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Der Berliner Autor, Reinhard Ost, legt mit seinem Satyrspiel "Wenn Mikroben über Utopien reden" die moderne Version einer verdrehten Welt vor. Kleines wirkt größer und Großes etwas kleiner. Geschichte, Entwicklung, Schöpfung, Macht und Herrschaft erscheinen andersartig unter dem Licht des Mikroskops. In allen seinen Werken bevorzugt der Autor die jeweils neuen Erzähl- und Handlungsperspektiven und zieht sie den alten Blickwinkeln vor - zweifellos zum Schutz vor übereilten Seelenverwandtschaften und falschen Identifikationsmustern. Wenn die Hauptdarsteller Einzeller, Bakterien, Keime, Viren, Amöben, Würmer, Symbionten, Pilze und viele andere Kleinstlebewesen sind und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der NATO-Generalsekretär, der deutsche Außenminister, die Präsidentin des Robert-Koch Instituts in Berlin, der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, der englische Lordkanzler Thomas Morus, Bill Gates sowie Mark Zuckerberg sich nur als Nebendarsteller profilieren können, geht es um mehr als nur eine Seuche.
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Seitenzahl: 249
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Reinhard Ost
Wenn
Mikroben
über
Utopien
reden
Ein Satyrspiel
Wenn Mikroben über Utopien reden - Ein Satyrspiel
Copyright:@2016 Reinhard Ost
Publishedby:epubliGmbH,Berlin
Inhalt
Mitwirkende
Unsere gemeinsame Welt
Der Schrecken
Der Tod der kleinen Krabbe
und die staubige Wiedergeburt
im Wendekreis des Krebses
Die steigende Zahl freiheitlicher
Utopier
Die Auferstehung des Einfachen
Biomechanischer Kriegszustand
Über den Autor
Mitwirkende
Hauptdarsteller
GLEIFUSS:Eine universelle Mikrobe, Erzähler,
Berichterstatter, mit irdischem Namen MoGoe
WORAX:Sprecher der Mikroben, multiresistenter
Keimling aus der Hühnerzucht, großartiger Kerl
CORI:Partner(in) von Gleifuß, Teil des friedlichen
Volks der Guma-Mikroben
WEITERE:Einzeller, Bakterien, Keime, Viren,
Amöben,Würmer, Symbionten, Pilze u.v.a.m.
Nebendarsteller
Der Präsident der USA
Der NATO-Generalsekretär
Der Deutsche Aussenminister
Frau Prof. Dr. Wiebke Lotharius:Präsidentin des
Robert-Koch Instituts in Berlin (RKI)
Professor Weihenstein:Chefarzt in einem
Konstanzer Krankenhaus
Johann Wolfgang von Goethe:(Deutscher Dichter)
Thomas Morus (Englischer Lordkanzler)
Unsere gemeinsame Welt
Es herrscht einiges Gewimmel auf der großen Bühne.
Die Mikroben sind ein kleinwüchsiges Völkchen auf dem fernen Planeten Guma. Eigentlich kann sie nichts aus der Ruhe bringen, denn sie leben statt zu arbeiten oder Freizeit zu machen. Wer sie besucht, erlebt sein blaues Wunder. Sie können blau, hell- bis mittelblau sein, ähnlich wie die Schlümpfe auf der Erde, die allerdings wie ihre großen Erfinder, die wir die Wesentlichen nennen, nicht auf Guma leben. Der Planet Guma ist viel zu klein, um große Wesentliche oder sogar eine ihrer gewaltigen Götterstatuen auf ihm unterbringen zu können.
Für irdene Wesentliche sind Mikroben gewissermaßen anonym, nur ganz winzige Lebewesen, wie umherirrende Partikelchen, viel zu klein, um sie mit bloßem Auge erkennen zu können. Das Volk der Mikroben lebt auf Guma in jedem der Elemente, also praktisch wie im Überall. Guma ist ein idealer Heimatplanet, sozusagen der ursprüngliche Gedanke allen organischen Lebens und aller nichtorganischen Materie. Viele Wesentliche haben schon etwas Ähnliches auf ihrem eigenen Planeten entdeckt. Sie nennen es Schöpfung, Heimat, Urknall oder manchmal auch Gottesteilchen.
Hier auf Guma tummelt man sich im Feuchten, Festeren oder Luftigen - ganz einfach überall. Wenn Wesentliche auf Guma leben, das heißt atmen könnten, wäre es höchst wahrscheinlich, dass wir als Mikroben auch in ihnen, hier vor Ort, existieren würden. Sie sind großartige Siedler. Wir sind kleinartige Siedler. Der kleine Planet Guma und die großen Wesentlichen: Die Größenverhältnisse machen wirklich den Unterschied aus und manchmal sogar einen gewissen Sinn.
Jede einzelne Guma-Mikrobe fühlt sich im Prinzip für alles zuständig, also auch zuständig für Krankheit und Gesundheit, wenn wir denn zwischen diesen beiden wichtigen Aggregatszuständen des organischen und anorganischen Lebens unterscheiden würden. Wir tun das aber nicht. Wir sind sozusagen ganz neutrale Kleinstwesen.
Der Planet Guma ist größenmäßig betrachtet, also aus irdener Sicht, so winzig klein, dass Wesentliche ihn über Jahrmillionen hinweg übersahen. Weil sie Guma nicht betreten konnten, waren sie auch nicht imstande, ihn zu verschmutzen oder gar zu zerstören, nicht einmal als Urlaubsreisende. Aber sichtbar ist unser Planet schon immer gewesen, wenn man nur genauer hinschauen und etwas besser kombinieren würde.
