Wieder ein Fresser mehr - Joachim Grosse - E-Book

Wieder ein Fresser mehr E-Book

Joachim Grosse

4,8

Beschreibung

Hans-Wilhelm-Albert, nach dem Vater genannt, von allen aber nur Willi gerufen, wächst als zweitjüngstes von fünf Kindern im Deutschland der Nachkriegszeit auf. Wie viele Entbehrungen, wie viel Arbeit und vor allem wie viel Kreativität ein Leben, das oft nah am Existenzminimum liegt, verlangt, beschreibt Joachim Grosse anschaulich in seinem biografischen Roman „Wieder ein Fresser mehr“. Doch zum Glück bleibt wischen Schule, Haus- und Gartenarbeit immer noch Zeit für die schönen Dinge des Lebens: Freunde, Hobbies und die erste Freundin. Geprägt sind die Geschichten durch die teils gesellschaftskritischen, teils amüsanten Gedankengänge von Will. Denn ist es wirklich von Vorteil, wenn man sich immer anstrengt und alles besser macht als die Geschwister? Überwiegt in diesem Fall die Freude über ein Lob oder der Ärger über die Verantwortung für eine zusätzliche Arbeit? In diesem Sinne ist das Buch eine abwechslungsreiche, aber auch lehrreiche Lektüre für fast jedes Alter.

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Joachim Grosse

Wieder ein Fresser mehr

Lieber Junge

AUGUST VON GOETHE LITERATURVERLAG

FRANKFURT A.M. • WEIMAR • LONDON • NEW YORK

Die neue Literatur, die – in Erinnerung an die Zusammenarbeit Heinrich Heines und Annette von Droste-Hülshoffs mit der Herausgeberin Elise von Hohenhausen – ein Wagnis ist, steht im Mittelpunkt der Verlagsarbeit. Das Lektorat nimmt daher Manuskripte an, um deren Einsendung das gebildete Publikum gebeten wird.

©2015 FRANKFURTER LITERATURVERLAG FRANKFURT AM MAIN

Ein Unternehmen der

FRANKFURTER VERLAGSGRUPPE

AKTIENGESELLSCHAFT

In der Straße des Goethehauses/Großer Hirschgraben 15

D-60311 Frankfurt a/M

Tel. 069-40-894-0 ▪ Fax 069-40-894-194

E-Mail [email protected]

Medien- und Buchverlage

DR. VON HÄNSEL-HOHENHAUSEN

seit 1987

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.d-nb.de.

