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"Ich gehöre einer Generation an, die in gewisser Weise singulär in der Geschichte ist. Menschen vor mir haben große Umbrüche erlebt, ich aber sah und erlebte, wie die Felder mit Sensen per Hand gemäht wurden, wie Heuwagen, von Pferden gezogen in die Scheune eingefahren wurden. ... Ich sah den Übergang in die industrielle Landwirtschaft auf riesigen Feldern imn amerikanischen Westen..", schreibt Werner Herzog in seinem Buch "Jeder für sich und Gott gegen alle", und gibt damit einem Gefühl Ausdruck, das uns Kriegskinder ein Leben lang begleitet hat. Verlorenheit und Entwurzelung beschreibt es wohl am besten, ein Gefühl, das auch in den Aufzeichnungen vorherrscht.
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Seitenzahl: 671
Veröffentlichungsjahr: 2022
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„Ich gehöre einer Generation an, die in gewisser Weise singulär in der Geschichte ist. Menschen vor mir haben große Umbrüche erlebt, etwa den von einer Welt des Handwerks in das Industriezeitalter, aber das war jeweils die Erfahrung eines einzelnen, großen Umbruchs. Ich aber sah und erlebte, obwohl ich selbst keiner bäuerlichen Kultur angehörte, wie die Felder mit Sensen per Hand gemäht wurden, wie das Gras gewendet wurde, wie die Heuwagen, von Pferden gezogen, mit großen Gabeln beladen und in die Scheune eingefahren wurden. Es gab Knechte, die wie die Leibeigenen in den fernen Feudalzeiten des Mittelalters arbeiteten. …Ich sah einen Traktor, den Übergang in die industrielle Landwirtschaft auf riesigen Feldern im amerikanischen Mittleren Westen, wo riesige Monstermaschinen, GPS gesteuert, perfekte Linien fuhren…“, schreibt Werner Herzog in seinem Buch Jeder für sich und Gott gegen alle, und gibt damit einem Gefühl Ausdruck, das uns Kriegskinder ein Leben lang begleitet hat. Verlorenheit und Entwurzelung, beschreibt es wohl am besten. Gepaart mit der Hoffnung, dass uns, und unseren Nachfahren, eine weitere Kriegserfahrung erspart bleibt.
Der Verfasser dieser Zeilen wohnt mit seiner amerikanischen Frau in München. Er hat jahrelang in den USA, Afrika und Indien gelebt. Nach einer erfolgreichen Karriere als Konzernmanager und Firmengründer hat er mehrere Romane geschrieben: Die Weltverbesserer, Tod am Sambesi, Dunkle Wahrheiten, Das Kuvert, Suchende, Das Verhängnis, Grenzgänger. Die Aufzeichnungen, ein mehrbändiges Projekt über die Zeit von 1965 bis in die Gegenwart, sind in Arbeit.
Für Susan, meine Frau, ohne die ich nie dort angekommen wäre, wo ich letztlich gelandet bin
Und für meine beiden Töchter, die jeden Neuanfang mit uns mitgemacht haben, und dadurch immer stärker wurden.
Und für meine Mutter, die mir trotz ihrer Sorgen erlaubt hat, in die Welt hinaus zu ziehen.
Erst wer weggeht, sich bewegt und die vertraute Umgebung verlassen hat, weiß, wie sein Inneres aussieht. Wer nur drinnen bleibt wird vielleicht nie erfahren, was es heißt, bei sich zu sein. Dieses Weggehen und Flüchten und sich auf etwas Fremdes zubewegen braucht keinen Ort, muss keine körperliche Reise sein, braucht nur einen lebendigen und ehrlichen Spiegel, in dem man über einen kleinen Umweg sich selbst betrachten kann. Diese Reflexion deiner Gefühle und Hoffnungen hilft dir, dich endlich dir selbst zu nähern.
Jalid Sehouli
Vorwort
1965
1966
1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
1975
1976
1977
1978
1979
Nichts was in den Aufzeichnungen steht ist wirklich neu, über alles wurde in irgendeiner Form geschrieben, nachgedacht und möglicherweise verworfen. Gültige Thesen, Jahrzehnte alte Wahrheiten, abgelöst durch den Verlauf einer neuen Krise irgendwo auf dem Erdball. Schmetterlings Effekt mit realen Auswirkungen auf unser aller Leben.
Der entscheidende Impuls für mich, den Stift immer wieder in die Hand zu nehmen, war die Verwunderung über die Vielfalt der Welt. Nichts, was das Fass zum Überlaufen brachte, einfach nur ein weiterer Anstoß, eine Kladde nach der anderen zu füllen. So entstand ein Konvolut aus Bildern und Eindrücken gesammelt und beobachtet über einen Zeitraum von mehr als sechzig Jahren. Während einer Zeit, die später möglicherweise von den Historikern als entscheidend angesehen wird, wenn sich die Menschen fragen, wie, wann und warum sind wir unwiederbringlich in die Katastrophe geschliddert, oder es gelungen ist, das Klima doch noch so zu stabilisieren, dass die Erde lebenswert bleibt.
Während ich das schreibe finden in England die Feierlichkeiten zum Tod Elisabeths II statt. Manche nennen ihre Regentschaft bereits das zweite Elisabethanische Zeitalter, nachdem die erste Elisabeth England von einer zweitrangigen europäischen Macht in eine formidable Seemacht verwandelt hatte. Es war der Grundstein für ein weltumspannendes Imperium. Und dieses Mal? Ist es wohl tatsächlich das Ende des ‚Empire‘, und einer langen Epoche, die Werner Herzog als eine gewaltige für die Menschheit bezeichnet: „Ich gehöre einer Generation an, die in gewisser Weise singulär in der Geschichte ist. Menschen vor mir haben große Umbrüche erlebt, etwa den von einer Welt des Handwerks in das Industriezeitalter, aber das war jeweils die Erfahrung eines einzelnen, großen Umbruchs. Ich aber sah und erlebte, obwohl ich selbst keiner bäuerlichen Kultur angehörte, wie die Felder mit Sensen per Hand gemäht wurden, wie das Gras gewendet wurde, wie die Heuwagen, von Pferden gezogen, mit großen Gabeln beladen und in die Scheune eingefahren wurden. Es gab Knechte, die wie die Leibeigenen in den fernen Feudalzeiten des Mittelalters arbeiteten. …Ich sah einen Traktor, den Übergang in die industrielle Landwirtschaft auf riesigen Feldern im amerikanischen Mittleren Westen, wo riesige Monstermaschinen, GPS gesteuert, perfekte Linien fuhren…“.
All das war mir auch vergönnt. Und dann flog Nixon 1972 nach China, um Mao Tse Tung zu treffen. Es war der Beginn eines unvergleichlichen Aufschwungs einer uralten Kultur zu neuer Weltmacht. Gleichzeitig fuhr ich mit Susan monatelang durch Indien, das sich schon damals durch China herausgefordert fühlte. Zwei Jahre zuvor saß ich am Akosombo Damm in Ghana, in Nkrumahs Augen das Symbol für die neu erlangte Unabhängigkeit des Landes. Und flog weiter in ein Südafrika der Apartheid, wo das Massaker in Sharpville vom 21. März 1960 noch im Gedächtnis brannte, und die Ermordung der Schulkinder Sowetos noch bevorstand.
Im Frühjahr 1979 sind wir mit zwei kleinen Kindern und einem großen Luftfrachtkarton nach Washington DC gezogen, in ein kleines Haus in Virginia, am Lake Barcroft. Das Haus war leer, die Wände weiß und verlangten danach bedeckt zu werden. Als ich Hammer und Nagel in die Hand nahm, merkte ich, dass sich hinter der glatten Oberfläche eine andere Welt verbarg. Keine Ziegelwand, wie gewohnt, sondern Gipspappe auf Holzkonstruktionen. Ein Studium der Luft- und Raumfahrt, Reisen nach Afrika und Indien hatten mich gelehrt von außen auf die Dinge zu sehen, aber jetzt wurde mir klar, dass ich hinter die Oberfläche sehen musste, um wirklich zu verstehen.
Dies ist keine Familienchronik, auch keine Abrechnung mit dem Schicksal, am wenigsten ein Hadern mit dem, was unserer Familie widerfuhr. Im besten Fall ein Rückblick voller Verwunderung, was Menschen in Extremsituationen zu leisten in der Lage sind.
Wir waren einmal eine tief verwurzelte Sippe, Bauern, Handwerker und wohl auch Tagelöhner, die sich hochgearbeitet haben, indem sie die Scholle, auf die es sie verschlagen hatte, fruchtbar machten.
Seit Beginn der Rekatholisierung um 1600 in Mähren ist das Leben der dortigen Menschen in Kirchenbüchern, (heute in Regensburg, Bayern), gespeichert. Ein erster Polzer, Johann, erscheint um 1635, bald darauf eine Marina Polzer in 1655 bereits in Dittersdorf, wo die Familie bis ans Ende des Zweiten Weltkriegs lebte. Ab da wurden die vormals fest Verwurzelten zu einem Volk von Nomaden, das über die gesamte Welt verstreut wurde. Ich bin einer davon.
Als mir meine Schwester Edda, an Weihnachten 2012, Fragmente an Erinnerungen zuschickte, zusammen mit Kopien der letzten Briefe meines Vaters, die ein freundlicher Mensch aus dem Sütterlin übertragen hatte, damit ich sie lesen konnte, meinte sie: „Mit den Briefen unseres Vaters wirst du ihn wohl nicht ‚kennenlernen’, aber vielleicht machst du dir ein Bild davon, was er für ein liebevoller Mann war.“
Nach vier Jahren an der Front im Osten schrieb mein Vater, Franz Polzer, geboren am 21. Januar 1910, an seine Frau Olga Polzer, geborene Nather, am 30. August 1914, seinen Abschiedsbrief, ohne zu wissen, dass es der letzte war. Vater galt lange als vermisst, starb aber vermutlich in den verlustreichen Kämpfen in Ostpreußen, als die Rote Armee begann Hitler-Deutschland zu vernichten.
