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Silvia Zenta zeigt anhand von 80 unterhaltsamen Kurzporträts, wie reichhaltig und vielfältig sich das Leben in einem kleinen Dorf gestaltet. Ursprünglich als lose Beiträge für eine lokale Wochenzeitung verfasst, sind die Texte aus den Jahren 1993 bis 2009 nun hier in diesem Buch versammelt. Die Autorin stellt Vereine vor, Ehrenamtliche, Heimatforscher, alte Handwerkskunst, Kunstschaffende aus Musik, Malerei und Dichtung, Hochzeitsjubilare, Kino-Pioniere, Jäger und Vertreter aus der Bauernschaft – Frauen wie Männer. Jeder der Porträtierten leistet auf seine Art Hervorragendes, hat besondere Fähigkeiten, die das Dorfleben bereichern. Die Geschichten geben Einblick in die Vergangenheit, sodass sie für ältere Semester Erinnerungen wecken und für Jüngere als eine Art Oral History – Zeitzeugen erzählen – zu lesen sind.
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Seitenzahl: 218
Veröffentlichungsjahr: 2018
Silvia Zenta
Silvia Zenta
Geschichten vom LebenPorträts aus Großraming
ENNSTHALER VERLAG STEYR
www.ennsthaler.at
ISBN 978-3-7095-0090-3
Silvia Zenta · Zuhören – Aufschreiben – Erzählen
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2018 Ennsthaler Verlag, Steyr
Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich
Umschlaggestaltung: Thomas Traxl & Ennsthaler Verlag, Steyr
Titelfoto: © ksl / Fotolia.de
Foto Umschlagrückseite: Stefanie Eichberger
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH
1993 begann ich für die damalige Steyrer Zeitung (später Steyrer Rundschau, seit 2009 Bezirksrundschau Steyr) wöchentlich Neuigkeiten aus Großraming zusammenzutragen: aus der Gemeindestube, der Kirche, den Schulen und Vereinen, deren es über 30 in dem damals 3000 Einwohner zählenden Dorf gab. 2010 beendete ich meine Mitarbeit.
Bald schon entdeckte ich bei meinen Recherchen abseits des öffentlichen Tagesgeschehens und »offiziellen« Dorflebens eine Fülle von Familiengeschichten, Schicksalen und Lebensentwürfen – ein Schatz an Anekdoten und Alltagsgeschichten. Zum Teil aus längst vergangenen Zeiten waren es Ereignisse, Lebensumstände und deren Schilderung, die mit großer Wahrscheinlichkeit niemals in eine offizielle Geschichte eingehen werden.
In den so entstandenen »Porträts« plauderten meine Interviewpartnerinnen und -partner offen, erlaubten einen sehr persönlichen Einblick in ihre Kindheitserinnerungen, Familiengeschichte, berufliche und/oder künstlerische Laufbahn.
Manche suchten neben Beruf und Familie einen Ausgleich zur täglichen Arbeit und fanden diesen in kreativer Beschäftigung, sie schrieben Gedichte, musizierten, malten, handarbeiteten, tischlerten. Einige machten ihre Vorlieben zum Beruf. Andere konnten dadurch alte, überlieferte Handwerkstechniken vor dem Vergessen bewahren.
So entstand im Lauf der Jahre eine sehr bunte Geschichtensammlung, die, wie ich hoffe, trotz der Kürze der einzelnen Porträts sehr unmittelbar und fesselnd zu lesen ist. In vielen der Texte sind auch Abstecher in die dörfliche Vergangenheit eingebaut, sodass es für ältere Semester eigene Erinnerungen weckt, für jüngeres Publikum als eine Art »Oral History« zu lesen ist.
