Winston Churchill - Sebastian Haffner - E-Book
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Sebastian Haffner

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Beschreibung

Rowohlt E-Book Monographie Sir Winston Churchill (1874–1965), Sohn einer alten englischen Adelsfamilie, britischer Premier und Nobelpreisträger für Literatur, hat schon viele Historiker beschäftigt. Und kein anderer war wohl so prädestiniert, sich mit Churchills Leben zu befassen, wie der deutsche Schriftsteller Sebastian Haffner, der von 1938 bis 1954 im politischen Exil in London lebte. Churchill, der sich bereits in den dreißiger Jahren zur stärksten politischen Persönlichkeit Englands entwickelte, wurde im Zweiten Weltkrieg eine Art lebendiges Symbol des nationalen Widerstands und einer der großen Heroen der Anti-Hitler-Koalition. Als der Krieg zu Ende war, konnte er sich innerhalb der Alliierten angesichts der Verständigung zwischen Stalin und Roosevelt gleichwohl nur in wenigen Punkten durchsetzen und trat nach der Wahlniederlage der Konservativen in England noch während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 zurück. Seit 1946 gab er dank seines internationalen Ansehens wichtige Impulse zur Schaffung des Nordatlantik-Paktes und zur wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas. Doch Haffner porträtiert nicht nur den Staatsmann Churchill, sondern auch den Krieger, Poeten und Abenteurer. Wir sehen einen Menschen in all seinen Facetten und einen Politiker, der zu den prägenden Gestalten des zwanzigsten Jahrhunderts zählt. In dieser kurzen Biographie erfährt der Leser alles Wichtige über Leben und Werk des großen Staatsmanns. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

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Sebastian Haffner

Winston Churchill

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Über dieses Buch

Rowohlt E-Book Monographie

 

Sir Winston Churchill (1874–1965), Sohn einer alten englischen Adelsfamilie, britischer Premier und Nobelpreisträger für Literatur, hat schon viele Historiker beschäftigt. Und kein anderer war wohl so prädestiniert, sich mit Churchills Leben zu befassen, wie der deutsche Schriftsteller Sebastian Haffner, der von 1938 bis 1954 im politischen Exil in London lebte.

Churchill, der sich bereits in den dreißiger Jahren zur stärksten politischen Persönlichkeit Englands entwickelte, wurde im Zweiten Weltkrieg eine Art lebendiges Symbol des nationalen Widerstands und einer der großen Heroen der Anti-Hitler-Koalition. Als der Krieg zu Ende war, konnte er sich innerhalb der Alliierten angesichts der Verständigung zwischen Stalin und Roosevelt gleichwohl nur in wenigen Punkten durchsetzen und trat nach der Wahlniederlage der Konservativen in England noch während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 zurück.

Seit 1946 gab er dank seines internationalen Ansehens wichtige Impulse zur Schaffung des Nordatlantik-Paktes und zur wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas. Doch Haffner porträtiert nicht nur den Staatsmann Churchill, sondern auch den Krieger, Poeten und Abenteurer. Wir sehen einen Menschen in all seinen Facetten und einen Politiker, der zu den prägenden Gestalten des zwanzigsten Jahrhunderts zählt.

In dieser kurzen Biographie erfährt der Leser alles Wichtige über Leben und Werk des großen Staatsmanns.

 

Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Über Sebastian Haffner

Sebastian Haffner, geboren 1907 in Berlin, war promovierter Jurist. Er emigrierte 1938 nach England und arbeitete als freier Journalist für den «Observer». 1954 kehrte er nach Deutschland zurück, schrieb zunächst für die «Welt», später für den «Stern». Sebastian Haffner starb 1999.

Vater und Sohn

Church ist Kirche, und Hill ist Hügel. Der Name Churchill klingt im Englischen etwa so, wie im Deutschen der Name Kirchberg klingt: nach Landadel. Und Landadel, aus dem englischen Südwesten, waren die Churchills, bis zur Wende des 17. zum 18. Jahrhundert, als die Familie, oder doch ein Zweig von ihr, in den Hochadel aufstieg. Dies geschah durch einen außerordentlichen Spross des Geschlechts, der 1650 als John Churchill geboren wurde und 1722 als Herzog von Marlborough, erster seines Namens, starb: ein Charakter wie aus einem Shakespeare’schen Königsdrama, Höfling und Genie, Diplomat und Hochverräter, Feldherr und Staatsmann.

