Wenn du Talent hast zur Liebe - Muriel Spark - E-Book

Wenn du Talent hast zur Liebe E-Book

Muriel Spark

0,0
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Lernen Sie die weltberühmte Romanautorin Muriel Spark von einer völlig neuen Seite kennen: als Lyrikerin. Ihre rund siebzig Gedichte aus sechs Jahrzehnten erinnern laut dem langjährigen britischen Literaturpapst, Frank Kermode, »im Stil und in der wunderbaren Ökonomie der Mittel an W. H. Auden« (The Spectator, London).

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 177

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Muriel Spark

Wenn du Talent hast zur Liebe

Die Gedichte Englisch/Deutsch

Aus dem Englischen übertragen und mit Anmerkungen versehen von Christa Schuenke

Diogenes

Vorwort

Dieser Band enthält alle Gedichte, die ich während meines gesamten literarischen Lebens, also von den späten vierziger Jahren bis zum heutigen Tage, geschrieben habe.

Meine Lektorin Barbara Epler (die so klug, so charmant, so humorvoll und mit einem so unfehlbar feinen Gespür begabt ist, dass mich jeder andere Autor um sie beneiden muss) hat meine Gedichte neu geordnet und in eine Reihenfolge gebracht, die das Buch nach meiner Überzeugung stimmiger und wesentlich frischer wirken lässt als jede chronologische Ordnung. Ich persönlich habe das Gefühl, dass meine Gedichte, genau wie manche meiner Erinnerungen, hier auf eine ganz unwillkürliche und unvorhergesehene Weise zusammenkommen.

Was die chronologische Abfolge angeht, so besitze ich darüber weder präzise Aufzeichnungen, noch verfüge ich über genaue Datierungen. In meiner Anfangszeit musste ich oft Jahre warten, bis die eine oder andere meiner literarischen Arbeiten endlich veröffentlicht wurde. An einigen dieser Gedichte habe ich seit den späten vierziger Jahren fortlaufend weitergearbeitet; gedruckt erschienen sie jedoch erst viel, viel später. Im Inhaltsverzeichnis habe ich versucht, mit Hilfe der nützlichen Abkürzung »ca.« anzugeben, aus welchen Jahren die entsprechenden Gedichte meiner Meinung nach stammen.

Einmal, als ich einem lieben Freund, dem Dichter W.H. Auden, einen Besuch abstattete, traf ich ihn beim »Aufpolieren« seiner früheren Gedichte an. Er erzählte mir, dass man ihm diese Angewohnheit bisweilen zum Vorwurf gemacht habe, er selber aber finde es durchaus gerechtfertigt, später noch Änderungen vorzunehmen, denn ihm werde erst jetzt, im reifen Alter, klar, was er in seiner Jugend eigentlich sagen wollte, aber eben nicht richtig ausdrücken konnte.

Daran musste ich denken, als ich meine eigenen Gedichte durchsah. Bei manchen war ich mir selbst nicht sicher, was ich damals gemeint hatte. In gewisser Hinsicht war ich vor fünfzig Jahren schließlich eine andere gewesen. Trotzdem kann ich mich auch von denjenigen Gedichten, bei denen ich vergessen habe, was sie bedeuten und wodurch sie ausgelöst wurden, nicht einfach distanzieren. Nehmen wir zum Beispiel die »Edinburgh-Villanelle«: Was mag ich damals wohl gemeint haben mit »Midlothians Herz, das niemals mir gehört«? In meiner Heimatstadt Edinburgh, draußen vor der St.-Giles-Kathedrale, gibt es eine Stelle, die das »Herz von Midlothian« bezeichnet. Ich habe viele wundervolle Erinnerungen an Edinburgh. Mein Schlüsselroman The Prime of Miss Jean Brodie (Die Blütezeit der Miss Jean Brodie) ist ein Buch über Edinburgh. Aber ich habe keine Ahnung, was ich in diesem Gedicht mit den Worten »das niemals mir gehört« sagen wollte, und doch wollte ich damals etwas damit sagen. Und darum habe ich die Worte so gelassen, wie sie dastehen, genau wie viele andere Verse, die ich heute nicht mehr zu deuten weiß.