Die Porträts waren Auftragsarbeiten des Verlagshauses, die Auswahl der 80 Texte erfolgte chronologisch, ohne politische oder weltanschauliche Systematisierung. Sie sind ein Stück Großraminger Geschichte, persönlich und oft humorvoll erzählt, wollen aber nicht nach »historischen Tatsachen« untersucht werden und stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Da die Interviews zum Teil bereits viele Jahre zurückliegen, möge man sie als abgeschlossenes Dokument ihrer Zeit lesen. So manche Gesprächspartner sind inzwischen verstorben, ihnen sei diese Sammlung als Erinnerung gewidmet.
Mit freundlicher Genehmigung der Bezirksrundschau und Interviewpartner/-innen sowie deren Familien können die Texte nun in Buchform veröffentlicht werden. (In der Zeitung fand sich meist eine gekürzte, bearbeitete Form des Originaltextes wieder.) Die Originaltexte sind nach Jahren gereiht und mit dem Erscheinungsdatum versehen, ein Nachlesen der Zeitungsversion ist daher bei Interesse möglich. Alle Ausgaben der Steyrer Zeitung und der Steyrer Rundschau sind im Steyrer Stadtarchiv einsehbar.
Durch Unterstützung des Großraminger Kulturvereins »Bunte Steine« konnte dieses Buch als Heimatforschungsprojekt realisiert werden. Besonderer Dank gilt Dr. Franz Hahn, Alexander Zenta und Arch. DI Gisela Zenta.
Mein Dank geht ebenso an Otto Schörkhuber, der zu einer Vielzahl der Porträts Fotos aus seinem Archiv aushob, sowie an Stefanie Eichberger, die das Foto für die Rückseite des Buchs beisteuerte. (Das Bild zeigt die Ennsbrücke in Großraming, mit Schachnerhaus im Jahr 2004. Brückengeländer und Laternen wurden vom Großraminger Kunstschmied Walter Sieghartsleitner geschmiedet, die örtliche Bevölkerung beteiligte sich an der Finanzierung.)
Dr.in Silvia Zenta Großraming, 2018
Maria Aschauer bleibt immer optimistisch, trotz vieler Entbehrungen.
Maria Aschauer
Steyrer Zeitung 7/1993
In Brunnbach, hoch oben auf 746 Meter Seehöhe, am Erbhof »Rauchgraben«, lebt Maria Aschauer. Wenn die rüstige 90-Jährige aus ihrem Leben plaudert, klingt es wie eine Erzählung von Peter Rosegger. »Elf Kinder waren wir in dem kleinen Holzhaus mit der schwarzen Rauchkuchl«, sinniert Frau Aschauer, die vor Kurzem den 90. Geburtstag feierte. Arm sind sie gewesen, die Aschauers, deren Vorfahren ab 1700 den Hof bewirtschafteten.
Als in den 1920er-Jahren Tiroler Holzarbeiter im Reichraminger Hintergebirge die Schäden der Käferkatastrophe aufarbeiteten, wurde ihr Name Maria kurzerhand ins tirolerische »Moidl« übersetzt. Sogar für Gemeindearzt Dr. Albert Hofbauer und die »Brunnbachler« war sie fortan »die Moidl«, was ihr bis an ihr Lebensende bleiben sollte.
Heute lebt Maria Aschauer in einem 1956 erbauten Haus, in dem vier Generationen der Familie vereint sind. Für sie ist es nach einem arbeits- und entbehrungsreichen Leben eine Wohltat, wenn sie ihren Lieblingsbeschäftigungen – stricken und häkeln – in Ruhe nachgehen kann. Stolz zeigt sie ihre Handarbeiten, und als besonderen Schatz die sorgfältig aufbewahrten Handarbeiten aus ihrer Schulzeit.
