Wiedersehen mit Scheich Khalid - Verena Wermuth - E-Book

Wiedersehen mit Scheich Khalid E-Book

Verena Wermuth

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Beschreibung

Mit 23 verliebt sich Verena Wermuth in Scheich Khalid und führt elf Jahre lang eine heimliche Beziehung mit dem Fürstensohn aus Dubai. Als Khalid mit seiner Cousine verheiratet wird, bricht sie tief verletzt jeglichen Kontakt zu ihm ab. 18 Jahre später: Nach dem Riesenerfolg ihres autobiografischen Buchs "Die verbotene Frau" soll Verena Wermuths Geschichte verfilmt werden. Sie möchte dazu um sein Einverständnis bitten - und wird von alten Gefühlen eingeholt.

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Seitenzahl: 201

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Verena Wermuth

Wiedersehen mit Scheich Khalid

Knaur e-books

Über dieses Buch

Mit 23 verliebt sich Verena Wermuth in Scheich Khalid und führt elf Jahre lang eine heimliche Beziehung mit dem Fürstensohn aus Dubai. Als Khalid mit seiner Cousine verheiratet wird, bricht sie tief verletzt jeglichen Kontakt zu ihm ab.

18 Jahre später: Nach dem Riesenerfolg ihres autobiografischen Buchs »Die verbotene Frau« soll Verena Wermuths Geschichte verfilmt werden. Sie möchte dazu um sein Einverständnis bitten und wird von alten Gefühlen eingeholt.

Inhaltsübersicht

MottoVorwortZurück in der Schweiz, April 1990FotoalbumWiedersehen in Dubai, Mai 2008Epilog
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Du magst den vergessen, mit dem du gelacht, aber nie den, mit dem du geweint hast.

 

Khalil Gibran

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Vorwort

Als im Juni 2007 mein Buch Die verbotene Frau erschien, war ich zwar optimistisch, dass die Schilderung meiner arabischen Liebesgeschichte auf Interesse stoßen würde. Dass es allerdings innerhalb kurzer Zeit auf den Bestsellerlisten landen, in bisher zwölf Sprachen übersetzt und verfilmt werden würde, hatte ich auch in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet.

Der Erfolg des Buches und all die Erlebnisse, die damit verbunden waren, entwickelten sich zu einem weiteren großen Abenteuer in meinem Leben – obwohl ich auf manche Dinge und Situationen lieber verzichtet hätte. Letztendlich allerdings bedeuteten genau diese Erfahrungen ein großes Stück Lebensschule für mich. Doch dazu später mehr.

Damals hatte ich keinesfalls vor, ein zweites Buch zu schreiben. Doch im Laufe der Jahre erhielt ich Hunderte von Briefen, Mails und Karten, in denen mir Leserinnen und Leser mitteilten, wie sehr sie von meiner Geschichte beeindruckt waren. Fast immer endeten diese Schreiben mit der Frage, wie es denn Scheich Khalid und mir heute erginge. Ob wir noch in Kontakt wären, ob wir uns wiedergesehen hätten … Um die Privatsphäre von Scheich Khalid und seiner Familie zu schützen, kam es für mich seinerzeit nicht in Frage, ein zweites Buch zu schreiben. Irgendwann – Inshallah – würden die Stimmen der Medien verstummen, die Nachforschungen über seine Person enden.

Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen. Im Hintergrund ist einiges gelaufen. Der TV-Spielfilm über mein Buch Die verbotene Frau mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle wird demnächst ausgestrahlt. Erfreulicherweise wurden sowohl Inhalt und Schauplätze als auch gewisse Handlungen so verändert, dass es kaum möglich sein dürfte, auf Scheich Khalids wahre Identität zu schließen. Einem zweiten Titel beziehungsweise der Fortsetzung meiner Geschichte steht daher nichts mehr im Weg. Nicht zuletzt hoffe ich, mit diesem Buch sämtliche offenen Fragen zu beantworten.