Marlborough war auf dem Höhepunkt seines Lebens Herz und Seele des gewaltigen europäischen Koalitionskrieges, der die Vorherrschaft Ludwigs XIV. brach und den die Geschichtsbücher, trocken und ein wenig abwertend, als Spanischen Erbfolgekrieg bezeichnen. Dieser Krieg war fast eine Churchill’sche Familienaffäre zu nennen. John Churchill, der Herzog von Marlborough, schmiedete die Koalition und hielt sie zusammen, er führte den Krieg politisch und – an der Seite des Prinzen Eugen – militärisch; sein Bruder George Churchill kommandierte die englische Flotte, sein Bruder Charles Churchill war sein bester militärischer Unterführer; und der glänzendste General auf der andern Seite, James Fitzjames, Herzog von Berwick und Marschall von Frankreich, war ebenfalls ein Churchill: der natürliche Sohn Arabella Churchills, der Schwester des großen Marlborough, und des letzten Stuartkönigs, Jakobs II.

Aber mit dieser Explosion militärischen Talents schien die Lebenskraft des Geschlechts für lange Zeit erschöpft. Die Churchills waren nun Hochadel, eine der paar hundert Familien, die England besaßen und regierten. Aber die englische Geschichte der nächsten anderthalb Jahrhunderte erwähnt keinen von ihnen. Erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts brach ein Churchill wieder in diese Geschichte ein, und zwar, wie seine Zeitgenossen nicht müde wurden zu bemerken, «wie ein Meteor». Das war Lord Randolph Churchill, dritter Sohn des Siebenten Herzogs von Marlborough und Vater Winston Churchills.

Um Verwirrung zu vermeiden: Die englische Adelsverfassung ist anders als die kontinentaleuropäische. Nur der älteste Sohn eines Herzogs (oder Fürsten oder Grafen) erbt den «Titel». Die jüngeren Söhne sind noch Titularlords, aber führen bereits wieder den Familiennamen und sitzen im Unterhaus, nicht im Oberhaus, gelten also rechtlich bereits als bürgerlich, wenn sie auch gesellschaftlich, für die Eingeweihten, durchaus zum Hochadel zählen – ebenso wie ihre Söhne, die überhaupt keinen Titel mehr haben. So erklärt es sich, dass ein Sohn des Herzogs von Marlborough Lord Randolph Churchill hieß, und dessen Sohn einfach Mr. Winston Churchill – bis er im hohen Alter mit dem Hosenbandorden wieder den persönlichen Adel erwarb und «Sir Winston Churchill» genannt wurde.

Zurück zu Lord Randolph. Seine kurze, glänzende und grotesk-tragische Geschichte überschattet das Leben seines Sohnes in mehr als einem Sinn, und mit ihr muss jede Biographie Winston Churchills beginnen.

Lord Randolph hatte mit seinem großen Vorfahren Marlborough einen Zug gemein: jäh zupackende, geniale Intuition. Als erster Churchill seit dem großen John hatte er wieder Genie – aber freilich die Art von Genie, die in vielen überzüchteten Familien erst wieder zugleich mit Dekadenz auftaucht. Marlborough war, bei tiefer, verdeckter Leidenschaftlichkeit, ein äußerst selbstbeherrschter Mann gewesen, bestrickend höflich, von kühlem Charme, geduldig, berechnend und fast übermenschlich ausdauernd. Sein Nachfahr war von dem allen das Gegenteil: maßlos, hochfahrend und wegwerfend, verletzend bis zur Grobheit, dabei selbst höchst verletzlich, warmherzig, ritterlich bis zur Don Quichotterie, tollkühn, ja toll – ein «toller Kerl», wie man wohl bewundernd sagt; aber viele sprachen auch von seiner «Tollheit» in einem wörtlicheren, Ernst absprechenden Sinn: Die alte Königin Victoria zum Beispiel nannte ihn auf dem Höhepunkt seines kurzen Ruhms ganz ernsthaft und böse einen «Geisteskranken». Tatsächlich starb er schließlich in geistiger Umnachtung. Er wurde nur 45 Jahre alt.

Ein «toller Kerl». Mit 24 Jahren trieb er sich, nach einem glänzend bestandenen Oxford-Examen, in Frankreich herum, nichtstuend und auf die Auflösung des Unterhauses wartend, für das er kandidieren sollte. Dort begegnete er eines Tages einer der großen Schönheiten des Jahrhunderts, einer Amerikanerin französisch-schottischer Abstammung mit einem Schuss Indianerblut, Jennie Jerome. Binnen 48 Stunden war er mit ihr verlobt. Ihr Vater war ein scharfer New Yorker Geschäftsmann, Millionär, aber auch Parvenü und Exzentriker. Die Familie Churchill war entsetzt über die beabsichtigte Verbindung; daher war es dann auch der Vater Jerome («diese Amerikaner sind stolz wie der Satan»). Ein halbes Jahr später waren die beiden jungen Leute dann doch verheiratet – vor dem Standesamt der Britischen Botschaft in Paris. Weitere sieben Monate später kam ihr erster Sohn zur Welt, in der Damengarderobe von Schloss Blenheim, der mehr als königlichen Residenz, die sich der große Marlborough einst als Monument errichtet hatte: Jennie hatte trotz ihrer vorgerückten Schwangerschaft darauf bestanden, dort zum Ball eingeladen zu werden. Beim Tanz überkamen sie die Wehen. Sie strebte, «durch den längsten Korridor Europas», aus dem Ballsaal zu ihrem Schlafzimmer, kam aber nur noch bis zur Damengarderobe. Dort, zwischen Samtmuffs, Pelzmänteln und Federhüten, hatte sie eine Sturzgeburt. Es war der 30. November 1874, und der Sohn, dem sie so das Leben gab, war Winston Churchill.