Manch ein Erdwesentlicher sagt, dass bestimmte Mikroben in seiner Lebenswelt für Toxoplasmose und Malaria verantwortlich seien. So formuliert stimmt das aber nicht, weil wir Guma-Mikroben, wenn wir auf der Erde verweilen, niemals aus kuriosen Eigeninteressen handeln. Häufig genug ist es ungemütlich und hektisch in der Erdatmosphäre und in den Körperschaften, weil man sich an so entsetzlich viele Dinge unentwegt anpassen muss. Ständig muss sich eine Mikrobe mit der Entwicklung der Verhältnisse auf der Erde beschäftigen und sich auf symbiontische Weise zurechtfinden, sonst würde vieles aus dem Ruder laufen. Jedoch nicht selten werden wir in unserem Tun missverstanden, manchmal sogar regenrecht missbraucht. Wie eine besondere Form des Rassismus empfinden wir die wesentlichen Vorurteile.
Wenn Wesentliche sagen, Mikroben bestünden, wie Bakterien und andere Mikroorganismen, nur aus einer einzigen Zelle bzw. aus sehr wenigen Zellen, so ist das Ziel der Erkenntnis gewissermaßen schon verfehlt. Das ist die oberflächliche Betrachtung - mehr Schein als Sein. Unsere Merkmale sind anders als die der Wesentlichen. Wir bestehen zwar in erster Linie aus uns selbst. In zweiter Linie treten wir aber in unseren Wirtsleuten in Erscheinung. Wir können sehr viele Dinge bewirken. Die Wesentlichen auf der Erde sind nur eine unserer Wirtsformen unter vielen anderen, zugegeben oft eine liebenswerte Art, vor allem, weil sie so relativ groß, komplex und ausgesprochen experimentierfreudig sind.
Wir Mikroben brauchen Nährstoffe, Eiweiße und Fette zur Entwicklung. Mikroorganismen bestehen nämlich zu etwa dreiviertel Teilen aus Wasser und brauchen besondere Flüssigkeiten als Lösungs- und Transportmittel. Viele von uns vermehren sich prächtig, wenn ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht. Einige Spezialisten können aber auch unter Sauerstoffausschluss, also ohne Sauerstoff, Helium und andere Gase, wachsen. Prinzipiell benötigen aber die meisten Erdmikroben den Sauerstoff zum Leben und gewissermaßen auch alle anderen Elemente des Periodensystems, welches die Wesentlichen eines Tages sauber zu Ende konstruiert haben. Letztendlich könnten wir aber ohne solche wesentliche Erkenntnisse über die Stoffelemente gut existieren. Die meisten Mikroben, das ist überhaupt kein Wunder, lieben das schöne Wetter, die Wärme, die Feuchtigkeit, viele sogar die Hitze. Andere bevorzugen eine kältere Umgebung. Solche unterschiedlichen Umgebungen gehören zu unseren entscheidenden lebensweltlichen Merkmalen. Ob ein Wesentlicher in der Kälte des Nordens oder eine Wesentliche in der Hitze des Südens lebt, macht auch bei ihnen einen großen kulturellen Unterschied aus.
Das Volk der Guma-Mikroben besteht aus vielen wundervollen Ethnien. Alle sind verschieden, aber durch unsere Einfachheit wirken wir oft sehr ähnlich. Eine Salmonelle oder eine Staphylokokke kann man sein, muss man aber nicht unbedingt. In der Gesamtheit sind wir eine vielgestaltige weitgehend hierarchielose Gemeinschaft. Verschiedene Gleichheit und gleichartige Verschiedenheit sind unser Lebens- und Verhaltensprinzip. Politische Herrschaftsverhältnisse kennen und mögen wir auf Guma nicht. Niemand würde unterschiedliche Verhältnisse als störend empfinden. Niemand hat ein Interesse daran, einen Mitbewohner als gefährlich zu beschimpfen. Deshalb besitzen wir Mikroben keine Kriegswaffen. Wir haben uns selbst, unseren guten Willen, unsere Funktionsweise und unseren paradiesischen Heimatplaneten. Wir sind glücklich, wenn wir uns frei und unbeschwert bewegen können. Tanzend und singend genießen wir das Leben. Eine Gewinner- und Verlierermentalität, wie sie in der Welt der Wesentlichen so überaus entscheidend ist, gibt es bei uns nicht. So sind wir verschieden gleich und sehr unterschiedlich glücklich. Einer einzelnen Mikrobe würde kaum ein Vorteil einfallen, den sie gegen eine andere verteidigen oder sich widerrechtlich aneignen wollte.