Ich habe mich immer als Dichterin verstanden, auch wenn ich mich den größten Teil meines Lebens hindurch mit dem Schreiben von Prosa befasst habe. Ich schreibe zwar keine »poetische Prosa«, habe aber das Gefühl, dass meine Art und Weise, das Leben zu betrachten, und auch die Art und Weise, wie ich die Ereignisse wahrnehme, die einer Dichterin sind. Alles literarische Schreiben, ganz gleich, ob es sich um Prosa handelt oder um Poesie, ist auf geheimnisvolle Weise mit der Musik verbunden, und ich kann nur hoffen, dass dieses Moment in jedem meiner Werke erkennbar ist.

Vor langer Zeit habe ich mich eingehend mit dem Studium der verschiedenen Versformen befasst und auch versucht, sie anzuwenden. Nicht alles, was dabei herauskam, ist in meinen Augen so gut gelungen, dass es wirklich in diesen Band hier hineingehört. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass eine frühzeitige Dichterlehre für jedes literarische Schreiben wunderbar anregend und ein sehr guter Anfang ist.

Muriel Spark

Toskana, 2003

Wenn du Talent hast für die Liebe

A Tour of London

I. DAYBREAK COMPOSITION

Anyone in this top-floor flat

This morning, might look out upon

An oblong canvas of Kensington

Almost ready for looking at.

Houses lean sideways to the light;

At foreground left, a crowd of trees

Is blue, is a footman, his gloves are white.

The sky’s a pair of legs, top-right,

The colour of threadbare dungarees.

All the discrepant churches grind

Four, and in the window frame is

Picasso at least, his scene; its name is

Morning; authentic, but never signed.

II. KENSINGTON GARDENS

Old ladies and tulips, model boats,

Compact babies, mobile mothers,

Distant buses like parakeets,

Lonely men with mackintoshes

Over their arms – where do they go?

Where come from? now that summer’s

Paraphernalia and splash is

Out, as if planted a year ago.

Fahrt durch London

I. TAGESANBRUCH-KOMPOSITION

Wenn einer in dieser Mansarde sich wendet

Heut Morgen zum Fenster, kann unten er sehn

Ein Hochkantgemälde von Kensington,

Bereit zur Betrachtung und beinah vollendet.

Häuser neigen zum Licht hin sich schräg,

Im Vordergrund links eine Baumgruppe, die

Ist blau: ein Lakai, weiße Handschuh er trägt;

Der Himmel: zwei Beine; im oberen Eck

Der Farbton so Blaumannblau irgendwie.

Von diversen Kirchen schlägt es vier Uhr,

Und in dem Fensterrahmen erkennt

Man Picasso, zumindest die Szene, er nennt

Es Frühmorgens, nur hat er es niemals signiert.

II. KENSINGTON GARDENS

Alte Damen, Modellboote, Tulpen,

Stabile Babys, mobile Mütter.

Von fern her Busse, Sittichen gleich,

Einsame Männer mit Regenmänteln

Über dem Arm – wo gehen sie hin?

Kommend woher? jetzt, wo überall

Die Sommersachen und Platzregen erblühn,

Als hätt man vergangenes Jahr sie gepflanzt.

III. WHAT THE STRANGER WONDERED

Where does she come from

Sipping coffee alone in London?

The shoes, the hair – I do not think

She has anything in the bank.

Has she a man, where is he then,

Why is she sitting at half-past ten

Reading a book alone in London?

Where does the money come from

That lets her be alone and sipping

Not with a man, not in a job, not with a dog

to the grocer tripping?

IV. DAY OF REST

The clock knocked off at quarter to three

And sat there yawning with arms stretched wide.

And it was set going again by nobody,

It being Sunday and we being occupied.

Therefore the day happened and disappeared,

But whether the time we kept was appropriate

To rend, to sew, to love, to hate,

No one could say for certain; all that occurred

Was Sunday, London, bells, talk, fate.

III. WAS DEN FREMDEN WUNDERTE

Woher mag sie wohl sein,

Die da in London Kaffee trinkt allein?

Die Schuhe, die Haare – mir scheint, die ist blank.

Die hat bestimmt kein Geld auf der Bank.

Ob sie einen Mann hat? Wo der wohl ist?

Wieso sitzt die hier, Viertel nach zehn, und liest?

In London, als wär sie ’ne Dame von Welt?

