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In der Toskana entscheidet sich sein Schicksal 1960er: Colm, ein junger Ire voller Träume, reist nach Italien, wo er die lebhafte Amerikanerin Robin kennenlernt. Zwischen den versteckten Gassen Roms und unter der toskanischen Sonne von Florenz, kommen sich die beiden immer näher – und bei ihrem Abschied geben sie sich ein Versprechen: Ein Wiedersehen in Florenz an Colms 50. Geburtstag. Doch als er dreißig Jahre später an den Ort zurückkehrt, an dem alles begann, fehlt von Robin jede Spur. In seiner Enttäuschung findet er unerwarteten Halt bei Paola, der warmherzigen Betreiberin einer Sprachschule. Als Robin dann schließlich auftaucht, scheint es, als hätte das Schicksal die Karten neu gemischt … Voller Romantik und Italien-Flair – ein Liebesroman für Fans von Antonia Riepp und Margot S. Baumann.
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Seitenzahl: 533
Veröffentlichungsjahr: 2025
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1960er: Colm, ein junger Ire voller Träume, reist nach Italien, wo er die lebhafte Amerikanerin Robin kennenlernt. Zwischen den versteckten Gassen Roms und unter der toskanischen Sonne von Florenz, kommen sich die beiden immer näher – und bei ihrem Abschied geben sie sich ein Versprechen: Ein Wiedersehen in Florenz an Colms 50. Geburtstag. Doch als er dreißig Jahre später an den Ort zurückkehrt, an dem alles begann, fehlt von Robin jede Spur. In seiner Enttäuschung findet er unerwarteten Halt bei Paola, der warmherzigen Betreiberin einer Sprachschule. Als Robin dann schließlich auftaucht, scheint es, als hätte das Schicksal die Karten neu gemischt …
eBook-Neuausgabe September 2025
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1997 unter dem Originaltitel »The Promise« bei Headline Book Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 im Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co, München
Copyright © der englischen Originalausgabe 1997 by Mary Ryan
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von © Uolir / Adobe Stock sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: dotbooks GmbH unter Verwendung von IGP (fe)
ISBN 978-3-98952-994-6
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Mary Ryan
Roman
Aus dem Englischen von Nina Bader
FÜR BREDA
Als unseres Lebens Mitte ich erklommen Befand ich mich in einem dunklen Wald Da ich vom rechten Wege abgekommen.
»Hi, Colm ... erinnerst du dich noch an mich?« sprach sie im Traum zu ihm. Ihr junges, sommersprossiges Gesicht war zum Greifen nah. Er schrak zusammen, kam langsam zu sich und murmelte verschlafen: »Robin?« Doch er war allein, nur ihre Stimme hallte wie ein Echo in seinem Kopf. Seltsam, wie es manchen Menschen gelang, sich immer wieder in die Gedanken anderer einzuschleichen.
Das Licht, das durch das Bullauge drang, verwirrte ihn zunächst, doch dann dämmerte ihm, wo er sich befand: auf der St. Killian, ein gutes Stück von der irischen Küste entfernt, auf dem Weg nach Frankreich. Er war früh an Bord des Schiffes gegangen, hatte sich sofort in seine Kabine zurückgezogen, sich in seine Koje gelegt und war augenblicklich eingeschlafen. Trotz der erst kürzlich überstandenen Krankheit hatte er sich entschieden, auf dem längeren und anstrengenderen Seeweg nach Italien zu reisen, aus Gründen, die weniger der Vernunft als vielmehr einem Anflug wehmütiger Nostalgie entsprungen waren. Er hatte diese Reise angetreten, um etwas wiederzufinden, was er mit einundzwanzig Jahren hinter sich gelassen hatte, bevor er vom Strom des Lebens mitgerissen, vom Erfolg verwöhnt und von der Monotonie des Ehealltags erdrückt worden war.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war seine Frau Sherry bemüht gewesen, ihn für den von ihr angestrebten Lebensstil zu begeistern: Dinnerpartys, Gartenarbeit am Wochenende, gesellschaftliche Verpflichtungen. Sie freute sich über seinen beruflichen Erfolg, weil er ihr bescherte, was sie sich wünschte – endlose Einkaufsbummel, ein schönes Haus, teure Kleider. Doch sie spürte seine Rastlosigkeit, seine Unzufriedenheit. Und sie fürchtete sie, weil sie wußte, daß sie nichts dagegen ausrichten konnte. Wie um ihn zu beschwichtigen, hatte sie ihn einmal darauf hingewiesen, daß sein Name Colm im Irischen ›Taube‹ bedeutete.
»Das ist mir bekannt, liebe Sherry. Stell dir vor, auch ich bin einmal zur Schule gegangen.« Ganz am Anfang hatte sie ihn oft als ihren Täuberich bezeichnet. Schon damals war sie oft nicht schlau aus ihm geworden, doch die unbestimmte Furcht vor ihm hatte sich erst später eingestellt.
Es war, als hätte sie zu spät erkannt, daß ihr der Zugang zu den dunkleren Seiten seines Wesens für immer verwehrt bleiben würde.
Er stand auf, trat an das Bullauge und sah, wie die irische Küste im Abendnebel verschwand. In der Nachbarkabine hörte er Stimmen, aber hauptsächlich war er sich des kraftvollen Dröhnens der Maschinen bewußt, das ihn an das Pochen eines riesigen Herzens denken ließ. Sherry hätte über diese blumige Metapher gelächelt und ihm dann zugestimmt. Im Laufe der Jahre hatte sie sich angewöhnt, ihm in allem und jedem zuzustimmen; es war ihm gelungen, sie in einem Maß zu beherrschen, das er nie für möglich gehalten hätte. Er hatte sie mit einer sorgfältig dosierten Mischung aus Sarkasmus und eisiger Höflichkeit behandelt, bis sie die Parameter ihres eigenen Verstandes in Frage stellte. Sie zu manipulieren war ihm unglaublich leichtgefallen, es bedurfte lediglich einiger Zärtlichkeitsbekundungen, und schon glaubte sie, er sei doch zu tiefen Gefühlen fähig und könne sie nur nicht immer zeigen. Warum er sie eigentlich ständig manipulierte, wußte er selbst nicht genau, wahrscheinlich ganz einfach deshalb, weil er dazu in der Lage war. Sie gab ihm eine gewisse Macht über ihre Person, und er strafte sie, indem er diese Macht benutzte.
Aber nun war sie fort, endgültig auf und davon. Sie hatte ihn mit der Seichtigkeit ihres gemeinsamen Lebens konfrontiert, war zur Tür hinausmarschiert, hatte eine Scheidung nach englischem Recht beantragt und sich kurz darauf wieder verheiratet. So war das eben, dachte Colm.
Alles auf dieser Welt veränderte sich, und meistens dann, wenn man am allerwenigsten damit rechnete.
In ihrer typischen Art, die ihn oft rasend machte, hatte sie an dem Tag, als sie ihn verließ, ihre Farbskala hochgehalten, damit mehr Licht darauf fallen konnte. »Das ist es ... einfach perfekt ... ich liebe diesen satten Ockerton.« Das hatte sie mehr zu sich selbst als zu ihm gesagt und dann, ohne ihn anzusehen, beiläufig hinzugefügt: »Übrigens verlasse ich dich, Colm. Ich habe einen anderen Mann kennengelernt – Michael, um genau zu sein.«
Colm hatte diese Ankündigung wie ein Schlag getroffen, doch er hatte sich nichts anmerken lassen. Im Grunde wußte er bereits über die Affäre der beiden Bescheid. Aber warum hätte er sie zur Sprache bringen sollen? Damit hätte er nur eine unangenehme Szene heraufbeschworen. Solche Feuer pflegten einmal hell aufzulodern und dann zu verlöschen.
Er fing ihren nervösen Blick auf, aber dann sah sie rasch zur Seite. Er kannte Michael gut, sie hatten gemeinsam die Schule besucht. Michael war Witwer und hatte vor einigen Jahren seine Arbeit verloren. Seitdem betätigte er sich als freiberuflicher Innenarchitekt. Der Mann war eine Null.
»Darf man wissen, warum?«
»Ich kann einfach nicht mehr mit dir leben«, sagte sie mit leiser, zitternder Stimme. »Du bist mir zu ... kalt.«
»Habe ich dich jemals enttäuscht? Dir etwas vorenthalten, dich betrogen oder dich geschlagen?«
Er bemühte sich um einen milden Tonfall. Solange er sie mit nachsichtigem Spott behandelte, mußte sie an sich selbst zweifeln. Er wollte nicht, daß sie ging, er war an sie gewöhnt, und wenn sie ihn verließ, würde das ein schlechtes Licht auf ihn werfen. Genau das wollte er aber um jeden Preis vermeiden. Einen Moment lang bedauerte er, daß alles so gekommen war und er ihr nicht hatte geben können, wonach sie sich so verzweifelt sehnte – daß ihm der Mut zur Liebe fehlte.