Mikroben sind grundsätzlich liebenswert und ungefährlich. Immer leben wir mit unglaublich vielen anderen unserer Arten zusammen, helfen uns gegenseitig aus der Patsche, wenn es nötig und sinnvoll ist. Wir mögen uns wechselseitig. Gesund und fit möchte man aus prinzipiellen Gründen sein und bleiben. Unser Wille zum Überleben ist grenzenlos. Wir benötigen beileibe keine Milchsäurebakterien, wie jene von uns, die zum Beispiel zur Verdauung im Darm eines Wesentlichen herumirren, auch weil wir als überaus funktionstüchtiges Volk ein ganz anderes Verdauungsprinzip wertschätzen. Wir nehmen nur das zu uns, was wir benötigen bzw. verarbeiten können. Manchmal müssen wir uns untereinander behilflich sein, das bedeutet zuweilen sogar zwingend und schematisch miteinander zu kooperieren, wenn man beispielsweise einigen frechen Mehrzellern begegnet. Solche Mehrzeller probieren es häufiger, auch auf Guma Fuß zu fassen, um sich Nahrung zu besorgen oder Krieg zu führen. Eine falsche Nahrungssuche als Kriegsphänomen sozusagen mögen wir aber auf Guma nicht. Falls jedoch einige kriegerische Mehrzeller wirklich zu aggressiv auftreten, bilden wir als Einheimische, alle gemeinsam Verantwortung tragend, unsere sogenannten Mehrzellermikroben-Abwehrsysteme. Schnell können die feindlich gesinnten Erreger nur durch Solidarität verjagt werden. Unsere eigenen Nähr- bzw. Arbeitsstoffe besorgen wir uns stets selbst. Wir übernehmen das, was die Natur für uns bereitstellt, was man uns anbietet. Das kann mal weniger oder mal mehr sein. Unterschiedlichkeit macht uns, wie schon gesagt, nichts aus. Bulimie uns Unterernährung kennen wir nicht. Weniger zu haben, heißt sehr oft, mehr zu besitzen. Unterschiedliche Standards zu gewährleisten, ist ein bedeutender Teil unserer eigenen Lebensweise und auch unserer Philosophie. Im übertragenen Sinne braucht man auf Guma weder Joghurt, Sauerkraut noch Käse, weil unser Selbst ständig vorhanden ist und vollkommen ausreicht. Man benötigt keine verschimmelte Käsetorte zum Überleben, im Überfluss schon gar nicht.
Experten unter den Wesentlichen sagen inzwischen, dass ein Prozent aller Mikroben sie krank machen würde, oder besser noch, dass wir teilweise für ihre Krankheiten verantwortlich seien. Die Prozentzahl ist nur eine grobe Schätzung, denn genaue Zahlen über die Größe unserer Population gibt es gar nicht. Schon die Zahl der Guma-Mikroben tendiert gegen unendlich. Kaum jemand ist im Grunde imstande, eine Gruppe widerstandsfähiger Mikroben mutwillig abzutöten oder kann sie daran hindern, sich weiter zu teilen bzw. zu vermehren. Die Ursache dafür ist weithin bekannt: Wir sind ein einfaches, friedliches und bescheidenes Volk mit überaus vielen überlebenstüchtigen Teilhabern.
Mikroben haben keineswegs, wie einige Wesentliche vermuten, die irdenen Infektionen, wie den Durchfall, Erkältungen oder gar eine Mandelentzündung, hervorgebracht. Von uns aus tun wir so etwas nicht. Für solche unappetitlichen Sachen sind speziell gezüchtete Viren oder Bakterien für die zuständig.
Die kritische Mikrobe an sich kennt das Leben auf der Erde inzwischen sehr gut. Gemeinsam studieren wir täglich und zielgerichtet, konzentriert und praxisorientiert die Verhältnisse vor Ort. So wissen wir natürlich auch, dass künstliche Antibiotika gegen Viren und andere Schädlinge nicht wirklich langfristig wirksam sind. Eher noch werden durch eine falsche Bekämpfung von sogenannten Feinden die neuen Feinde erst geschaffen. Feindschaften können schließlich immer noch feindseliger werden, als man vorher im ersten Überschwange der Erkenntnis vermutete. So sind viele Viren gewissermaßen die Geschöpfe eines falschen Kampfeswillens der Wesentlichen. In den meisten Fällen ist es bei vielen möglichen Erkrankungen überhaupt nicht sinnvoll, auf Verdacht große Mengen industriell gefertigter Antibiotika einzusetzen. Spezielle Agenten von Wesentlichen scheinen diesbezüglich schon jedes Augenmaß verloren zu haben. Ich meine, dass viele von denen falschherum praxisfähig sind. Sie scheinen selbst zur Seuche mutiert zu sein.
In der Verniedlichungsform nennen wir uns selbst „die Kurzen“, „die Langen“ oder „die Runden“, Mikros eben, im Gegensatz zu anderen, welche größer und komplexer als wir gebaut sind. Diese nennen wir Makros. Verwegene Makroviren können tatsächlich in Zellen von Wesentlichen eindringen und den Wirt dann krank erscheinen lassen. Mediziner meinen bisweilen sogar, Viren und Bakterien seien die Krankheit selbst. Aber wir wissen genau, dass Viren viel zu arm an Gestalt sind und gar keine eigene Zelle besitzen. Fast nichts verkörpern sie. Sie sind auch keine Lebewesen im ursprünglichen Wortsinn. Eigentlich bestehen sie nur aus Molekülpartikeln, mit denen irgendwann einmal jemand herumexperimentiert hat. Ein schleimiges kleines Programm ist ein Virus, weiter nichts, wie ein Ping-und-Pong Spiel auf einem der ersten Applecomputer.
