamtin zu werden, verwirklichen. Mir war nicht wichtig wo, sondern nur eines Tages diesen Beruf ausüben zu können. Mit meinem Abitur konnte ich mich im gehobenen Dienst an Polizeiakademien in unterschiedlichen Bundesländern bewerben. Der mittlere Dienst kam für mich nicht in Frage. Die Einstellungstests waren kein Problem. Die intensive Vorbereitung hatte sich ausgezahlt. Am Ende entschied ich mich für das zweitgrößte Bundesland, wo ich nach dem Bewerbungsgespräch eine Direktzusage erhalten hatte. Damit war mein Neuanfang gesichert. Mein neues Zuhause sollte in Norddeutschland sein.

Es folgte ein dreijähriges Studium, das von Höhen und Tiefen sowie dem ganz normalen Wahnsinn geprägt war. Es gab Prüfungen zu bestehen und praktische Trainings zu absolvieren. Es wurden Schieß- und Fahrtrainings durchgeführt, nebenbei wilde Blaulichtpartys gefeiert und neue Kontakte geknüpft. Es entstanden einige Freundschaften, aber natürlich gab es auch Begegnungen, auf die man hätte verzichten können.

Doch drei Jahre gehen schnell vorbei. Zu schnell, um sich mit solch unnützen Dingen zu beschäftigen. Nach den drei Jahren Studium stand die Versetzung auf eine Dienststelle an. Meinem Wunsch, mich in die Bereitschaftspolizei zu stecken, wurde leider kein Gehör geschenkt, sodass ich im Streifendienst landete.

Hier bin ich nun und möchte von meinen Einsätzen und Erlebnissen berichten, die sich bisher in meinem Polizeialltag zugetragen haben. Ich möchte mir fremden Menschen die Möglichkeit geben, zu erfahren, was wir in unserem täglichen Job leisten, womit wir konfrontiert werden, und dass ein Polizist auch nur ein Mensch ist. Denn unter jeder Uniform steckt ein Körper mit Empfindungen und Gefühlen. Diese Erkenntnis zu gewinnen, halte ich für sehr wichtig.

Natürlich sind die Namen der hier genannten Kollegen Pseudonyme und ich werde nichts über interne Abläufe erzählen oder Orte benennen. Alles, was eben notwendig ist, um meine Kollegen sowie die Arbeit der Polizei zu schützen. Ich hoffe, das lässt sich nachvollziehen. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass die Ereignisse sich so zugetragen haben, wie sie von mir beschrieben werden. Es sind nicht immer nur schöne Erlebnisse dabei, sondern auch traurige, die mir in Erinnerung geblieben sind.

So ist das Leben. Man kann sich den Einsatz oder dessen Ausgang nicht aussuchen, aber man muss einen Weg finden, mit allem klarzukommen.

Die ersten Wochen auf dem mir zugewiesenen Kommissariat verstrichen unglaublich schnell. Es war genau das, was ich mir immer vorgestellt hatte. Meine Trauer, dass ich es nicht in die Bepo, wie die Bereitschaftspolizei bei uns genannt wird, geschafft hatte, hielt sich in Grenzen.

Am Anfang gab es viel Neues zu lernen und es war schwierig, einige Dinge wieder in den Kopf zu bekommen. Die ersten Praxiserfahrungen hatte ich im Praktikum gesammelt, das zum Zeitpunkt des Abschlusses aber schon eineinhalb Jahre zurücklag. Wer dieses Konzept so durchgewunken hat, weiß der Teufel. Sinnvoll finde ich es jedenfalls nicht, da gefallen mir die Studienabläufe in anderen Bundesländern besser. So entfiel mir der ein oder andere Buchstabe des Buchstabieralphabetes, meine ersten Verkehrskontrollen forderten meine volle Aufmerksamkeit und Ordnungswidrigkeiten zu erkennen, war gar nicht so leicht.