Ich bin mir dessen bewusst, dass diese Geschichte nicht frei von Widersprüchen ist. Doch das Leben ist zu komplex, als dass es sich so einfach in Schwarz und Weiß einteilen ließe. Es gibt Menschen, die wirken äußerlich ruhig und stehen innerlich in Flammen. Natürlich soll man seine wahren Gefühle zeigen. Nur – wie kann man es, wenn sie aus einer so sonderbaren Mischung von »ich will« und »ich will nicht« bestehen?

 

All jenen, die mich mit ihrer Anerkennung, ihrem Zuspruch und ihrem Interesse an meiner Liebesgeschichte zum Teil tief berührten, möchte ich dieses Buch widmen.

 

Zürich, im August 2013

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Zurück in der Schweiz, April 1990

Die ersten zwei, drei Tage in der Schweiz denke ich ständig daran, wie es Khalid wohl gehen mag, nachdem ich ihn in Dubai am Flughafen zurückgelassen, sprich, vor vollendete Tatsachen gestellt habe.

»Diesmal trennen wir uns auf ewig«, sind meine letzten Worte zu Khalid. Gleich darauf streckt der uniformierte Beamte seine Hand aus, um meine Reisepapiere entgegenzunehmen. Während er den Pass inspiziert, pocht mein Herz wie wild. Ich spüre Khalids verzweifelten Blick und erschrecke über den eigenen Mut und meine Willensstärke, unter diese Beziehung endgültig einen Schlussstrich zu ziehen. Eine Sekunde lang schwanke ich, möchte am liebsten zurücklaufen, direkt in seine Arme. Doch die Vernunft mahnt mich sogleich: »Reiß dich zusammen, gleich ist es geschafft – Augen zu und durch.« Als mir der Beamte den Pass zurückreicht, sehe ich mich noch einmal nach Khalid um. Er steht da wie gelähmt, seine Augen fest auf mich gerichtet. Ich ahne, was ihm durch den Kopf geht. Es schnürt mir die Kehle zu. Den ganzen Flug über weine ich.

Kaum zu Hause in der Schweiz angekommen, läutet das Telefon Sturm. Ich weiß, dass es Khalid ist. Doch mir fehlt die Kraft, mit ihm zu sprechen.

In fünf Wochen wird mein geliebter Khalid seine Cousine, die Tochter des Emirs, die ihm seit seiner frühen Jugend versprochen ist, heiraten. Fairerweise soll an dieser Stelle gesagt sein, dass Khalids familiäre Verpflichtung nicht nur für mich, sondern gleichermaßen für ihn eine Tragödie bedeutet.

Während das Telefon weiter klingelt, will Mama partout nicht wahrhaben, dass es mir Ernst ist mit meinem Entschluss, absolut keinen Kontakt mehr zu Khalid aufzunehmen. Denn mit seiner Stimme im Ohr würde ich nie zur Ruhe kommen können.

 

»Nicht schon wieder, Verena …«, seufzt sie. Und wo sie recht hat, hat sie recht. Tausendmal hat Khalid einen Weg gesucht und tausendmal habe ich auf ihn vertraut und gehofft. Am Ende hat er unsere Liebe, wohl aus reiner Verzweiflung, an einem geheimen Ort von einem Imam besiegeln lassen. Dieser Tag hat mich über alle Maßen glücklich gemacht, denn einen größeren Beweis für die Echtheit seiner Liebe hätte Khalid nicht erbringen können. Doch nun lässt sich die Realität nicht länger ausblenden. Seit Wochen schon laufen im Hintergrund die Vorbereitungen zur Hochzeit mit seiner Cousine. Kein Wunder also, wenn sich immer mehr Trauer und Melancholie zwischen uns ausbreitet. Drei Jahre lang ist es Khalid gelungen, die von den Familienoberhäuptern arrangierte Heirat unter dem Vorwand zahlreicher Geschäfts- und Auslandsreisen hinauszuzögern. Doch nun ist alles vorbei. Es ist aussichtslos geworden, länger gegen die Familienbande und Traditionen ankämpfen zu wollen. Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Am Samstagnachmittag, eine Woche bevor ich Khalid und Dubai für immer verlasse – was mir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bewusst ist –, herrscht drückende Stille um uns. Auf einmal sieht mir Khalid in die Augen und sagt ruhig: »Verena, in meinem Herzen bist du meine Ehefrau, bist du die Liebe meines Lebens, und so wird es immer bleiben – bis in alle Ewigkeit.«