Unser Haus in Dittersdorf
Samstag, Heilige Drei König, 6. Januar 1945,
Meine Liebe Olli.
Nun bin ich auf dem Marsch zum Regiment und warte auf einen Wagen. So will ich dir schnell noch ein paar Zeilen schreiben, denn ich weiß ja nicht, ob ich dann dort vorne dazu komme. Ich schicke ihn dann von dort, der neuen Einheit, weg, damit ich gleich die neue Feldpostnummer dazu schreiben kann. So hat es nicht mehr bis zum 11. Januar gedauert, wie ich dir geschrieben hatte, bis ich wegmusste. Nun will ich das Glück dort versuchen.
Es ist heute ein frostiger Tag, man weiß aber noch nicht, wie es hier zu Ende geht. Habe gestern Abend noch den Brief vom 25.12. und deine Karte erhalten. Was ist das für ein SP Beyer? Nun schreibst du, dass Hardy so unruhig ist, du hättest Angst, dass er krank wird. Hoffentlich bleibt uns der kleine Bengel gesund.
Ja, ich kann verstehen, dass das alles Mühsal kostet, und ich weiß auch, was du mitmachen musst. Ja, der Krieg dauert schon zu lange, wenn man daheim sein könnte dann wäre es wieder schön. Ich habe auch schon oft gedacht, warum wir ausgerechnet die schönsten Jahre getrennt sind, aber die Hauptsache, ich komme wieder, dann wird alles wieder werden.
Nun Liebling wird es oft vielleicht länger dauern, bis du Post bekommst, wenn ich dort nicht schreiben kann. Ich weiß noch nicht, wie es dort ist, aber mach dir deshalb nicht gleich zu viele Sorgen. Wenn ich nur die geringste Möglichkeit habe, dir ein paar Zeilen zu schreiben, dann werde ich das immer tun, auch wenn es nur ein paar Worte sind. Denn du weißt am besten, wie ich dich von Herzen liebe und so will ich dir Nachricht geben, wenn ich nur kann.
Wann werden wir uns wiedersehen mein Liebling, denn ich sehne mich genauso nach dir wie du, aber es lässt sich nichts daran ändern. Die Zeit wird kommen, denn nichts währt ewig.
Aber für Ida hast du ein ganz schönes Geld gekriegt, das brauchst du ja auch zur Kühlung.
Jetzt ist der Wagen da, ich muss schließen und es heißt weitermachen. Es liebt dich dein treuer Franzl.
Herzliche Grüße und viele Bussi den Lieblingen.
Herzliche Grüße auch an Eltern und alle
Am Rand des Briefs: Ich bin nach langem hin- und herwandern bei der Kompanie angekommen und gehe heute Mittag in Stellung nach vorn. Nun mit Gott!
Vater vor unserem Haus in Dittersdorf
Meine Mutter verließ Anfang 1945 in einem Viehwaggon, zusammen mit ihren drei kleinen Kindern, den Schwiegereltern und einem alten, gebrechlichen Onkel, Dittersdorf, Sudetenland. Über ein Zwischenlager gelangten sie nach Bayern. Mutters einzige Bitte war, in einem Ort mit Eisenbahnanschluss einquartiert zu werden, an dem die Kinder zur Schule gehen konnten. Sie war von einem Tag auf den anderen eine arme Frau geworden, deren Alltag durch Not und Hunger geprägt war. Der Vater blieb lange vermisst, was eine trügerische Hoffnung nährte, die von Jahr zu Jahr fraglicher wurde. Mitte 1955, nachdem Adenauer den Sowjets ein Kontingent von 15000 Kriegsgefangenen abgekauft hatte, und Vater nicht dabei war, gab Mutter auf. Sie hat ihn für Tod erklärt. Es war nur noch ein Verwaltungsakt, die Liebe hatte sich längst in Schmerz verwandelt.
Mutter blieb eine gute Erzählerin, deren Geschichten uns Kindern und Enkeln Trost und Vertrauen spendeten. Manche waren wie kleine Abenteuer, Cameos voller Spannung, erlebt in einer Zeit größter Umwälzungen.
Am Ende des letzten Jahrhunderts diktierte sie den folgenden Brief an ihren Großenkel Berhard Brey, aufgenommen von ihrer Tochter Inge.
Lieber Bernhard.
Du bist mein zweiter Urenkel und wirst in ein paar Tagen am 2. Januar getauft. Du bist jetzt das jüngste Glied in unserer Großfamilie, das letzte Glied einer langen Kette. Und ich bin das Älteste. Wenn ich so dasitze und darüber nachdenke, kommen mir so manche Erinnerungen.
Du sollst wissen, unsere Wurzeln liegen weit über unsere Grenzen hinaus im ehemaligen Sudetenland. Ich, deine Urgroßmutter, kam im Kriegsjahr 1914 am 30. 8. auf die Welt. In dieser harten Zeit wurde ich als fünftes Kind meiner Eltern, Aloisia und Alois Nather in Messendorf, bei Freudental, auf einem Bauernhof geboren. Ich hatte eine schöne, aber auch schwere Kindheit.
Als ich zur Welt kam, gab es noch kein elektrisches Licht und wir mussten das Wasser aus dem Brunnen holen. Mein Vater und meine Mutter stammten beide aus Kunzendorf. Sie kauften, als sie heirateten, unseren Bauernhof in Messendorf. Meine Geschwister, Franz, Alfred, Marie, Stefanie und ich wurden liebevoll aber sehr streng erzogen. Wenn wir beim Spielen mit unseren Freunden unsere uns aufgetragene Arbeit vergaßen wurden wir bestraft, und mussten oft auf Holzscheiten knien.
Meine Großmutter, Josefa Drößler, verbrachte ihre letzten Lebensjahre bei uns in Messendorf in einem Ausgedinge. Als sie mit 76 Jahren starb, saßen wir gerade beim Mittagessen und das Bild vom heiligen Florian, das über unserer Essecke hing, fiel von der Wand. Spring, spring, schrie meine Mutter, die Großmutter stirbt. Als wir außer Atem ankamen war sie aber schon tot.
Meinen Großvater habe ich nie kennengelernt. Die Nather-Großeltern starben schon jung an TBC, das war seinerzeit eine schreckliche Seuche und raffte viele Menschen hinweg.
Einmal hatten wir auf unserem Hof ein junges Pferd, ein wunderschönes hellbraunes Pferd mit schwarzem Schwanz und schwarzer Mähne. Es war ein richtiger Treibauf und von uns Kindern heißgeliebt. Es hieß Bubi. Wenn wir auf das Feld gingen wurde Bubi freigelassen und er bewachte unseren Hof, der im Viereck gebaut war. Zu jener armen Zeit gab es viele Bettelmänner, die besonders aus Rumänien und Bulgarien zu uns kamen. Sie hatten lange Mäntel an, bis auf die Erde. Innen hatten sie die ganzen Vorderseiten entlang große Taschen eingenäht, in die sie das erbettelte Brot steckten. Aber lieber waren ihnen schon mal eine warme Suppe oder ein paar Pfennige. Doch wer hat damals schon Geld gegeben, es hatte ja selber niemand etwas. - Wenn nun einer dieser Bettelmänner das Hoftürchen aufmachte, galoppiert der Bubi auf sie zu, packte seinen Hut und rannte davon. Die Leute waren immer zu Tode erschrocken. Leider machte Bubi sich diesen Spaß auch auf der Landstraße, wenn er eingespannt war. Wenn ein Mann zu Fuß, oder mit dem Fahrrad an ihm vorbeikam, nahm er ihm den Hut einfach ab. Mein Hut, mein Hut, schrien sie und wir Kinder hatten unsere Freude daran. Vater jedoch wurde das langsam zu gefährlich, denn eine Versicherung gab es damals noch nicht, und zu unser aller Leid verkaufte er unseren geliebten Bubi.
Im Sommer, wenn die Arbeit auf dem Feld getan war, nahm Vater irgendwann seinen Stock und ging Pferde anschauen. Da wussten wir schon immer, es hieß Abschied nehmen von unserem alten Pferd. Aber so war es halt, ein Pferd war ein Pferd, und keiner hat gefragt, ob du es besonders mochtest.
Da gab es auch noch einen Gänserich, der war schlimmer als ein Hund. Wenn ich von der Schule heimkam, flog er auf mich zu und zwickte mich in die Beine. Das gab immer Tränen, aber Mutter wollte ihn trotzdem nicht schlachten, denn er war ein guter Schutz gegen die Zigeunerinnen, die immer wieder mal auf den Hof kamen und versuchten ein Huhn zu stehlen. Sie machten das sehr geschickt. Zuerst lockten sie es mit Brot-Bröckchen, und im Handumdrehen hatten sie dem Huhn den Kragen umgedreht und unter ihre vielen Röcke versteckt. Frech waren sie sehr, aber vor unserem Gänserich, der auf sie zuflog, hatten sie großen Respekt.