Das Gefühl, Anfänger zu sein, war also auf jeden Fall vorhanden. Um die Einarbeitung zu erleichtern, wurde mir für die ersten Monate ein Anleiter, von einigen auch Bärenführer genannt, zugeteilt. Dieser unterstützte mich und half mir dabei, die Abläufe schneller kennenzulernen.

Fahrzeuge wie Flugzeuge

Meine liebsten Schichten sind die Spätdienste. Die wenigsten meiner Kollegen teilen diese Meinung. Sie meinen, dass dann der gesamte Tag der Arbeit zum Opfer fällt und für private Aktivitäten keine Zeit mehr bleibt. Aber was bringt es mir, um 14:00 Uhr zuhause zu sein, todmüde und völlig neben der Spur? So ergeht es mir bei Frühdiensten und es ist kein schönes Gefühl, wenn du so müde bist, dass du dich krank fühlst. Außerdem ist es doch bewiesen, dass man unausgeschlafen nur halb so konzentriert und motiviert arbeiten kann. Und dass jemand absolut fit und munter zum Frühdienst erscheint, habe ich auch noch nicht erlebt.

Vorgänge lagen nicht mehr auf meinem Schreibtisch. Paul, meinem Streifenpartner für heute, ging es genauso, und so konnten wir den Dienstwagen besetzen und rausfahren.

So bezeichnet die Polizei das Streife fahren. Ich freute mich, die nächsten sieben Stunden mit Paul zu verbringen. Er war schon länger bei der Polizei, aber immer noch motiviert wie am ersten Tag. Mit seinen ca. 1,85 m brachte er ein paar Kilos zu viel auf die Waage, doch darauf war er stolz. Dieser dufte Typ mit Glatze und schiefem Schneidezahn hatte stets einen frechen Spruch auf den Lippen. In ernsten Situationen war er jedoch an Kompetenz nicht zu übertreffen. Wenn du mal einen Rat benötigst, dann bist du bei ihm goldrichtig, vorausgesetzt, du erträgst die Wahrheit. Wir entwickelten eine gute Freundschaft über den Dienst hinaus. Er verkuppelte mich sogar mit meinem späteren Freund, der auch sein Freund war, doch leider sollte das nicht ewig halten.

Wir gelangten an eine Bundesstraße und parkten den Streifenwagen so, dass wir einen Blick auf den fließenden Verkehr werfen konnten. Wir hatten die Personen in den Fahrzeugen gut im Blick und waren bereit für alles, was der Nachmittag so brachte.

Es dauerte keine fünf Minuten und ein grüner Passat mit drei Personen zog unsere volle Aufmerksamkeit auf sich. Doch das Auffällige waren nicht die Personen im Fahrzeug, sondern das Fahrzeug an sich. Ich musste direkt an die dreißigminütige Flugzeugszene aus meinem Lieblingsfilm denken. Hier konnte man während der Actionszenen auch den Startvorgang des Flugzeuges verfolgen. Dieser Teil des Filmes stand übrigens damals stark in der Kritik, aufgrund der Langwierigkeit eben jenes Startvorganges. Wie dem auch sei, ich mochte den Teil trotzdem. So ähnlich musst du dir dieses Fahrzeug vorstellen: Das Heck schleifte fast auf dem Boden und die Front ragte nach oben. Es glich einem Wunder, dass das Heck keine Funken auf dem Boden schlug.

»Hast du das gesehen?«, fragte ich ungläubig.

»Ja, na, ich bin ja nicht blind«, kam es von Paul zurück und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Wir beschlossen, das Fahrzeug einer Kontrolle zu unterziehen, um uns das Ganze ein wenig genauer anzuschauen.

Ich lenkte den Wagen auf die Straße und gab Gas. Ziel war es, das Fahrzeug einzuholen und an der nächstbesten Möglichkeit anzuhalten.