Es ist wirklich schwer, dem etwas entgegenzuhalten. Abgesehen davon, dass ich aus einer Kultur stamme, in der eine Ehe ausschließlich mit »nur« einer Frau eingegangen wird.

Am Freitag, dem muslimischen Sonntag darauf, bin ich für ein paar Stunden allein. Plötzlich spüre ich, wie die Lebensgeister in mir erwachen. Ich kann und will nicht länger die verbotene Frau sein! Geschweige denn Scheich Khalids Zweitfrau. Niemals könnte ich ihn teilen, lieber sterbe ich. Entschlossen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten, nehme ich den Kampf mit mir auf. In Gedanken gehe ich unsere Fahrt zum Flughafen durch. Bis dahin werde ich ihm gegenüber kein Sterbenswort über meinen Entschluss verlieren. Zu sehr fürchte ich mich vor einem Streitgespräch, das letztlich nur in Tränen enden würde. Oder schlimmer noch: Khalid brächte es in wenigen Worten fertig, dass ich einknicke und mich umbesinne. Das wollte ich auf gar keinen Fall.

Meine Entscheidung würde ich ihm daher in letzter Sekunde, während des Abschieds bei der Passkontrolle, mitteilen. Dass unsere Trennung den absoluten Verzicht auf jeglichen Kontakt voraussetzt, ist mir ebenso bewusst. Elf Jahre sind eine lange Zeit. Es wird, gelinde gesagt, schmerzhaft werden. Allein schon der Gedanke, Khalid nie wieder zu sehen, versetzt mir einen Stich zwischen die Rippen. Ob und wie ich das durchstehen werde, weiß ich in diesem Moment nicht. Was, wenn Khalid beispielsweise unverhofft in Zürich auftaucht? In der Tat könnte er sich jeden Tag, jeden Moment ins Flugzeug setzen. Doch Khalid wäre nicht Khalid, wenn er übereilt handeln würde.

 

Mamas Nerven liegen allmählich blank. Das Telefon klingelt fast ohne Unterlass. Seit meiner Rückkehr wohne ich vorläufig bei ihr, so dass sie alles hautnah miterlebt. Am dritten Tag kann sie dem Spiel nicht länger zusehen und nimmt den Telefonhörer ab. Ich flüchte vom Wohnzimmer in den Flur, beobachte sie aber und lausche heimlich mit.

»Oh, Khalid, I’m so sorry for all …«, Mamas Stimme klingt aufgelöst. Khalid spricht offenbar ununterbrochen auf sie ein, denn außer einem gelegentlichen »aha« oder »yees« ist nichts zu vernehmen. Irgendwann ruft sie mich laut bei meinem Namen. Mir verschlägt es kurz den Atem. Ich winke heftig ab.

»Du weißt, dass ich nicht ans Telefon gehe. Ich hab’s dir gesagt, Mama, ich will seine Stimme nie wieder hören«, gebe ich ihr wild gestikulierend zu verstehen.

Völlig konsterniert nimmt sie den Hörer wieder zur Hand, den sie zuvor auf den Tisch gelegt hat, und erklärt Khalid mit ihren bescheidenen Englischkenntnissen, dass Verena nicht ans Telefon kommen wolle. Khalid lässt sich offenbar nicht abwimmeln. Er spricht weiter und weiter, bis Mama plötzlich mit weinerlicher Stimme »yes« und wieder »yes« sagt.

