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Wir wissen, dass wir ein Problem in der Zukunft haben, deshalb klammern wir uns an die Gegenwart, wie ein Ertrinkender, der das Wasser nicht erkennen kann. Alles um uns herum besteht aus Erzählungen, die nicht zu Ende geführt werden können, weil sich die zugrunde liegende Geschichte schneller verändert als wir denken können. Da sind Technologien, die immer schneller, immer komplexer werden - Energieerzeugung, Carbon Capture, Digitalisierung, und die Art wie wir leben - Kommunizieren, Fliegen, Arbeiten, sogar wie Politik gemacht wird. Wir erleben den Beginn der hybriden Kriegsführung, wo ein Vasallenstaat Russlands, Belarus, Menschen dazu benützt, Europa zu destabilisieren. Und wir erleben, wie sich Konzerne, gestützt auf ihre Algorithmen, zu Weltherrschern aufschwingen, weil ihre Kunden, Nutzer, oder wie immer sie heißen mögen, sich wissentlich in Abhängigkeit begeben. Und so entsteht eine neue, vernetzte Erzählung, die sich nur langsam aus dem Nebel schält. Noch ist sie unvollständig, weil sie immer wieder neu geschrieben wird. Vor allem aber von jedem Einzelnen neu interpretiert wird. Doch einige Protagonisten dieser Zukunftserzählung stehen bereits fest: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Medizin, die Künstliche Intelligenz, die Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten und dem Sudan, die das Potential haben, die Welt zu verändern. Und über allem schwebt der Schleier des Klimawandels, dessen Auswirkungen wir ahnen, aber nur schwer in den Griff kriegen. Immerhin sind die alternativen Energien auf dem Vormarsch. Sie könnten zum Schlüssel in eine bessere, zumindest sauberere Welt werden.
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Seitenzahl: 799
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Zwei Kriege fanden im Zeitraum der Aufzeichnungen VI statt, und eine Pandemie, deren Auswirkungen immer noch nachwirken. Gleichzeitig verschärfte sich der Effekt der Erderwärmung in immer heftigeren Stürmen, höheren Fluten und ausdauernden Dürren. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass wir Menschen, wenn wir nicht drastisch gegensteuern, uns auf Kipppunkte zubewegen, die dann unumkehrbar sind.
Die beiden Kriege, in der Ukraine und im Nahen Osten, haben durchaus das Potenzial die bestehende Weltordnung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Für Russland und China scheint genau das, das Ziel zu sein - die Macht Amerikas zu brechen, eine multipolare Welt zu schaffen, in der ihr Einfluss gestärkt ist. Möglicherweise haben sich beide Länder zu früh aus der Deckung gewagt und eher das Gegenteil erreicht, nämlich eine Stärkung des inneren Zusammenhalts der westlichen Nationen. Das gilt für Europa, mit dem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands, und der Verteidigungsbereitschaft der Länder im Fernen Osten, wo vor allem Japan sein Militär verstärkt.
Und Europa muss sich entscheiden, ob der Anspruch einer „Friedensmacht“ noch zeitgemäß ist, wenn sich an der östlichen Grenze die russischen Divisionen sammeln. Das darf nicht dazu führen, dass sowohl Europa als auch die USA die Grenzen dichtmachen, für jene, die Schutz suchen. Doch der Zustrom gesteuert durch das Profitdenken skrupelloser Schleuser muss gesteuert werden. Sonst liefern wir uns den haltlosen Sprüchen von Populisten aus, die wenig anderes im Sinn haben als die nackte Macht.
Und Chinas Seidenstraße erweist sich als das, was viele Strategen vorhergesagt haben: Ein Projekt zur direkten Machtausübung und Einflussnahme in die inneren Angelegenheiten der beteiligten Nationen. Und wenn sich die weltweiten Handelsverknüpfungen zu einseitig zum Vorteil Chinas erweisen, wird es an der Zeit gegenzusteuern. Das findet bereits statt, ob es auf ein neues Equilibrium hinsteuert ist noch offen.
In Deutschland wurde gewählt. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte erhält das Land eine Dreierkoalition. Die Regierungsparteien tun sich schwer, trotz bester Absichten zusammenzukommen. Zu ausgeprägt scheinen die ideologischen Unterschiede zu sein. Durch die Finanzierung der Flüchtlinge, und des Kriegs in der Ukraine, kommt das Land an seine fiskalische Belastbarkeit. Die Frage der dauerhaften Finanzierbarkeit des Sozialstaats stellt sich. Ähnlich ist es in den anderen Staaten Europas, wo ein merkbarer Rechtsruck stattfindet. Ein Lichtblick bildet die Wahl in Polen, wo eine rechtskonservative, antieuropäische Regierung abgewählt wird.
Ein Artikel in der Zeit vom 18. Dezember 2023 beschreibt die Stimmung am besten: Wir müssen aufhören in einzelnen Krisen zu denken und uns an Multi-Krisen gewöhnen. Und wir müssen aufhören zu glauben, dass etwas lösbar ist. Zu komplex sind die Probleme geworden, zu allumfassend. Also können wir, jeder Einzelne von uns, nur daran arbeiten und lernen damit umzugehen.
2020
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1970 in Südafrika
In der Süddeutschen Zeitung vom 13. Januar spekuliert Gilles Kepel über die Auswirkungen von Drohnenschlägen im Nahen Osten, die Tötung Qassim Soleimanis im Besonderen. Kepel schließt aus der Tatsache, dass der Ölpreis nach dem Attentat stabil blieb und der Iran nur verbal reagierte, dass Trump in der Region inzwischen tun und lassen kann, was er will.
In Japan kann man Menschen für jeden Anlass mieten, auch als nahe Verwandte und Freunde. Das ist praktisch, nur sollten die Rollenspieler nicht zu viele Gefühle zeigen.
In Wuhan, China, bricht das Corona Virus aus, die Stadt wird von der Außenwelt abgekoppelt. Die Todesfälle steigen rapide an. Chinas Regierung reagiert auf unvorstellbar reaktionäre Weise.
Im Lettre International schreibt Xu Zhangrun „Die Wut wird stärker“-Warum China eine größere Umwälzung bevorstehen könnte. In derselben Ausgabe schreibt Ferdinand Mount: „Die neue Orthodoxie, oder der rechte Marsch durch die Institutionen“ und Régis Debray über die Zukunft in einem grünen Zeitalter. Über das Erbe der Welt und die Hoffnung auf ein neues Fest der Rosen.
Xu’s Hoffnung auf erste Schwachstellen in der Regierung Chinas erweist sich als Wunschdenken. Der Staat demonstriert Stärke und maßregelt stärker als je zuvor. Xu verliert seinen Posten an der Universität und verschwindet aus der Öffentlichkeit. Er hat es vorausgesehen.
Ende Mai wird die G7 Konferenz abgesagt, es ist ernst.
Thomas Picketty veröffentlicht „Kapital und Ideologie“. Globalisierung, Corona Virus, Einkommensungleichheit und Klimawandel hängen alle zusammen.
In Minneapolis wird George Floyd von einem Polizisten auf offener Straße im Beisein seiner Kollegen und unter den Augen vieler Zuschauer brutal ermordet. Überall brechen Unruhen aus und ganze Stadtteile stehen in Flammen. Manche denken, es könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Dass der aufgestaute Hass, Wut und Enttäuschung über vierhundert Jahre schwarze Unterdrückung ungehemmt durchbrechen. Die Auswirkungen auf die US-Wahlen im November sind unklar.
David Brooks, ein konservativer Leitartikel Schreiber in der N.Y.Times betrachtet beide Gesellschaften, die USA und England in der Krise. Er hofft auf eine Abkehr von der reinen Lehre der uneingeschränkten Freiheit des Individuums hin zu einer mehr „We“ orientierten Gemeinschaft. Als eines der Grundübel Amerikas bezeichnet er die unaufgearbeitete Sklaverei und den grassierenden Rassismus.
In der ZEIT schreibt Hamed Abdel-Samad, dass uns die Islamisten daran hindern wollen über den Islam zu streiten. Er plädiert dafür sich nicht von ihnen erpressen zu lassen.
In Berlin landet die Weisheit Emile Zolas im Mülleimer: „Die Wahrheit ist unterwegs und nichts kann sie aufhalten.“
Die Historikerin Margaret MacMillan spekuliert, dass sich die Welt durch die Pandemie an einer Weggabelung der Geschichte befinden könnte. Frankreich 1789, Russland 1917, Europa in den 30iger Jahren, alles Ereignisse, nach denen der Fluss der Geschichte eine andere Richtung nahm.
Im April beschreibt Bernie Sanders in der N.Y.Times den Zustand Amerikas in den dunkelsten Farben, doch es wird noch dunkler, als Trump die Wahl gegen Joe Biden verliert und sich weigert die Niederlage anzuerkennen. Die aus seiner Sicht gestohlene Wahl, und das daraus abgeleitete Narrativ, werden die Politik Amerikas die kommenden Jahre begleiten.
Anfang Dezember werden die Drahtzieher des Giftanschlags auf Alexej Nawalny enttarnt. Das Interview mit dem Mitarbeiter des russischen Geheimdiensts, in dem er beschreibt, wie sie Nawalny das Novichok Gift in die Unterhose träufelten, ist an Absurdität nicht zu überbieten.
2. Januar: Der erste Erfolg im neuen Jahr. Es ist mir gelungen per Computer Ferndiagnose das Telefonsystem wieder so zum Laufen zu bringen, dass es benutzt werden kann und nicht nur laut klingelt ohne das Gespräch anzunehmen oder abzugeben. Die Verwirrung entstand vermutlich durch einen kurzzeitigen Stromausfall während eines Gewitters und seither fluchte ich auf die Elektronik, die Digitalisierung, und all das Drumherum, das sie anrichtet (das Gute wird wie so häufig unterschlagen).
