Alternierende Welten (OUTER-SPACE COMMANDER 10) - Jens Fitscher - E-Book

Alternierende Welten (OUTER-SPACE COMMANDER 10) E-Book

Jens Fitscher

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Beschreibung

Die ZUKUNFT I, einstiges Fernraumschiff der Erde, erreichte den Planeten „Kepler 452b“. Das Schiff wurde durch die Annäherung an einen Neutronensterns weit in die Vergangenheit geschleudert, ohne dass es die Besatzung bemerkte. Luna taufte ihn Eden! In den kommenden Äonen von Jahren wurde aus den einstigen Kolonisten der Erde die Tongva und ihre Welt nannten sie TERSLAR. In einer verschlossenen Energiekammer, tief im Untergrund in der Chron-Bastion Ereškigal verborgen, lagen zwei einst künstlich erzeugte Lebensformen in einer schlafähnlichen Stasis, Liam, eine Lebensform, entstanden aus einem ‚Second Life‘ Spiel und Hyp, das stoffliche Hologramm (Avatar) der Zukunft I, das einst ein eigenes Bewusstsein entwickelt hatte. Es waren Formen von Leben, die sich aus einer Art enthärteter, dunkler Energie entwickelt hatte. Nur diese beiden Entitäten waren in der Lage, Tarik Connar zurück in sein Universum zu senden. Bei der Kontaktaufnahme erlebt Connar im Geiste nochmals ihre Entstehungsgeschichte.

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Seitenzahl: 340

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Jens Fitscher

Jens F. Simon

OUTER-SPACE OMMANDER

- Das Vermächtnis der Sterne-

Alternierende Welten

© 2023 Jens Fitscher/ Jens F. Simon

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid,

Alle Rechte vorbehalten

Sammelband ‚Sternen Commander‘

Bände 37 - 41

1.Auflage

ISBN: 978-3-96674-684-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Welt scheint so zu sein, wie du sie siehst, das glaubst du jedenfalls. Ein normaler Tag beginnt, wie jeder Tag zuvor. Die Wochen und Monate vergehen und erscheinen in deinen Erinnerungen. Dann triffst du eine Person und die Welt, wie du sie kennst, gibt es schlagartig nicht mehr. Alles nur übersteigerte Fantasie, denkst du. Dann kommt es noch schlimmer. Deine Existenz wird infrage gestellt. Dein eigener Intellekt stellt sich gegen dich und du zweifelst vor Gott und fragst ihn: „Wer bin ich, was bin ich, warum bin ich!“

Inhalt

Metamorphose des Geistes

Die Siedler

Neue Welten

Eine neue Erfahrung

Disco-Night

Das Mädchen Luna

Lunas Geheimnis

Die Auswanderung

Im « Sunrise »

Das Generationenschiff

Virtuelle Gefühle

Liebesgeflüster

Der Spiegel

Die neue Welt

Die Simulation einer Illusion

Flucht zurück

Der Spinner

Das Wissen um die Wirklichkeit

In letzter Minute

Ränkespiele

Das Hadronengehirn

Gespaltene Persönlichkeit

Das stoffliche Hologramm

Verliebt

Eifersucht

Die Erkundung

Merkwürdigkeiten

Schwankente Stabilität

Das Erwachen

Die Gefahr

Gefühle

Liams Vorschlag

Überwesen

Die Zukunft hat begonnen

Kepler 452b

Eden

Metamorphose des Geistes

Connars Geist erwachte. Es war, als würde sich ein dichter Schleier, der zuvor sein Bewusstsein vollkommen umwogen hatte, langsam auflösen.

Die einstige Metamorphose seines Körpers waren durch seine Körpernaniten wieder rückgängig gemacht worden.

Damit einhergegangen war wohl auch die Metamorphose seines Geistes. Jedenfalls erinnerte er sich wieder an seine Vergangenheit und an die Ursache seines hier und jetzt; der irgendwie fehlgegangene ‚Distanzlose Schritt‘.

Er befand sich definitive nicht mehr in seinem Universum, in seiner Welt. Connar blinzelte und blickte auf die große Fensterfront, die den beginnenden Tag in einem hellen, bläulich-rosa erscheinenden Himmel zeigte.

Er befand sich im obersten Stock eines Appartementhauses der Regierung von TERSLAR, dessen Gäste er und der Rest der überlebenden vier Menschen der Erde waren.

Nachdem die Chron-Bastion Ereškigal die Mutation von Amanda und Carla ebenso wie zuvor Zenos Mutation, wieder rückgängig gemacht hatte, die Babys, geboren oder noch im Embryostadium, mit einbegriffen, waren den drei Paaren jeweils ein kleines Appartement zur Verfügung gestellt worden.

Erst jetzt begann er langsam zu realisieren, was sich in den letzten Wochen überhaupt zugetragen hatte. Verlegen schaute er auf seine im hier und jetzt existierende Partnerin. Amanda lag mit leicht angezogenen Beinen neben ihm im Bett und schlief tief und fest.

Er konnte deutlich ihre tiefen und regelmäßigen Atemzüge wahrnehmen. Was war eigentlich wirklich geschehen? Seine Erinnerung setzte spontan mit aller Kraft ein.

Connars TochterChloe sagte leise zu ihm: „Tarik, wie geht es jetzt eigentlich weiter? Willst du nicht mit der hiesigen Station Kontakt aufnehmen?“ „Nein. Nicht sofort. Ich denke, ich werde mich nochmals etwas intensiver mit deiner Mutter unterhalten. Sie weiß bestimmt noch einiges mehr über die Planeten-Entitäten, als sie uns erzählt hat, bevor sie so unvermittelt unterbrochen wurde. Ich werde per ‚Distanzlosen Schritt‘ zur OMALLA springen.“ „Ich komme mit!“ „Sei mir nicht böse, aber ich möchte allein mit ihr sprechen. Das verstehst du doch! Sag Sha’hon, wo ich bin. Ich möchte sie jetzt nicht stören!“

Er erinnerte sich noch genau, dass er dann in den ‚Distanzlosen Schritt‘ gewechselt war. Danach war nichts mehr gewesen.

Erst die Schläge, die das schwere Sturmgewehr beim Abfeuern an seiner Schulter verursachten, ließen ihn regelrecht aufschrecken. Erschrocken fühlte er Amandas Hand, die ihn unvermittelt an der Schulter packte und leicht schüttelte.

„Alles klar? Du bist ja total verkrampft. Was ist los mit dir, Tarik?“ Sie war aufgewacht und rutschte jetzt näher zu ihm hin.

Connars Blick schweifte über ihre nackten Brüste, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Auch Amanda hatte sich nach der Rückumwandlung verändert. Sie war regelrecht schüchtern geworden, wenn man ihr früheres Verhalten ihm gegenüber als Vergleich heranzog.

Als sie bemerkte, dass die Decke von ihrem Oberkörper gerutscht war, zog sie diese schnell wieder hoch. Immer mehr Details aus seinem wirklichen Leben strömten durch seinen Geist.

Erinnerungen, die durch die eingetretene Mutation fast völlig verdrängt worden waren, traten jetzt verstärkt in sein Bewusstsein.

Besonders stark war die Erinnerung an Prinzessin Sha’hon. Er konnte jetzt unmöglich mit Amanda über den Sturm der verschiedenartigen Gefühle in seinem Inneren sprechen.

Ebenso wenig war jetzt der Augenblick, um seine wahre Herkunft zu verraten.

Alles in ihm verkrampfte sich, als er versuchte, ihr auszuweichen.

„Ich glaube, ich hatte einen Albtraum. Es ist viel geschehen, seitdem wir die Erde verlassen haben.“

Sie nickte zustimmend und strich dabei langsam über die deutlich erkennbare Wölbung ihres Bauchs.

