Aus Kerlchens Tagebuch - Felicitas Rose - E-Book

Aus Kerlchens Tagebuch E-Book

Felicitas Rose

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Beschreibung

Der erste Band der Streiche von Roses humoristischer Heldin "Kerlchen". Ihr Leben verbrachte Felicitas Rose an wechselnden Orten vor allem in Nord- und in Mitteldeutschland;

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Aus Kerlchens Tagebuch.

Felicitas Rose

Inhalt:

Felicitas Rose – Biografie und Biografie

Aus Kerlchens Tagebuch.

Aus Kerlchens Tagebuch., F. Rose

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849634100

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Felicitas Rose – Biografie und Biografie

Deutsche Schriftstellerin, geboren am 31. Juli 1862 in Arnsberg, verstorben am 18. Juni 1938 in Müden (Örtze). Eigentlich Rosa Caroline Mathilde Emma Schliewen. Tochter eines Postbediensteten, der oft den Wohnort wechseln musste (u.a. Potsdam, Erfurt, Leipzig und Berlin). 1884 heiratet sie ebenfalls einen Angestellten der Post. Von 1914 bis 1930 lebte sie hauptsächlich in Berlin. 1930 zieht sie nach Müden, wo sie das „Haus Ginsterbusch“ gekauft hatte und gleichzeitig im Hotel "Kaiserhof" wohnte.

Wichtige Werke:

Die Eiks von Eichen (1910)Drohnen (1912)Pastor Verden (1912)Meerkönigs Haus (1917)Das Lyzeum in Birkholz (1917)Der Mutterhof (1918)Der Tisch der Rasmussens (1920)Der graue Alltag und sein Licht (1922)Erlenkamp Erben (1924)Die Erbschmiede (1926)Der hillige Ginsterbusch (1928)Die Wengelohs (1929)Das Haus mit den grünen Fensterläden (1930)Die vom Sunderhof (1932)Wien Sleef, der Knecht (1933)Die jungen Eulenrieds (1937)

Aus Kerlchens Tagebuch.

I.

Buchenwalde im Februar.

»In meiner Heimat, da wird es jetzt Frühling!«

Fritz schreibt, daß in Thüringen schon dicke Knospen an den Sträuchern sind, daß ganz Rotbach an seinem Festgewande arbeitet, – zum Einzuge der Herrin. Der närrische Friedel! Er hält immer noch daran fest, daß unsere Hochzeit im Mai sein soll, trotzdem wir alle ihn schon längst überzeugt davon glaubten, daß sie erst im Oktober sein kann. Aber Fritz tut, als ob der Oktober im Monde läge und alle fünf Jahre einmal herunterstiege, während mir die Zeit, die noch bis dahin liegt, riesig knapp vorkommt. Denn ich bin ja noch urdumm und muß noch rasend viel lernen, sonst dreht schließlich mein Fritz noch vor dem Standesamt um.

Bis jetzt sind wir ja wenig beisammen gewesen, da hat er's nicht so gemerkt, ich glaube, er meint, ich bin ein ganz vollkommener Engel, dem eben nur gerade die Flügel fehlen. Aber es juckt mich kein Bißchen an den Schultern, und so werden die Flügel auch wohl niemals kommen, fürchte ich.

Ich bin nun in Buchenwalde, um zu lernen, Aussteuer zu nähen, Kochen und Einmachen intus zu bekommen, die Landwirtschaft gründlich zu studieren (weshalb Onkel einstweilen mächtige Fuhren Dünger in der Nähe meines Zimmers hat auffahren lassen), kurz, um eine vollendete Hausfrau zu werden.

Mein Fritz hat zwar den unberechtigten Ausspruch getan: »Kerlchen kann alles«, aber da hatte er bei den Buchenwaldern, die alle durch die Bank so tüchtig sind, in ein Wespennest gestochen, und als Tante Hedwig sich zu 'ner Reichstagsrede rüstete, da gab er Fersengeld und ließ seinen armen Kerl in einem Berg von Leinwand und Wirtschaftssorgen zurück. So sind die Männer.