Sie blickte ihn eine Weile aufmerksam an, aber die neue Sherry ließ sich weder Selbstzweifel einimpfen, noch ließ sie sich in die von ihm gewünschte Form pressen.
»Hör zu, ich muß los. Ich treffe mich mit Rosalind Le- feu. Sie hat gerade ein wundervolles Haus auf dem Killiney Hill gekauft, und Michael versucht, den Auftrag für die Inneneinrichtung zu bekommen.« Als er keine Antwort gab, fügte sie hinzu: »Du hast doch sicher schon von Rosalind Lefeu gehört? Sie spielt in dem Film Gefährliche Zeiten mit.«
»Ich interessiere mich weder für Rosalind Sowieso noch für sonst eines dieser hohlköpfigen Filmsternchen. Du hast soeben eine Bombe hochgehen lassen, Sherry! Und ich habe dir ein paar ernste Fragen gestellt.«
»Nun gut ... Ich werde sie dir beantworten.« Sie drehte sich zu ihm um, sah ihn mit zornig blitzenden Augen an und erhob die Stimme. »Nein, du hast mir nichts vorenthalten und auch nie versucht, mich zu schlagen. In physischer Hinsicht bist du nie gewalttätig geworden, aber deine emotionale Grausamkeit war viel schlimmer. Noch nicht einmal nach Alans Tod konntest du ...« Ihre Stimme brach, dann fing sie sich wieder. »Und du hast mich seit genau einem Jahr, drei Monaten und fünf Tagen nicht mehr betrogen. Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Ich kenne dich gut genug – deine Selbstzufriedenheit, deine Lustlosigkeit im Bett. Und ich habe auch dieses Flittchen Catherine nicht vergessen, von der ich eigentlich nichts wissen sollte. O ja, du hast mich mit jedem erdenklichen Luxus umgeben, das stimmt ...« Vor Wut ging ihr Atem schwerer, doch plötzlich dämpfte sie ihre Stimme, als ob ihr bewußt geworden wäre, daß sie kurz davorstand, in eine Falle zu tappen. »Der Käfig war wunderschön vergoldet. Aber trotzdem hast du mir etwas verwehrt, was ich dringend brauche.«
»Was du brauchst, meine arme Sherry, existiert nicht.«»O doch!«
Ihre Finger krampften sich um die Farbskala. Colm lächelte. »Will dich dieser Taugenichts vielleicht mit Luft und Liebe ernähren? Oder hofft er darauf, daß du eine saftige Abfindung bekommst?« Er schüttelte den Kopf. »Unglücklicherweise gibt es keine Abfindungen für untreue Ehefrauen, die ihre Männer verlassen.«
Doch statt wie erwartet an die Decke zu gehen, sah Sherry ihn nur mit einem Ausdruck an, der an Mitleid grenzte.
»Mein Anwalt wird sich mit dir in Verbindung setzen, Colm ...«
Colm fragte sich, wer, zum Teufel, Rosalind Lefeu sein mochte. Er interessierte sich nicht für Berühmtheiten, hatte meist noch nicht einmal von ihnen gehört. Wenn er mit Sherry eine Party besuchte, waren ihm die Ehrengäste des Abends meist unbekannt; amerikanische und europäische VIPs, die sich Häuser in Irland gekauft hatten. Für solche Leute übernahm Sherry die Inneneinrichtung, und dabei hatte sie auch diesen Michael kennengelernt.
»Es ist mir egal, wer oder was er ist«, hatte er danach mehr als einmal zu seiner Frau gesagt. »Ich halte den Kerl für einen eingebildeten Affen.«
»Dein Problem, Colm, besteht darin, daß du alle Menschen ablehnst.« Das war nach ihrer Begegnung mit Michael gewesen. Früher wäre ihr eine derartige Bemerkung nicht über die Lippen gekommen.
Im Gegensatz zu ihm war Sherry nicht der Meinung, daß das Leben in geordneten, vom Verstand bestimmten Bahnen verlaufen sollte. Er haßte dieses mentale Chaos; solange er denken konnte, hatte er sich stets von Logik und Vernunft leiten lassen. Richtete man sich nach dieser Maxime, konnte man das Leben steuern. Wenn nicht, wurde man vom Leben gesteuert. Den gelegentlich aufkeimenden Gedanken, er könne mit dieser Ansicht falsch liegen, weil sich das Leben letztendlich nicht steuern ließ, unterdrückte er nach Möglichkeit, obgleich er manchmal ahnte, daß ihm die Kontrolle längst entglitten war und er über kurz oder lang gezwungen sein würde, sich Dingen zu stellen, über die er noch nicht einmal nachzudenken wagte.
Sein Haus, das den Namen Glendale trug, war ein georgianisches Herrenhaus in der Nähe von Greystones. Sherry hatte es mit viel Geschmack und Fantasie eingerichtet, und sie hing mit ganzem Herzen daran. Auch Colm schätzte Glendale, die herrliche Aussicht, die gepflegte, gewundene Zufahrt, das kleine Wäldchen, das neben der Straße lag, und die liebevoll gestalteten Dekorationen, auf die seine Frau so viel Zeit, Geld und Mühe verwandt hatte. Am Tag ihrer Abreise hatte sie sich noch einmal voller Wehmut im Haus umgeschaut, und als der Gärtner Paddy ihre Koffer zum Auto getragen hatte und sie selbst zum letzten Mal über die Schwelle getreten war, hatte sie sich umgedreht und zurückgeblickt, aber nicht etwa zu ihm, sondern hinüber zur Eingangstür, der geschmackvollen Halle und den Wohnzimmer fenstern mit ihren kunstvoll gerafften Vorhängen. Dieses Haus symbolisierte alles, was ihr auf dieser Welt etwas bedeutete, und nun mußte sie es zurücklassen.
Colm verbarg seine Bestürzung. Er hatte nicht geglaubt, daß sie so weit gehen würde, hatte ihren Entschluß als Hirngespinst einer Frau mittleren Alters abgetan. Doch plötzlich empfand er tief in seinem Inneren ein Gefühl entsetzlicher Leere und Einsamkeit.
»Leb wohl, Colm.«
Das war es dann also! Nach einundzwanzig Jahren!
»Leb wohl, meine Liebe ...«
Wenn alles andere versagte, konnte man sich immer noch hinter Hohn und Spott verschanzen. Sie zögerte kurz, drehte sich noch einmal um, und dann fuhr sie fort. Langsam verschwand ihr Auto hinter den Rhododendron- hecken, die die Auffahrt säumten. Das Wissen, das sie für ihren Entschluß mit dem Verlust des Hauses bezahlen mußte, verschaffte ihm eine gewisse Befriedigung. Er hatte ihr in aller Deutlichkeit klargemacht, daß es allein auf seinen Namen eingetragen war. Sherry erhielt keinen Penny, nur ihre Kleider, ihren Schmuck, ihr Auto und ein paar Bilder und Möbelstücke hatte sie mitnehmen dürfen. Sollte sie doch sehen, wo sie blieb, sie und dieser Innenarchitekt.
Und doch – mit der ersten Nacht im nun leer wirkenden Haus empfand er ihre Abwesenheit weniger als Verrat oder als Quittung für sein Verhalten, sondern als etwas viel Schlimmeres; etwas, womit er sich nicht abfinden konnte – sein eigenes Versagen. Und diese Einsicht führte dazu, daß längst vergessen geglaubte Erinnerungen wieder erwachten, um ihn von neuem zu peinigen. Kann sich ein Mensch eigentlich jemals ganz von seiner Vergangenheit lösen? fragte er sich ärgerlich, während er einen Arm über die nun leere Betthälfte legte und auf das Knistern des Kamins lauschte. In diesem Moment fühlte er sich seltsam körperlos, so, als stünde er neben sich und würde sich selbst beobachten.
Colms Büro in der Innenstadt war eine luxuriös ausgestattete Suite, in der er von morgens um acht bis abends um sieben arbeitete. Dieses Büro stand für Jahre ehrgeizigen Strebens, für seine erfolgreiche Partnerschaft in der Firma Harrison’s Stockbrokers. Vor seinem Bruch mit Sherry hatten sie die Abende häufig auf Parties verbracht oder selbst Gäste eingeladen, schließlich waren sie ja nur zu zweit gewesen. Aber einst war da noch Alan gewesen. Colm dachte nicht gerne an ihn, zu schmerzlich war die Erinnerung an das Kind und später an den Teenager, der zu seinem dreizehnten Geburtstag ein neues Fahrrad bekommen hatte und damit tödlich verunglückt war. »Schau, Daddy ...« – und dann überschlug sich das Mountainbike, sein Sohn flog durch die Luft und schlug mit dem Kopf auf der Kante des Bürgersteigs auf. Für seinen Zustand nach dem Unfall gab es noch nicht einmal einen Namen. Kinder, die ihre Eltern verloren hatten, nannte man Waisen, aber was war mit Eltern, die ihre Kinder verloren hatten? Sie blieben noch einsamer auf der Welt zurück, und es gab keinen Namen für diesen unbeschreiblichen, mit nichts zu vergleichenden Schmerz.