Und woher hat sie bloß das Geld,

Dass die sich das leisten kann, hier rumzusitzen so alleine und

So ohne Mann und nicht im Büro und nicht fürs Abendessen

Einkaufen zu müssen mit dem Hund.

IV. RUHETAG

Die Uhr blieb stur stehen um Viertel vor drei

Und hockte da und gähnte und räkelte sich breit,

Und keinem fiel es ein, sie wieder aufzuziehen, weil,

Es war ja Sonntag, und wir hatten keine Zeit.

Und so verging der Tag und rieb sich auf,

Doch ob die Zeit, nach der wir gingen, richtig war

Zum Flicken, Nähen, Lieben, Hassen gar,

Das wusste keiner so genau; weil weiter nichts geschah

Als Sonntag, London, Glocken, Reden und des Schicksals Lauf.

V. SUBURB

It is the market clock that moonish glows.

Where two hands point, two poplars

interlock.

Night’s verities knock

Normal perspectives comatose,

Proving the moon a market clock,

The trees, time’s laughing-stock.

VI. THE HOUSE

Their last look round was happening when

The bus pulled up outside.

Nothing burning? Windows tried?

The lights go on and off again

And they are satisfied,

And we already starting off –

But see the house, how curious,

The lights again! and sure enough,

Feeling the catch behind the curtain

A hand – just to make certain.

V. VORORT

Die Marktuhr ist’s, die scheint so mondenfahle.

Wo sich zwei Zeiger zweisam drehn, zwei Pappeln sich umzweigen sacht.

Es fällt im Angesicht der Wahrheiten der Nacht

Die Perspektive kurzerhand ins Koma, die normale.

Entlarvt als Marktuhr, wird der Mond verlacht,

Die Bäume – zum Gespött der Zeit gemacht.

VI. DAS HAUS

Sie schauen noch einmal zurück zum Haus,

Als draußen schon der Bus heranlaviert.

Nichts brennen lassen? Alle Fenster kontrolliert?

Das Licht geht an und wieder aus,

Nun sind sie beruhigt; und wir, couragiert,

Wir gehn schon mal vor –

Doch seht nur, das Haus, wie sonderbar,

Das Licht wieder an! und da, hinterm Store

Eine Hand, die den Riegel schnell –

Einfach sicherheitshalber – noch mal probieren will.

VII. MAN IN THE STREET

Last thing at night and only one

Man in the street,

And even he was gone complete

Into an absence as he stood

Beside the lamplight longitude.

He stood so long and still, it would

Take men in longer streets to find

What this was chewing in his mind.

VII. MANN AUF DER STRASSE

Nachts als Letztes, ganz allein,

Ein Mensch auf der Straße da unten,

Und auch der war plötzlich verschwunden,

War nicht mehr da, obwohl wie gebannt

Im Lichtmeridian der Laterne er stand,

So lang und so still, dass keiner erahnt –

Zumindest in dieser kurzen Straße, bei dem geringen Verkehr,

Was dem grad durch den Kopf ging vorher.

The Dark Music of the Rue du Cherche-Midi

If you should ask me, is there a street of Europe,

and where, and what, is that ultimate street?

I would answer: the one-time Roman road

in Paris, on the left bank of the river,

the long, long Rue du Cherche-Midi,

street of my thoughts and afterthoughts

and curiosity never to be satisfied entirely, and

premonitions, inconceivably shaped, and

memories.

Suppose that I looked for the street of my life,

where I always

could find an analogy. There in the

shop-front windows and in the courtyards,

the alleys, the great doorways, old convents,

baronial properties:

those of the past. And new

hotels of the present, junk shops, bead shops,

pastry cooks, subtle chocolate-makers, florists of intricate

wonder, and merchants of exceptional fabrics.

Suppose that I looked, I would

choose to

find that long, long Rue, of Paris, du Cherche-Midi,

its buildings,

they say, so tall they block out the

sun. I have always thought it worth

the chase and the search to find some sort of meridian.

Die dunkle Musik der Rue du Cherche-Midi

Fragte man mich, ob es eigentlich die Straße Europas gibt

und wo und welches diese Straße aller Straßen sei?