Allerdings, als er mich einmal so eifrig Namen sticken sah, da muckte er auf und wurde in der Folge etwas rasend. Ich solle nicht so gequält werden, rief er, ich solle sein Sonnenscheinchen sein und weiter nichts. Er kann überhaupt furchtbar heftig werden, und wenn wir beiden Hitzköpfe erst zusammen hausen, könnten unsere leichteren Möbel und Haushaltungsgegenstände wohl etwas ruiniert werden.

Fritz behauptete, die Beschaffung der Aussteuer sei seine Sache, ich solle in das fertige Nestchen kommen und alles, alles von ihm annehmen.

Aber das kann ich nicht. Das will ich nicht! Ich will meine Leibwäsche allein beschaffen und will mein Stübchen, meine kleine, liebe, eigene Bude mitbringen, es soll genau so aussehen, wie meine Schwarzhausener Bude. Und mein eigenes geliebtes Feldbett wird schön neu zurecht gemacht, oh, ich bin ja gar nicht so arm, meine Muusch hat mein Sparkassenbuch nicht angerührt, da sind die größten Summen drin, die Stundengelder vom alten Johannsen, dann noch etwas von Onkel Liskow und – kurz – Fritz soll nicht alles beschaffen.

Er läßt ja Rumohr und Rotbach schon von Kopf bis zu Fuß einrichten, besonders Rotbach entsteht ganz neu nach dem Brande und dort in unserm Thüringen werden wir hauptsächlich wohnen.

Ich hab' das Herrenhaus selbst zeichnen dürfen, ein weißes schlichtes Haus mit großen Fenstern und acht Säulen und einer Riesenterrasse.

Wunderbar hat der Baumeister den alten, vom Brande verschont gebliebenen Teil des Schlosses ausgebaut und erneuert, das ist jetzt so ein recht liebes, trautes, efeuumranktes Nestchen geworden, darin will mein Muttchen hausen, mein geliebtes.

An alles hat Fritz gedacht und zarte, liebe Überraschungen ausgesonnen, er ist so groß und gut, mein Muttchen hat immer helle Tränen in den Augen, wenn sie mit ihm spricht und kann nur ja und amen zu all seinen Plänen sagen.

Nur was die Aussteuer betrifft, da denkt sie, wie ich. Onkel Waldemar sagt: »Ihr habt so 'ne verdammte Art, den Kopf zurückzuwerfen und dann kommt der ›Schliedensche Tück‹ hoch.« Mag sein! – Er hat ihn ja selbst, den Schliedenschen Tück.

Fritz schenkt so beinahe alles, selbst das Brautkleid wird, nach Thüringer Sitte, seine Gabe sein.

Die Cousinen möchten natürlich, daß wir in Rumohr wohnten, aber Rotbach ist größer und braucht den Herrn mehr, doch hat mir Fritz gesagt, daß wir im Winter nach Rumohr ziehen und dann den herrlichsten Schlittenverkehr mit Buchenwalde pflegen wollen.

Augenblicklich ist Fritz in Rotbach und hat viel zu tun, schreibt aber trotzdem jeden Tag. Er sehnt sich tot nach mir, wie er behauptet, während ich – –

Doch – doch, – ich sehne mich ja auch, – o unsäglich bange ich mich nach ihm – hier kann ichs ja ruhig niederschreiben, aber – ich kanns nicht so sagen, ich kann es nicht und ich will es nicht ...

Wenn Fritz kommt – – dann ist er wie ein Sturmwind. Nur für ihn soll ich da sein, alles andere beiseite setzen, er ist unbeschreiblich zärtlich, stürmisch – – – o – ich – ich finde, er ist sehr gut in Rotbach aufgehoben, man kann viel mehr tun und so schön fleißig sein, wenn er fort ist.

Auch bin ich doch nicht so unausgesetzt den Neckereien der Walküren unterworfen, als wenn er da ist.