Die irische Küste wurde zu einer schmalen Linie am Horizont und verschwand. Um Colm herum erstreckte sich nur noch Wasser, so weit das Auge reichte. Er blickte sich in der spartanisch ausgestatteten Kabine um. Plötzlich überkam ihn ein Gefühl der Angst; ihm war, als wäre er in dem engen Raum gefangen. Sein Mund wurde trocken, und er empfand ein übermächtiges Verlangen, vor sich selbst zu fliehen. Er verließ seine Kabine, ging in die Cafeteria, holte sich eine Tasse Tee und ein Milchbrötchen und setzte sich an einen Tisch. Seine Mitreisenden waren hauptsächlich Familien, die ihren Urlaub in Frankreich verbringen wollten. Ein langer Abend auf See lag vor ihnen, da sie Cherbourg nicht vor zehn Uhr am nächsten Morgen erreichen würden. Einige Passagiere waren in Bücher oder Zeitschriften vertieft, andere unterhielten sich, spielten Karten und nahmen ein paar Drinks oder sahen sich im Bordkino einen Film an. Colm hatte sich bewußt zu dieser langen Reise entschlossen, er wollte auf demselben Weg nach Italien gelangen wie damals, vor langer Zeit: mit dem Zug durch Frankreich, dann durch die Alpen, hinunter zu den Seen und schließlich durch die Lombardei. Die damalige Reise schien in einem anderen Leben stattgefunden zu haben, und doch war es ihm, als sei es erst gestern gewesen. Manchmal kam es ihm so vor, als hätten sich die dazwischenliegenden Jahre in Rauch aufgelöst, als hätte er sie nie wirklich erlebt. Der Wandel, den er sich erhofft hatte, war nie eingetreten.
Sicher, in seinem Leben hatte es auch Positives gegeben: beruflicher Erfolg, die befriedigende Rolle des Ernährers, die Selbstverständlichkeit, mit der seine Frau den Lebensstil hinnahm, den er ihr bieten konnte. Leider war all dies für Sherry nicht genug gewesen. Sie hatte sich nach Nähe und Austausch gesehnt.
»Du bist so gottverdammt unabhängig und gleichgültig allem gegenüber!«, hatte sie ihm einen Tag vor ihrer Trennung ins Gesicht geschleudert. »Ich hatte immer gedacht, ein Mann, der sich mit solcher Besessenheit bemüht, seine Ziele zu erreichen, müßte auch leidenschaftlich sein. Aber ich bin es leid, danach zu suchen oder noch länger darauf zu warten. Genausogut könnte ich mit einem Roboter verheiratet sein!«
Colm faßte diese Bemerkung als Kompliment auf. Unabhängigkeit ging ihm über alles. Aber wenn er ganz ehrlich zu sich war, mußte er sich eingestehen, daß er zumindest bis zu einem gewissen Grad von seiner Arbeit abhängig war – nicht in finanzieller Hinsicht, er hatte sein Geld gut angelegt und vermehrt, sondern intellektuell und emotional, denn sie war sein einziger Lebensinhalt.
Eher unbewußt hatte er von Sherry erwartet, sich um die Dinge zu kümmern, für die ihm keine Zeit blieben – Kultur, Bücher, Musik, neue Denkanstöße. Er hatte sich von ihr geistige Anregungen erhofft, aber leider war Sherry alles andere als geistig rege. Wäre sie es gewesen, wäre vielleicht alles anders gekommen. Ihr Leben hätte vermutlich einen anderen Verlauf genommen, wenn sie gelegentlich gegen ihn aufbegehrt und seine Grundsätze in Frage gestellt hätte. Wenn sie aus der Alltagsroutine ausgebrochen wäre, wenn sie ihn gezwungen hätte, über Alan und über die Vergangenheit zu sprechen, wenn sie ihn wirklich geliebt hätte.
Aber seine Frau hatte sich immer nur in seinem Erfolg gesonnt, die Früchte seiner Arbeit genossen und war mit seiner Hilfe in die Schicht der oberen Zehntausend aufgestiegen. Allein Sherry war es zu verdanken, daß sie beide zu wundervollen Parties eingeladen wurden, denen jegliche Spontaneität abging, wo es immer dieselben sorgfältig arrangierten Büfetts gab und wo man sich über Jagderfolge und neue Diäten unterhielt. In diesen Kreisen wurde der Mensch nur nach seinem gesellschaftlichen Rang und dem Nutzen beurteilt, den eine nähere Bekanntschaft mir ihm bringen mochte.
Er hatte damit leben können, auch wenn ihm vieles oft auf die Nerven ging. Er hatte gedacht, Sherry wäre im Großen und Ganzen zufrieden, bis sie ihm eines Tages gestand, daß sie sich unerträglich einsam fühlte. »Früher dachte ich immer, ein solches Leben würde mich ausfüllen, aber inzwischen habe ich erkannt, daß es mir nicht das geringste bedeutet.« Es hatte ihn amüsiert, solche Worte
aus ihrem Mund zu hören, nachdem sie jahrelang hart um den gesellschaftlichen Aufstieg gekämpft hatte.
Insgeheim jedoch war er es schon lange leid, ständig gemustert und in eine bestimmte Kategorie eingeordnet zu werden. Wie bei so vielen Dingen war seine anfängliche Belustigung in tödliche Langeweile umgeschlagen. Auf der letzten Party, die er und Sherry gemeinsam besucht hatten, war er gefragt worden, womit er seinen Lebensunterhalt verdiene, und er hatte in einem Anflug von Überdruß erwidert, er hielte sich vier Kühe im County Roscommon.
»Ach wirklich ...?«
Wie leicht man diese Hohlköpfe doch an der Nase herumführen konnte!
»Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?« hatte Sherry hinterher mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme gefragt. »Wie kommst du dazu, solch einen Unsinn zu verbreiten?« Doch dann hatte ihr Sinn für Humor gesiegt. »Du kannst doch nicht wissen, ob nicht jemand deine Behauptungen ernst nimmt. Die Frau, mit der du dich unterhalten hast, ist Engländerin. Diese Leute sind nicht an unsere Späße gewöhnt, sie nehmen alles, was du sagst, für bare Münze.«
»Vielleicht war es ja gar kein Witz. Woher willst du wissen, ob ich nicht wirklich vier Kühe im County Roscommon besitze?«
»Tust du das denn?«
Sherry wäre nicht begeistert davon gewesen, mit einem Mann verheiratet zu sein, der sich vier Kühe hielt. Es paßte nicht zu ihr, der immer noch schönen, charmanten, stets elegant gekleideten Dame von Welt, für die sie sich hielt. Nicht lange nach diesem Zwischenfall hatte sie ihn verlassen. Typisch Frau!
In der darauffolgenden Woche hatte er jene merkwürdige Schwäche gespürt und dann den Schmerz, den furchtbaren Krampf in seiner Brust, der ihm die Luft aus den Lungen preßte, bis er über seinem Schreibtisch zusammenbrach. Überzeugt von seinem nahem Ende, ließ er in einem Zustand geschärfter innerer Wahrnehmung sein bisheriges Leben an sich vorbeiziehen, den privaten und den beruflichen Teil, die Gewinne und Verluste, die Momente tiefer Befriedigung, wenn sich seine Vorhersagen erfüllt hatten. Aber auch sein brennender Ehrgeiz kam ihm in den Sinn, der unstillbare Hunger nach Erfolg, dem er alles andere untergeordnet hatte. Er dachte an die Sekretärinnen, die er verführt hatte, an die gelegentlichen Seitensprünge während seiner Geschäftsreisen und an Kattie, die er so bedenkenlos ausgenutzt hatte. Augenblicklich stellte sich das alte Schuldgefühl wieder ein. Aber er sah auch Robin, wie sie im goldenen Licht der Abendsonne lachend auf der Ponte Vecchio stand, und plötzlich fühlte er sich wieder wie einundzwanzig.
Damals habe ich wirklich gelebt, dachte er. Für eine kurze Zeit war ich Mensch. Doch die Erinnerung berührte auch noch etwas, das tiefer lag. Ihm war, als sei ein Teil von ihm, und zwar der beste Teil, dort in Florenz zurückgeblieben und stünde noch immer auf jener alten Brücke.
»Es war nur ein leichter Herzinfarkt, Colm. Ein erster Warnschuß sozusagen ... eine Mahnung Ihres Körpers. Sie können nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, Ihr Herz mit Nikotin vergiften und Ihre Blutgefäße mit gesättigten Fettsäuren verstopfen. Eine solche Lebensweise rächt sich irgendwann einmal. Sie sollten mit Sherry ein paar Wochen verreisen, aber machen Sie keinen faulen Strandurlaub, sondern fahren Sie irgendwohin, wo Sie viel spazieren gehen und sich Sehenswürdigkeiten anschauen können. Sie sollten pro Woche ungefähr zwanzig Meilen zu Fuß gehen, das Rauchen aufgeben und eine fettarme Diät einhalten. Kommen Sie in sechs Wochen wieder, dann überprüfen wir den Cholesterinwert noch einmal. Wenn Sie sich an das halten, was ich Ihnen sage, dann sind Sie bald wieder fit.«
Colm blickte dem alten Arzt ins Gesicht. Diese verschleierten Augen hatten viel mitangesehen: Sherrys Fehlgeburt, dann die glücklich verlaufene Schwangerschaft, Alans Mandelentzündung, Masern, Mumps, die Kratzer und Prellungen, die sich der Junge bei einem Sturz zugezogen hatte, Sherrys Rippenfellentzündung, Alans erkaltenden Körper auf dem Schotter.