Aber ich bin nicht allein unter den alten Männern, und auch den mittelalten, die sich von der Veränderungsgeschwindigkeit überfordert fühlen. Ich bin ein klassischer Analog-Typ, der, was immer ansteht, in die Hand nehmen will. Geht aber nicht mehr so einfach. Es entwickelt sich eine neue Art Fachsprache, die die Dinge nicht mehr benennt, durch das, was sie tun, oder wie sie aussehen, sondern danach, was dem Software-Entwickler gerade einfällt.
Cloud z.B., das muss einem Programmierer eingefallen sein, als er beim Schreiben der Software an die vorüberziehenden Wolken seiner Kindheit dachte. Als er noch Träume hatte, der kleine Junge im Gras, über sich ein schwer beladener Apfelbaum. Dabei ist die Cloud nichts anderes als die Ansammlung zahlloser Server, die unendlich viel Energie verbrauchen, um überhaupt surfen zu können. Und Server sind alles andere als Kellner oder Bedienungen, denen daran liegt, dass es dir als Gast gut geht, damit sie ein vernünftiges Trinkgeld bekommen. Es sind nur gigantische Datenspeicher, die gelegentlich den Dienst verweigern. Und dann ist alles aus.
Ist das die Zukunft? Strom weg und schon ist alles aus?
Ganz so schlimm wird es wohl nicht werden, aber empfindlicher ist die Welt schon jetzt, als sie es in der analogen Welt je war. Es gibt trotzdem keinen Weg zurück. Wer anders denkt, ist nur ein Träumer.
Jetzt gehe ich nach Hause und tauche zurück in meine Welt der kleinen, schwarzen Buchstaben.
3. Januar: Sie Lügen alle, macht mir zu schaffen. Ich knalle einen Satz hin, verlängere ihn um einen Nachsatz, denke: Jetzt sitzt er, und zwei Wochen später, beim erneuten Lesen, ist er nur Mist. Vielleicht tickt mein Hirn inzwischen falsch. Bin gespannt was rauskommt, wenn ich die Aufzeichnungen fertig korrigiert habe. Ein Konvolut aus Allgemeinplätzen oder doch einige Gedanken, die es sich lohnt, im Licht der Vergangenheit verklärt durch Erinnerung, neu zu lesen.
Ansonsten durchwandere ich ein Tal der Leere. Die Politik interessiert mich kaum noch, Lesen wird zum kritischen Vorgang, Gehen passt noch, Kino immer weniger, zu viele alte Menschen, die sich im Warmen tummeln und fragen, was da vor ihnen überhaupt abläuft. Es ist keine beginnende Demenz, eher Desinteresse, das Alter eben. Den Kamin zu befeuern, gestern Abend, habe ich aber noch ganz gut hingekriegt. Jetzt muss ich den Marmor Splitter, der am Rand ausbrach, wieder ankleben. Aber das schaffe ich schon.
Und die Fruchtfliege, die mir andauernd vor der Nase rumflog, habe ich auch gekriegt. Die Zweite lasse ich leben, mein Beitrag zur Eindämmung des Insektensterbens.
Erinnerungen sind wie Brachland, überwachsen mit Gras, gelegentlich ein Busch, selten ein Baum. Dann der Pflug, über mir die Aufzeichnungen und schon duftet die Erde, als wäre sie nie verborgen gewesen. Duftet und stinkt, manches wie Plastik, das nur darauf wartet gewaschen zu werden, um in altem Glanz zu erscheinen.
Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, ob die Ermordung Suleimanis durch die Amerikaner sich als das Tor zu einem Flächenbrand im Nahen Osten erweist. Ähnlich der Pueblo Affäre im Golf von Tonking, die letztlich den Vietnamkrieg einläutete. Es wäre eine Katastrophe, denn die Welt heute ist zerrissener als damals, am Beginn der 60er Jahre. Amerika fällt aus als Ordnungsmacht. China kämpft um die Vorherrschaft (zu früh vielleicht), und Russland steuert ins Ungewisse, nachdem es sich auf Gedeih und Verderb den eigenen Militärs ausgeliefert hat. Eigentlich nicht anders als Amerika seinem militärindustriellen Komplex. Und was macht Europa? Es versucht zu vermitteln, aber was gibt es zu vermitteln, wenn sich die Parteien längst in den Schützengräben befinden.
Im Ernstfall wird sich England in vorauseilender Vasallentreue Amerika anschließen, wenn es den Artikel 5 der NATO ausruft (Einer für alle, alle für Einen). Doch die EU kann nur ablehnen, will sie sich selbst nicht verlieren. Und das wäre dann das Ende der westlichen Allianz, das Ende einer langen Friedensperiode, und der Beginn von Flüchtlingsströmen, deren sich Europa kaum noch erwehren kann.
Apokalypse? Wenn man das sich verschlechternde Klima dazu rechnet könnte es eng werden. Und das alles, wegen eines erratischen Präsidenten, der die Evangelikalen im eigenen Land befriedigen muss, um wiedergewählt zu werden. Der auch Netanjahu im Hinterkopf hat, dessen Wiederwahl, und einen Freund lässt man schließlich in der Not nicht im Stich. Auf der Basis so einer Gemengelage trifft schnell eine Drohne ins falsche Ziel, und jeder der handelnden Politiker zieht sich achselzuckend aufs Altenteil zurück, um von dort gute Ratschläge zu erteilen, wie der Schlamassel, den er mitverursacht hat, von den Nachfolgern ausgelöffelt werden sollte. Falls es überhaupt noch etwas gibt, das sich auszulöffeln lohnt.
Hey, nicht so pessimistisch. Du hast dir vorgenommen das Jahr optimistisch zu beginnen. Die Technologien, mit denen man den Kohlendioxidausstoß begrenzen kann, sind vorhanden. Der Wille sie einzusetzen auch. Der Brexit ist geschafft. Auch wenn noch unklar ist auf welcher Basis, Kooperation oder Konfrontation.
Afrika entwickelt sich aus eigener Kraft, und China schmeiß vorerst nur mit Geld um sich und hält die Bomben noch in den Arsenalen.
Und die Kinder, Töchter und Enkel sind auf dem richtigen Weg. Zumindest auf einem, auf dem sie selbstbestimmt leben und sich entwickeln können, wo immer ihr Talent sie hinführt.
Das ist doch was.
Wenn jetzt Susans Augen-OP noch klappt, und ich die Aufzeichnungen, Sie lügen… und ein paar Kurzgeschichten fertig kriege, was will ich mehr.
Und wenn am Ende des Jahres Trump die Wahl verlieren sollte, die Hoffnung besteht, mache ich eine Flasche Champagner auf.
8. Januar: Heute ist Susans grauer Star operiert worden. Die letzten Tage haben sie stark belastet. Voller Angst, obwohl ihr alle, die dieselbe Prozedur bekamen, versicherten, dass es schon gut werden würde. Wissen tut sie es erst morgen, wenn die Augenklappe abkommt. Auf alle Fälle werden die nächsten Wochen eher ruhig, kein Kino, kein Fernsehen, kaum lesen, denn nächste Woche kommt bereits das zweite Auge dran.
Ansonsten dreht sich die Welt weiter. Der Nahe Osten könnte in Flammen aufgehen, wenn die Iraner ihre Drohungen wahr machen und wegen der völkerrechtlichen Tötung Sulejmanis zurückschlagen. Eine gefährliche Konstellation nennt es ein Leitartikler, wenn in Amerika ein selbstverliebter Ignorant, der sich von Gott gesandt hält, im Iran auf einen beinharten Fanatiker trifft, dann kann das nicht gut gehen. Genau auf diesem Pfad, wo nichts mehr gut gehen kann, sind wir jetzt.
Die ersten Vergleiche zu 2003 werden angestellt. Dort die Massenvernichtungswaffen, die sich als Trugbild erwiesen, heute der vermutete Angriff, der al-Quds-Brigaden, Sulejmanis rechtem Arm, der von der US-Regierung nicht belegt und als Vorwand benutzt wird. Der Unterschied ist aber: Damals agierte eine Mannschaft im Weißen Haus, um Cheney und Rumsfeld, die ihren neoliberalen Ideen folgend, an einen Regime-Change glaubten. Die überzeugt waren, der Region die Demokratie bringen zu können, wenn nicht anders dann eben mit Lügen und Gewalt. Heute regiert im Weißen Haus ein Mann fern jeder Ideologie und im Glauben die alleinige Wahrheit zu besitzen. Die Flach-Erder und Schöpfungsprediger, denen es mehr ums Geld geht, als um das Wohl der Gläubigen, stehen wie eine Wand hinter ihm (Born Again Christians). Trump kann also gar nicht mehr zurückweichen, flexibel wie ein normaler Politiker reagieren. Er würde sofort auf Verdammnis treffen. Es stört ihn nicht, denn sein Denken ist geprägt von Mauern, verständlich für einen Immobilienmenschen, aber tödlich in einer zunehmend komplexen Welt.
Netanjahu, der schlaue Machtmensch, hatte das erkannt, als er voll auf Trump setzte, nachdem ihn Obama als Kriegshetzer abblitzen ließ. Im Schatten des großen Bruders aus New York setzt er jetzt alles auf Konfrontation. Dabei geht es längst, in Israel wie auch in den USA, um das Recht, und damit um den Humus der Demokratie. Der Westen, als verschworene Gemeinschaft, hat sich längst in die Kulissen verabschiedet.
