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Der Autor vermittelt nicht nur einen tiefen Einblick in den Bereich des Wohnungseigentums, mit allen seinen teils negativen Facetten, sondern auch in unser Rechtssystem, mit seinen Stärken und Schwächen. Besonders das Verhältnis der Wohnungseigentümer zur jeweiligen Verwaltung wird umfassend beschrieben. Was in diesem Verhältnis aber "aus dem Ruder laufen" kann, wird eindrucksvoll, anhand der authentischen Geschichte nacherzählt. Weiterhin erhält der Leser*in interessante Einblicke in die Verfahrensabläufe vor Gericht, und lernt dadurch deren Besonderheiten und Fallstricke kennen und kann sich darauf einstellen. Besonders tiefgreifend analysiert und kritisiert der Autor die "Ermittlungsarbeit" einiger "Ermittler*innen" der Staatsanwaltschaften, halten sich diese wohl nicht immer an die Vorgaben und verhindern möglicherweise dadurch die Aburteilung potentieller Täter. Hier hinterfragt der Autor auch, welchen Einfluss Medien ggfs. auf die Ermittlungsarbeit von Staatsanwalt-schaften haben. Lebhaft erzählt der Autor dann noch über zwischenmenschliche Probleme, die Eigentümer untereinander ausfechten. Der Autor verfolgt mit der Veröffentlichung seines Buches, welches eine Mischung aus Sachbuch und Tatsachenroman ist, das Ziel, Wohnungseigentümer*innen wachzurütteln und ihnen aufzuzeigen, welches Minenfeld sie betreten bzw. auf welchem sie sich bereits befinden. Aber auch die Politik soll auf das Problem der nicht optimalen (Selbst-)Kontrolle der Staatsanwaltschaften hingewiesen werden. Hier besteht aus Sicht des Autors dringender Handlungsbedarf, kann der Autor ja leider nicht darüber berichten, dass z.B. das NRW Landesjustizministerium seine Dienstaufsicht nachvollziehbar ausgeübt hat. Der Autor sieht die Gefahr, dass der Glaube an unseren Rechtsstaat weiter beschädigt wird, wenn Entscheidungen staatlicher Organe mit dem Rechtsempfinden normaler Bürger*innen kollidieren! Die Gefahr für Wohnungseigentümer "zum Freiwild" zu werden, ist daher latent!
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Seitenzahl: 314
Veröffentlichungsjahr: 2021
Vorbemerkungen
Aus Rücksichtnahme auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wurden die meisten Namen in diesem Buch geändert bzw. Nachnamen auf die Anfangsbuchstaben verkürzt. Auch die Objektbezeichnungen „An den Barmer Anlagen“ und „Barmen Mitte“ sowie der Name „A-Bank“ sind frei erfunden.
Grundsätzlich wird gendergerechte Sprache verwendet. Wo die weibliche Form vergessen worden ist, möge diese der/die Leser*in stillschweigend selbst ergänzen.
Wohnungseigentümer – Freiwild für Verwalter?
Die authentische Geschichte über eine verhinderte Ausplünderung, indisponierte Ermittlungsbehörden sowie übergriffige Mitbewohner
von
Norbert Müller
Impressum
© 2021 Autor und Rechteinhaber:
Norbert Müller
Herausgeber:
Norbert Müller c/o Codeks Coworking, Moritzstr.14, 42117 Wuppertal Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung:
Norbert Müller
Titelbild:
iStock-2073611623
Lektorat, Korrektorat & Satz:
Redaktionsbüro Klaus Stübler Priestershof 50, 46047 Oberhausen
Verlag & Druck:
tredition GmbH Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-38028-8 (Paperback), 978-3-347-38029-5 (Hardcover), 978-3-347-38030-1 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Inhalt
Einleitung
Kapitel 1
Der Anruf
Eigentlich hatte ich schon eine Baustelle
Das Treffen bei Peter Bäumer
An den Barmer Anlagen rastet „Hauswart“ aus
Die außerordentliche Eigentümerversammlung der WEG Barmen Mitte
Unsere Rechnungsprüfung
Wir organisieren die Eigentümerversammlung selbst
Peters alte Unterlagen sind eine Fundgrube
Der Tag „unserer“ Eigentümerversammlung
Ein paar Bier lösen dem ehemaligen Beirat die Zunge
Der Beschluss zur Kündigung war gefasst
Der Anruf kurz vor der österreichischen Grenze
Die nächste außerordentliche Eigentümerversammlung
Auf der Suche nach dem Wasserschaden
Kapitel 2
Die alte Verwaltung klagt gegen ihre Abberufung
Die zweite Versammlung unter unserer Regie
Die Klageschrift liegt vor und wir trauen unseren Augen nicht!
Der neue Sachverständige war ohne unser Wissen vor Ort
Die „hilfreichen“ Gutachter wollte „24“ wohl finanziell nicht hängen lassen
Der Anwalt, den ich nicht wollte
Und wieder trudelt eine Klage ein…
Kapitel 3
Die Medien, die Staatsgewalt und weitere Opfer!?
Exkurs: Wie meine Schwester einmal die Staatsgewalt erlebte
Kann man auf eine Staatsanwaltschaft Einfluss nehmen?
Kapitel 4
Trotz dieser Erfahrungen entschloss ich mich, Strafantrag zu stellen
Eine weitere Versammlung am 20.8.
Der Tag unserer dritten Versammlung im Jahre 2017
Wir gewinnen Verbündete
Wenn man als Kläger selbst die Übersicht verliert
„Und ewig grüßt das Murmeltier“
Der Tag vor Gericht rückte näher – und das Interesse der Medien?
18.10.2017, der Termin der Gerichtsverhandlung
Unser Anwalt hatte eine gute Idee
Wie ich unseren neuen (späteren) Anwalt kennenlernte
Zeit, Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen
Ende März 2018, der Tag der „eigentlichen“ Verhandlung
25.4.2018: Das Urteil
Kapitel 5
An den Barmer Anlagen ändern unsere Miteigentümer ihre Meinung
Die alte Verwaltung macht es wirklich
Auch unsere „Schwester-WEG“ hat ihren Gerichtstermin
Steffen stößt auf weitere, sehr erstaunliche „Verbindungen“
Unsere neue Verwaltung schmeißt hin
Die WEG an den Barmer Anlagen zieht nun gegen uns vor Gericht
Kapitel 6
Zwei ungewöhnlichen Phänomenen im Objekt Barmen Mitte auf der Spur
Erneute Einsicht in die Ermittlungsakte
Die Verhandlung vor der Berufungskammer
Das Urteil der Berufungskammer
Kapitel 7
Die Eigentümerversammlung der WEG an den Barmer Anlagen
… und was macht die Staatsanwaltschaft?