»Wir haben uns scheiden lassen, und sie hat wieder geheiratet.«
»Das wußte ich nicht. Tut mir leid.«
»Tja, das kommt davon, wenn man zu gesunde Patienten hat«, scherzte Colm. »Aber ich werde trotzdem verreisen, nach Italien vielleicht ...«
»Alleine?«
»Warum nicht? Befürchten Sie, ich könnte einen zweiten Infarkt bekommen?«
»Nein ... nicht, wenn Sie meine Anweisungen befolgen. Dann werden Sie sich besser fühlen als je zuvor.«
»Keine Sorge, ich werde mich strikt an alles halten. Ich habe das Rauchen bereits aufgegeben und auch etwas Gewicht verloren.«
»Dann sind Sie auf dem richtigen Weg.«
Als Colm nach Hause kam, kramte er sein altes Fotoalbum hervor, das Bilder aus der Zeit enthielt, bevor seine Ehe mit Sherry zur Qual geworden war. Langsam blätterte er Seite für Seite um, betrachtete die Schwarzweißfotos aus den frühen Jahren in Ballykelly, die seine Eltern und seine Geschwister zeigten. Ein Bild schaute er besonders lange an. Die Abendsonne lag auf dem Gesicht eines Mädchens, das lachend auf der Brücke über dem Arno stand und heute seine Tochter sein könnte. »Robin!« sagte er leise und erinnerte sich sogleich voller Scham daran, wie sie vor achtundzwanzig Jahren aus seinem Leben verschwunden war. Fünf Jahre später hatte er versucht, sie durch eine Anzeige in der New York Times ausfindig zu machen. Aber das war lange her und konnte als jugendliche Torheit abgetan werden. Dennoch würden sich Italien, die Sonne und die Lebensfreude sicher positiv auf seinen Gesundheitszustand auswirken.
Durch das Fenster des Salons sah er die regennassen Rhododendronbüsche und seinen schwarzen Mercedes, der am Fuß der Granittreppe auf ihn wartete. Im Haus herrschte tiefe Stille.
Zumindest wäre diese Reise eine Abwechslung, dachte er. In Italien könnte ich auf angenehmere Art wieder völlig gesund werden. Wenn ich hierbleibe, langweile ich mich wahrscheinlich zu Tode.
Auch seine von Krankheiten geprägte Kindheit fiel ihm wieder ein, sein Zimmer, die Armenschule und der Rektor, der täglich vorbeikam. Mit einem unwilligen Grunzen verdrängte er die unerfreulichen Erinnerungen an die Vergangenheit. Er durfte nicht daran denken, was damals geschehen war; damals, in Clonarty.
Seán und Sue Donnelly wohnten nur ein paar Bungalows entfernt. Colm rief sie an, um sie zu bitten, ein Auge auf das Haus zu haben.
»Florenz im September!« rief Sue entzückt. »Wie wundervoll! Fährst du allein?«
»Sicher, falls du nicht Lust hast, mitzukommen und auf mich aufzupassen«, gab er mit genau dem richtigen Maß an Spott zurück.
»Führ mich doch ein andermal in Versuchung. Im Moment wäre Seán wohl kaum damit einverstanden.« Doch dann wurde sie ernster. »Aber sag mal, Colm – hältst du es wirklich für klug, allein zu verreisen? So kurz nach deiner ... Krankheit und all den Sorgen? Wäre es nicht besser, noch ein bißchen zu warten?«
Colm ging nicht darauf ein. »Sue, würdest du dich mit Sherry in Verbindung setzen und ihr sagen, daß du den Schlüssel hast? Sie will vorbeikommen und noch ein paar Sachen holen.«
»Natürlich«, erklärte sich Sue sofort bereit. Dann fragte sie neugierig: »Aber wie bist du auf die Idee gekommen, einen Sprachkurs zu belegen?«
»Ach, das war so eine Art Eingebung ... ich war als Student mal eine Zeitlang in Florenz und wollte unbedingt noch einmal dahin zurück. Also habe ich mir ein paar Kassetten gekauft und angefangen, ein bißchen zu üben.«
»Wo soll der Kurs denn stattfinden? In einer Universität?«
»Nein, in einer Sprachenschule, die man mir empfohlen hat.«
»Und wo wohnst du?«
»Bei einer Privatfamilie.« Da er ihre Überraschung spürte, fuhr er fort: »Es ist alles bestens arrangiert. Auf diese Weise bekommt man ein Maximum an Sprachpraxis. Und außerdem ...«
Er brach ab, da er das Gespräch nicht auf seine Krankheit lenken wollte. Sie wußte ohnehin darüber Bescheid, ebenso wie Sherry, die nicht ohne Grund vorbeikommen wollte, um ein paar Dinge zu holen, die sie nicht brauchte – Seidenkissen und ein häßliches modernes Gemälde. Wahrscheinlich wollte sie nur sehen, ob er schon mit einem Fuß im Grabe stand.
»Aber woher kommt diese plötzliche Sehnsucht nach Italien?« bohrte Sue weiter. »Es sieht dir gar nicht ähnlich, einem solchen Impuls nachzugeben. Entschuldige«, fügte sie hastig hinzu, »ich wollte nicht unhöflich sein. Es ist nur so, daß ich dich noch nie so spontan erlebt habe.«
Colm erwiderte nichts darauf. Er verstand ja selbst nicht, was ihn zu seinem Handeln trieb. Aber er mochte auch nicht zugeben, daß es etwas gab, das ihn mit Macht nach Florenz zurückzog. So versuchte er sich einzureden, daß er sich diese Reise selbst zu seinem Geburtstag schenken wollte; eine kleine sentimentale Torheit eines Mannes, der fast ein halbes Jahrhundert vollendet hatte. Insgeheim jedoch fragte er sich, warum ihm während der jüngst überstandenen Krise ausgerechnet das Bild eines Mädchens nicht aus dem Kopf gegangen war, von dem er an einem längst vergangenen regnerischen Septemberabend still Abschied genommen hatte.
»Wir treffen uns hier wieder ... auf der Piazza della Signoria«, hatte Robin einst lachend gesagt und dabei mit der Hand auf den Platz und auf das Restaurant Rivoire gedeutet, wo Leute im Schatten saßen und zu Mittag aßen. »Wenn du fünfzig wirst! An deinem Geburtstag! Abgemacht?«
»Sicher ... nur bin ich dann ein alter Kauz, und du ...«»Ich bin dann immer noch dieselbe«, unterbrach sie ihn rasch. »Immer noch Robin ... immer noch ich selbst.«
An diesem Abend, während die St. Killian Kurs auf Cherbourg nahm, sprach Sue Donnelly mit ihrem Mann über Colm.
»Colm ist doch sonst so klar und gradlinig in allem, was er tut, aber bei dieser Sache habe ich das Gefühl, er handelt aus Sentimentalität. Er will seine Jugend noch einmal aufleben lassen.«
Seán sah flüchtig von seiner Zeitung auf. »Noch so ein armer Tor, dem sein Leben zwischen den Fingern zerronnen ist und der sich jetzt wundert, wie es dazu kommen konnte«, brummte er.
Sue sah ihn verwundert an, erhob sich, durchquerte den Raum und küßte ihren Mann auf den Scheitel. »Mir gefällt, was ich aus meinem Leben gemacht habe«, flüsterte sie und legte ihre Wange an die seine.
In Florenz überflog Paola Nosterini die Liste ihrer Septembergäste, die ihr die Scuola Linguistica zugeschickt hatte. Drei Frauen und einen Mann sollte sie bei sich beherbergen. Sie überprüfte Alter und Berufsstand. Zwei Frauen waren Studentinnen Anfang Zwanzig, was hieß, daß sie sich ein Zimmer teilen konnten. Die dritte war eine junge, verwitwete Engländerin, die als Redakteurin bei einem Verlag arbeitete.
Paola blickte auf den Namen des Mannes und fragte sich, wie er sich wohl in die Gruppe einfügen würde: Colm Nugent, neunundvierzig Jahre alt, von Beruf Börsenmakler. Ursprünglich hatte man ihn für eine andere Familie vorgesehen, dann aber die Pläne kurzfristig geändert, so daß er nun auf ihrer Liste stand.