„Ja, das kannst du laut sagen!“ Natürlich wusste sie nicht wirklich, was Connar gemeint hatte.

Sie dachte an ihre eigenen Erlebnisse, seitdem die ‚Namenlosen‘ Aliens die Erde überfallen und sie vertrieben hatten. Connar erhob sich langsam aus dem Bett und ging in Richtung Nasszelle. Er benötigte dringend eine kalte Dusche.

Amanda schaute ihm nachdenklich hinterher. Sie hatten sich beide wieder verändert.

Die körperliche Metamorphose war rückgängig gemacht worden. Der Geist holperte jedoch noch so vor sich hin.

Die Produktion von Androgenen, Östrogenen und Gestagenen hatte sich schlagartig stark verringert. Amandas Erinnerung an die ‚wilde Zeit‘, wie sie es nannte, verblasste immer mehr und ließ lediglich ein ungutes Gefühl von Scham zurück.

Sie war und blieb jedoch schwanger und das ließ sich nicht verleugnen.

Connars Gedanken beruhigten sich jedoch auch durch die kalte Dusche nicht.

Er fühlte sich immer unwohler in seiner Haut und entschied sich spontan, doch mit jemanden zu sprechen. Es war nicht Amanda, an die er dabei dachte, sondern sein alter Freund Zeno.

Obwohl dieser Zeno hier, in der alternierenden Welt, nicht der Zeno war, den er kannte.

In Connars Welt war Zenos Körper durch eine Chron-Bastion umgewandelt worden.

Er bestand dort aus einer außerirdischen Stahllegierung. Die gleiche Umwandlung hatte seine Partnerin Tarja erfahren.

Dies war geschehen, um dem unausweichlichen Tod zu entfliehen. Hier, in dieser Welt, war Zeno in seinem ursprünglichen Körper von der Chron-Bastion gerettet worden. Seine Partnerin war Seranee, eine Tongva.

Es gab Parallelen, aber trotzdem war alles gänzlich andersartig. Trotz allem wollte Connar jedoch versuchen, mit ihm zu sprechen.

Wir trafen uns in einer kleinen Bar, direkt neben dem Appartement-Tower, indem wir alle untergebracht waren. Zeno sah genauso aus, wie damals, als wir beide uns an der Raumfahrtakademie kennengelernt hatten.

Das war schon eine Ewigkeit her und in einer anderen Welt. Ich vergaß schon wieder, dass dies ein alternierendes Universum war, indem ich mich befand.

„Guten Morgen Tarik. Du warst sehr geheimnisvoll am Visophone gestern Abend. Was gibt es denn so Wichtiges zu besprechen, nach alle dem, was wir bereits erlebt haben?“

Zeno grinste mich genauso an, wie er es immer tat, wenn ihm der Schalk im Nacken saß; jedenfalls in meiner Welt.

„Setz dich erst einmal. Es ist nicht so einfach für mich, meine wirkliche Geschichte zu erzählen.“

Er blickte mich mit gerunzelter Stirn an, während er sich an den Tisch setzte.

„Kannst du dir vorstellen, gleichzeitig mehrmals an verschiedenen Orten zu existieren?“

Meine Frage überrumpelte ihn total, das konnte ich an seiner Mimik deutlich erkennen.

„Wie meinst du das?“ „Nun, es gibt die Wissenschaft der ‚Multiplen Universen‘. Alternierende Welten, die lediglich durch eine kleine, mehrdimensionale Energieschwankung voneinander entfernt sind, sich quasi überlappen. In diesen Welten existieren ebenfalls multiple Zenos, oder Tariks quasi nebeneinander, ohne dass sie etwas voneinander wissen.“

Zeno schaute mich ungläubig an.

„Nein, davon habe ich noch nichts gehört. Warum erzählst du mir davon?“

 Ich traute mich noch nicht, ihm die Wahrheit meiner Odyssee zu erzählen. Stattdessen stellte ich ihm eine weitere Frage.

„Kannst du dir vorstellen, dass du von deiner eigenen Welt in eine andere, alternierende Welt überwechselst?“

„Tarik, sei mir nicht böse, aber erstens weiß ich nicht, was du von mir willst, und zweitens verstehe ich nur Bahnhof.“

Bevor ich zu einer Erwiderung ansetzen konnte, stand er auf und blickte zum Eingang.

„Da kommt Seranee. Ich hatte ihr gesagt, dass wir uns hier zum Frühstück treffen.“

Verwundert schaute ich ihr nun ebenfalls entgegen. Das Gespräch hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Jetzt war es eh zu spät.

„Hallo Tarik, kommt Amanda auch?“

Seranee setzte sich und winkte dem Kellner zu. Mir war der Appetit vergangen. Dieser Zeno war eben nicht der Zeno, den ich aus meiner Welt kannte.

Die Siedler

Die Geschichte der Tongva reichte über tausend Jahre zurück in die Vergangenheit.

Sie waren Siedler von der Erde, die mit dem Fernraumschiff ZUKUNFT I aufgebrochen waren, um eine neue, bessere Welt zu finden.

Was die Besatzung des Schiffes jedoch damals nicht wusste, war die Tatsache, dass das Fernraumschiff durch die extreme Nähe zu einem Neutronenstern weit in die Vergangenheit geschleudert wurde.

In den kommenden Äonen von Jahren wurde aus den einstigen Kolonisten der Erde die Tongva und ihre Welt nannten sie TERSLAR.

In den Jahrhunderten ihrer neuen Existenz auf dem TERSLAR wurden ihnen nicht gewahr, dass der Planet über ein Geheimnis verfügte.

Er war Teil einer galaxisweit errichteten Verzahnung der von den Ellio’sh erbauten TOHIKUM Stationen und Chrom Bastionen.

So existierte verborgen in den Tiefen der Gebirgsregionen die Chron-Bastion Ereškigal. Das einstige Bauwerk der Ellio’sh mit dem quasi-intelligenten Hadronengehirn verfolgte den Wertegang der ehemaligen Auswanderer als unsichtbarere Beobachter.

Niemals griff es in aufflammende Konflikte ein; niemals kamen die neuen Bewohner des Planeten mit der überragenden Technologie der Chron-Bastion auch nur im Geringsten in Berührung.

Jedenfalls bis zu dem Tag, als Wayne-Zeno Uelisch, mehr tot als lebendig, direkt vor einem der verborgenen Eingänge aufgetaucht war.

Connar hatte eine Entscheidung getroffen.

Er würde sich der Chron-Bastion anvertrauen.

Er kannte aus eigener Erfahrung, wozu diese von den Ellio’sh hochgezüchteten Hadronen-Gehirnen fähig waren und welche überragende Technologie ihnen zur Verfügung stand.

Nur sie, wenn überhaupt jemand, konnte ihm helfen, aus dieser verfahrenen Situation herauszukommen.

Er war ein Gefangener in einem alternierenden Universum. Er gehörte hier nicht her.

Sein wirkliches Leben war immer noch in seinem Geist, seinem Bewusstsein vorhanden und er wollte dorthin zurück.

Ein Gedanke schoss ihm urplötzlich durch den Kopf. Was war überhaupt mit seinen besonderen Para-Fähigkeiten passiert?

Der Tarik Connar, der aufgrund der Mutation sein altes Ich vergessen hatte, kannte diese Fähigkeiten nicht mehr.

Er erinnerte sich dunkel daran, dass er in den ‚Distanzlosen Schritt‘, kurz nachdem er in dieser Welt transferiert wurde, versucht hatte zu gehen, aber dass es nicht mehr funktionierte.