Das Fahrzeug fuhr nicht mit sonderlich hoher Geschwindigkeit, dadurch war es nur eine Sache von Minuten, bis wir es eingeholt hatten. Ich setzte zum Überholvorgang an und ordnete mich vor dem Fahrzeug ein. Durch einen Knopfdruck aktivierten wir ›Bitte Folgen‹ und gaben dem Fahrzeugführer damit zu verstehen, dass wir eine Verkehrskontrolle durchführen wollten. Ich lotste das Fahrzeug zu unserer Dienststelle, die sich zufälligerweise auf der Strecke befand. Nachdem das Fahrzeug zum Stillstand gekommen war, stiegen wir aus und näherten uns. Es war ein VW Passat älteren Jahrgangs. Ich schätzte Baujahr 2000, aber sicher war ich mir nicht, ohne eine Suchmaschine zu benutzen. Der Zustand des Fahrzeugs sprach für sich. Im tannengrünen Lack waren einige Kratzer und Beulen von vergangenen Unfallschäden zu erkennen. An der Fahrertür hatte sich leichter Rost gebildet. Jeder Schrotti hätte sich vermutlich gefreut. Dafür war aus der näheren Perspektive nicht mehr so auffällig erkennbar, dass das Fahrzeugheck durchhing.

Im Fahrzeug befanden sich drei Personen. Der Fahrer, sein Beifahrer und hinten auf der Rücksitzbank saß eine weitere Person. Alle waren männlich und mit einem Blaumann bekleidet, alle im mittleren Alter und sie wirkten ein wenig überrascht von der Verkehrskontrolle. Vermutlich gehörten sie zu den Menschen, die in ihrem Leben nur ein einziges Mal das Glück oder auch Pech haben, durch die Polizei kontrolliert zu werden.

»Guten Tag. Eine Verkehrskontrolle. Einmal bitte den Führerschein und Fahrzeugschein«, bat ich den Fahrzeugführer. Er war ein Mann mittleren Alters, wie es schien, der jüngste in der Truppe. Mit klobigen ungewaschenen Händen händigte er mir die gewünschten Dokumente aus und schaute mich gespannt an.

»Wo kommen Sie gerade her?«, fragte ich und spähte ins Fahrzeug.

»Wir haben etwas für den Kollegen, der hier auf der Rücksitzbank Platz genommen hat, abgeholt und nun sind wir auf dem Heimweg. Wir haben noch drei Stunden Fahrt vor uns. Unser Heimatort liegt etwa 250 km südlich von hier.«

Ich warf einen Blick auf die Rücksitzbank. Der Mann wirkte ein wenig hibbelig. Im Gegensatz zum Fahrer hatte er bereits grau untersetztes Haar und davon gar nicht mehr so viel.

»Okay. Und wer ist Ihr Beifahrer, wenn ich fragen darf?«

Der Mann auf dem Beifahrersitz, dessen Gesicht einem Pfannkuchen glich und auf dessen Nase eine dicke Brille thronte, antwortete: »Ich wohne mit ihm zusammen in einer Doppelhaushälfte.«

Diese Aussage überraschte mich, weil die beiden gar nicht nach einem Pärchen aussahen. Aber natürlich hatte ich mein Pokerface aufgesetzt und ließ mir nichts anmerken. Insgesamt war es merkwürdiges Trio, wo die sich wohl kennengelernt hatten?

»Ich möchte Ihnen natürlich den Grund für die Kontrolle mitteilen«, gab ich stattdessen von mir. »Ihr Fahrzeug wirkt im hinteren Bereich ein wenig überladen. Dürfte ich bitte einen Blick in den Kofferraum werfen?«

»Natürlich. Das ist gar kein Problem.«

Nicht gerade elegant schälte sich der Fahrer aus seinem Sitz und begab sich Richtung Kofferraum. Die beiden anderen stiegen ebenfalls aus.

Es ist mir übrigens bis heute schleierhaft, wieso bei einer Verkehrskontrolle, sobald man von einer Person etwas verlangt, alle Fahrzeuginsassen aussteigen. Obwohl es auch Menschen gibt, die uns fragen, ob sie während einer Kontrolle aussteigen dürfen. Natürlich dürft ihr, aber warum wollt ihr?