»Himmel, das darf nicht wahr sein, welch ein Drama!«, denke ich, als Mama den Hörer erneut beiseitelegt. Mit Tränen auf den Wangen stiebt sie an mir vorbei und herrscht mich an, ich solle gefälligst ans Telefon gehen. Khalid werde so lange warten, bis ich mit ihm reden würde. Und mit einem lauten »Päng!« fliegt die Schlafzimmertür hinter ihr zu.

Vor Schreck zucke ich zusammen. Gott, wer legt nun diesen Hörer auf? »Ich jedenfalls nicht«, schießt es mir durch den Kopf. Ich berühre dieses Ding auf keinen Fall. Khalid könnte meinen Atem, das Geräusch einer Hand, irgendetwas durch die Leitung vernehmen. Obschon ich in circa drei Metern Entfernung stehe, vernehme ich plötzlich Zwischenrufe durch die Muschel. Wie von der Tarantel gestochen eile ich in mein Zimmer und warte mit angehaltenem Atem, was passiert. Meine Empfindung ist ein heilloses Durcheinander. »Bin ich etwa reif für die Klinik?«

Fast sieht es so aus. Doch diese Trennung war ganz klar eine Vernunftentscheidung. Und zugegeben, manchmal kann ich schon starrköpfig, nahezu besessen von etwas sein. Bis mal ein Entschluss gefasst ist, ringe ich oft lange mit mir. Ist die Entscheidung dann endlich gefällt, gehe ich diesen einmal gewählten Weg konsequent und unbeirrt mit eisernem Durchhaltewillen zu Ende. Umso schwieriger wird es aber, wenn jemand oder etwas versucht, mich davon abzubringen. Was Khalid anbelangt, habe ich echt Sorge, ich könnte allein durch seine Stimme wieder rückfällig werden. Nicht auszudenken, wo das letztlich hinführen würde! Ich, allein in Dubai, versteckt in einem mit allem Luxus versehenen Appartement, wartend und hoffend, dass er sich für ein paar Stunden oder Tage von seiner Familie losreißt, um bei mir, seiner über alles geliebten, aber verbotenen Zweitfrau zu sein. Wohl wissend, dass ich damit – für mein Verständnis – die Scheicha und Tochter des Emirs mit ihrem Ehemann betrügen würde, denn Khalid wollte mich zwar bei sich behalten, durfte es aber eben nie offiziell. Nein, das geht gar nicht. Ich würde dabei zugrunde gehen.

Nach etwa einer Viertelstunde nehme ich allen Mut zusammen. Ich schleiche auf leisen Sohlen durchs Wohnzimmer und lege den Telefonhörer rasch auf die Ladestation zurück. Geräusche von Khalid höre ich dabei nicht. Aber ich hätte ihm durchaus zugetraut, fünfzehn Minuten lang in der Leitung zu warten.

Nach diesem Zwischenspiel wundert es niemanden, dass Khalid definitiv verstummt. Zwar nicht für ewig, sonst gäbe es dieses Buch nicht, aber immerhin für fünf Jahre. Eigentlich hätte ich nicht gedacht, jemals wieder von ihm zu hören. Es hat mich unendlich viel Kraft und Willensstärke gekostet, nach unserer derart leidenschaftlichen Liebe ein Leben ohne ihn zu beschließen. Irgendwo, im tiefsten Inneren, brodelt es immer noch wie in einem schlafenden Vulkan.

Das war mir in dieser Deutlichkeit gar nicht bewusst gewesen. Erst als mir Mama eines Tages, im Sommer 1995, aufgeregt mitteilt, Khalid hätte bei ihr angerufen und nach mir gefragt, schießt mir ein Stich der Freude durchs Herz. Einerseits wünsche auf der Stelle, ich besäße Ohrenklappen. Andererseits hätte ich am liebsten jedes einzelne Wort wie mit einem Strohhalm in mich aufgesogen.