Jetzt wird sich zeigen, was Europa auch ohne die Engländer zu leisten bereit und in der Lage ist. Warme Worte allein werden nicht mehr reichen.
Zwei Jahre hat Merkel noch, und wir alle ihre Bedächtigkeit und Geduld, ihr Abwägen und Ausgleichen. Sie muss jetzt handeln, tut es auch, und es wird spannend zu sehen sein, ob sie auf einem soliden Sockel oder im Chaos ihren Abschied nimmt.
9. Januar: Susans Operation am Auge scheint geklappt zu haben.
Der Nahe Osten ist nicht explodiert, noch nicht? Ich habe gepustet und wir fanden einen Parkplatz direkt vor Schweykarts Büro (Augenarzt).
Auf dem Rückweg der Kleintransporter eines Malerbetriebs, die Seitenwand dekoriert mit einer lasziven Schönheit im Brautkleid, ehemals weiß, jetzt voller brillanter Farbkleckse.
Dann vorbei an Lehmkuhl, nicht vorbei, hinein und da lag Jackie Thomaes Brüder auf dem Büchertisch. Ich hatte die Rezension gelesen und dabei an Ramaru gedacht, das, was ihm womöglich bevorsteht, ihn womöglich zerreißt, der Sohn einer Europäerin und eines schwarzafrikanischen Vaters.
Zurück zu Dr. Gmelin, die Gesundheitskarte abgeben (warum eigentlich nicht Krankheitskarte) und überlegt, ob ich die ganze Strecke nach Hause zu Fuß gehen soll. Muss ich aber, denn auf dem Weg liegt die Commerzbank, wo ich das Konto streichen lassen muss, die HVB, wo ich Geld hole, und der Wochenmarkt mit Räucherforellen. Ein Tag wie viele andere.
Zu Hause wartet Susan und die Aufzeichnungen und Sie lügen…, das ich umbenennen sollte in Das Verhängnis, aber nicht recht will, weil der geänderte Titel dann sofort die ganze Malaise des Buchs verrät.
Gestern Abend drei Stunden lang Romankritik und Unterstützung in der Seidl Villa. Acht Frauen, meist jung und begeistert, eine ältere Dame und drei Männer inklusive ich. Die anderen etwas gehemmt, trotzdem eine prima Erfahrung. Wenn sie mich akzeptieren mache ich weiter. Erinnere mich an Cornelia Saxes Kurs auf Rügen. Nur hier geht es ganz gezielt um einen bereits vorliegenden Text. Ich könnte Auszüge von Sie lügen… einreichen. Mal sehen.
14. Januar: Links, auf der Frontseite der New York Times vom selben Tag, schreibt Paul Krugman über die Buschfeuer in Australien. Er beschreibt es als das Menetekel, das die Politik braucht, um endlich entscheidend zu handeln. Aber er hat wenig Hoffnung, dass es auch passiert, solange die Tabloids eines Rupert Murdoch mit Lügen und Verzerrungen den Klimawandel lächerlich machen und die Symptome zu Hirngespinsten junger, linker, verwöhnter Dauer-Erregter erklären. So funktionierte der Brexit, so funktionierte Trumps Wahl, und ich befürchte, so wird seine Wiederwahl funktionieren.
Damit bin ich bei Trump, bei dem Amerika das ihn gewählt hat. Denn auf der rechten Seite der New York Times vom selben Tag, steht ein Artikel der Mitarbeiter, tiefgreifend recherchiert, über die Ermordung Sulejmanis. Der Artikel beschreibt anschaulich wie Suleimani in letzter Minute mit seiner Entourage in einen Linienflug von Damaskus nach Bagdad steigt, das Flugzeug in Bagdad verlässt, wobei er noch an der Gangway vom irakischen Schiitenführer begrüßt wird. Die beiden fahren im Auto, bereits unter den scharfen Augen einer Reaper-Drohne, in den Tod.
Und jetzt erweist sich, dass die unrechtmäßige Ermordung zweier Militärs, denn das waren sie, jeder für sein Land, von langer Hand geplant war. Die Amerikaner haben Unrecht getan, sie taten es immer schon, mit der CIA als Vollstreckungsorgan, aber jetzt, aus der Luft unter eigenem Hoheitszeichen, ist es eine neue Dimension.
Nur leider ist es dem Iran durch eigene Dummheit und Unvermögen gelungen, eine ukrainische Zivilmaschine kurz nach dem Start mit 176 Passagieren, aus Versehen abzuschießen. Keiner hat überlebt, und die iranische Regierung hat sich durch tagelanges Schweigen unmöglich gemacht. Schwerer wiegt, dass die Weltöffentlichkeit jetzt auf den Iran zeigt und Amerika ungeschoren davonkommt. Dabei ist deren Demonstration der uneingeschränkten Macht das eigentliche Problem. Wer soll denn nun die Assads, die Putins, die Erdogans noch am Töten hindern? Die Europäer? Die sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber vielleicht wachen sie ja endlich auf, sehen, dass sie gemeinsam agieren, mit einer Stimme reden müssen, wenn sie gehört werden wollen. Sie müssen den Iran weiter unter Druck setzen, seine Handlungen in der Region mit seinen Reden in Einklang zu bringen. Und sie müssen der Trump Administration klar zu verstehen geben, dass sie das Recht, das Internationale, nicht das von Trump kreierte Twitter Gebäude aus Lügen und Verleumdungen, über alles stellen. Nichts funktioniert mehr, wenn das nicht bald passiert, kein Vertrag, keine Weltbank, kein Währungsfonds, keine UNO, wenn sich jeder das Recht herausnimmt zu tun, was ihm seine militärische Macht ermöglicht.
Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass diese unsägliche US-Regierung, die das Land in die Zeit des Sklavenhandels und unter Umgehung der Bürgerrechte in einen Gottesstaat zurückdrehen will, wieder gewählt wird.
15. Januar: Gestern noch bis spät in die Nacht Jill Lepores Diese Wahrheiten gelesen. Sie schreibt gut und versteht es dieses komplexe Gebilde Amerika in seiner Entstehung darzustellen. Und sie scheut sich nicht in die dunklen Ecken zu leuchten. Und die dunkelste ist eindeutig die Sklaverei. Und sie scheut sich auch nicht darauf hinzuweisen, weniger plakativ zwar, wie verlogen die hehren Worte in der Unabhängigkeitserklärung, und mehr noch in der Verfassung, sind, die sich die 13 jungen Gründer-Staaten in einem 55 Tage-Marathon abgerungen haben. Schon da spielte die Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Die Zucker-Inseln in der Karibik, auch Englisch, hatten gegenüber den Tabak-Staaten des Festlands eine unvergleichlich bessere Geschäftsbasis. Die Baumwolle der Südstaaten spielte noch keine Rolle, beeinflusste die Beziehung der Schwarzen zu den Weißen erst im 19. Jahrhundert. So sehr, dass wohl wirklich nur ein blutiger Krieg zwischen den Staaten eine Lösung bringen konnte.
Auf alle Fälle ist meine Sicht auf Amerika ziemlich erschüttert. Bezeichnenderweise heißt der Bürgerkrieg des 19. Jahrhunderts im Süden auch „war between the states“, und wurde mit der Erbitterung zweier verfeindeter Nationen geführt. Es sind die Brutalsten, die Kriege zwischen Brüdern. Europa kann ein Lied, nein eine ganze Oper davon singen.
Was ich nicht wusste, ist, wie sehr der Kampf um die Unabhängigkeit mit dem Siebenjährigen Krieg zusammenhing. Der erste global ausgefochtene Konflikt, vor allem zwischen England, Frankreich und Spanien, deren Gewichte sich dabei dramatisch zugunsten Englands, vor allem seiner Seekräfte verschob.
Europa im Zentrum war mit dem Kampf Preußens gegen Österreich um Schlesien beschäftigt. Friedrich II gewann nach blutigen Schlachten, die er eigentlich nicht hätte gewinnen können, und es doch tat. Es brachte ihm den Titel der Große ein, und Napoleons spätere Anerkennung.
Es ist essenziell für die Menschheit, dass wir den Fokus unseres Tuns weg von den Schlachtenlenkern nehmen, weg von den Triumphbögen und Reiterstandbildern. Sie alle sind nicht nur Symbole des Sieges, mehr noch der Unterdrückung durch die Sieger. Wir brauchen Toleranz, Inklusion, Verständnis für die Komplexität des modernen Lebens, sonst wird das nichts mit Frieden für alle.
Träum weiter, Buchstaben sind eine stumpfe Waffe, und doch haben sie, seit es sie gibt, mehr bewegt als alle Toten auf den Schlachtfeldern dieser Erde.
16. Januar: Im Wartezimmer des Augenarztes, Nils Schweykart, warten auf Susan, dass sie kommt ohne Augenklappe und sagt: Alles in Ordnung, jetzt brauche ich nur noch Geduld für die nächsten 6 Wochen.
Warum erwähne ich das? Alle Arztpraxen sind ähnlich, doch hier hängt eine Video Installation von einer Reise des Arztes an der Wand. Wechselnde Bilder von ungewöhnlicher Schönheit. Die äußeren Hebriden vielleicht, hoch im Norden, Granit Türme in tosender See. Doch auch Leben, Schafe mit ihren Lämmern, Häuser geduckt, die Dächer mit Grassoden bedeckt. Beglückende Bilder trotz der Rauheit der Natur. Was für ein Kontrast zu den blutroten Bildern der Feuerwalzen in Australien, oder der mit Asche gepuderten Landschaft nach einem Vulkanausbruch in Indonesien (es sind tatsächlich Schweykarts Bilder auf den Lofoten).