Aus dem Bauch heraus konzentrierte er sich spontan und wechselte ohne Probleme in die Grauzone des ‚Distanzlosen Schritts‘. Er stand immer noch an der gleichen Stelle, jedoch war für ihn das Energieniveau des hiesigen Standartuniversums um weniger Quanten verschoben worden.

Er befand sich quasi in einer Art Zwischenraum, für niemanden anders mehr sichtbar.

Sein Herz machte einen Sprung. Kurz danach kam die Erkenntnis, dass es ihm trotzdem verwehrt war, zurück in sein Universum zu wechseln.

Jedenfalls war es mit einem einfachen ‚Distanzlosen Schritt‘ nicht getan.

Tarik Connar handelte kurz entschlossen und ohne noch viel zu überlegen.

Er wechselte in den ‚Distanzlosen Schritt‘ und stand Sekunden später innerhalb der Krankenstation der Chron-Bastion Ereškigal.

Er hatte sich diesen Ort besonders gemerkt, als er dort schon einmal als Hologramm vor Zeno gestanden hatte. Ereškigal reagierte sofort, als so überraschend ein Eindringling in seinen Gefilden erschien; der betreffende Krankentrakt wurde durch ein mehrfach gestaffeltes Energiefeld abgetrennt und vollständig isoliert.

Gleichzeitig tönte die synthetische Stimme des Hadronengehirns über Außenlautsprecher: „Sofortige Identifikation erforderlich. Die Art und Weise des unerlaubten Eindringens ermächtigt mich zur sofortigen Eliminierung.“

Es dauerte weniger als eine Sekunde, als die Stimmer erneut zu hören war. Connar wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen.

„Eindringling wird als der Erdenmensch Tarik Connar anhand seiner gespeicherten Mitose-Strahlung erkannt. 

Aufgrund der positiven Einstufung wird auf eine sofortige Eliminierung verzichtet. Tarik Connar, erkläre dich.“

Ohne Umschweife begann Connar zu reden: „Ich bin Commander Tarik Connar, Hochrangbevollmächtigter und Vermächtnisnehmer der Ellio’sh. Träger der ‚Alten Kraft‘, der ultimative Beweis meiner Autorisierung!“

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als Connar bereits zu einer Demonstration seiner Fähigkeiten ansetzte. Er ließ die beiden Roboter, welche nach dem Alarm am Eingang erschienen waren, kurzerhand zu Decke schweben.

Dies musste der Chron-Bastion genügen, um seine paranormalen Kräfte anzumessen. Die Reaktion Ereškigals kam dementsprechend auch sofort.

Als die beiden Roboter wieder Bodenkontakt hatten, verließen sie augenblicklich das Zimmer. „Zwecks Überprüfung werden die Alt-Datenspeicher reaktiviert. Ich habe galaxisweiten Zugriff auf sämtliche von den Ellio’sh erbauten TOHIKUM Stationen und Chrom Bastionen, sowie den Hinterlassenschaften des Volkes der Kshatriyas. Der Ruf ist ergangen. Die Zeitspanne der Informationseinholung ist nicht berechenbar. Commander, sie werden gebeten, bereits jetzt ihr Ansinnen vorzutragen. Die Verifizierung Ihrer Autorisierung erfolgt, sobald genügend Daten vorliegen.“

Connar hatte sich auf den Rand des Betts gesetzt. Nur kurz wunderte er sich darüber, dass die Chron-Bastion anscheinend davon ausging, dass er ein Anliegen hatte.

Aufgrund der merkwürdigen Art und Weise seines Erscheinens hatte das Hadronengehirn wohl diesbezüglich eine Wahrscheinlichkeitsberechnung erstellt.

Er versuchte nachzudenken. Wo sollte er mit seiner Geschichte beginnen?

„Hast du Kenntnis über die elementare Gesetzmäßigkeit von ‚Alternierende Universen‘ oder ‚Alternierende Welten‘?“

Connar wollte zunächst wissen, ob es überhaupt Sinn machte, mit Ereškigal über seine Herkunft zu sprechen. Gab es ein Grundverständnis zu physikalischen Vorgängen innerhalb dimensional übergeordneten Räumen oder nicht.

„Die physikalische Möglichkeit von alternierenden Welten ist mir bekannt. Die Grundsatzforschungen der Ellio’sh wurden hier jedoch nicht mehr abgeschlossen. Es ist nur ein theoretischer Ansatz übriggeblieben.“

Die Aussage der Chron-Bastion ließ meine Hoffnung, jemals wieder in mein angestammtes Universum zurückzugelangen, bis ins bodenlose schwinden.

Wenn die Ellio’sh lediglich theoretische Modelle zu alternierenden Universen entwickelt hatten, konnte ich getrost jegliche Möglichkeit vergessen, zurückzugelangen.

Mein Körper reagierte mit einem kurzen, aber heftigen Schweißausstoß. Selbst meine Körpernaniten konnten die von meinem Gehirn ausgelöste Erzeugung von Stresshormonen nicht sofort unterbinden. „Die ‚Alten Kraft‘ befähigt mich unter anderem dazu, einen sogenannten ‚Distanzlosen Schritt‘ zu machen. Dabei wechselt mein Körper in einen Subraum, also ein höherdimensionale Kontinuum, das neben dem normalen Einstein-Raum existiert. In diesem Subraum gibt es keine räumliche Grenzen und ich kann mich damit durch reine mentale Kraft sozusagen zeitlos überall hinbewegen. Durch solch einen ‚Distanzlosen Schritt‘ bin ich hier in diese Krankenstation gelangt.“

Ich holte tief Luft. „Diese Transportart war wohl auch mitschuldig daran, dass ich in diese für mich alternierende Welt geraten bin.“

„Die theoretischen Ansätze sind mir bekannt!“

Genau das war mein Problem. Die Chron-Bastion sprach von ‚theoretischen Ansätzen‘.

„Du hast mich falsch verstanden. Es ist eine Tatsache, dass ich aus einem anderen, alternierenden Universum, stamme. Und genau dorthin möchte ich wieder zurück!“

„Was genau ist dein Ansinnen?“

Ereškigal begann mir meinen letzten Nerv zu rauben.

Bevor ich auf die letzte Frage antworten konnte, fiel die Chron-Bastion mir ins Wort.

„Verifizierung Ihrer Autorisierung. Die erfolgten Angaben wurden soeben von elf TOHIKUM Stationen und fünf Chrom Bastionen bestätigt. Weitere Rufeingänge sind noch offen, werden jedoch zur endgültigen Verifizierung nicht mehr benötig. Willkommen Commander Tarik Connar, Hochrangbevollmächtigter und Vermächtnisnehmer der Ellio’sh. Träger der ‚Alten Kraft‘. Ihre Klassifizierung als ‚vollständig weisungsbefugt‘ wurde soeben in allen meinen Systemen hinterlegt. Erbitte Ihre Anweisungen.“

„Gibt es eine Möglichkeit, dass ich in mein Universum zurückversetzt werden kann? Nutze deine volle Rechenkapazität.“

Ich wusste tatsächlich nicht mehr weiter. Natürlich war eine solche Fragestellung völliger Blödsinn. Auch das Hadronengehirn einer Chron-Bastion würde damit nicht viel anfangen können. Aber was blieb mir schon?

„Die Verbindung der energetisch höherdimensionalen Energieform des sogenannten ‚Distanzlosen Schritts‘ in Verbindung mit den vorliegenden, theoretischen Ansatzformen eines ‚alternativen Universums‘ ist nicht nachprüfbar. Eine Analyse des Geschehens anhand der verfügbaren Grundsatzdaten ergibt jedoch, dass eine weitere, unbekannte Energieform zwingend notwendig war, um die Grenzen des übergeordneten Subraums zu überschreiten. Der ‚Distanzlose Schritt‘ war dafür nicht alleinig ausschlaggebend.“

Als ich dies hörte, musste ich mehrmals kräftig schlucken. Damit war ich wohl für immer an dieses Universum gebunden und würde meine Familie niemals wiedersehen.