Damals hat Khalid damit begonnen, Mama ein- bis zweimal im Jahr anzurufen. Auffällig ist dabei, dass er wie von Stolz erfüllt jedes neugeborene Kind bei ihr anmeldet. Kurz vor Weihnachten 2004 war es das fünfte Kind, das seine Frau zur Welt gebracht hatte. Auch wenn diese Geburtsanzeigen jedes Mal ein bisschen schmerzen, so freue ich mich doch sehr, dass es Khalid gutgeht und er bei bester Gesundheit ist. Er seinerseits möchte sich offenbar immer wieder vergewissern, dass ich wirklich glücklich bin. Und ja, das bin ich. Seit 1995, dem Jahr, als sich Khalid (zufällig?) zum ersten Mal wieder gemeldet hat, bin ich verheiratet und überglücklich. Mein Mann Franz hat meinem Leben wieder Sinn gegeben und nebenbei viele spannende, bisher unentdeckte Seiten und Talente an mir hervorgebracht. In Anbetracht dessen, dass ich aus islamischer Sicht und damit nach Khalids Wertvorstellungen in den ehrbaren Stand einer verheirateten Frau eingetreten bin, habe ich mich damals besonders darüber gefreut, dass Mama ihm diese Botschaft übermitteln konnte.

Allmählich häufen sich Khalids Telefonate. Seit einiger Zeit ruft er auch um Weihnachten oder um meinen Geburtstag herum an. Manchmal auch mitten im Sommer oder, wie neulich, im Oktober. Ich befinde mich gerade mit meinem Mann auf einer Südafrikareise, als Mama mir die »edle Botschaft« aus Dubai übermittelt. Genauer gesagt, erreicht mich Khalids äußerst großzügiges Angebot im »Palace of the Lost City« in der nordwestlichen Provinz: Jetzt, wo wir beide verheiratet seien – offiziell –, könnte ich doch in seinem Hause vor aller Augen willkommen sein. Im Beisein meines Ehemannes, versteht sich.

»Aber Mama!«, rufe ich empört.

Nichts als Trotz und Unmut steigen in mir hoch, als ich das Frohlocken ihrer Stimme vernehme. So viele Jahre hat es gedauert, bis ich Distanz zu meiner Vergangenheit gewinnen konnte. Fast scheint mir nun, dass Khalid erneut, auf anderer Ebene, versucht, Nähe herzustellen. Wie romantisch, wenn dem so wäre. Da kommen mir doch gleich gewisse britische Royals in den Sinn. Dass ich mittlerweile bald einundfünfzig Lenze auf dem Buckel trage, interessiert Khalid offenbar nicht. Was Liebe alles vermag. Wunderschön, ja, fast zum Weinen. Dabei merke ich aber auch, sobald ich Khalid näher an mich heranlasse, fängt mein Vulkan unwillkürlich an zu brodeln: Entweder aus Wut und Ohnmacht oder aus tiefster Freude, Glückseligkeit, Jubel und Dankbarkeit.

Eines Tages betreue ich den Reisebürostand meines damaligen Arbeitgebers auf einer Gewerbemesse. Es ist Sonntag, zahlreiche Besucher, ja ganze Familien mit Kindern auf Rollerblades schlängeln sich zwischen Gängen und Ständen hindurch. Überall, wo es etwas umsonst gibt, herrscht Andrang. An meinem Stand ist es relativ ruhig. Plötzlich läutet mein Handy.

»Das ist Franz«, denke ich und werfe einen flüchtigen Blick aufs Display. Dabei hätte ich das Ding beinahe fallen lassen: 00971, die Vorwahl der Vereinigten Arabischen Emirate. Diese fünfstellige Zahl reicht bereits aus, um mir einen gewaltigen Schrecken einzujagen. Das kann nur Khalid sein. Natürlich, jetzt erinnere ich mich, das ist seine Nummer!

Wie eine heiße Kartoffel lasse das Mobile flach auf die Bartheke fallen und sehe verwundert zu, wie es blinkt und immer weiter läutet und läutet. Es ist klar, woher Khalid meine Nummer hat. Am liebsten hätte ich meine Mutter verwünscht, wie konnte sie mir das bloß antun. Zumindest hätte sie mich vorwarnen können.