Es ist merkwürdig, welch feinen Geruchsinn sie haben müssen, denn sobald Fritz sich anmeldet, melden sich sicher auch die Drei an, oder wenigstens Munke erscheint plötzlich zu Pferde und tut nie sonderlich überrascht, ihn vorzufinden.

Ich bin auch überzeugt, daß sie dann über jede unserer Handlungen Protokoll führt, denn die Walküren rechnen mir später immer jeden Kuß vor.

Aber prächtige Menschen sind's doch und wie sie sich über meine Verlobung gefreut haben, das ist einfach unbeschreiblich.

Fritz hat sich auch ihre schriftlichen Glückwünsche aufgehoben; sie waren so, – wie die Walküren eben sind.

Bümi schrieb: »Na habt Ihr Euch endlich? So sei denn das Schicksal gelobt, getutet, geblasen, gepfiffen und getrommelt. Ihr habt Euch! Kerlchen, ich muß Euch zusammen sehen. Küßt er viel? O Kerlchen, es muß so zum Radschlagen sein, Dich in seinen Armen zu sehen. Spreizt Du noch alle zehn Finger auseinander und bekommst Du eine eiskalte Stirn, wenn er anrückt? Wie Du es früher bei jeglichem Männlein und Weiblein machtest? Oder hast Du Dich furchtbar verändert? Ich gehe unter vor Neugier, aber wundern solls mich nicht, wenn er Dich »bei klein« auffuttert, Du süßes Kerleleini. Nur Einer trauert und das ist – – Franz! –

Franz, mein angetrauter Ehemann. Er gönnt Dich dem Rumohr nicht, er gönnt Dich überhaupt niemand.

Einen schwarzen Flor hat er sich um die große Zehe getan und seinen Patienten verschreibt er nur noch schwarze Arznei. Es ist ein Kreuz mit ihm. Komm nur bald nach Buchenwalde, hörst Du?

Und melde es uns, wenn Du dort bist, ich muß Dich sehen! Und Fritz von Rumohr muß mir 'n Kuß geben. Ich bestehe darauf. Du bist so gut, wie unsere vierte Schwester, ergo ist er unser Bruder, und ich denke mir, er küßt famos. Also bereite ihn schonend vor.

Und nun, liebes, liebes Kerlchen – – sieh das war alles toller Unsinn, was ich oben gesagt.

Du bist Braut, Kerlchen, – glückseliges Kerlchen! Gottes Segen über Dich! Wie stolz muß der Mann sein, dem Du Deine erste, reine, heilige Liebe schenkst.

Glückauf Kerlchen, Glückauf und innige Segenswünsche von Deiner getreuen

Bümi.«

Nachschrift: Verzeihen Sie meiner kleinen Frau, – liebes, verehrtes Kerlchen, – sie weiß manchmal nicht recht, was sie tut, aber ihre letzten Sätze haben vieles wieder gut gemacht, nicht wahr? – Daß ich Ihnen das reichste, vollste Glück wünsche, wissen Sie, und wo sollten Sie es eher finden, als an der Seite dieses Edelmenschen, als den wir alle Fritz von Rumohr schätzen. Glückauf!

Mit treuem Gruß und Handschlag Ihr ergebener Schirmer.«

Und richtig, – als unsere Verlobung durch ein Diner in Buchenwalde gefeiert wurde, wobei die Walküren mit Kind und Kegel versammelt waren, bestand Bümi auf ihrem Kuß von Fritz, und als sie ihn endlich hatte, verdrehte sie die Augen, als ob es wirklich was Außergewöhnliches, Herrliches gewesen wäre. Närrische Bümi!

*

Briefe und Telegramme kamen in Unmengen, – – selbst ein Handschreiben von Tante Emerenzia lief ein, – ich bin wieder in Gnaden aufgenommen, denn – die Fürstin Mutter will mich sehen, Fritz soll mich und sich vorstellen, sobald wir vermählt sind, denn jetzt ist die Fürstin noch in Italien.