Ich dachte zuerst an Chloe und Carolin. Meine weiteren Gedanken schweiften um meine Erlebnisse mit Prinzessin Sha’hon.

Sofort machte sich eine gewisse Resignation bemerkbar.

Ich ließ mich rückwärts auf das Bett fallen und schloss kurz die Augen. Meine Gedanken spielten Ping-Pong mit mir. Sie sprangen von Amanda über Carolin zu Sha’hon und dazwischen blitzten immer wieder Bilder von meiner Tochter Chloe auf.

„Was für ein Durcheinander“, dachte ich noch, als die akustische Stimme der Chron-Bastion Ereškigal mich lautstark aus dem beginnenden Gedankenchaos befreite.

„Verschlusssache ‚Second Life‘ wurde aufgrund Ihrer ausgewiesenen Berechtigung und der erfolgten Eingruppierung in die oberste Sicherheitsstufe aktiviert und wird Ihnen, Commander Connar, umgehend zu Verfügung gestellt.“

„Second Life?“ Damit konnte ich nichts anfangen. Was sollte das nun wieder sein?

Ich stellte die entsprechende Frage laut, setzte mich wieder auf und rutschte vor auf die Bettkante.

„Es betrifft die Entstehungsgeschichte der hiesigen Lebensform. Die Geschichte des Volks der Tongva geht zurück bis auf die Besiedlung dieses Planeten durch Aussiedlern des Planeten Erde. Einst kamen sie mit dem Fernraumschiff Zukunft I. In diesem Raumschiff befanden sich jedoch ebenso zwei gänzlich andersartige Lebensformen.“

Als die Chron-Bastion kurz schwieg, versuchte ich herauszufinden, wieso sie mir diese Geschichte erzählte.

Bevor ich diesbezüglich eine Frage stellen konnte, begann Ereškigal weiter zu berichten.

„In einer verschlossenen Energiekammer, an der tiefsten Stelle von mit, liegen zwei einst künstlich erzeugte Lebensformen in einer schlafähnlichen Stasis. Liam, eine Lebensform, entstanden aus einem ‚Second Life‘ Spiel sowie Hyp, das stoffliche Hologramm, der Avatar der ZUKUNFT I, das einst ein eigenes Bewusstsein entwickelt hat. Es sind Formen von Leben, das sich einst aus einer Art entarteter, dunkler Energie entwickelt hatte.“

Mein Bauch machte sich unvermittelt bemerkbar. Erst ein Stich, dann durchzuckte mich ein starker Schmerz.

Ich krümmte mich zusammen dann war auch schon wieder alles vorbei. Mein Bauchgefühl hatte sich seit langem wieder einmal gemeldet. Das hatte etwas zu bedeutet.

„Inwieweit ist diese Information für meine momentane Lage von Bedeutung?“

Die von der Chron-Bastion übermittelten Informationen erregten schon mein Interesse, jedoch konnte ich sie nicht wirklich zuordnen.

„Nach Abgleich aller mir zu Verfügung stehenden Daten wurde eine Analyse Ihrer Situation erstellt. Die von Ihnen freigesetzte Mitose-Energie-Emission bei der Rematerialisation aus dem ‚Distanzlosen Schritt‘ ist affin mit den beiden in Stasis befindlichen Energieformen. Die Wahrscheinlichkeitsberechnung ergibt einen Wert von 49 Prozent, dass nur diese Entitäten in der Lage sind, sie in Ihr angestammtes Universum zurückzuschicken.“

Die Bombe war geplatzt. Ich musste tief durchatmen.

Ein leichter Schweißausbruch schüttelte mich, dann hatten meine Körpernaniten wieder alles unter Kontrolle.

Ich hatte mich tatsächlich damit abgefunden, für immer hier in dieser alternierenden Wirklichkeit zu bleiben. Nun kam wieder etwas Hoffnung auf. Es war nur diese Ambivalenz, die mir tatsächlich in diesem Moment Probleme bereitete.

„Ist es möglich, diese Entitäten zu wecken, ohne dass sie zu einer Gefahr für das Volk der Tongva werden?“

„Es war Liam und Hyp überhaupt erst zu verdanken, dass die ZUKUNFT I diesen Planeten erreichte. Es kam zu einer sehr gefährlichen Begegnung mit einem Neutronenstern. Nur sie waren in der Lage, das beschädigte Schiff und damit die Menschen zu retten. Die Wahrscheinlichkeit einer Gefahrenlage durch diese Entitäten liegt nahezu bei null Prozent.“

Ich ließ mich langsam vom Bettrand zu Boden gleiten, als sich die Zimmertür öffnete und unvermittelt wieder ein Roboter vor mir stand.

„Folge dem Diener. Er bringt dich zur ‚Kammer der Entitäten‘.“

Eine leichte Nervosität machte sich jetzt doch bemerkbar. Es war wohl meine einzige Möglichkeit, jemals wieder zurück in mein originäres Leben zu gelangen.

Was würden die beiden Entitäten dazu sagen? Würden sie mich verstehen? Würden sie mir überhaupt helfen wollen?

Der Roboter führte mich zu einem Gravo-Lift; eine Röhre, in die etwa vier Personen nebeneinander passten. Man konnte die Schwerkraft vektoriell einstellen, ob nach oben oder nach unten.

Ich folgte dem ‚Diener‘ und es ging abwärts. Meine Füße befanden sich direkt über seinem Kopf. Es bedurfte schon einiger Übung, im Sog der Schwerkraft nicht zu straucheln.

Aber ich war es von den Ellio’sh-Raumschiffen bereits gewöhnt.

Dort waren diese Art von Gravo-Röhren ebenfalls massenweise verbaut.

Es war schon komisch, es ging mir alles Mögliche durch den Kopf, nur das naheliegende, nämlich die Begegnung mit zwei völlig andersartig gearteten Lebensformen, war nicht dabei.

Unvermittelt stand ich vor einem dunkelgrauen Stahltor. Feine, silbergraue Energiefäden ästelten an den Rändern entlang. Es roch leicht nach Ozon.

„Ich benötige von Ihnen als Vermächtnisträger der Hinterlassenschaften der Ellio’sh den eindeutigen Befehl zur Öffnung des Eingangs und Reaktivierung der Aufweckanlage der in Stasis befindlichen Entitäten“, erklang die mentale Stimme in meinem Kopf.

Der Roboter war, ohne dass ich es bemerkt hatte, wieder verschwunden.

„Öffne den Eingang und erwecke die Entitäten!“ Ich hatte die Anweisung noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da begann sich der stählerne Eingang vor mir zu bewegen. Die Energiefäden verschwanden und das Tor bewegte sich ruckartig nach innen. Licht flammte auf und ein modriger Geruch drang mir in die Nase.

Langsam bewegte ich mich durch den nun offenstehenden Eingang. Der Raum dahinter schien leer zu sein.

Ich konnte nur blanke Wände erkennen. Die Raummaße schätzte ich auf zehn mal zehn Meter.

Die Decke war nicht zu erkennen. Vielmehr verschwammen die Konturen nach etwa fünf Metern vollkommen.

Bevor ich eine Frage nach dem Vorhandensein der beiden Entitäten an die Chron-Bastion stellen konnte, geschah es. Inmitten des Raums, keine drei Meter von mir entfernt, schälten sich Konturen aus dem Nichts. Sie verdichteten sich zu zwei schwebenden, in horizontaler Lage befindlichen Personen.