Die beiden telefonieren offenbar immer öfter, wobei die Gespräche, wie mir nicht entgangen ist, stets vertrauter werden. Ich versuche, möglichst wenig davon an mich heranzulassen.

Nach einer kurzen Pause ruft Khalid erneut an. Wenn das nur bald aufhört, denke ich. Beim nächsten Klingeln ist es mein Mann: »Schatzi, eben hat ein Englisch sprechender Mann bei uns angerufen und nach dir gefragt.«

»Ach? Wirklich …« Nun muss ich doch ein bisschen schmunzeln. Khalid beweist echt Hartnäckigkeit.

»Und, was hast du dem Mann entgegnet? Es war übrigens Khalid, Mama muss ihm meine Nummern ausgehändigt haben. Er hat schon bei mir angerufen.«

»Aha. Na, ich sagte, she is not in the house.«

Innerlich zerreißt es mich vor Lachen über die Vorstellung, wie die Männer miteinander kommuniziert haben. Franz spricht, nebst Französisch, nur einige wenige Broken Englisch, hat sich aber offenbar gut gemausert. Ich bin stolz auf ihn.

»Khalid, Khalid«, denke ich, »wenn du bloß wüsstest, wie sehr ich mich noch immer davor fürchte, deine dunkle, aufreizende Stimme zu hören …«

*

Bangkok, 2006. Die untergehende Sonne taucht die Stadt in ein goldenes Licht. Fast gleichzeitig senkt sich die schwüle Luft wie eine schwere Glocke über den Chao-Praia-Fluss, die angrenzenden Hotelterrassen und meinen Kopf. Schlimmer noch als in Dubai. Ich konnte diese Feuchtigkeit nie ausstehen. Allein schon meiner Haare wegen, die sich bei dieser Wetterlage jeweils zu einer wilden, störrischen Lockenpracht aufblasen. Schließlich halte ich die Feuchtigkeit auf der Veranda nicht länger aus. Unter dem Glas meines Litschicocktails sammelt sich bereits das Wasser.

»Franz, lass uns das Essen drinnen im Hotel nehmen, ja?«

»Schatzi, du hast die Haare so schön …«

Ach, wie ich diesen Satz hasse. Schon als Kind und junges Mädchen litt ich unter meinen manchmal nicht zu bändigenden Haaren.

Mein Mann ist gerade dabei, die Rechnung unserer Drinks zu begleichen, als ich aus der Handtasche einen Klingelton vernehme. Soll ich, soll ich nicht?

»Halloo …, ja Mama, es geht uns gut, Bangkok ist eine faszinierende Stadt, das Oriental Hotel ein Traum! Heute sind wir Tuk Tuk gefahren und haben die Tempelanlage des Königspalastes … Aha …, ja …, neiin, wirklich? Ist das wahr?«

»Ja, wir sind uns ganz sicher, er war es!«

Mein Mann sieht mich fragend bis gelangweilt über seine Brillengläser an.

»Khalid ist im Fernsehen …«, sage ich nur.

»Also, pass auf, Mama, in zwei Tagen sind wir ja wieder zu Hause, dann kannst du mir ausführlich berichten, o.k.?«

Zu Hause in der Schweiz herrschte offenbar große Aufregung. Dagmar, meine jüngste Schwester, wie auch Mama hatten am Abend zuvor – jede für sich allein – in einer Nachrichtensendung Scheich Khalid erkannt. Und als die beiden heute die Tageszeitungen aufschlugen, fanden sie darin einen Artikel samt Fotos von Khalid. Das musste natürlich sofort nach Bangkok gemeldet werden.

Dass Khalid in Sachen Bauvorhaben, der Erschließung von Ressourcen und insbesondere der damit verbundenen Auslandsreisen im Blickfeld des öffentlichen Interesses steht, löst einiges an Emotionen in mir aus. Erst recht, als ich den betreffenden Artikel wenige Tage später zu Gesicht bekomme und mir Khalid auf dem Foto in der Zeitung entgegenlächelt.