Darüber sollte der Landesjustizminister informiert sein
Die Generalstaatsanwaltschaft hat über meine Beschwerde entschieden
Auch das sollte unser Landesjustizminister zumindest wissen
Kapitel 8
Corona. Stillstand, und dann plötzlich…
Sommer 2020. Das Leben kehrt eingeschränkt zurück
Wir sind an der Ostsee und unser Anwalt Bucher ist auf unserem Dach
Das Ermittlungsverfahren wegen „Stromdiebstahl“ wird auch eingestellt
Noch eine Verfahrenseinstellung durch Staatsanwältin T.
Und was macht unsere Schadenersatzklage?
Unser Kampfgefährte Peter ist verstorben
Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft muss niemand verstehen
Schlusswort
Danksagung
Einleitung
„Das Wesen einer Einleitung ist, dass sie am Anfang eines Buches steht“. So beginnt die bekannte Radio- und Fernsehjournalistin Christine Westermann ihr Buch, welches ich aus unserem Regal nahm, um selbst erst einmal zu lernen, wie man denn überhaupt eine Einleitung schreibt.
Der Unterschied zwischen Frau Westermann und mir ist unübersehbar: Ich bin weit davon entfernt über die Fähigkeiten einer gelernten Journalistin zu verfügen. Ich bin gelernter Kaufmann mit betriebswirtschaftlicher Zusatzausbildung, verstehe etwas von Bilanzen und Rechnungswesen. Im Laufe meiner beruflichen Tätigkeiten sind mir dann noch einige Kenntnisse und Erfahrungen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten „zugeflogen“.
Ein Buch zu schreiben kam mir erst in den Sinn, als mir viele, denen ich diese Geschichte erzählte, rieten, diese unbedingt aufzuschreiben; hätte die Geschichte doch etwas von einem Wirtschaftskrimi.
Die Motive überhaupt ein Buch zu schreiben sind ja sehr vielfältig. Bei mir allerdings ganz einfach: Ich wollte und will durch die Erzählung unserer Geschichte eine große Zahl von Mitbürger*innen davor bewahren, „ausgenommen“ zu werden und aufzeigen, wann, wo und wie man aufpassen muss.
Für die meisten Menschen in diesem Lande wird es im Laufe ihres Lebens nur einen einzigen, hohen Vermögenswert geben: eine Eigentumswohnung, in der sie wohnen oder die ihnen durch Vermietung ein zusätzliches Einkommen sichert!
Die authentische Geschichte, die ich hier niedergeschrieben habe zeigt, dass jeder Besitzer einer Eigentumswohnung, wenn er zu gutgläubig ist, sehr viel Geld verlieren kann. Für mich war und ist es immer noch erschreckend festzustellen, wie gleichgültig sich so manche Besitzer von Eigentumswohnungen nach dem Erwerb derselben verhalten. Eine offene Geldbörse ist dagegen fast ein sicheres Behältnis. Wie lang und schwer der Weg war unsere Eigentümergemeinschaft vor einem Schaden von fast 500.000 EUR zu bewahren, kann in diesem Buch nachgelesen werden.
Eine Erkenntnis habe ich in diesen vier Jahren unseres Kampfes gewonnen: Man braucht immer einen Menschen, der auf ein Problem aufmerksam macht, vorangeht und dadurch andere animiert, sich ihm anzuschließen.
Dieser Mensch war bei uns Steffen Kurz, dem ich auch (neben Peter Bäumer) dieses Buch widmen möchte. Weitere – inklusive meiner Person – kamen erst durch Steffen auf die Idee, sich zu wehren. Ein Glücksfall war es dann, dass sich unsere unterschiedlichen Talente derart ergänzten und wir die Mehrheit der insgesamt 55 Miteigentümer*innen mitreißen konnten, sich unserem Kampf anzuschließen. Nur so war es möglich unsere Eigentümergemeinschaft vor einem immensen Schaden zu bewahren.
Einen sehr großen Teil in diesem Buch nimmt meine Erzählung darüber ein, wie die zuständige Staatsanwaltschaft sich des Falles angenommen hat, und was daran nachvollziehbar war und was nicht. Allerdings haben wir auch erleben dürfen, dass wir der Gerichtsbarkeit in diesem Lande vertrauen konnten; auch wenn dies ein sehr langer und beschwerlicher Weg war.
Alle diese unsere Erfahrungen zeigen die Wichtigkeit, dass Wohnungseigentümer selbst der Verwaltung permanent auf die Finger sehen müssen. Und ein persönlicher Rat von mir ist, sich als Eigentümer einer Organisation anzuschließen, die im Ernstfall bereitsteht und unterstützt. Auf jeden Fall ist eine gute Rechtsschutzversicherung unverzichtbar!
Eine weitere Geschichte in diesem Buch handelt von einem parallelen Ereignis, welches meiner Frau und mir zeitgleich in dem Objekt passierte, in dem wir selbst in einer Eigentumswohnung wohnen. Auch durch diese Erzählung soll deutlich werden, dass das, was einem als Besitzer einer Eigentumswohnung passiert, vielschichtig daherkommen kann.
Der Lebenstraum „Eigentumswohnung“ kann schnell zum Albtraum werden, wenn man zu naiv an dieses Abenteuer herangeht oder zu gutgläubig ist. Dieses Buch vermittelt daher nicht nur eine fast unglaubliche Geschichte, die viele Elemente eines Wirtschaftskrimis hat, sondern ist auch ein Leitfaden für aktuelle und zukünftige Wohnungseigentümer, um sich und ihr Eigentum besser schützen zu können.
Aber auch für alle anderen Leser offenbaren sich tiefe Einblicke in unser Gerichtswesen. Weiterhin wird die unterschiedliche Auffassung der jeweils zuständigen Staatsanwält*innen darüber, wie was zu ermitteln ist oder auch nicht, offengelegt.
Kapitel 1
Der Anruf
Es muss so Mitte Februar 2017 gewesen sein, als mein Stiefsohn Timur mir ausrichtete, ihn hätte ein Herr Kurz angesprochen und um meine Telefonnummer gebeten. Herr Kurz habe wohl seit Wochen versucht mich zu kontaktieren, bis er gemerkt habe, dass die versuchte Nummer nicht mehr existent war. Timur wollte wissen, ob er ihm meine Telefonnummer geben könne. Mir war schnell klar, wer denn wohl dieser Herr Kurz sei, erinnerte ich mich doch an die letzte Eigentümerversammlung der Gemeinschaft Barmen Mitte in Wuppertal sehr gut.