Es war der Vorname, der eine Erinnerung in ihr auslöste: Colm. Stirnrunzelnd blickte sie aus ihrem Wohnzimmerfenster über die Dächer von Florenz und dachte nach. Dann hörte sie, wie die Eingangstür geöffnet wurde, und ihr Sohn Pasquale, der seinen Freund Tommaso besucht hatte, tauchte mit einem Buch in der Hand auf.
»Ciao, Mamma!«
Paola war erleichtert, daß er wieder zu Hause war. Sie ging zu ihm, küßte ihn auf die Wange und fuhr ihm mit der Hand durch das Haar. »Ciao, Pasquale, hattest du einen schönen Tag?«
»Abbastanza bene.«
»Sprich Englisch!«
»Ganz nett, Mamma.«
Er lächelte. Paola hatte es zur Regel gemacht, Englisch miteinander zu sprechen, wenn sie allein waren.
Er legte das Buch – eine englische Anthologie – auf den Tisch und blätterte darin herum. Als Paola sah, wie er Seite um Seite wendete, kehrte erneut eine vage Erinnerung zurück und ließ sie frösteln. Pasquale blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen zu ihr auf.
»Ist etwas? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Alles in Ordnung.« Mit einem leisen Lachen schüttelte Paola den Kopf. »Es wäre auch ein geradezu unglaublicher Zufall ...«
»Was denn?«
»Plötzlich vor einem Teil seiner Vergangenheit zu stehen.«
Die St. Kilian glitt in den Hafen von Cherbourg und legte sicher am Kai an. Ein feiner Regen verschleierte die Fenster der Fähre. Die Passagiere verließen in einer langen Schlange das Schiff und duckten sich im Nieselregen, während sie über die Holzplanken schritten.
Colm nahm ein Taxi zum Bahnhof. Die Straßen glänzten naß, und die französischen Ladenschilder – Charcuterie, Boulangerie, Chevaline, Brasserie, Tabac – lösten eine kribbelnde Erregung in ihm aus. Er befand sich tatsächlich im Ausland! Der Taxifahrer versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen, gab es aber auf, als er nur zögernde Antworten erhielt. Dabei war Colms Französisch durchaus passabel, aber da er es haßte, Fehler zu machen, schwieg er lieber.
Der nächste Zug nach Paris ging erst am Mittag. Colm trank in der Bahnhofscafeteria einen Kaffee. Dort saß er neben seinem Koffer und hielt die gestrige Ausgabe der Times, die zu lesen er noch keine Zeit gefunden hatte, unschlüssig in der Hand. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Titelseite, schlug das Blatt jedoch nicht auf. Ein vages Unbehagen hatte vom ihm Besitz ergriffen: Der Morgen verstrich, und er hatte noch keinen Finger krumm gemacht. So erging es ihm immer, wenn er weit weg von seinem Büro war; er fühlte sich dann, als würde er im luftleeren Raum schweben. Das hektische Auf und Ab des internationalen Börsenmarktes war sein Lebenselixier, ohne das ihm die Welt unvollständig erschien. Er lenkte sich ab, indem er die vorbeieilenden Menschen beobachtete – die Reisenden, die ihre Koffer hinter sich herzogen, die Paare, die voneinander Abschied nahmen. Eine junge Frau hing schluchzend am Hals ihres Mannes, ihr Sohn stand daneben. Colm musterte den Jungen einen Moment lang. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn. Ungefähr zwölf Jahre alt, dachte er. Wissen seine Eltern eigentlich, wie reich sie sind?
Er wandte sich ab, öffnete seine Zeitung und überflog die Seiten. Ein Artikel fiel ihm sofort auf.
EHEMALIGER SCHULLEITER HAT GLÜCK IM UNGLÜCK Pater Seamus Madden (70), der ehemalige Direktor des Clonarty-College, blieb zum Glück unverletzt, als er gestern mit seinem Wagen in der Nähe der Haffners Bridge, einem berüchtigten Unfallschwerpunkt im County Galway, von der Straße abkam und in einem Feld landete.
Pater Madden, der Dr. Noonan als amtierenden Bischof von Cloneris ablösen soll, hat mehrere Bücher über die Geschichte Irlands verfaßt und gilt als Experte auf dem Gebiet des frühen Christentums: Nach seinem Unfall sagte er: »Gott muß seine schützende Hand über mich gehalten haben.«
Colm starrte ungläubig auf den Artikel, las ihn noch einmal, zerknüllte die Irish Times dann wütend und warf sie in den Papierkorb.
Mit einem Mal wurde ihm heiß. Feine Schweißtropfen traten auf seine Stirn. »Also bist du doch ungeschoren davongekommen ...«, sagte er halblaut zu sich selbst. Eine Frau, die gerade neben ihm Platz nehmen wollte, warf ihm einen befremdeten Blick zu und ging dann weiter.
Colm stand auf, betrat die Herrentoilette, fuhr sich mit einem Kamm durch sein schütteres Haar und betrachtete sich im Spiegel. Er sah ein ernstes Gesicht, graue Augen, tiefe Furchen auf der Stirn, eine goldgerahmte Brille und einen teuren Anzug mit dezenter Krawatte. Insgesamt strahlte der Mann, der ihm da aus dem Spiegel entgegenblickte, Seriosität und Würde aus, fand er.
Ein in Jeans und Sweatshirt gekleideter junger Bursche kam herein. Ein schmuddeliger Leinenrucksack baumelte an seinem Arm. Colm musterte ihn verstohlen im Spiegel. Ungefähr einundzwanzig Jahre alt, dachte er. Sah ich denn mit einundzwanzig auch so aus? Bin nicht auch ich als Rucksacktourist durch die Welt gereist und habe die Freiheit jenes einzigartigen Sommers in Italien ausgekostet?
In Florenz nahm Paola Nosterini ihre Gästeliste vom Schreibtisch, trat auf den Balkon hinaus und las sie zum wiederholten Mal genau durch. Dann starrte sie in den sonnendurchfluteten Hof hinunter. Just an diesem Morgen war die Erinnerung an das römische Theater in Fiesole und an den jungen Iren zurückgekehrt, mit dem sie den größten Teil des Tages verbracht hatte. Ein belustigtes Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie noch einmal an den Namen und den Beruf ihres neuen Gastes dachte. Colm Nugent, Börsenmakler. Konnte das wirklich derselbe Colm sein? Sie war fast sicher, daß auch der Nachname stimmte. ›Colombo‹ hatte sie ihn an jenem längst vergangenen Tag genannt.
Sie konnte sich gut an ihn erinnern, weniger an sein Gesicht als vielmehr an seine ernste, bedächtige Art. Schon in so jungen Jahren hatte er den Eindruck gemacht, als trüge er bereits eine große Verantwortung auf seinen Schultern. Irgendwo mußte auch noch das Foto sein, das Maria damals aufgenommen hatte. Sie ließ den Blick über ihr Bücherregal schweifen. Wo mochte das alte Album nur sein? Die Alben mit den neueren Fotos standen alle an ihrem Platz, aber das mit den Bildern aus ihrer Jugend war nirgendwo zu sehen.
»Was meinst du dazu, Bellina?« fragte sie ihre Katze, die auf leisen Pfoten ins Zimmer kam. Bellina gab ein fragendes Maunzen von sich und trottete dann in die Küche. Ich weiß, was du meinst, dachte Paola. Ein solcher Zufall ist einfach unwahrscheinlich. Er kann es nicht sein, es muß sich um jemand anderen handeln.
Die Musik aus Pasquales Zimmer verriet ihr, daß ihr Sohn bereits zu Hause war. Paola schaltete ihren Computer ein, um vor dem Lunch noch ein paar Minuten an ihrem Artikel über das Elend der jungen bosnischen Flüchtlingsfrauen zu arbeiten, die gezwungen waren, sich ihren Lebensunterhalt mit Prostitution zu verdienen. Als das Telefon neben ihr klingelte, schrak sie zusammen.
»Ciao, carissima«, erklang eine männliche Stimme. Es war ihr Cousin Silvestro, ebenfalls Journalist von Beruf. Er hatte sich nach Giovannis Tod rührend um sie gekümmert, brachte ihr häufig Geschenke vom Bauernhof seiner Eltern in Vallambrosa mit und zeigte ein väterliches Interesse an Pasquale. Als Kinder hatten sie und Silvestro sich sehr nahegestanden, und Paola wußte, daß er nur allzu gern bereit wäre, sich auch auf eine intime Beziehung einzulassen. Doch sie hatte seine Annäherungsversuche stets mit einem Lachen abgetan. Solange man etwas nicht ernst nahm, war man davor sicher.
»Wie geht es dir, Silvestro?« fragte sie auf Englisch. »Hattest du ein schönes Wochenende?«
Wie sie selbst sprach auch Silvestro fließend Englisch, doch im Gegensatz zu ihr floß in seinen Adern kein angelsächsisches Blut, sondern er war nur oft bei ihren Großtanten Augusta und Theodora Rachet in Cambridgeshire zu Besuch gewesen. Die beiden alten Damen hatten sich alle Mühe gegeben, den Kindern ein akzentfreies, korrektes Englisch beizubringen.