Und jetzt sitze ich in der Wartezone rot des Münchner Bürgerbüros, um ein offizielles Dokument für Susan zu erhalten, das beweist, dass sie seit 1968 in München gemeldet ist. Nur leider wurden alle Unterlagen vor 1977 ins Archiv ausgelagert. Also ist völlig unklar, ob ich aus diesem Labyrinth in der Kreisverwaltung jemals erfolgreich wieder herauskomme.
Diese Verwaltung ist die Speerspitze der weltweiten Migrationswelle. Um mich herum wuselt eine indische oder pakistanische Familie mit zurzeit fünf Kindern zwischen 2 und 8 Jahren, mit einem weiteren unterwegs. Was sie hierher gebracht hat ist unklar, aber sie sehen wohlgenährt, gut gekleidet aus, kein Hauch von Flüchtlingsdrama, geschweige denn von Trauma. Es sind Plätze wie dieses Bürgerbüro, wo sich Meinungen bilden, Eindrücke verstärken, bei jenen Bürgern, die diese Dienste brauchen, wie Meldebescheinigung etc., und sich ausgesetzt fühlen. Hier findet der Zulauf der AfD statt. Und eine Lösung ist nur dann in Sicht, wenn es gelingt aus den sechs Kindern nur noch zwei zu machen. Aber dieses Bewusstsein darf nicht erst in den Flüchtlingslagern entstehen.
In der U-Bahn traf ich eine ehemalige Studienkollegin der TU München. Sie ist ein paar Jahre jünger als ich, direkt nach dem Abitur ins Studium eingestiegen, und hat dann ein Leben lang Softwareprogramme geschrieben. Jetzt mit Anfang 70 spielt sie immer noch Tennis und lacht über den Leistungsdruck ihrer Mitspieler und Spielerinnen auf dem Platz. Ich habe ein so anderes Leben gelebt.
21. Januar: Weltwirtschaftsforum in Davos heißt der Almauftritt, den Klaus Schwab seit 1971 mit wachsender Aufmerksamkeit betreibt. Oder stimmt das schon gar nicht mehr? Wenn ein Trump kommt, um seine allzu bekannten Wahlslogans vorzutragen, die eigentlich keiner mehr hören will, und doch alle pflichtschuldigst beklatschen, ist der Lack ab. Und was ist mit Greta Thunberg, fragt der AfD-Wähler, der sich sicher ist, dass all das Klimageschwätz nichts anderes ist als Geschwätz. Was sagen wir dem? Dass er seine selbst gebaute Bude, mit Blick auf einen Wald, allein wieder aufbauen kann, wenn sie ein Orkan, den es früher nicht gab, oder das Feuer, das es früher auch nicht gab, verschlungen hat. Dass er die Tiere, die er vorgibt schützen zu wollen, wieder ausgraben kann, denn lebendig sind sie nicht mehr vorhanden. Dass seine Kinder ihn verlassen haben, weil sie eine Zukunft haben wollten, und sein unsägliches Geschwätz nicht mehr ertrugen. All das würde ich sagen, wenn ich nur wüsste, ob der fiktive Klimaleugner ein Mann oder doch vielleicht eine Frau ist, die leise spricht, verhuscht vielleicht, aber nicht weniger radikal denkt, in ihren rückwärtsgewandten Ansichten.
Und was hat das alles mit Davos zu tun? Weil es nicht mehr reicht einzelne Aspekte unseres Tuns anzubringen. Es geht längst um die Systemfrage. Wie sollen wir das Klima in den Griff kriegen, wenn wir gleichzeitig unbegrenztes Wachstum, ungesteuerten Bevölkerungsanstieg, und unermessliche Müllberge produzieren. Alles schlimm? Nein, eigentlich bin ich optimistisch, dass wir, die Menschheit, noch die Kurve kriegen können. Und das, ohne die Erde komplett umzupflügen. Die alternativen Energiequellen kommen gut voran. Bei der künstlichen Intelligenz stellen wir die richtigen Fragen. Die Mega Tech Konzerne kommen unter Beschuss, weil sich zeigt, dass das einzige Mega ihre Sprüche sind, die sie jetzt einlösen müssen, und das fällt ihnen schwer, denn im Zentrum ihres Handelns steht die Gewinnmaximierung. Und genau das ist eines der Probleme die wir in den Griff kriegen müssen. Die Lösung beginnt mit der Frage: Für was soll die Wirtschaft gut sein? Zum Wohl weniger Superreicher, oder zum Wohl der Allgemeinheit. Ein weites Feld, und hätten wir es früher beackert, wären uns Ungeheuerlichkeiten, wie die Sklaverei, erspart geblieben. Es waren die Plantagenbesitzer der Südstaaten, die eine Sklavenbefreiung ablehnten und lieber einen Bürgerkrieg vom Zaun brachen als nachzugeben, als es darum ging, ob das Land, moralisch integer, seine eigenen Werte, fixiert in der Unabhängigkeitserklärung, leben wollte.
Und was passiert mit Großbritannien nach dem 31. Januar 2020? Der Brexit natürlich, sagt der Simpelton, der den ganzen Schlamassel verursacht hat. Ja, so wird, so soll es nun sein. Aber es gibt auch noch die anderen, die A.L. Kennedys, die sich persönlich herausgefordert fühlen. Die ihre Politiker mit Schmähschriften voller Fäkalien überziehen und im Bewusstsein ihrer Ohnmacht verzweifeln.
Ja, das Impeachment Trumps gibt es auch noch. Es begann heute, während der, den es betrifft, nach Davos flüchtete, wo er seine altbekannten plakativen Sprüche verbreitete. In demonstrativer Verachtung für all jene Institutionen, die Amerikas Macht bedeuten: Kongress, Supreme-Court, das Recht an sich. Es ist ein Jammer.
Was passiert, wenn sich der eine oder andere Senator der Republikaner für sein Land entscheidet und damit gegen einen Lügner, Populisten und kaum verhüllten Autokraten? Nichts vermutlich. Eine Weile Geschrei auf allen Kanälen, dann der Iowa-Caucus, dann all die anderen Staaten, bis zur Nominierung der Kandidaten - eine Krönungsmesse für Trump vermutlich - und dann die Wahl. Es wird eine Wahlnacht voller Ängste geben, mit dem Ergebnis, dass es weitere vier Jahre der Agonie gibt. Die Manipulationen, die das gewünschte Ergebnis liefern, kommen erst später zutage, aber es wäre ein Novum denselben Präsidenten zweimal zu belangen. God bless America.
24. Januar: Als ich gerade die Datei Das Verhängnis, schloss, es war bei Karls Sterbeszene, war ich erschöpft. (Sie lügen…, habe ich umbenannt). Die Figuren, Sibylle vor allem, machen mir zu schaffen. Stefan berappelt sich, die anderen sind Wasserträger. Ich glaube, Konrad hat den Roman nicht verstanden, so sehr ich seine Anmerkungen schätze, sie haben mich zweimal gezwungen den Roman signifikant zu überarbeiten. Aber jetzt steht er, fließt und folgt einer inneren Logik. Wenn nicht sogar Zwang. Das ist es vermutlich, was mich ermüdet. Diese Zwangsläufigkeit mit der das Geschehen auf die Katastrophe zuläuft. Nein, Katastrophe ist ein zu starkes Wort. Es ist nur eine weitere Zwangsläufigkeit die Mutter und Sohn erkennen lässt, dass sie sich treffen mussten, wie Magnete, die sich anziehen. Die Müdigkeit gleitet über in Frustration, in Sorge am Zustand der Welt, wo sich die Dinge überschlagen und weit und breit auf keinen stabilen Zustand zusteuern.
Was macht ein Weißhelm in Syrien, Idlib, wo die Russen Krankenhäuser bombardieren, und die Piloten sich darüber lustig machen, dass sie Bonbons verteilt haben. Er macht weiter, denn die einzige freie Wahl, die er hat, ist, sich umzubringen. Aber das tut er nicht, weil er weiß, dass viel Andere, ohne seine Hilfe zu Tode kommen.
Nicht der diplomatische Erfolg Berlins (Merkel und Maaß im Tandem) in Libyen, bringt einen Hoffnungsschimmer. Es kann nur die Eröffnung eines langandauernden Ringens um die Macht in einem weiteren prekären Staat sein. Es sind die Auftritte Trumps und Merkels in Davos: Der eine, vollgesoffen von seinem Ego, das keinen Platz lässt für anderes als Selbstüberhöhung in Fanfarentönen. Die Wörter die er dabei benutzt haben sich weidlich abgenutzt, sie sind falsch in ihrer Großartigkeit und sie sind falsch im Gehalt. Und da ist Merkel, zwei Tage später, mit keinem Wort erwähnt sie Trump, doch jeder ihrer Zuhörer weiß, von wem sie spricht, wenn sie Berechenbarkeit, freien Handel, weniger Aufgeblasenheit, mehr Kooperation einfordert. Es ist eine Frau, die lange gezögert hat offen auszusprechen was die Welt, mit Ausnahme großer Teile Amerikas, empfindet. Sind es wirklich nur die Frauen, die sich trauen, den Mächtigen den Spiegel vorzuhalten? Das gilt in gewisser Weise auch für Macron, Putin, Johnson, Erdogan, lauter Egomanen, die sich kaum noch zügeln können vor Kraft. Doch welche art Kraft ist es, die diese Männer prägt? Die Macht des Wortes, wie bei Roosevelt, oder Obama? Nein, es ist die Macht des Schwerts, des Verrats, der Lüge (nicht bei Macron, der sich ehrlich bemüht anders zu sein). Es ist immer das, was die Völker, die Menschheit, von einem Krieg in den anderen getrieben hat, und wohl noch lange weitertreiben wird.