Sie sandte mir, »der alten Spielkameradin« ein wunderschönes Bild von Li, meinem alten Li, den ich nie, nie vergessen kann. Es soll den Ehrenplatz in unsern Zimmern haben, sagt Fritz.

Aber von all den Briefen der liebste ist mir doch wieder der von meinem ältesten Freunde, dem Schlachter Krone:

»Edelgeborene Jungfrau und Braut!

»Die schönste Zeit, das ist die Liebe Die schönste Jungfrau ist 'ne Braut Mit ihres Herzens heißem Triebe Hat sie den Jüngling angeschaut.«

Diese schönen und edelen Worte rufe ich Ihnen heute zu und allen Ihren Festgenossen.

Ihre Verlobungsanzeige war mir eine Ehre ohne Gleichen und hängt jetzt neben dem Ehrendiplom, was ich an der letzten Mastviehausstellung für meinen preisgekrönten Ochsen bekam.

Vivat sequens sagen die alten Griechen. Was habe ich mir den Kopf zerbrochen mit meine Alte, wen wohl unser allerwertestes Kerlchen einmal beehren würde und ist uns nun so erfreulich kund geworden durch den hochwohlgeborenen Antrag des Herrn von Rumohr.

Sagte ich gleich in heftiger und edler Gemütsbewegung zu meiner Frau:

»Da hat endlich mal der richtige Topp auch den richtigen Deckel gekriegt!«

Und bitte ich meinen untertänigsten Glückwunsch auch der Frau Oberst vor die Füße zu legen zu dürfen, wo an dieser guten und edelen Frau der Herr Bräutigam erkennen werden, daß die Schwiegermutter nicht immer Deubels Unterfutter ist, sondern 'ne gemeine Redensart. Mit diesem Wunsche schließe ich meine Fürbitte und meine Frau auch.

Krone, ganz ergebenster Schlachtermeister.« Die Buchenwalder saßen am Kaffeetisch.

Der Gutsherr schmauchte ein Pfeifchen, der Duft des Varinas mischte sich mit dem des frischen Kaffees und der blühenden Hyazinthen am Fenster.

»Urgemütlich«, sagte Kerlchen und ließ seine Augen fröhlich-liebevoll über die Tafelrunde gleiten. Onkel Waldemar zog die Stirne kraus:

»Jawohl, urgemütlich, – aber du willst fort.«

»Ach du liebe Zeit, bis zum Oktober sind's ja noch Ewigkeiten, wer wird denn jetzt schon daran denken!« lachte Kerlchen.

»Ich!« brummte der Gutsherr. »Unentwegt denke ich daran und die andern auch, nur der Rumohr, dieser Gauner lacht sich ins Fäustchen.«

»Gauner« ist sehr treffend,« trumpfte Bümi auf, die einmal wieder Urlaub von ihrem Doktor erbettelt hatte und seit gestern bei den Eltern weilte. »Aber guckt euch mal unser Kerlelein an, wie unvernünftig glücklich es aussieht und wie gern es sich stehlen läßt.«

Kerlchen faßte die Hand ihrer Mutter.

»Muusch geht ja mit, und ihr besucht uns oft, und im Winter kommen wir nach Schleswig-Holstein.« »So? Als ob dein Othello es erlauben würde, daß wir dich ›oft‹ besuchen! Ins Burgverließ würde er uns werfen, ›da Molch und Uhu hausen‹. Aber seht, da kommt die Post, natürlich ist wieder ein Doppelbrief vom ›Schreibkrampf‹ da, daher auch die ungeheuren Einnahmen der Reichspost.«

»Wie das klingt! ›Schreibkrampf!‹ begehrte Kerlchen auf, nahm aber dann errötend und strahlend den dicken Brief in Empfang, mit dem sie sofort ihr Zimmerchen, den ›Parnaß‹, aufsuchte.

Bümi raste hinterher, fand aber verschlossene Türen, an denen sie eine Weile planlos bollerte, um sich dann sehr gekränkt wieder zurückzuziehen.

Brief von Fritz von Rumohr an Kerlchen.

