Kerlchens Flitterwochen - Felicitas Rose - E-Book

Kerlchens Flitterwochen E-Book

Felicitas Rose

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Beschreibung

Wie es im Leben von Kerlchen weitergeht ... »Mist ist die Seele des Landwirts«. Soweit bin ich gekommen, seit ich verheiratet bin. Mein Fritz hat mir dieses neue, liebe Buch geschenkt, nachdem er über mein altes Tagebuch halb närrisch geworden ist, gelacht und geweint hat er beim Lesen. Und dann brachte er mir dieses wundervoll eingebundene Exemplar mit, auf dem mit Goldlettern: »Felicitas von Rumohr-Rotbach« steht, ich sollte mich auf ein passendes Motto besinnen und dann fortfahren, so »wunderlieb« zu schreiben, wie Fritz sagte. Das Motto zu finden, wäre das Schwerste, dachte ich zunächst, aber als ich erst ein paar Wochen verheiratet und tagtäglich mit meinem Fritz und unserm alten Inspektor zusammen war, da hatte ich mein Motto mit einemmal. ...

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Kerlchens Flitterwochen

Kerlchens FlitterwochenKerlchens FlitterwochenImpressum

Kerlchens Flitterwochen

Aus der Romanreihe "Kerlchen" – Band 8

Felicitas Rose

Kerlchens Flitterwochen

Aus Kerlchens Tagebuch

»Mist ist die Seele des Landwirts«.

Soweit bin ich gekommen, seit ich verheiratet bin.

Mein Fritz hat mir dieses neue, liebe Buch geschenkt, nachdem er über mein altes Tagebuch halb närrisch geworden ist, gelacht und geweint hat er beim Lesen.

Und dann brachte er mir dieses wundervoll eingebundene Exemplar mit, auf dem mit Goldlettern: »Felicitas von Rumohr-Rotbach« steht, ich sollte mich auf ein passendes Motto besinnen und dann fortfahren, so »wunderlieb« zu schreiben, wie Fritz sagte.

Das Motto zu finden, wäre das Schwerste, dachte ich zunächst, aber als ich erst ein paar Wochen verheiratet und tagtäglich mit meinem Fritz und unserm alten Inspektor zusammen war, da hatte ich mein Motto mit einemmal.

Vorher riet mir Fritz, ein Preisausschreiben zu machen, wie es viele Zeitschriften tun, und stiftete mir dazu eine schöne, fette Gans.

Bümi fand die Gans anzüglich, schickte aber doch ein Motto, ein recht dummes:

»Alles läßt sich ertragen,nur nicht eine Reihe von guten Tagen!«

Goethe hat's gesagt, und der ist nie »Stütze, Anstandsdame, Erzieher oder Sektbrecher« gewesen.

Dann schickte Munke einen rechten Gemeinplatz: »Aller Anfang ist schwer,« und Luttewete riet zu unserm Schlieden-Wahlspruch: »Nunquam retrorsum«.

Onkel Rumohr schlug vor: »Geld ist Mist, und Mist ist Dung, und Geld ist der Dung ehelichen Glückes.«

Aber da rümpfte ich meine Stumpfnase, nicht des Mistes, sondern des Geldes wegen, und Fritz sagte, ich sähe ganz unglücklich aus. Als ich am Abend mein Tagebuch aufschlug, hatte mein Fritz mit Bleistift ganz fein als Motto hingeschrieben: »Liebe ist der Inbegriff, auf das andre pfeif' ich.«

Da erteilte ich ihm den Preis zu, und er bekam die Gans noch am selben Mittag gebraten. Als dann aber die Frühjahrsbestellung der Felder kam, fiel mir mein Motto wie eine Offenbarung zu: »Mist ist die Seele des Landwirts«, und Fritz gabmirden Preis.

Fritz sagt, ein Minister dürfe nicht zimperlich sein, vollends ein Landwirtschaftsminister nicht, und der bin ich jetzt.

Ich durfte mir als Preis etwas wünschen, und da wünschte ich mir, für jedes meiner Lieben ein Kistchen »mit Liebe« packen zu dürfen, und das erlaubte Fritz mit Wonne. Bümi und Luttewete bekamen alles Mögliche aus Hof und Haus, eine Gans, Hühnchen, Tauben, einen Schinken und Selbstgebackenes.