Mit einem Mal überkommt mich das starke Bedürfnis, ihm diese Freude mitzuteilen. Ganz abgesehen davon, dass es allmählich an der Zeit wäre, endlich ein Lebenszeichen von mir zu geben. Und da ich ja nun über Netzwerk und Namen seiner Firmen Bescheid weiß, ist es für mich ein Leichtes, ihn via E-Mail zu kontaktieren. Ich hätte auch eine SMS senden oder ihn anrufen können. Doch dazu fehlt mir der Mut. Am 19. Januar 2006 – nach sechzehn Jahren des Stillschweigens – schreibe ich ihm endlich eine kurze E-Mail:

 

Lieber Khalid!

Es freut mich so sehr zu wissen, dass Du bei guter Gesundheit bist und dass Du so erfolgreich geworden bist – sogar hier in Europa!

Lieben Gruß, auch von Mama, Lilian und Dagi,

Verena

 

Die darauffolgenden Tage und Wochen verstreichen, ohne dass eine Rückmeldung eintrifft. Ich bin mir nicht sicher, ob Khalid beleidigt ist, weil ich seine Anrufe stets ignoriert habe, oder ob meine Mail eventuell gar nicht bis zu ihm persönlich durchgekommen ist. Letzteres wäre natürlich unsäglich schade.

Da ich die Zeitbegriffe und Gepflogenheiten der Wüstenbewohner aber nur allzu gut kenne, gebe ich die Hoffnung, eines Tages ein Zeichen zu bekommen, noch nicht auf.

Und tatsächlich: Gerade als ich es wirklich nicht erwartet hätte, trifft Khalids Mail ein! Nach fast vier Wochen des Rätselns …

 

12. Februar 2006

Hallo Verena!

Es ist einfach wundervoll und eine große Überraschung für mich, eine E-Mail von Dir zu bekommen. Wie geht es Dir? Und wie geht es Deiner Familie? Was machen Deine Mama, Lilian und Dagi? Ich hoffe, es geht allen gut ☺ !! Ich möchte Dir wirklich von ganzem Herzen für Deine Mail danken. Das war so lieb von Dir.

Vor langer Zeit habe ich einmal versucht, Dich anzurufen, leider erfolglos. Dann habe ich Deine Mutter gesprochen und sie gab mir Deine Mobilenummer. Also habe ich es auf Deinem Handy versucht, aber auch da keine Antwort bekommen! Jetzt habe ich fünf Kinder und nächste Woche erwarten wir das sechste Baby. Während der letzten zwei Jahre war ich verschiedene Male in Zürich. Allerdings immer nur für sehr kurze Zeit. Ich habe oft im Internet nach Dir gesucht, unter Deinem Mädchennamen, doch da war nichts zu finden. Ach, wie schön es ist, von Dir zu hören!!! Übrigens, wie findest Du mein Englisch? Klingt besser als zu unserer Studienzeit in England – nicht wahr? ☺

Also, ich hoffe, ganz bald wieder von Dir zu hören, und schicke meine besten Grüße an Deine ganze Familie.

Khalid

 

Ich spüre nichts anderes als pure Freude aus Khalids Worten heraus – was meiner Seele unheimlich guttut. Denn was gibt es Schöneres im Leben, als zu wissen, dass man nie vergessen wurde?

 

Mittwoch, 1. März 2006

Hallo Khalid!