Anderthalb Jahre später spielte sich in der Londoner großen Welt eine schlimme Affäre ab, in deren Mittelpunkt Lord Randolph stand. Es handelte sich um eine verheiratete hochadlige Dame, die eine Geliebte erst des Prinzen von Wales (des späteren Eduard VII.), dann aber des älteren Bruders Lord Randolphs geworden war. Der tiefgekränkte Prinz machte sich jetzt zum Vorkämpfer von Zucht und Sitte, er bestand auf einer Doppelscheidung und Heirat des künftigen Herzogs mit der Dame. Lord Randolph, erbittert für seinen Bruder in die Schranken springend, erklärte in Gesellschaft, ein Scheidungsprozess würde unfehlbar gewisse Briefe ans Licht bringen, «die der Feder und dem Gedächtnis Seiner Königlichen Hoheit entglitten waren».

Darauf forderte ihn der Prinz von Wales zum Duell. Lord Randolph: Er werde sich mit jedem Stellvertreter schlagen, den der Prinz zu benennen beliebe; gegen seinen künftigen Souverän könne er die Waffe nicht erheben. Der Prinz: Er werde kein Haus mehr betreten, das die Churchills empfange. Nun legte sich der Premierminister, der weise alte Disraeli, ins Mittel. Er überredete den alten Herzog von Marlborough, als Vizekönig nach Irland zu gehen und seinen wilden Sohn als Privatsekretär mitzunehmen, bis Gras über die Geschichte gewachsen sei. Der Herzog hatte ein früheres Angebot dieser Ehrenstellung abgelehnt, der ungeheuerlichen Kosten wegen, die mit dem vizeköniglichen Aufwand verbunden waren. Jetzt nahm er seufzend an. Die Churchills gingen in ihr glanzvolles Exil, und so kam es, dass die frühesten Erinnerungen des kleinen Winston Churchill irische Erinnerungen wurden – Erinnerungen an die schrecklichen Sinnfeiner, an Paraden und Attentate, an ein Theater, das plötzlich abgebrannt war, gerade als er sich auf die Kindervorstellung freute …

Lord Randolph aber wurde in Irland zum Politiker. Vorher war er eher das gewesen, was man heute einen «Playboy» nennt; Irland weckte seinen politischen Sinn. Als der Dreißigjährige 1879 nach London zurückkehrte und seinen Sitz im Unterhaus wieder einnahm, brachte er etwas mit, das damals kein anderer englischer Politiker hatte: eine Konzeption, von der bis zum heutigen Tage alle konservativen Parteien Europas ihr Leben fristen: «Tory Democracy».

Die heraufkommende Demokratie schien den meisten damals den natürlichen Tod jeder konservativen Adels- und Traditionspartei zu bedeuten, und 1880 herrschte unter den englischen Konservativen tiefer Pessimismus. Der alte Zauberer Disraeli war abgetreten, der große Liberale Gladstone war wieder Premierminister, und mit seinem Rezept, das Wahlrecht ständig zu erweitern – jetzt durften schon Bergarbeiter und Tagelöhner wählen, unerhört! –, schien er in der Lage, den Konservativen, also der Partei der Reichen, Vornehmen und Privilegierten, immer mehr das Wasser abzugraben und die Liberalen, die Partei des Bürgertums, des Fortschritts, der Reform, zur ewigen Regierungspartei zu machen. Warum sollten Bergarbeiter und Tagelöhner, und eines Tages wohl gar Fabrikarbeiter, je konservativ wählen? Der Einzige, der das für möglich hielt, war der tolle Lord Randolph Churchill.

Er war aber in diesem Fall gar nicht toll, er war vielmehr weitblickend. Er sah, was heute jeder sieht – und damals noch keiner sonst sah –, dass der Liberalismus im Grunde eine Mittelstandsbewegung war und dass die proletarischen, ungeschulten, ausgelieferten Massen, denen er das Wahlrecht gab, in Wahrheit leicht zum Wählerreservoir einer selbstbewussten Herrenpartei zu machen waren, die ihnen zu imponieren verstand und nicht zu stolz war, sie mit Demagogie – und auch mit echtem Verständnis für ihre Nöte – zu umwerben und zu bestechen. In seiner politischen Konzeption verbanden sich bonapartistische Nach- und faschistische Vorklänge mit echtem Noblesse oblige – noch heute ist es schwer, die echten und die falschen Töne in seinen Reden auseinanderzuhalten. Er war ein Demagoge von hohen Graden. Das Erstaunliche ist, dass er zugleich ein wirklicher, tiefblickender Staatsmann war – tiefer blickend sogar als Bismarck, der sich damals mit demselben Problem herumschlug, ohne es je so recht zu lösen. Freilich, England hatte keine Sozialdemokratische Partei.