1909 begann Maria Aschauer mit der Schule. In der alten Brunnbachschule waren an die 80 Kinder in der Klasse versammelt. »Viel haben wir damals gelernt und gern bin ich in die Schule gegangen«, erzählt sie. Und weil sie gar so klein gewesen war, habe sie manchmal vom Lehrer kleine Essensgeschenke zugesteckt bekommen. Der Schulweg war weit und im Winter für Klein Maria durch den steilen, tief verschneiten Hohlweg herunter oft allein nicht zu schaffen. In ihren genagelten Schuhen konnte sie sich kaum auf den Beinen halten, »dann hat mich mein Bruder unter ’n Arm genommen und ist mit mir durch den Schnee hinunter.«
Hart und lang waren die Winter, und alles, was man zum Leben brauchte, musste bis zum Wintereinbruch mit Seilwinden, dem Pferd oder auch oft auf dem Rücken zum Hof hinauftransportiert werden.
Gut in Erinnerung geblieben sind Maria die »Beichttage« und der weite Fußweg zur Messe in die Pfarrkirche Großraming. »Um halb vier in der Früh mussten wir von daheim weg, um halb sieben hat ja die Frühmesse begonnen, alles ohne Frühstück, wegen der Kommunion.«
Aber schön war es trotzdem daheim. Das wurde Maria erst recht bewusst, als sie mit 14 Jahren für sechs lange Jahre zu Bauern nach Laussa und Maria Neustift arbeiten gehen musste. »Von vier Uhr in der Früh bis acht Uhr am Abend gab es Arbeit und als Lohn ein Paar Holzschuhe und ein Kleid.« Ungern denkt sie an die Arbeit mit den mächtigen Ochsen zurück. Schwer vorstellbar, wie die kleine, zierliche Frau damals mit einem Ochsengespann fertigwerden konnte. »Nach Hause hab ich auch nur ein Mal im Jahr dürfen«, erzählt sie.
Durch glückliche Umstände konnte Maria danach in Weyer die Schneiderei erlernen, doch dieses Glück währte nicht lange: nach dem Tod ihrer Schwester im Kindbett nahm sie sich ihres Neffen an. Aber irgendwie hat sie immer alles gut geschafft.
Heute muss sie darüber lachen, wenn sie erzählt, dass sie 1945 für einen Krankenbesuch in Bad Hall zwei Tage gebraucht hat: teils zu Fuß, die Schuhe wegen der Blasen an den Füßen in der Hand, teils mit der Bahn. Übernachtet hat Maria in einem abgestellten Waggon.
Wenn man Maria Aschauer zuhört, wie sie ihre Geschichten erzählt, erkennt man ihr »Lebenselixier«: Optimismus und Humor.
Vereinsobfrau Dr. Silvia Zenta und Sepp Stinglmeier.
Steyrer Zeitung 15/1993
Der neue Kulturverein »Bunte Steine« eröffnet demnächst ein Programmkino. Besonders Kinder sollen ihre Freude daran haben.
Die Vereinsobfrau Dr. Silvia Zenta erzählte im Gespräch mit der Steyrer Zeitung: »Sicherlich ist es nicht leicht, als Kinobetreiber mit dem Medium Fernsehen zu konkurrieren. Aber ist es nicht immer wieder ein verlockendes Freizeitangebot, ins Kino zu gehen? Gewiss hat die Bequemlichkeit des Patschenkinos auch seine Reize, doch bedeutet ein Kinobesuch Kommunikation. Man trifft oft Freunde oder Bekannte, die man länger nicht gesehen hat.«
Diese Überlegungen haben den jungen Verein gereizt, dem schon fast vergessenen Kino im Pfarrsaal Großraming wieder Leben einzuhauchen. Am Samstag, 24. April, fällt der Startschuss zur Wiedereröffnung eines Kinos, das es vor langer Zeit einmal im Ort gab. Dr. Ingrid Huber, Mitverantwortliche der Sektion Kino des neuen Kulturvereins, meint es vor allem gut mit den Kindern: »Besonders für die Kinder wird es nun leichter sein, ins Kino zu gehen, denn nicht alle Eltern haben immer Zeit, ihre Kinder in ein weit entferntes Kino zu bringen.«
Um 16 Uhr wird der Zeichentrickfilm »Die große Käseverschwörung« gespielt und um 20 Uhr der preisgekrönte Film »Cyrano de Bergerac« mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle.