Die Kofferraumklappe wurde geöffnet. Wie aus einer Schatztruhe, die sich vor uns auftat, glänzten Paul und mich mehrere kupferfarbenen Rohre von etwa einem Meter Länge an. Die Anzahl war nicht abzuschätzen. Der gesamte Kofferraum war voll. Absolut nicht verwunderlich, dass das Fahrzeugheck fast auf dem Boden schleifte.

»Wow«, entfuhr es mir.

Das Fahrzeug musste total überladen sein. Wie konnte man bitte nicht merken, dass ein solcher Transport so nicht funktioniert? Nun ja, sie machten mir nicht den Eindruck, als seien sie die hellsten Kerzen auf der Torte, aber trotzdem musste das Vorwärtskommen eine Qual gewesen sein. Doch das war nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass ich mir an den Kopf griff, wenn es darum ging, was manche Menschen für ein Verhalten an den Tag legten.

»Können Sie mir sagen, woher denn diese ganzen Kupferrohre stammen?«, fragte Paul den Fahrer.

»Also ich helfe lediglich meinem Freund beim Transport.« Er zeigte auf Grauhaar. »Er hat mich angerufen und darum gebeten, ihm beim Abholen von einigen Sachen zu helfen. Da er mir den Sprit bezahlt und ich aktuell Zeit habe, habe ich zugesagt. Meinen Mitbewohner habe ich für die Navigation und als Hilfe beim Tragen mitgenommen. So geht das Einräumen schneller, verstehen Sie?«

Paul nickte.

»So haben wir also die Rohre eingeladen und nun sind wir auf dem Rückweg.«

Grauhaar mischte sich nun in das Gespräch ein. »Ich habe die beiden gefragt, ob sie mir helfen können, das Material abzuholen. Ich habe aktuell kein Auto.«

»Ja, das ist ja alles schön und gut«, hörte ich mich sagen, »aber woher haben Sie diese Rohre? Außerdem muss ich Ihnen sagen, dass Sie so definitiv nicht weiterfahren dürfen. Haben Sie sich mal angeschaut, wie Sie durch die Gegend fahren?«

Mein Gegenüber presste ein mürrisches »Hm« heraus.

»Ich habe die Rohre von der Baustelle, wo ich sonst auf Montage bin, mitgenommen. Die waren über und wären sowieso als Müll entsorgt worden. Unseren Chef interessiert das nicht weiter. Aus diesem Grund habe ich mir gedacht, dass ich sie mitnehme. Sie haben alle problemlos ins Auto gepasst und mir ist nicht aufgefallen, dass es zu schwer ist.«

Natürlich und der Weihnachtsmann ist mein Großvater, dachte ich mir.

Paul und ich hielten kurz Rücksprache. Wir fanden die Geschichte beide sehr fragwürdig, zumal zurzeit Kupferdiebstähle wieder stark im Kommen waren. Nicht selten wurden von Baustellen Kupferkabel, Kupferrohre, Elektromotoren und alles, was irgendwie Kupfer beinhaltete, entwendet, um es unter der Hand an den Mann zu bringen. Der Schrottpreis von einem Kilogramm Kupfer lag aktuell bei circa 6 € und wir hatten locker mehrere hundert Kilogramm vor uns. Den Gewinn, den man damit machen konnte, kann sich, denke ich, jeder selbst ausrechnen. Für uns stand fest, wir würden die Rohre sicherstellen.

»Also so setzen Sie Ihre Fahrt auf jeden Fall nicht fort. Die Rohre laden Sie bitte aus und stapeln sie unter dem Carport neben der Dienststelle. Solange wir nicht genau wissen, woher sie stammen, verbleiben sie bei uns«, setzte Paul die Männer in Kenntnis. »Wir sind der Meinung, dass die Rohre unerlaubt entwendet wurden, und werden deshalb ein Strafverfahren einleiten. Natürlich können Sie Beweise vorbringen, um nachzuweisen, dass Sie rechtmäßig in den Besitz der Rohre gelangt sind. Außerdem brauchen Sie keine weiteren Angaben machen. Wenn über die Herkunft der Rohre Klarheit herrscht, steht Ihnen jederzeit die Option offen, sie hier abzuholen. Allerdings nur mit einem Fahrzeug, das für eine Beladung in diesem Ausmaß geeignet ist.«

Es wurde eifrig genickt. Man hatte verstanden.