Makros auf der Erde sind von einer phantastischen Eiweißhülle umgeben, in der sie ihre genetischen Informationen aufbewahren, welche dann aber auch die schleimigen Viren unbedingt benötigen, um sich vermehren zu können. Jeder komplexere Typ möchte sich eben verewigen oder vererbt werden und auf Dauer existieren. Nur so können dann auch die Viren ihr gelegentlich unappetitliches Werk verrichten. Als Mikros von Guma kennen wir solche genetischen Informationsmarkierungen nicht. Deshalb nennt wir uns selbst die Glükros, nämlich dann, wenn wir unser prinzipielles, momentanes und einfaches Glück beschreiben, welches die meisten Makros leider nicht mit uns teilen können.
Den allermeisten Mikroben ist das Gehabe von Viren oder von bestimmten Bakterien, die für wesentliche Krankheiten verantwortlich gemacht werden, lästig und eigentlich auch völlig egal. Was ist schon eine Erkältung in der Nase? Es ist das Wetterproblem einzelner Wesentlicher - nicht unser Problem. Was ist AIDS? Antwort: Ein etwas größer geratenes und ausuferungsfähiges Problem, welches sie aber selbst hervorgebracht und damit auch zu verantworten haben. Was sind Grippe, Masern oder eine Leberentzündung? Krankheit ist im Normalfall nur die Folge unangepasster und ungesunder wesentlicher Lebensweise.
In den meisten Fällen bekämpfen die Körper von Wesentlichen, nämlich genau genommen wir, die unerwünschten Eindringlinge sofort und sehr erfolgreich - zum Beispiel beim Lippenherpes. Jedoch, wenn das Immunsystem des betroffenen Wesentlichen zu stark beansprucht wird, verwandeln sich ganz bestimmte ihrer Nervenzellen in Lippenbläschen. Wie kurios das aussieht, kann sich niemand auf Guma kaum bildhaft vorstellen. Wir Mikros besitzen kein eigenes Immunsystem und auch keine Nerven. Wir bewegen uns gerne frei und wollen nicht fremdbestimmt leben. Wir möchten selbst bestimmen, welche Form wir annehmen oder ablehnen. Wir brauchen keine besonderen Übungen oder festgelegte Trainingseinheiten für den Körper, weil wir gar keine Körpereigenschaften im wesentlichen Sinne und auch nur ganz wenig Substanz besitzen. Dadurch sind wir viel unempfindlicher als die leicht erregbaren, oft genervten Großen auf der Erdkruste. Wie man erkennen kann, wenn man erkennen will, begreifen wir Guma-Mikroben uns als einen gewissen Ruhepol oder sogar gelegentlich als intellektuellen Widerpart von Erdlingen. Sie haben andere Utopien und ganz andere Ideale als wir. Wir haben die unsrigen, sie die ihrigen.
Wie kann man das Phänomen des Ideals am besten beschreiben? Vielleicht gelingt es mir, das Prinzip unter Zuhilfenahme von Pilzen zu beschreiben:
Pilze sind auch auf Guma weitverbreitete Lebewesen. Sie sind nette, nützliche und hilfsbereite Wesen und überdies sehr gute Mitbewohner. Sie können sich ausgezeichnet in den unterschiedlichen Sphären bewegen, sich eigentlich an alle Lebensräume bestens anpassen. Ob nun Hefe-, Schimmel-, Mund- oder Speisepilz: Wir Mikroben mögen und verehren sie sogar. Wir sind gerne mit ihnen zusammen und haben gemeinsam schon die interessantesten intellektuellen Verbindungen zustande gebracht. Wir können uns lebensräumlich wunderbar untereinander absprechen. Wir kooperieren miteinander, schon viele Jahrtausende lang, ach was sage ich, über viele Jahrmillionen hinweg. Man hat es niemals nötig, sich gegenseitig einen Schaden zuzufügen. Sogar die Wesentlichen auf der Erde haben in einem ihrer glücklichen Momente der Kulturgeschichte von den hilfreichen Eigenschaften der Pilze in hohem Maße profitiert. Eines Tages haben sie das Penicillin entdeckt, weil sie einige vereinsamte Schimmelpilze entdeckten und sie dann für ihre Zwecke, nämlich zur Hemmung von Entzündungen, gut verwenden konnten.
Es ist nicht etwa so, dass Wesentliche uns Erdenmikroben nicht wertschätzen würden. Hin und wieder verehrt man oder huldigt uns sogar. Die Mikrobe des Erdjahres 2016 heißt als preisgewürdigtes Jargon Streptomyces und produziere gute Arzneimittel und gutes Erdmaterial, wie sie sagen. Eigentlich ist diese Mikrobe bereits schon zwei Mal mit dem Nobelpreis geehrt worden, nämlich im Jahr 1952, als Produzent des Antibiotikums Streptomycin, und im Jahr 2015 wegen des Ivermectins, das gegen einige Wurminfektionen hilfreich sein kann. Es kommt eben häufiger vor, dass man auf der Erde mehrfach ausgezeichnet wird. Warum das so ist, wissen wahrscheinlich die Entscheider unter den Wesentlichen selbst nicht so genau.
Viele berühmte Erdmikroben werden im Sammelbegriff Bakterien genannt. Man vergöttert und verteufelt viele ihrer Eigenschaften. Der Fluss sei durch Bakterien verseucht worden oder sogar umgekippt, obwohl doch lediglich eine Chemiefirma ihre giftigen Abfälle hineingekippt hat. Die besonderen Talente von Bakterien werden im Reich der Wesentlichen tendenziell noch weitgehend unterschätzt. Die talentiertesten Bakterien spielen zum Beispiel bei der Humusbildung, durch ihre Fähigkeit beim Recycling abgestorbener Pflanzen mitzuwirken, eine sehr wichtige Rolle. Ganz nebenbei sorgen sie auch für den frischen Duft in der Luft über den Waldböden.