Zur Feier des Tages wird Sepp Stinglmeier, Leiter der Heimatstube und nach dem Krieg Initiator des ersten Wanderkinos in Großraming, Raritäten seiner ehemaligen Kinoausrüstung zeigen.
Zum Auftakt laden die »Bunten Steine« im Anschluss an den Abendfilm zu Most und Speckbroten ein. Dr. Silvia Zenta und die Vereinsleitung hoffen, dass die Bevölkerung in Großraming und den benachbarten Gemeinden von diesem Angebot – es sind insgesamt neun Filme bis Jahresende geplant – reichlich Gebrauch machen wird.
Sepp Stinglmeier mit treuen Helferinnen.
Sepp Stinglmeier
Steyrer Zeitung 16/1993
Die Verbundenheit mit seiner Heimat und ihren Bewohnern hat sich vielleicht besonders durch seinen abwechslungsreichen Beruf entwickelt, der Sepp Stinglmeier in fremde Städte und Länder führte.
Heute pensioniert, hat sich Sepp Stinglmeier einer besonderen Aufgabe gewidmet. Ein Heimatmuseum spezieller Art ist die »Großraminger Heimatstube« in der revitalisierten ehemaligen Volksschule am Dorfplatz von Großraming.
In drei Räumen wird die Geschichte unserer unmittelbaren Heimat anhand vieler Gegenstände des täglichen Lebens und heimatlicher Handwerkskunst lebendig. Zahlreiche Geräte und Werkzeuge zur Holzgewinnung und -bearbeitung, Gerätschaften aus der bäuerlichen Arbeitswelt unserer Groß- und Urgroßeltern wurden zusammengetragen und als Leihgaben dem Museum überlassen.
Als Sepp Stinglmeier 1989 die Nachfolge des langjährigen und unermüdlichen Organisators der Heimatstube, Michael Putz, antrat, freute er sich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe. »Über 450 Exponate müssen meine vier Mitarbeiterinnen Cilli Brandstetter, Maria Streicher, Ernestine Schwaiger, Ernestine Weber und ich zum Teil restaurieren, neu ordnen und besuchergerecht arrangieren.«
Stinglmeier sieht es als seine besondere Aufgabe, der Jugend die Lebensgewohnheiten und Arbeitstechniken unserer Vorfahren anschaulich zu präsentieren.
So illustrieren die thematisch geordneten Geräte großen Einfallsreichtum und die Erfindungsgabe, aus natürlichen Materialien selbst Behelfe zur Bewältigung des täglichen Arbeitsaufwands am Hof herzustellen. »Vielfach kennen unsere Gäste den Verwendungszweck einzelner Geräte gar nicht mehr«, weiß Stinglmeier von seinen zahlreichen Führungen durchs Museum zu berichten.
Besondere Raritäten sind eine Balkendecke von 1733 und ein seltener Doppelschrank von 1806, der seinen Weg aus dem begüterten Flachland gefunden hat.
»Wie sich das bäuerliche Leben abgespielt hat, versuchen wir in Stube und Küche zu zeigen. Drei Generationen haben hier gelebt, alles hatte seinen angestammten Platz: die Hauskapelle, das geschnitzte Schmuckkästchen an der Wand oder der fein gearbeitete Pfeifenständer des Bauern.«
Eng war es überall. Auch das Doppelbett war schmal und am Fußende musste noch Platz für ein kleines Kind sein. »Für das Jüngste wurde die oberste Lade des Schubladenkastens als Bettchen gerichtet«, sagt Stinglmeier schmunzelnd.
Viele Geschichten begleiten uns auf Schritt und Tritt: über das Vogelfangen, Kaffeerösten oder Brotbacken. Wer weiß denn heute noch, wo die Redewendung »den Brotkorb höher hängen« (weniger zu essen geben, Anm.) herkommt?