»Mein Einziges!

Die Stunden schleichen, trotzdem sie voll frischer, fröhlicher Arbeit sind, Du fehlst mir überall, mein liebes Lieb!

Dazu dieses häßliche, naßkalte Wetter, das die Bestellung der Felder so erschwert und uns auch am Bauen sehr hinderlich ist.

Bis Mai werden wir natürlich nicht fertig, ich habe deshalb angeordnet, daß wir vorläufig in Rumohr wohnen, was bei den Walküren wohl etliche Freudensprünge zur Folge haben wird und sie gewiß vollständig versöhnt mit mir, wenn ich gegen ihren Willen mein geliebtes Kerlchen schon im Frühjahr zu mir hole.

Natürlich zeige ich Dir erst mal die schöne Welt, ehe wir uns seßhaft in Rumohr machen, ich will Dich außerdem für mich allein haben, ganz »leinileini«, wie ich als Kind immer sagte, woraus Du siehst, daß Du Dir einen schauerlichen Egoisten aufgehalst hast.

Kerlchen, wie hab' ich Dich lieb! Von Urbeginn an bist Du mein gewesen! Ich sehe Dich immer noch im schwarzen Kleidchen vor dem Altar der alten Schwarzhausener Kirche knieen am Tage Deiner Konfirmation, sehe die Sonne auf Deinem Lockenkopf spielen und ein Strahlenkränzchen um Dich weben.

Seitdem schrittest Du immer, immer an meiner Seite, nur mir sichtbar, als mein guter Engel, mein Heiliges!

Ich küsse Dich zärtlich, mein Herzensliebling, komm, lege Dein Köpfchen an meine Schulter, bist Du nun in Deiner treuen, starken, warmen Heimat, mein Kerlchen?

Schicke mir einen langen Schreibebrief. Du mußt bedenken, daß Deine große, energische Schrift gar zu rasch eine Seite ausfüllt und daß Dein einsamer Schatz immer mit tiefem, schmerzlichem Seufzer Dein Brieflein aus der Hand legt. Aber dieses Langen und Bangen hat nun, will's Gott, bald ein Ende, – im Mai, im schönen Maien hab' i viel noch im Sinn! Kerlchen – ich sehne mich nach Dir und küsse Dich im Geiste zärtlich – stürmisch, leb' wohl, leb' wohl Du mein Einziges!

Dein Rumohr.«

Antwortbrief von Kerlchen.

»Lieber Fritz!

Es geht wirklich nicht. Das mit dem Mai, meine ich. Es wäre furchtbar gut von Dir, wenn Du es endlich einsehen möchtest. Sieh' mal, ich bin auch noch so namenlos dumm in allem, Du weißt es nur nicht so.

Und keiner von Deinen Leuten würde Respekt vor mir haben und das willst Du doch, Du hast es mir selbst gesagt. Aber bis zum Oktober wird der Respekt schon kommen, bis dahin lerne ich noch einen Haufen.

Du fragst mich immer und immerlos, ob ich Dich lieb habe, aber ich glaube, ich hab' es Dir schon dreimal gesagt und auch einmal geschrieben.

So etwas Wichtiges mußt Du nicht so rasch vergessen.

Jetzt lerne ich das Kochen. Ich brauche es ja leider nicht, wenn ich Deine Frau bin, aber Tante Hedwig sagt: »Wer nie gehorchen lernte, der kann auch nicht befehlen,« und das bezieht sie auch aufs Kochen.

Ich muß Dich nun rasch fragen, ob wir später immer »fein« essen, wie es z. B. die Altenhofer taten, oder ob wir so gemütlich schmausen, wie Dr. Schirmers. Mir schmeckt dort immer alles so gut, aber Bümi meint, Du würdest Dich für »Leuteessen« bedanken.

Du liebe Zeit, wir sind doch auch »Leute«.