1936 habe ich dann deinen Urgroßvater, Franz Polzer, geheiratet. Von dort an wohnte ich in Dittersdorf an der Freistritz. Es war eine Liebesheirat, was zur damaligen Zeit nicht unbedingt die Regel war. Es wurde in erster Linie auf Mitgift und Besitz geschaut. Gott sei Dank stimmten bei mir, neben der Zuneigung, alle anderen Voraussetzungen. Ich heiratete in ein großes Gasthaus mit Fleischerei und Bauernhof ein. Du kannst dir denken, dass dort viel Arbeit auf mich wartete. Als junge Frau hatte ich plötzlich vier Mägde und drei Knechte, denen ich täglich die Arbeit einteilen musste. Da waren natürlich noch meine Schwiegereltern, Franz und Johanna Polzer, die zusammen mit der Mutter meiner Schwiegermutter, Johanna Scholz, seit unserer Hochzeit im Ausgedinge wohnten. Außerdem war da noch der Onkel Eduard, der Bruder meines Schwiegervaters, dem der schwarze Hengst beim Füttern die Nase abgebissen hatte. Er hatte leider auch noch einen Buckel, weil er als Kind von der Tenne gefallen war. Du kannst dir vorstellen, dass er manchmal sehr verbittert war, weil es das Schicksal so schlecht mit ihm gemeint hat.
Ich bekam vier Kinder, Arno, Edda, Inge und Eckhard. Arno starb als kleines Baby an Keuchhusten.
Als der Zweite Weltkrieg begann musste dein Urgroßvater bald einrücken, und zwar bereits im September 1939. Nun musste ich die ganze Verantwortung übernehmen. Da waren zwar die Mägde, der Knecht und der Geschäftsführer Heinz für die Buchführung, aber dass der Betrieb auf dem Bauernhof, in der Fleischerei und dem Gasthaus weiter ging, war jetzt meine Aufgabe.
Am Ende des Kriegs gab es einen sehr strengen Winter mit Eis und Schnee. Die Russen waren schon in Ostpreußen und Litauen einmarschiert und eine endlose Schlange von Flüchtlingen aus diesen Gebieten zog an unserem Haus vorbei. Ich stellte einen Waschkessel mit heißer Suppe für die frierenden und oft erkälteten Menschen bereit, die ohne Halt Richtung Österreich zogen. Eines Nachts klopfte es an der Haustür. Vor mir stand ein hochrangiger russischer Offizier, er war blutjung. In perfektem Deutsch bat er todmüde um etwas zu trinken. ‚Frau, was machen sie noch hier’, fragte er mich, ‚morgen sind wir Russen hier, die Front ist nur noch ein bis zwei Kilometer entfernt, fliehen sie so schnell sie können, sonst sind sie morgen tot. ’ Da rief ich Pedro den Ukrainer, die Schwiegereltern und Onkel Eduard, und wir luden die gepackten Kisten auf den Schlitten und fuhren los. Gegen den Flüchtlingstreck. Wagen an Wagen und dazwischen immer wieder deutsche Wehrmacht, es war ein Chaos. Die Kinder weinten, die Pferde scheuten und wieherten vor Angst. Plötzlich kamen Tiefflieger der Alliierten und bombardierten den Treck, vielleicht weil sie die Wehrmacht-Autos entdeckt hatten. Pferde stürzten und versperrten den Weg.
‚Runter von der Straße’, schrie ich, ‚rein in den Wald, dort sind wir wenigstens vor den Tieffliegern sicher. ’ Glaub mir, es war die Hölle. Die Pferde bäumten sich auf und wieherten unablässig in ihrer Angst. Ich dachte schon, ich muss sie erschießen, damit sie uns nicht verraten, denn ich wusste nicht, ob nicht auch schon Russen im Wald waren.
Aus Angst, den Russen in die Hände zu fallen, verließ uns in dem ganzen Chaos auch noch Pedro unser Ukrainer. Nun war ich mit den alten Leuten und den Kindern allein. - Allein auf mich gestellt.
Wir erreichten Messendorf, und noch in der gleichen Nacht kamen die Russen und stahlen sofort unsere Pferde, Lisa und Linda, und das noch verbliebene Fohlen aus dem Stall meines Bruders.
Als sich die Lage etwas beruhigt hatte, fuhren wir mit einem halb lahmen Pferd zurück nach Hause nach Dittersdorf. Du kannst dir nicht vorstellen was uns erwartete. Die Möbel im Haus waren zerschlagen. In unserem Garten lagen die von den Russen aus den Häusern gestohlenen Volksempfänger auf einem Haufen. Mit den Bajonetten waren sie aufgeschlitzt und die Drähte hingen wie Eingeweide heraus. Außerdem waren da wohl alle Wecker, die es in der Gegend zu finden gab. Du musst wissen, dass die meisten Russen damals noch keinen Wecker kannten und jedes Mal, wenn ein Wecker zu läuten begann, schossen sie in Panik drauflos, bis er ganz kaputt war, weil sie dachten, es wäre eine Bombe. Darüber musste ich sehr lachen. Du siehst, man darf auch in solchen Zeiten seinen Humor nicht verlieren, sonst wäre man bald verloren.
Nun begann ein furchtbares Durcheinander. In den Nächten quartierten sich die Russen immer in einem Haus ein, und die jeweiligen Hausbewohner versuchten woanders unterzukommen.
Für heute soll es genug sein mit Erzählen, obwohl es noch vieles gibt, was ich dir und auch deinem lieben Bruder Alexander erzählen möchte.
Deine Urgroßmutter
Bald darauf befand sich die Familie, Mutter mit drei kleinen Kindern und drei kranken, alten Menschen in Türkheim, Bayern. Es war Feindesland, denn wer wollte schon Flüchtlinge, in den Dörfern, den Städten, aufnehmen. Denn keiner wollte sich eingestehen, dass er für die Katastrophe, die die Deutschen verursacht hatten, mitverantwortlich war. Aber Mutter kämpfte, die alten Männer starben an Hoffnungslosigkeit, nur Großmutter erzählte uns Geschichten von einem Jungen, der Schuster-Natz hieß, die sie aber meist vor lauter Müdigkeit nicht zu Ende bringen konnte. Wir Kinder mussten sie erinnern, wo sie stehen geblieben war.
Als wir auf den Bauernhof von Theodor Baumann zogen wurde es besser. Für mich begann ein freies, spannendes Leben. Aber ich wusste bald, dass ich mehr wollte.
Im Frühjahr 1960 hielt ich die Abschlussrede der Mittelschule, in Mindelheim, am Kolleg der Maristen Schulbrüder. Es war die Lobhudelei eines 15-jährigen Klassensprechers, der nichts hatte außer seiner Neugierde.
Sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor, werte Lehrer, liebe Eltern und Kameraden.
Das Leben der Menschen auf Erden zählt man nach Tagen und Jahren. Heitere und trübe Tage wechseln oft wie das Wetter. Es gibt aber Tage, die den Meilensteinen einer Straße gleichen. Auch wir wandeln auf einer Straße, auf unserem Lebensweg, und die Meilensteine darauf sind bedeutende Ereignisse, auf die wir zurückblicken können, oder die uns erwarten.
Die heutige Abschlussfeier ist für meine Klassenkameraden und für mich solch ein Meilenstein. Gern danken wir dem Herrgott, dass er uns gesund erhalten und gut durch die Aufregung in der Prüfung geleitet hat. Danken möchten wir aber auch unseren lieben Eltern, deren Sorgen uns die ganzen sechs Jahre hindurch begleitet haben, und die uns gerade an dieser Schule ausbilden ließen. Wo uns nicht nur das nötige Wissen für unser Leben vermittelt wurde, sondern an dem wir vor allem charakterlich gefördert worden sind.
Nicht weniger dankbar sind wir auch unseren Lehrern, die sich immer bemüht haben uns als tüchtige und gebildete junge Männer ins Leben hinaus zu schicken. Wir haben es ihnen aber nicht leicht gemacht, denn oft war der Tag zu schön, oder der Stoff zu langweilig, sodass die Worte des Lehrers an tauben Ohren abprallten. Manch einen hat's dabei erwischt und wenn ein Verweis oder ein Arrest-Zettel zu Hause ankam, so war das eine gute Lehre nicht zu viel Selbstvertrauen und Überheblichkeit zu zeigen.
Wir stehen im Jahr des eucharistischen Weltkongresses und der Olympischen Spiele. Diese beiden Weltereignisse sollten richtunggebend für unsere künftiges Leben sein. Unser Glaube und die charakterliche und körperliche Ertüchtigung sind die beiden Pole, die sich gegenseitig die Waage halten sollen. Denn die großen Prüfungen unserer Leben stehen uns noch bevor, und es wird sich zeigen, ob wir das, was wir gelernt haben, verwerten können, und ob wir Gott dabei die Ehre geben.
Auch nächstes Jahr werden wieder viele Kameraden die Schule verlassen und ihren Weg ins Leben antreten. Sie werden keinen eucharistischen Kongress und keine Olympischen Spiele haben, trotzdem aber sollen sie ihr Streben nach sittlicher und beruflicher Vervollkommnung richten, dann wird auch ihnen der olympische Sieg nicht versagt bleiben.
Wenn wir nun mit unserem Abschlusszeugnis die Aula verlassen, so möge uns das schöne Wort Walter Flex’s auf unserem Lebensweg begleiten: Rein bleiben und reif werden.
Ich habe erst viel später kapiert, wie viel nationalistisches Gedankengut noch in den Worten dieser Rede durchschimmerte. Meine Onkel Hans, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier und Lehrer, hatte mir beim Abfassen des Texts geholfen. Er war einer der Kriegsgefangenen, die Adenauer befreit hatte, und leitete die Türkheimer Bücherei. Für die endlosen Nachmittage, auf dem Boden zwischen den Buchreihen, bin ich ihm noch heute dankbar.
Flex’s Buch Der Wanderer zwischen beiden Welten hatte ich nicht gelesen, kannte nur das Gedicht Wildgänse rauschen durch die Nacht.
Am 20. 12. 1963 begann in Frankfurt die Hauptverhandlung des Auschwitz-Prozesses. Er dauerte bis zum 20. 8. 1965. Fritz Bauer hätte ein Denkmal verdient gehabt, stattdessen wurde er angefeindet.