Bis zur Eröffnung im Sommer hofft Sepp Stinglmeier, alle Exponate geordnet zu haben, und er freut sich schon auf möglichst viele Besucher und Besucherinnen. »Ich bin sicher, dass mit unserer Heimatstube die Verbundenheit der Bevölkerung zu Großraming gestärkt wird.«
Am 11. September 1993 wurde die Heimatstube feierlich eröffnet. Zu diesem Anlass lasen die Heimatdichterinnen Maria Oberforster und Helga Brandl aus ihren Werken, die »Kronsteiner Hausmusik« sorgte für die musikalische Umrahmung.
2009 wurde das Heimatmuseum geschlossen. Die »Stube« wurde originalgetreu im Kutschenmuseum Gruber in Großraming (www.johannesgruber.com) aufgebaut, diverse Handwerksgeräte sind im Eingangsbereich ausgestellt. Alle anderen Ausstellungsobjekte sind – sofern sie nicht von den privaten Leihgebern zurückgenommen wurden – im Kutschenmuseum archiviert und deponiert.
Maria Oberforster bei einer Lesung.
Maria Oberforster
Steyrer Zeitung 22/1993
Wie ihr legendäres Vorbild, der überall unter dem Namen »Guck Naz« bekannte Briefträger aus Großraming, schreibt die Bergbäuerin Maria Oberforster Gedichte und Geschichten über ihre Heimat. Die bunte Mischung ihrer Texte ist so weit gefächert wie die täglichen Anforderungen und Pflichten der neunfachen Mutter und Bergbäuerin.
Hoch oben auf fast 500 Meter Seehöhe hat man einen weiten Rundblick hinüber zu den Großraminger Bergen, zu den Buchenwäldern, denen »die Restin«, wie Maria Oberforster allseits genannt wird, ein poetisches Denkmal setzt. »’s Labmoa« (Die Laubgrenze) heißt ein Mundartgedicht, darin kommt all die Ehrfurcht vor der Natur, mit der die Autorin so sehr verbunden ist, zutage.
»Meine Gedichte kommen aus dem Herzen. Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, gibt es vieles, worüber man nachdenken muss. Dann wird man bescheiden«, beschreibt die »Restin« ihre Arbeit, und ihr tiefer Glaube lässt aus all ihren Gedichten und Erzählungen ruhige Zuversicht atmen.
Schon in der Schule war »Aufsatzschreiben« ihre Lieblingsbeschäftigung, und daran hat sich nichts geändert. Um sich »Sorgen von der Seele zu schreiben« einerseits, aber auch, um altes, gelebtes Kulturgut aus dem bäuerlichen Leben zu erhalten – das lässt sie zur Feder greifen. Daher sind ihre Gedichte bewusst in Mundart verfasst, wie zum Beispiel »Kuchl Chachtl« (Der Küchengarten), eine Freude für jeden Mundartforscher.
Die 70-jährige Autorin arbeitet derzeit an ihrer Lebensgeschichte und an der Hauschronik. Ein Unterfangen, das gar nicht so einfach ist. »23 Enkerl hab ich, sechs davon leben hier am Hof, den mein Sohn Hans und seine Frau Maria bewirtschaften. Da komm ich leider kaum dazu, meine vielen Gedanken niederzuschreiben.«
Wenn Maria Oberforster doch Zeit findet, entsteht schnell mal zum Beispiel ein zwölfstrophiges Gedicht, wie »A stressplogti Oma«, ein humorvolles Klagelied.