Um es kurz zu machen, in nur sechs Jahren, zwischen 1880 und 1886, seinem eigenen dreißigsten und sechsunddreißigsten Lebensjahr, machte Lord Randolph Churchill die Konservativen wieder zur Regierungspartei (und zwar, wie sich herausstellen sollte, auf zwanzig Jahre) und sich selbst zum berühmtesten, populärsten, meistkarikierten und bestgehassten Politiker Englands.

Auch zum bestgehassten – und das nicht nur bei den Liberalen, die er mit einer für England unerhörten Schärfe, Grobheit und wilden Witzigkeit angriff und verfolgte, sondern auch bei den Führern seiner eigenen Partei, altväterlich-vornehmen, gediegen-hochmütigen Männern, die den tollen Churchill mit leichtem Dégoût und kopfschüttelndem Unbehagen für ihre Sache wüten sahen und denen er mit unverhüllter Verachtung heimzahlte.

Als er erst unentbehrlich geworden war, gewöhnte er sich an, alles, was er wollte, mit herrischen Rücktrittsdrohungen durchzusetzen. Zwischen zwei der mächtigsten Konservativen, Lord Salisbury und seinem Neffen Arthur Balfour – beide künftige Premierminister –, fand Anfang 1884 folgender schriftlicher Gedankenaustausch über ihn statt:

«Ich neige zu der Auffassung, wir sollten allen Streit mit Randolph vermeiden, bis er sich durch irgendeinen illoyalen Akt gegen die Partei flagrant ins Unrecht setzt.» (Balfour)

«Randolph und der Mahdi beschäftigen mich zu ungefähr gleichen Teilen. Der Mahdi spielt verrückt, aber ist in Wirklichkeit ganz klar im Kopf. Mit Randolph steht es genau umgekehrt.» (Lord Salisbury)

Trotzdem machte Lord Salisbury, als er 1886 seine lange Premierministerschaft antrat, diesen Verrückten, dem er sie verdankte, zu seinem zweiten Mann, Schatzkanzler und Minister für das Unterhaus – im Effekt Vizepremier. Das war im August 1886. Im Dezember desselben Jahres trat Lord Randolph von allen seinen Ämtern zurück, und fortan war er politisch ein toter Mann. Es war der plötzlichste, gründlichste und grundloseste politische Selbstmord, den die englische politische Geschichte kennt, und englische Politiker haben bis heute nicht aufgehört, die Schauermär davon kopfschüttelnd weiterzuerzählen.

Der Grund für Lord Randolphs Rücktritt war trivial: Ein Streit mit dem Kriegsminister um das Armeebudget, wie er zwischen Finanzminister und Kriegsminister alle Tage vorkommt. Lord Randolph hatte sich allerdings hochfahrenderweise angewöhnt, solche Konflikte nicht geduldig auszutragen, sondern sie mit der Rücktrittsdrohung des Unentbehrlichen kurzerhand für sich zu entscheiden. Vielleicht wollte er das auch diesmal tun und war überrascht, als seine Rücktrittserklärung auf einmal angenommen wurde.

Die Umstände seines Rücktritts hatten etwas Hochexzentrisches: Er schrieb sein Rücktrittsgesuch im Königlichen Schloss Windsor, nach einer Audienz mit der Königin und auf ihrem eigenen königlichen Briefpapier (was sie ihm nie verzieh), und er nahm sich die Mühe, selbst damit zur «Times»-Redaktion zu fahren und dafür zu sorgen, dass die Nachricht am nächsten Morgen brühwarm in der Zeitung stand. Nicht einmal seiner Frau hatte er etwas gesagt. Er hielt ihr beim Frühstück das Zeitungsblatt entgegen: «Eine Überraschung für dich.»

Vielleicht hatte die alte, weiblich-nüchterne Königin Victoria recht, die einfach sagte: «Der Mann ist geisteskrank.» Vielleicht handelte es sich wirklich um ein euphorisches Vorstadium des paralytischen Zusammenbruchs, der sich ein paar Jahre später offen ankündigte und der ihn schließlich mit kaum 45 Jahren auslöschte. Aber damit ist das Grotesk-Großartige seiner weltverachtenden, weltwegwerfenden Geste so wenig erklärt – oder gar entwürdigt – wie der ungefähr gleichzeitige «Zarathustra» seines Zeitgenossen Nietzsche mit dessen herannahender medizinischer Katastrophe. Vielleicht steigert die Krankheit Genie und Charakter ins Unheimliche, Nicht-mehr-Geheure, aber sie macht sie nicht. Es kommt darauf an, wer krank wird.