Für mich gewannen Aussagen Hannah Arendts: Der Tod war der oberste Herrscher in Auschwitz, aber direkt an seiner Seite regierte eine unerhörte und in die wechselnden Launen der Todesdiener eingebettete absolute Willkür.
Und Paul Celans: ...dann steigt ihr als Rauch in die Luft, dann habt ihr ein Grab in den Wolken, da liegt man nicht eng….
Und Marie Luise Kaschnitz: …Ich hätte ehe ich gehe noch einige Fragen. Warum hat die Großmutter Schlangenköchin das Fischlein gekocht? Warum haben die Jünger am Ölberg sich schlafend gestellt? Warum ist seit Auschwitz nichts wesentlich besser geworden? Vom Übel sein. Wir sind’s. Wir sind vom Übel. - So werden wir, Du Bruder und ich, hinübergehen, schuldig. Denn freizusprechen ist keiner….
Es waren die Bücher, Susan und die Kinder, die mich gerettet haben.
Am 30. Januar 1965 stirbt Sir Winston Churchill dessen Widerstand gegen Hitler das Fundament zum Sieg der westlichen Alliierten legte. Bereits 1946, während einer Rede in Fulton, Missouri, warnte er davor, dass sich ein „Eiserner Vorhang“ quer durch den Europäischen Kontinent legen werde.
Im März marschieren 20 000 Civil Rights Demonstranten zum Capitol in Montgomery, Alabama. Die Bürgerrechtsbewegung nimmt Fahrt auf und der Rassismus der Südstaaten Amerikas beginnt zu bröckeln.
Anthony Quinn wird für seinen Zorba zum Oskar nominiert. Muhammad Ali schlägt Sonny Liston, der Vietnam-Krieg eskaliert und Che Guevara geht in den Dschungel von Bolivien.
27. August: Freitag, zur Abfahrt kommen wir zu spät, weil keiner den 10,5 Tonnen-Mercedes fahren will. Leidiger Aufenthalt von 5 Stunden. Abfahrt um 16h 30, fahren bis 23 Uhr kurz hinter Salzburg. Ekelhaftes Verhalten des österreichischen Zolls. Übernachtung in einer österreichischen Raststätte.
28. 8. Sieben Uhr Weiterfahrt an jugoslawische Grenze. Ab hier bis Zagreb im großen Laster gefahren. Die Straße ist furchtbar, und der Fahrer fährt wohl erstmalig einen schweren Lastwagen. Bleiben für ein paar Stunden auf dem Parkplatz stehen und fahren um 3 Uhr weiter nach Belgrad. Steffen und ich bleiben im Opel Blitz auf der Pritsche des Lasters, den Klaus fährt.
Eine schwere, traurige Stimme dringt während der Mittagsglut aus einem Hinterhof. Sehr schön, aber fremd.
29. 8. Belgrad ist wie tot. Es gleicht bei der Einfahrt einer Stadt auf dem Mond. Riesige Bienenhäuser ragen aus völlig flachem Gelände. Alles sehr lieblos. Innenstadt grau, Frühstück zwischen Belgrad und Nis. Gewalt-Fahrt bis zur griechischen Grenze. Die Landschaft wird unwahrscheinlich schön, fast schon afrikanisch.
Unser dummer Grieche bringt mich zur Verzweiflung.
30. 8. Nach einer Nacht am jugoslawisch/griechischen Zoll fahren wir weiter nach Saloniki. Um 2 Uhr sind die Zollangelegenheiten erledigt und es geht in Richtung Athen. Haben unseren Griechen verloren, weil wir uns verfahren haben. Ein Uhr nachts, er ist da. Drei Uhr, es geht weiter zum Heimatdorf des Griechen.
Habe heute erstmalig den Begleit-Wagen gefahren wegen Übermüdung von Klaus. Ging gut.
31. 8. Wir haben uns gewaschen, welche Wonne. Sitzen im Schatten und warten auf das Essen. Das erste Mal Retsina getrunken und Huhn mit Augen gegessen. Der geharzte Wein schmeckt eher wie Medizin. Schreibe an zu Hause.
Halten in Athener Vorort, lassen die Autos zurück und fahren mit dem Bus in Stadtmitte. Ziemlich trostlos in einer unbekannten Sprache auf sich allein gestellt zu sein. Die Hitze ist grausam. 9 Uhr abends kommen wir endlich in Kavouri an. Treffen alten Bayern Freund und fühlen uns wohl.
Erste Begegnung mit der Antike, Zeus Tempel, Hadriansbogen. Akropolis recht eindrucksvoll, nicht lieblich, eher wehrhaft und trutzig.
1. 9. Das Frühstück war großartig. Endlich Ruhe. Wenn nur das Meerwasser nicht so salzig wäre. Viel gelesen, ausgeruht und Rundreise geplant.
2. 9. Unterwegs nach Delphi. Haben einen Teil des Gepäcks zurückgelassen, auch den Bus gefunden und haben Zeit. Am Omonia-Platz erste Tumult Szenen, scheint jedoch nur Spielerei des Mobs, die aber jederzeit gefährlich werden kann.
Delphi: Tourismus in Potenz, aber sonst recht nett.
3. 9. Gehen gleich früh morgens zu den Kultstätten. Trotzdem umfängt uns schon bald die Hitze des Tages und lähmt Körper und Geist. Delphos, ein mittelgroßes, fast nur auf Tourismus abgestimmtes Dorf, ist nicht mehr identisch mit dem antiken Delphi. Etwa ein Kilometer außerhalb des heutigen Ortes liegen die ausgedehnten Grundmauern des nur hier vereinten Griechenlands.
4. 9. Habe Tasche gekauft und lustig gehandelt, bin aber trotzdem noch um 5 Drachmen übers Ohr gehauen worden.
Machen uns mit Sack und Pack auf, um gen Itea zu trampen. Kein Auto hält. Geht auch nicht, denn es kommt gar keins. Gehen zu Fuß quer durchs Gebirge. Auf halber Strecke essen wir in einem Privathaus, wo uns die Köchin direkt aus den Töpfen kosten lässt, für welches Gericht wir uns entscheiden. Fahren am Spätnachmittag mit einem uralten Buick mit zehn weiteren Personen nach Itea. Überfahrt um 5 Uhr nach Egion. Steffen fragt einen französischen Reiseleiter, ob wir im Bus mit nach Xylokastron fahren können. Es klappt.
Der Campingplatz ist nur gegen Horror Preise zu betreten, eröffnet uns ein weiblicher Zerberus. Kommt nicht infrage. Finden ein prima Haus mit mütterlicher italienischer Matrone. Wir können Duschen, waschen, kochen und nach Belieben faul sein.
5. 9. Verbringen einen äußerst geruhsamen Tag mit schlafen, lesen, kochen und baden zwischen einem Heer von Quallen.
6. 9. Sitzen nach gutem Frühstück an der Straße und bemühen uns nach Korinth zu kommen. Wird wohl nichts und vermutlich müssen wir den Bus nehmen. In Korinth wieder keine Post. Etwas geknickt. Fahren um 4:30 Uhr weiter nach Mykene, Ankunft etwa 6 Uhr. Schlafen in einem Neubau im Freien mit guten Waschgelegenheiten im Nebenhaus. Langes Gespräch mit dem Kellner auf englisch. Weinberg entdeckt.
7. 9. Haben die Fresserei des Vortags im Weinberg gut überstanden. Das Löwentor Mykenes, einer der ältesten Kultstätten Griechenlands, ist eindrucksvoll. Die gesamte Anlage jedoch fast nur noch in Grundmauern erhalten. Nach der Siesta nochmals im Weinberg. Die Trauben sind köstlich. Eine Wonne mit dem ganzen Fassungsvermögen des Mundes, die Früchte auszuquetschen.
Es ist verflucht heiß und wir verschieben die Weiterfahrt auf den Abend.
Argos ist eher enttäuschend. Die römischen Anlagen, hauptsächlich aus der Zeit des Nero, sind verwildert und nicht sehenswert. Fahren gleich noch weiter nach Nauplia. Übernachtung in der Jugendherberge.
8. 9. Die Nacht war grausam. In einem stinkenden, schwülen Zimmer wartet man, sich wälzend und schwitzend auf den Morgen.
Sind in Etappen nach Epidauros gekommen. Kurze Strecken liegen uns nicht.
Das Theater ist fast vollständig erhalten und recht eindrucksvoll. Jeden Herbst werden noch Spiele abgehalten. Für den Rest ist es zu heiß. Die Umgebung ist äußerst gepflegt und vornehm, was, da ungewohnt, auffällt.
Am gleichen Abend machen wir uns auf nach Korinth. Zwei Deutsche nehmen uns mit nach Alt-Korinth zu einer ergiebigen Quelle am Fuß des Felsens von Akro-Korinth.
Abends auf dem Dorfplatz Entspannung. Einer der beiden Deutschen spricht gut griechisch und wir erfahren mehr über die Lebensart und Gastfreundschaft der Griechen.
Die Nacht am Türkenbrunnen auf freiem Feld mit Blick auf den Golf wird magisch. Zu unseren Füßen liegt das endlos scheinende Lichtermeer der nördlichen Peloponnesischen Weinebene. Klar hebt sich beim Licht des Vollmonds der nördliche Küstenstreifen und der südliche Rand des griechischen Festlands ab. Über uns der makellose Sternenhimmel.
9. 9. Am Vormittag besichtigen wir Akro-Korinth, eine Bergfeste von wildromantischer Schönheit. Die riesige Burganlage ruft blutige Kämpfe zwischen Venezianern und Türken zurück.
Der Nachmittag gehört wieder der Antike. Die Stadt war reich und die verbliebenen Fundamente lassen im Kopf ein Steinmeer aus Marmor und sprudelndem Leben entstehen.
Zweite Nacht am Fuß des Türkenbrunnens.
