6,99 €
Vampirjägerin Anita Blake ist in Santa Fe, um dort zusammen mit Profikiller Edward eine Reihe von Ritualmorden aufzuklären. Im Laufe der Ermittlungen hat sie viel über Edward gelernt: Der vermeintliche Soziopath führt ein Doppelleben als liebender Familienvater. Doch im Gegensatz dazu ist die Mordserie noch lange nicht aufgeklärt. Und Anita muss sich einem Gegner stellen, wie ihn die Menschheit noch nie gesehen hat ...
Dieses E-Book ist Band 2 einer zweiteiligen Geschichte. Es wird empfohlen, zunächst den ersten Teil zu lesen: Anita Blake - Göttin der Dunkelheit.
Nächster Band: Anita Blake - Jägerin des Zwielichts.
Erlebe (über-)sinnliche Abenteuer mit eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 512
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Über die Serie: Anita Blake – Vampire Hunter
Über diesen Band
Über die Autorin
Triggerwarnung
Titel
Impressum
Danksagungen
Widmung
Anmerkung der Autorin
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
26
27
28
29
30
Epilog
Im nächsten Band
Härter, schärfer und gefährlicher als Buffy, die Vampirjägerin – Lesen auf eigene Gefahr!
Vampire, Werwölfe und andere Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten leben als anerkannte, legale Bürger in den USA und haben die gleichen Rechte wie Menschen. In dieser Parallelwelt arbeitet die junge Anita Blake als Animator, Totenbeschwörerin, in St. Louis: Sie erweckt Tote zum Leben, sei es für Gerichtsbefragungen oder trauernde Angehörige. Nebenbei ist sie lizensierte Vampirhenkerin und Beraterin der Polizei in übernatürlichen Kriminalfällen. Die knallharte Arbeit, ihr Sarkasmus und ihre Kaltschnäuzigkeit haben ihr den Spitznamen »Scharfrichterin« eingebracht. Auf der Jagd nach Kriminellen lernt die toughe Anita nicht nur, ihre paranormalen Fähigkeiten auszubauen – durch ihre Arbeit kommt sie den Untoten auch oftmals näher als geplant. Viel näher. Hautnah …
Bei der »Anita Blake«-Reihe handelt es sich um einen gekonnten Mix aus Krimi mit heißer Shapeshifter-Romance, gepaart mit übernatürlichen, mythologischen Elementen sowie Horror und Mystery. Eine einzigartige Mischung in einer alternativen Welt, ähnlich den USA der Gegenwart – dem »Anitaverse«.
Paranormale Wesen in dieser Reihe sind u.a. Vampire, Zombies, Geister und diverse Gestaltwandler (Werwölfe, Werleoparden, Werlöwen, Wertiger, …).
Die Serie besteht aus folgenden Bänden:
Bittersüße Tode
Blutroter Mond
Zirkus der Verdammten
Gierige Schatten
Bleiche Stille
Tanz der Toten
Dunkle Glut
Ruf des Blutes
Göttin der Dunkelheit (Band 1 von 2)
Herrscher der Finsternis (Band 2 von 2)
Jägerin des Zwielichts (Band 1 von 2)
Nacht der Schatten (Band 2 von 2)
Finsteres Verlangen
Schwarze Träume (Band 1 von 2)
Blinder Hunger (Band 2 von 2)
Vampirjägerin Anita Blake ist in Santa Fe, um dort zusammen mit Profikiller Edward eine Reihe von Ritualmorden aufzuklären. Im Laufe der Ermittlungen hat sie viel über Edward gelernt: Der vermeintliche Soziopath führt ein Doppelleben als liebender Familienvater. Doch im Gegensatz dazu ist die Mordserie noch lange nicht aufgeklärt. Und Anita muss sich einem Gegner stellen, wie ihn die Menschheit noch nie gesehen hat …
Dieses E-Book ist Band 2 einer zweiteiligen Geschichte. Es wird empfohlen, zunächst den ersten Teil zu lesen: Anita Blake – Göttin der Dunkelheit.
Erlebe (über-)sinnliche Abenteuer mit eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.
Laurell K. Hamilton (*1963 in Arkansas, USA) hat sich mit ihren paranormalen Romanserien um starke Frauenfiguren weltweit eine große Fangemeinde erschrieben, besonders mit ihrer Reihe um die toughe Vampirjägerin Anita Blake. In den USA sind die Anita-Blake-Romane stets auf den obersten Plätzen der Bestsellerlisten zu finden, die weltweite Gesamtauflage liegt im Millionenbereich.
Die New-York-Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in St. Louis, dem Schauplatz ihrer Romane.
Website der Autorin: https://www.laurellkhamilton.com/.
Die Bücher der »Anita Blake – Vampire Hunter«-Serie enthalten neben expliziten Szenen und derber Wortwahl potentiell triggernde und für manche Leserinnen und Leser verstörende Elemente. Es handelt sich dabei unter anderem um:
brutale und blutige Verbrechen, körperliche und psychische Gewalt und Folter, Missbrauch und Vergewaltigung, BDSM sowie extreme sexuelle Praktiken.
Laurell K. Hamilton
ANITA BLAKE
Herrscher der Finsternis
Aus dem amerikanischen Englischvon Angela Koonen
beHEARTBEAT
Digitale Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2000 by Laurell K. Hamilton
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Obsidian Butterfly«
»Obsidian Butterfly« ist im Deutschen in zwei Teilen erschienen:
Band 1: Göttin der Dunkelheit
Band 2: Herrscher der Finsternis
Originalverlag: Ace Books, published by The Berkley Publishing Group, a division of Penguin Putnam, New York
Published by Arrangement with Laurell K. Hamilton
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2010/2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Herrscher der Finsternis«
Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven © iStock/ BojanMirkovic; Gettyimages/ closeupimages
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0246-1
be-ebooks.de
lesejury.de
Ich danke Michael Miller, der mir mehr über Schusswaffen und Waffen im Allgemeinen beigebracht hat, als ich je zu lernen hoffte. Masaad Ayoob danke ich dafür, dass er waffenbezogene Irrtümer in letzter Sekunde noch korrigiert hat. Er hatte keine Gelegenheit, vor dem letzten Korrekturgang das Buch als Ganzes zu lesen, und deshalb fallen übersehene Fehler, was Waffen angeht, allein auf mich zurück. Steve (S.M.) und Jan Stirling haben den Roman daraufhin gelesen, ob ich das Flair von Santa Fe richtig eingefangen habe. Ich danke den vielen Menschen in Santa Fe und Albuquerque, die mir das Gefühl gaben, willkommen zu sein, während ich dort umherstreifte, Fragen stellte und die Atmosphäre aufsog. Dank auch an meinen Ehemann Gary, der sich um unsere Tochter Trinity gekümmert hat, während ich in New Mexico war. Und an Trinity, die mit mir auf meinem Bürosessel gesessen hat, als ich das letzte Drittel dieses Romans schrieb. Ich danke Chuck Holmes vom Bernallio County Sheriff’s Department, der mir viele Fragen beantwortete, die im letzten Moment aufkamen. Besonderer Dank gilt Deborah Millitello, weil sie mit mir die Wildnis New Mexicos gemeistert hat, und das mit verstauchtem Fuß. Wie immer danke ich meiner Schreibgruppe, den Alternate Historians, die mit mir von Anfang an dabei waren: Deborah Millitello, Mark Sumner, Sharon Shinn, Marella Sands, Tom Drennan, N.L. Drew und W. Augustus Elliot. Aus Zeitgründen konnte nicht jeder von euch dieses Buch lesen, also wird es auch für euch neu sein. Mal etwas ganz anderes.
Für alle, die noch nie einen Roman um Anita Blake gelesen haben, möchte ich kurz etwas zu ihrer Welt sagen.
Sie ist der Welt, in der wir leben, recht ähnlich, nur dass es die Geschöpfe der Nacht – Vampire, Werwölfe, Zombies und dergleichen – in dieser Welt wirklich gibt. Sie existieren im Hier und Jetzt. Wir und sie nebeneinander – nicht immer zufrieden und nicht immer friedlich.
Und manchmal lernen wir sie nur zu gut kennen …
Der Mann starrte mich aus glasigen, blickleeren Augen an. Sein Kopf war noch mit der Wirbelsäule verbunden, aber die Brust hatte ein Loch, als hätten zwei große Hände unter die Rippen gegriffen und gezogen. Das Herz fehlte. Die Lungen waren auseinandergerissen, wahrscheinlich, als der Brustkorb nachgegeben hatte. Leber und Därme lagen auf einem nassen Haufen neben der Leiche, als wären sie herausgerutscht. Das untere Darmende befand sich noch in der Körperhöhle. Dem Geruch nach war klar, dass die Darmwand noch intakt war.
Ich ging neben dem Toten in die Hocke. Das Blut war dem Mann bis ins Gesicht und in die grauen Haare gespritzt. Sehr gewaltvoll und sehr schnell. Ich sah in die toten Augen und empfand nichts. Ich war wieder im gefühllosen Zustand und beschwerte mich nicht darüber. Ich glaube, wenn ich diese Leiche als Erstes gesehen hätte, hätte mich das Grauen gepackt, doch die Leichenteile im Esszimmer hatten mein Gefühlsvermögen für diesen Tag aufgezehrt. Der Anblick war schrecklich, aber es gab Schlimmeres, und das lag im Nebenzimmer.