Sichtlich genervt von der Wendung, die der Tag für die drei genommen hatte, fingen sie an, die Kupferrohre auszuladen. Die schnellsten waren sie nicht. Wir standen daneben und zählten die Rohre mit. Am Ende erfassten wir 91 Stück. Weil alle Rohre etwa gleich lang waren, wogen wir im Beisein der Herren eines, um ein vorläufiges Gewicht ermitteln zu können. Um die fünf Kilogramm zeigte die Waage. Somit hatten wir circa stolze 455 Kilogramm vor uns liegen.

»Sie werden aufgrund des Strafverfahrens nochmal Post bekommen. Da können Sie sich schriftlich zum Tatvorwurf äußern«, informierte Paul weiter.

Egal, wie die Ermittlungen ausfallen würden, wir hatten hier auf jeden Fall eine heftige Überladung des Fahrzeuges vorliegen.

Laut Zulassungsbescheinigung war für den Pkw ein zulässiges Gesamtgewicht von 2 200 Kilogramm zulässig. Wenn man nun das Leergewicht des Fahrzeuges und das Gewicht der Fahrzeuginsassen abzog, kam man zu dem Schluss, dass eine Zuladung von maximal 300 Kilogramm erfolgen durfte.

Da wir in Deutschland leben und alles von Bürokratie bestimmt ist, müssen wir für die meisten unserer getroffenen Maßnahmen Protokolle als Nachweis fertigen. Gäbe es die Bürokratie nicht, wären Sachverhalte schneller abgearbeitet und Polizeiarbeit wesentlich leichter. Aber das ist uns leider nicht vergönnt. Nachdem wir alle Unterschriften eingeholt hatten, die für die Vollständigkeit der Protokolle notwendig waren, händigte Paul die persönlichen Dokumente an die Männer aus. An dieser Stelle war die Kontrolle für uns beendet und wir verabschiedeten uns. Die Herren durften ihre Fahrt in die Heimat fortsetzen, wenn auch um einige Kilos leichter.

In den darauffolgenden Tagen wurde durch den Ermittlungsdienst Kontakt zu der Firma, von der die Kupferrohre stammten, aufgenommen. Es wurde mit dem Chef gesprochen und eifrig ermittelt. Schlussendlich stellte sich heraus, dass der grauhaarige Mann nicht der beste Mitarbeiter war und wohl auch nicht länger beschäftigt sein würde. Sein Chef hatte keine Kenntnis davon gehabt, dass er die Kupferrohre eingesteckt hatte. Auch wenn es sich um Schrottreste handelte, war nicht vorgesehen, dass ein Baustellenarbeiter sich überschüssiges Material aneignete, um es gewinnbringend zu verkaufen. Somit würde dieser Mann sich für einen Diebstahl verantworten und womöglich eine entsprechende Geldstrafe entrichten müssen.

Paul und ich hatten an dem Tag Glück gehabt. Glück, weil wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen waren und die richtigen Personen angehalten hatten, die uns direkt vor die Nase gefahren waren. Ich sage doch, Glück ist das oberste Gut im Leben. Übrigens denken Paul und ich heute noch lachend an diesen glorreichen Nachmittag zurück.

Auf der Suche nach Popcorn

Nachtschicht. Ein Wort, das bei den Kollegen unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Manche mögen sie, manche meiden sie. Ich finde sie in Ordnung. Manchmal kann man einen freien Tag herausschlagen, wenn man auf einen anderen Dienst umschwenkt. Aber nachts arbeiten, was mit lange wach bleiben und lange ausschlafen verbunden ist, finde ich sehr angenehm. Schon als Kind wollte ich immer spät ins Bett gehen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Nacht zum Tag machen, genau mein Ding.