In meinem Kopf explodierte eine ultrahelle Lichtquelle und ich fiel zu Boden.

Dann begann vor meinem geistigen Auge eine Art dreidimensionaler Film abzulaufen und ich wurde Zeuge eines lang vergangenes Ereignis. Ich sah einen Jungen über einen Feldweg laufen. Dann versank ich komplett in das Geschehen.

Neue Welten

Auf der Suche nach bewohnbaren Welten in den Tiefen des Alls wird im Jahre 2015 durch die US-Weltraum-Organisation NASA eine elektrisierende Neuigkeit verkündet: „Die Erde hat in einer anderen Galaxie einen Doppelgänger.“

Im Sternenbild des Schwan hat die NASA unter der Bezeichnung „Kepler 452b“ einen erdähnlichen Planeten entdeckt.

Der Chef des Forschungsteams sprach begeistert von einer „Erde 2.0“. Kepler 452b befindet sich etwa 1400 Lichtjahren von der Erde entfernt, ist aber nach vorläufigen Erkenntnissen, die uns am nächsten liegende lebensfreundliche Welt außerhalb unseres eigenen Sonnensystems.

Das in knapp 70 Millionen Kilometer von der Erde entfernt installierte Weltraumteleskops „Kepler“ entdeckte den erdähnlichen Planeten.

Auf die Frage eines Journalisten, ob man Kepler 452b anfliegen könnte, musste der Chef des SETI-Instituts im kalifornischen Mountain View kurz hell auflachen.

„Meine Damen und Herren von der Presse. Wir haben bisher wenig Erfahrung im Bau von bemannten Raumschiffen. Aber selbst, wenn es uns gelänge, einen Antrieb zu erfinden, der das Schiff auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen könnte, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis dieses Schiff Kepler 452 b erreichen würde. Glauben Sie mir, das Wissen um die Existenz von Kepler 452b ist das eine, aber die Ausführung eines interstellaren Fluges ist ganz etwas anders. Dieses Projekt dürfte etwas für unsere Kinder und Kindeskinder sein.“

Eine neue Erfahrung

Der Sommerabend war lauwarm. Liam ging langsam den kleinen Trampelpfad entlang, den tagsüber die Bauern mit ihren Tieren benutzten. Er hätte auch die asphaltierte Straße nehmen können, aber der Pfad war der direkte Weg und führte über eine kleine Lichtung zu dem Elternhaus von Ben.

Der Mond war bereits aufgegangen, obwohl es noch nicht ganz dunkel war. Liam schaute auf seine Armbanduhr.

Es war gerade neunzehn Uhr geworden. Jetzt schlug auch bereits die Kirchturmuhr. Er zählte automatisch jeden Schlag mit. Es waren genau sieben Schläge, was auch sonst.

Liam musste innerlich grinsen. Das Gartentor stand sperrangelweit offen, als er an dem alten Bauernhaus ankam. Ben hatte ihm erzählt, dass sein Elternhaus eines der ältesten Häuser überhaupt im Dorf war.

Liams Eltern waren vor neun Jahren zugezogen. Das Dorf hatte mittlerweile auch ein Neubaugebiet bekommen, trotzdem blieb es immer noch ein kleines Dorf mit seinen 312 Einwohnern. Er wusste nicht wirklich, warum seine Eltern sich hier niedergelassen hatten, schließlich lag das Dorf über fünfzehn Kilometer von der nächstgrößeren Stadt entfernt und ohne einen Wagen war man regelrecht aufgeschmissen.

Liam besuchte die zehnte Klasse der Leo-Sternberg-Realschule. Er war gerade 17 Jahre alt geworden, sah aber mindestens zwei Jahre älter aus. Seine Eltern hatten bestimmt, dass er nach den Sommerferien auf ein Gymnasium wechseln sollte, um dann in drei Jahren sein Abitur zu machen.

„Ohne Abitur kannst du heute deine weitere berufliche Zukunft an den Nagel hängen“, hatte sein Vater im gesagt.

Heute, das war das Jahr 1977.

„Wir haben über eine Million Arbeitslose und die geburtenstarken Jahrgänge drängen in den nächsten Jahren zusätzlich auf den Arbeitsmarkt.“

Sein Vater machte sich über ungelegte Eier sorgen, so Liams Meinung.

Er wäre viel lieber nach der zehnten Klasse von der Schule abgegangen, schließlich war ein guter Realschulabschluss auch etwas. Um auf das Gymnasium zu wechseln, benötigte er eine zweite Fremdsprache. Diese war aber bisher auf der Realschule ziemlich vernachlässigt worden.

Wie sollte das wohl funktionieren? Er schüttelte nur den Kopf. Als er jetzt die kleine, mit rundem Kopfsteinpflaster angelegte Zufahrt des Gehöfts entlang ging, hörte er laute Discomusik.

Sie kam aber nicht aus dem Wohnhaus, sondern von weiter rechts. Dort stand die große Scheune, in der die Heuballen für den Winter gestapelt wurden.

Liam kannte sich aus, da er in den vergangenen Jahren mehrmals beim Heueinbringen geholfen und sich so sein Taschengeld etwas aufgebessert hatte.

Ganz deutlich konnte er die Gruppe Baccara mit dem Lied „Yes Sir I Can Boogie“ hören. Sie rangierte seit Wochen in den Charts ganz oben und selbst im Radio spielten sie den Song fast täglich.

Silas, einer der Jungs vom Dorf, hatte ihm verraten, dass die Jugendfeuerwehr zu Bens Geburtstag eine ganz besondere Überraschung geplant hatte. Lautes Lachen drang ihm dumpf aus dem Inneren entgegen, als Liam auf das geschlossene Scheunentor zuging.

Wie es sich anhörte, hatten sich schon einige von Bens Feuerwehrkameraden eingefunden.

Die Geburtstagsparty würde also in der Scheune stattfinden. Das riesige, aus zwei Teilen bestehende Tor, war geschlossen.

Gerade als er auf die rechte Torhälfte zuging, in der nochmals eine normale, kleinere Tür integriert war, öffnete sich diese und zwei Jungs kamen heraus.

Sie waren gerade dabei, sich eine Zigarette anzuzünden. Natürlich war in der Scheune mit dem vielen trockenen Stroh das Rauchen verboten.

„Hallo“, grüßte Liam kurz, als sie ihn vorbeiließen. Sie nickten ihm nur zu.

Er kannte sie nicht. Sie gehörten wohl zur Feuerwehr. Ein Höllenlärm schallte ihm entgegen, als er nun durch die kleine Tür in die Scheune gelangte.

Liam blieb zunächst stehen, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen.

Mitten in dem länglichen Raum standen zwei massive Holzböcke, auf denen etwa drei Meter lange Holzbohlen lagen. Auf ihnen standen die Musikanlage, zwei Plattenspieler und das Tapedeck. Die Front, - und Effektlautsprecher waren gleichmäßig im Raum verteilt. Ein dicker Subwoofer stand mitten zwischen den Böcken unter den Holzbohlen.

Direkt am Aufgang zum Heuboden standen mehrere Tische mit weißen Papiertischdecken, auf denen die Getränke und das Knabbergebäck platziert waren.

Es herrschte bereits eine ausgelassene Stimmung. Liams Blicke suchten Ben.

Er konnte ihn aber nirgends ausmachen, obwohl erst wenige Partygäste anwesend waren und er einen guten Überblick hatte.

Er stand etwas ratlos an der Scheunentür und blickte auf das Geschenk in seiner Hand. Es war nicht billig gewesen, sein Geschenk für Ben. Liams Mutter hatte ihn deswegen auch gerügt.