Hier war auch nicht die Leiche das Interessante, sondern das Drumherum. Der Tote lag in einem Kreis aus Salz, neben ihm ein Buch, das so blutdurchtränkt war, dass ich die aufgeschlagenen Seiten nicht entziffern konnte. In diesem Zimmer waren schon alle Aufnahmen gemacht, darum zog ich mir die geborgten Handschuhe über und hob das Buch auf. Es war in geprägtes Leder eingebunden, aber ohne Aufschrift. Das Blut hatte die inneren Blätter so aufgeweicht, dass sie zusammenklebten. Ich versuchte erst gar nicht, sie zu lösen. Für solche heiklen Aufgaben gab es Fachleute beim FBI und bei der Polizei. Ich passte auf, dass mir das Buch nicht zuklappte und die Seite verschlug, die der Mann vielleicht gelesen hatte. Nach allem, was ich wusste, hatte das Buch auf dem Schreibtisch gelegen, den der Mann vor die Tür geschoben hatte, und es war heruntergefallen und hatte sich selbst aufgeschlagen. Aber wenn man das annahm, hieß das, wir hatten keinen Hinweis, und darum taten wir alle, als wäre gesichert, dass der Mann das Buch mit Absicht dort aufgeschlagen hatte. Während er von einem Monster gejagt wird, das eben noch seine Frau zerrissen hat, greift er zu einem Buch, öffnet es und fängt an zu lesen. Warum?
Der Text war handgeschrieben, und was weiter vorn zu entziffern war, verriet, dass es ein Buch der Schatten war, quasi das Zauberbauch eines praktizierenden Hexers. Eines Hexers, der einer älteren, orthodoxen Tradition folgte anstatt der neuheidnischen Bewegung. Gardnerisch oder alexandrinisch vielleicht. Aber das war nicht sicher. Mit Hexenkulten hatte ich mich nur ein Semester lang beschäftigt. Von den Wicca-Anhängern, die ich persönlich kannte, praktizierte keiner eine ältere Tradition.
Behutsam legte ich das Buch an seinen Platz zurück. Die Bücherregale an der Wand standen voll mit Werken der Para-Forschung und Bänden über Mythologie, Volksbräuche und Wicca-Religion. Ein paar davon hatte ich auch zu Hause stehen. Die Bücher selbst bewiesen also noch nicht viel. Das entscheidende Indiz war der Altar, eine alte, hölzerne Truhe mit einer silbernen Decke darauf und silbernen Kerzenleuchtern mit halb heruntergebrannten Kerzen, in die Zeichen eingeritzt waren. Die Zeichen konnte ich nicht lesen.
Zwischen den Kerzen stand ein rahmenloser, runder Spiegel, daneben eine kleine Schale mit trocknen Kräutern, eine größere Schale mit Wasser und ein geschnitztes Holzkästchen, das verschlossen war.
»Ist das das, was ich vermute?«, fragte Bradley.
»Ein Altar. Der Mann hat praktiziert. Das Buch könnte sein Buch der Schatten sein, sein Zauberbuch sozusagen.«
»Was ist hier vorgegangen?«
»Auf dem Boden im Esszimmer liegt Salz.«
»Das ist nicht ungewöhnlich«, meinte Bradley.
»Das noch nicht, aber ein Salzkreis schon. Ich glaube, er war irgendwo anders im Haus und hörte seine Frau schreien oder hat das Monster gehört. Irgendetwas hat ihn alarmiert. Er kam nicht mit einer Flinte gerannt, Bradley. Er kam mit einer Hand voll Salz. Vielleicht hatte er noch etwas anderes in der Hand oder bei sich, ein Amulett vielleicht. Ich sehe keins, aber das heißt nicht, dass es nicht hier ist.«
»Wollen Sie sagen, dass er Salz nach dem Wesen warf?«
»Ja.«
»Warum, um Himmels willen?«
»Salz und Feuer sind unsere ältesten Mittel der Reinigung. Ich benutze Salz, um einen Zombie wieder an sein Grab zu binden. Man kann es auf Elfen, Fetsche und alle möglichen Kreaturen werfen und erreichen, dass sie zögern, aber viel mehr nicht.«
»Also hat er Salz geworfen und vielleicht einen Talisman, und was dann?«
»Ich glaube, darum hat das Monster innegehalten, und darum liegt das Tischtuchbündel mit den Trophäen noch auf dem Tisch.«
»Warum ist das Monster nicht zurückgegangen und hat sie mitgenommen, nachdem es den Mann getötet hat?«
»Keine Ahnung. Vielleicht konnte er den Zauber beenden, bevor er starb. Vielleicht hat er es aus dem Haus getrieben. Ich hätte gern eine praktizierende Wicca hier, damit sie sich die Szene einmal ansieht.«
»Mit Wicca meinen Sie Hexe.«
»Ja, aber die meisten nennen sich Wicca.«
»Weil es politisch korrekt ist«, sagte Bradley.
Ich nickte.
»Was könnte die uns sagen und Sie nicht?«
»Zum Beispiel, welchen Zauber er benutzt hat. Wenn der Zauber das Wesen aus dem Haus trieb, könnten wir es vielleicht mit einem ähnlichen fangen oder vernichten. Jedenfalls hat der Mann etwas getan, das diese Kreatur aus dem Haus trieb, ehe sie bereit war, es zu verlassen. Er bewirkte, dass sie ihre Naschtüte liegen ließ und flüchtete, ohne die Leiche ganz auszuweiden. Das ist die erste Schwäche, die wir bei dem Täter sehen.«
»Franklin wird es nicht mögen, wenn wir eine Hexe hierherbringen. Die hiesige Polizei auch nicht. Wenn ich die anderen zwinge, die Hexe zu akzeptieren und sie uns nichts nützt oder sie mit der Presse redet, dann bin ich bei unserer nächsten Begegnung kein FBI-Agent mehr.«
»Sind Sie nicht verpflichtet, alles zu versuchen, um dieses Verbrechen zu lösen? Ist das nicht Ihre Aufgabe?«
»Das FBI nimmt keine Hilfe von Hexen in Anspruch, Anita.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wie haben Sie mich dann hier eingeschleust?«
»Forrester hatte Sie schon in den Fall reingebracht. Ich brauchte mich nur noch gegen Marks durchzusetzen.«
»Und gegen Franklin.«
Er nickte. »Ich stehe rangmäßig höher als er.«
»Warum ist er dann so patzig?«
»Ist wahrscheinlich angeboren.«
»Ich möchte nicht, dass Sie gefeuert werden, Bradley.« Ich ging zu dem umgekippten Schreibtisch und zog die Schubladen auf. Im Wohnzimmer gab es einen Waffenschrank. Leute mit Waffenschrank hatten meistens eine Schusswaffe in der Schublade zum persönlichen Schutz.
»Wonach suchen Sie?«, fragte er.
Ich öffnete die unterste, etwas höhere Schublade, und da lag sie. »Kommen Sie her, Bradley.«
Er kam gucken. Es war eine 9mm Smith & Wesson. Bradley starrte sie an. »Vielleicht ist sie nicht geladen. Vielleicht hatte er die Munition im Wohnzimmer.«
»Darf ich sie anfassen?«
Er nickte.
Ich nahm sie in die Hand, und schon vom Gewicht her meinte ich, dass sie geladen war. Aber ich war mit dieser Waffe nicht vertraut, also ließ ich den Clip rausschnellen und zeigte ihn Bradley.
»Voll«, sagte er leise.