Vielerlei sozialkritische Gedanken beschäftigen »die Restin«: das veränderte Rollenbild der Frau, die Verunsicherung der Jugend heutzutage. »Das Konsumdenken darf uns nicht völlig unseren menschlichen Aufgaben entfremden. Nicht eine neue Puppe oder ein Stück Schokolade sind wichtig für dein Kind, sondern einzig und allein dein Gute-Nacht-Busserl und ein Gute-Nacht-Gespräch.« (Aus Oberforsters Text: »Die Bäuerin in unserer hastbeladenen Zeit«)
Wäre es nicht an der Zeit, diese Gustostückerln heimischer Poesie und Prosa einem größeren Publikum zugänglich zu machen? »Ich kann mir schon vorstellen, dass ich meine derzeit nur handschriftlichen Texte einmal publizieren werde – wenn meine Enkerl älter sind, dann wird mir mehr Zeit bleiben«, meint »die Restin« mit einem lustigen Augenzwinkern.
Alle Schnitzarbeiten werden von Josef Göberl nur von Hand, ohne Einsatz von Maschinen getätigt.
Josef Göberl
Steyrer Zeitung 23/1993
Die Vorbereitungen zur zweiten Oberösterreichischen Ortsbildmesse im September 1993 sind in vollem Gange. Alle Hobbykünstler sind eingeladen, ihre Arbeiten zu präsentieren. In Zusammenarbeit von Volkshochschule und der Kulturinitiative »Bunte Steine« wird künstlerisch tätigen Großramingern und Großramingerinnen die Möglichkeit gegeben, sich der Öffentlichkeit vorzustellen.
»Ziel der Ausstellung ›Kunst und Kunsthandwerk sichtbar gemacht‹ soll sein, das große künstlerische Potenzial gebührend hervorzuheben«, meint Organisatorin Dr. Silvia Zenta. Tragen doch Kreativität und Liebe zu künstlerischer Darstellung entscheidend zum Gelingen eines ansprechenden Ortsbildes bei.
Josef Göberl ist einer der Teilnehmer. Er hat bereits als kleiner Bub seine Liebe zum Holz entdeckt. Aber erst 1976 begann er als Autodidakt mit Kerb- und Reliefschnitzereien. Heute sind Eiche, Fichte, Linde und auch Zirbe sein bevorzugtes Rohmaterial, das er je nach Objekt auswählt. Ständig auf der Suche nach Motiven, ist er zum Sammler alter Bücher und zum eifrigen Besucher von einschlägigen Ausstellungen geworden.
Seine Frau Maria teilt die Liebe zu seinem Hobby. Vielfach sind es auch Frau Göberls Ideen, die Anregungen für neue Arbeiten geben. Sogar Göberls Wohnhaus in der Bertholdisiedlung legt Zeugnis ab von seiner künstlerischen Entwicklung. »Wir verdanken es dem Geschick meines Mannes, dass wir unser Heim im Laufe der Jahre nach unseren Vorstellungen ausstatten konnten«, lobt die Gattin. Der Treppenaufgang oder die geschnitzten Holzdecken, die alten Vorbildern nachgebaut sind, geben dem Wohnhaus eine ganz persönliche Note.
Der besondere Stolz des Künstlers ist die selbst getischlerte Stube, für die er die Bäume aussuchte, fällte und acht Jahre trocknen ließ.
Vinzenz Schörkhuber, ein Fassbinder vom alten Schlag.
Vinzenz Schörkhuber
Steyrer Zeitung 29/1993
Eng mit dem bäuerlichen Leben und seinen Bedürfnissen verbunden, war der »Fasslbinder« ein geehrter und viel beschäftigter Mann. Brauchte man doch die hölzernen Behältnisse für die tägliche Arbeit und für die gesamte Vorratswirtschaft einer Familie. Bier, Most, Schnaps und Kraut wurden so gelagert. Die breite Palette reichte von Fässern in allen Größen, Schaffeln, Melksechtern (Milcheimer, Anm.), Butterrühr- und Schmalzkübeln und Wannen aller Art.