»Ein faules«, antwortete Silvestro. »Habt ihr heute abend schon etwas vor? Erica und ich würden euch gerne zum Essen einladen.«
»Wir würden auch gerne kommen, Silvestro«, sagte Paola bedauernd. »Aber leider kommen heute abend drei meiner neuen Gäste an.«
»Ich komme dann später mal vorbei.«
»Tu das. Und bring Erica mit. Ich habe sie ewig nicht mehr gesehen.«
Paolas Mutter Mabel, Mamie Huntley, war eine englische Kriegswaise gewesen, deren Vater bei Dünkirchen gefallen und deren Mutter von einer Bombe getötet worden war, die explodierte, als sie im Mai 1941 nach einem schweren Luftangriff die Trümmer ihres Hauses in London durchwühlte.
Die junge Mamie hatte sich vom Verlust ihrer Eltern nie ganz erholt. Sie war von ihren Tanten aufgenommen worden und zu einem zarten, aber impulsiven Mädchen herangewachsen. Paolas Vater Guido Anguillante hatte sie im Juli 1951 während eines Italienurlaubs kennengelernt, als sie im Restaurant seiner Familie zu Mittag aß. Wenige Monate später hatten sie geheiratet, und im darauffolgenden Jahr war Mamie bei der Geburt ihrer Tochter Paola Anna Maria gestorben.
Paola war in Florenz aufgewachsen. Sie war dort zur Schule gegangen und hatte mit ihrem Vater in Fiesole gewohnt, einem Ort oberhalb Florenz, von dem aus man einen herrlichen Blick über die Stadt hatte. Hier hatte sie ihrer Stiefmutter Maria oft im Restaurant geholfen. Paola war ein verträumtes, aber ehrgeiziges Mädchen gewesen, sie hatte eine Katze namens Miranda besessen und saß gern mit einem Buch in dem römischen Theater neben ihrem Haus. Später wurde sie dann Journalistin, und mit sechsundzwanzig heiratete sie Giovanni Nosterini, der vor achtzehn Monaten bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und sie mit Pasquale, ihrem kränklichen einzigen Kind, allein zurückgelassen hatte.
Paola bereitete risotto con funghi zu, klopfte an die Zimmertür ihres Sohnes und wurde von den hämmernden Rhythmen von U2 empfangen, als sie den Raum betrat.
»Das Essen ist fertig. Silvestro und Erica kommen heute abend auf einen Sprung vorbei.«
Pasquale lag auf dem Bett. Liebevoll sah sie ihn an. Er besaß die edlen Gesichtszüge und die Haltung eines Aristokraten des fünfzehnten Jahrhunderts. Heute hatte er eine gesunde Farbe, stellte sie fest, während sie ihn besorgt musterte und nach Anzeichen für die Verschlechterung seines Zustandes suchte, vor der man sie gewarnt hatte. Morgen mußte er erneut den Arzt aufsuchen. Sollte eine Operation notwendig sein, dann wollte Paola dafür sorgen, daß der berühmte Herzspezialist Professor Santini sie so rasch wie möglich durchführte. Sie hatte von Giovanni ein Grundstück in Sizilien geerbt, das sie verkaufen würde, um von dem Erlös die Operation zu bezahlen. Für ihren Sohn hätte sie ohne zu zögern alles geopfert, was sie besaß. Pasquale lächelte. »Gut«, sagte er und klopfte im Takt zur Musik auf das Bett. Dann fügte er hinzu: »Was ist denn nun mit unseren neuen Gästen?«
»Heute abend haben wir nur die drei Damen da. Unser vierter Gast kommt erst morgen.«
Pasquale seufzte. »Noch so eine Tante mit grausamem Akzent, die ganze vier Worte Italienisch spricht. Ich wünschte, wir müßten diese Leute nicht ...«
»Ich habe dir doch gesagt, daß unser vierter Gast ein Mann ist.«
Pasquale hob den Kopf. »Das ändert natürlich alles.«
Paola nickte. »Er ist Ire.« Dann stieß sie ein leises Lachen aus. »Ich frage mich, ob er wohl ...« Sie brach abrupt ab.
»Ob er wohl was?« wollte ihr Sohn wissen.
»Ach, nichts. Das hat nichts zu bedeuten.«
Als Colm die Herrentoilette verließ, stand der Zug schon am Bahnsteig. Er suchte seinen reservierten Sitzplatz in der ersten Klasse, verstaute sein Gepäck und ließ sich in den Sessel fallen. Dann holte er seinen Terminplaner hervor, rückte seine Brille zurecht und blätterte darin herum, bis er den Namen Signora Paola Nosterini und die Adresse Via de’Tornabuoni in Florenz fand. Er erinnerte sich an diese Straße; er war vor langer Zeit mit Robin hindurchgeschlendert. Sie lag zentral, und es gab dort zahlreiche Geschäfte. Perfekt! Entschlossen verdrängte er seine Befürchtungen hinsichtlich seines Aufenthaltes in einer fremden Familie. Er würde es einfach ein paar Tage ausprobieren. Vielleicht erwies es sich ja als interessante Erfahrung, und auf jeden Fall war es einmal etwas anderes.
Er steckte seinen Terminplaner weg, lehnte sich zurück, schloß die Augen und versetzte sich in Gedanken wieder in jene Zeit, als er, damals einundzwanzig, zum ersten Mal nach Florenz gereist war.
Eine kleine Erbschaft hatte ihm die Reise ermöglicht. Seine Mutter hatte das Geld Pater Doran, dem Gemeindepfarrer, mit der strikten Auflage übergeben, es Colm auszuhändigen, sobald er einundzwanzig war. Es waren ihre Ersparnisse, die bescheidenen Gewinne, die sie mit dem Verkauf von Molkereiprodukten in Kilgarret erwirtschaftet hatte. Sie hatte kein Testament aufgesetzt und außer ein paar Schmuckstücken – ihrem Ehering und einer goldgefaßten Kameenbrosche, die sie Alice übergeben hatte, auch sonst nichts besessen.
War sie in ihrem selbstlosen, von unermüdlichem Fleiß geprägten Leben glücklich gewesen? fragte er sich. In diesem verfallenen Bauernhaus, das seit Generationen im Besitz der Familie ihres Mannes war? Küche und Halle hatten geflieste Fußböden, und die Treppe bestand aus gehärtetem Pechkiefernholz. Das Wohnzimmer wurde als Salon bezeichnet, ein separates Eßzimmer gab es nicht. Ob sie wohl gern in diesem Haus gelebt hatte, wo alle – Familienmitglieder, Hilfskräfte und Gäste – jeden Tag am blankgescheuerten Eichentisch in der Küche saßen? Sie hatte dafür gesorgt, daß die Küche stets warm und der alte Herd Sommer wie Winter in Betrieb war. Er wurde mit dem Torf von ihrem eigenen Hof geheizt, und seine Mutter hatte alle Mahlzeiten darauf gekocht. Doch was hatte sie wirklich empfunden, während sie ihren häuslichen Pflichten nachging? Hatte sie eigene Bedürfnisse gehabt, die ihre Familie nicht befriedigen konnte? Auch heute noch sah Colm sie, wenn er an sie dachte, ausschließlich in der Rolle der Hausfrau und aufopfernden Mutter. Sogar nachdem er aus dem Clonarty College ausgeschlossen worden war, hatte sie sich ihre eigene bittere Enttäuschung nicht anmerken lassen und versucht, ihn zu trösten, so gut sie konnte.
»Ich habe dir etwas Geld hinterlassen, Colm«, hatte sie gesagt, als sie auf dem Sterbebett lag. Ihre Stimme klang nur noch wie ein Hauch, ihr Atem war kurz und unregelmäßig, ihre Lippen blutleer – so hatte er seine Mutter noch nie gesehen. »Du bekommst es, wenn du einundzwanzig bist ... geh auf Reisen ... erweitere deinen Horizont und lerne zu vergessen ... du mußt vergessen ... alles, was geschehen ist. Das, was du haßt, wird dich nie loslassen. Du mußt lernen zu verzeihen, Colm ... nur dann kannst du wirklich frei sein!«
Colm empfand erst Verwirrung, dann Verlegenheit. Solche heftigen Äußerungen seiner Mutter waren ihm fremd. Aber er war damals erst vierzehn Jahre alt gewesen und wurde zum ersten Mal in seinem Leben mit dem Tod konfrontiert. Der Kummer erstickte alle anderen Gefühle außer der Furcht vor dem bevorstehenden Verlust. Doch sogar jetzt mußte er an das Clonarty-College denken, an seinen Ausschluß und alles, was dazu geführt hatte. Und er fragte sich, ob seine Mutter wohl mehr darüber wußte, als sie zugeben mochte, ob sie die Wahrheit erraten hatte. Niemals werde ich das alles verzeihen, schwor er sich, aber ihr zuliebe nickte er und hielt ihre blaugeäderte Hand.