»Voll.« Ich schob den Clip wieder rein und schlug mit dem Handballen dagegen, damit er einrastete. »Er hatte eine geladene 9mm im Schreibtisch, griff aber nach Salz und seinem Buch der Schatten. Er vergeudete keine Zeit mit einem Griff zur Waffe. Entweder wusste er, was für ein Wesen das war, oder er nahm daran etwas wahr, das ihm sagte, dass die Waffe nicht wirken würde, dafür aber der Zauber.« Ich hob die 9mm, sodass Bradley sie ansah. »Der Zauber hat gewirkt, Bradley. Wir müssen herausfinden, welcher es war, und das können wir nur mit Hilfe einer Hexe.«
»Sie können nicht einfach das Buch mitnehmen und ihr Fotos zeigen?«
»Und wenn nun die Lage des Buches wichtig ist? Wenn sich der Zauber nur in dem Kreis selbst erkennen lässt? Ich praktiziere diese Art Magie nicht, Bradley. Soviel ich weiß, kann so jemand aber Dinge spüren, die ich nicht spüren würde. Wollen Sie wirklich behaupten, es wäre egal, ob das Buch und Fotos betrachtet werden oder der Tatort selbst besichtigt wird?«
»Sie verlangen, dass ich meine Karriere riskiere.«
»Das ist wahr«, sagte ich. »Aber ich verlange damit auch, dass sie nicht das Leben weiterer Menschen riskieren. Wollen Sie denn, dass noch ein Paar, noch eine Familie so zugerichtet wird?«
»Wieso sind Sie so sicher, dass da die Lösung des Falles liegt?«
»Bin ich gar nicht, aber eine bessere Chance haben wir im Augenblick nicht. Ich möchte sie keinesfalls vertun, weil jemand Bammel vor seinem Chef hat.«
»Das ist es nicht allein, Anita. Wenn wir etwas Exotischeres benutzen als Hellseher und dann versagen, könnte die ganze Abteilung aufgelöst werden.«
Ich legte ihm die Waffe in die Hand. Er blickte darauf. »Ich verlasse mich darauf, dass Sie das Richtige tun, Bradley. Das ist schließlich der Grund, warum Sie zu den Guten gehören.«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich daran denke, dass ich Marks erpresst habe, um Sie zurückzubekommen.«
»Sie wussten vorher, dass ich eine Nervensäge bin. Das ist einer meiner vielen Reize.«
Das brachte mir ein schwaches Lächeln ein. Er hielt die Waffe noch immer in der flachen Hand. Dann schlossen sich seine Finger darum. »Kennen Sie irgendwelche Hexen hier?«
Ich grinste ihn an. »Nein, aber Ted Forrester.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie einen FBIler umarmt, aber jetzt bin ich nahe dran.«
Jetzt grinste er, aber seine Augen blieben unglücklich und auf der Hut. Es war hart, was ich von ihm verlangte. Ich berührte ihn am Arm. »Ich würde Sie nicht darum bitten, wenn ich das nicht für unsere beste Chance halten würde. Ich tue das nicht aus einer Laune heraus.«
Er bedachte mich mit einem langen Blick. »Ich weiß. Von allen, die ich kenne, sind Sie am wenigsten launenhaft.«
»Ich würde ja sagen, Sie sollten mich mal sehen, wenn ich nicht knietief durch Leichen wate, aber das zählt eigentlich nicht. Ich bin dann auch nicht unbeschwerter als jetzt.«
»Ich habe mir die Fälle angesehen, bei denen Sie in St. Louis mitgewirkt haben. Grausig. Wie alt sind Sie?«
Ich runzelte die Stirn bei der Frage, dann antwortete ich. »Sechsundzwanzig.«
»Wie lange arbeiten Sie schon mit der Polizei?«
»Seit vier Jahren.«
»Das FBI wechselt seine Leute, die gegen Serientäter ermitteln, alle zwei Jahre aus. Ob sie versetzt werden wollen oder nicht. Nach einiger Zeit dürfen sie dann wiederkommen.«
»Sie meinen, ich brauche eine Auszeit?«
»Jeder ist irgendwann ausgebrannt, Anita, sogar Sie.«
»Ich überlege tatsächlich, Urlaub zu machen, wenn ich wieder zu Hause bin.«
Er nickte. »Das ist gut.«
»Sieht man mir das schon an?«
»Ich habe das schon bei anderen Kollegen an den Augen gesehen.«
»Was gesehen?«, fragte ich.
»Augen sind wie Schalen: jeder Schrecken, den man sieht, fügt einen weiteren Tropfen hinzu. Ihre Augen sind voll von Dingen, die Sie gesehen und die Sie getan haben. Steigen Sie aus, solange noch Platz für Dinge ist, die nicht bluten.«
»Das ist ziemlich poetisch für einen FBIler.«
»Ein Freund ist dabeigeblieben, bis er einen Herzinfarkt hatte.«
»Ich glaube, dazu bin ich ein bisschen zu jung.«
»Ein anderer hat sich den Lauf in den Mund gesteckt.«
Wir blickten uns an. »Ich bin nicht der Selbstmordtyp.«
»Ich möchte Sie aber auch nicht hinter Gittern sehen.«
Ich riss die Augen auf. »Hu. Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Das Außenministerium hat Otto Jefferies als ehemaligen Mitarbeiter bestätigt, aber sie konnten im Augenblick nicht auf seine Akte zugreifen. Ich habe einen Freund dort mit Ermächtigungsstufe zwei. Er kam auch nicht an die Akte heran. Bei Jefferies gibt es eine völlige Sperre, was bedeutet, er ist irgendein Spion. Mit denen sollte man sich nicht einlassen, Anita. Wenn die versuchen, Sie anzuwerben, sagen Sie nein. Versuchen Sie nicht herauszufinden, wer Jefferies wirklich ist oder was er getan hat. Verkneifen Sie sich die Neugier, sonst enden Sie irgendwo in einem Loch. Arbeiten Sie mit ihm zusammen und lassen Sie ihn in Ruhe.«
»Hört sich an, als sprächen Sie aus Erfahrung.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht darüber reden.«
»Sie haben das Thema angeschnitten«, sagte ich.
»Ich habe das nur gesagt, damit Sie auf mich hören. Hoffentlich. Glauben Sie mir einfach. Halten Sie sich von dieser Art Leute fern.«
Ich nickte. »Schon gut, Bradley. Ich kann diesen Jefferies sowieso nicht leiden. Er hasst Frauen, also machen Sie sich keine Sorgen. Es würde ihm bestimmt nicht einfallen, mich anzuwerben.«
»Gut.« Er legte die Waffe in die Schublade zurück und schloss sie.
»Außerdem«, meinte ich, »was sollte der Top-Secret-Verein mit mir anfangen wollen?«
Er sah mich an, und es war ein Blick, den ich nicht gewöhnt war. Der Blick sagte, ich war naiv. »Anita, Sie wecken Tote auf.«
»Und?«
»Mir fallen ein halbes Dutzend Verwendungen allein für dieses Talent ein.«
»Zum Beispiel?«
»Ein Gefangener stirbt beim Verhör. Macht nichts. Wir lassen ihn auferstehen. Ein Regierungsoberhaupt fällt einem Attentat zum Opfer. Wir brauchen ein bisschen Zeit, um unsere Truppen bereit zu machen, und erwecken ihn für ein paar Tage. So können wir die allgemeine Panik unter Kontrolle bringen, eine Revolution verhindern.«
»Zombies sind nicht lebendig, Bradley. Man würde den Unterschied bemerken.«
»Aus der Ferne, für zwei oder drei Tage? Versuchen Sie nicht mir weiszumachen, Sie bekämen das nicht hin.«
»Ich würde es nicht tun«, erwiderte ich.
»Und wenn Sie damit Hunderte Menschenleben retten könnten, wenn Hunderte Amerikaner rechtzeitig evakuiert werden könnten?«
Ich sah ihn an. »Ich … ich weiß nicht.«
»Egal wie gut die Gründe zu Anfang klingen, am Ende tun sie es nicht mehr. Am Ende, wenn Sie so tief drinstecken, dass Sie die Sonne nicht mehr sehen, werden sie Dinge von Ihnen verlangen, die Sie nicht tun wollen.«
Ich schlang schon wieder die Arme um mich, was mich ärgerte. Niemand war an mich herangetreten, damit ich etwas auf internationaler Ebene tat. Olaf dachte, dass ich nur für eins gut war, und das hatte nichts mit der Regierung zu tun. Allerdings fragte ich mich, wie Edward ihn kennengelernt hatte. Edward machte ein Geheimnis aus sich, aber war er deswegen ein Spion?
Ich sah in Bradleys ernstes Gesicht. »Ich werde schon auf mich aufpassen.« Dann kam mir ein Gedanke. »Hat Sie jemand auf mich angesprochen?«
»Ich hatte daran gedacht, Ihnen einen Job bei uns anzubieten.« Ich zog die Brauen hoch.
Er lachte. »Ja, aber nachdem man sich Ihre Akte angesehen hatte, wurde entschieden, dass Sie zu unabhängig sind, zu sehr wilde Karte. Es wurde entschieden, dass Sie in einem bürokratischen Umfeld nicht gedeihen würden.«
»Da haben Sie recht, aber ich bin geschmeichelt, dass Sie an mich gedacht haben.«
Er wurde wieder ernst, und ich sah Falten in seinem Gesicht, die ich an ihm noch nicht kannte. Damit sah er wie ein Mittvierziger aus. Was selten der Fall war. »Ihre Akte wurde markiert, Anita. Sie wurde nach oben gereicht. Ich weiß nicht, zu wem oder wer danach gefragt hat, aber die Regierung hat Arbeit für die unabhängige wilde Karte, wenn sie genügend spezielle Fähigkeiten hat.«
Ich machte den Mund auf, schloss ihn wieder und sagte schließlich: »Ich würde sagen, Sie machen Witze, aber das tun Sie nicht, oder?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so.«
Edward hatte gesagt, dass er Olaf nicht hergeholt hätte, wenn er gewusst hätte, dass ich komme. Das hörte sich an, als hätte er ihn eingeladen, nicht als wäre der von selber gekommen. Aber ich würde ihn fragen. Mich vergewissern.
»Danke, dass Sie mir das gesagt haben, Bradley. Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus, aber ich weiß, dass Sie damit ein Risiko eingegangen sind.«
»Ich musste es Ihnen erzählen. Sehen Sie, ich war es, der Ihre Akte gezogen hat. Ich war es, der darauf gedrungen hat, Sie hinzuzuziehen. Ich habe gewisse Leute auf Sie aufmerksam gemacht. Das tut mir zutiefst leid.«
»Ist schon in Ordnung, Bradley. Sie haben es nicht gewusst.«
Er schüttelte den Kopf, und sein Blick war bitter. »Ich hätte es wissen müssen.«
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Es stellte sich heraus, dass ich das gar nicht brauchte. Bradley ging einfach aus dem Raum. Ich wartete ein, zwei Sekunden, dann folgte ich ihm. Aber ich konnte das Unbehagen nicht abschütteln. Er hatte mir Angst machen wollen, und das war ihm gelungen. Big-Brother-Paranoia. Er hatte in mir schon die Überlegung ausgelöst, ob Olaf sich etwa selber eingeladen hatte oder ob Edward womöglich beauftragt war, mich anzuwerben. Es würde mich nicht überraschen, wenn Edward für die Regierung arbeitete, zumindest zeitweilig. Er nahm von jedem Geld.