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Lektorat: Agnetha Elsdörfer

ISBN 978-3-8372-1773-5

Inhaltsverzeichnis

1. Karnickel, schlimmer geht`s nicht

2. Rainer der Beißer

3. In Bünden muss man wohnen

4. Michael Bondni

5. Es stinkt mal wieder

6. Unsere tolle Familie

7. Will und Rainer sollen schlafen

8. Kuchen backen

9. Fliegeralarm

10. Ein echter Nazi

11. Herr Ley, der Migrant

12. Mutter in Berlin

13. Oma Braunberg, Lernprozess

14. Benduinstraße

15. Schwiegervater

16. Vaters Geschwister

17. Milch holen

18. Das gab´s auf den Teller

19. Kindergarten

20. Abends in der Küche mit Mama

21. Die Sau ist abgehauen

22. Die Kommunisten

23. Ladengeschäft im Haus

24. Hänschen, die Kinder müssen zur Erholung

25. Mama kann nur Sütterlin

26. Lebertran

27. Wie heißt Du denn?

28. Morgens in der Küche

29. Tischszenen

30. Schulweg

31. Bornau und Flutgraben

32. Rübensirup

33. Kartoffeln stoppeln

34. Einkaufen

36. Mode

36. Bohnen schnippeln

37. Furchtlos Kohle/Briketts hochholen

38. Kohlen auf Vorrat

39. Nette Nachbarn

40. Heiligabend

41. Unter Indianern

42. Garten graben

43. Papa raucht

44. Werksbibliothek

45. Klopppeitsche

46. Lederhosen

47. 1. Mai

48. Schützenfest

49. Zanken ums Geld

50. Diese großen Zähne

51. Weit weg spielen

52. Jauchegrube leeren

53. Klärschlamm

54. Mama im Krankenhaus

55. Rainers Armbruch

56. Badeanstalt

57. Der Fummler

58. Schwein muss man haben

59. Schangeln

60. Kirchgang

61. Holz holen

62. Stangen holen  

63. Radfahren lernen

64. Bobschlitten

65. Karnevalssendungen

66. Der Kuckuck ruft

67. Helmut Pobel

68. Siegfried Bergmüller

69. Salamander vertrocknen

70. Pilze sammeln

71. Das alte Radio

72. Licht zu laut ausgemacht – ehrlich

73. Zigaretten drehen

74. Küchenradio hören

75. Friseur Meurer

76. Wir waren die Kegelmafia

77. Kegeln und Hühner schlachten

78. Schwein schlachten

79. Der lange Alfred

80. Der Hof

81. Große Wäsche

82. Schuhe reparieren

83. Seifenhaus

84. Schiffe-Fahren-Lassen

85. Eingemachtes

86. Elfriede Essen bringen

87. Salmiakpastillen

88. Katholische Jugend

89. Beichte

90. Dickmilch

91. Werksgärtnerei

92. Die Schlossschule

93. Das Gymnasium

94. Will spielt Geige

95. Ich schreibe eine Zwei

96. Herr Brandt

97. Klassenclown

98. Hund Bobby

99. Helmuts Krähe

100. Bandenwesen

101. Völkerball

102. Müllers bauen

103. Drachen bauen

104. Brotlose Kunst

105. Die Herrmanns

106. Mutters Gehetze

107. Engelbild

108. Streitereien

109. Schlittenfahrt

110. Helmut hat Striemen

111. Sommer im Saarland

112. Herkebaron

113. Blinddarm

114. Mandeln

115. Zigeuner

116. Mama und Papa

117. Bevorzugung Rebecca

118. Rainer lernt

119. Einkaufen in Hannover

120. Helmuts Boden

121. Enten und Hühner ausnehmen

122. Rainer Stampfer

123. Aufnahmeprüfung

124. Meine Lehre

125. Lehrwerkstatt

126. Ormigabteilung

127. Walzstahlverkauf

128. Kokillen

129. Walzstraßen

130. Trägerfeld

131. Materialproben

132. Hartje und Sohn

133. Luftverschmutzung

134. Gewerkschaft

135. Kostgeld

136. Stenounterricht

137. Ins Kino gehen

138. Messerverkauf

139. Gartenarbeit

140. Papa bekam die ersten Früchte

141. Bäcker Steinkamp

142. Stachelbeerwein

143. Meine erste Liebe

144. Valeria

145. Krankenkasse

146. Pirko Rapelli

147. Lohnauszahlung

148. Valerias Unfall

149. Ende

1. Karnickel, schlimmer geht`s nicht

„Wihill, Raana ----- Wihill, Raana“. So rief sie immer aus dem Fenster, dessen eine Hälfte sie dazu aufkreckelte. Dieser durchdringende, helle, quäkende Ruf unserer Mutter erreichte uns fast überall; wo wir auch spielten oder uns aufhielten. Dieser Ruf löste bei mir immer ein leichtes Vibrieren im Körper aus. So ein ungutes Gefühl. Musst du jetzt wieder irgendwas erledigen oder hatte ich wieder was angestellt? So was ging mir durch den Kopf.

„Wihill, Wihill, Wihill“ hieß aber nicht so, sondern in Wahrheit Hans-Wilhelm-Albert, Rufname Wilhelm; genannt Will. Es wurden gern die Vornamen vom Vater und Großvater vergeben. Der Rufname war dann der Mittlere. „Raana“, mein jüngerer Bruder, hieß auch nicht so. Der hatte es einfacher. Der hieß nur Rainer − ohne Beinamen − und so nannten wir ihn auch. Das war schon sehr modern. Wenn wir Kinder ihn necken wollten, dann riefen wir ihn „Picki“. Das gefiel ihm gar nicht. Meine Mutter hatte ihm diesen Kosenamen verpasst, als er noch klein war. Klein wollte er natürlich nicht mehr sein. Bei dieser Ansprache hat er geheult und gemault bis er vergessen hatte, warum eigentlich die Tränen flossen.