Ich habe mich ebenso über Deine Mail, die mich übrigens zum Schmunzeln gebracht hat, gefreut. Ja, sicher!! Dein Englisch ist exzellent und klingt sehr süß ☺! Nun, ich bin wirklich froh und glücklich darüber, dass es Dir gutgeht. Es war übrigens meine Schwester Dagi, die Dich als Erste im Fernsehen erkannt hat. Sie rief sofort Mama an, damit sie die Wiederholungssendung anschauen konnte. Danach hat sich bestätigt, dass es sich tatsächlich um Dich handelte! Als ich die Neuigkeit erfuhr, weilte ich gerade in Bangkok. Ich reise sehr oft. Mal mit meinem Mann, um ihn auf Geschäftsreise zu begleiten, oder im Rahmen einer Studienfahrt im Auftag meines Arbeitgebers, einem Reiseveranstalter. An 9/11 war ich zufällig in Dubai, wie auch verschiedene andere Male während der letzten zwei Jahre. Jedes Mal bin ich ein wenig enttäuscht, unser altes Dubai von damals nicht mehr zu finden. Trotzdem zieht es mich immer wieder hin. Ich hoffe, Du kannst mein Englisch verstehen …? Vermutlich ist es ziemlich wackelig, nicht wahr ☺?

Zum Schluss gratulieren wir Dir alle zu Deinem sechsten Baby, das hoffentlich gesund, munter und wohlauf ist, sowie auch Deine ganze Familie.

Wir alle würden uns sehr freuen, wieder einmal von Dir zu hören.

Bis dann – liebe Grüße aus der Schweiz, Verena

 

Donnerstag, 2. März 2006

Hallo Verena!

Es ist immer wieder schön, von Dir zu hören. Ich bin so froh, dass es Deiner Mama und Deinen Schwestern gutgeht. Dein Englisch ist perfekt und ich kann alles, was Du sagst, sehr gut verstehen. Wie ich Deiner Mail entnehme, warst Du die letzten zwei Jahre mehrmals in Dubai. Ich gehe einig mit Dir, Dubai ist zum reinsten Großstadt-Dschungel geworden und ich liebe die Stadt auch nicht mehr so wie früher. Wann immer möglich, fahren wir in die Wüste hinaus zu den Wadis oder nach Al Waha. Bitte versprich mir, wann immer Du oder Deine Familie – oder auch Freunde nach Dubai kommen, mich vorher anzurufen, damit ich Dich/Euch in meine Obhut nehmen kann.

Mit lieben Grüßen und besten Wünschen, auch an Deine Mama, Khalid

 

Samstag, 4. März 2006

Khalid! Ganz, ganz lieben Dank für Dein Angebot und Deine Gastfreundschaft. Das ist wirklich lieb von Dir … und das alles nach so vielen Jahren, die inzwischen vergangen sind.

Ganz liebe Grüße von uns ALLEN – bis zum nächsten Mal, Verena

 

Donnerstag, 16. März 2006

Hi Verena!

Es ist einfach toll, dass wir nach sechzehn Jahren wieder in Kontakt gekommen sind. Ich kann dieses Glück noch gar nicht so richtig fassen …

Weißt Du was? Darf ich Dich etwas Persönliches fragen? Du brauchst darauf nicht zu antworten, wenn Du nicht magst, o.k.? Ich habe so viele Male versucht, Dich telefonisch zu erreichen. Ich habe mit Deiner Mutter gesprochen, die mir Deine Handynummer gegeben hat … WARUM wolltest Du damals nicht mit mir reden? Nach allem, was passiert ist, was wir gemeinsam erlebt und durchgemacht hatten … nachdem wir doch Freunde sind und wunderschöne Erinnerungen in uns tragen?

Pass auf Dich auf, ich hoffe, bald von Dir zu hören.

Khalid

 

Als ich diese Zeilen lese, werde ich ganz traurig. Es muss Khalid einiges an Überwindung und Mut gekostet haben, mir diese Frage so direkt zu stellen. Erst jetzt wird mir bewusst, was es ihm bedeutet, mich niemals aus den Augen verlieren zu wollen. Dabei war ich nach unserer Trennung stets der Meinung, wenn Khalid wirklich gewollt hätte, hätte er gekämpft, hätte bei den Familienoberhäuptern unsere Liebe durchgesetzt. Meine Schlussfolgerung war daher ganz einfach: »Khalids Liebe war nicht stark genug.« Punkt.

Nun scheint vielleicht doch nicht alles so gewesen zu sein, wie es für mich ausgesehen hat.

 

Donnerstag, 16. März 2006

Hi Khalid!