Wenige Tage später starb sie. Im kalten Morgenlicht stand ihre Familie an ihrem Bett und wartete auf einen letzten röchelnden Atemzug, ein letztes Flattern der Augenlider. Doch der Kampf war vorüber; sie lag reglos da, als ob sie schliefe, und schien mit weit geöffneten ausdrucklosen Augen in die Ewigkeit zu blicken. Sein Vater beugte sich über sie, schloß ihr die Lider, küßte sie auf die Stirn, berührte mit der Miene eines Mannes, dessen letzte Hoffnung zunichte gemacht worden war, ihre Hand und verließ dann wortlos den Raum.
Colms Geschwister Liam und Alice sahen ihn durch ihre Tränen hindurch anklagend an.
Er war vierzehn Jahre alt und der zweifelhaften Gnade seines Vaters und seiner Geschwister ausgeliefert. Später wunderte er sich, warum seine Mutter ihre Ersparnisse nicht dem Vater hinterlassen hatte. Colm beschloß, ihm zu sagen, er könne das Geld haben, egal, wie viel es war. Doch dann überlegte er es sich anders, da ihn die wortkarge Art seines Vaters und dessen Angewohnheit, mit Colm in demselben scharfen Kommandoton zu sprechen wie mit dem Hund, zunehmend ärgerte.
Im Laufe der Zeit vergaß er seine Erbschaft fast völlig, schrieb sie den wirren Reden einer schwerkranken Frau zu. In den darauffolgenden Jahren, in denen er tagsüber auf dem Hof schuftete und nachts studierte, dachte er zwar manchmal daran, verdrängte aber den Gedanken sofort wieder. Konzentriere dich auf deine Ziele und verlaß dich nur auf dich selbst, mahnte er sich oft. Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.
Je mehr seine Geschwister seinen Lerneifer belächelten, desto stärker wurde sein Ehrgeiz. Pater Doran erwähnte die dubiose Erbschaft niemals, obgleich Colm ihn gelegentlich sah, und er selbst brachte nie den Mut auf, von sich aus auf das Thema zu sprechen zu kommen. Nach dem Clonarty-Skandal hatte sich der Gemeindepfarrer zunächst vorsichtig nach den Gründen erkundigt und sogar leise Zweifel an der Version der Collegeleitung geäußert. Aber da Colm nie ein Wort über die Angelegenheit verlor, hatte auch Pater Doran sich schließlich von seiner Schuld überzeugen lassen. Und Colm selbst war aus zwei Gründen unfähig, etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen: Erstens verboten ihm Scham und Stolz, sich zu rechtfertigen, und zweitens litt er unter einer Gedächtnislücke, die er allen Anstrengungen zum Trotz nicht zu füllen vermochte.
Sechs Jahre gingen ins Land. In dieser Zeit verwandte Colm seine ganze Energie und Willenskraft darauf, sein Leben in den Griff zu bekommen. Und er faßte einen Entschluß – eines Tages würde er reich und somit unverwundbar sein. Auf dieses Ziel konzentrierte er sich. Er bewarb sich um ein Universitätsstipendium, bekam es und ging nach Dublin auf das University College, um Betriebswirtschaft zu studieren.
Drei Jahre lang war er ein Musterstudent. Er wohnte in einem kleinen möblierten Zimmer in der South Circular Road, hielt sich von den Vergnügungen des Studentenlebens weitgehend fern, war ständig in den Listen der Besten zu finden und legte schließlich mit vor Erregung klopfendem Herzen sein Abschlußexamen ab. Sein Erbe hatte er vollkommen vergessen, er dachte nur noch an den Vertrag, den er mit Harrisons Stockbrokers abgeschlossen hatte. Drei Lehrjahre lagen vor ihm; drei Jahre praktischer Arbeit an der Börse. Er würde Finanzanalysen durchführen, Aktienkurse studieren, als offizieller Vertreter der Firma mit Kunden verhandeln, den Seniorpartnern assistieren und so das Börsengeschäft von der Pike auf kennenlernen. Und nach seiner Lehrzeit, wenn er ausgebildeter Börsenmakler wäre, würde er sich in die Firma einkaufen. Er träumte schon von dem Tag, an dem er als Partner bei Harrisons Stockbrokers aufgenommen werden würde.
Und danach ...
Von da an, sagte er sich, kommt es nur noch auf mich allein an.
Im Juli 1968, kurz nach seinem Abschlußexamen, kehrte Colm nach Ballykelly zurück. Am ersten Tag in seinem Elternhaus räumte er sein Zimmer auf, sammelte alle Notizen und Aufzeichnungen zusammen, für die er keine Verwendung mehr hatte, und verstaute sie in einem großen Karton. Nun, da für ihn ein neues Leben beginnen sollte, wollte er einen klaren Schlußstrich unter das alte ziehen.
Die Spielsachen aus seiner Kinderzeit stapelte er auf einen großen Haufen; sie konnten auf dem Hof verbrannt werden: ein alter Teddy mit nur einem Auge, mehrere unvollständige Puzzles und eine staubige Comicsammlung. Ganz hinten in seinem Schrank fand er eine abgenutzte Schachtel mit verblaßter rotgelber Aufschrift: SPIEL DES WISSENS. Als er den Deckel hob, schlug ihn die Vergangenheit augenblicklich wieder in ihren Bann. Dieses Quiz, das ihn viele Stunden lang fasziniert hatte, hatte seinen Wissensdurst anregt. Er erinnerte sich, wie er als Kind voller Begeisterung Karte um Karte aufgenommen, auf der einen Seite die Fragen und auf der anderen die Antworten gelesen hatte. Ganz zuoberst lag eine Karte aus dem Sachgebiet Geschichte, als ob sie darauf wartete, daß er sie noch einmal zur Hand nahm. »Wer war Savonarola?« stand darauf geschrieben.
Bedächtig nahm Colm Spielbrett und Karten aus der Schachtel. Er lag wieder krank im Bett, hörte die müden Schritte seiner Mutter auf der Treppe und drehte rasch die Karte um. »Savonarola war ein Mönch, der im 15. Jahrhundert in Florenz lebte und als irrsinnig galt«, war die Antwort.
»Mama, was ist ein Mönch?«
»Ein Mönch ist ein Priester.«
»Warum war dieser Sa-vo-na-ro-la-Mönch denn irrsinnig?«
Seine Mutter blickte auf das Spielbrett. »Ich weiß es nicht, a cushla. Frag den Rektor.«
»Mama, wo liegt Florenz?«
»In Italien ... du weißt doch, dem warmen Land im Süden.«
»Ja, ich weiß. In Italien gibt es viele Ruinen. Ich habe Bilder in einem Buch gesehen. Da ist vor langer Zeit ein Vulkan ausgebrochen, in einer Stadt, die Pompeji heißt. Wenn ich erwachsen bin, will ich dorthin fahren.« Und als seine Mutter ihm liebevoll die Hand auf die Stirn legte, fügte er hinzu: »Ich nehme dich natürlich mit, Mama. Wir fahren zusammen!«
Seine Mutter lächelte. »Das tun wir, a stor.«
Als Mr. Roche, der Rektor, das nächste Mal vorbeikam, fragte Colm ihn, wieso ein Priester irrsinnig werden konnte, und sein Lehrer blickte ihn verdutzt an.
»Das hat er von seinem neuen Lieblingsspiel«, erklärte seine Mutter hastig.
Mr. Roche inspizierte das Spiel. Bei seinem nächsten Besuch brachte er Colm ein Buch über das mittelalterliche Italien mit. Ein Kapitel behandelte Florenz und enthielt auch ein Schwarzweißbild von Savonarola. Darunter stand: ›Girolamo Savonarola, 1452-1498‹. Das Portrait zeigte ein kraftvolles, von einer schwarzen Kapuze eingerahmtes Profil. Der Rest war unkenntlich.
Colm starrte das Bild wie gebannt an. Die Macht, die dieses asketische Gesicht ausstrahlte, faszinierte ihn. Er las den kurzen Lebenslauf des Mönches und erfuhr, daß er einen erbitterten Kampf gegen die Korruption und Unmoral innerhalb der Kirche geführt und in Florenz eine große Anhängerschar um sich versammelt hatte, bis er gefangengenommen, der Folter unterzogen und an den Galgen gebracht worden war; seinen Leichnam hatte man anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Von da an erschien Colm das fanatische Gesicht des Mannes oft im Traum, und er quälte sich mit vielen verschiedenen Fragen herum. Wie konnte ein Priester irrsinnig werden? Warum hatte man ihn gefoltert und getötet? Wieso hatte er sich mit seinen Reden so viele Feinde gemacht? War es denn falsch, offen zu sagen, was man dachte?
Er bekam Fieber. Seine Mutter hörte seinem Gestammel zu, las das Buch, nahm es ihm fort und gab es Mr. Roche zurück.