Heute wird ja der liebe Nachwuchs nicht mehr nach solchen Traditionen benannt. Die bekommen heute alle besondere Namen. Damit wollen die Eltern zum Ausdruck bringen: Dieses Kind ist/wird was ganz besonderes. Manche sind so verrückt, die verpassen ihrem Kind den Namen eines Popstars, einer Fernsehserie oder einer Getränkemarke. Erst kürzlich hörte ich davon, dass ein Kind „NUTELLA“ heißen soll. Jedes Kind, das mit solch fürchterlichen Eltern beglückt ist, sollte ein Gesetz in Anspruch nehmen können, um sich so mit 14 Jahren selbst einen neuen, gebrauchsfähigen Namen wählen zu können. Das muss dann über Internet erledigt werden unter der Funktion „Umbenennen, Wunschnamen eingeben, Enter − alles gut“. Ich war mit meinem Namen allerdings zufrieden.

Gerade beim ersten Kind wird schon monatelang vorher überlegt, mit welch schönem Namen man das Kind stigmatisieren kann. „Ja, das ist ja eine große Freude. Euer Kind ist da? Alles gesund? Wie heißt es denn?“. Der Vater sehr ernst und ganz langsam: „ANNIKA − Bindestrich − SOFIE!!“ Der Bekannte: „Na, das ist aber ein langer Name. Wie soll man es denn rufen: Annika oder Sofie?“

Der Vater schon ärgerlich und sehr bestimmt: „ Wir möchten, dass unser Kind immer mit beiden Namen angesprochen wird! Schließlich haben wir das so ausgesucht.“ Der andere fragte noch vorsichtig nach: „Aber ohne Bindestrich?“.

Nach einem halben Jahr hieß dann das Kind, von den Eltern genannt: „Söffchen, du darfst dies nicht und das nicht“ Das zum Thema Namen.   

„Ihr holt Grünfutter für die Kaninchen, jeder zwei Körbe voll“ rief Mutter laut und bestimmt herunter. Das duldete keinen Widerspruch. Diese Arbeit haben wir Brüder sehr gehasst, weil sie mühevoll war. Auf der Wiese, gleich 50 Meter von unserem Haus entfernt, hatten wir Löwenzahn aus dem Gras zu zupfen. Kein Grashalm durfte dazwischen sein, nur reiner Löwenzahn. Sonst gab es Ärger. Wir kleinen Prökels zogen mit unseren Drahtkörben und großen stumpfen Messern los und kämpften mit dem widerspenstigen Löwenzahn, der mit seiner langen Wurzel nicht aus der Erde wollte. Diese Arbeit mussten wir jeden Tag erledigen. Da wünscht man sich, dass es bald Winter wird, weil dann der Löwenzahn nicht mehr wächst.

Ganz locker und vorsichtig haben wir das Grünzeug in den Korb gelegt, damit er ordentlich voll aussah. Viel drin war dann aber nicht. Deshalb mussten wir jeder zwei Körbe voll holen, weil unsere Mutter schon wusste, dass wir sie austricksen wollten. Wenn wir die Körbe voll gesammelt hatten, stellten wir uns wieder unter das Küchenfenster und schrien im Duett: „Maamaa“ Es war schon mehr ein Urschrei, so richtig laut. Sicher war sie wieder irgendwo im Haus tätig und sie musste uns ja notfalls durch die Hauswand hören. Wir riefen auf alle Fälle lauter als unsere Mutter uns rief.