Wer die Welt wegwirft, hat sie verloren, mit der einen großen Geste ist alles vorbei, eine weitere Steigerung gibt es nun nicht mehr. Lord Randolph hatte sich überflüssig gemacht, es gab in England nichts Rechtes mehr für ihn zu tun. Er ging auf Weltreisen, die ihn langweilten, schrieb hochbezahlte, aber indifferente Zeitungsartikel, versuchte ein aussichtsloses politisches Comeback, das nur den beginnenden Verfall peinlich enthüllte. Vor die letzten, armen Jahre Lord Randolph Churchills zieht man am besten einen Vorhang.

In diesen Jahren stand ein Lebenstrost für ihn bereit, den er nicht sah. Inmitten der befriedigten Schadenfreude, die seinen Sturz begleitete, in den Jahren des Achselzuckens, der allgemeinen Abwendung, schließlich gar – letzte Demütigung – des aufkeimenden Mitleids, die ihm folgten, behielt der Gestürzte einen glühenden Bewunderer, Anhänger und Jünger: seinen jungen Sohn Winston. Er nahm keine Notiz davon, es tröstete ihn nicht, im Gegenteil, es trug zur Verbitterung seiner späten Jahre bei, dass dieser Sohn in seinen Augen ein Versager war, minderbegabt und hoffnungslos. Die Missachtung des bewunderten Vaters wiederum trug dazu bei, die Jugend des Sohnes zu vergiften: eine ohnehin dunkle Jugend.

Winston Churchill hat später über seine Knaben- und Jünglingsjahre – sein siebentes bis neunzehntes Lebensjahr – geschrieben: Im Rückblick sind diese Jahre nicht nur die unerfreulichste, sondern auch die ödeste und unfruchtbarste Zeit meines Lebens, Ich war ein glückliches Spielkind gewesen, und seit ich erwachsen bin, habe ich mich von Jahr zu Jahr glücklicher gefühlt. Aber die Schuljahre dazwischen bilden auf der Landkarte meines Lebens einen trüben grauen Fleck. Sie waren eine ununterbrochene Folge von leidvollen Erfahrungen, die damals alles andere als geringfügig schienen, und von freudlosen Mühen, bei denen nichts herauskam: Jahre der Unlust, des Zwanges, der Einförmigkeit, der Sinnlosigkeit.

Was er selber nicht sah, was der entfernte Beobachter aber deutlich erkennen kann, war, dass es auch Kampfjahre waren, und zwar die schwersten eines an Kämpfen nicht armen Lebens: Jahre eines völlig aussichtslosen, nie zu gewinnenden, aber auch nie aufgegebenen Kampfes. Der Knabe Churchill verweigerte ganz einfach einer übermächtigen, überwältigenden Erziehungsmaschine, der er unterworfen wurde, die Unterwerfung. Er trotzte ihr – und wurde infolgedessen aufs schrecklichste von ihr zugerichtet. Er profitierte nicht von seiner teuren und langen Erziehung – wenn man es nicht einen Profit nennen will, dass er früh, grausam früh, lernte, einen ungeheuren Druck widerstehend zu ertragen, ohne zu zerbrechen. «Die Engländer», verkündet eine auf der Insel geläufige Redensart, «säugen ihre Jungen nicht.» Wie vieles, das allgemein über «die Engländer» gesagt wird, trifft das nur auf die englische Oberklasse zu, auf diese aber bis zum heutigen Tag; und weit mehr noch als heute galt es in den Jahren, da diese Klasse in ihrer Sünden Maienblüte stand und der kleine Winston Churchill in sie hineingeboren wurde.