Streptomyceten sind eigentlich keine einzelnen Bakterien, sondern sie sind ein irdenes Bakteriengeflecht, welches nahezu in allen Böden lebt. Fast immer leben Bakterien in total vernetzter Form zusammen. Sie bilden komplizierte Geflechte aus langen, sich verzweigenden Zellen. So wuchern sie zwischen Erdpartikeln, Pflanzenwurzeln und in den ihnen sehr ähnlichen Pilzhyphen. Streptomyces ist in manchen Böden das häufigste Bakterium und von ökologisch welthistorischer Bedeutung. Bei Nährstoffmangel entwickelt Streptomyces die sogenannten Lufthyphen und schließlich daraus die Sporen, die wie auf einer Perlenschnur angeordnet sind. In dieser dauerhafteren Form bleibt ihr Erbgut auch unter widrigen Bedingungen nahezu erhalten. Bei Wärme und Feuchte, also unter guten nährstofflichen Bedingungen, keimen die Sporen aus und bilden dann neue Hyphen.
Warum erzähle ich Ihnen davon?
Pardon, werte Leserinnen und Leser! Ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Gleifuß. Ich bin Ihre kleinwüchsige Erzählergestalt. Die Gemeinschaft der Guma-Mikroben hat mich zwecks Kommunikation und Außendarstellung auf die Erde abgeordnet, damit ich vor allem Ihnen von uns berichten kann. Man hat mich zu einem Großverlag in die deutsche Bücherwelt geschickt. Jedenfalls erhält dieser spezielle Verleger meine Texte. Ich möchte Ihnen von Anfang an nicht verschweigen, dass mein irdener Verlagsmanager gar nicht genau darüber Bescheid weiß, dass ich so winzig bin und eigentlich auch gar nicht so gerne auf dem Planeten Erde lebe. Ich beginne aber, mich an Ihre Welt, werte Leserinnen und Leser, anzupassen.
Zuweilen ertappe ich mich dabei, dass ich in einzelnen Verlagsmanagern sehr gerne lebe, deshalb meinen sie zuweilen manchmal sogar, ich sei ein guter Erzähler oder sogar einer der echten Schriftsteller. Warum kann ein Gumawesen überhaupt auf der Erde mit den Wesentlichen kommunizieren? Das werden Sie sich möglicherweise auch schon längst gefragt haben. Das Geheimnis ist einfach zu erklären: Wir nutzen alle erdenklichen Chancen, uns positiv bemerkbar zu machen. Also verwenden wir auch die modernsten Kommunikationstechniken. Je besser die Aufgaben wissenschaftlich und technisch gelöst sind, desto besser können auch wir werden. Wir können mit Hilfe vonTechnik gewissermaßen artenübergreifend kommunizieren. Auf dieser Seite sehen Sie übrigens kein hübsches Foto von mir, weil im Falle des Falles nur der Verleger die Bildrechte besitzten würde. Sie werden sich vielleicht ebenfalls fragen, wo wir gelungene Passfotos herstellen. Ich möchte sie auch diesbezüglich nicht auf die Folter spannen: Wir nutzen einfach das Knowhow der irdenen Entwickler und Ingenieure. Immer nutzen wir ihre besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten, denn wir sind ein freches Völkchen, ein Mitfahrervolk sozusagen, bestehend aus den unterschiedlichsten Typen von Trampern. Nichts bleibt uns verborgen. Nichts, was Experten einmal erfunden und dem großen Universum preisgegeben haben, können sie vor uns verbergen.
Häufig denke ich aber auch an völlig andere Existenzformen. In meinem zweiten Leben, wie in meiner Imagination sozusagen, neben Schriftstellerei und Berichterstattungspflichten, wäre ich am liebsten ein Humus-Hersteller. Aber man soll sich nicht zu viele Dinge gleichzeitig vornehmen, sagt man. Ich würde mir sogar zutrauen, besondere Enzyme auszuscheiden. Das wäre ein wichtiger Beitrag, um komplexe Substanzen abzubauen, damit sie wesentlich besser verdaut werden können, beispielsweise die schwer spaltbaren Stoffe wie Cellulose aus Holz oder Chitin von Insektenpanzern oder Pilzen. Viele klitzekleine Nährstoffe wären meine täglichen Leckerbissen. Meine größte existenzielle Sorge gilt nämlich dem Recycling von Pflanzenfasern und dem Überleben der Reste abgestorbener Organismen. Es würde mir auch sehr großen Spaß machen, im Darm von Regenwürmern oder Termiten die schwer verdaulichen Stoffe abzubauen. Alles könnte man tun, wenn man es will, weil man gebraucht wird. So bin ich denn relativ frei in meinem Wirkungskreis, jedenfalls in den eigenen Gedanken und Wünschen. Ich fühle mich fast wie ein Messdiener des Herrgotts. Ich gehöre direkt zum ökologischen Stoffkreislauf, immer bereit im allerweitesten Sinne zur Bildung von Kompost und Humus beizutragen. Natürlich wäre ich auch gerne ein allseits beliebter Künstler, ein Maler vielleicht, der Gemälde hervorzaubern und komplizierte auffällig gefärbte Moleküle ausscheiden kann, die eines Tages einen unschätzbaren Wert bekommen könnten. Wir auf Guma unterscheiden aber nicht zwischen Kunst und anderen ästhetischen Gemütszuständen, wie es die Wesenhaften auf der Erde es bisweilen tun. Aber eines Tages werden zweifellos alle Wesentlichen ihre Kenntnisse unseren Entwicklungsprinzipien anpassen, dessen bin ich mir ziemlich sicher, um endlich die ganze Welt für alle wohnlicher zu machen.