Die heutige Schicht sollte zwölf Stunden dauern. Grundsätzlich ist es so, dass die Dienste in der Woche immer von Dienststelle zu Dienststelle unterschiedlich gesplittet sind und am Wochenende Zwölf-Stunden-Schichten versehen werden. Wenn’s nach mir ginge, könnte man auch da auf acht Stunden umpolen, weil zwölf Stunden wirklich sehr lang sind. Ich frage mich immer wieder, wie Menschen dauerhaft zwölf Stunden arbeiten können, da würde ich vermutlich eingehen.

Es war eine Samstagnacht im Mai. Die Tage wurden langsam länger und eine einfache Jacke reichte aus, um nicht zu frieren. Der Dienst begann unspektakulär. Ein paar Standardeinsätze, wie man sie meistens erlebt.

Was zähle ich zu Standardeinsätzen? Nun da haben wir die Verkehrsunfälle mit Sachschaden, Ruhestörungen, Streitigkeiten und Alarmauslösungen. Aber das ist unterschiedlich. Auch ein Diebstahl oder ein Einbruch kann Standard sein, dabei ist die erforderliche Polizeiarbeit umfangreicher, wegen der Spurensuche und Ermittlungen. Ich möchte nicht, dass jemand denkt, ich würde diese Standardeinsätze als unbedeutend abstempeln. Auf keinen Fall. Aber für uns sind es eben Einsätze, die täglich vorkommen und Bestandteil unseres stetigen Einsatzgeschehens. Bei vielen Einsätzen ist unser Erscheinen gar nicht erforderlich, doch leider sehen das manche Menschen anders.

Solche Einsätze hatten also unsere bisherige Nacht bestimmt. Es war kurz nach 4:00 Uhr morgens, die Müdigkeit setzte langsam ein, sodass ich mir am liebsten Streichhölzer zwischen die Augen geklemmt hätte. Ich fing an, mich auf den Feierabend zu freuen, als das Telefon klingelte. Unser Wachhabender nahm den Hörer ab. Die Stimme am anderen Ende war so laut, dass ich problemlos verstehen konnte, was gesagt wurde. Der Anrufer befand sich in seinem Schlafzimmer und teilte mit, dass er aus seinem Fenster heraus drei Personen beobachtete, die sich an einem Bmw X 5, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt war, zu schaffen machten. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Mein Kollege Toni und ich schnappten uns unsere Jacken und rannten zum Streifenwagen. Blaulicht an und mit quietschenden Reifen brausten wir vom Hof.

Ich liebte Einsatzfahrten. Besonders im Dunkeln, wenn das blaue Licht die Dunkelheit erleuchtete, schlug mein Herz schneller und ich spürte jedes Mal meine Begeisterung für diesen Job. So über die Straßen zu rauschen, hatte etwas Mystisches. Das Gefühl, das eine Einsatzfahrt einem gibt, kann man schwer beschreiben. Ich würde es mit dem vergleichen, was ein Rennfahrer während eines Rennens empfinden muss. Natürlich bin ich kein Rennfahrer, aber trotzdem ist jede Einsatzfahrt ein Rennen mit der Zeit, natürlich immer unter der Berücksichtigung, dass die Geschwindigkeit viele Gefahren birgt und man sehr wachsam und vorausschauend fahren muss. Nicht jeder Verkehrsteilnehmer bemerkt uns sofort. Besonders im Kreuzungsbereich passieren immer wieder Unfälle, weil ein Streifenwagen trotz des eingeschalteten Blaulichts und Martinshorns übersehen und auch überhört wird. In der Nacht hat man das Problem natürlich weniger, da das Verkehrsaufkommen wesentlich geringer ist. Trotzdem sollte man auch hier immer eine gewisse Vorsicht walten lassen.

Wir jagten durch die Nacht, umgeben von blinkendem Blau, unserem Sachverhalt entgegen.