Es wäre mir albern vorgekommen, hätte ich nicht Bradleys Gesichtsausdruck gesehen. Hätte er mir nicht von meiner Akte erzählt. Er hatte »Akte« gesagt, als gäbe es da von jedem eine. Vielleicht gab es die. Und jemand hatte meine »Akte« angefordert. Ich sah plötzlich ein Bild vor mir, wie mein Leben, meine Verbrechen, alles sauber getippt über düstere Schreibtische wanderte, bis es wo landete? Oder sollte ich eher fragen, bei wem?
Blake, Anita Blake. Es klang sogar lustig. Natürlich wurde der Regierung nicht gerade Humor nachgesagt.
Edward ließ mich mit dem Hummer zum Krankenhaus fahren. Er blieb am Tatort und wartete auf die Hexe. Sie war Donnas Freundin, also spielte er Ted und würde ihr die Hand halten. Es würde ihr erstes Verbrechensopfer sein. Das heißt, sie lernte schwimmen, indem man sie ins eiskalte Wasser warf. Selbst ich war auf sanftere Art in die Polizeiarbeit eingeführt worden.
Olaf blieb da, um Zwiesprache mit seinen Leichen zu halten. Sollte mir recht sein. Ich wollte nicht in einem Auto oder sonst einem beengten Raum mit Olaf sitzen, ohne dass Edward auf ihn aufpasste. Bisher hatte er nur eins geleistet: meine Mutmaßung bestätigt, dass der Täter nicht freiwillig ohne seine Trophäen abgezogen war. Dabei wusste er noch weniger über Magie als ich. Er wusste nicht, warum der Täter gegangen war. Ich war die Einzige, die dafür eine Erklärung hatte, und selbst ich wäre erleichtert, wenn die Wicca meine Ansicht unterstützte. Wenn nicht, wären wir nämlich aufgeschmissen.
Tatsächlich wollte mich überhaupt niemand begleiten. Franklin hielt mich für verrückt. Was das heißen sollte, die Überlebenden seien nicht am Leben, sondern lebende Tote! Bradley wollte Franklin nicht als ranghöchsten Kollegen vor Ort lassen. Die geologischen Karten waren unterwegs, und ich glaube, er wollte Franklin die Suche nicht allein überlassen. Marks wollte die Szene nicht dem FBI überlassen und hielt mich ebenfalls für verrückt. Ramirez und ein Streifenpolizist folgten mir in einem ungekennzeichneten Fahrzeug.
Ich ging eigentlich nicht davon aus, dass sie das Monster aufstöbern würden. Es gab keinerlei Spuren. Keine Fußspuren hieß entweder, es konnte fliegen oder sich in Luft auflösen. So oder so würden sie es nicht finden, nicht zu Fuß und nicht anhand von Karten. Also konnte ich beruhigt zum Krankenhaus fahren.
Ein weiterer Grund, nach Albuquerque zu fahren, war der, dass Edward mir einen Namen besorgt hatte. Einen Mann, der als Brujo, als Hexer, bekannt war. Donna hatte Ted den Namen unter der Bedingung genannt, dass dem Mann daraus kein Schaden erwuchs. Auch ihr war der Name nur unter der Voraussetzung genannt worden, dass ihm nichts passieren würde. Die den Namen weitergegeben hatte, wollte nicht, dass der Brujo sich irgendwann an ihr rächte. Angeblich wirkte er böse Zauber nicht nur für Geld, sondern auch zur persönlichen Rache. Wenn man vor Gericht beweisen konnte, dass er für ruchlose Zwecke echte Magie einsetzte, folgte automatisch die Todesstrafe. Er hieß Nicandro Baco und war angeblich auch ein Nekromant. Wenn das stimmte, war er der erste, den ich persönlich kennen lernte. Mit dem Namen wurde noch eine andere Warnung ausgesprochen: Nehmen Sie sich vor ihm in Acht. Er sei viel gefährlicher, als er aussah. Das hatte mir noch gefehlt – ein Nekromant, der schwierig im Umgang war. Oh, Moment, ich war ja selber schwierig im Umgang. Wenn er mir biestig käme, würden wir sehen, wer von uns der größere Fisch war. War ich gereizt oder zu sehr von mir eingenommen? Abwarten.
Ach, und Bernardo fuhr mit. Er hatte sich so tief in den Beifahrersitz gefläzt, dass ihm der Sicherheitsgurt, auf den ich bestanden hatte, in den Hals schnitt. Er machte ein düsteres Gesicht und hielt die Arme verschränkt. Ich glaube, er hätte auch noch die Beine verschränkt, wenn er Platz gehabt hätte. Mir kamen Worte wie verschlossen, grüblerisch in den Sinn.
Über die Straße legten sich Schatten, obwohl weder Bäume noch Häuser da waren. Es war, als würden sie aus der Erde hervorquellen als Vorboten der kommenden Nacht. Nach meiner Armbanduhr war es erst früher Abend. Nach der Helligkeit war es später Nachmittag. Uns blieben noch drei Stunden Tageslicht. Ich fuhr durch die sich sammelnden Schatten mit einem Gefühl, als säße mir etwas Dringendes im Nacken. Ich wollte vor Einbruch der Dunkelheit im Krankenhaus sein. Ich wusste nicht, warum, und ich fragte auch nicht. Die Polizei fuhr hinter uns her. Die würden das mit dem Strafzettel sicher regeln.
Es war beängstigend, wie schnell und glatt der Wagen auf hundertdreißig Stundenkilometer kletterte, ohne dass ich es merkte. Es lag irgendwie an den Straßen und wie sie endlos durch die leere Landschaft führten, sodass man geringere Geschwindigkeiten als Kriechtempo empfand. Ich fuhr konstant hundertdreißig und Ramirez hielt mit. Er schien der Einzige zu sein, der mir glaubte. Vielleicht spürte er die Dringlichkeit auch.
Das Schweigen im Wagen war nicht gerade kameradschaftlich, aber auch nicht unangenehm. Außerdem hatte ich genug eigene Probleme, um auch noch die starke Schulter für Edwards soziopathische Freunde zu spielen.
Bernardo brach das Schweigen. »Ich habe gesehen, wie du da draußen im Gras mit dem Bullen rumgemacht hast.«
Ich sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. Er musterte mich feindselig. Ich glaube, er versuchte, einen Streit vom Zaun zu brechen. Warum, war mir schleierhaft. »Wir haben nicht rumgemacht«, sagte ich.
»Sah mir aber sehr traulich aus.«
»Eifersüchtig?«
Sein Gesicht wurde hart und schmal. »Also schläfst du doch herum, nur nicht mit uns.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es war eine tröstende Umarmung. Nicht dass dich das etwas angeht.«
»Dachte nicht, dass du der Typ dafür bist.«
»Bin ich auch nicht.«
»Aber?«
»Der Fall macht mir zu schaffen.«
»Hab ich gehört«, sagte er.
Ich sah ihn an. Er hatte den Kopf weggedreht, es war nur ein schmaler Rand des Profils durch seine Haare zu sehen, wie der Mond kurz bevor es dunkel wird.
Ich blickte wieder auf die Straße. Wenn er keinen Blickkontakt wollte, meinetwegen. »Ich dachte, du bist es, der die Fotos und das gerichtsmedizinische Zeug meidet«, sagte ich.
»Ich bin zwei Wochen länger hier als du. Ich habe die Fotos gesehen. Ich habe die Leichen gesehen. Ich brauche mir das nicht noch mal anzugucken.«
»Worüber hast du heute mit Edward gestritten?«
»Gestritten«, wiederholte er und lachte leise. »Ja, das kann man so nennen.«
»Worum ging es?«
»Ich weiß nicht, wozu ich überhaupt hier bin. Sag mir, was oder wen ich abknallen soll, und ich tu’s. Ich schütze Leute, wenn die Bezahlung stimmt. Aber hier gibt es nichts zu erschießen. Hier gibt’s nur Tote. Von Magie verstehe ich einen Scheiß.«
»Ich dachte, du bist ein zugelassener Prämienjäger, der auf übernatürliche Wesen spezialisiert ist.«
»Ich war bei Edward, als er in Arizona ein Nest von Lykanthropen aushob. Es waren fünfzehn. Wir haben sie mit Maschinenpistolen und Handgranaten platt gemacht.« Er klang fast wehmütig. Ach, das waren noch Zeiten. »Davor habe ich zwei wild gewordene Lykanthropen erledigt, und danach bekam ich viele Anrufe wegen solchem Zeug. Das waren im Grunde Auftragsmorde, mit dem einzigen Unterschied, dass die Opfer keine Menschen waren. So was kann ich, aber ich bin kein Ermittler. Ruft mich an, wenn das Ziel in Sicht kommt, und ich bin da, aber nicht für so etwas. Die verdammte Warterei, die Spurensuche. Wer will schon nach Indizien suchen? Wir sind Auftragsmörder, nicht Sherlock Holmes.«
Er rutschte in seinem Sitz ein Stück höher, mit verschränkten Armen. Dann schüttelte er sich die Haare aus dem Gesicht. Eigentlich eine feminine Geste. Damit sie nicht so wirkt, muss ein Mann muy macho sein. Bernardo bekam das hin.