Im meinem dritten Leben, fast wie in einem Traum, bin ich ein sogenannter „Praktiker“, möglicherweise ein Arzneimittel-Hilfsproduzent in einem gewinnbringenden Wirtschaftsbetrieb. Dann verkaufe ich mich wie ein Genommener an einen wirtschafts-, beschäftigungs- und profitorientierten Produzenten. Lohnfortzahlung, wie ein gewöhnlicher Proletarier, benötige ich allerdings nicht. Zu meiner regulären Dienstaufgabe als Freiwilliger gehört dann das Organisieren mehrerer Tausend unterschiedlicher organischer Moleküle. Organisch wirkende Moleküle stimulieren zum Beispiel das Wachstum von Pflanzen. Sie unterdrücken bestimmte Bakterienarten durch künstliche Biotika und hemmen bestimmte Pilze oder wirken als Parasitikum gegen Parasiten. Jedoch am meisten Spaß würde es mir machen, wenn ich mich daran beteiligen dürfte, das Immunsystem von kleinen Kindern positiv zu beeinflussen, indem ich zum Beispiel das Wachstum verschiedener Tumore beeinflusse. Einige der weißgekleideten Wesentlichen sind wegen solcher Leistungen immer ganz aufgeregt, vor allem diejenigen, die sich eine lange Zeit in Krankenhäusern aufhalten. Nicht nur diese Wesentlichen in Krankenhäusern, sondern insbesondere auch die vielen umherschwirrenden Insekten, machen sich die bemerkenswerten Eigenschaften von uns Mikroben zunutze. Wir leben mit ihnen, zwischen ihnen, in ihnen und durch sie. Einer lebt vom anderen wie mit einem verwandten Bekannten oder sogar in einer engen Wahlgemeinschaft. Jeder kann von mikrobiotischen Fähigkeiten profitieren und, weiß Gott, nicht nur zur Abwehr von Schädlingen.
Liebe Leserinnen und Leser, Sie bemerken das Folgende: Ich bin eine umfassend interessierte und fast selbstverliebte Mikrobe, letzteres aber selbstverständlich nur aus Sicht eines Erdbewohners. Auf Guma, wo wir uns teilen, brauchen wir allerdings weder Schädlingsbekämpfungsmittel noch Selbstverliebtheit oder gar antibiotische Arzneimittel, weil wir keine Schädlinge kennen oder sind, sie auch nicht definieren oder erwarten. Schädlinge vernichten sich eigentlich auch auf der Erde fast wie von selbst, wenn man nur lange genug darauf warten kann. Also wieder zurück auf die Erde, so Leid es mir tut!
Meine vielen Freunde und ich, alle gemeinsam sind wir zu rund 70 Erdprozentzahlen die erfolgreichen Lieferanten sogenannter Wirkstoffe, die man für gewisse therapeutische Zwecke einsetzen kann. Leider nennt man diese Stoffe dann antibiotisch. Die Namensgeber trauen also gewissermaßen der Biologie auf der Erde nicht viel zu. Was für eine schreckliche Vision diese makabren Erdenwörter doch in sich tragen: „Anti“ als Vorsilbe und „biotisch“ als Nachsilbe zum Beispiel. Aktuelle Erd-Studien äußern sich inzwischen aber auch in eine andere Himmelsrichtung, zum Beispiel wenn Experten urteilen, dass sie mit uns noch viele unbekannte Schätze entdecken können und ausheben wollen. Große Schatzsucher sind die Erdwesentlichen, wenn sie doch nur die kleinen Schätze nicht immer so stark unterschätzen oder missverstehen würden.
Was könnten wir alles zukünftig gemeinsam stemmen? Wie gut wären wir doch als Zusammenhang imstande, Großes zu vollbringen?
Wir selbst wissen natürlich in jeder Situation und zu jedem Zeitpunkt, was wir können, wollen oder tun. Wesentliche beherrschen das leider noch nicht so gut, weil sie häufig zu wenig Vertrauen in ihre eigene Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre Zukünfte haben. Wir können uns diesbezüglich den Erdbewohnern leider noch nicht ausreichend philosophisch verständlich machen. Aber zweifellos wird das eines Tages gelingen, möglicherweise sogar durch meine persönliche Unterstützung. Wenn ich nämlich die Kommunikationsformen und -techniken der Erdlinge noch besser zu nutzen verstehe, können wir möglicherweise verständlicher werden. Kriecht man direkt in einen wichtigen Zeitungsredakteur hinein, so könnte dieser Redakteur eines Tages auch in unserem Sinne und für unsere wechselseitige Zukunft arbeiten. Währenddessen bemühe ich mich, auf eine angenehme Weise bemerkbar zu sein. Letztlich tun das aber alle anderen Mikroben ebenfalls.