Meine Frau und ich hatten ca. vier Jahre zuvor in dem Objekt eine kleine Wohnung von 50 qm für unseren Timur erworben. Das war eine recht pragmatische Entscheidung, da diese Wohnung unter 40.000 EUR zu erwerben war und selbst bei Vollfinanzierung die Belastung geringer ausfiel, als wenn Timur woanders hätte Miete zahlen müssen. So zahlte er an uns, wobei klar war, dass wir die Wohnung später auf ihn überschreiben würden. Seine Miete war somit für ihn eine Sparrate und für uns waren die Verluste aus Vermietung und Verpachtung steuermindernd. Sowas nennt man neudeutsch eine „Win-Win-Situation“.
Meine Frau und ich hatten uns allerdings in dieser Eigentümergemeinschaft, wie auch in der, in welcher wir 2014 eine Wohnung für uns erworben hatten, unbeliebt gemacht. In der, in welcher Timur nun wohnte, wurden die Heizkosten nicht – wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben – nach einer Verbrauchsmessung berechnet, sondern nach einem dubiosen Berechnungsschlüssel, dessen Logik und System keiner mehr kannte. Dazu muss man wissen: Das Haus, über welches ich hier spreche, ist ein älteres Hochhaus mit 68 Wohneinheiten und besonderer Eigentümer-Struktur.
Die erste Eigentümerversammlung dort war schon ein besonderes Erlebnis, bestand der Beirat doch aus drei Herren, von denen der jüngste wohl knapp über 80 Jahre alt war. Zusammen also kamen sie auf rund 250 Jahre. Der, der sich den Berechnungsschlüssel für das Heizungssystem ausgedacht hatte, war noch älter und konnte sich leider nicht mehr daran erinnern, wie und aufgrund welcher Kriterien er die Formel einmal entwickelt hatte.
Dass wir seinerzeit den Kauf nicht sofort in Angriff nahmen lag auch daran, dass die Nebenkosten exorbitant hoch waren, und zwar höher als die Tilgung mit Zinsen für die Finanzierung. Warum, das klärte sich dann erst im Laufe der nächsten zwei Jahre unserer „Ermittlungen“ und hatte teilweise – neben der fehlenden Verbrauchsmessung – schlichtweg auch nicht auszuschließende, kriminelle Ursachen. Gerade die Zahl an Eigentümern ist für jeden Besitzer einer solchen Wohnung gegebenenfalls ein Problem, gestalten sich solche Eigentümerversammlungen doch häufig, um es vorsichtig auszudrücken, recht unterhaltsam (selbst dann, wenn der Beirat kein Durchschnittsalter von jenseits der 80 hat). Beschlüsse sind teilweise kaum zu fassen, und Mehrheiten müssen möglichst vorher organisiert werden.
Allerdings haben meine Frau und ich, die wir gerade drei Jahre vor dem Anruf von Herrn Kurz in einem Objekt an den Barmer Anlagen eine Maisonette-Wohnung erworben hatten, feststellen müssen, dass eine kleine Anzahl an Eigentümern, dort 13, auf andere Art und Weise ein Problem darstellen kann. Besonders dann, wenn sich darunter einer zum Hauswart berufen fühlt.
Es gibt also nicht die optimale Anzahl an Eigentümern in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, wie die Geschichten, die ich hier zu erzählen habe, schnell offenbaren werden. Es geht einzig darum, Mehrheiten für oder gegen etwas vorher zu organisieren. Sowas ist dann gelebte Politik. Stehen die Mehrheiten, wie im Fall der Gemeinschaft an den Barmer Anlagen deshalb, weil darunter ein Eigentümer allein vier Wohnungen besitzt bzw. über seine Kinder kontrolliert und ein selbsternannter Hauswart mit diesem paktiert, wird es für alle anderen eng.
Ich erinnerte mich also an Herrn Kurz, und zwar an einen großen, durchaus attraktiven Mann mittleren Alters, der unwesentlich älter als mein Sohn zu sein schien. In der letzten Versammlung der WEG Barmen Mitte fiel mir Herr Kurz durch seine Detailverliebtheit auf. Was technische Fragen anging konnte er bis zur Ermüdung aller Anwesenden Nachfragen stellen, und ich erwischte mich häufiger bei dem Wunsch, ihm möge langsam der Sauerstoff knapp werden.
Als Kaufmann war mir eh alles fremd, was mit Technik einherging, da ich dies auch einfach nicht verstand und heute auch nicht verstehe. Damals konnte ich noch nicht ahnen, was genau diese Detailverliebtheit von Steffen Kurz in Kombination mit meiner Penetranz und langjährigen Erfahrung in betriebswirtschaftlichen Abläufen bringen würde: Sie rettete unserer Eigentümergemeinschaft fast 500.000 EUR und bewahrte diese so de facto vor dem Ruin. „Unserer“ Verwaltung brachte sie die fristlose Kündigung ihres Vertrages und deren Geschäftsführer ein Ermittlungsverfahren ein. Ferner wurde gegen zwei Miteigentümer Strafantrag wegen Verdacht der „Entziehung elektrischer Energie“, wie Stromdiebstahl im Juristendeutsch heißt, gestellt.
Dass unsere unterschiedlichen Fähigkeiten für die Eigentümergemeinschaft zu einer Traumkonstellation wurde, ist die eine Sache, die andere ist aber, dass daraus eine tiefe Freundschaft zwischen mir und Steffen, wie ich ihn fortan hier nur noch nennen werde, entstanden ist. Es ist eh Teil meiner Lebenserfahrung, dass mir in schwierigen Phasen meines Lebens immer die richtigen Menschen begegnet sind. Vermeintliche Freund*innen gingen leider auch verloren, als z.B. mein Nutzwert verzichtbar wurde, ich aber vorher deren Problem gelöst hatte. Die Freundschaft zu Steffen ging über das Zweckbündnis hinaus, da wir das gleiche Gefühl für Recht und Unrecht haben, uns also Wertvorstellungen verbinden. Nur so ist das Zustandekommen dieses Buches überhaupt zu erklären. Wenn Ihnen die Kugeln um die Ohren fliegen, brauchen Sie richtige Freund*innen – keine, die nur bei Schönwetter zur Verfügung stehen.