Für Munke plünderte ich das Gewächshaus, sie liebt so sehr frische Blumen, Erich bekam ein Wurstkistchen, und den Kindern vom Pfarrer Richter schickte ich eine ganze Fracht schöner Spielwaren.

Ach, wie ist Geben doch seliger als Nehmen! Aber das Nehmen ist auch herrlich, und ich nehme so gern alles von meinem Fritz.

Wie ist er gut zu mir!

Wenn er mich ansieht mit seinen schönen, dunkeln, sprühenden Augen, dann bringe ich gewöhnlich kein gescheites Wörtchen heraus, erst wenn mein Kopf an seiner Schulter liegt, dann erzähle ich ihm lange Geschichten, oder vielmehr seinem Halskragen und habe Mut für zwei.

Aber es ist doch gut, daß ich außerdem mein Tagebuch habe und alles schriftlich niederlegen kann, denn wenn ich tot bin, müssen meine zukünftigen vierundzwanzig Kinder doch nachlesen können, wie glücklich ich war, und das sage ich euch, meine geliebten Vierundzwanzig:

»Euer Vater ist eineinzigerMensch und der beste weit und breit, landauf und landab.«

Ich bin jetzt schon fünf Monate verheiratet.

Wie die Zeit vergeht!

Der Mensch wird alt und klapprig!

Was hab' ich in diesen fünf Monaten alles erlebt!

Da glaubte ich, Wunder wie gescheit auf Großmutter Tönningsens Hofe droben in der Marsch geworden zu sein und – o – auf Schritt und Tritt ertappe ich mich auf der größten Unwissenheit.

Freilich, mein Fritz ist so ritterlich, das nicht gelten zu lassen, und wenn ich mich anklage, dann sagt er: »Du und dumm? Ein dreimal gescheites Prachtkerlchen bist du!«

Aber der alte Oberknecht, der schon auf dem Gute geboren ist, und dessen Liebling ich bin, der widerspricht mir nie, sondern streichelt meine Hand, wenn ich über mich selbst jammere, und sagt ernst, aber liebevoll:

»Gnä' Frau haben ganz recht, gnä' Frau sindsaudumm.«

Nun habe ich mir eine Menge landwirtschaftlicher Bücher angeschafft und studiere mächtig drauf los, manchmal schlafe ich auch drüber ein, o weh, und dann schilt mein Fritz, – tüchtig schilt er.

Nicht über das Schlafen. Gott bewahre!

»Mir sollen die lieben Augen noch ein ganzes, langes Leben leuchten,« sagt er, »und sie sollen nicht überanstrengt werden, weg mit den Büchern!«

Und dann küßt er meine Augen, so zärtlich, erst das rechte und dann das linke, immer abwechselnd, und tut so, als ob wirkliche Heilkraft in seinem schwarzen Bart steckte. –

Na, sie steckt auch drin, ich kann dann immer gleich noch einmal so gut sehen.

Aber unsere Nachbarin, die Frau von Marliß, imponiert mir doch sehr, die redet nur so von »Graswirtschaft, Waldbrand-Hackwirtschaft, Moorbrandwirtschaft und Dreifelderwirtschaft«, und wenn ich dann atemlos lausche und zwischendurch innerlich meinen armen Fritz bedaure, daß er dieses kluge Weib nicht errungen hat, dann lacht er so heimlich und plinkt mir zu und hinterher sagt er:

»Kerlelein, Gott soll mich bewahren, das ist Renommierlandwirtschaft, sie quasselt.«

Aber sie muß doch eine Menge davon verstehn, denn sie redet den Herren tüchtig in alles mit hinein, und ich sitze dabei wie Trumpf sechs, denn das Kleinviehzeug, Hühner, Enten, Tauben interessiert die Mannsleute wieder nicht, und Frau von Marliß macht auch ein verächtliches Gesicht, wenn dieses Thema aufs Tapet kommt, und sagt »phhh!«

»Phhh« ist ja nun eigentlichmeinLeibwort, man kann eine ganze Skala von Empfindungen damit ausdrücken, aber winzige Kücken, die wie gelbe Kügelchen im Hofe umher rollen sind doch wahrhaftig nicht »phhh!«

Und nun muß ich erst mal rasch aufstehen und ganze drei Mark in die Strafkasse tun, denn ich habe eben drei Fremdwörter gebraucht und mein Fritz ist rasend streng, er will diese Unsitte durch die höchsten Strafgelder ausrotten. Ohm Waldemar nahm nur fünf Pfennige.