Oder ist das eine Gesetzmäßigkeit, die in uns Menschen steckt, die mit Mann und Frau nichts zu tun hat? Margaret Thatcher hat sich nicht gescheut, zur Rettung ihrer Macht, einen Krieg mit Argentinien über ein paar Felseninseln voller Schafe, 8000 km von England entfernt, vom Zaun zu brechen. Nicht dass es die argentinischen Obristen nicht verdient hätten, aber mussten wirklich tausende junge Männer, zerrissen, ersäuft werden, um ein paar größenwahnsinnige Militärs in die Schranken zu weisen?
In Yad Vashem spricht der erste deutsche Staatspräsident, Steinmeier, über das unsägliche Leid, das Deutschland den Juden zugefügt hat. Er spricht auf englisch, weil es den letzten Überlebenden der Shoa nicht zumutbar ist, die Sprache ihre Peiniger an diesem Ort des Gedenkens zu hören. Gut so. Und er benutzt Wörter, die in ihrer Klarheit nicht zu überbieten sind. Kein Relativieren, nur unendliche Trauer und Verwunderung über das Verbrechen einer zivilisierten Nation. Wie konnte es passieren, schwebt über allem. Und weil es passiert ist, kann es wieder passieren, wenn wir uns nicht zur Wehr setzen.
Und dann spricht Putin, für ein Volk, dessen Blutzoll der höchste im Zweiten Weltkrieg war. Die Polen wollten dann nicht mehr sprechen, weil sie nicht sagen konnten, was sie sagen wollten, dass es nur die anderen waren, die Juden vernichteten. Und Trump hatte keine Zeit, denn er musste sich ja in Davos beweihräuchern. Er schickte Pence, den Vice Präsidenten, der in seinem „Born Again Christian“ Weltbild auch keinen Platz hat für die Nöte jener, die ihm nicht zustimmen.
Und Netanjahu war auch da. Wie lange noch? Es entscheidet sich gerade, ob Israel ein Rechtsstaat bleibt, oder ein Hofstaat wird.
27. Januar: Augenarzt erledigt, alles in Ordnung. Nachts um 12 Uhr, wenn die Sicht verschwimmt, ist es wohl die Müdigkeit. Oder es ist das Entsetzen in das mich Jill Lepores Diese Wahrheiten immer wieder versetzt. Mein ganzes Amerika Bild beginnt zu wanken über dieser Verdichtung aus Hybris, Ignoranz, Brutalität und Selbstüberschätzung.
The greatest nation on earth, ist nicht mehr. Hat sich selbst entzaubert, und das nicht erst seit Trump. Obama war noch ein Zwischenspiel, bei dem die Welt aufatmete, aber auch er neigte zu Selbstüberschätzung, verkleidet in schöne Wörter, die er nicht mit Inhalt füllen konnte. Wie sollte er auch, wenn der verrottende Stamm längst zu wanken beginnt.
Jetzt frage ich mich, ob es die Unvermeidbarkeit ist, die an Amerika nagt. Der Niedergang eines Imperiums, das sich über-dehnt hat, sowohl im Umfang als auch im Anspruch. Toynbee lässt grüßen. Blöd nur, oder auch gut, dass kein neues Gebilde zu sehen ist, das Amerikas Rolle des letzten Jahrhunderts übernehmen kann.
Wie wäre es mit Europa? Nicht, wenn es sich nicht radikal erneuert. Und zwar im wahrsten Sinn des Worts. Denn Europas Geschichte, Raubtierkapitalismus, Sklaverei, Ausbeutung, Kolonialismus und Kriege, unsägliche Kriege, sind keine Blaupause für eine Erneuerung.
Aber ausgerechnet der Kampf zum Erhalt des Klimas könnte helfen. Denn es braucht Demut, Bescheidenheit und Geduld für den Erfolg. Es braucht Einsicht und Bereitschaft, die schlimmsten Exzesse der Vergangenheit auch mit Geld zu heilen.
Und es braucht Partner, China, Russland und natürlich die USA. Aber diesmal auf einer Gleichgewichtigkeit, die jeden Vasallenstatus ausschließt. Und es braucht Einigkeit nach innen. Weg mit den Orbans, den Kaczynskis, den Erdogans, her mit den Frauen, den abwägenden Männern und Mahnern, aber auch den Machern, die sich auf einen breiten Konsens stützen.
Das wäre doch was!
31. Januar: Ein spannender Tag. Historisch nennen ihn jene, die mit großen Worten ihre Zuschauer in der Sendung halten wollen. Aber historisch wird heute viel genannt, das sich dann doch wieder nur als Furz eines großsprecherischen Präsidenten erweist, der das Vokabular eines 10-Jährigen besitzt. Also was steht an?
Erstens treten die Engländer heute tatsächlich aus der EU aus. Endlich das Ende eines Albtraums, der sich seit dreieinhalb Jahren hingezogen hat. Dabei geht es erst jetzt richtig los. Im nächsten halben Jahr entscheidet sich, ob es eine einvernehmliche oder eine hässliche Trennung wird. Zumindest die Hintergrundgeräusche deuten auf mehr Vernunft hin (bei den siegreichen Tories, die jetzt keine Ausreden mehr haben und liefern müssen).
Anders in den USA. Dort steht heute die Entscheidung im Senat an, ob John Bolton, kein Freund Donald Trumps, in dem Impeachmentverfahren als Zeuge auftreten drauf. Sein Buch hat das Weiße Haus schon mal verboten zu veröffentlichen. Aber es weiß ja eh jeder längst, was an belastendem Zeug drinsteht. Die Frage ist, ob und falls ja, wie viele republikanische Senatoren dafür stimmen, dass Bolten aussagt. Sollten es zumindest vier tun, dann bröckelt die Einheitsfront der Republikaner und Scaramuccis Prophezeiungen, dass „all hell breaks loose“, doch endlich eintritt, und sich genügend verantwortungsbewusste Politiker finden, die helfen einen Lügner und Betrüger aus dem Amt zu jagen.
Und dann hat Alexander Zverev das Halbfinale der Australian Open gegen Dominic Thiem verloren. Schade, aber es ist nur insofern von Bedeutung, als der Sohn eines Russland-Deutschen angekommen und akzeptiert wird. Wir brauchen mehr dieser guten Nachrichten. Außerdem war das Spiel so hochklassig, dass es diesmal tatsächlich die Glocke in die letzte Runde der großen Drei im Tennis sein könnte. Djokovic wird etwas dagegen haben, nachdem Federer und Nadal bereits ihrem Alter Tribut zollen.
Das Verhängnis ist auch fertig. Susan geht noch einmal über den gesamten Text. Sie findet immer etwas, und das ist gut so. Und ich bin zurück in den Aufzeichnungen. Ende 1995 als Singapur Technologies die DMT kaufte. Ein unwirkliches Gefühl, die Gedanken von damals zu lesen. Den Stress, die Verzweiflung über John Kingsleys Tod, das Bewusstsein, dass die DMT, so wie ich sie konzipiert hatte, eigentlich nicht zu erhalten war. Zu viele geplatzte Träume, zu ambitioniert, zu fragil das ganze Gebilde, um substanziell darauf aufzubauen. Es war Zeit, dass ich 1999 entlassen wurde. Hat trotzdem geschmerzt, aber immerhin habe ich überlebt.
5. Februar: Habe gerade Das Verhängnis an twentysix geschickt. Langsam geht mir das self-publishing leichter von der Hand. Das Programm akzeptiert meine Dateien ohne großes Murren. Jetzt freue ich mich auf das Endprodukt. Es ist jedesmal schön ein fertiges Buch in der Hand zu halten.
Gleichzeitig wächst die Wut, der Ärger, das Entsetzen über den Zustand der Welt. In China grassiert das Coronavirus, die Fallzahlen schnellen in die Höhe und die Bevölkerung, ja die Welt, begreift langsam, dass Radikalmaßnahmen eines autokratischen Regimes, einer Einheitspartei, auch wenn sie allmächtig erscheint, letztlich keine Lösungen liefert, wenn die Bevölkerung nicht mitzieht. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, und das Umdenken über die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Einheitsstaat beginnt gerade.
Und schon bin ich wieder bei Amerika, unserem großen Freund. Aber stimmt das noch? Alles, was zurzeit über den Teich zu uns dringt, weist darauf hin, dass sich das Land die Karten neu legt. Und die Trümpfe scheinen nicht in der Hand der Demokraten zu liegen. Da mag Trump noch so verhasst sein, seine Anhänger stehen geschlossen hinter ihm, egal was er anstellt. Er bricht Eide auf die Verfassung, lügt, verdreht die Fakten und stürzt die Welt, egal wo er hinlangt, ins Chaos, zumindest in Verlegenheit.
Und die Demokraten scheinen kein Rezept zu finden, diesem Mann seine Grenzen aufzuzeigen. Sie sind uneins, verzetteln sich in Nebenschauplätze wie Genderpolitik, Minderheitenschutz und Zuwanderung. Alles extrem wichtig, aber sie splittern ihre Wählerschaft, lassen sie aus Frust bei Wahlen zu Hause bleiben, so gewinnt eine Minderheit, die geschlossen hinter ihrem Führer steht, mag er auch noch so schlecht sein.
Der Einzige, der zurzeit Trump schlagen kann, ist Trump selbst. Und ich hoffe, es gelingt ihm bald.