Wenige Tage später rief nun Steffen an und erklärte mir, dass er ein Treffen mehrerer Eigentümer organisieren wolle, wäre ihm doch aufgefallen, dass mit der Dacherneuerung, die uns die Verwaltung aufs Auge drücken wollte, etwas nicht stimmen könne. Er vermute da einen Betrugsversuch. Auf meine Frage, wieso er auf mich als Mitstreiter käme, hatte Steffen eine recht einfache Antwort: Ich wäre doch derjenige, der unmittelbar nachdem ich mit meiner Frau Eigentümer geworden war, sofort den Antrag gestellt hatte, in alle Wohnungen Wärmeverbrauchsmesser einbauen zu lassen.
Bei 68 Wohnungen kam da mal eben ein Betrag von knapp 30.000 EUR zusammen. Wie groß die „Begeisterung“ der Miteigentümer damals darüber war, wusste er noch. Auch, dass einige Alteigentümer, die wegen der für sie bislang sehr günstigen Art der Berechnung gerne „volle Pulle“ heizten, keinen Monteur zur Montage eines Verbrauchsmessers in ihre Wohnung lassen wollten.
Genau so jemanden, der, wenn er von etwas überzeugt sei, das auch gnadenlos durchziehe, suche er als Mitstreiter. Dass es nicht einfach sein würde, die Miteigentümer später davon zu überzeugen, dass jemand wie ich einmal der richtige Beiratsvorsitzende für das Objekt und den Kampf gegen die aktuelle Verwaltung sein sollte, war Steffen damals noch nicht so bewusst. Nun muss man wissen, dass Steffen selbst nicht in dem Hause wohnte, sondern als Investor dort fünf Wohnungen besaß, die er vermietete, sodass ihn meine Aktion auch einige Euros mehr kostete als die „normalen“ Eigentümer.
Obwohl ich Steffen nun einige Jahre kenne und wir Freunde geworden sind, weiß ich nur, dass er bereits als junger Mann angefangen hatte, Wohnungen zu kaufen und zu vermieten. Wie viele er tatsächlich besitzt, weiß ich bis heute nicht. Nur: Immer wenn wir Infos über andere Eigentümergemeinschaften brauchten, kam häufig sein Einwurf, dass er da und dort auch eine Wohnung habe oder hatte, und da gab es – wenn auch nur eine kleine – Gemeinsamkeit.
Steffen hatte also nicht nur in der WEG Barmen Mitte mehrere Eigentumswohnungen, sondern auch in anderen Objekten, und auch dort war die Verwaltung „24“ – wie ich sie hier im Buch nur noch nennen werde – tätig. Gleiches galt nun für die Wohnung Barmen Mitte und unsere Wohnung an den Barmer Anlagen, in der meine Frau und ich wohnen. Beide wurden/werden von „24“ verwaltet, was später noch zu gewissen Problemen führen wird (versuchte doch genau diese Verwaltung, Steffen, meine Frau und mich sowie weitere unserer Mitstreiter als „Investoren“ zu diffamieren).
Verwaltung „24“ versuchte uns gegen die Eigentümer, die im Hause selber wohnten, aufzuhetzen. Das war allerdings ein Spielchen, welches zumindest von der Mehrheit der Miteigentümer schnell durchschaut wurde. Wenigstens denen, die nicht zum Kreis des alten Beirates gehörten und dieser Verwaltung – aus welchen Gründen auch immer – bis zum Schluss treu ergeben waren.
Eigentlich hatte ich schon eine Baustelle
Ich war sicherlich durch das Interesse von Steffen an meiner Mitarbeit geschmeichelt, aber hier an den Barmer Anlagen tobte leider auch ein Kampf meiner Frau und mir gegen einen Miteigentümer, der sich als „Chef im Ring“ sah, auch so agierte und sich Dinge herausnahm, die ich bis dato nicht für möglich gehalten hatte.
Anfang 2015 haben meine Frau und ich an den Barmer Anlagen diese Eigentumswohnung bezogen. Dabei spielte der glückliche Umstand eine Rolle, dass wir diese Wohnung bereits durch Zufall im Jahr davor im Internet entdeckt hatten. Der Preis für die Wohnung – besonders in dieser Gegend – war uns damals zu hoch gewesen, jetzt aber mehr als günstig. Warum so günstig, sollte sich dann später herausstellen.
Eigentlich wollten meine Frau und ich kurz vor meinem Renteneintritt überhaupt nicht mehr umziehen, und so überraschte ich meine Frau nach ihrer Rückkehr aus Istanbul mit der am nächsten Tag stattfindenden Besichtigung.
Jeder, der eine Immobilie kauft, hört immer, dass die Gegend das wesentliche Kriterium für den Wert einer Immobilie ist. Diese Gegend an den Barmer Anlagen war und ist hervorragend. Eigentlich eine Villengegend mit wenigen Miet- oder Eigentumswohnungen. Als Besitzer einer Eigentumswohnung ist man dort eher ein „armer Verwandter“, was einige unserer späteren Miteigentümer bis heute nicht wahrhaben wollen. Diese sehen sich wohl eher dem „gehobenen Bürgertum“ sowie dessen immanentem Konservatismus verbunden. Da passen dann scheinbar Menschen, die in einem anderen Kulturkreis geboren wurden, nicht hinein, wie wir später erfahren sollten.
Bis heute müssen wir uns jedenfalls nicht vorwerfen, es zumindest versucht zu haben. Ab einem bestimmten Punkt muss man allerdings auch akzeptieren, dass Intoleranz gerade im sogenannten Bürgertum stärker verwurzelt ist als in anderen Gesellschaftsschichten. Insofern trauern wir noch der Multi-Kulti-Eigentümergemeinschaft am Hesselnberg nach. Das war fast eine Form von Großfamilie und gelebter Nachbarschaft. Leider war unsere Wohnung dort auf der vierten Etage, und meine Frau und ich hatten nicht bedacht, dass auch wir älter werden würden, es aber keinen Aufzug gab.
Nach der Besichtigung der Wohnung an den Barmer Anlagen war uns klar: Die wollten wir, auch wenn eine Totalsanierung unumgänglich war. Der Grund: Die Wohnung hatte was, weil die Voreigentümer beim Kauf wohl noch über sehr viel Geld verfügt und so fast an nichts gespart hatten – Marmor in Wohnzimmer, Diele und Gäste-WC, offener Kamin, auch in Marmor gefasst, und ein Whirlpool mit goldenen Wasserhähnen. Allerdings war das Badezimmer komplett mit dunklem Granit ausgekleidet – wohl, um die goldenen Wasserhähne mehr zur Geltung zu bringen. Die Wirkung auf uns war aber eher die eines Darkrooms, und somit war für uns das Schicksal dieses Raumes besiegelt.