Dann ging das Fenster auf und sie schaute mürrisch herunter. „Was gibt es?“ fragte sie barsch und wir fragten artig: „ Ist das genug?“ „Drück mal da drauf“, verlangte sie dann von uns beiden. Wir hielten die Körbe vor dem Bauch. „Das reicht nicht“, kam es schneidend von oben. „Macht die mal ordentlich voll“. Bums, war das Fenster wieder zu. So mussten wir nun noch mal los und die Körbe richtig voll füllen. Ärgerlich war, wenn nur einer von uns noch mal los musste. Kollektive Bestrafung war für uns erträglicher. Das Grünfutter haben wir an unsere vielen Kaninchen verfüttert (es waren bis zu 36 Tiere), die das Zeug ruckzuck wegmummelten.

Wir sahen zu, dass wir schnell wieder zum Spielen kamen. Unsere Zeit zum Spielen war ja immer zu knapp. Ständig haben wir deshalb versucht, diesen Zeitanteil zu vergrößern. Doch Mutter hatte immer irgendwelche Arbeiten für uns. Es gab auch genug zu tun in unserer Familie. Die Kaninchen waren mit die wichtigste Fleischquelle für uns. Darüber haben wir aber nicht eine Sekunde nachgedacht. Wir haben nur die Arbeit gesehen für die blöden Viecher. Weiterhin hatten wir ja auch noch ein Schwein, Hühner und Enten. Die mussten alle versorgt werden.

Diese Arbeiten, schon im täglichen Vorschulalter (nach dem Kindergarten), wären heute für eine dicke Schlagzeile in einem Boulevardblatt gut gewesen. KINDERARBEIT!! Da muss man sofort einschreiten und die Kinder retten. Sie sollen sich selbst verwirklichen. Die sollen mit Spiel und Spaß ins Leben gehen. Das geht doch nicht, wenn man diesen kleinen, niedlichen Zwergen schon solche   Pflichten aufbürdet. Guten Tag, alles klar?

2. Rainer der Beißer

Rainer war nach mir der Jüngste, das Nesthäkchen, gerade drei Jahre alt. Der durfte als kleines Kind hin und wieder mal beim Vater auf dem Schoß sitzen. Wenn wir alle nach dem Abendessen am Tisch saßen, hat er ihm nach Aufforderung in die Hand gebissen. Wenn auf der Hand die Zähne tiefe Abdrücke hinterließen und mein Vater zum Schein „Aua, aua“ und „Oh weh, das tut weh“ stöhnte, dann strahlte Rainer wie ein Honigkuchenpferd und bekam vom Vater einen Pfennig geschenkt. Als er größer wurde, waren es sogar zwei Pfennig, weil er mit zunehmendem Alter immer kräftiger zubiss. Dann hat mein Vater das aber eingestellt, weil ihm die Schmerzen wohl zu groß wurden. Rainer schaute wieder erwartungsvoll grinsend dem Vater ins Gesicht. ‚Na, wann entgleisen dem wohl die Gesichtszüge?‘ hat er dann gedacht. Ich meine, ich habe da des Öfteren ein paar Schmerztränen in seinen Augen gesehen, wenn der Kleine mal wieder kräftig zugebissen hat. Manchmal hätte ich gern bei meinem Vater auf dem Schoß gesessen − ohne beißen natürlich. Eltern gehen oft seltsame Wege, um dem Kind eine Freude zu machen, gell?

Dieser kleine Bruder Rainer litt als Kleinkind sehr oft unter Mittelohrentzündung. Das war für ihn wohl sehr schmerzhaft, da er viel weinte. Deswegen wurde das Kind immer nah am Ofen gehalten. Er musste, wenn es ganz schlimm war, punktiert werden, wegen einer Ansammlung von Eiter hinter dem Trommelfell. Das führte nach und nach dazu, dass er nicht so gut hören konnte (Das konnte er aber sonst auch nicht). Als Kind hatte er auch noch leichtes Asthma. was aber im Laufe der Jahre abklang. Er war der Jüngste in dem Club und wurde nach dem Motto erzogen: ‚Hei ist der Jüngste.“

3. In Bünden muss man wohnen

Wir waren eine große, ständig hungrige Familie, hatten ein eigenes Haus und einen großen Garten, der aber vom Haus weiter weg lag. Auf dem Grundstück hielten wir die Kaninchen, Hühner, Enten und ein Schwein. Die Häuser in unserer Straße waren alle freistehend und mit Nutzgarten dahinter. Nur bei uns war der Garten weiter weg.