Neulich hab ich sieben Kücken ausgebrütet, aber zwei sind nur am Leben geblieben, und die wollte die Glucke nicht als die ihren anerkennen.

Das muß eine miserable Mutter gewesen sein. Erst läuft sie von den Eiern weg, und als ich sie mühsam in der Ofenröhre so weit kriege, daß sie platzen, und die süßen Viehzeugelchen herauskommen, da tritt sie mit dem Fuße nach ihnen.

Na, die hab ich aber schön angefahren.

Und nun behielt ich die Kücken bei mir, und als Fritz kam, lag ich auf der Erde mit dem Gesicht nach unten, vor mir lauter klein gehackte hartgekochte Eier, und ich machte es den Kücken vor, wie man frißt.

Unermüdlich stupfte ich mit meinem Mund auf den Boden, wie es die Glucken machen, aber nur drei Kücken begriffen und blieben leben.

Als Fritz zum Frühstück ins Eßzimmer kam, blieb er erschrocken stehen, und nach seinem Gesicht zu urteilen, war er wohl der Meinung, das Glück hätte mich um mein bißchen Verstand gebracht, aber dann, als ich ihm alles erklärte, war er so gerührt, so – na, ich kann's doch nicht ordentlich schildern, wie er in solchen Augenblicken zärtlich ist und mich halbtot küßt, jedenfalls rief und sprach und flüsterte er nichts anderes, als: »Kerlchen, du bist ein Engel.«

Und gerade bei dieser anfechtbaren Behauptung verträgt er keinen Widerspruch.

Frau von Marliß lachte mich tüchtig aus, als Fritz mich als »Glucke« vorstellte.

»Sie sind ein Schwärmerchen,« sagte sie, »aber eine rationelle Landwirtin werden Sie nie!«

»Rationell« ist ihr Stichwort und Fritz kann sie nicht in Strafe nehmen.

»Ich will auch >rationell< werden,« sagte ich kriegerisch.

»Na, dann werd's nur,« lachte Fritz.

»Ja, ich weiß aber nicht, was es ist,« bekannte ich beschämt.

Fritz lachte mich aus, nannte mich ein Erzgeneraldümmerchen, küßte mich stürmisch und ließ mich dann eine Mark fürs Fremdwort berappen.

So ist er.

Von Frau von Marliß behauptet er, sie könnte keinen – – nein, ich will's doch lieber für mich behalten,wassie nicht unterscheiden kann, Landwirtschaft ist manchmal komisch.

Vom Fahren und Reiten versteht sie jedenfalls nichts, das hab ich gestern zu meinem Schrecken und Ärger erfahren müssen.

Ich hatte erst vor kurzem ein paar neue Pferde eingefahren, und Fritz und mir parieren sie wie die Lämmer, sobald aber ein anderer die Zügel führt: alle ist's – sie spüren's. Wir hatten Tischgäste gehabt und nach dem Kaffee, der gleich nach dem Essen gereicht wurde, fuhren wir ein bißchen aus.

Frau von Marliß und ich voraus mit den neuen Pferden vor dem leichten Gig, ich fahre zu gern damit – Muttchen mit der alten Frau von Marliß, der »Schwiegermutter«, wie sie allgemein heißt, hinterher, und dann kamen zu Pferde mein Fritz auf seinem Kismet, begleitet von unserm großen, schönen Bernhardiner Ajax, dann unser Volontär Herr Albrecht und Herr von Marliß.