Toni lenkte den Streifenwagen, also war meine Aufgabe das Funken. Grundsätzlich wird die Arbeit im Streifenwagen so geteilt, dass sich der Fahrer ausschließlich auf das Fahren konzentriert und der Beifahrer sich um interne Anrufe, Funk und Sonstiges kümmert.

Mit Toni hatte ich einen Kollegen mit viel Einsatzerfahrung an meiner Seite. Er war für mehrere Jahre in einer Großstadt in einer speziellen Einheit tätig gewesen. Dann hatte er beschlossen, dass sein Dienstleben etwas ruhiger werden sollte, und auf unsere Dienststelle gewechselt. Als ich ihn kennengelernt hatte, hatte ich ihn nicht so richtig einschätzen können. Ich meine, man hörte immer Dinge über andere, aber ich machte mir lieber selbst ein Bild und gab nichts auf das Gerede von anderen.

Nach einigen Diensten stellte ich fest, dass Toni ein dufte Typ war, mit dem man Pferde stehlen konnte. Er war humorvoll, kompetent und von ehrlicher Natur. Wenn ihn etwas störte, dann sprach er es, ohne zu zögern an und machte seinen Standpunkt dabei sehr deutlich. Man schätzte ihn wesentlich jünger als seine über vierzig Jahre, was vermutlich an seinem faltenfreien Gesicht und vollem Haar lag. Mir macht das Arbeiten mit ihm sehr viel Spaß. Er gehörte zu der Sorte von Polizisten, die in jeder Situation menschlich blieben. Ich erinnerte mich an einen Einsatz auf einem verlassenen Bäckereigelände, auf dem sich Jugendliche unerlaubt aufhalten sollten. Die konnten wir vor Ort nicht mehr feststellen. Doch auf dem Gelände fanden wir neben riesigen beeindruckenden leeren Lagerhallen auch einen höheren Turm, der ebenfalls der Produktion gedient haben musste. Spontan entschieden wir, nach oben zu steigen, und wurden mit einem atemberaubenden Blick über die Stadt belohnt. Wir machten ein paar Bilder von der Aussicht und ein Selfie, um das ich später sogar ein wenig beneidet wurde. Das Gelände und auch der Turm wurden leider ein Jahr später platt gemacht. Aber diese spontane Entdeckungstour würde ich nie vergessen.

Der Anfahrtsweg zum Einsatzort dauerte circa fünf Minuten. Vor Ort konnten wir das angegangene Fahrzeug am Fahrbahnrand feststellen. Wir gingen erst einmal davon aus, dass es am Vorabend da geparkt worden war. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Pkw in schwarz, ein Bmw X 5 aus der Baureihe 2013 – 2018.

Wir beschlossen, zunächst Rücksprache mit dem Meldenden zu halten, um uns über den genauen Sachverhalt zu informieren. Er wohnte laut am Telefon gemachter Angabe in einem Einfamilienhaus direkt gegenüber. Das gesamte Grundstück war mit einem etwa 1,20 m hohen Zaun umfriedet. Der Meldende hatte uns anscheinend schon kommen gesehen, denn als wir auf sein Haus zuliefen, trat er von seinem Grundstück auf die Straße.

»Guten Abend, Sie haben bei uns angerufen?«, hörte ich Toni sagen.

»Ja, das ist korrekt«, antwortete der Mann, der auf den ersten Blick selbst in seinem Schlafanzug nicht den Eindruck vermittelte, als ob er gerade aus dem Bett gestiegen war. So frisch sah ich auf jeden Fall nicht aus, wenn ich aus dem Bett stieg. Ich fragte mich auch immer, was der Postbote dachte, wenn ich völlig verballert die Tür öffnete und da war es nicht kurz nach 4:00 Uhr nachts.

»Gut, dann schildern Sie mir bitte noch einmal in aller Ruhe, was genau Sie beobachtet haben«, meinte Toni.