10. 9. Zum zweiten Mal in Neu Korinth. Habe wieder keine Post. Aber Steffen hat wenigstens eine Karte erhalten. Weiter nach Eleusis bei scheußlicher Hitze. Die Stadt ist stark industrialisiert und hässlich. Finde den entsetzlichsten Lokus der ganzen Reise. Jeder scheißt einfach irgendwo auf den Boden.
Die antike Stadt enttäuscht, das Museum entschädigt wieder. Weiter nach Athen, habe Post, bin froh, dass zu Hause alles klappt.
11. 9. Legen Ruhetag ein, baden und lesen viel. Wenn nur dieser Strand in Kavouri nicht so dreckig wäre. Das Salzwasser verklebt einem sämtliche Poren. Scheiße.
12. 9. Sind am Vormittag nach Athen gefahren und besichtigen Akropolis und Museum. Die vielen Menschen stören, aber die Anlage ist einmalig in ihrem Reichtum und ihrer Großzügigkeit.
Treffen zwei Wienerinnen, die vom Weinfest in Dafni erzählen. Werden hingehen.
Auf dem Fest zahlt man 20 Drachmen, leiht sich für 5 und 10 Drachmen je ein Glas und eine Karaffe aus und kann dann Wein trinken soviel man mag. Mir schwant, dass es einen Riesenaffen geben wird. Wir beginnen mit einem halbsüßen Nemea, schlecht, und kommen über Samos, trocken, Minos, Retsina Rose, sehr trocken, Samos halbsüß und wieder Nemea zu einem etwas herberen Minos zurück. Nach der vierten Sorte bin ich betrunken. Aber wir bewegen uns viel und fallen daher nicht übermäßig auf. Ein bekannter Engländer wird total erledigt von der Polizei aus dem Gelände getragen. In einem hellen Moment erwischen wir den Bus und kommen nach Hause. Wie wir durch Athen kamen weiß hinterher keiner mehr. Schaffen auch Kavouri und trinken beim Scheiß-Bayern noch ein Bier. Totenschlaf.
13. 9. Lassen Kap Sounion sausen und pflegen den Brummschädel und die schlappen Glieder. Es wird Zeit, dass wir uns mal wieder richtig waschen können.
14. 9. Gehen, bevor wir das Nationalmuseum besuchen, zur Post. Vielleicht ist etwas von zu Hause da. Aber die Brüder streiken.
Sind ab 11 Uhr im Nationalmuseum. Der Reichtum an antiken Schätzen übertrifft alles bisher Gesehene. Die Schmuck- und Grab-Beilagen aus Mykene zeugen vom handwerklichen Können dieser Zeit. Die anderen Zeitabschnitte sind vielfältig, aber nicht von der mit Gold überschwemmten Pracht.
Verbringen den Abend Spiegel lesend und in Erwartung der Wahl.
15. 9. Sind heute noch mal in Kavouri geblieben und wollen am Abend in die Stadt umziehen. Vermutlich Jugendherberge. Vielleicht bekommen wir heute Post?
Wieder nichts für mich. Warum Gabi nicht schreibt? Ich habe dumme, unschöne Gedanken und schäme mich, aber warum schreibt kein Mensch?
16. 9. Holen heute die Bahnkarten für die Heimfahrt ab und kaufen noch ein paar Sachen ein. Wir besuchen auch noch die Agora, wo uns auf Schritt und Tritt der Amerikanismus verfolgt. Sind in allgemeiner Aufbruchstimmung.
17. 9. Nach miserablem Bad, Frühstück und lustlosem Mittagessen verabschieden wir uns von Athen. Um 15:05 geht der Zug. Die Mitfahrenden im Abteil sind recht nett. Ein Amerikaner, Grieche und zwei Deutsche. Führe mit dem Ami und dem Griechen ein interessantes politisches Gespräch über zweieinhalb Stunden und wundere mich über mein Englisch.
18. 9. Die Nacht im Zug verlief besser als erwartet. Der Tag jedoch sehr eintönig in seiner nutzlosen, rollenden Vergänglichkeit. Wir haben kein Brot mehr und warten sehnsüchtig auf Belgrad.
Haben wieder etwas zu essen bekommen und spielen nun stundenlang Mau-Mau, um der trostlosen Landschaft zu entgehen.
19. 9. Es regnet. Von Mitte Österreich ab wechselt der Himmel von strahlendem Sonnenschein in eine grau in grau gemalte Wolkendecke, unser gewohntes Tief. Aber ich freue mich auf zu Hause, obwohl wir mit einer Stunde Verspätung den Anschlusszug verpassen.
Anmerkungen eines Verliebten.
Du hast mich heute versetzt. Ich weiß, dass du hättest kommen können, aber etwas, das dir wichtiger erschien als ich, hat dich davon abgehalten. Vielleicht ein Mann, aus Trotz darüber, dass ich länger schon nicht mehr ich selber bin. Ich war nur halb bei dir, doch du hast es nie bemerkt. Vielleicht auch nur die Flimmerkiste mit diesem charmanten Plauderer vorgezogen. Ich weiß es nicht, doch bin ich traurig über diese unabwendbare, logische, menschliche und so grausame Verflachung.
Schlaf gut mein Mädchen, und verzeih mir die bösen Gedanken über dich. Ich liebe dich und nichts ist schöner, als nur gut an dich zu denken.
Dr. Kwame Nkrumah verliert seinen Job während einer Auslandsreise, weil er übersah, dass zuhause über das Schicksal von Spitzenpolitikern entschieden wird. Hinter dem Eisernen Vorhang wird Leonid Brezhnev zum starken Mann der Sowjetunion gekürt, er wird es lange bleiben. Zur Erleichterung aller, wird nach zweimonatiger Suche an Spaniens Küste die Atombombe gefunden, die ein B 52 Bomber verloren hatte. In Houston Texas setzt Dr. Bakey das erste künstliche Herz ein, doch der Patient stirbt an einem Riss in der Lunge.
Mao ruft die Kulturrevolution aus und in den USA wächst der Widerstand gegen den Vietnamkrieg.
In Deutschland erweist sich der Starfighter als Schönwetterjäger und stürzt reihenweise ab.
Balthazar Vorster wird Premierminister in Südafrika, nachdem Hendrik Verwoerd im Parlament erdolcht wurde.
Albert Speer verlässt das Gefängnis in Spandau am Ende der 20 Jahre, die er im Nürnberger Prozess erhalten hatte.
Wir haben das Studium in Augsburg abgeschlossen und suchen Arbeit. Jobs gibt es genug. Die Suche dauert nicht lange dann landet Gerhard bei Dornier in der Entwicklung des Senkrechtstarters Do 31 und ich bei Siemens in der Datenverarbeitung.
Doch bevor wir ernsthaft zu arbeiten beginnen, wollen wir noch zu dritt durch Nordafrika fahren. Die Route über Spanien nach Marokko, Algerien, Tunesien, nach Italien per Schiff von Tunis nach Palermo.
30. 7. Sind um 9 Uhr von zu Hause abgefahren. Haben Pitter abgeholt und hoffen nichts vergessen zu haben. Um 3 Uhr begann das Fußball Endspiel der Weltmeisterschaft. War interessant, die Kommentare des Schweizer Sprechers zu hören, dessen unbändiger Drang an den häuslichen Herd zurückzukehren, das ganze Spiel zu beeinflussen schien.
Befinden uns kurz vor Lausanne, es beginnt zu regnen. Wollen heute Nacht durchfahren, wird anstrengend werden. Freue mich auf Genf.
Schade, dass Gabi nicht geschrieben hat.
31. 7. Haben sehr anstrengende Nachtfahrt hinter uns und befinden uns kurz vor Montpellier. Die Laune bessert sich nach kargem Frühstück inmitten von Weinfeldern. Fahren weiter bis Campingplatz an der Costa Brava. Die spanischen Grenzer haben uns gefilzt. Warum nur uns Deutsche? Auf dem Campingplatz das erste vernünftige Essen seit 30 Stunden. Ein Moment der Freude, trotz der Strapazen der Nachtfahrt. Der Wein schmeckt großartig und lässt mich zwei Stunden herrlich schlafen. Ein Witz, dass das Wetter sich von der verschlossenen Seite zeigt. Hatten längst Sonne erwartet.
1. 8. Gut geschlafen, obwohl das Abendessen äußerst karg war. Werden noch heute weiterfahren, denn es regnet inzwischen.
In Barcelona, der Verkehr ist toll und die Auspuffgase erstickend. Flanieren die Ramblas auf und ab und fahren weiter bis etwa 100 km hinter Tarragona. Übernachten im Freien. Pitter hat Angst und bleibt im Auto.
2. 8. Endlich schönes Wetter. Die ganze Landschaft sieht viel freundlicher aus. Die Tiefebene um Valencia ist ein einziger Garten. Valencia selbst großartig, sauber und lebendig. Haben erneut starke Sprachschwierigkeiten, genau wie in Barcelona, wo wir geflüchtet sind, weil wir uns nicht verständigen konnten. Mein Französisch klingt lustig, für uns und für die Anderen. In Richtung Alicante bleiben wir in Benidorm, einem aus dem Boden gestampften Badeort. Der Strand ist schön und es tut gut verträumt im Sand zu liegen und zu schwatzen. Abends ein lustiges Erlebnis. Peter möchte zahlen und zeigt dem Ober die verzehrten Getränke. Der nichts wie weg und bringt das gleiche noch mal. Stinkwut. Denke an Gabi.
3. 8. Wollen diesen Tag noch in Benidorm bleiben, aber es wird diesig. Wir sind gut ausgeruht und verlassen die Mücken, die verkackte Pelle, in Richtung Granada. Die Straße wird sehr kurvenreich. Übernachtung im Freien inmitten der andalusischen Hochebene.