Dann würde ich erwidern, die alte Römerstraße

in Paris, am linken Flussufer, die lange, lange Rue du Cherche-Midi,

Straße meiner Gedanken und Nachgedanken

und einer Neugier, niemals ganz zu stillen, und der

Vorahnungen von unbegreiflicher Gestalt und der

Erinnerungen.

Gesetzt den Fall, ich würde nach der Straße meines Lebens

suchen, in der ich immer

eine Parallele finde. Dort in den

Schaufenstern und in den Höfen,

den Durchgängen, den großen Torbögen, alten Klöstern,

prunkvollen Anwesen:

solchen aus vergangener Zeit. Und neuen

Hotels von heute, Trödelläden, Schmuckgeschäften,

Konditoreien, raffinierten Konfiserien, Blumenläden voll

vertrackter Wunderwerke und Händlern mit erlesenen Tuchen.

Gesetzt den Fall, ich würde nach ihr suchen, ich entschiede

mich für sie,

für jene lange, lange Rue – à Paris – du Cherche-Midi,

deren Gebäude,

sagt man, so hoch sind, dass sie verdecken die

Sonne. Ich war schon immer der Meinung, dass sie sich lohne,

die Jagd und die Suche nach irgendeiner Art Meridian.

From 1662 to the Revolution:

No. 7, owned in 1661 by

Jérémie Derval, financier, counsellor,

and master of the king’s household.

All along the street:

Marquises, dukes, duchesses,

financiers, mathematicians, magistrates,

philosophers, bibliophiles, prioresses,

abbesses, princes and, after them,

their widows, generals, ambassadors,

politicians. Some

were beheaded and others took over.

In essence

none has departed. No. 38:

there was the military prison where Dreyfus

first stood trial, in December, 1894.

At No. 40 resided the Comte de Rochambeau until

he was sent to help George Washington;

he forced the English to surrender at Yorktown

and took

twenty-two flags from them. What a street, the

Rue du Cherche-Midi!

Here, Nos. 23–31, was a convent where a famous

abbess reigned,

disgusted in girlhood by her father,

a lecher,

she imposed a puritan rule and was admired,

especially when, great lady that she was,

she humbled herself to wash the dishes.

Von 1662 bis zur Revolution:

die Nr. 7 gehörte 1661

Jérémie Derval, Finanzier, Ratsherr

und Vorsteher der königlichen Haushaltung.

Die ganze Straße lang:

Marquis, Herzöge, Herzoginnen,

Finanziers, Mathematiker, Richter,

Philosophen, Bibliophile, Priorinnen,

Äbtissinnen, Prinzen und, nach ihnen,

ihre Witwen, Generäle, Gesandte,

Politiker. Manchen

wurde der Kopf abgeschlagen, und andere kamen ans Ruder.

Im Grunde

ist keiner verschwunden. Nr. 38:

hier war das Militärgefängnis, wo Dreyfus

seinen ersten Prozess hatte, im Dezember 1894.

In der Nr. 40 residierte der Comte de Rochambeau, bis

man ihn losschickte, George Washington zu helfen;

er zwang die Engländer zur Kapitulation bei Yorktown

und nahm ihnen

zweiundzwanzig Fahnen ab. Was für eine Straße, die

Rue du Cherche-Midi!

Hier, Nr. 23–31, das war ein Kloster, dem eine berühmte

Äbtissin vorstand,

als Mädchen verabscheut von ihrem Vater, der ein

Wüstling war,

führte sie ein puritanisches Regime und erntete Bewunderung,

besonders wenn sie, diese große Dame,

sich selbst erniedrigte und das Geschirr abwusch.

Beads and jewels of long ago look out

from their dark shopwindows

like blackberries in a wayside bramble bush

holding out their arms:

Take me, pick me, I am dark and sweet,

ripe and moist with life.

The haggard young girl in charge of the boutique

reaches for the beads, she fondles them, sad, sad,

to part with such a small but

undeniable treasure. Rose quartz:

she sells it with eager reluctance.

Listen to my music. Hear it.

Raindrops, each dark note.

She has not slept well. Her little

black dress was hastily donned, and the half-

circles are drooping under her eyes.

They say the Rue du Cherche-Midi,

with its tall houses set at shadowy angles,

never catches the sun.

Still, in the shop, that

raddled, dignified young girl –

frugal, stylish,

experienced – will, with bony fingers,

pick out a pile of necklaces:

the very one that you want, those

opals, those moonstones.