Ich frage nämlich deshalb, weil ich so ein einfaches Menü wie: »Kartoffelsuppe, grüne Bohnen und Schweinskoteletten« schon fein herrichten kann. Die Suppe neulich war eine Idee zu dünn und länglich, auch hatte ich das Salz vergessen, die Bohnen schmeckten köstlich, nur zogen sich die Leutchen immer die langen Fäden aus den Zähnen, und die Kotelettes waren ein bißchen zu schwarz gebrannt, aber sonst, wie gesagt – alles tadellos.

Bümi sagte, ich sollte Dir dieses Essen nicht eher bereiten, ehe nicht das Standesamt sein Wort gesprochen, aber sie hat immer solche Ideen.

Neulich war hier Besuch.

Graf Liburg hatte sich mit einigen Rittergutsbesitzern der Umgegend angemeldet, um Onkels neu eingerichtete Ställe zu besehen.

Es ist ja alles so hochfein jetzt bei uns; seit Ohmchen die Mittel hat, kann er seinen philanthropischen Gelüsten ordentlich frönen, die schöne Bletz, unsere beste Milchkuh, hat einen feineren Salon als Tante Hedwig, wenigstens nach meinen »Kerlchenbegriffen«, wie Bümi sagt.

Aber Du wirst mir sicher Recht geben, denn Tante Hedwig besprengt ihr Zimmer täglich mit dem gräßlichen »Esbouquet«, was die Bleß nicht tut.

Aber ich wollte Dir von unserm Besuch erzählen, er war wirklich sehr interessant.

Tante Hedwig war in ihrem ff, hatte ein Menü aufgestellt, an dem sich meiner Meinung nach bequem eine Kompagnie Soldaten satt essen konnte und ich, ich sollte kochen. Ich, Kerlchen!

Ich tat mir eine Riesenschürze um, denn das gibt schon von vornherein 'ne gewisse Würde, Mutund Beruhigung.

Ich sollte also kochen:

Legierte Suppe mit Grießschnitten, Kaviar mit Blinis, Filets von Zander mit Kräutersauce, Roastbeaf, Stangenspargel mit Croquettes von Kalbsmilch, Farcierter Puter mit Champignons, Mayonnaise von Lachs, Rehbraten, Rosenkohl mit Semmelcroutons, Plumpudding, Marasquinocreme, Vanilleeis.

Ha, und dann noch die Saläter und Kompötter!

Aber ich wußte alles und lief in meiner großen Schürze seelenvergnügt unten in die Küche.

Die Obermamsell und die zweite Köchin hörten mich gar nicht, die saßen tief gebeugt über ein Buch, aus dem sie sich vorlasen. Erst als ich ganz nahe stand, fuhren sie erschrocken auf und klappten das Buch zu.

»Es ist 'ne Gemeinheit,« sagte die Obermamsell, aber sie meinte mich nicht, sondern die russische Gräfin in der Geschichte. Stina Hansohm ist gut Freund mit mir, überhaupt das ganze Küchenpersonal, und sie freuten sich diebisch, daß ich herunterkam.

Nur über das Kochen schüttelte die Obermamsell sehr den Kopf, weil es doch gerade so sehr darauf ankam.

»Gnädiges Fräulein sollten gewiß man en bißchen zugucken und sehen, wie's gemacht wird,« meinte sie zweifelnd.

»I wo,« beharrte ich. »Ich habe die ganze Speisenfolge gestern auswendig gelernt, und wie jedes einzelne Gericht zubereitet wird, ich kann es am Schnürchen.«

»Ach, Du liebe Zeit,« meinte Stina Hansohm, »das ist so Bücherweisheit, – gnädiges Fräulein müßten erst so'n Diner mindestens einmal allein gekocht haben, ehe Sie's verstehen.«

»Na, merken Sie auf, Stina,« sagte ich.