4. 8. Granada, verbringen den größten Teil des Tages in der Alhambra. Das Schloss, ein gut erhaltenes Zeugnis der Mauren-Zeit mit schrecklicher und schöner Vergangenheit. Nach der Eroberung durch die Christen, von Karl dem fünften bezogen. Heute Anziehungspunkt Tausender. Ein nüchterner Betrachter könnte das Schloss so beschreiben, doch steht man inmitten der berauschenden Gemächer des Schlosses, so ist man zutiefst beeindruckt von dem Können, der Fertigkeit und Kunst der Gestalter dieser Baulichkeit. Kein christlicher Bau besticht mehr durch handwerkliches Können und künstlerische Gestaltung.
In Granadas Renaissance Kathedrale beeindruckt eher die grandiose Weite.
5. 8. Sind am Abend noch auf halbe Höhe der Sierra Nevada gefahren und übernachten unterhalb einer Felswand. Die Nacht ist unwirklich und unheimlich. Fahren früh am Morgen ohne Frühstück auf etwa 3000 m Höhe. Dort bedeutet eine Straßensperre das Ende der Fahrt. Kurz zuvor sind wir durch einen Steinschlag gerumpelt, der Ventildeckel leckt, und wir verlieren Öl. Es ist kalt und verdammt windig. Die Straße hätte in 3400 m Höhe geendet. Die Abfahrt findet im dritten Gang mit Bremse statt. Finden eine Reparaturwerkstatt, die uns den Motor bis Mittag repariert.
Weiter nach Malaga, die Straße ist schön aber sehr heiß. Erst an der Küste etwas kühler.
Bleiben in Malaga auf dem Campingplatz. Eine Wonne die Dusche, und sehen um 6 Uhr den Stierkampf an, mit anschließendem Besuch der Vergnügungsstraße. Malagawein großartig, Stierkampf sehr heiß. Habe mich beim Kartenkauf ziemlich naiv verhalten und 25 Peseten verschenkt.
Stierkampf, ein schönes, mutiges, instinktiv handelndes Tier, wird, wenn es der Einstellung des Toreros entspricht, so lange geschwächt, bis es ein Leichtes ist, ihm den Fangstoß zu geben. Ein Spektakel nicht fesselnder und interessanter als manche Sportveranstaltung, nur gefährlicher und blutiger.
Der Stier hat keine Chance, sagt der Nordeuropäer in mir, ein edles Tier von einem Torero durch Kraft, Mut und Intelligenz zur Strecke gebracht. Die Schwächung durch die Pikadores erfolgt zur Chancengleichheit der beiden Kämpfer. Ein Schauspiel von Eleganz und wilder Kraft.
6. 8. Das Wetter ist diesig und sehr schwül, faulenzen und fahren am späten Nachmittag in Richtung Gibraltar. Wäsche gewaschen, ist aber nicht trocken geworden. Übernachtung kurz vor Gibraltar, Schlafsack und Kleidung voller Ameisen, nicht auszuhalten. Fahren um ein Uhr morgens weiter, vergesse aber meine Unterwäsche vom Dach zu nehmen und verliere Unter- und Tennishose. Alles juckt. Stinkwut.
7. 8. Sind von Kabel-Leger Kolonne geweckt worden. Momentanes Gefühl von Vorhölle. Gebrülle und alles ist nass, das rechte Auge verschwollen. Die Hosen sind futsch.
Vor Gibraltar karges Frühstück. Fahren mit Bus in die Stadt und suchen die Affen. Besichtigen Museum und Kasematten. Am Nachmittag nach Algeciras, sehr heiß und Stimmung gereizt. Schlafen an schönem Strand.
8. 8. Die Nacht war gut, der Schlaf ausgezeichnet. Die Silhouette Gibraltars glich einem Märchenschloss. Die aufgehende Sonne taucht den Felsen, mit seinen Schwalbennestern gleichen Häusern, in eine orangefarbene Flut. Starke Hitze, dann Überfahrt nach Ceuta.
Wir betreten Afrika, die Landschaft bleibt fast gleich, nur der Mensch scheint sich schlagartig verändert zu haben. Übernachtung auf Campingplatz in Tanger.
9. 8. Schlecht geschlafen, die Ameisen und Schnaken haben uns halb aufgefressen. Werden heute faulen Tag am Strand verbringen, um für das Landesinnere Kraft zu tanken. Das erste Mal am Atlantik. Die Dünung ist stärker als am Mittelmeer und die Brise sehr angenehm.
Am Nachmittag wird das Meer bewegter. Beim Baden mit der Luftmatratze werden wir in die Felsen getrieben. Es wird unangenehm, das Schienbein ist auf und die Sohlen zerschnitten. Gerhard verletzt sich das Knie.
Abends in Tanger die erste Kasbah. Die winkeligen Gassen, der Schmutz, das Leben und Treiben, vor allem der Kinder, ist faszinierend. Mussten Wagen aufbrechen, denn Schlüssel und Ersatzschlüssel waren im Auto.
10. 8. Am Morgen weiter nach Meknes, die Landschaft wirkt trocken, heiß und arm. Bleiben bei Weinernte stehen und bekommen einen ganzen Bottich voll Trauben geschenkt. Werden nach dem Mittagessen von einem marokkanischen Bauern eingeladen, mit in sein Haus zu gehen, um mit ihm und seinen Helfern zu essen. Gerhard und ich akzeptieren. Peter hat Schiss, es könnte zu unsauber sein und er krank wird. Wir werden ins Wohnzimmer geführt und eine amüsante Unterhaltung beginnt auf Französisch. Das halbe Dorf kommt zusammen. Wir liegen auf Teppichen und weichen Kissen und warten. Draußen arbeitet die Frau, die nicht ins Zimmer darf, solange wir da sind. Es gibt Maisfladen, sehr ölig, und Pfefferminztee. Gerhard bekommt Bedenken, weil wir alle aus demselben Topf essen.
Erhalten Einladung für nächsten Morgen in Meknes.
Die Stadt düster, Kashba schon sehr orientalisch. Teppich gekauft.
11. 8. Habe vergeblich versucht die Adresse zu finden, die uns der Bauer gab. Schade, dass keiner der beiden anderen interessiert war.
Weiter nach Fez. Irren zuerst ziellos umher und haben dann Glück von einem Marokkaner angesprochen zu werden der deutsch kann. Schade, dass die Moscheen nur von außen besichtigt werden können. Die Altstadt ist einmalig in ihrer Verschlungenheit, aber auch voller Schmutz. Es ist verdammt heiß. Vor den Mauern liegt ein totes Pferd, Hitzschlag, kein Mensch kümmert sich darum. Die Gefühlsarmut der Menschen ist erschreckend. Verblüffend der riesige Kontrast zwischen Alt- und Neustadt.
12. 8. Fahrt in Richtung Grenze, Oujda. Abzweigung bei Taza in den Mittleren Atlas. Suchen eine Grotte von der wir nichts wissen, außer dass sie sehr schön sein soll.
Die Fahrt durch das Vorgebirge wird zum Erlebnis, die Grotte aber erweist sich als einmalig. Ein unscheinbares Eingangsloch öffnet sich zu einer überdimensionalen Halle aus wild wuchernden Stalaktiten. Das Gefühl in einer Kathedrale der Natur zu sein. Nach einem Abstieg von etwa 300 m, der Eingang zur eigentlichen Tropfsteinhöhle. So eng, dass wir nur auf allen Vieren hineinkönnen. Haben nur Zündhölzer als Lichtquelle. Holen Taschenlampen und sind begeistert von der Vielfalt der Natur.
Die Weiterfahrt wird zur Strapaze. Es ist unerträglich heiß. Scirocco ungefähr 50 Grad Celsius.
Die Entstehung eines Sandsturms vermittelt das Gefühl um keinen Preis hier wohnen zu wollen.
Schlafen in Jugendherberge. Pitter führt sich wieder mal idiotisch auf.
13. 8. Konnten uns richtig waschen, und verlassen Oujta in Richtung Grenze. Die Formalitäten sind langwierig aber nicht schikanös. Kurvenreiche Strecke, anstrengen zu fahren. Sehr hungrig. Kurz vor Oran großartiges Menü mit viel Wein. Stimmung gut, Straße gut, Oran wundervoll bei Nacht.
14. 8. Die Nacht im Säulengang einer katholischen Kirche hoch über Oran ist schwül, die Luft feucht vom Seewind. Wollen Geld wechseln, aber es ist nichts zu machen. Ohne Geld ist es sehr unangenehm. Können wenigstens 15 Schweizer Franken einwechseln, um zu tanken. Erreichen abends nach Algier, es wimmelt von Polizei. Schlafen auf dem Dach eines unbewohnten Hauses außerhalb der Stadt. So schwül und feucht wie in Oran. Scheiß Fliegen. Nichts zu trinken, kein Geld und Hunger, da wir den ganzen Tag nur Früchte gegessen haben. Kein guter Tag.
15. 8. Haben den Vormittag verbracht um Geld zu wechseln, eine Karte und Stadtplan zu besorgen. Essen, nichts besonderes. Am Nachmittag durch Kashbah und ins Museum. Weiterfahrt um 17 Uhr in Richtung Tunis. Fahren bis halb eins und schlafen im Feld. Kalt. Der Morgen dann strahlend schön und wohltuend warm. Habe gestern viel und gut an Gabi und zu Hause gedacht. Ich hätte sie gerne hier.
16. 8. Die Gegend wird gebirgig mit angenehmen Temperaturen. Die Landschaft auf der Passhöhe sehr einsam und verschlossen. Schneller und unkomplizierter Grenzübergang.
Algerien war landschaftlich abwechslungsreicher aber mit schlechten Straßen. Tunesien eine Ebene, etwas eintönig.