Viele Erdlinge meinen, Einzeller hätten wenig Gehirn. Für sie sind wir sozusagen nur Geringzeller. Das stimmt auf keinen Fall. Wir können möglicherweise sogar viel historischer, zukunftsorientierter und systematischer als die Erdlinge denken. Warum ist das so? Antwort: Weil wir anders als die Wesentlichen ein großes Gemeinschaftsgehirn besitzen. Ein praktisches Gemeinschaftswirkdenken beherrschen wir. Sie dagegen kennen nur ihre Individualinteressen, das Rechtswesen sowie ihre Gemeindeverordnungen, also das Staatwesen mit Politikern und Verwaltungen. Erdlinge erkennen zunächst immer nur ihre unmittelbaren Interessen und ihre vereinsamten oder teamorientierten Gefühlslagen. Bestenfalls kennen sie noch einige wenige Sammelergebnisse aus der einschlägigen Gehirnforschung und machen dann spezielle Verordnungen daraus.
Ich verrate Ihnen in diesem Zusammenhang ein Geheimnis: Unser wundervoller Planet Guma ist wie ein einziges großes Gehirn, ein intelligentes Aggregat in stabilem Zustand sozusagen. Wir alle wissen um dieses große Glück und um unsere gemeinsamen Talente. Wir protzen nicht damit herum, untereinander schon gar nicht. Bei uns sind auch vordergründig erfolgsorientierte Wirtschafts- und Politstrategen unerwünscht. Wir sind nicht wie die Irdenen in ihren verschiedenen Milieus des Reichtums, die immer noch mehr von dem erreichen wollen, was sie schon haben, können oder dürfen.
Manchmal schauen wir fast wie Süchtige das Fernsehprogramm in den vielen Erdkanälen an. Die Welterfahreneren unter uns übermitteln dann den Unerfahrenen, durch die verschiedenen Biomethoden, was sie durch die Apparate gesehen und gehört haben - in erster Linie durch spezielle Bewegungstechniken. Diese vielen fremdenartigen Schauspieler, diese Typen in den irdenen Filmgattungen und Fernsehprogrammen: Cori und ich schauen am liebsten die Science-Fiction-Serien, wie zum Beispiel die Endlosschleifen der Serie „Raumschiff Enterprise“. Ausgesprochen vergnüglich sind diese erdverbundenen Zukunftskonstruktionen. In jeder Filmfolge scheinen sie auszutesten, was sie dann in der Realität nachbauen wollen. Wir müssen schmunzeln, weil die Crew des Raumschiffs Enterprise so unglaublich hierarchisch organisiert ist. Der Kapitän gibt Befehl, alle anderen gehorchen. Der Befehl kommt von ganz „oben“ und setzt sich dann durch alle Hierarchie-Ebenen bis nach ganz „unten“ fort. Weil bei uns kein solches Unten und Oben existiert, fällt uns dieses OU-Phänomen, in jeder Folge wieder neu auf den Wecker. Ihr Verhaltenskodex geht uns manchmal sogar schrecklich auf die nicht vorhandenen Nerven. Überhaupt sind die Befehlsformen und Befehlsrituale zwecks Gehorsams in den allen Schichten von Wesentlichen sehr stark ausgeprägt. Die einen verstehen sich freiwillig oder mutwillig als Unten, die anderen als das sogenannt notwendige Oben. Selbst die außerirdischen Wesen konstruieren die Filmregisseure nach dem gleichen Muster. Wenn sie mit ganz wenigen Schauspielern im Raumschiff durch die Lichtjahre zu einem entfernten Quadranten des Weltalls fliegen, bleiben sie eingeschränkt befehlsabhängige Wesen mit eigenartiger Erdverbundenheit. Merkwürdig! Im Grunde könnten sie gleichberechtigt miteinander sein, sich von Fall zu Fall sozusagen absprechen. Aber das tun sie nicht. Warum ist das so? Cori, die engste meiner Lebenspartner, hat einmal gesagt, dass die Crew des Raumschiffs als Schauspielkollektiv für die Realwesentlichen etwas Besonderes einüben würde. Zu Übungszwecken führen sie spezielle hierarchische Formen von Verhalten vor. „Notwendigkeit wegen der komplexen Herausforderungen“, sagen sie oft. Nichts darf ungeplant aus diesem Ruder laufen. Man muss sich einreihen. Chaos geht gar nicht. Immer geht es um den Gehorsam, die Regeln und um die Verordnungen der Föderation der Vereinten Planeten. Damit organisieren sie die Moral und den Zusammenhalt. Vor allem müssen sie unentwegt Feinde bekämpfen.
Völlig falsch konstruiert scheinen mir die Borg als ihr biomechanisches Feindbild zu sein. Der Anschluss eines neuen Borg-Mitglieds ans große Kollektiv ist den Regisseuren wie ein Dorn im Auge, der blind zu macht - amerikanisch eben. Das Borgverhalten nennen sie den Schrecken der Assimilation menschlicher Individuen. Selbstbestimmung besiegt kollektives Bewusstsein. Die schöne geborgte Seven of Nine muss sofort umgepolt werden. Grottig! Warum denn überhaupt Schrecken? Na ja, wahrscheinlich geht es um das furchterregende biomechanische Aussehen nach der Assimilation, welches sie sich als Feindbild gewählt haben. Die Gesichtsoperationen reicher älterer Frauen sind dann aber angeblich etwas anderes. Sie haben eben noch keine Dickdarmwand von innen gesehen. Welche großen Chancen im Kollektiv liegen, wird nicht erörtert oder vernünftig erklärt. Es wird gegen die Kollektivierung im Allgemeinen geschauspielert. Aggressiv und kämpferisch geht man vor. Mit den allerneuesten Waffen und der großartigen Phantasie der Crewmitglieder werden die gegnerischen Geschöpfe fertig gemacht. Kampf um des Kampfes willen? Wahrscheinlich wollen sich amerikanischen Regisseure und Produzenten von Russen oder Chinesen auf der Erde abgrenzen. Der positive Gedanke an einen Sozialkollektivismus steht der Vision amerikanischer Selbständigkeit und hierarchischer Selbstherrlichkeit in Ewigkeit entgegen.