»Also … ich habe geschlafen und bin auf einmal durch ein dumpfes Geräusch hochgeschreckt. Es hörte sich blechern an, als ob etwas kaputtgehen würde. Ich versuchte herauszufinden, woher dieses Geräusch kam, und schaute aus meinem Schlafzimmerfenster. Das ist sich im Dachgeschoss des Hauses. Als ich aus dem Fenster sah, bemerkte ich drei Personen, die damit beschäftigt waren, an dem Fahrzeug, das Sie da drüben sehen«, er zeigte mit dem Finger auf den schwarzen Bmw, »irgendwelche Teile abzureißen. Ich riss das Fenster auf und brüllte sie an, dass ich die Polizei rufen würde. Daraufhin flüchteten die Personen in verschiedene Richtungen. Hier, gleich die nächste Einfahrt rein«, er zeigte nach links um die Ecke, »befindet sich ein Wendehammer. Möglicherweise haben sie dort ihr Fahrzeug geparkt, mit dem sie gekommen sind, oder jemand hat auf sie gewartet.“

»Haben Sie denn danach ein Fahrzeug davonfahren sehen oder hören?«

»Nein, leider nicht.«

»Können Sie die Personen näher beschreiben? Haben Sie irgendwelche Auffälligkeiten feststellen können?«

»Nein. Ich habe nur erkannt, dass es sich um drei männliche Personen handelte. Sie waren alle dunkel gekleidet und um die 1,80 m groß, würde ich schätzen.«

»Ok, danke. Wir schauen uns jetzt erst einmal das Fahrzeug an und sprechen mit dem Besitzer. Falls wir noch Fragen haben, kommen wir auf Sie zurück.«

Toni wandte sich mir zu: »Lass uns erst einmal das Fahrzeug und die Umgebung in Augenschein nehmen und dann mit den Geschädigten sprechen. Vielleicht finden wir noch irgendwelche Hinweise.«

Wir überquerten die Straße, um uns das Fahrzeug genauer anzuschauen. Auf den ersten Blick hatten wir nur gesehen, dass einige Fahrzeugteile abmontiert worden waren. Nun wollten wir überprüfen, was genau fehlte. Als wir vor dem Fahrzeug standen, sahen wir, dass im Bereich der Fahrzeugfront die gesamte Frontschürze und der linke sowie rechte Kotflügel abgetrennt worden waren. Außerdem fehlten beide Frontscheinwerfer. Wir gingen weiter um den Pkw herum. Die Beifahrertür war angelehnt und die Scheibe eingeschlagen. Auf dem Sitz lagen einige Glassplitter und Scherben. Die Täter hatten die Scheibe eingeschlagen, um die Tür von innen aufzuklinken, und das Fahrzeug zu durchsuchen. Augenscheinlich war innen nichts entwendet worden, zumindest keine Fahrzeugteile. Häufig wurden im Inneren Radio, Lenkrad und Airbags ausgebaut. Stattdessen hatten die unbekannten Täter im hinteren Bereich des Fahrzeuges die rechte Verbreiterung des Kotflügels abgebaut. Hinweise auf den Verbleib der Teile fanden wir nicht. Eine umfangreiche Spurensuche würde später durch die hierfür zuständige Tatortgruppe, TOG genannt, vorgenommen werden. Die kommt immer dann zum Einsatz, wenn eine größere Spurenlage zu erwarten ist. Sie sind auf die Spurensicherung spezialisiert. Damit wird gewährleistet, dass die meisten vorhandenen Spuren gefunden und schonend gesichert werden. Das soll nicht heißen, dass wir zur Spurensicherung und -suche nicht in der Lage wären, sondern, dass von der TOG auf diesem Gebiet bessere Arbeit zu erwarten ist.

Es galt nun, den Eigentümer des Fahrzeugs ausfindig zu machen. Durch eine Überprüfung des Kennzeichens konnten wir die Wohnanschrift des Geschädigten schnell ermitteln. Wie sich herausstellte, schloss das Grundstück direkt an das Grundstück des Meldenden an.