»Vielleicht findet er, dass du hier nützlich sein kannst, nachdem du ihm bei den Gestaltwandlern geholfen hast.«
»Er hat sich geirrt.«
Ich zuckte die Achseln. »Dann fahr nach Hause.«
»Kann ich nicht.«
Ich drehte den Kopf. Sein Profil war voll zu sehen, und es war ein hübsches. »Du schuldest ihm auch einen Gefallen?«
»Ja.«
»Verrätst du mir, welchen?«
»Den gleichen wie du.«
»Du hast einen seiner Leute getötet?«
Er nickte und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
»Willst du darüber reden?«
»Wozu?« Er sah mich an, und ausnahmsweise hatte er keinen neckenden Gesichtsausdruck. Er war ernst, fast feierlich. Ohne das Lächeln und das Leuchten in den Augen war er nicht so anziehend, dafür umso echter. Echtsein würde mich schneller in Schwierigkeiten bringen als dick aufgetragener Charme. »Willst du darüber reden, wie du Harley umgebracht hast?«, fragte er.
»Eigentlich nicht.«
»Warum fragst du mich dann?«
»Du wirkst verspannt. Ich dachte, reden hilft vielleicht, oder ist das typisch Frau?«
Er lächelte, und es drang fast bis in die Augen vor. »Muss wohl, denn ich will nicht darüber reden.«
»Okay, reden wir über etwas anderes.«
»Was?« Er lehnte jetzt mit der Schulter an der Scheibe und guckte hinaus. Die Straße führte bergab zwischen zwei Bergen hindurch, und plötzlich war die Welt dunkelgrau. Vom Tageslicht war nicht mehr viel übrig. Aber der jüngste Überfall war eindeutig bei Tag passiert. Warum war ich dann so beunruhigt wegen der drohenden Dämmerung? Vielleicht die jahrelange Gewöhnung durch die Jagd auf Vampire, wo die Dunkelheit bedeutete, dass wir Menschen keinen Vorteil mehr auf unserer Seite hatten. Ich hoffte, dass es so war, doch das Flattern in der Magengegend sagte etwas anderes.
»Wie lange kennst du Edward schon?«, fragte ich.
»Seit sechs Jahren.«
»Mist.«
Er sah mich an. »Wieso?«
»Ich kenne ihn seit fünf. Ich hatte gehofft, du würdest ihn schon länger kennen.«
Er grinste mich an. »Wolltest mich über ihn ausquetschen, wie?«
»So ähnlich.«
Er drehte sich mit dem Oberkörper zu mir herum und zog ein Bein an die Brust. »Lass mich dich vögeln, dann kannst du mich ausquetschen, so viel du willst.« Er sagte das ein, zwei Töne leiser. Seine schwarzen Haare hatten sich über das Sitzpolster gelegt wie ein glänzendes Fell.
Ich schüttelte den Kopf. »Du bist geil und hältst mich für verfügbar. Das ist nicht sehr schmeichelhaft, Bernardo.«
Er drehte sich wieder weg, die schwarzen Haare glitten auf seine Hälfte des Sitzes. »Typisch Frau.«
»Was soll das heißen?«
»Sie müssen alles kompliziert machen, Sex muss für sie immer mehr sein als Sex.«
»Ich weiß nicht. Ich kenne ein oder zwei Jungs, die es genauso kompliziert machen.«
»Klingt nicht, als wärst du glücklich darüber.«
»Hat Edward zuerst dich oder zuerst Olaf hergerufen?«
»Zuerst Olaf, aber du weichst vom Thema ab.«
»Nein, tue ich nicht. Edward hat ein Händchen für Leute. Er weiß, wen er für welchen Auftrag am besten mitnimmt. Olaf ist sinnvoll. Ich bin sinnvoll. Du nicht. Er weiß, dass diese Sache nicht nach deinem Geschmack ist.«
»Ich komme nicht mehr mit.«
»Edward hat mich ermuntert, mit dir zu schlafen.«
Bernardo sah mich an. Geschockt, glaube ich. Schön zu wissen, dass man ihn schocken konnte. »Edward und verkuppeln. Wir reden über denselben Edward, ja?«
»Vielleicht hat Donna ihn verändert«, meinte ich.
»Edward lässt sich nicht verändern. Er ist ein Felsen. Er ist, wie er ist.«
Ich nickte. »Stimmt, aber er hat mich nicht ermuntert, mit dir Vorhänge auszusuchen. Er sagte, und ich zitiere: Was du brauchst ist ein unkomplizierter Fick.«
Bernardos Augenbrauen gingen in die Höhe. »Das hat er gesagt?«
»Ja.«
Er betrachtete mich. Ich spürte seinen Blick auf mir, während ich auf die Straße sah. Der Blick war nicht sexuell, nur durchdringend. Ich hatte seine Aufmerksamkeit. »Willst du damit sagen, Edward hat mich hergeholt, damit ich dich verführe?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht. Vielleicht irre ich mich. Vielleicht ist es nur ein Zufall. Aber er ist nicht zufrieden mit meiner Wahl der Liebhaber.«
»Erstens: Bei Edward gibt es keine Zufälle. Zweitens: Was für Liebhaber können das denn sein, dass es Edward überhaupt kümmert? Du könntest es mit deinem Hund treiben, und es wäre ihm egal.«
Die letzte Bemerkung ignorierte ich, weil mir keine Retourkutsche einfiel. Obwohl ich die Beobachtung teilte. Gewöhnlich wollte Edward nur wissen, ob man schießen kann. Alles andere war unwichtig. »Ich werde es dir sagen, wenn du mir eine Frage beantwortest.«
»Schieß los.«
»Du siehst zwar aus wie ein Coverboy des Indianer-GQ, aber man hat nicht den Eindruck, als würdest du aus einer anderen Kultur stammen.«
»Zu weiß für deinen Geschmack?« Es klang ärgerlich. Ich hatte den wunden Punkt getroffen.
»Sieh mal, die Familie meiner Mutter stammt aus Mexiko, und man spürt ihre kulturelle Herkunft, wenn man sich mit ihnen unterhält. Die Familie meines Vaters stammt aus Deutschland, und sie sagen und tun Dinge, die irgendwie europäisch sind oder fremdländisch wirken. Bei dir spürt man so etwas nicht. Du redest wie ein typischer Mittelstandsamerikaner, wie im Fernsehen oder so.«
Er sah mich an, und jetzt war er zornig. »Meine Mutter war weiß. Mein Vater Indianer. Mir wurde erzählt, dass er starb, bevor ich geboren wurde. Sie hat mich gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Keiner wollte ein Mischlingsbaby haben, also zog ich von einer Pflegefamilie zur nächsten. Mit achtzehn trat ich in die Armee ein. Die stellten fest, dass ich schießen kann. Ein paar Jahre lang habe ich für mein Land getötet. Dann machte ich mich selbständig. Und jetzt bin ich hier.« Sein Ton war immer bitterer geworden, bis es wehtat, ihm zuzuhören.
Zu sagen, es täte mir leid, wäre beleidigend. Zu sagen, ich könne es ihm nachfühlen, wäre eine Lüge. Ihm für die Antwort zu danken kam mir auch nicht richtig vor.
»Fällt dir nichts dazu ein?«, fragte er. »Schockiert? Mitleidig? Wie wär’s mit ein bisschen Mitleidssex?«
Darauf sah ich ihn an. »Wenn jemand mit dir schläft, dann nicht aus Mitleid, und das weißt du verdammt gut.«
»Aber du willst nicht mit mir schlafen.«
»Das hat nichts mit deiner Herkunft zu tun oder mit mangelnder indianischer Ausstrahlung. Ich habe zwei Männer, die zu Hause auf mich warten. Zwei sind schon einer zu viel. Drei wären albern.«
»Warum kann Edward sie nicht leiden?«, fragte er.
»Einer ist ein Werwolf, der andere ein Vampir.« Mein Tonfall war ausdruckslos, aber ich beobachtete sein Gesicht und sah die Reaktion. Er glotzte mich an.
Schließlich machte er den Mund zu und sagte: »Du bist der Scharfrichter, die Geißel der Untoten. Wie kannst du einen Vampir bumsen?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage beantworten kann, nicht einmal mir selbst. Aber zurzeit bumse ich ihn nicht.«
»Hast du den Werwolf für einen Menschen gehalten? Hat er versucht, dich zu täuschen?«
»Anfangs, aber nicht lange. Ich wusste, was er ist, als ich ihn mit ins Bett nahm.«
Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Edward hasst die Monster. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es ihn interessiert, ob einer seiner Leute mit ihnen schläft.«
»Doch, das tut es. Ich weiß nicht, wieso, aber es ist so.«
»Was hat er sich also gedacht? Dass eine Nacht mit mir dich bekehren kann? Dass du den Monstern abschwörst?« Er sah mich jetzt direkt an und forschte in meinem Gesicht. »Ich habe gehört, dass Gestaltwandler ihr Äußeres willkürlich verändern können. Stimmt das?«
»Manche können es«, sagte ich. Wir kamen in die Randbezirke von Albuquerque. Einkaufsmeilen mit Schnellrestaurants.