Noch setze ich auch auf die Finanzkraft Bloombergs. Es wäre eine schöne Pointe, wenn ein Geldmogul aus New York einen anderen Geldmogul derselben Stadt zu Fall bringt. Als ehemaliger Bürgermeister der Stadt müsste es ihm doch möglich sein an Trumps Steuerunterlagen zu kommen. Dann würde sich zeigen auf was für tönernen Füßen der Mann steht.
Das traurige Schauspiel, das die Demokraten am 3. Februar in Iowa geliefert haben, lässt nicht viel Hoffnung. Ein homosexueller Bürgermeister, 38 Jahre alt, aus einer Stadt im Mittleren Westen, South Bend, nur 20 km von Rolling Prairie entfernt, hat gewonnen. Pete Butegieg, oder so ähnlich, heißt er. Und der soll die Demokraten aus ihrem Tal der Tränen führen?
Derweil verweigert Trump nach seiner Rede zur Lage der Nation, Nancy Pelosi den Handschlag. Sie ist immerhin die Chefin der Mehrheitsfraktion im Kongress. Ein unerhörter Affront und doch schlüssig in der Logik des Mannes. Schön, wie sie vor aller Augen sein Redemanuskript zerreißt, es war sowieso nur Propaganda. Wir brauchen dringend weniger Supermachos auf der Welt, aber die Aussichten sind trübe. Es ist ja nicht nur Trump der tönt, er tut es auch im Konzert mit Putin, Erdogan, Xi Jinping, Assad, Netanjahu, Duterte, Orban, Kaczynski, Modi & Johnson. Die paar Frauen an der Macht, Merkel, von der Leyen, Ahearn, mit Macron und Trudeau im Schlepptau, haben da kaum etwas zu bieten.
Die Geschütze werden bereits auf die EU gerichtet. Sie scheint das einzige Bollwerk zu sein, das diesem Angriff der Rechten Paroli bieten kann. Aber wie lange noch? Das Bröseln beginnt an den Rändern, und das Theater, das gerade bei der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen aufgeführt wurde, lässt nichts Gutes erwarten. Anscheinend hat sich die CDU in ihrer Angst vor der AfD entschlossen, Selbstmord zu begehen. Der SPD ist das mit der Wahl ihrer neuen Vorsitzenden schon mal gelungen.
Ist all das noch Demokratie? Oder doch schon der Niedergang? Gehört das einfach dazu, dieses Mitspracherecht, und dann kommen eben überraschende Ergebnisse heraus?
Wenn es denn Demokraten nicht gelingt eine Einheitsfront zu bilden, sieht es düster aus. Europa als Antagonist mit Johnson als Vasall, 30 km von unseren Grenzen entfernt, das wird schwer.
6. Februar: Es sieht ganz so aus, als wäre die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten, ein FDP-Mann, einer 5 % Partei, kein einfaches Malheur, sondern ein Dammbruch. Da sind einfach sämtliche Sicherungen durchgebrannt, und Lindner, der Bundesvorsitzende der FDP, muss sich fragen lassen, wie das passieren konnte. Desgleichen AKK, es waren schließlich die Stimmen der CDU die den Ausschlag gaben. Mohring heißt der Fraktionsvorsitzende, der jetzt so tut, als hätte er mit dem ganzen Komplott nichts gemein.
Noch ist es zu früh, die Vorgänge um das Ermächtigungsgesetz der Weimarer Republik auszugraben. Aber gemeinsam mit dem wachsenden Antisemitismus ist es an der Zeit die Sturmglocken zu läuten.
Gestern lud uns Peter: Michi, Konrad, Thekla, Andrea und Moni, Susan und mich, zu einem Spitzenitaliener ein. Es wurde ein Festmahl, und doch schwebte über dem Tisch ein Hauch von Nostalgie und Altersmilde. Keine hitzigen Politdiskussion mehr, wie sie früher schon mal in derselben Runde aufflackerten. Nur Erleichterung und Freude, dass Peter noch einmal von der Schippe gesprungen ist. Kein Blasenkrebs und auch keine Geldsorgen mehr (er hat geerbt) und auf einmal strahlt der Mensch von innen heraus, wie eine dauerbrennende Glühlampe. Dabei ist es nur ein Zwischenhoch. Sie sind immer noch im vierten Stock ohne Aufzug, die Schritte werden schwerer. Dasselbe gilt für Thekla und Konrad, der sich mit seinen 82 Jahren aufs Altersheim vorbereitet, was ihr gar nicht gefällt (sie ist 10 Jahre jünger). Und plötzlich brechen unterschwellige Lebensentwürfe auf. Er sehnt sich in die Geborgenheit seines Büros zurück - sein ganz persönlicher Rückzugsort - Sie will, dass alles so bleibt wie es ist. Geht aber nicht. Altern ist nun mal ein langsamer, beschwerlicher Abstieg, und unten angekommen wird es zum Abschied. Es ist das Unabänderliche, dass uns zu schaffen macht.
9. Februar: Warum nur geht dieses Gefühl des Gehetztseins nicht weg. Ist es, dass sich die Ereignisse überschlagen, oder taten sie das immer schon, wir haben nur nicht jede Zuckung am entferntesten Punkt der Erde mitbekommen? Sind es die Medien in ihrem Zwang Aufmerksamkeit zu heischen, die alles noch schlimmer machen? Nein, die Medien sind es nicht, sie kämpfen eher darum ihren eigenen Auftrag zu erfüllen: Berichterstattung auf Fakten-Basis. Und dabei müssen sie nicht nur um Quote kämpfen, eher gegen den Feind im eigenen Lager. Gegen gekaufte Medien, die sich eindeutig positioniert haben, und Fakten nicht mehr anerkennen, wenn sie nicht in ihre selbst gewählte Blase passen.
Das Theater in Thüringen löst sich wohl schnell auf, denn alle, außer der AfD, haben erkannt, wie sehr das parlamentarische Gerangel der Demokratie geschadet hat. Ist das aber wirklich so, denn die 25% der AFD gehen ja nicht einfach weg, werden eher gestärkt. Ein Höcke, erklärter und nachgewiesener Neonazi, verschwindet nicht einfach im Gebüsch des Grünstreifens zwischen Ost und West, der einmal der Eiserne Vorhang war. Dabei ist der Mann aus dem Westen, ein Lehrer aus Hessen, der seine kruden Ansichten nach Osten trug und dort auf eine Wählerschaft traf, die sich übervorteilt, gemaßregelt und besetzt betrachtet. Nicht die Mehrheit, ist klar, aber 25 bis 30% der Wähler ist kein Pappenstiel.
Dabei bräuchte Deutschland dringend eine Europastrategie. Macron reißt am Zügel, will mehr Europa, mehr Verteidigung, mehr Zusammenhalt, verschmelzen womöglich, und warum auch nicht. Aber jeder muss vor allem im eigenen Hinterhof kehren. Spanien ist noch nicht stabil, der Brexit heizt sich gerade wieder neu auf. Die Schotten wollen raus aus einer ungeliebten Verbindung mit England, Irland hat neu gewählt und Sinn Fein gestärkt, Katalonien ist nicht befriedet. Der Balkan wartet auf die EU, die Türken träumen Großmachtgelüste, Ungarn und Polen wissen nicht was sie wollen, und die Amerikaner köcheln im eigenen Saft.
Und China, das Coronavirus, ein paar Monate Handelseinbruch, dann so weiter wie bisher? Schwer vorstellbar. Wenn eine Situation wie in Hongkong entstünde, wäre das schwer verkraftbar. Für wen? Die Welt? Die Bevölkerung, die eine Kaste verhasster Kader abschütteln will? Keiner weiß es, Tiananmen und absolute Funkstille, sind wohl das wahrscheinlichste Szenario.
14. Februar: Heute, am Valentinstag, beginnt die Sicherheitskonferenz in München. Die Stadt nimmt es gelassen, obwohl es um große Themen geht. Immerhin befinden wir uns mitten in einer Neuordnung der Welt. Das Getöse um den Sündenfall in Thüringen klingt ab, die Süddeutsche nennt Höcke, der die unsägliche Wahl instigiert hat, ein „Führerlein“. Gut so, die Leute lächerlich machen, ist besser, als sie durch Geschrei noch zu vergrößern. Dasselbe Rezept müsste eigentlich auch bei Trump funktionieren. Wie wäre es, wenn die New York Times, oder die Washington Post, ihn nur noch „Präsidentlein“ nennt.
Ein Twitter-Sturm wäre ihnen gewiss, aber der kommt sowieso, denn irgendwann werden sich die Demokraten auf einen Kandidaten einigen, und dann geht das Geschrei, die Lügen und Verzerrungen erst richtig los.
Jetzt zu spekulieren wer der Herausforderung sein könnte, wäre müßig. Die Vorwahlergebnisse in New Hampshire und Iowa sind trügerisch. Klarer wird das Feld erst nach dem Super-Tuesday im April.
Zurück zur Sicherheitskonferenz: Wenn die Situation in Syrien, Idlib im Besonderen, nicht massiv zur Sprache kommt, kann der Westen einpacken. Zu lange schaut er jetzt einem Völkermord durch den Schlächter Assad zu, und lässt Putin gewähren. Wir sollten Erdogan den Rücken stärken, damit er sich einen Teil Syriens an der Grenze krallt und den Flüchtlingen, die um ihr Leben bangen, eine Enklave bieten kann.
Es ist die bare Wut, die aus mir spricht, bar jeder Vernunft, ich weiß!
Und A. L. Kennedy nennt Johnson in ihrer giftigen Kolumne nur noch Popo. Von Populist vielleicht, es wäre passend. Während er ungerührt das Kabinett umbaut, um die Minister noch mehr auf seine Person einzuschwören. Das Wohl des Landes rückt bei diesem Ego-Typen immer mehr in den Hintergrund.