Wenn man eine Immobilie kauft, in der man selber wohnen will, dann muss es im Bauch kribbeln wie bei der ersten oder weiteren Lieben. Außerdem hatten wir noch meinen „Bruder-Freund“ Bernd, mit dem ich aufgewachsen bin, als Fachmann befragt. Seine Aussage war kurz und eindeutig: „Wenn du die nicht kaufst, kauf ich die, das ist ein Notverkauf, sieht doch jeder!“
Da hatte Bernd wohl Recht; muss den Eigentümern doch einige Jahre nach Kauf das Geld ausgegangen sein. Die Wohnung war nun schlichtweg etwas heruntergekommen oder verwohnt. Das Vorbesitzerpaar hatte sich auch schon Jahre zuvor getrennt. Die jetzige Besitzerin teilte die 130 qm mit ihren Katzen, was man leider auch sehen und riechen konnte.
Für uns stand nun zum Jahreswechsel 2014/15 sehr viel Arbeit an. Wir wussten auch, dass es vier bis sechs Wochen im Haus laut werden würde, musste doch ein komplettes Bad völlig entkernt und neu aufgebaut werden. In mehreren Zimmern wurde darüber hinaus das Parkett entfernt, es wurden neue Schlitze für Kabel etc. geklopft – und last but not least wurde neu tapeziert, gestrichen und stellenweise auch geschreinert. Also, fast alle Gewerke waren am Start.
Gott sei Dank hatten wir Bernd, meinen Bruder-Freund, der als gelernter Maler und Anstreicher in Rente war und nun bei uns die Bauaufsicht übernahm. Ohne ihn hätten wir es nicht geschafft, und wir wären wahrscheinlich auch von so manchem Handwerker über den Tisch gezogen worden.
Da wir wussten, was wir unseren neuen Nachbarn zumuten würden, hatten wir im Hauseingang ein Schreiben mit unseren Fotos ausgehängt, in dem wir uns bereits für die Unannehmlichkeiten entschuldigten. Immer wenn uns ein neuer vermeintlicher Nachbar begegnete, stellten wir uns diesem höflich vor.
Jeder kennt es: Manchmal weiß man innerhalb weniger Sekunden, dass sich etwas anbahnt, ohne zu wissen warum. Bei uns war es der Moment, als wir am Hauseingang mit einigen uns schon bekannten Nachbarn sprachen, ein Herr die Treppe herunterkam und ich die Chance nutzte, um uns vorzustellen. Statt eines erwarteten „Schön, Sie kennenzulernen“ oder „Herzlich willkommen“ oder „Auf gute Nachbarschaft“ kam, ohne dass er seinen Namen nannte: „Dann sorgen Sie mal für den Einbau einer vernünftigen Trittschalldämmung.“
Ich muss eingestehen, mit einer solchen Reaktion hatte ich nicht gerechnet und konnte fast nur noch stammeln, dass dies bei einem Marmorboden nachträglich nicht möglich sei und wir nicht beabsichtigen würden, diesen zu entfernen. Da war dieser Herr aber schon weg!
Es war der Nachbar Professor B., der unser Entsetzen sofort mit seinen Worten auf den Punkt brachte: „Ja, das war er, unser lieber Herr ‚Hauswart‘ – so wie wir ihn kennen.“ Der Auftritt jenes Herrn assoziierte in mir das Bild eines Rüden, der aufzeigen wollte, dass sein Revier bereits markiert ist. Auf jeden Fall wussten wir nun, wer unter uns wohnte und was uns wohl in Zukunft bevorstehen würde.
Die Zukunft war leider der Gegenwart viel näher, als uns lieb war. Davon berichtete Bernd wenige Tage später, als er von unserer Baustelle kam. Da er für die Zeit der Sanierung mit uns in der alten Wohnung wohnte, war unser gemeinsames Abendessen immer mit einem umfassenden Baustellenbericht verbunden. So erfuhren wir, dass unser Unter-Nachbar es sich nicht nehmen ließ, ungefragt, nach seinem Belieben und ohne vorher zu klingeln unsere Wohnung, auch wenn diese teilweise eine Baustelle war, zu betreten, um dann den im Bad von uns bezahlten Handwerkern ihr Handwerk zu erklären. Dafür musste er erst einmal unser Schlafzimmer durchqueren, was den Professor, dem ich davon erzählte, zu der trockenen Beschreibung veranlasste: „Ja, Herr Müller, gut, dass Sie im Schlafzimmer noch keine Spiegel und Ketten angebracht hatten, sonst wüsste Herr ‚Hauswart‘ alles über Ihre Vorlieben und hätte Sie in der Hand“.
Diese Art von trockenem Humor war es, die den Professor so nahbar und sympathisch machte. Der Professor und ich überlegten dann noch kurz, ob es irgendwann auch einen Besichtigungstermin bei diesem lieben Nachbarn in seinem Schlafzimmer geben könne, um zu sehen, ob und was sich da gegebenenfalls noch abspielt. Schade, die Gelegenheit hat sich nie ergeben!
Der Hinweis von Bernd veranlasste mich aber, bei Herrn „Hauswart“ anzurufen. Bernd hatte uns ja nicht nur geschildert, dass dieser Nachbar wie selbstverständlich und ungebeten unsere Wohnung betreten hatte, sondern er war auch regelrecht davon geschockt gewesen, wie sich dieser aufgeführt hatte. Bernd meinte, man hätte glauben müssen, dieser Herr wäre der Bauherr. Insofern war meine Metapher mit dem Rüden und den Bäumen nicht so abwegig.
Mein „Bruder-Freund“ kann Situationen so plastisch schildern, dass man sich wie in einem Film fühlt, und eigentlich müsste er über seine Erfahrungen mit seinen unzähligen Kunden auch ein Buch schreiben. Wer 50 Jahre in einem Handwerksberuf arbeitet – und dies dann über Tage oder sogar Wochen fast mit „Familienanschluss“ –, der wird zwangsläufig nebenbei zum Soziologen und Psychologen. Allein die Charakterisierungen, die Bernd für einzelne Berufsgruppen auf Lager hat, sind beste Comedy: Er könnte damit auftreten. Gerne gebe ich seine Adresse an interessierte Comedians weiter.