»Kann dein Freund es?«
»Ja.«
»Er kann jedes Körperteil verändern, wenn er es will?«
Ich merkte, wie mir die Röte vom Hals in die Wangen stieg, und konnte es nicht verhindern.
Bernardo lachte. »Scheint so.«
»Kein Kommentar.«
Er lachte leise in sich hinein, was sehr männlich klang. »Gehört dein Vampir zu den alten?«
»Er ist über vierhundert«, sagte ich. Wir hatten die Einkaufsmeile hinter uns und kamen in ein Wohngebiet. Wir fuhren auf den ersten Orientierungspunkt von Edwards Wegbeschreibung zu. Bis dahin hatten wir fast eine Stunde Tageslicht verbraucht. Fast wäre ich an der Abzweigung zu Nicandro Bacos Haus vorbeigefahren. Wenn ich recht hatte und das Wesen, mit dem wir es zu tun hatten, gehörte zu einer Art von Untoten, die mir noch völlig unbekannt war, dann war es gut, noch einen Totenbeschwörer auf unserer Seite zu haben. Diese Sorte Untote schien eine regionale Besonderheit zu sein, und Baco würde mehr darüber wissen als ich. Ich bog ab und sah im Rückspiegel, wie Ramirez mir folgte. Wir hielten tatsächlich alle die Höchstgeschwindigkeit ein.
»Kannst du mir die Wegbeschreibung ansagen?«, fragte ich.
Er antwortete nicht, sondern zog den Zettel vom Armaturenbrett, dann las er die Straßennamen. »Wir sind hier erst mal richtig. Setzen wir unsere kleine Unterhaltung fort.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. »Muss das sein?«
»Nur damit ich richtig verstehe«, sagte er. »Du bist mit einem Werwolf zusammen, der eine so genaue Körperbeherrschung hat, dass er jedes Körperteil größer machen kann.«
»Oder kleiner«, erwiderte ich. Ich zählte im Stillen die Straßenlampen. Wollte die Abzweigung nicht verpassen. Wir hatten genug Zeit, uns mit dem Kerl zu unterhalten und dann ins Krankenhaus zu fahren, aber nicht, wenn wir uns jetzt verfuhren.
»Kein Mann macht beim Sex irgendwas kleiner. Egal was er sonst noch ist, er ist ein Mann.«
Ich zuckte die Achseln. Ich hatte nicht vor, mit Bernardo über Richards Maße zu plaudern. Der einzige Mensch, mit dem ich das tat, war Ronnie, und das war mit viel Gekicher abgegangen, weil sie mir dabei peinliche Einzelheiten über ihren Freund Louie erzählte. Nach meiner Erfahrung verraten Frauen untereinander mehr intime Details als Männer. Männer geben untereinander an, Frauen erzählen, was sie wirklich erlebt haben.
»Wo war ich?«, sagte Bernardo. »Ach ja, du treibst es mit diesem Werwolf, der eine so gute Körperbeherrschung hat, dass er jedes Körperteil größer oder kleiner machen kann.«
Ich wand mich auf meinem Sitz, nickte aber schließlich.
Bernardo grinste zufrieden. »Und du treibst es mit einem Vampir, der seit über vierhundert Jahren Sex hat.« Plötzlich klang er affektiert britisch. »Darf ich daraus schließen, dass er mittlerweile sehr erfahren ist?«
Meine Röte, die schon nachgelassen hatte, schoss mir wieder ins Gesicht. Fast sehnte ich die Dunkelheit herbei. »Ja«, sagte ich.
»Scheiße, Mädchen, ich bin vielleicht gut, aber nicht so gut. Ich bin nur ein armer sterblicher Kerl, der es nicht mit dem Herrn der Untoten und diesem Wolfsmann aufnehmen kann.«
Wir waren in einem Stadtteil, der nahezu verlassen wirkte. Tankstellen mit Gittern vor den Fenstern und Graffiti, wo man hinsah. Die Sonne strahlte noch über den Himmel, aber seltsamerweise reichte sie nicht bis auf die Straße hinunter, als würde sie etwas hemmen. Es lief mir so kalt den Rücken runter, dass ich zusammenzuckte.
»Was ist los?«, fragte Bernardo.
Ich schüttelte den Kopf. Mein Mund war ganz trocken. Dass wir da waren, wusste ich, bevor er rief: »Da ist es, das Los Duendos. Das heißt ›Zwerge‹.«
Die Luft war stickig und drückend unter der Last der Magie. Todesmagie. Entweder wurde gerade etwas getötet, um Kräfte für einen Zauber zu gewinnen, oder lebhaft mit Toten gearbeitet. Da die Sonne noch nicht untergegangen war, war das ein besonderer Kunstgriff. Die meisten Animatoren konnten Tote erst bei Dunkelheit erwecken. Theoretisch habe ich genug Macht, um sie sogar mittags zu wecken, aber ich tue es nicht. Mir wurde einmal gesagt, dass ich das nur deshalb nicht kann, weil ich überzeugt bin, es nicht zu können. Nicandro Baco schienen solche Selbstzweifel fremd zu sein. Vielleicht war ich doch nicht der größte Fisch. Jetzt bekam ich einen Anfall von Selbstzweifeln. Zu spät, um Edward zur Verstärkung zu rufen. Wenn Baco Wind kriegte, dass wir mit der Polizei zusammenarbeiteten, würde er entweder abhauen, unkooperativ sein oder gewalttätig werden. Seine Macht strich mir über die Haut, und ich war noch nicht einmal aus dem Wagen gestiegen. Wie würde er sein? Übel. Wie übel? Wie es so schön heißt: Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
Zwei Blocks weiter bog ich um die Ecke hinter einer Kneipe auf einen verlassenen Parkplatz ein. Ramirez hielt neben mir, und er und der Uniformierte, Officer Rigby, kamen zu uns herüber. Rigby war mittelgroß, gut gebaut und bewegte sich, als würde er regelmäßig Sport treiben. Er hatte ein unbeschwertes Selbstvertrauen und ein nettes Lächeln, das bis rauf in die Augen reichte. Ihm war entschieden zu wohl in seiner Haut, als hätte ihn noch nie etwas richtig Böses gestreift. Ihm fehlte völlig die Ausstrahlung, die die meisten Polizisten entwickeln, wenn sie hart geritten und nass in den Stall gestellt werden. Er sah älter aus als ich, aber seine Augen waren jünger, und das ärgerte mich.
Ramirez hatte die Fahrt genutzt, um sich über Nicandro Baco, genannt Nicky Baco, zu informieren. Baco wurden verschiedene Morde zur Last gelegt, aber die Zeugen hatten die seltsame Angewohnheit zu verschwinden oder zu vergessen, was sie gesehen hatten. Er hatte Kontakt mit einer Bikergang, äh, einem Bikerclub, was nach Ramirez die politisch korrekte Bezeichnung war. Der hiesige »Club« nannte sich Los Lobos. »Nicht zu verwechseln mit der Musikgruppe«, sagte Ramirez.
Ich sah ihn verständnislos an, dann fiel der Groschen. »Oh, klar, die Musikgruppe.«
Er musterte mich. »Geht es Ihnen gut?«
Ich nickte. Noch zwei Blocks entfernt spürte ich Bacos Magie. Jede Wette, wenn sich jemand die Zeit nähme, würde er im ganzen Umkreis Schutztalismane und dergleichen finden. Ich glaubte nicht, dass er mich schon bemerkt hatte. Dass ich ihn so stark spürte, lag nur daran, dass er gerade praktizierte. Die Talismane waren in der Gegend verteilt, damit sie Unbehagen auslösten. Er mochte buchstäblich die anderen Geschäfte aus dem Geschäft gedrängt haben. Illegal und unmoralisch. Warum er die ganze Wirtschaft rings um seine Kneipe sollte zerstören wollen, war mir allerdings ein Rätsel. Darüber würde ich mir später Gedanken machen. Erst mal ging es um Mord und Verstümmelung. Um möglichen Immobilienbetrug später. An manchen Tagen musste man Prioritäten setzen.
»Die Lobos sind klein und örtlich begrenzt, aber sie haben einen schlechten Ruf«, sagte Ramirez.
»Wie schlecht ist er?«, fragte ich.
»Drogenhandel, Mord, bezahlter Mord, Raubüberfall, Raubüberfall mit Todesfolge, versuchter Mord, Vergewaltigung, Entführung.«
»Entführung?«, fragte Bernardo, als hätte er mit allen Verbrechen gerechnet, aber nicht mit diesem.
Ramirez sah ihn an, und seine Augen wechselten von freundlich nach kalt. Aus irgendeinem Grund konnte er Bernardo nicht leiden. »Wir glauben, sie haben ein junges Mädchen entführt, aber niemand hat sie als vermisst gemeldet, und es gibt nur einen Zeugen, der gesehen hat, wie sie in einen Van gezerrt wurde, der aussah wie der von ihrem Anführer Roland Sanchez. Aber viele Leute fahren einen grauen Van.«
»Sind hier viele Mädchen verschwunden?«, fragte ich.
»Nur die übliche Anzahl. Nein, es gibt keine Häufung von Entführungen junger Frauen durch die Bande. Ich will nicht sagen, sie tun es nicht, aber sie machen keine Gewohnheit daraus.«
»Schön zu hören«, sagte ich.