Ihre Stimme klang Colm immer noch im Ohr. »Dieser Mann hat in ein Irrenhaus gehört«, sagte sie tadelnd. »Man stelle sich vor ... ein Mönch, der sich gegen den Papst auflehnt!« Danach hatte sie die Stimme gedämpft und seinem Lehrer einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen. »Derartige Lektüre ist nichts für einen netten Jungen wie Colm!«
Und jetzt stand er mit dem alten Spiel in der Hand da, lauschte den Stimmen der Vergangenheit und dachte mit all dem Zynismus seiner einundzwanzig Jahre, daß dieser Mönch doch wirklich ein armer Idiot gewesen war. Flüchtig rieb er mit der Hand über die Karten, die ihm einst eine ganz neue Welt eröffnet hatten, dann warf er die Schachtel auf den Haufen der zum Verbrennen bestimmten Sachen, ging nach unten, zog seine Gummistiefel an und machte sich auf den Weg zu den Wiesen.
Die Heuernte war in vollem Gange. Sein Vater und seine Geschwister harkten das duftende, von der Sonne getrocknete Gras zu kleinen Haufen zusammen, die dann auf einen Leiterwagen verladen und zu dem großen Heuschober auf der anderen Seite des Gehöfts geschafft wurden. Es war ein herrlicher Tag; in der Luft lag der süße Geruch nach Gras und Erde, den Colm so liebte. Der betagte Ford Consul des Gemeindepfarrers ratterte langsam über die schmale Straße, bog dann in die offenstehende Einfahrt zum Nugent-Hof ein und blieb vor dem Haus stehen.
Colm blickte auf und sah den Priester über den mit Hecken gesäumten Seitenpfad auf die Wiese zukommen.
»Hallo, Pater«, rief Alice, die ihre Harke in der einen Hand hielt und sich mit der anderen ihren alten Sonnenhut in den Nacken schob. Auch Liam rief einen Gruß, sein Vater winkte vom Traktor herab, und Packy Flynn, der Landarbeiter, tippte an die Krempe seiner schweißfleckigen Kappe.
Der Priester stapfte über das Feld und eröffnete das Gespräch mit ein paar belanglosen Bemerkungen. »Nun, wie geht’s denn so, Alice? Es gibt keine Ruhe für die Bösen, was?«
»Dann müssen wir schon verdammt böse sein, Pater.« Allgemeines Gelächter erscholl.
»Jedenfalls habt ihr gutes Wetter für die Heuernte.« Und ohne Übergang sagte Pater Doran dann beiläufig: »Kann ich kurz unter vier Augen mit dir sprechen, Colm?« Dann zog er ihn außer Hörweite seiner Geschwister.
»Deine Mutter hat mir etwas Geld anvertraut, das ich dir aushändigen möchte«, brummte er dann schroff. »Sie hat bestimmt, daß du es in diesem Sommer bekommen sollst. Weißt du darüber Bescheid?«
»Sie erwähnte so etwas, als sie im Sterben lag«, erwiderte Colm zögernd, »aber ich dachte, da wäre sie vielleicht schon ...«
Pater Doran blickte über die Wiese hinweg zu dem strohgedeckten Dach von Johnny Munroes Haus, das sich über die Hecken und die Steinmauer erhob. Er hatte nicht viel für den alten Johnny übrig, der den Leuten die Karten legte und die Abergläubischen im Dorf mit seinen Prophezeiungen häufig in Angst und Schrecken versetzte.
»Sie war geistig vollkommen klar, falls du das meinst. Sie hat mir das Geld gegeben, damit ich es für dich aufbewahre ... und ausdrücklich bestimmt, daß du es verwenden sollst, um auf Reisen zu gehen.«
Das einst dunkelbraune, dichte Haar des Gemeindepfarrers schimmerte nun silbrig, und sein Gesicht wies tiefe Furchen auf. Er stand bereits im Winter seines Lebens, und der ewige Kampf gegen weltliche Versuchungen hatte ihn ausgelaugt. Sein Leben war eine einzige Kette von Enttäuschungen gewesen, und nun fühlte er sich leer und ausgebrannt; ein Mann, der seine ganze Kraft eingesetzt hatte, um seinen Zielen treu zu bleiben.
Nun blickte er Colm an und verzog unwillig die Lippen. Er war mit der letzten Verfügung der verstorbenen Maura Nugent ganz und gar nicht einverstanden, da er großen Respekt vor Geld hatte. Und er wollte es nur ungern einem Jungen zukommen lassen, der unerklärlicher Gewaltausbrüche fähig war. Aber als rechtschaffener Mann brachte er es nicht über sich, sein Wort zu brechen.
»Es sind fast zweihundert Pfund ... du mußt damit ins Ausland fahren. Nur unter dieser Voraussetzung kannst du dein ... Erbe antreten.«
Colm schnappte nach Luft.
»Mit dem Geld hätte man sicherlich etwas Besseres anfangen können, aber deine Mutter hat ihre Wünsche sehr deutlich geäußert. Sie sagte, du solltest es nutzen, um auf Reisen zu gehen und all die Orte zu besichtigen, für die du dich so interessiert hast ...« Er brach ab. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Deine Mutter war eine ungewöhnliche Frau – hat ihr Leben lang geschuftet und nie einen Penny verschwendet, und dann das ...«
Doch Colm hörte gar nicht richtig zu. Eine Welle der Euphorie hatte ihn überkommen. Vor seinem geistigen Auge entstanden Bilder ferner Länder, Strände, fremder Sprachen und fremder Gesichter. Er dachte an seine früheren Reiseträume, an die Geschichtsbücher und griechischen und römischen Sagen, die er während der langen Tage und Nächte seiner von Krankheiten geprägten Kindheit verschlungen hatte. Und er erinnerte sich an das, was er über Florenz gelesen hatte, und wußte augenblicklich, was er mit diesem unverhofften Geldsegen anfangen wollte.
»Wo willst du denn hinfahren?«
»Nach Italien. Ich möchte Rom und Herkulaneum und Pompeji sehen ... vielleicht auch noch Florenz. Reicht das Geld dafür?«
»Ja. Es ist sogar mehr als genug, wenn du sparsam bist und in Jugendherbergen übernachtest. Wenn du allerdings mit dem Flugzeug reisen möchtest, dann ...«
»Nein, ich werde mit der Fähre nach Frankreich fahren und von dort aus trampen.«
»Wann soll es losgehen?«
»Nach der Heuernte ... vielleicht Ende nächsten Monats ...«
»Gut, dann werden wir nach Kilgarret fahren und der Bank einen Besuch abstatten. Kannst du jetzt gleich mitkommen?«
Colm blickte sich argwöhnisch um. »Ja, Pater.«
Er nahm auf dem Beifahrersitz des Ford Consul Platz und begleitete Pater Doran nach Kilgarret. Während der Fahrt warnte der Priester ihn eindringlich vor den Gefahren, die einen jungen Mann im Ausland erwarteten.
»Laß dich nicht von den leichtfertigen jungen Leuten, die du auf dem Kontinent treffen wirst, zu Sünden verleiten. Die meisten von ihnen haben für die moralischen Werte, mit denen du aufgewachsen bist, nur Hohn und Spott übrig.« Pater Doran senkte seine Stimme. »Auch wenn du einmal vom rechten Weg abgewichen bist, Colm – sieh zu, daß es kein zweites Mal passiert.«
Ärger stieg in Colm auf, doch er beherrschte sich und schwieg. Er hält mich für einen hoffnungslosen Fall, dachte er, als er neben dem Priester an der Kasse der Munster and Leinster Bank in der Hauptstraße von Kilgarret stand. Der Kassierer zählte ihnen das Geld langsam vor, Pater Doran griff danach und schob sein junges Gemeindemitglied nach draußen. Im Wagen drückte er Colm ein Bündel Banknoten in die Hand.
»Steck das Geld weg, Colm«, befahl er. »Steck es in die Tasche, damit niemand es sieht.«
Colm gehorchte. Dann zog Pater Doran eine Quittung hervor, die Colm unterschreiben mußte. Damit bestätigte er, daß Maura Nugents geheime letzte Verfügung erfüllt worden war und Colm Nugent einhundertneunzig Pfund ausbezahlt bekommen hatte. Der Priester schob die Quittung in seine Brusttasche.
Die Fahrt über die Main Street legten sie schweigend zurück. Colm starrte auf die Schaufenster von Clohessy’s Gemischtwarenladen, vor denen lange Reihen Gummistiefel aufgebaut waren, und auf die Apotheke und die kleinen Cottages am Stadtrand, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Sein plötzlicher Reichtum hatte ihn benommen gemacht.
Als sie den Hof erreicht hatten, schlug Pater Doran die Einladung, noch mit hereinzukommen, aus. Colm dankte ihm und sah dem Auto nach, das am Tor wendete und dann die staubige Straße entlangfuhr. Dann ging er in sein Zimmer, zählte das Geld und versteckte es im zerschlissenen Futter eines alten Mantels, der ganz hinten in seinem Kleiderschrank hing.
»Was wollte Pater Doran denn von dir?« fragte sein Vater später.
»Ich sollte ihn nach Kilgarret begleiten«, erklärte Colm, und sein Vater, wortkarg wie immer, nickte nur und stellte keine weiteren Fragen.