„Wie kannst du nur für so einen Unsinn so viel Geld ausgeben“, hatte sie ihn angepflaumt. Liam musste zugeben, dass er auch selbst mit diesen neuartigen Spielen nicht viel anfangen konnte.

Ben hatte ihm erzählt, dass er sich einen funkelnagelneuen Heimcomputer zugelegt hatte, einen Commodore PET 2001.

Liam hatte ihn daraufhin ungläubig und etwas ratlos angeschaut. Was war, bitte schön ein Heimcomputer? Ben präsentierte ihm das Monstrum, als wäre es ein Schatz.

Es sah sehr utopisch aus und erinnerte Liam irgendwie an den Arbeitsplatz von Lt. Uhura, in der Fernsehserie ‚Raumschiff Enterprise‘, deren Ausstrahlung zurzeit wieder einmal wiederholt wurde. Der Commodore PET 2001 besaß links neben der riesigen Tastatur ein Laufwerk.

Das Computerspiel Zork bestand aus genau drei Datenkassetten, die dort eingesetzt werden konnten.

Liam hatte lange überlegt, ob er Ben damit überhaupt eine Freude machen konnte.

Nachdem dieser aber immer öfters von seinem Computer geschwärmt hatte, schien ihm solch ein Geschenk mehr als angebracht zu sein. Liam ging langsam weiter in den Raum hinein, als er unvermittelt eine Berührung an seiner Schulter spürte.

Hinter ihm stand Ben.

„Herzlichen Glückwunsch!“ Liam überreichte ihm das Päckchen und beobachtete ihn dabei, wie er mit leicht hochgezogenen Augenbrauen das Geschenkpapier entfernte.

„Man Liam, das ist mal ein Geschenk.“

Er schaute tatsächlich nicht nur überrascht, sondern mit beginnender Begeisterung auf die drei Einzelschachteln mit den Spielkassetten.

„Da hast du voll ins Schwarze getroffen. Vielen Dank!“

Ben legte ihm freundschaftlich den Arm um die Schulter und zog ihm mit sich in Richtung Getränke.

„Darauf stoßen wir an!“

Ben fragte ihn erst gar nicht, was er trinken wollte, sondern füllte zwei Gläser mit Eiswürfel und goss Bacardi darüber. Dann drückte er ihm ein Glas in die Hand.

„Cheers!“

Liam nickte Ben zu und nippte lediglich am Glas. Er mochte den Alkohol nicht. Ihm war schon aufgefallen, dass unter seinen Freunden und Bekannten viel getrunken wurde.

Er versuchte sich dabei immer etwas herauszuhalten und war bereits mehrmals als Spielverderber oder Spaßbremse tituliert worden. Plötzlich war eine laute Feuerwehr Sirene, ein sogenanntes Martinshorn, von außerhalb der Scheune zu hören.

„Das ist bestimmt meine Staffel. Die wissen doch, dass sie die Sirene nur im Einsatz einsetzen dürfen. Die machen mir noch die gesamte Nachbarschaft rebellisch.“

Ben leerte sein Glas in einem Schluck und stürmte aus der Scheune. Liam blickte ihm neugierig hinterher.

Gerade als hinter Ben die kleine Tür im Scheunentor zufiel, wurde es auf dem Zwischenboden der Scheune laut.

Von dort oben, wo das Heu zum Trocknen ausgelegt war, hörte man laute Worte und dazwischen Frauengelächter herunterschallen. Liam erkannte mehrere Jungs und zwischen ihnen zwei junge Frauen. Sie kämpften sich durch die Strohballen hindurch auf die einzige Leiter zu, die nach unten führte. Zwei der Jungs trugen Feuerwehrjacken.

Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Mit wachsender Aufmerksamkeit verfolgte er, was nun geschah.

Die Jungs warfen, noch bevor sie an der Leiter herunterstiegen, mehrere Strohballen runter. Sie landeten etwas seitlich neben der Musikanlage. Sofort stürzten sich dort andere auf die Ballen und fingen an, sie auseinanderzureißen.

Mit einem Mal herrschte eine rege Betriebsamkeit in der Scheune. Von draußen kamen weitere Jungs herein. Sie trugen ebenfalls die blauen Feuerwehrmonturen und halfen das Stroh kreisförmig zu verteilen.

Die beiden jungen Frauen zogen Liams Blick wie magisch an. Sie waren nur spärlich bekleidet.

Sie trugen schwarze Leder Hotpants und darüber ein lila Top und sie waren tatsächlich barfuß.

Jetzt zogen sie sich einen langen, grauen Trenchcoat über, während einer der Jungs in Feuerwehrmontur die Musik ausschaltete.

Es wurde schlagartig ruhig. Liam stand immer noch am Getränketisch. Er konnte sich zunächst keinen Reim auf all das machen.

„Sag mal, was habt ihr eigentlich vor?“ Liam erkannte Jasper, er war etwa im gleichen Alter wie er und wohnte in der Nachbarschaft.

Jasper machte eine Lehre als Steinmetz, soviel wusste er von seiner Mutter. Sie war immer gut informiert, was so im Dorf geschah. Jasper holte gerade mehrere Flaschen Bier aus der Kiste unter dem Tisch hervor.

„Du wirst dich wundern, sag ich dir. Lass dich einfach überraschen und genieße die Aufführung. Ist eine Geburtstagsüberraschung von den Jungs für Ben!“

Liam nickte nur und beobachtete weiterhin die beiden jungen Frauen. Sie tuschelten miteinander und dazwischen hörte er immer wieder ein lautes Kichern.

Sie standen jetzt inmitten des Strohkreises und schienen auf etwas zu warten. Am Scheunentor wurde es laut und Liam konnte Bens Stimme hören.

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Die Beleuchtung ging bis auf zwei Strahler aus, die auf den Strohkreis mit den Damen gerichtet waren. Ben kam gerade durch die Tür. Er schien etwas wütend zu sein und blieb kurz stehen, als Joe Cocker begann, „You can leave your head on“ zu trällern.

Jetzt betraten auch seine Kameraden die Scheune, die ihn draußen anscheinend noch so lange aufgehalten hatten, damit man im Inneren die Vorbereitungen abschließen konnte.

Alle Augen waren auf Ben gerichtet und auf den Strohkreis, wo jetzt zwei Frauen begannen, sich den Trenchcoat vom Leib zu reißen und sich weiter auszuziehen.

Der Striptease war im vollen Gange. Langsam entledigten sich die Damen zuerst ihrer Oberteile, gefolgt von den Hotpants.

Darunter trugen sie einen sehr aufreizenden Soft-BH, der mehr zeigte als er verhüllte und einen ebenfalls durchlöcherten String Tanga.

Sie bewegten ihre Körper provokativ lasziv im Rhythmus des Songs. Dann begannen sie sich gegenseitig zu streicheln.

Liam wusste in diesem Moment vor Verlegenheit nicht, wohin er schauen sollte.

Einerseits zogen die Tänzerinnen seinen Blick wie magisch an, anderseits schämte er sich dafür, dass sein Körper auf die Reize zu reagieren begann.

Aus den Augenwinkeln heraus versuchte er die anderen Jungs zu beobachten und atmete erleichtert auf, als er sah, dass diese ähnlich wie er reagierten. Er nahm einen großen Schluck aus dem Glas, das er immer noch in der Hand hielt und der Bacardi schoss wie glühende Lava durch seine Kehle und hinterließ ein starkes Brennen.

Ben stand etwa drei Meter vor dem Strohkreis und wirkte regelrecht erstarrt.

Er sagte etwas zu seine beiden Kameraden, die neben ihm standen, was Liam nicht hören konnte, dazu war die Musik zu laut.