So lebten wir in einem Stadtteil einer mittleren niedersächsischen, durch Industrie geprägten Stadt. Ein Stadtteil, der nicht so recht Stadtteil sein wollte, denn die ländliche Ausprägung war doch sehr stark. Unser Haus stand von der Stadt kommend gleich vorn rechts. Alle Bündener hatten ein negatives Image, denn nach Bünden hatte man so ziemlich alles verfrachtet, was die Stadt nicht beherbergen wollte. Kam ein Junge aus Bünden, dann hieß es: „Das ist ein Bündener Butcher“. Im Englischen ist es der Fleischer oder Schlachter aber auch der „Schlächter“. Das sollte in diesem Fall wohl so viel heißen wie „Rabauke“. Und was ist nun wieder ein Rabauke? Was sind das wieder für Kinder? Natürlich: „Freche, dreckverschmierte, rotznäsige Ratzen, die man trotzdem irgendwie lieb haben muss“.

Es gab ein paar Straßen weiter gleich hinter dem Friedhof eine Siedlung, die nur aus Holzbaracken bestand. Dort wohnten auch einige Schulkameraden von mir. Für meine Eltern war das eine Gegend, wo man nicht hingeht. Die wussten lediglich, dass es die Baracken dort gibt. Mehr aber auch nicht. Die Baracken standen auf Holzpflöcken und sahen alle gleich aus. Billiger, schnell hochgezogener Wohnraum war das. Die Wohnqualität war mies. Es zog an allen Ecken und Enden und die Dächer waren oft undicht. Die Wände waren dünn und nicht isoliert. Diese Siedlung war überwiegend bewohnt von Vertriebenen aus dem Osten. Wir hatten gehört, dass nach dem Krieg Millionen von Vertriebenen nach Deutschland kamen (Es waren über elf Millionen). Die wurden zum Teil in vorhandene bewohnte Wohnungen zwangseingewiesen oder sie wohnten in solchen Behausungen wie eben in den Baracken. Beliebt waren Sie wegen der Zwangseinweisungen nicht.

Ein Schulkamerad von mir wohnte dort auch mit seiner Familie.  Mit dem habe ich oft gespielt. Auch sie waren Vertriebene aus dem Osten aber sie konnten nicht mal richtig Deutsch. So nannte man sie auch oft verächtlich „die Pollacken“. Meine Mutter sagte auch immer „Pollacken“. Warum die ihr Bündel geschnürt hatten und unter großen Strapazen ihre Heimat verließen oder verlassen mussten, das hat hier die meisten nicht so interessiert. Sie wurden einfach in die Familien eingewiesen. Da konnte es ganz schön eng werden und zu Stress führen. Arbeit war wenig vorhanden. Zwangsläufig lungerten sie in den Baracken herum und kamen oft auch auf dumme Gedanken.

Für viele ältere Menschen ist es heute keine neue Erfahrung, dass es Ein- oder Zuwanderung gibt. Viele kamen notgedrungen nach dem Krieg mit ihrem bisschen Hab und Gut und versuchten, hier ihr Glück zu machen.