19. Februar: Was zuerst? Das Gerangel in der CDU um den Vorsitz, den Merkel längst glaubte gut gelöst zu haben, oder das Kabinetts-Massaker in England, wo ein Schattenmann, neben, über, unter Johnson anscheinend das Sagen hat. Oder doch wieder die USA, wo Bloomberg schlagartig auf Platz 2 der Umfragen springt, obwohl er bisher nur Anzeigen und Wahl Spots geschaltet hat? Oder vielleicht doch eher, und das ohne Zynismus, Syrien, Assad, Erdogan, Putin, Machogehabe getarnt in Weltpolitik, die sich auf dem Rücken der Menschen austobt? Die in ihren Zelten an einer unsicheren Grenze in Schnee und Schlamm, an Kälte und Hunger, sterben.
Nein, es ist das Engagement der UNO-Menschenrechtsbeauftragten Lamar, die sich durch Sakurs (der BBC-Interviewer aus Hard Talk) tendenziöse Fragen nicht daran hindern lässt, über das Leid der Menschen zu reden. Über die Notwendigkeit, die Saudis, bis ganz nach oben, für den Mord an Kashoggi zur Rechenschaft zu ziehen. Die die Tötung Suleimanis, eines hohen Repräsentanten einer legalen Regierung, als das bezeichnet, was es ist: Eine Ermordung im Regierungsauftrag. Es sind diese Menschen, die Hoffnung geben, dass sich die Verhältnisse irgendwann wieder zum Besseren wenden könnten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Also doch zur CDU, die gerade dabei ist sich selbst zu zerlegen, nur weil es AKK, der von Merkel designierten Nachfolgerin, nicht gelang, den Laden zusammenzuhalten. Fast hat es den Anschein als würde das Schauspiel, das die SPD seit Jahren aufführt, Schule machen. Ist es das links/rechts Virus, das die Volksparteien so schwächt, dass sie sich lieber selbst erledigen als zu reformieren? Den Eindruck muss man vom Verhalten der CDU in Thüringen gewinnen. Die Partei dort wirkt wie eine Ähre im Sturm, aber sie stellt Forderungen, weil sie fürchtet bei Neuwahlen abgestraft zu werden. Kleingeister überall.
Derweil besetzen Umweltschützer einen Stangenwald in Brandenburg, um den Bau einer Tesla Fabrik zu verhindern. Immerhin ist es die größte Industrieansiedlung in dem geplagten Land seit der DDR. Elon Musk wird glauben, er wäre im Sozialismus gelandet, was er ja ist. Dabei wollte er nur die mächtige Autoindustrie Deutschlands herausfordern, aber die sitzt in Baden-Württemberg und Bayern. Aber eigentlich sitzt die längst in China, hat nur noch nicht gelernt die Vorgaben der chinesischen Einheitspartei zu lesen. Alles keine guten Aussichten.
20. Februar: Lauter Zweien und Nullen im heutigen Datum. Vielleicht ist das die Wende. Alles nicht mehr Top, nicht mehr die Eins, aber solide und berechenbar, wie die Zwei. Außerdem habe ich die New York Times gekauft, weil auf der Titelseite der Kampf des Jeff Bezos gegen Trump beschrieben ist. Noch ein Kampf, der nichts bringt, außer mehr Aufmerksamkeit für Trump. Aber das Gefühl, dass es enger wird um den Großsprecher und Lügner, wird stärker. Ob es trügt wird sich zeigen. Die beste Nachricht der letzten Tage war, dass Bloomberg seine Millionen auch dann gegen Trump einsetzen will, wenn er nicht selbst die Kandidatur gewinnt. Und was tun die Demokraten? Sie, Elizabeth Warren, greift den Mann auf offener Bühne an, als wäre er Trump. Ein Frauenverniedlicher, Sexist, als ginge es bei dieser Wahl nicht um mehr als „me too“. Wenn die Demokraten diese Wahl sehenden Auges versemmeln, sind sie nicht mehr zu retten. Die Gesellschaft, das Gesundheitswesen, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte, werden nicht in den Vorwahlen geändert, bestenfalls nachdem ein vernünftiger Präsident gewählt ist, der drangehen kann das Land mit sich und seinen Institutionen zu versöhnen. Und der vor allem das Gesetz, das über allem steht, respektiert.
Anarchist hat mich Elena im Februar 1997 genannt, bevor sie zum Studium nach Berlin ging. Tara war da schon längst in Cambridge gelandet. Und vermutlich hatte Elena recht, wenn ich die Aufzeichnungen richtig interpretiere. Wir konnten uns nicht ganz auf die Definition des Anarchisten einigen, rein destruktiv oder doch einer, der das Chaos sucht, um daraus aus den Trümmern Neues zu schaffen. Vermutlich ging es mir immer weniger um das Chaos, sondern eher um das Schaffen, Bauen, Kreieren. Der Bauer eben, der sät und voller Erwartung das Wachsen betrachtet.
Das Taza d'Oro, im Hintergrund italienische Schlager, simple Ohrwürmer, die ich nicht verstehe, und doch ist es die Musik von „O sole mio“, von Sand, Meer und Sonne. Gut so.
21. Februar: Hanau, noch ein Massaker. Wie viele braucht es, bevor wir aufwachen und die Verhältnisse benennen, wie sie nun mal sind. Deutschland, und mit ihm Europa, hat ein Problem mit Rechtsradikalen. Nicht darüber reden geht nicht mehr, nicht nach Stübbes Ermordung, nach Halle, und jetzt Hanau. Jedes Wegducken geht nicht mehr, und die Erkenntnis, dass Maaßen, der frühere Chef des Verfassungsschutzes, auf dem rechten Auge blind war, hilft auch nicht. Es zeigt nur die Grundstimmung im Land, und jeder, der heute AfD wählt, muss sich fragen, weshalb er oder sie das tut. Denn die Zeichen, wo es hinführt, wenn eine rechtsradikale Gesinnung in die Parlamente einzieht, sind längst jenseits des Menetekels. Und wenn einer die AfD trotzdem wählt, weil er genau das will, was die Partei propagiert, nämlich den Sturz der bestehenden Verfassungsordnung, dann muss man ihn oder sie einsperren. Nicht wie damals Hitler in Landsberg, sondern als erklärten Staatsfeind. Und da gibt es kein Zögern, solange die Besonnenen noch eine Mehrheit stellen.
28. Februar: Mit einem Schalttag schließt dieser Februar und gestern Nacht hatte ich kurz den Eindruck, als wollte sich Susan verabschieden. Grippe, Kreislaufkollaps, kaum noch ansprechbar, es erinnerte mich an die schwierigsten Zeiten unseres gemeinsamen Lebens. Damals, am Anfang in München, ich ein armer Student, sie lebend von der Hand im Mund. Kein Geld, keine Medikamente, Ärzte sowieso nicht, die Hoffnung manchmal am Tiefpunkt. Dann Indien, der Körper geschwächt vom gnadenlosen Husten, wie sie es schaffte, wie wir beide es schafften, ist mir immer noch ein Rätsel.
Aber wir haben es geschafft, und ich hoffe, wir bleiben uns noch eine Weile erhalten. Jetzt da in Deutschland der unsägliche Paragraf 217 vom Verfassungsgericht kassiert wurde, mit einem bemerkenswert klaren und einfachen Beschluss: Das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Leben steht über allem. Es war die Hürde, von der ich hoffte, dass wir sie überspringen würden. Jetzt braucht es nur noch ein Gespräch mit Dr. Gmelin, der Hausärztin, zur Bestätigung, dass ich meinte, was ich in der Vergangenheit andeutete, nämlich, dass mir ein selbstbestimmter Tod wichtiger ist als alles andere, das mir noch bevorsteht.
Nächste Woche kommt Elena nach München für eine Theaterveranstaltung, falls sie nicht noch wegen der Corona Pandemie abgesagt wird. Wir freuen uns auf sie. Und gestern wurde Fedor operiert, der Gehörgang mit einem Röhrchen geöffnet und die Mandeln halbiert. Hoffentlich kann er jetzt leichter atmen.
Und vielleicht gelingt es ja auch der CDU eine gehörige Portion Frischluft in ihren Stall zu pusten. Die Kandidatenkür wäre ein prima Anlass dazu. Zumindest sollte es gelingen, die Karten auf den Tisch zu legen, damit der Wähler wieder in der Lage ist einzuschätzen, was er überhaupt wählt. Die Zukunft? Wohl kaum. Das Beharren? Schon eher. Aber der Mangel am Festhalten an Altbekanntem ist es gerade, was einen Teil der Alt-Wähler zur AfD treibt, nachdem sich die Alt-Linken dort längst heimisch fühlen. Es ist nicht das Programm der AfD, das die ewigen Besserwisser und Nörgler in der Partei vereint, sondern die Ablehnung all dessen, was eine moderne, weltoffene Gesellschaft ausmacht.
Ich würde ganz gerne in die Schulen gehen, um mit den jungen Leuten zu reden. Aber der Typ vom Institut für politische Bildung, wie es Cornelius angekündigt hat, hat sich noch nicht gemeldet.