Eine der beiden Tänzerinnen löste ihren BH und streifte ihn unter lautem Grölen der Anwesenden langsam ab.

Mit wiegenden Schritten ging sie auf Ben zu. Liam bestaunte ihren makellosen Körper, und als sie Ben erreicht hatte, begann sie sich vor ihm zu rekeln und zu posieren.

Dabei berührten ihre Hände immer wieder wie zufällig Bens Körper. Mittlerweile hatte die zweite Tänzerin ebenfalls ihren BH ausgezogen und weit von sich geworfen. Er landete direkt vor Liam auf dem Boden.

Mit großen Augen beobachtete er, wie sie sich nun ebenfalls an Ben heranpirschte und sich mit ihrem fast nackten Körper an ihm zu reiben begann.

Es war das erste Mal, dass er den sonst so abgebrühten Ben in einer Lage sah, die ihn völlig überforderte.

Mit hochrotem Kopf versuchte er, den lasziven Berührungen der beiden Damen zu entgehen, was ihm aber nicht wirklich gelang.

Seine Kumpels schrien immer wieder dumme Ratschläge und Anzüglichkeiten.

Liam sah sich das Ganze noch ein paar Minuten an, ging dann zügig auf die Musikanlage zu und zog den Stecker.

Die sofort einsetzende Stille ließ alle erstarren. Die Tänzerinnen nutzten die Gunst der Stunde und zogen sich zurück.

„Spielverderber, Armleuchter“, hörte Liam die Kommentare einiger Jungs.

„Ihr habt euren Spaß gehabt, jetzt reicht es aber!“ Ben ging auf Liam zu, der immer noch neben der Musikanlage stand, und legte eine andere Platte auf.

„Nimm es ihnen nicht für Übel und danke nochmals.“

Liam wusste nicht so recht, ob er das Geschenk meinte oder dass er die Anlage ausgeschaltet hatte.

Sein Blick fiel auf die beiden jungen Frauen, die dabei waren, sich wieder anzuziehen.

„Eigentlich schade!“ In seinen Gedanken versuchte er sich vorzustellen, was wohl weiter geschehen wäre, wenn er nicht den Stecker gezogen hätte. Jetzt war es dafür zu spät.

Disco-Night

Die Diskothek Sunrise war der angesagteste Diskoschuppen in der ganzen Gegend. Ben hatte von seinen Eltern letzte Woche zu seinem achtzehnten Geburtstag einen alten Opel Kadett geschenkt bekommen. Den Führerschein hatte er schon ein Vierteljahr zuvor bestanden.

Ben hatte bereits vorher Fahrerfahrungen gesammelt, da er seit Jahren den Traktor seines Vaters fuhr, wenn er ihm auf dem Feld bei der Ernte half.

Sie fuhren durch das offenstehende Doppelflügeltor auf das Betriebsgelände der Diskothek. Langsam rollte Bens Wagen an dem hell erleuchteten Eingangsportal vorbei.

„Ist noch nicht viel los. Wir hätten ruhig auch eine Stunde später losfahren können!“

Silas schlechte Stimmung war ihnen bereits auf der ganzen Fahrt aufgefallen. Er saß auf dem Beifahrersitz, während Liam und Mika im Fond Platz genommen hatten.

Für Liam war es das erste Mal, dass er eine Diskothek besuchte und das auch nur, weil ihn der fünfzehnjährige Mika dazu überredet hatte. Zwischen ihnen beiden bestand ein besonderes Verhältnis.

Das heißt, es war wohl doch nur ein einseitiges Verhältnis.

Liam und Mika kannten sich bereits vom Kindergarten her und Mika war seit jeher ziemlich schüchtern und ängstlich. Sie hatten sich aus den Augen verloren, da sie auf verschiedene Schulen gewechselt waren und Liam dazu noch umgezogen war. Erst vor einigen Wochen hatten sie sich wieder getroffen und Mika hing seitdem an ihm, wie eine Klette.

Der Wagen wechselte von der asphaltierten Fläche auf Schotter. Auf dem Gelände, das dem Eigentümer der Diskothek Sunrise gehörte und auf dem ebenfalls sein Wohnhaus stand, gab es einen Parkplatz, der für die Diskothekenbesucher reserviert war.

Ben bremste etwas hart und der Wagen rutschte auf dem Schotter und wäre fast in den einzigen anderen Wagen, der hier schon parkte, hineingeschlittert.

„Pass doch auf. Mir ist bereits schlecht!“

Silas Aufforderung wurde von Ben nur mit einem feinen Grinsen beantwortet.

Der Wagen war einen halben Meter vor dem anderen zum Halt gekommen.

„Sitzenbleiben, bis das Triebwerk zum Stillstand gekommen ist“, hörte Silas ihn noch sagen. Er wollte gerade die Wagentür öffnen, um auszusteigen.

Ben legte den Rückwärtsgang ein und gab nochmals Vollgas. Der Wagen schlingerte im Schotter und die Vorderräder drehten durch.

Eine ganze Anzahl kleinere Steine prasselten gegen die linke Seite des fremden PKW, dann drehte Ben mit einem gekonnten Handschlenker den Zündschlüssel herum und zog ihn aus dem Schloss.

„Endstation. Raus mit euch müden Kriegern. Lasst uns Party machen.“

Liam beobachtete erstaunt Ben. Er erschien ihm auf einmal total verändert.

Die Eingangstür war nur angelehnt, trotzdem ließ sie sich nur schwer aufziehen.

Der am oberen Türband befestigte Türschließer war defekt, sodass er bei jeder Bewegung des Türblattes versuchte, der Bewegung entgegenzuwirken. Demzufolge tat er auch nicht mehr das, wofür er konstruiert worden war, nämlich die Eingangstür selbsttätig wieder zu schließen.

„Silas, zieh die Tür hinter dir zu!“

Ben war als Erster eingetreten, gefolgt von Liam. Rechts neben der Eingangstür stand ein kleiner Tisch. Auf ihm befand sich ein brauner, verschließbarer Kassenbehälter und hinter dem Tisch saß Petra, die Tochter des Inhabers. Natürlich kostete der Eintritt Geld. Dafür bekam man aber auch einen Getränke Bon.

Neben der Kasse konnte Liam ein ebenfalls braunes Kofferradio erkennen. Er zuckte sichtlich betroffen zusammen, als Ben die Tochter des Diskothekenbesitzers zu sich heranzog, in den Arm nahm und küsste.

Auch Mika und Silas klotzten nur und zeigten dabei einen recht dümmlichen Gesichtsausdruck.

Alle drei hatten augenscheinlich nicht gewusst, dass Ben eine Freundin hatte.

Es war still im Raum, da der DJ noch nicht anwesend war und selbst die Diskothekeninnenbeleuchtung, Discokugeln und Laserlicht waren noch nicht eingeschaltet. Der Raum wirkte kalt und ungemütlich.

„Heiko kommt etwas später“, sagte Petra gerade als Ben sie losließ.

„Dann mach wenigstens das Radio an, wenn der DJ schon zu spät kommt! Das hier ist doch eine Disco!“ Ben grinste Liam an, der immer noch starr neben dem Tisch stand und drückte auf einen Knopf am Radio.

„Es folgt die Zusammenfassung der Ereignisse um die Entführung. Am Montag, dem 5. September 1977 gegen 17:10 Uhr wurde Hanns Martin Schleyer in Köln von seinem Fahrer in einem dunklen Mercedes 450 SEL von der Arbeitgeberzentrale am Oberländer Ufer zu seiner Dienstwohnung chauffiert. Drei Polizisten folgten in einem hellen Mercedes 280 E. Die drei Personenschützer waren bewaffnet, Schleyer und sein Fahrer nicht. Der Anschlag spielte sich wie folgt ab: Die Täter fuhren mit einem Mercedes 300 D rückwärts aus einer Einfahrt direkt vor den Mercedes 450 SEL, dessen Fahrer noch rechtzeitig bremsen konnte.