Die Wahrnehmung, die Bernd von unserem Nachbarn zum Besten gab, war deckungsgleich mit unserer Erfahrung beim Erstkontakt. Wir hatten daher nie Zweifel, Bernd könnte hier etwas dick aufgetragen haben. Monate später wussten wir dann, dass dieser Herr zu jenem Zeitpunkt sein Potenzial nicht ansatzweise ausgeschöpft hatte.
Leider war unser Herr „Hauswart“, als ich versuchte ihn telefonisch zu erreichen, nicht da. Ich war aber ob seines dreisten und respektlosen Verhaltens so geladen und konnte und wollte es mir nicht verkneifen, ihm dann zumindest ein paar Takte auf seinem AB zu hinterlassen. Da er und ich in diesem Leben keine Freunde mehr werden würden, war mir doch wichtig klarzumachen, wo ich Grenzen ziehe. Davon abgesehen, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung im Grundgesetz verankert ist, dachte ich bis dahin, auch eine gute Erziehung verhindere eine Handlungsweise wie von unserem lieben Miteigentümer praktiziert. Nur, dafür muss man genau eine solche Erziehung genossen haben!
Meine Frau hat dann am nächsten Tag, als sie zur Baustelle fuhr nochmals persönlich gegenüber Herrn „Hauswart“ kundgetan, was wir von seiner „Baustellenbegehung“ halten. Und dieser hat sich dann tatsächlich dafür entschuldigt. Leider war dies dann allerdings nicht das Ende mit diesem Herrn, sondern eher die Ouvertüre.
Bei krassen und wiederholten Überschreitungen der persönlichen Grenze muss das Individuum allerdings intervenieren – seine Grenzen deutlich setzen und anderen gegenüber verteidigen. Dieses Vorgehen gilt also für den Extremfall: Nämlich dann, wenn die Regeln der persönlichen Sphäre bereits missachtet wurden.
Am besten ist es daher, persönliche Grenzen von Anfang an anderen gegenüber deutlich abzustecken und auch selber ein klares Bild von ihnen zu entwickeln. Dies ist einerseits reiner Selbstzweck: Das Individuum fühlt sich wohl und muss nicht befürchten, plötzlich negativen Gefühlen zum Opfer zu fallen. Die klare Artikulierung von Grenzen macht es stark, und Stärke attraktiv.
Andererseits profitieren auch die Menschen im Umfeld des Individuums davon: Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben und wiesie sich verhalten können, Unsicherheit reduziert sich. Insgesamt stellen Grenzen also kein Zeichen der Schwäche dar, sondern ganz im Gegenteil: der Stärke. Schafft es das Individuum auf Dauer nicht, seine Grenzen aufrechtzuerhalten, kann es psychisch krank werden.
Christina Nerea Burger
(http://medienblick-bonn.de/vor-und-jenseits-der-grenze-eine-psychologische-betrachtung)
Professor B. war in den Wochen der Sanierungsarbeiten derjenige, mit dem ein persönliches Gespräch möglich war und der förmlich auch danach suchte. Er erzählte uns so einige Geschichten, die mit Herrn „Hauswart“ im Haus so gelaufen seien. Mit wem er alles im Streit lag und wie er dann immer versucht hatte, die Gemeinschaft gegen das jeweilige Opfer mit ins Boot zu ziehen. Aus dem Grunde war es wohl ein heimlicher Wunsch des Professors gewesen, unsere Wohnung wäre eher von einer Familie mit möglichst vielen kleinen Kindern bezogen worden, die den ganzen Tag mit ihren Bobbycars den Fußboden über Herrn „Hauswart“ malträtiert hätten. Auch diese Erzählungen haben mich natürlich in meiner Wahrnehmung des lieben Herrn „Hauswart“ beeinflusst und wirken immer noch nach. Weiterhin warnte mich der Professor vor der Scheinheiligkeit bestimmter anderer Personen im Hause. Damals konnte oder wollte ich diesem Hinweis nicht glauben, später jedoch holte uns auch hier die Realität ein.
In dieser Eigentümergemeinschaft war der Professor der absolute Exot. Seinem Intellekt konnte er wohl nur noch durch Sarkasmus Futter geben. Das fand seinen Ausdruck darin, dass er bestimmten Mitbewohnern nach dem Grad aufsteigender Geringschätzung bestimmte „Titel“ zuordnete. Leider hat der Professor, der damals schon einen bestimmten Verdacht hegte, was die Integrität unserer Hausverwaltung anging, die ja auch im Objekt Barmen Mitte tätig war, die Bestätigung dafür nicht mehr erlebt. Der Professor verstarb im Januar 2018 völlig unerwartet mit gerade einmal 62 Jahren. Für meine Frau und mich ein gewaltiger Schock, war er doch der Einzige im Haus, der uns immer mit Rat und Tat zur Seite stand und nun nicht nur eine Lücke, sondern einen ganzen Krater hinterließ.
Das Haus mit „schicker“, fast 20 Jahre lang nicht genutzter Antenne
Angesichts des damaligen Erscheinungsbildes des Hauses hatten wir kurz nach unserem Einzug den Antrag gestellt, an diese schicke Antenne eine SAT-Schüssel anbringen zu dürfen. Meine Frau stammt aus Istanbul und wollte über diesen Weg unabhängige Programme aus der alten Heimat empfangen.
Da dies nicht unsere erste Eigentumswohnung war, wussten wir, welchen Instanzenweg man dafür einhalten muss, handelt es sich doch um eine bauliche Veränderung – und da müssen alle Eigentümer zustimmen. Nun, ich werde keinen Preis dafür ausloben zu erraten, wer gegen unseren Antrag gestimmt hat?!
Herr „Hauswart“ war auf jener Versammlung im Juni 2015 zwar selbst nicht anwesend, hatte aber unserem „Living next door“-Nachbarn eine Vollmacht erteilt. Dieser war einer der Ersteigentümer im Hause und mit über 80 Jahren wohl auch der älteste. Ihm war es sichtlich peinlich verkünden zu müssen, dass er eine Vollmacht habe, welche eine Zustimmung ausschließe. Damals waren die anwesenden Miteigentümer noch auf unserer Seite und versuchten unseren „Living next door“-Nachbarn zu überreden, diese Vollmacht zu ignorieren. Ich war es, der ihn nicht in diese Zwangslage bringen wollte.
Was sich allerdings für uns als enttäuschend herausstellte war die Tatsache, dass sich der „Hauswart“, der indirekte Mehrheitseigentümer sowie unser direkter Nachbar im Vorfeld abgestimmt und entschieden hatten, unserem Antrag nicht zuzustimmen. Man hatte es nicht für nötig befunden, im Vorfeld einmal bei uns anzuklingeln und unsere Motive zu erfragen. Angeblich wollte die Gemeinschaft eine Gemeinschaftsschüssel aufstellen. Nur: Ein Antrag dafür wurde nicht gestellt. Wieso genau diese Schüssel dann keine optische Beeinträchtigung des Gebäudes verursachen würde, bleibt bis heute das Geheimnis unserer Miteigentümer!