3. März: Super Tuesday in den US-Vorwahlen. Wohin kippt die Waage? In Richtung Sanders, der das Land radikal verändern will, oder zu Joe Biden? Morgen wissen wir mehr und dann beginnt endlich der Kampf gegen einen gefährlichen Großsprecher, dem es gelungen ist das Land und die Welt zu seiner persönlichen Reality-Show verkommen zu lassen. Dabei geht es längst um viel mehr, nämlich das Überleben einer liberalen Gesellschaft. Nicht um die krankhaften, gewinnorientierten Träume der Neokonservativen der 90er Jahre, sondern um die soziale Marktwirtschaft. Die Frage weshalb wir arbeiten, existieren, einfach um alles. Denn sollte sich herausstellen, dass wir in Richtung Orwell marschieren, wo uns Big Brother vom Schlafzimmer bis zur Toilette verfolgt, dann hat die Menschheit verloren. Sie lebt weiter, ohne Zweifel, aber was ist das für ein Leben? Käfighaltung, gelenktes Denken, gesteuerte Wege und Handlungen. Wir brauchen dann keine Klone mehr, sind es freiwillig geworden, eine hirnlose, willenlose Biomasse zur Verherrlichung der Wenigen an den Schalthebeln der Macht.
Beim Friseur erzählt Greta von ihrem Sohn. Er ist das erste Jahr auf einem bayerischen Gymnasium und pendelt bei den Noten zwischen vier und fünf. Sie ist Ungarin, besuchte kürzlich in Ungarn eine Schulvorführung der Erstklässler im Ort ihres ungarischen Lebenspartners. Eine durchweg gelungene, beeindruckende Vorstellung der Kinder, meint sie. Voller Disziplin und Genauigkeit erinnert sie sich, und vergleicht es mit dem Chaos in ihrer deutschen Kita. Es ist das ungarische, die Reinheit, ringt sie sich schließlich ab als Erklärung - In Deutschland gibt es inzwischen zu viele Kinder, die nicht mehr richtig Deutsch können, die keine Disziplin haben. Meine Einwände prallen auf taube Ohren. Ist das bereits der Effekt, der die Orbans, Kaczynskis und Erdogans an die Macht bringt? Oder ist es dieses Denken, das es schon immer gab, das den eigenen misslungenen Lebensentwurf der Gesellschaft in die Schuhe schiebt? Vermutlich von beidem etwas. Henne und Ei eben.
6. März: Bei den Aufzeichnungen bin ich am Ende des Jahres 1998 angekommen. Es ist das Jahr an dem meine berufliche Karriere als operativer Geschäftsführer einer größeren Einheit ausklang. Ich war einfach erledigt. Alles was danach noch kam war Zugabe, bar jeder Emotion, ein notwendiger Gelderwerb bis zur Rente. So einen Ausklang hätte ich mir nie vorstellen können, dabei wusste ich immer, dass es mich, wie viele andere zuvor, treffen könnte. Es war der Preis der Macht, ohne Kommentar entlassen zu werden. Jetzt bin ich gespannt, was die nächsten Jahre in den Aufzeichnungen noch bringen. Ich weiß: Erstmal Riesenfrust, dann Erleichterung, dann ein Gründerschub und die Episode bei co.don, wo ich Chris kennenlernte. Und immer noch Hektik, aber nicht mehr bedrohlich. Dann ab 2003 das Schreiben. Ich hatte mein Ventil gefunden, die Welt kam wieder in die Balance. Heute sitze ich in unserer Luxuswohnung und betrachte die Welt, die zunehmend aus der Balance gerät. Oder ist es bereits eine neue Realität, in der das Chaos zur neuen Balance geworden ist? Gut möglich das Letztere, denn ein Zurück wird es nicht mehr geben, wo die Deutsche Bank noch Gewinne machte und eine Stimme hatte, die gehört wurde. Wo Amerika den Weltpolizisten gab, und sich darin verlor. Wo die Sowjetunion zerfiel, um im neuen Gewand, vollgestopft mit Waffen und Skrupellosigkeit, erneut zu erscheinen, in Form eines neuen Zaren, der einmal KGB-Offizier war. Und die DDR sich einbildete, überleben zu können, und wo der Osten Europas in Lethargie, Korruption und Wut versackte, gedeckelt von einer irrsinnigen Ideologie, die das Beste wollte und das Schlimmste erreichte. Wo China noch unbedeutend und im Schatten seiner Machtlosigkeit zur Weltmacht aufstieg. Wo Japan wie der große Gewinner aussah, und dann doch in den Startlöchern sitzen blieb. Und wo Afrika noch schwarz, mysteriös und unbedeutend war, weil in den Köpfen des reichen Westens immer noch die Überlegenheit des alten, weißen Mannes herum spuckte. - Alles vorbei und nichts kommt zurück, auch weil es niemand zurückhaben will, außer ein paar Ewiggestrigen, die Brexit brüllen, Trump bewundern, und Netanjahu für einen großen Staatsmann halten. Nichts davon ist richtig und alles brandgefährlich.
Und manchmal denke ich, mein uralter Schreib-Computer hat auf alles eine Antwort. Es ist aber nur die Hybris des Schriftstellers, der niemand Rechenschaft schuldet, außer sich selbst.
9. März: Elena war für ein paar Tage während des Tanzfestivals bei uns. Sie hatte beruflich zu tun, Kontakte pflegen, Stücke sehen, am Netzwerk weben. Sie ist 42 Jahre alt.
Am letzten Abend erwähnte sie eher beiläufig, dass sie Bernie Sanders gewählt hat, bei den Vorwahlen, und ich flippte aus, als hätte sie mich persönlich beleidigt. So genau weiß ich nicht warum, denn viele seiner politischen Positionen sind auch die meinen. Aber darum geht es schon nicht mehr in meinen Augen, es geht nur noch darum Donald Trump zu schlagen. Er ist der Feind, die Speerspitze einer Bewegung, die Amerika, und mit ihm die Welt, verändern wird. Und das wird ihm wohl auch gelingen, wenn er eine zweite Amtszeit bekommt. Es wäre der Triumph des ungebremsten Kapitalismus, ein weiteres, autokratisch regiertes Land, das den Superreichen die Pfründe zuschanzt, die Natur ausplündert, und alles mit schönen Worten und Lügen verkleistert. Und Europa, ist es stark genug, kann es das sein, um sich effektiv gegen die aufbrandende Flut zu stemmen? Will es das überhaupt, mit England hämisch grinsend am Rand, und Ungarn und Polen als Quelle der Obstruktion? Die Aussichten sind rundweg trübe.
Aber zurück zu den USA. Noch ist nicht alles verloren, die Menschen, zumindest die 50% die Trump hassen, werden kämpfen, es fragt sich nur, ob Joe Biden derjenige ist, für den sich der Kampf lohnt. Warum zweifle ich? Weil er sich nicht beherrschen kann, und auf persönliche Angriffe allergisch reagiert. Aber all das wird er ertragen müssen, denn sie werden kommen, einige Angriff unterhalb der Gürtellinie. Außerdem hat er sich durch seinen Sohn Hunter angreifbar gemacht. Er ist verwundbar, denn kein Mensch akzeptiert 50000 $ Monatsgehalt als Aufsichtsrat von Kurisma, ohne dass er etwas liefern muss. Ist das nun Verschwörung, oder nur Erfahrung?
Und dann die Auswirkungen des Coronavirus. Das Mindeste ist wohl ein Einbruch des Welthandels und dann? Ein Kollaps des weltweiten Finanzsystems?
Aber warum bin ich gegen Sanders? Weil ich glaube, dass ihn die Republikaner als Sozialisten verdammen, und seine Bemerkung zu Kuba als Beleg in Endlosschleife spielen werden.
Alles vorstellbar? Durchaus! Wir müssen alle zusammen die Nerven behalten. Aber wenn ich Teresa, der Bedienung in der Seerose zuhöre, dann sind wir weit davon entfernt. Sie ist Italienerin und fühlt sich bei Corona von Europa verraten, das Italien in der Not allein gelassen hat. Sie sieht die Quelle des Übels hier in München, bei Webasto, wo die ersten Fälle auftraten. Und schon eskaliert die Verschwörung. Weshalb dann ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen die meisten Fälle in Deutschland auftraten, interessiert dann schon nicht mehr. Und Japan und Südkorea sind ja so weit weg!
Biden wird hoffentlich die Kraft haben all das durchzustehen, mit 78 Jahren kein Zuckerlecken. Ich halte ihm und Amerika die Daumen. Trump muss weg, bevor die Wunden, die er dem Land zufügt, zu tief werden.
Teresa habe ich schon mal beruhigt, glaube ich.
11. März: Fedors Stimme war ganz hoch und überschlug sich fast, als er mir von dem Umschlag der Bertha von Suttner Schule erzählte, auf den wir seit Tagen gewartet haben. „Weißt du Grandpa“, sagte er, „ich bin drin, bin aufgenommen worden.“ Ich konnte hören, welch großer Stein ihm vom Herzen fiel.
Danach erinnerte ich mich wieder an dieselbe Zeit in meinem Alter, als ich die halbe Nacht nicht schlafen konnte, bevor ich nach Mindelheim zur Maristen Schule kam. Es ist eine der Weggabelung im Leben eines Menschen, der auf Wissen setzt. Auf ein Wissen, das ihn fürs restliche Leben begleiten wird. Und damit zum Leben selbst wird, was der Junge noch nicht versteht, aber tief drinnen schon spürt.
In den Aufzeichnungen bin ich zurzeit in 1999, dem 22. Februar, an dem ich als CEO der DMT entlassen wurde. Faszinierend, wie ich diesen Einschnitt sprachlich verarbeitet habe. Gut, dass ich immer das Schreiben in der Hinterhand hatte, es hat mich durch eine Reihe von tiefen Tälern geführt. Bis ich zum Schriftsteller wurde? Oder doch nur zum Schreibenden, was immer der Unterschied sein mag.