Pitter entpuppt sich als Nazi und vertritt extrem dämliche Ansichten. Schlafen im Carthago am Meer, mitten in den Ruinen. Es wird eine magische Nacht.
17. 8. Die Fähre nach Palermo gebucht und Geld gewechselt. Ich habe zwar keine Ahnung von der französischen Sprache, aber meine Brocken gebrauche ich jetzt sinnvoll und ungeniert. Wenn es geht, jedoch lieber auf englisch.
Auf der Weiterfahrt in den Süden ausgezeichnetes Menü. Vier Gänge, Hors d’euvre, Fisch, Huhn, Früchte, Wein. Angenehm satt und gut gelaunt.
Pitter macht erneut Schwierigkeiten.
18. 8. Djerba. Sind den größten Teil des Tages am Strand gewesen. Habe an Gabi und zu Hause geschrieben. Man sollte nicht zu sehr verliebt sein. Die Fähre auf die Insel war eher lustig, ein Fischkutter mit überstehender Holzplatte für’s Auto. Bin auf Wüste und Oase gespannt.
Gestern in El Djem, Amphitheater der römischen Herrschaft. Die gut erhaltenen unterirdischen Gewölbe, Kasematten und Tierstallungen lassen die Grausamkeit und Perversität der Spiele erahnen.
19. 8. Sind durch unwirtliches und wüstenhaftes Land gekommen und in der Oase Gafsa gelandet. Es ist heiß. Wüste, schon das Wort klingt unbesehen geheimnisvoll. Sieht man aber all die Vielfalt, Regsamkeit und Fremdheit dieses Landstrichs, so ist es nicht nur die Hitze, die befremdet.
Schön ist die Nacht, die schnell und ohne Übergang hereinbricht, und sich durch ein Meer von Edelsteinen am Himmel schmückt. Nichts stört die Stille.
Der Tag ist der Feind, der das Gemüt mit unbarmherziger Hitze umklammert, das Denken reduziert und den Körper lähmt und ermattet. Der Sand ist weich und seidig, wenn er in der Handfläche liegt, aber sobald er durch die Finger rinnt, kriecht er in jede Ritze. Die Augen schmerzen.
20. 8. Wir haben die Nacht auf einem Hügel über Gafsa verbracht. Anfangs war es noch drückend schwül, dann kam ein Sturm auf und der Sand wurde unangenehm. Haben uns durch die Koffer geschützt, und mit Sand in Mund und Augen leidlich geschlafen.
Die Strecke nach Kairouan ist sehr gut ausgebaut. Wunderbare Details in der großen Moschee, aber die Gesamtkonzeption erscheint improvisiert und schlampig.
Am Grabmal des Mohammed-Gefährten gefallen nur die Gebetsteppiche. Der schöne Innenraum ist nur zu ahnen.
Kairouan, die Stadt der Teppiche. Gerhard und ich kaufen je einen. Die Verhandlung um den Preis langwierig und hartnäckig. Ich glaube wir haben einen guten Preis erzielt. Gerhard verkauft seine Nylon-Hemden und läuft Gefahr ausgezogen zu werden. Kann meine Hose nicht wie geplant verkaufen, da eine verloren, die andere durchlöchert ist.
Bei dem fünfstündigen Geplänkel über den Preis der Teppiche tritt ein charakteristischer Wesenszug dieser Menschen zu Tage. Das Variieren des Preises, die Freude am Gespräch und die Anerkennung des Ideen-Reichtums des Verhandlungspartners. Das Beharren auf einem Fixpreis als Optimum ist verpönt und stößt auf Misstrauen und Unverständnis.
21. 8. Sind kurz nach Monastir gefahren. Viel Fremdenverkehr. Sehr gepflegt. Die Behausung Burgibas lässt Prunk ahnen. Fahren durch sehr schöne Gegend in Richtung Kap Boun. Werden zwei Tage faul am Strand verbringen und versuchen zu waschen.
Die Nacht war bewegt, der ganze Horizont leuchtet durch die Blitze, die gleich Fackeln vom Himmel zu fallen schienen. Es regnete, das erste Mal seit langem.
22. 8. Habe mir den Magen verdorben und fühle mich miserabel. Starke Krämpfe. Die große Wäsche war strapaziös, aber jetzt ist Schluss bis nach Hause.
Diese andauernde Kackerei und die Krämpfe machen mich fertig. Ich hoffe, dass es nichts Schlimmeres ist.
23. 8. Sind gestern Abend noch nach Tunis zurückgefahren und haben in Carthago übernachtet. Das tunesische Nationalmuseum ist reichhaltig aber eintönig und nicht informativ. Lediglich die Räume arabischer Fürsten gefallen. Die römischen Mosaike sind in ihrer wiederkehrenden Vielfalt erdrückend. Die Medina fest im Griff der Touristen. Es geht mir etwas besser.
24. 8. Haben wieder in den Ruinen Karthagos übernachtet und im Gegensatz zu gestern ausgezeichnet geschlafen. Heute Einschiffung und Zollabfertigung. In welcher Großstadt haben wir schon Geld? Komme durch geschickte Kniffe zu 0,4 Dinar und verbringen netten Nachmittag. Esse wieder normal, denn lieber Schmerzen als diese Schwäche.
Jetzt auf dem Schiff nach Palermo. Wir liegen auf dem Oberdeck und das Vibrieren des Schiffs, im Stehen nur als Bei Geräusch wahrgenommen, wird zum beherrschenden Schlafgesang. Um 2 Uhr morgens wache ich auf. Der Sternenhimmel ist von seltener Klarheit. Irgendwo am Horizont, wo sich Meer und Himmel in Einklang vereinen, scheint sich die Welt zu schließen. Die Nacht hat andere Gesetze. Ich trinke einen Schluck Wein und schlafe gut und ungestört.
25. 8. Die Ausschiffung und der italienische Zoll gehen relativ schnell. Bleiben bis etwa 11 Uhr in Palermo und trinken Bier. Die Küstenstraße nach Messina ist schwierig zu fahren, aber ungemein schön. Überhaupt ist Italien von bezaubernder Schönheit. Die Bevölkerung ist jedoch verschlossener als in Nordafrikas Städten.
Setzen abends über aufs Festland und übernachten auf Campingplatz.
26. 8. Haben gut gefrühstückt und uns ausgiebig gewaschen. Wollen heute noch bis Paestum. Die Straße ist schlecht. Den ganzen Tag nur Spaghetti gegessen und Rotwein getrunken. Ist etwas wenig.
Erreichen Paestum erst nachts und Pitter verbreitet wieder großartige Ansichten. Warum ich Esel mich überhaupt über solch einen Menschen ärgere?
27. 8. Der Morgen überrascht uns nach kalter Nacht mit einem Gewitter.
Die Musik aus dem Autoradio tut gut. Denke an Gaby. Paestum etwas enttäuschend. Der Poseidon Tempel aber großartig.
Weiter in Richtung Neapel, nach Pompei. Schade, dass die meisten Häuser nur durch Gitter zu besichtigen sind. Das Haus des Vitti entschädigt etwas. Amüsant wie anziehend Pornografie ist, wenn man sie nur erahnen kann.
Abends in Neapel, Essen und bummeln. Bin etwas weinschwer. Die Stadt ist sogar auf den Hauptstraßen unwahrscheinlich schmutzig. Die Leute schmeißen alles auf die Straße.
Schlafen auf dem Schutz Kai eines Fischerhafens außerhalb Neapels. Nachts Gewitter, feuchte Kleidung und Schlafsäcke.
Morgens Erwachen inmitten einer Horde schnatternder Sportfischer, die genau über uns den Tisch des Preisgerichts aufschlagen. Kein Frühstück.
28. 8. Sind gegen Mittag in Rom und essen erstmal ausgiebig. Danach zum Colosseum. Ein Bau imponierender Größe und Baukunst, aber auch schauriger Vergangenheit, die mit gierigen Augen aus dem Gemäuer zu blicken scheint.
Schlendern durch Rom in Richtung Pantheon. Die Stadt macht im Zentrum einen gepflegten, ja schönen Eindruck mit bezauberndem Reiz. Finde das Pantheon zwiespältig, irgendwie kommt mir die Kombination Götterkult und Christentum missglückt vor, obwohl der Gedanke an Parallelen auftaucht. Irritierend dieses Nichtwissen. Jedoch interessant einen Tempel in seiner nahezu vollständigen Form mit intakter Kuppel zu betrachten.
Die Engelsburg ist geschlossen, aber es wäre sowieso zu viel geworden, also gesehen, abgehakt.
Der Verkehr in Rom am Abend ist wahnsinnig. Die kleinen Fiats wuseln wie Ameisen.
29. 8. Mussten wegen Regengefahr und Ameisen das Zelt aufbauen, dafür keine Campingplatzgebühren bezahlt. Habe noch den ganzen Tag für Rom. Der Petersdom, das Vatikan Museum und die Moses Statue Michelangelos werden besichtigt. Fontana di Trevi und Spanische Treppe liegen auf der Strecke. Nach Ablauf des Tages beglückt das Gefühl, den Höhepunkt der Reise, am Ende in einer einmaligen Stadt erlebt zu haben.
Essen gut vor Abfahrt aus Rom.
30. 8. Übernachtung auf Parkplatz neben Autostrada etwa 80 km außerhalb Roms. Es beginnt zu regnen und wird kalt. Warum ich jedes Mal so frieren muss, wenn ich aus dem Süden komme.
Erreichen am Abend Meran und essen zum ersten Mal wieder deutsch. Ich bin mehr für französisch und italienisch. Pitter scheints zufrieden, endlich wieder sein geliebter Sauerbraten.
31. 8. Sind den größten Teil der Nacht gefahren und haben bei Füssen im Hochwald geschlafen. Es war scheußlich kalt. Aber es dauert ja nicht mehr lange, bis wir zu Hause sind.