Für Familienleben hatte diese Klasse keine Zeit. Ein Kind lernte seine Eltern erst als Erwachsener kennen. Im Alter von einem Monat kam das Baby in die Hände einer Kinderfrau, die fortan die Mutter ersetzte. (Diese Kinderfrau, Mrs. Everest, liebte der kleine Winston Churchill innig. Als sie ihn später auf seiner Public School in ihrem Kapotthütchen besuchte, umarmte er sie vor der ganzen Klasse – ein Akt äußersten moralischen Muts. Als sie starb, war der zwanzigjährige Husarenleutnant bei ihr, und bei ihrem Begräbnis sah man ihn weinen. Ihr Bild hatte noch der Premierminister des Zweiten Weltkriegs an der Wand seines Arbeitszimmers.) Im vierten oder fünften Lebensjahr trat eine Gouvernante dazu, die Anfangsunterricht erteilte. Mit sieben Jahren ging es in das erste Internat, die Vorbereitungsschule, mit dreizehn ins zweite, die Public School. Beide Schulen waren Prügelhöllen und Kameradschaftsparadiese; beide waren ganz bewusst darauf angelegt, ihre Zöglinge zu zerbrechen und dann anders wieder zusammenzuleimen. Wenn die Absolventen dieser berühmten englischen Schulen mit achtzehn oder neunzehn Jahren nach Oxford oder Cambridge gingen, besaßen sie bereits alle eine genormte, nicht unattraktive, aber allerdings künstliche zweite Persönlichkeit, gestutzten Bäumen in französischen Barockgärten vergleichbar. Mit einundzwanzig oder zweiundzwanzig traten sie dann ins Leben, machten, wenn es gutging, die Bekanntschaft ihrer Eltern und waren fertig abgerichtet, der Welt zu imponieren, sie auf eine ganz bestimmte Art zu verachten und, bei entsprechender Begabung, sie zu beherrschen.

Dies Erziehungssystem ist alterprobt und versagt selten. Seine Zwänge sind mächtig und furchtbar, seine Suggestionskraft ist fast unwiderstehlich. Der eine oder andere zerbricht an ihm, die meisten überstehen seine Härten und werden mehr oder wenig willig, mehr oder weniger vollständig, von ihm geformt und geprägt. Später blicken sie auf ihre Schuljahre als die glücklichsten ihres Lebens zurück.

Warum widersetzte sich der junge Churchill, warum ließ er sich auf einen aussichtslosen Kampf gegen einen fast unwiderstehlichen Zwang ein? Man kann nur antworten: Eben weil es ein Zwang war. Meine Lehrer, schreibt er später, hatten Zwangsmittel in weitgehendem Maße zur Verfügung, aber alles prallte an mir ab. Wo mein Interesse, meine Vernunft oder meine Phantasie nicht aufgerufen waren, wollte ich oder konnte ich nicht lernen, in den ganzen zwölf Jahren meiner Schulzeit hat mir niemand je beizubringen vermocht, einen richtigen lateinischen Satz zu schreiben. Und an anderer Stelle: Gegen Latein hatte ich ein angeborenes Vorurteil, das mir anscheinend den Verstand verriegelte.

Warum gerade gegen Latein? Vieles in Churchills grimmiger Schulzeit lässt sich nur erraten, aber hier kennen wir einmal aus seiner eigenen Schilderung das traumatische Urerlebnis, das ihm gegen Latein für immer den Verstand verriegelte. Es war sein erstes Schulerlebnis überhaupt. Er war sieben Jahre alt, und seine Mutter hatte ihn in der vornehmen St. James-Schule in Ascot abgeliefert, wo er fortan leben sollte.

Als das leise Geräusch der Räder, die meine Mutter entführten, verklungen war, forderte mich der Direktor auf, ihm alles Geld, das ich besaß, auszuhändigen. Ich zog meine drei Silberstücke hervor. Der Betrag wurde ordnungsmäßig in ein Buch eingetragen … Dann verließen wir das Zimmer des Direktors und den behaglichen Privatflügel des Hauses und betraten die frostigen Schul- und Wohnräume der Zöglinge. Ich wurde in ein Klassenzimmer geführt und musste mich an ein Pult setzen. Die anderen Jungen waren alle draußen, und ich sah mich allein mit dem Klassenlehrer. Er zog ein dünnes Buch mit einem grünlich-braunen Umschlag hervor, angefüllt mit Worten in verschiedenen Drucktypen.

«Latein hast du bisher noch nicht gehabt, nicht wahr?», sagte er.

«Nein, Sir.»

«Dies ist eine lateinische Grammatik.» Er schlug eine stark abgegriffene Seite auf und wies auf zwei Reihen eingerahmter Wörter. «Das hast du jetzt zu lernen», sagte er. «In einer halben Stunde komme ich wieder und höre dich ab.»

So saß ich denn an einem trüben Nachmittag in einem trüben Schulraum, Weh im Herzen und die erste Deklination vor mir.

mensa

der Tisch

mensa

o Tisch

mensam

den Tisch

mensae

des Tisches

mensae

dem Tische

mensa

von oder mit dem Tisch

Was zum Henker sollte das bedeuten? Was hatte es für einen Sinn? Reines Kauderwelsch schien es mir. Nun, eins konnte ich wenigstens tun: auswendig lernen. Also nahm ich denn, soweit es mein innerer Kummer gestattete, die rätselhafte Aufgabe in Angriff.

Nach einiger Zeit kam der Lehrer zurück.

«Hast du’s gelernt?», fragte er.

«Ich glaube, ich kann es aufsagen», antwortete ich und schnurrte die Lektion herunter.

Er schien befriedigt, und das gab mir Mut zu einer Frage. «Was bedeutet denn das eigentlich, Sir?»