»Ich hab bei meinem Onkel das Binderhandwerk erlernt. Das war vor 45 Jahren beim ›Brandecker-Binder‹ im Neustiftgraben. Damals ging man noch auf ›Störarbeit‹, auf dem Rücken im Binder-Zeger das schwere Handwerkzeug wie Stoßbank, Hobeln, Sägen und Lehren. Bis zu einer Woche Arbeit hatte ich am Hof, denn alles ist von Hand, ohne Maschinen gearbeitet worden«, erinnert sich Vinzenz Schörkhuber.
Große Präzision und Geschicklichkeit waren erforderlich, wenn die bis zu 30 Dauben im Setzreifen zusammengestellt wurden. Eine hitzige Angelegenheit war das »Dämpfen«, bei dem nicht selten Haut und Haare oder Arme ein Opfer der Gluthitze wurden.
Vinzenz Schörkhuber arbeitet auch noch heute nach traditioneller Technik, wie er es als Lehrling gelernt hat. Gerne lässt er sich bei der Arbeit über die Schulter blicken, geduldig erklärt er die einzelnen Arbeitsvorgänge. Noch einmal hat er all seine Erfahrung und sein handwerkliches Können zur Herstellung einer beachtlichen Anzahl von Gebinden angewandt, »denn diese meine Arbeiten werden wahrscheinlich ziemlich die letzten gewesen sein«, meint er. Ein fraglicher Vorsatz, denn man sieht, mit welch großer Liebe er von seiner Arbeit spricht.
Anlässlich der 70-Jahr-Feiern von FF Pechgraben und Musikverein im Jahr 1993 stellte Vinzenz Schörkhuber zahlreiche Arbeiten für die Ausstellung »Lebendige Tradition, alte Handwerkstechniken«, kuratiert von Konsulent Josef Wilhelm aus Großraming, zur Verfügung.
Links: Theresia Wimmer bei der Herstellung eines Lianen-Waschls. Rechts: Burgi Holzinger fertigt einen Kuhschwanz-Riebler.
Walpurga Holzinger und Theresia Wimmer
Steyrer Zeitung 30/1993
Der Erfindungsgabe von Frauen haben wir es wohl zu verdanken, dass es so erstaunliche Küchenhilfen wie »Kuhschwanz-Riebler« und »Lianen-Waschl« gibt.
Erfindungen von Frauen wurden zwar oft nicht an die große Glocke gehängt, aber man kann schon aufgrund der Arbeitsteilung darauf schließen, dass es Frauen waren, die zum Beispiel als Erste webten oder Leder herstellten, also das Gerben erfanden. Oder sich Geräte und Behältnisse ersannen, wie Mörser und Stößel, die ihnen die tägliche Arbeit erleichterten.
Walpurga Holzinger aus dem Großraminger Pechgraben und Theresia Wimmer aus Laussa haben den »Kuhschwanz-Riebler« (»Rübler«) und den »Lianen-Waschl« zwar nicht erfunden, aber die Fertigkeit zur Herstellung dieser beiden Küchenhilfen von ihren Müttern erlernt und das Wissen darum so vor dem Vergessen bewahrt.
Die Materialien beider Kuriositäten sind rund um uns in der Natur vorhanden. Aus der Not heraus, keinen »Supermarkt um die Ecke« zu haben, und auch wegen Geldmangels war es früher auf dem Bauernhof notwendig, alles zu verwerten, was rundherum wuchs.
Dass sogar das haarige Schwanzbüschel der Kühe verwendet werden kann, beweist Walpurga »Burgi« Holzinger, aufgewachsen am elterlichen Hof »Bau’ in Reith« in Laussa. »Bei zehn Kindern war der Waschtag alles andere als ein Honiglecken. Ohne Pulver und Waschmaschine, nur mit Buchenasche, heißem Wasser und dem Riebler haben wir gewaschen«, erzählt sie.