Nachschlag zum Petersdom:
Wir fuhren auf den Petersplatz, konzentriert auf den Verkehr, um einen Parkplatz zu finden. Erst beim Aussteigen aus dem Auto dringt die grandiose Weite des Platzes mit seinen umspannenden Kolonnaden ins Bewusstsein.
Gehen in der ersten Wärme der Morgensonne am Obelisken vorbei, die Treppe hinauf, und St. Peter ergreift mich und macht mich zum staunenden Betrachter. Es gibt keine Eile in dieser Kirche, und sogar Vollblut Touristen scheinen zu Lernenden, Wissenden, werden zu wollen.
Unsinnig in Einzelheiten zu gehen, denn es würde das Bild einer kompakten, geschlossenen Schönheit, Größe und stellenweise Vollendung zerstückeln.
Aber Michelangelos Pieta ist mehr als nur ein Teil von St Peter. Sie allein ist ein Dom. Ich war glücklich, als ich sie betrachten durfte und der leise Schauer des Glücks hat mich nur einmal zuvor, vor der Mona Lisa da Vincis im Louvre berührt. Michelangelo muss diese Frau, deren Antlitz so wundervoll strahlt, sehr geliebt haben. Es ist kein Marmor mehr, es ist der Schmerz, das Leid, es ist eine Mutter, die in ihrem Schoss das Liebste hält.
Ganz anders der Moses vom gleichen Künstler. Michelangelo hat die ersten Rückschläge und Enttäuschungen erlebt. Dein Stil ist voller, reifer, dynamischer geworden. Eine unheimliche Kraft strömt aus der Gestalt. Der unbedingte Wille eines Genies. Der 24-Jährige war noch weich, zauberhaft, der Alternde, stark, weitblickend und beherrschend. Er muss ein großer Künstler gewesen sein.
An das Mädchen: Vielleicht bin ich als Kranker nicht derselbe. Vielleicht wird die Umgebung durch die Krankheit wirklicher, ehrlicher, nicht wie man sie sonst zu sehen wünscht. Vielleicht ist das Gefühl, das man für den anderen empfindet, wenn der Schmerz in den Eingeweiden unerträglich wird. Vielleicht ist das Gefühl dann echt.
Nichts, egal ob schön, ermüdend oder schmerzhaft konnte dein Bild fälschen. Es war nicht immer makellos, nicht rosig, aber groß und strahlend war es immer.
Es scheint so lange her zu sein, dass ich dich gesehen habe, flüchtig und gehetzt. Ich habe auf etwas gewartet, wusste aber nicht warum, und fand es schade. Mein Pessimismus ist groß zuweilen, aber ich bekämpfe ihn.
Ende Januar ersticken drei Astronauten bei einem Test in ihrer Apollo 1 Kabine. Derweil eskaliert in China die Kulturrevolution und im März bittet Stalins Tochter, Svetlana Alliluyeva, um Asyl in der Schweiz, wo sie mit Hilfe der CIA gebracht wurde. So viel zur Attraktivität der Sowjetunion. In Griechenland rebellieren die Obristen und etablieren ein langanhaltendes Militärregime. Eward Hopper stirbt und nimmt die Erinnerung an die Nighthawks der amerikanischen Großstadt mit sich. In West-Berlin prügeln sogenannte Jubelperser mit Stangen auf Studenten ein, die gegen den Schah von Persien demonstrieren. Dabei wird Benno Ohnesorg von der Polizei in einen Hinterhof getrieben und erschossen. Im Sommer zertrümmert Israel die arabischen Armeen und hält sich danach auf Jahre für unbesiegbar. Der Vietnamkrieg nimmt Fahrt auf, Amerika schwant, dass es in einem Sumpf steckt, dem es nicht ohne weiteres entkommen kann. Im Herbst wird Che Guevara im Dschungel Boliviens erschossen, das Bild seiner zur Schau gestellten Leiche geht um die Welt und macht die heroischen Poster in den Kinderzimmern selbsternannter Revolutionäre zu Ikonen. Und in Südafrika gelingt Dr. Barnard die erste Herztransplantation.
Balkan: 2. September 67.
Wir sind diesmal völlig normal von zu Hause weggekommen. Nur die Angst vor dem hohen Benzinverbrauch unseres Prachtstücks, dem BMW-V8, den wir gebraucht für 800 Mark gekauft haben, hängt wie ein Damoklesschwert über uns. 15 Liter auf 100 km, das geht. Das Auto läuft wie am Schnürchen. München - Salzburg, wie immer ein Debakel. Sagenhaftes Glück bei Autounfall gehabt. Von Salzburg nach Wien in 2 Stunden. Kurz vor Wien reißt es eine Zündkerze aus dem Zylinderblock. Können mit sieben Zylindern weiterfahren und lassen das Loch bei einem Mechaniker noch vor der Einfahrt nach Wien zuschweißen.
Schlafen im Heu bei Joch in Apetlon am Neusiedlersee. Mittelprächtig, aber pfundige Pferde.
3. 9. Stehen sehr früh auf und reiten um 6 Uhr los. Bis um 10 Uhr am Paulshof. Gerhard und Franz sind beide gleich außerhalb Apetlons beim ersten Galopp runtergeflogen, reiten aber tapfer weiter. Ich glaube es macht ihnen langsam Spaß. Am Nachmittag mit zwei Wienerinnen zum Baden am Strand von Podersdorf. Am Abend hundemüde. Gut geschlafen.
4. 9. Sind entlang der ungarischen Grenze nach Pamhagen geritten. Die Landschaft ist schön. Habe diesmal Frieda, ein äußerst sensibles, nervöses Vollblut geritten. Ein Genuss, im gestreckten Galopp zu spüren, wie schön das Verständnis zum Pferd ist.
Schreibe nach Hause und an Gabi. Hoffentlich bekommt sie den Brief noch rechtzeitig.
5. 9. Sind nach langem Rechnen noch mal vier Stunden geritten. Es hat sich für alle drei gelohnt. Franz und Gerhard hatten etwas lebendigere Pferde und Frieda war klasse. Die Puszta zeigt ihre für uns unbekannte Schönheit und ihren fesselnden Tierreichtum. Wollten eigentlich ausmisten, haben aber stattdessen die ganzen Pferde gestriegelt.
Am Abend nach Podersdorf, schlafen am Strand. In Illmitz zu viele Ratten und Mücken.
6. 9. Die Strecke nach Budapest erweist sich als überraschend gut. Nach einigen Minuten an der Grenze, wobei das Schwarz-Geld in der Unterhose brennt, liegt die Stadt wie im Flug vor uns. Die Bevölkerung ist sehr freundlich.
Wir laufen anfangs etwas ziellos durch die Stadt. Die Straßen sind so lebendig wie im Westen. Nur die Kleidung ist etwas eintönig und abgetragen. Unheimlich viele Autos werden auf den Straßen repariert und abgeschleppt.
Am Platz der sieben Stammesfürsten, Millennium Denkmal, haben wir die erste Begegnung mit Ostdeutschen. Die sind alle so gleich, ernst und übervorsichtig. Ich glaube, sie betrachten unsere Kleidung als Herausforderung. Wir haben unheimlich viel Geld zur Verfügung, weil wir zum westlichen Kurs gewechselt haben, was wir eigentlich nicht dürfen. Essen sehr reichhaltig zu Abend: Als Vorspeise Champignons, Hauptgericht, Roastbeef, ist jedoch Schweinefleisch, Nachtisch, Apfelstrudel mit einer Flasche Wein und bezahlen etwa 12 D-Mark für alles.
Großartiger Blick auf die Fischerbastei, das Parlament und die lebendige Stadt. In diesen Momenten denke ich oft an Gabi. Ich liebe dieses Mädchen.
Vier ostdeutsche Burschen wirken in ihrer vollendeten Angezogenheit und ihrem gehetzten Touristengehabe ungemein störend.
Nachts auf dem Campingplatz, gut geschlafen.
7. 9. Haben den Vormittag mit Karten schreiben und einem nochmaligen Besuch der Fischerbastei verbracht. Danach wieder auf Strecke. Essen etwa 30 km hinter Budapest, sehr gut.
Wundervolle Fahrt durch die Puszta.
Sind mal wieder übers Ohr gehauen worden. Schlafen jetzt mitten auf dem Feld, die Schnaken sind fürchterlich, die Weite und der Himmel beglückend.
8. 9. Die beiden Alten, bei denen wir den Wagen abgestellt haben, sind rührend. Die Frau erzählt andauernd und zeigt ihr ganzes Mobiliar, obwohl wir kein Wort verstehen. Wir lassen den beiden eine Dose Frühstücksfleisch und ein paar Zigaretten und sie sind glücklich.
Der Grenzübergang nach Rumänien mit Geld in der Unterhose geht glatt. Das Essen, die Siesta und ein kleines Bad im Fluss tun gut. Kurz vor Hermannstadt nehmen wir einen ostdeutschen Jungtheologen mit, der die ganzen Verniedlichungen über die verbesserten Verhältnisse in der Zone richtigstellt, und zum Teil verheerende Dinge erzählt.
Abends in Hermannstadt bei Familie Graef. Wir müssen bis spät in die Nacht über Deutschland erzählen und bekommen die trostlose Lage der Siebenbürger geschildert, die nur durch Humor und Gleichmut ertragen werden kann. Nachts auf dem Campingplatz.
9. 9. Verkaufen zwei neue und ein altes Nylonhemd und schlendern dann durch Hermannstadt. Die Leute stehen bei manchen Lebensmitteln, Fleisch, Brot, Schlange. Das restliche Warenangebot ist geschmacklos, schlecht und teuer. Die Menschen sind arm.
Kaufe ein paar Bücher im Antiquariat und hole mir eine Wanze in einem Stehausschank.
Mittagessen bei Graefs.