Ich erspare mir hier weitere Ausführungen darüber, wie viele Mails ich mit der Verwaltung diesbezüglich ausgetauscht habe. Hier gebe ich zu, dass ich mich auch über diese Herren etwas despektierlich geäußert habe. Der für unser Objekt zuständige Herr H. versuchte uns zu vermitteln, dass wir ja unseren Antrag im nächsten Jahr nochmals stellen könnten. Meine Frau hätte dann allerdings noch ein Jahr auf Heimatprogramme verzichten müssen, und wir wären auf die Gnade dieser Herrschaften angewiesen gewesen. Außerdem erschloss es sich nicht, warum diese Herrschaften dann ihre Meinung hätten ändern sollen.
Zum Zeitpunkt des Mailverkehrs vertraute ich noch darauf, dass es ein Briefgeheimnis geben würde. Ein Fehler, wie ich später durch meinen Arbeitgeber erfahren musste. Herr „Hauswart“ hatte nämlich unter einem Vorwand meine an die Verwaltung gerichteten Mails, deren Empfänger er also nie war, ausgedruckt und an meinen Arbeitgeber geschickt! Dem Professor gegenüber hatte er vorher angekündigt, dass ich noch sehen werde, wozu er fähig sei. Herr „Hauswart“ hoffte und glaubte wohl, mein Arbeitgeber würde mir dafür richtig einen einschenken. Dass ich mich deswegen dann mit Herrn und Frau „Hauswart“ vor Gericht getroffen habe, werde ich später hier noch weiter ausführen. Es macht aber schon einen Eindruck, mit welchem Typ Mensch wir unter einem Dach leben müssen.
Nun stellte sich uns die Frage, wie wir mit dieser Entscheidung der Eigentümergemeinschaft umgehen sollten. Rechtlich sieht und sah die Situation so aus, dass hier zwei Grundrechte kollidieren: Einerseits das Recht der Eigentümer darauf, dass ihr Eigentum nicht verunstaltet und somit eventuell im Wert gemindert wird. Anderseits das Recht meiner Frau auf „informelle Selbstbestimmung“, was auch in unserem Grundgesetz verankert ist und durch Urteile des Bundesgerichtshofes und anderer Gerichte hinlänglich bestätigt wurde.
Wie eine „Verunstaltung des Gebäudes“ mit Blick auf die sehr dominante Uralt-Antenne auf dem Dach, die dort über 20 Jahre ohne Funktion ihr Dasein fristete, möglich werden könnte, erschließt sich keinem Ästheten. Auch, dass ja angeblich eine Gemeinschafts-SAT-Schüssel aufgestellt werden sollte, die dann optisch sicherlich auch keinen Designerpreis bekommen würde.
Aber was interessieren bestimmte Menschen schon die Rechte anderer Leute. Der scheinbar einzige Lebensinhalt unseres Miteigentümers ist wohl, gerne darüber zu wachen, dass Andere Regeln einhalten. Mit diesem Menschenschlag könnte man eigentlich ganze Ordnungsämter kostengünstig aufrüsten. Die würden für „Umme“ arbeiten, wenn denn nur die eigene Bedeutsamkeit dadurch einen permanenten Kick bekommt.
Nur für Herrn „Hauswart“ galten und gelten natürlich keine Regeln, wie ich dann einmal später eindrucksvoll beweisen konnte.
Nun ja, wir hatten jetzt folgende Optionen: 1. die gesamte Eigentümergemeinschaft, die zum damaligen Zeitpunkt nicht gegen unsere SAT-Schüssel war, zu verklagen (was ein Witz gewesen wäre), 2. die Schüssel einfach zu montieren und abzuwarten, was passiert, oder 3. meine Frau auf ihr Grundrecht verzichten zu lassen.
Entschlossen haben wir uns dann, nachdem wir vorher in einem Brief alle Eigentümer über die Rechtslage informiert hatten, die Schüssel zu montieren. Die Idee dahinter war, dass nun jeder einzelne, der gegen die Schüssel war, klagen konnte, nicht aber die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit von uns verklagt werden musste. Da hatte ich den Mut und das Rückgrat des Nachbarn unter uns leider nur überschätzt! Wir montierten die Schüssel allerdings nicht an den vorhandenen Antennenmast, sondern zwei Meter weiter zur Dachmitte hin, und somit fast nicht sichtbar.
Finde die „störende“ SAT-Schüssel! Nicht verwechseln mit der „schicken“ Analog-Antenne!
Etwa sechs Wochen nach der Montage wurde meine Frau dann abends noch förmlich in die Wohnung unserer Nachbarn „gezerrt“. Man wollte wissen, warum wir die SAT-Schüssel noch nicht montiert hätten. Diesen Miteigentümern war unsere schicke Schüssel also überhaupt noch nicht aufgefallen. Meine Frau erzählte mir später, wie froh diese Nachbarn gewesen waren, dass wir uns nicht unterkriegen lassen wollten. Dass dann auch diese Nachbarn später mit dem „Hauswart“ und dem Rest der Nachbarn gegen uns eine Klage auf Beseitigung der SAT-Schüssel eingereicht haben, buchen wir heute darunter ab, dass „Rückgrat“ für manche Menschen nur eine anatomische, nicht aber charakterliche Bedeutung hat. Seitdem weiß ich, warum uns der Professor vor bestimmten Personen im Haus gewarnt hatte. Damals wollte ich es nicht glauben, heute weiß ich, was und wen er meinte!
Das Treffen bei Peter Bäumer
oder: Das erste Meeting der sechs Putschisten
Angesichts der Baustelle an den Barmer Anlagen wird sicherlich verständlich, dass ich an weiteren Betätigungen in und um Eigentümergemeinschaften nicht besonders interessiert war. Dennoch erschien ich an einem grauen, regnerischen Tag im Februar 2017 spätnachmittags in der Villa von Peter Bäumer.