«Das, was da steht. Mensa, der Tisch. Mensa ist ein Hauptwort der ersten Deklination. Fünf Deklinationen gibt es. Du hast den Singular der ersten Deklination gelernt.»

«Aber», wiederholte ich, «was bedeutet es denn?»

«Mensa bedeutet der Tisch», war die Antwort.

«Warum bedeutet dann aber mensa auch: o Tisch», forschte ich weiter, «und was heißt das: o Tisch?»

«Mensa, o Tisch, ist der Vokativ.»

«Aber wieso: o Tisch?» Meine angeborene Neugierde ließ mir keine Ruhe.

«O Tisch – das wird gebraucht, wenn man sich an einen Tisch wendet oder ihn anruft.»

Und da er merkte, dass ich ihm nicht folgen konnte: «Du gebrauchst es eben, wenn du mit einem Tisch sprichst.»

«Aber das tu ich doch nie», fuhr es mir in ehrlichem Erstaunen heraus.

«Wenn du hier frech wirst, wirst du bestraft werden, und zwar ganz gehörig, das kann ich dir versichern», lautete seine endgültige Antwort.

Der Hinweis des Klassenlehrers auf Bestrafung, fährt Churchill in seinen Erinnerungen fort, sollte sich nur allzu gut bestätigen. Prügel mit der Birkenrute, à la Eton, waren großgeschrieben in der St. James-Schule. Aber ich bin überzeugt, kein Schüler von Eton und ganz bestimmt keiner von Harrow hat je so furchtbare Schläge bekommen, wie sie der Direktor den seiner Obhut und Gewalt anvertrauten kleinen Jungen verabreichen ließ. Die Härte der Behandlung übertraf alles, was in staatlichen Besserungsanstalten geduldet worden wäre. Die Lektüre späterer Jahre hat mir Aufschlüsse gegeben über die möglichen Hintergründe solcher Grausamkeit.

Der kleine Churchill war damals sieben Jahre alt. Zwei Jahre blieb er auf der St. James-Schule. Er lernte nicht, er wurde wieder und wieder grausam verprügelt, er lernte noch immer nicht, er zertrat eines Tages aus Protest den Strohhut des Direktors (man kann sich vorstellen, mit welchen Folgen), er lispelte, er begann zu stottern; seine Eltern merkten nichts, wenn er zu den Ferien nach Hause kam, sie schickten ihn immer wieder in seine Hölle zurück, zwei Jahre lang. Dann brach schließlich seine Gesundheit zusammen – er war noch nicht ganz neun Jahre alt –, und seine Eltern erschraken und schickten ihn auf eine andere Schule, nach Brighton an der See – der guten Seeluft wegen.

Die Schule in Brighton war ein bisschen weniger vornehm und ein bisschen milder, aber sie war vom selben Zuschnitt, und wie auch immer: Der Schaden war getan. Der junge Churchill lernte auch in Brighton nichts, und auch später in Harrow nicht, wo er eigentlich gar nicht hätte aufgenommen werden dürfen – er gab bei der Aufnahmeprüfung in Latein und Mathematik leere Blätter ab; aber der Direktor fand, man könne dem Sohn des berühmten Lord Randolph Churchill nicht gut die Aufnahme verweigern. Er war dann in Harrow ein ewiger Sitzenbleiber. Nur in Englisch exzellierte er, gegen alles andere war sein Verstand verriegelt. Er war auch im Schulsport ein trotziger Versager, er hasste Kricket und Fußball ebenso wie Latein und Mathematik, er schloss auch keine Schulfreundschaften. Es war klar, er hatte gegen die Schule, den Schulzwang, den Schulstil sein Herz verhärtet, er war in einen inneren Streik getreten, und er hielt ihn dumpf-entschlossen durch – alles in allem zwölf Jahre lang. Die teure Schule war an ihn verschwendet. Er verließ sie ungezähmt und ungeprägt, auch unerzogen und ungebildet. Unter den Engländern seiner Klasse, ja unter den Engländern überhaupt, machte es ihn später sein Leben lang ein wenig zum Fremdling, dass er trotz seiner Jahre in Harrow eben kein wirkliches Produkt der englischen Public-School-Erziehung geworden war – kein Mann des Understatement und der arroganten Bescheidenheit, kein Kricketspieler, kein glattgeschliffener «Gentleman», sondern eher ein Charakter aus Shakespeares England, das noch keine Public Schools kannte. Und auch eine solide konventionelle Bildung hat ihm, trotz späteren eifrigen Selbststudiums und trotz gewaltiger eigener Leistungen auf literarischem und kriegsgeschichtlichem Gebiet, immer gefehlt.