Was ist nun so ein »Riebler« genau und wie wird er hergestellt? »Zuerst müssen die Haare des Kuhschwanzes, sie sind ähnlich fest wie Rosshaar, gewaschen, in Sodalauge eingeweicht und gelockert werden, das nennt man zoasen.«
Aus drei bis fünf Haarbüscheln wird auf einem umgedrehten runden Holzschaffel oder Fassl durch stetes Drehen eine Halbkugel gefertigt. Die mit Lauge angefeuchteten Haarbüschel werden am sogenannten »Frosch«, dem Fassbodenrand, durch das Drehen fest in sich verfilzt. »Circa 15 bis 20 Minuten braucht man dazu«, erklärt Burgi Holzinger.
Hoch oben auf 600 Meter Seehöhe, im »Forsthub«, verwendet Theresia Wimmer noch gerne zum Topfreinigen den selbst angefertigten »Lianen-Waschl.«
»Fürs Grobe« gehe er besonders gut, meint sie. Die Rindenfasern der Waldrebe, volkstümlich »Lianen« oder »Liachan« genannt, werden mit der Rückseite einer Hacke durch Klopfen losgelöst. Das nennt man »o’mühn«.
Hieraus dreht und schlingt »Resl« Wimmer kunstvoll den widerstandsfähigen »Waschl«. Drei Stück schafft sie in einer halben Stunde. Meist wurde früher im Herbst auf Vorrat gearbeitet. Was während des Winters nicht verbraucht wurde, konnte einfach im Herd verbrannt werden.
Als Beispiel für die Sparsamkeit und Bedachtsamkeit, auch nicht das Geringste zu verschwenden, verrät Resl Wimmer ein kleines Geheimnis: »Fettiges Geschirr ist ja nur mit ein bissl Holzasche im Waschwasser gewaschen worden, und alles, samt Speiseresten, landete im Schweinefutter. Manchmal hat sich der Waschl beim vielen Schrubben aufgelöst, das haben die Schweindln dann auch gefressen.« Auch damals wusste man schon, wie gesund Ballaststoffe sind ...
Es geht übrigens das Gerücht, es gäbe im Pechgraben keine Kühe mit »intakten« Schwanzbüscheln ...
Helga Brandl
Helga Brandl
Steyrer Zeitung 30/1993
Eine Verbeugung vor ihrer Heimat »links der Enns« sind die Gedichte der pensionierten Forstwirtin Helga Brandl.
Der Kulturverein »Bunte Steine« hat Helga Brandl anlässlich der Ortsbildmesse 1993 eingeladen, ihre im Selbstverlag herausgegebenen Bücher bei der Ausstellung »Kunst und Kunsthandwerk sichtbar gemacht« aufzulegen.
Ein vielseitiges Talent könnte man Helga Brandl nennen, was sie aber bescheiden lächelnd zurückweist. Neben handwerklichen Fähigkeiten, wie Hinterglas- und Kerzenmalerei, hat sie sich auch schon mit der Holzschnitzerei befasst.
Ihre große Liebe gilt jedoch der Mundartdichtung. In »Gedanken und Erinnerungen. Liebe Heimat« (1989) kehrt sie mit heiteren und wahren Begebenheiten zu den Tagen ihrer Kindheit am elterlichen »Werfner-Gut« zurück. Später, in den Rodelsbach hineingezogen, wuchs sie rasch in ihre Aufgabe als eine der damals noch sehr seltenen Forstwirtinnen hinein. Sie lernte die Strapazen, aber auch die beglückenden Erfahrungen dieses Berufs kennen. Erfahrungen, die in ihren Gedichten zum Ausdruck kommen. »Der Wald«, »Der Rodelsbach« oder »Morgenerwachen« strahlen eine ruhige Zufriedenheit aus.
»Schon als Kind habe ich Märchen geschrieben, aber wie das so ist, haben das meine Eltern nicht ganz ernst genommen, so ist alles in den Papierkorb gewandert.« Eigentlich wollte sie ihre Gedichte nie veröffentlichen, meint Helga Brandl.
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