Stellen wir uns vor, Deutschland läge an der Grenze zu Syrien. Über diese Grenze kommen in kurzer Zeit über elf Million Menschen in das Land. Mit der Einstellung zur Zuwanderung vieler Bürger würden wir heute natürlich mit diesem Problem ratzfatz fertig. Über die Zwangseinweisung diskutieren wir erstmal 1−2 Jahre. Über die Umwandlung von leerstehenden Gebäuden für Wohnzwecke beraten wir auch nur 1−2 Jahre und lehnen das dann ab. Ein Asylheim in einer vornehmen Wohngegend geht gar nicht. Im Fernsehen rufen wir regelmäßig dazu auf, für diese armen Menschen zu spenden. Wir spenden aber nur, wenn die Bilder aus dem Krisengebiet besonders ans Herz gehen. Das macht man am besten, wenn man kleine Kinder vor die Kamera stellt. Die müssen völlig verdreckt und verängstigt sein. Es muss ihnen der Rotz aus der Nase laufen und sie müssen große Kulleraugen haben, in denen die Fliegen sitzen. Dann geht die Geldbörse auf. Kommen sollen sie natürlich alle. Aber nicht in unsere unmittelbare Nähe. Das verunsichert uns. Eventuell. kann man seine Wäsche draußen nicht mehr aufhängen. Alle Türen bekommen dicke Schlösser. Jetzt können sie, weit weg untergebracht, kommen. Aber nicht so viele. Die rutschen alle ins soziale Netz und fressen uns alles weg. Wo soll das Geld denn herkommen? Ich habe für die nix über. Also, ihr Flüchtlinge, ihr müsst warten, bis uns einer gewaltig in den Arsch tritt. Und der ist nicht in Sicht. Wenn ein Land über 70 Jahre keinen Krieg hatte, ist die Bevölkerung von solchen Dingen entwöhnt. Sozusagen: Wohlstandsversaut.

In diesem Umfeld sind wir groß geworden. Solch eine Prägung überträgt sich dann unter Umständen auch auf Kinder die dort leben. Das muss aber nicht sein. Wenn ein Kind auf der Reeperbahn geboren wird, in der schlimmsten kriminellen Ecke, dann könnte es auch Priester oder Seelsorger werden und nicht zwangsläufig Verbrecher.

4. Michael Bondni

Auch Michael, ein Spielkamerad, war ein Flüchtlingskind in meinem Alter. Kennengelernt habe ich ihn, als ich so durch die Straßen zog. Mit seiner Schwester, der Mutter und der Oma kamen sie als Flüchtlinge aus Oberschlesien. Sie wohnten in einer kleinen Wohnung in einem Wohnblock und lebten von Sozialhilfe. Die Mutter sprach schlechtes Deutsch mit dem Akzent, den polnische Flüchtlinge hatten. Bei ihnen war ich oft, obwohl meine Mutter den Umgang mit diesen Leuten nicht wollte. Mit Flüchtlingen konnte sie nichts anfangen. Natürlich: Da war das wieder mit den ‚Pollacken‘. Diese Vorurteile. Mich hat das alles nicht gestört. Irgendwo stand mal geschrieben: „Wenn wir Deutschland verlassen, sind wir überall Ausländer“.

Die Mutter von Michael zeigte mir unter Tränen vergilbte Fotos von ihrem schönen großen Gut, das ihnen gehört hatte und das sie verlassen mussten. Ihr Heimweh sprang mich förmlich an. Auf dem Bild, wo die ganzen Gutsbewohner drauf waren, stand sie aber nicht vorn, sondern hinten in der dritten Reihe. Sie klagte ständig über ihre Situation und warf dem Staat Versagen vor. Sie bekam keine Entschädigung – nichts. Die Frau machte aber nicht den Eindruck, dass ihr so ein großes Gut einmal gehört haben könnte. Sie war nicht besonders gepflegt. Nicht einmal richtig schreiben konnte sie. Sie hat ihre Geschichte wohl so oft erzählt, dass es dann auch für sie real war. Meine Mutter sagte mir dazu, es hätten viele aus dem Osten solche Fotos bei den Behörden vorgelegt. Andere Besitznachweise hatten sie nicht. Im Nachhinein hätte sich dann herausgestellt, dass sie dort nur als Knecht oder Magd angestellt waren und auch dort gewohnt haben. Den Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen konnte ich nicht prüfen. Es war für mich auch nicht wichtig. Ich wollte nur mit dem Michael spielen. Wir waren lange Jahre Freunde, bis ich die Lehre beendet hatte, dann verloren wir uns aus den Augen. Ich hörte später aus der Nachbarschaft, dass dieser Freund im besten Mannesalter Krebs bekam und daran verstarb. Ich denke heute noch oft an ihn.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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