Dass er seinen Vater nie wirklich kennenlernen durfte, war das zweite große Trauma seiner Jugend. Er hatte seinen Aufstieg und Sturz mit glühender Parteinahme verfolgt; die Reden des berühmten Mannes, dessen Sohn er war, verschlang er Tag für Tag in der «Times», die vielen Karikaturen von ihm im «Punch» studierte er in seinem Schulzimmer so eifrig wie kein Schulbuch. Es schien mir wirklich, schrieb er später, dass mein Vater den Schlüssel zu allem oder doch fast allem besaß, was das Leben lebenswert macht. Sobald ich aber den leisesten Versuch wagte, mich ihm kameradschaftlich zu nähern, zeigte er sich sofort verletzt, und als ich einmal vorschlug, seinem Privatsekretär bei seiner Korrespondenz zu helfen, machte er mich zu Eis erstarren.

Ein einziges herzliches Gespräch mit seinem Vater bewahrte der Sohn lange wie eine Kostbarkeit. Und selbst das hatte damit angefangen, dass der Vater ihn hart angefahren hatte, und zwar weil er ihn erschreckt hatte – mit einem Flintenschuss auf ein Kaninchen im Garten. Winston war damals schon achtzehnjährig und Kadett in Sandhurst, Lord Randolph schon nur noch ein Schatten seiner selbst. Nachdem er seinen Sohn ausgescholten hatte und sah, wie bedrückt er darüber war, tat es ihm leid, und er entschuldigte sich. Er sprach davon, dass ältere Leute nicht immer genügend Verständnis für junge hätten, dass sie mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt seien und daher bei einer unerwarteten Störung leicht einmal aufbrausen. Er erkundigte sich freundlich und wie von fern nach des Sohnes Bewandtnissen, fragte ihn nach seinem bevorstehenden Eintritt in die Armee, stellte ihm ein kleines Rebhuhnschießen in Aussicht … Zum Schluss sagte er: «Denke immer daran, dass mir so manches im Leben schiefgegangen ist. Jede meiner Handlungen wird missdeutet, jedes meiner Worte wird mir im Munde umgedreht … Also hab ein bisschen Nachsicht mit mir.» Das war alles. Für den Sohn und Verehrer war es ein so ungewohntes Glück, dass er die Worte noch ein Menschenalter später auswendig wusste.

Eine andere missverstandene Beglückung – mit weiterreichenden Folgen – hatte es schon drei Jahre früher gegeben. Der Vater war an einem Ferientag in das Knabenzimmer des Fünfzehnjährigen gekommen und hatte eine Weile zugesehen, wie dieser mit seinem jüngeren Bruder eine gewaltige Zinnsoldatenschlacht aufbaute (er besaß eine ganze Division von Zinnsoldaten, und er spielte immer noch hingegeben und sachgerecht damit). Schließlich hatte Lord Randolph seinen Sohn gefragt, ob er wohl Soldat werden wolle. Der Sohn war begeistert von so viel Teilnahme und Verständnis; seine Antwort war ein eifriges «Ja». Sie entschied über Winston Churchills nächste Lebensperiode. Lord Randolph hatte sich zu der resignierenden Überzeugung durchgerungen, sein Sohn sei für alles andere zu unbegabt; das Militär war das Einzige, was für ihn übrig blieb.

Auch damit gab es dann noch trüben Ärger. Winston fiel zweimal bei der Aufnahmeprüfung für das Kadettenkorps durch, und das dritte Mal bestand er mit einer so schlechten Note, dass es nur für die Kavallerie reichte. (Kavalleristen durften dümmer sein als Infanteristen, weil sie reicher sein mussten; Pferde waren teuer.) Lord Randolph hatte schon an den Chef eines berühmten Infanterieregiments geschrieben, um seinen Sohn dort zu placieren. Nun musste er einen beschämten Verzichtbrief hinterherschicken. Auch waren Pferde eben teuer, und die Churchills waren nicht reich – das heißt, sie waren schon, was man reich nennt, aber unter Reichen arm, ohne eigenes Vermögen, und hochverschuldet. Lord Randolph schrieb seinem Sohn einen strengen Vaterbrief: Wenn er so weitermache, werde er als Niete enden.

Er versuchte sogar später noch, irgendwie den Sohn doch zur Infanterie versetzen zu lassen, aber verlor dann das Interesse. Es war seine letzte Lebenszeit, sein Gesicht war eingefallen unter einem verfremdenden Bart, sein Geist unstet geworden. Als er seinen Sohn zum letzten Mal sprach, musste Lady Churchill ihm schon alles erklären; er nickte dazu, schien mit allem zufrieden und fragte den Sohn mit ferner Leutseligkeit: «Hast du denn nun deine Pferde?» Auf die bejahende Antwort tätschelte er ihm mit abgemagerter Hand das Knie. Auch diese letzte ferne Freundschaftsgeste bewahrte der Sohn lebenslang auf wie einen Schatz.