Ramirez lächelte. »Sie sind bewaffnet, und …« Er gab mir ein schmales Mobiltelefon. »Drücken Sie diesen Knopf, dann kommt das Signal bei mir an.« Er hob ein zweites Exemplar hoch. »Rigby und ich kommen mit Verstärkung.«
Ich warf einen schnellen Blick auf Rigby, der sich tatsächlich an die Mütze tippte. »Zu Ihren Diensten, Ma’am.«
Ma’am? Entweder war er fünf Jahre jünger, als er aussah, oder er sagte das zu allen Frauen. Ich sah von seinen friedlichen Augen weg zu Ramirez. Dessen Augen waren sanft, aber nicht friedlich. Für innere Beschaulichkeit hatte er zu viel vom Leben gesehen. Seine Augen gefielen mir besser. »Sie wollen mir nicht ausreden, mit Bernardo in diese Kneipe zu gehen?«
»Wir verdächtigen Baco, dass er seine Magie einsetzt, um Leute umzubringen. Darauf steht die Todesstrafe. Wenn er von uns Wind bekommt, wird er zuschnappen wie eine Auster und anfangen, nach einem Anwalt zu fragen. Wenn Sie Informationen von ihm wollen, müssen Sie den Durchschnittsbürger spielen. Falls Sie vorhätten, ohne männliche Begleitung in diese Kneipe zu gehen, würde ich einschreiten.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. »Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
Er schüttelte den Kopf. »In der Welt, in der sich diese Bande bewegt, existieren Frauen nur durch den Mann.«
Mein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Ich verstehe nicht.«
»Eine Frau ist entweder jemandes Mutter, Tochter, Ehefrau, Schwester, Freundin oder Geliebte. Sie würden gar nicht wissen, was sie mit Ihnen machen sollen, Anita. Gehen Sie als Bernardos Freundin hinein.« Er hob die Hand, um mich zu unterbrechen, bevor ich den Mund aufmachen konnte. »Vertrauen Sie mir. Sie brauchen einen Status, den die da drinnen schnell und leicht begreifen. Wenn Sie ihre Animatorlizenz zücken, hat das zu viel Ähnlichkeit mit einer Polizeimarke. Keine vernünftige Frau würde da allein auf einen Drink reinspazieren. Sie brauchen eine Begleitung.« Er warf einen Blick auf Bernardo, der nicht gerade froh wirkte. »Ich würde ja die Rolle des Freundes übernehmen, aber ob es mir gefällt oder nicht, man sieht mir den Polizisten an, so wurde mir jedenfalls gesagt.«
Ich musterte ihn. Ich wusste nicht so recht, was Polizisten an sich hatten, aber nach einer Weile sah man es ihnen wirklich an, manchen sogar, wenn sie nicht im Dienst waren. Teils lag es an der Kleidung, teils an einer unbestimmten Ausstrahlung von Autorität oder mieser Einstellung oder was auch immer. Ramirez hatte es jedenfalls. Rigby war in Uniform, und ihn hätte ich sowieso nicht als Rückendeckung genommen. Er machte mich nervös mit seiner Zufriedenheit. Polizisten sollten nie so mit sich zufrieden sein. Das hieß, sie hatten noch keine Erfahrung.
Ich sah in Bernardos grinsendes Gesicht. »Also gut, aber nur unter Protest.«
»Gut«, sagte Ramirez mit einem Blick auf Bernardo, als würde ihm dessen Gesichtsausdruck auch nicht gefallen. Er drohte ihm mit dem Finger. »Wenn Sie sich da drinnen Anita gegenüber schlecht benehmen, wird es Ihnen leidtun. Dafür sorge ich.«
Bernardos Belustigung verwandelte sich in Kälte. Es erinnerte mich daran, wie Edwards Augen gefühllos und leer wurden und irgendwie brutal erschienen.
Ich trat zwischen sie und lenkte ihre Blicke damit auf mich. »Wenn es um ihn geht, komme ich schon zurecht, Detective Ramirez. Aber danke.« Ich redete ihn dienstlich an, um Bernardo zu erinnern, wer und was er war. Selbst Edward trat vor Polizisten nachgiebig auf.
Ramirez gab sich plötzlich verschlossen und unpersönlich. »Wie Sie meinen, Ms Blake.«
Er glaubte, ich hatte ihn so angesprochen, weil ich sauer auf ihn war, wurde mir klar. Mist. Wie kam es, dass ich in jeder schwierigen Situation immer von männlichen Egomanen umringt war?
»Schon gut, Hernando. Ich sage nur gern jedem deutlich, dass ich schon ein großes Mädchen bin.« Ich fasste ihn leicht am Arm.
Er sah mich an, und sein Blick wurde weicher. »Okay.« Das war die männliche Kurzform für eine wechselseitig akzeptierte Entschuldigung. Allerdings wäre die Kurzform noch kürzer ausgefallen, wenn nicht eine der beiden Parteien weiblich gewesen wäre.
Ich trat einen Schritt zurück und wechselte das Thema. »Erstaunlich, wie viele üble Kerle und Monster bereit sind, mit mir zu reden, aber nicht mit der Polizei.«
Er nickte ernst. »Erstaunlich, so kann man es nennen.« Der Blick, den er mir zuschoss, war so vielsagend, dass ich überlegte, ob er sich unterwegs auch über mich informiert hatte.
Ich fragte nicht. Ich wollte es eigentlich nicht wissen. Aber was Baco anging, so hatte er recht. Wenn er das war, was allgemein behauptet wurde, würde er die Polizei nicht in seiner Nähe haben wollen. Das mit der Todesstrafe war kein Scherz. Die letzte Hinrichtung wegen Mordes unter Zuhilfenahme von Magie war erst zwei Monate her. Sie hatte in Kalifornien stattgefunden, wo sonst bei keinem Verbrechen die Todesstrafe verhängt wird.
Es wurde eine Hexe angeklagt und verurteilt, die mit Dämonen verkehrt hatte. Sie hatte mit Hilfe des Dämons ihre Schwester umgebracht, um Alleinerbin des elterlichen Anwesens zu werden. Sie wurde auch verdächtigt, ihre Eltern getötet zu haben, aber das konnte man nicht beweisen. Und welchen Unterschied machte das schon? Man konnte sie nur ein Mal hinrichten. Ich hatte Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll gelesen. Sie war schuldig gewesen. Da hatte ich keinen Zweifel. Doch von der Verhaftung bis zur Hinrichtung vergingen nur drei Monate. Das hatte es in der amerikanischen Justiz noch nie gegeben. Gewöhnlich dauert es schon länger, um überhaupt einen Verhandlungstermin zu bekommen, geschweige denn einen ganzen Prozess durchzuführen. Doch selbst Kalifornien hatte seine Lektion gelernt. Ein paar Jahre vorher war dort ein Hexer in einem ähnlichen Fall verhaftet worden. Es kam zu der üblichen Wartezeit auf den Prozess, weil ein Kongressabgeordneter eine Debatte anstrengte, wonach die Todesstrafe nicht einmal bei Mord mit Magie erlaubt sein sollte.
Dieser Hexer rief unterdessen einen mächtigeren Dämon in seine Zelle. Der tötete sämtliche Wächter des Zellenblocks und einige Häftlinge. Am Ende wurde er mit Hilfe einer Zusammenkunft weißer Wiccas aufgespürt. Die Zahl der Todesopfer lag bis dahin bei zwei- oder dreiundvierzig. Er wurde schließlich bei der Festnahme getötet. Er hatte dreißig Durchschüsse, das heißt, die Polizisten hatten auf ihn geschossen, bis ihre Waffen leer waren. Da unter den Kollegen niemand einen Querschläger abbekam, mussten sie direkt über ihm gestanden haben. Ein bisschen viel, finde ich, aber ich kann es ihnen nicht übelnehmen. Von den Gefängniswärtern sind nicht mal alle Teile gefunden worden.
New Mexico war ein Staat mit Todesstrafe. Jede Wette, dass sie Kaliforniens Rekord von drei Monaten brechen würden. Ich meine, schließlich wurde man in diesem Staat auch für einen guten, altmodischen Mord schon hingerichtet. Kam dann noch Magie dazu, wurde der Täter schneller vom Leben zum Tode befördert, als er Beelzebub sagen konnte.
Die aktuelle Hinrichtungsmethode ist für alle die gleiche. Der Tod auf dem Scheiterhaufen ist nicht erlaubt, aber wenn bei dem Verbrechen Magie im Spiel war, dann wird die Leiche nach der Hinrichtung eingeäschert. Die Asche wird schließlich verstreut, gewöhnlich über einem fließenden Gewässer. Sehr traditionell.
In einigen Teilen Europas ist der Tod auf dem Scheiterhaufen noch immer gesetzlich vorgesehen. Es gibt mehr als einen Grund, warum ich mich wenig außer Landes begebe.
»Anita, sind Sie noch bei uns?«, fragte Ramirez.
Ich blinzelte. »Entschuldigung, ich dachte gerade an die letzte Hinrichtung in Kalifornien. Ich verstehe, dass Baco Angst hat.«
Ramirez schüttelte den Kopf »Ich auch. Seien Sie vorsichtig. Das sind gefährliche Leute.«
»Damit kennt Anita sich aus«, warf Bernardo ein.
Die beiden Männer wechselten einen Blick, und wieder hatte ich den Eindruck, dass Ramirez ihn nicht ausstehen konnte. Bernardo schien ihn aufzuziehen. Kannten sie sich etwa?