Feindbilder und Geschlechterrollen, also gewissermaßen das innere wesentliche Schwarz-Weiß-Denken, sind in der Serie „Enterprise“ über viele Jahre und Folgen hinweg sehr kurios konstruiert worden. Dann aber kam die Kapitänin Janeway Mulgrew an Bord. Janeway ist ihr Kunstname und Mulgrew ihr Realname. Cori ist übrigens auch ein(e) Siehn, auf erdisch gesprochen also eine Sie und ein Er. Janeway Mulgrew ist vom Typ her gesehen Cori sehr ähnlich.
Nun, was können Mikroben dazu beitragen, um viele Erdenbürger von einer friedlicheren Existenzweise zu überzeugen? Antwort: Wir können alles nur vormachen und vorleben. Den Rest müssen die einzelnen Weltbürger schon selbst übernehmen.
Wissen Sie, liebe Leserinnen und Leser, was für mich irritierend und manchmal sogar recht anmaßend ist? Es sind die Erdbewohner, die wir die Schuliker nennen. Schulwissenschaftler, Lehrer und Weltbürger nennen sie sich, aber in Wirklichkeit sind sie kleinliche und notengebende Provinzlinge. Wenn zum Beispiel ein Schuliker behauptet, eine Mikrobe sei nichts und das sei Milieu alles, so kann man das mit guten Argumenten schnell widerlegen. Schuliker definieren die Teilnehmer an den von ihnen verschulten Verhältnissen als jeweils dümmer oder schlauer. Bei uns hingegen wird Dummheit und Klugheit immer nur als komplementär verwendet. Man ist aufeinander angewiesen. Also wenn man etwas auf sich selbst richtet, so richtet man es gleichzeitig auf sein Gegenüber. Das Gegenüber tut stets das Gleiche. Immer ist man ein Korrelat der eingeschlagenen Richtung. Dafür ein kleines Beispiel:
Schon im 19. Erdjahrhundert nach Jesus Christus entdeckte der französische Wissenschaftler, Mikrobiologe und Arzt Antoine Béchamp (1816-1908) in ganz kleinen Mikroben noch wesentlich kleinere, rund-körnige Körperchen, die im Licht seines Mikroskops in allen Farben glitzerten. Er fand solche Körperchen in allen lebenden Zellen, zum Beispiel auch in der freien Blutbahn kleiner niedlicher Kinder. Jetzt sage noch jemand, wir hätten keine Körperchen. Was ist die Aufgabe unserer Körperchen? Béchamp fand Eigenartiges heraus: Die ganz kleinen Körperchen produzieren mit Hilfe von Gärung Energie. Wie richtig doch diese Erkenntnis ist. Kleine Körperchen strotzen nur so vor Energie. Béchamp nannte sie Mikrozyme. In den Organismen, in denen sie die Hauptbestandteile des Erbmaterials herstellen, heißen diese Mioys Nukleinsäuren. Béchamp experimentierte weiter und fand sogar einige Anhaltspunkte für die Unsterblichkeit. Er versuchte die Körperchen zu töten. Aber beim Versuch blieb es. Für die Wesentlichen des 19. Jahrhunderts erwiesen sich unsere Körperchen als unzerstörbar. Wie ein Geheimnis kam es Béchamp vor, als wenn die ganz kleinen Körperchen unsterblich sind. Eine Zelle selbst konnte Béchamp zwar zerstören, doch die Mikrozyme nicht. Man stößt durch dieser wesentliche Erkenntnis zu immer kleineren Formen des Überlebens vor, zum Ursprung allen Lebens sozusagen, ins große Universum des Kleinen, nämlich zur Frage, bis wohin das Leben auf materieller Erdebene geht und wo es vermeintlich enden könnte.
Béchamp sah also schon vor über 150 Erdjahren viel Kurioses unterm Mikroskop, nämlich wie eine Blutzelle sich in eine Bakterie verwandelt und umgekehrt. Mikrozyme entwichen aus sterbenden Zellen und bildeten wieder neue. Alles konnte sich neu zusammenschließen und zum Beispiel zu einem Bakterium oder einem Virus werden. Béchamp konnte beobachten, wie sich Viren in andere Viren verwandeln, wie Viren zu Bakterien werden, Bakterien zu Hefen, aus Hefen Schimmelpilze entstehen. Diese Verwandlungsprozesse funktionieren tatsächlich in alle Richtungen. Mikrozyme verschwinden für den Moment, um später in neuer Gestalt zurückzukehren. Diese Fähigkeit zur multifunktionalen Veränderung in Form, Raum und Zeit, je nach Umgebung, nennen wir in unserer eigenen Sprache, die wir Kommusch nennen, schlicht den Bedarf durch AN, also gewissermaßen durch Angebot und Nachfrage.