Dark boutiques, concerns; their shadow falls

over the bright appointments of the day.

It is a long, long past that haunts the street of Europe,

a spirit of vast endurance,

a certain music, Rue du Cherche-Midi.

Perlen und Juwelen von vor langer Zeit gucken aus

ihren dunklen Schaufenstern heraus

wie Brombeeren an einem Brombeerstrauch am Wegesrand

und strecken ihre Arme aus:

Nimm mich, pflück mich, ich bin schwarz und süß,

reif und feucht von Leben.

Das abgehärmte junge Mädchen, Verkäuferin in der Boutique,

greift nach den Perlen und liebkost sie, traurig, traurig,

zu trennen sich von diesem kleinen, aber

unbestreitbar großen Schatz. Rosenquarz:

sie verkauft ihn mit beflissenem Widerstreben.

Lauscht meiner Musik. Hört sie.

Regentropfen, jede dunkle Note.

Sie hat nicht gut geschlafen. Ihr kleines

Schwarzes rasch übergestreift, und schlaff hängen die Halb-

kreise unter ihren Augen.

Man sagt, in die Rue du Cherche-Midi

mit ihren hohen Häusern, schattig gegeneinandergebaut,

verirrt die Sonne sich nie.

Und doch wird im Geschäft das

angemalte und geschmückte junge Mädchen –

bescheiden, gestylt,

erfahren – mit knochendürren Fingern

eine Halskette fischen aus einem Haufen:

genau die, die du willst, diese

Opale, diese Mondsteine.

Dunkle Boutiquen, Bedenken; deren Schatten fällt

über die hellen Termine des Tages.

Lang, lang ist die Vergangenheit, die geistert durch die Straße Europas,

ein Geist von enormem Beharrungsvermögen,

eine gewisse Musik, Rue du Cherche-Midi.

The Yellow Book

They did not intend to distinguish between the

essence

Of wit and wallpaper trellis. What they cared

Was how the appointments of the age appeared

Under the citron gaslight

incandescence.

Virtue was vulgar, sin a floral passion

And death a hansom at the door, while they

Kept faith with a pomaded sense of history

In their fashion.

Behind the domino, those fringed and

fanned

Exclusive girls, prinked with the peacock’s eye

Noted, they believed, the trickle of a century

Like a thin umbrella in a black-gloved

hand.

Yellow Book1

Um den wesentlichen Unterschied zwischen Esprit und

Trellis-Tapete

Ging’s ihnen nicht so sehr. Ihr einziges Interesse war,

Wie wohl im grell-zitronengelben Gaslicht das Zeitgeistinventar

Am besten zur Geltung kommt. Das war’s, worum sich für sie

alles drehte.

Tugend war billig, Sünde florale Passion und der Tod

Ein Hansom draußen vor der Tür; sie aber blieben treu

Ihrem pomadigen Geschichtsbegriff, sie blieben dabei –

Nach ihrer eignen Fasson – sehr kommod.

Hinter der Dominomaske die Mädchen, die vornehm

befransten, galant

Befächerten Ausnahmedamen in ihrer Pfauenaugenzier,

Glaubten, sie hätten bemerkt, wie ein Jahrhundert sich hier

Vertänzelt gleich einem dünnen Schirm in einer schwarz

behandschuhten Hand.

What?

A black velvet embroidered handbag full of medium-size

carrots

All of which said ‘Good morning’ in one voice.

What does the dream mean?

The black velvet is death; and the embroidery?

Oh, I daresay, a fancy funeral.

The carrots are sex, plenty of them.

Why did they say ‘Good morning’?

Well, I said ‘Good morning’ back to them,

This in my dream being the right thing to do.

Was?

Eine schwarze, bestickte Samthandtasche voll mittelgroßer

Möhren,

Die alle wie aus einem Munde »Guten Morgen« sagten.

Was bedeutet der Traum?

Der schwarze Samt ist der Tod; und die Stickerei?

Oh, ich vermute, ein feines Begräbnis.

Die Möhren sind Sex, es sind viele.

Warum sagten sie »Guten Morgen«?

Nun, weil ich auch »Guten Morgen« sagte,

Weil sich das so gehörte, in meinem Traum.