Ich beschloss zu fragen. »Kennt ihr euch vielleicht?«
Sie schüttelten den Kopf. »Wieso?«, fragte Bernardo.
»Das sieht irgendwie nach persönlichem Scharmützel aus.«
Bernardo lächelte, und Ramirez war verlegen. »Von meiner Seite nicht«, sagte Bernardo.
Rigby drehte sich weg und hustete. Fast hätte ich vermutet, er überspielte ein Lachen.
Ramirez ignorierte ihn und richtete seine Aufmerksamkeit auf Bernardo. »Auch wenn Anita weiß, wie sie sich in Gegenwart solcher Burschen zu verhalten hat, ein Messer im Rücken fragt nicht danach, wie gut man ist. Die Lobos brüsten sich damit, dass sie Messer anstatt Schusswaffen benutzen.«
»Schusswaffen sind für Weicheier«, sagte ich.
»So ähnlich.«
Ich hatte die schwarze Kostümjacke und das dunkelblaue Polohemd an. Wenn ich zwei Knöpfe schloss, verbarg sie die Firestar im Hosenbund, und ich kam trotzdem sehr gut an sie heran, auch an die Browning. Tatsächlich war das schlanke Mobiltelefon, das in der rechten Tasche schlenkerte, auffälliger als die Schießeisen. »Ich nehme zum Messerkampf immer gern eine Pistole mit.«
Bernardo hatte sich ein kurzärmliges Hemd über sein weißes T-Shirt gezogen. Es hing locker über der Hose und verdeckte seine Beretta, die er an der Hüfte trug. »Ich auch«, sagte er lächelnd. Es war ein grimmiges Lächeln, und ich begriff, dass es für ihn seit Wochen das erste Mal war, wo er etwas aus Fleisch und Blut vor die Mündung bekommen würde.
»Wir gehen nur wegen Informationen da rein, nicht um uns eine Schießerei zu liefern«, warnte ich. »Verstehst du das?«
»Du bist der Boss«, antwortete er, aber sein Augenausdruck gefiel mir gar nicht. Ich sah nur Eifer und Vorfreude.
Ich war mir paranoid vorgekommen, als ich am Morgen das Messer in die Rückenscheide schob. Jetzt tastete ich unter meinen Haaren nach dem Griff. Es war beruhigend. Die Unterarmscheiden trug ich fast immer, aber die im Rücken nur ab und zu. Eben noch ist man paranoid, dann plötzlich hat man Angst und fühlt sich unterbewaffnet. So ist das Leben. Zumindest meins.
»Wissen Sie, was los duendos heißt?«, fragte Ramirez.
»Bernardo meinte, das heißt ›Zwerge‹.«
Ramirez nickte. »Sie gehören hier zur Folklore. Das sind kleine Wesen, die in Höhlen leben und stehlen. Angeblich sollen sie Engel sein, die während Luzifers Revolte zwischen Himmel und Hölle zurückgelassen wurden. Es waren so viele Engel, die den Himmel verließen, dass Gott das Tor zugeschlagen hat, und los duendos ausgesperrt waren. Sie hingen quasi in der Luft.«
»Warum sind sie nicht in die Hölle gegangen?«, fragte Bernardo.
Eine gute Frage. Ramirez zuckte die Achseln. »Das erzählt die Geschichte nicht.«
Ich sah zu Rigby, der hinter Ramirez stand. Er wirkte so unbeschwert und einsatzbereit wie ein Pfadfinder. Er schien sich wegen nichts Sorgen zu machen. Das beunruhigte mich wirklich. Wir würden gleich eine Kneipe voller Biker und anderer übler Kerle betreten, darunter ein Nekromant, der so mächtig war, dass mir noch zwei Blocks entfernt die Haut kribbelte. Wir anderen guckten zuversichtlich, aber unsere Zuversicht kam daher, dass wir so eine Situation schon überlebt hatten. Rigbys Zuversicht kam mir falsch vor, nicht vorgetäuscht, sondern irrig. Ich konnte es nicht sicher wissen, aber ich wettete, dass Rigby noch nie in einer Lage gewesen war, wo er dachte, dass er vielleicht nicht lebend wieder rauskäme. Trotz seiner muskulösen Drahtigkeit wirkte er weich. Ich würde jederzeit auf ein paar Muskeln verzichten und mehr Tiefe in den Augen vorziehen. Ich hoffte, dass Ramirez nicht mit ihm würde reinkommen müssen, wenn er die einzige Verstärkung war. Aber das sagte ich nicht. Jeder verliert irgendwann seine Unschuld. Wenn die Sache schieflief, war heute vielleicht Rigby an der Reihe.
»Haben Sie uns diese kleine Geschichte aus einem bestimmten Grund erzählt, Hernando? Ich meine, Sie glauben nicht etwa, dass Baco und die Biker los duendos sind, oder?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich dachte nur, das würde Sie vielleicht interessieren. Es sagt einiges über Baco, dass er seine Kneipe nach gefallenen Engeln benannt hat.«
Ich öffnete die Fahrertür des Hummers. Bernardo verstand den Wink und kam auf die Beifahrerseite. »Diese Engel sind nicht gefallen, Hernando, sie hängen nur in der Luft.«
Ramirez lehnte sich in das offene Wagenfenster. »Sie sind auf jeden Fall nicht mehr im Himmel, oder?« Mit dieser Bemerkung trat er zurück und ließ mich die Scheibe hochfahren. Er und Rigby sahen uns wegfahren. Sie wirkten etwas verloren auf dem verlassenen Parkplatz. Oder vielleicht fühlte nur ich mich verloren.
Ich sah Bernardo an. »Bring niemanden um, okay?«
Er lehnte sich in seinen Sitz, schmiegte sich in das Leder. Er war so entspannt wie seit Stunden nicht. »Und wenn sie uns töten wollen?«
Ich seufzte. »Dann verteidigen wir uns.«
»Ich wusste, dass wir einer Meinung sind.«
»Fang den Kampf nicht an«, sagte ich.
Er sah mich mit begierigen braunen Augen an. »Darf ich ihn denn beenden?«
Ich sah mich nach einem Parkplatz an der Straße um. Baco hatte seinen Zauber inzwischen beendet. Das Atmen fiel ein bisschen leichter. Aber es lag noch immer etwas in der Luft wie kurz vor einem Gewitter. »Ja, wir können ihn beenden.«
Er fing an zu summen. Ich glaube, es war die Titelmelodie der »Glorreichen Sieben«. Um ein überstrapaziertes Filmzitat zu bringen: Ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei.
Bis ein Parkplatz gefunden war, hatten Bernardo und ich einen Plan. Ich war ein auswärtiger Totenbeschwörer, der mit einem Kollegen, dem einzigen, von dem ich je gehört hatte, fachsimpeln wollte. Es war eine lausige Tarngeschichte, wenn auch nah an der Wahrheit. Es klang ziemlich dürftig, aber wir hatten nicht viel Zeit, und Raffinesse war sowieso nicht unsere starke Seite. Wir fühlten uns beide wohler, wenn wir die Tür eintreten und losballern konnten, anstatt in eine Rolle zu schlüpfen und den Laden zu infiltrieren.
Bernardo hielt mir die Hand hin, bevor wir die Straße überquerten. Ich blickte ihn stirnrunzelnd an.
Er wackelte auffordernd mit den Fingern. »Komm, Anita, spiel mit.« Einen Moment lang blickte ich auf seine Hand, dann nahm ich sie. Seine Finger glitten ein bisschen zu langsam um meine und ein bisschen besitzergreifender als nötig, aber ich konnte damit leben. Ein Glück, dass ich Rechtshänder und er Linkshänder war. So konnten wir Händchen halten und hatten trotzdem die Waffenhand frei. Bei Zärtlichkeiten trug normalerweise nur ich eine Waffe.
Ich war schon mit Männern ausgegangen, mit denen ich nicht Hand in Hand gehen konnte, weil der Rhythmus nicht hinhaute. Bei Bernardo war das anders. Er verlangsamte seinen Schritt, damit ich mit seinen langen Beinen mithalten konnte, bis er merkte, dass ich vor ihm lief und ihn hinter mir herzog. Ich habe viele große Freunde. Noch keiner hat sich je beschwert, ich käme nicht mit.
Die Tür der Bar war schwarz und so unauffällig in die Hausfassade eingelassen, dass man sie glatt übersehen konnte. Bernardo hielt sie mir auf, und ich ließ ihn. Ein Wortgefecht, wer wem die Tür aufhält, konnte unsere Tarnung auffliegen lassen. Andererseits, wäre er wirklich mein Freund gewesen, hätte der Streit stattgefunden. Na ja.
In der Minute, wo ich die Bar betrat, nein, in der Sekunde, wo ich die Bar betrat, war mir klar, dass wir sofort auffallen würden. Wir waren nicht unbedingt zu gut gekleidet, sondern falsch gekleidet. Wenn Bernardo das schwarze Hemd weggelassen und nur das weiße T-Shirt angehabt und das nicht wie frisch aus dem Laden ausgesehen hätte, hätte er vielleicht in den Schuppen gepasst. Und ich war die einzige Kostümjacke im ganzen Lokal. Selbst das Polohemd und die Jeans wichen ein bisschen arg davon ab, was manche Frauen hier anhatten. Kann man Kurzshorts sagen?