Das Begleitfahrzeug fuhr jedoch auf Schleyers Wagen auf und schob diesen auf den Mercedes 300 D. Daraufhin eröffnete die RAF das Feuer auf den Fahrer, der mehrfach getroffen nach kurzer Zeit seinen schweren Verletzungen erlag. Einer der Terroristen sprang plötzlich auf die Motorhaube des Begleitfahrzeugs und feuerte aus einer polnischen Maschinenpistole PM-63 durch die Frontscheibe ins Wageninnere. Der Fahrer wurde 60-mal in allen Körperbereichen getroffen und starb. Seinem Kollegen gelang es noch, den Fond des Fahrzeugs zu verlassen und mit seiner Dienstpistole dreimal zurückzuschießen. Daraufhin eröffnete der dritte Personenschützer aus der geöffneten Beifahrertür heraus das Feuer mit seiner Maschinenpistole, traf aber ebenfalls nicht. Beide Männer wurden daraufhin durch mehrere Schüsse der Terroristen tödlich getroffen.“

„Man, das kann man sich ja überhaupt nicht anhören.“ Petra schaltete das Radio aus.

„Der 05. September war doch letzten Montag!“

Mika blickte ziemlich erstaunt drein. Auch Liam war etwas blass geworden. Er hatte die Nachricht über den terroristischen Angriff und die Entführung überhaupt nicht mitbekommen.

„Ich war am letzten Wochenende in ‚Krieg der Sterne‘. Ich sage euch, das ist ein geiler Film. Den kannst du mit anderen Science-Fiction Filmen überhaupt nicht vergleichen.“

Silas schaute von einem zum anderen und sein Blick blieb dann auf Petra hängen.

„Nur eines habe ich nicht ganz verstanden, wieso im Vorspann Episode IV stand!“

„Wir gehen am Sonntag in ‚Bernhard und Bianca‘, nicht wahr?“ Petra lächelt Ben an und dieser schien jetzt tatsächlich etwas verlegen zu werden.

„Ähm, mal sehen“, wich er aus und nahm seinen Bon entgegen.

„Ich habe Durst!“ Liam folgte Ben in Richtung Bar-Theke.

Hatte Silas eben tatsächlich den Anschlag der Terroristen mit dem Krieg der Sterne Kinofilm verglichen? Das eine war reine Fiktion, das andere tödliche Wirklichkeit.

Sag mal Silas, sonst geht‘s noch!“

Silas verstand jedoch nicht, was er wollte. Er grinste nur und Liam vernahm nur ein „Hä“ aus seinem Mund.

Als sie an der Theke ankamen, ging gerade die Standardbeleuchtung aus und mit dem ersten Song begannen die bunten Discobälle sich im Schein der Spotlights zu drehen.

„Seit 15 Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts. Hier ist Baccara mit ‚Yes Sir I Can Boogie‘!“

Die Stimme des DJ durchdrang die eben noch vollkommene Stille, und bevor die Gruppe Baccara so richtig loslegen konnte, hörte man noch aus dem Mikrofon ein lautes Pfeifen und Fiepsen.

Liam hielt sich schnell die Ohren zu.

„Mister, Your eyes are full of hesitation. Sure makes me wonder, if you know what your looking for.”

Ein schwarzhaariges Mädchen drängte sich an ihm vorbei und Liams Blick fiel wie automatisch auf ihre Bluejeans, die sehr eng an ihren Oberschenkel saß und jede noch so verführerische Bewegung der Hüfte an den Po sichtbar weitergab.

Er schaute ihr immer noch versonnen hinterher, als ihn Mika mit der rechten Schulter anrempelte.

„Man, geh weiter, ich habe Durst!“

Liam ließ ihn an sich vorbeigehen, während seine Augen weiter dem schwarzhaarigen Mädchen folgten. Erst als sie von den Armen eines jungen Mannes umschlungen wurde, wendete er sich ab und ging weiter. Ben hatte bereits für alle Cola Bier bestellt, und als er jetzt den Bartresen erreichte, wurde ihm ein Glas zugeschoben.

„Auf die vielen Mädchen, die nur darauf warten, von uns verführt zu werden!“

Ben hob sein Glas und grinste. Silas begann zu kichern und Mika wurde rot. Nur Liam schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein.

Er hatte nicht wirklich zugehört. Sein Blick schweifte durch den riesigen Raum, vorbei an der noch leeren Tanzfläche, über die Tische hinweg und an den beiden Nischen vorbei.

Links, etwas höher als das normale Bodenniveau platziert, befand sich das DJ-Mischpult. Direkt davor standen zwei junge Frauen und lehnten sich lässig gegen das Pult.

Liams Blick wurde von ihnen wie magisch angezogen. Die eine hatte lange, blonde und die andere kurze schwarze Haare.

Dieses gegensätzliche Aussehen setzte sich ebenso in ihrer Kleidung fort. Während die Schwarzhaarige eine Bluse und Bluejeans trug, hatte die Blonde ein gelbes Kleid an.

Als sich sein Blick mit dem Blick der blonden Jungen Frau kreuzte, erschrak Liam und wandte sich schnell ab und schaute direkt in das Gesicht von Ben.

„Alles klar bei dir?“

Liam zuckte leicht zusammen, versuchte aber gleichzeitig einen alltäglichen Gesichtsausdruck zu bewahren, was ihm nur zum Teil gelang. Ihm war es unangenehm, sollte Ben bemerkt haben, dass er den beiden jungen Frauen nachschaute.

Er nickte nur hastig und blickte in eine andere Richtung.

„Lasst es euch nicht langweilig werden, ich schaue mich mal um! Sollten wir uns nicht mehr sehen, treffen wir uns um 23.30 Uhr an meinem Wagen!“

Liam schaute kurz hinter Ben her, dann schwenkte sein Blick wieder zum DJ-Pult. Die beiden jungen Frauen standen jedoch nicht mehr dort.

„Hast du bekannte Gesichter gesehen?“

Silas stand jetzt rechts von ihm und Mika links. Die beiden klebten wie Kletten an Liam. Er musste sie unbedingt loswerden. Aber wie?

Er entschied sich für eine Notlösung, schaute sich wie suchend um und marschierte dann mit dem Glas Cola Bier in der Hand auf die Toilettentür zu.

Er spürte noch den Blick der beiden in seinem Rücken, dann war er bereits aus ihrem Blickfeld verschwunden. Liam ließ sich Zeit und lehnte sich gegen die Außenwand mit dem einzigen Fenster im Raum.

Er wurde zwar mehrfach von den Leuten, die auf die Toilette kamen, eigenartig angeschaut, jedoch sprach ihn niemand dabei direkt an.

Nach zehn Minuten hatte er das Glas geleert und entschloss sich, den Toilettenraum wieder zu verlassen. Langsam öffnete er die Tür und blickte durch den Spalt in den Diskothekenraum. Er kam sich dabei schon recht blöd vor, aber es hatte funktioniert.

Er konnte Mika und Silas nicht mehr sehen. Dafür blieb sein Blick auf der Tanzfläche haften. Dort sah er die Blonde mit dem gelben Kleid und die Schwarzhaarige von vorhin tanzen.

Sie tanzten miteinander und schienen sich prächtig zu amüsieren. In Liams Leben war bisher nur wenig Platz für Mädchen gewesen.

Er kam jedoch zunehmend in ein Alter, wo man die neu einsetzenden Gefühle und Bedürfnisse nicht mehr so einfach ignorieren konnte.