Verlaine Villanelle

Like poor Verlaine, whom God defend,

I see the sky above the roof,

And write my book till summer’s end.

When tree, town, bell and birdnote blend,

I feel, since summer sails aloof

Like poor Verlaine, whom God defend,

Who went to jail but did not mend.

I taste the pity sure enough

And write my book till summer’s end.

I see a tree, and won’t pretend

I’m warped on that nostalgic woof

Like poor Verlaine, whom God defend.

But rue the crooked dividend

These days will yield of galley-proof,

And write my book till summer’s end.

Therefore I see the sky and spend

An hour of lyrical reproof,

Like poor Verlaine, whom God defend,

And write my book till summer’s end.

Verlaine-Villanelle

So wie Verlaine – dass Gott ihm gnädig sei –

Schau übers Dach zum Himmel ich

Und schreib mein Buch, bis dieser Sommer ist vorbei.

Baum, Glocke, Stadt und Vogelschrei

Verschmelzen mir, blähn Sommers Segel sich,

So wie Verlaine – dass Gott ihm gnädig sei –,

Der ins Gefängnis ging und bis zuletzt sich treu

Geblieben ist und unverbesserlich. Sein Elend schmecke ich

Und schreib mein Buch, bis dieser Sommer ist vorbei.

Seh einen Baum ich, sag ich nicht, es sei

Die pure Nostalgie, die mich beschlich,

So wie Verlaine – dass Gott ihm gnädig sei.

Die Reue aber, meiner Gaunerei

Profit, bringt Druckfahnenertrag mit sich

Und schreibt mein Buch, bis dieser Sommer ist vorbei.

Drum schau zum Himmel ich und bin so frei,

Verschwend ein Stündchen auf ein tadelndes Gedicht,

So wie Verlaine – dass Gott ihm gnädig sei –,

Und schreib mein Buch, bis dieser Sommer ist vorbei.

Edinburgh Villanelle

These eyes that saw the saturnine

Glance in my back, refused the null

Heart of Midlothian, never mine.

Hostile High Street gave the sign.

Hollyrood made unmerciful

These eyes that saw the saturnine

Watchmen of murky Leith begin

To pump amiss the never-full

Heart of Midlothian, never mine.

Withal they left the North Sea brine

Seeping the slums and did not fool

These eyes that saw the saturnine

Waters no provident whim made wine

Fail to infuriate the dull

Heart of Midlothian, never mine.

Municipal monuments confine

What ghosts return to ridicule

These eyes that saw the saturnine

Heart of Midlothian, never mine.

Edinburgh-Villanelle2

Die Augen, die den Blick, so hämisch und empört,

In meinem Rücken sahen, mieden mit Bedacht

Midlothians Herz, das niemals mir gehört.

Die High Street gab feindselig, wie bewährt,

Das Zeichen, Hollyrood hat hart gemacht,

Die Augen, die gesehn, wie ungestört

Die Wachmannschaft im trüben Leith entleert,

Auspumpend seinen nimmervollen Schacht,

Midlothians Herz, das niemals mir gehört.

Auch ließ sie in die Slums unabgewehrt

Die Nordseeflut und hat nicht irr gemacht

Die Augen, die gesehen, wie’s nimmer gärt,

Das Wasser, das kein Gott zu Wein je klärt,

Und es nicht schafft, dass aufsteht und erwacht

Midlothians träges Herz, das niemals mir gehört.

Städtische Monumente halten eingesperrt,

Was uns die Geister lächerlich gemacht:

Die Augen, die gesehen hämisch und empört

Midlothians Herz, das niemals mir gehört.

Holy Water Rondel

For salt, no word seems apposite;

Its common wisdom would defy

All praise, so far as meets the eye,

Salt is so meek a hypocrite.

And not the most selective wit

Has words to measure water by,

Because, so far as meets the eye,

Water is exquisite.

But cited sacerdotally,

Multiple evils up and quit,

Which proves that water and salt commit

Pathetic faults beyond the eye;

And shows a happy flaw whereby

The fabric is bereft of it,

Since there is nothing left of it

But mercies more than meet the eye.

Therefore I rate the creatures high

Whose salt and watery features knit

So strict and strange a composite

Of blessings and of brine thereby.

No wonder that the clergy ply

The people every week with it,

Who are of virtue infinite

So far as meets the eye.