Bis dahin kannte ich Peter nicht, sondern wusste nur, dass er ein nicht gerade unvermögender Unternehmer aus Wuppertal ist. In unserer WEG Barmen Mitte nennt er zwar nur eine Wohnung sein Eigen, insgesamt aber besitzt er an die 100 Wohnungen. Peter schätzte ich so auf Anfang 70, und mir fielen sofort seine wachen Augen sowie seine Lebendigkeit auf. Was für ein Energiebolzen Peter ist, stellte er erst zwei Jahre später eindrucksvoll unter Beweis, als er einen Schlaganfall erlitt und sich durch unzählige Therapien kämpfte.
Dann war dort Ramin Z., der wie Steffen im Haus fünf Wohnungen besaß und, wie ich erst später erfahren habe, nicht nur deshalb, sondern auch wegen seiner Herkunft angefeindet wurde. Ramin ist gebürtiger Palästinenser – und wenn „Ausländer“ Erfolg haben, weil sie fleißig sind, wird dies häufig nicht gewürdigt, sondern geneidet. Ramin hatte die Wohnungen zwar günstig gekauft, aber durch eigene Knochenarbeit auf den neuesten Stand gebracht. Bei einem genetischen Deutschen hätte man das als fleißig und strebsam gewertet. Ramin wollte und will man diese Attribute jedoch nicht zubilligen.
Ebenfalls anwesend war Manfred G., dessen Schwiegereltern die ersten Bewohner im Hause waren und er dadurch, dass er dort eingeheiratet hatte, „Gott und die Welt“ kannte. Dann war da noch Jannis P., der es als Feuerwehrmann mit griechischen Wurzeln nicht ganz so schwer wie Ramin im Haus hatte. Wenn es mal brennt, lässt sich selbst ein „strammer Rechter“ gerne von einem „Ausländer“ retten – und von diesem Bonus zehrt wohl Jannis im Gegensatz zu Ramin. Zusammen mit Steffen und meiner Person waren wir also zu sechst, aber durch die Anzahl der Wohnungen von Ramin und Steffen sowie die Beziehungen von Manfred im Hause hatten wir schon eine gewisse Stimmenmacht im Rücken.
Steffen und Peter berichteten dann über die Dachöffnung, die einige Zeit vorher von einem Dachdeckerunternehmen – wohl im Auftrage des Sachverständigen „OS“ – vorgenommen worden war und angeblich zu dem Ergebnis geführt hatte, dass die Dämmschicht, die das Flachdach nach unten gegen Wärmeverlust schützt, völlig durchnässt gewesen sei. Im Rahmen einer vorherigen Eigentümerversammlung hatte die für uns zuständige Objektbetreuerin M. mitgeteilt, es gäbe in der Wohnung des Miteigentümers Dieter S. Feuchtigkeit und diese könne nur vom Dach bzw. von der Dachterrasse kommen.
Dieter S. war damals noch unser Beiratsvorsitzender, somit mein Vorgänger im Amt, und seine Rolle darf man trefflich als schwer durchschaubar bezeichnen. Also wurde wegen der angeblichen Feuchtigkeit in der Wohnung von Dieter S. beschlossen, einen Bausachverständigen mit der Begutachtung zu beauftragen. Unsere Objektbetreuerin Frau M. ging von 50.000 EUR für eine mögliche Dachsanierung aus. Dieser Betrag von 50.000 EUR wird später, richtet sich die Bezahlung eines Sachverständigen ja genau danach, noch sehr wichtig.
Leider kam niemand auf die Idee, sich diesen angeblichen Feuchtigkeitsschaden in der Wohnung von Dieter S. vorher einmal anzusehen. Dann wäre diese ganze Rosstäuscherei wahrscheinlich schon früher aufgeflogen. Jedenfalls war Steffen bei dieser Dachöffnung anwesend und hatte dann auch so viele Fotos geschossen, wie andere wohl nur in einem langen Urlaub. Peter hatte den Dachdecker seines Vertrauens, Herrn M., mehr oder weniger genötigt, dort anwesend zu sein. Ich kann jedem/jeder Eigentümer*in nur raten, zumindest wenn es um solche Instandsetzungen geht, selbst vor Ort zu sein und möglichst eine*n Handwerker*in des Vertrauens mitzubringen, so wie Peter dies vorausschauend veranlasst hatte.
Unmittelbar vor der Dachöffnung hatte es anscheinend geregnet und somit gab es schon aus völlig natürlichen Gründen den einen oder anderen Wasserfleck, den das beauftragte Dachdeckerunternehmen dramaturgisch geschickt zu nutzen versuchte. Nur hatte man nicht mit Steffen gerechnet und nicht mit Dachdecker M., denen umgehend bestimmte Ungereimtheiten auffielen. Welche besondere Beziehung zwischen unserer Objektbetreuerin als Mitarbeiterin der Verwaltung und dem beauftragten Chef des Dachdeckerunternehmens bestand, haben wir dann allerdings erst fast zwei Jahre später ermittelt.
Steffen hatte in der Zwischenzeit auch noch weiter recherchiert und war dahintergekommen, dass der „unabhängige“ Sachverständige „OS“ mit dem Vater unseres Verwalters gemeinsam eine Firma hatte. Also, mit „unabhängig“ war es wohl nicht so weit her, wie man das von einem Sachverständigen eigentlich erwarten sollte.
Für Anfang März 2017 war nun eine außerordentliche Eigentümerversammlung, auf welcher der „Sachverständige“ seine Ergebnisse präsentieren sollte, geplant und wir beschlossen, dort mehr als eine kritische Frage zu stellen. Für Ende März stand dann auch die Rechnungsprüfung bei der Verwaltung „24“ an – und ich war dafür ja auch, wie im Vorjahr, neben Manfred und Dieter S. zum Prüfer gewählt worden.
Bei jener Prüfung im Vorjahr war mir auch schon etwas aufgefallen, was mich etwas beunruhigt hatte: Die Instandhaltungsrücklage von um die 150.000 EUR lag auf dem normalen Konto der WEG, von dem alle regulären Überweisungen ausgeführt wurden, war also nicht, wie dies unsere Teilungserklärung vorsah, separiert auf einem Tagesgeldkonto angelegt. Dies hatte ich moniert und den Antrag für die damalige Eigentümerversammlung gestellt, dies sofort wieder zu ändern.
Zum Zeitpunkt jener Sitzung war ich leider im Urlaub, sodass sich Steffen statt meiner lange mit unserem Chef der Verwaltung darüber streiten musste, dass dies im Sinne meines Antrages geändert wird. Allein dies machte mich nun zusätzlich stutzig, erschloss es sich mir ja nicht, warum es für unsere Verwaltung ein Problem darstellte, unser Geld so anzulegen, wie es einerseits die Eigentümer forderten und andererseits die Teilungserklärung auch vorsah.