»Zuerst kommt Kaviar mit Blinis. Kaviar ist ja Gott sei Dank von Natur schon fertig, nun die Blinis': Also – – – Kalbsmilch, welche wie in Nr. 402 gereinigt, gar gekocht und abgekühlt ist, schneide man in kleine Würfel und verfahre weiter damit, wie mit dem Hühnerfleisch in Nr. 282 – – – «

»Ach, gnädiges Fräulein, das gibt ja Croquettes von Kalbsmilch, wenn's fertig ist,« jammerte Stina, »und die haben wir ja erst zum Spargel, o, o, o, wenn Se nur nich ›theorätsch‹ sein möchten, sondern ›praktsch‹«.

Ich war natürlich sehr betippert, denn wenn ich nun auch ebenso rasch die richtigen Blinis herunterrebbelte, so hatte ich mich doch sehr blamiert.

»Wissen Sie was, gnädiges Fräulein,« fing jetzt Stina wieder an, »Sie bleiben ruhig hier in der Küche, ich bin ja doch vors Kochen da und krieg meinen guten Lohn, ich glaube immer, die gnädige Frau hats nicht so bös gemeint, als sie sagte, Sie sollten kochen, und da hätten ich und die Nora und die Fite 'ne große Bitte: Wir sind an so'ner spannenden Stelle in unserer Geschichte, gerade eben hat die elende Gräfin die bildschöne Kuhmagd in ein Fallgatter geschmissen und der Graf kam dazu, aber da mußten wir 's Buch zuklappen. Wenn Sie uns nun vorlesen möchten – – –«

Na und siehst du, Friedel, das tat ich denn auch und las ihnen vor, es war aber Blödsinn.

Gegen Mittag kam Tante Hedwig plötzlich heruntergestürzt mit schreckenerfülltem Gesicht, ich wurde glühend rot und glaubte, sie würde arg schelten, aber sie schrie mit einem Erleichterungsseufzer: »Dem Himmel sei Dank, ich glaubte schon, du kochtest. Es war ja nur Scherz, aber Waldemar meinte, du seist imstande und führtest ihn aus. Das Fräulein hat doch nichts angerührt?« wendete sie sich noch ängstlich an Stina, und diese versicherte: »Bewahre, – ich weiß schon Bescheid.«

Beinahe wäre ich empfindlich geworden, aber Tante Hedwig merkte wohl, was in mir vorging, und sagte gütig: »Einziges Kerlchen, du mußt den Tisch schmücken und deine reizend gemalten Kärtchen auflegen, der Gärtner hat sich in den Finger geschnitten und ist vorläufig unbrauchbar. Auch den Wachsbohnen- und Gurkensalat kannst du bereiten, denn so wie Kerlchen versteht das niemand.«

Damit entschwand sie wieder aus der Küche, und ich las die Geschichte schnell fertig, denn es war ein graulicher Schluß, sie lagen schließlich alle tot im Fallgatter, nur der edle Graf und die Kuhmagd kriegten sich lebendig.

Als wir später bei Tisch saßen, wollte es ein merkwürdiges Geschick, daß gerade die Schmückung des Tisches, die ich mit Efeu und Vogelbeeren bewerkstelligt hatte, Aufsehen erregten, ebenso die Tischkarten, und als Graf Liburg von dem ganzen köstlichen Diner nur den Bohnen- und Gurkensalat rühmend erwähnte und gegen Tante das Glas hob, hieß es: »Das alles ist Felicitas' Werk.«

Na, da guckten sie nicht schlecht und Baron Biestorp, ein wirklich greulicher Mensch, der neben mir saß, verzog seinen ohnehin großen Mund zu breitem Grinsen und sagte flüsternd: »Gnädiges Fräulein können also alles, – ›bezaubern‹ und ›Hausfrau sein‹, welch' eine ›bezaubernde Hausfrau‹ werden Sie einmal abgeben.«

Ich glaubte doch natürlich, er spielte auf Dich an, denn ich ahnte ja nicht, daß das Greul nichts von unserer Verlobung wußte. (Der Diamantring sieht auch so gar nicht verlobt aus.) Deshalb schrie ich laut über die Tafelrunde weg, denn ich ärgerte mich, daß er geflüstert hatte:

»Ach ja, mein Mann wird hoffentlich sehr glücklich.«