Wir fuhren nur ein Stündchen weit bis Rosenfeld, wo uns der biedere Förster Bauer einen wundervollen Imbiß, bestehend aus Buttermilch, Schinken und Eiern zurechtgestellt hatte, seine sechs Kinder liefen mit leuchtenden Augen zwischen uns herum, und nicht lange dauerte es, so saßen Dorettchen, Emma und Lise im Wagen, und Karl, Johannes und Andreas auf den Pferden.

Frau von Marliß kann Kinder nicht ausstehen. Sie wehrte immer mit beiden Armen die kleinen Hände von ihrem Kleide ab und konnte es nicht begreifen, daß ich es litt, daß sich der kleine Andreas im Verlaufe der Sache auf meinen Schoß setzte und sein Köpfchen einmuschelte.

Für mich sind Kinder das Liebste und Schönste, was es nur geben kann.

Ganz schwer wurde mir das Scheiden – und dann ging's heimwärts.

»Geben Sie mir jetzt die Zügel,« forderte Frau von Marliß ziemlich herrisch.

»Noch nicht,« sagte ich bittend. »Ich kenne meine Pappenheimer. Vor dem Wegweiser nach Steinbrücken scheuen sie regelmäßig, die L.... Luder,« wollte ich sagen, und hätte es auch noch vor fünf Monaten gesagt, aber Fritz mag keine Kraftausdrücke im Frauenmunde leiden, und deshalb bezwang ich mich und sagte rasch: »die lllieben Tierchen.«

Fritz als Erzieher. – –

Er merkte es auch gleich, und binnen zwei Vierminuten war er am Kutschenschlag, beugte sich herunter und flüsterte: »Bist selber ein süßes Luderchen!«

Es klang wonnig.

Und ihr seht, meine teuren Vierundzwanzig, wenn zwei dasselbe tun, so ist es eben nicht immer dasselbe. Nur immer auf euern Vater hören.

Frau von Marliß ließ die Unterlippe ein wenig hängen, es ist ihr sicher immer etwas unangenehm, wenn ich an ihrer Fahrkunst zweifle, aber ich dachte, »besser verwahrt, als beklagt,« nickte ihr freundlich zu und fuhr erst mal am Wegweiser vorüber.

Richtig, die Gäule wollten 'naufklettern, aber ich zoppte scharf das Handpferd, und dann ging's »haste nich gesehn« im Galopp vorwärts. Wie der letzte Berg anstieg, wurden die Übermütigen zahm, und nun nahm mir die ungeduldige Frau von Marliß einfach Zügel und Peitsche aus der Hand

»Geben Sie her, Baby,« sagte sie, »ich kann's nicht vertragen, wenn ich untätig sitze.«

Ach, hätte sie sich doch beherrscht!

Scharf ging's wieder bergab, ich sah schon unser liebes »Tannenruh«, wie wir Rotbach so gern nennen, uns entgegenleuchten. – –

»Vorsicht bei der Kurve,« rief ich noch, da schwebten wir auch schon in der Luft und ich landete unsanft neben Frau von Marliß auf einem mächtigen Düngerhaufen, der dampfend am Wege lag.

Die Pferde blieben schnaubend und zitternd stehen, sie hatten über die Stränge geschlagen und ließen sich willig abschirren. Neben dem umgestürzten Wagen lag ein Rad.

Fritz war natürlich sofort neben mir und überzeugte sich, daß wir uns nichts, aber auch gar nichts getan hatten, nur warm eingewühlt hatten wir uns, und Herr von Marliß lachte sich so blau, daß ihn beinahe der Schlag rührte.

»Macht nur, daß ihr fortkommt,« rief ich ärgerlich, denn ich mochte nicht aufstehen und mich von der Rückseite präsentieren, die geradezu furchtbar aussah, wie sich später erwies. Muttchen war einen andern, weniger gefährlichen Weg gefahren und ahnte nichts.

»Die Damen sitzen auf unserer Seele,« höhnte Herr von Marliß noch, und der junge Volontär wollte den Hohn wieder gut machen und meinte treuherzig:

»Vielleicht wachsen sie nun noch.«

Als ein paar Jammergestalten gingen Frau von Marliß und ich heim. Die Herren hatten die Pferde mitgenommen, der Wagen blieb einstweilen liegen. Die Arme hielten wir weit vom Körper ab, ohne ersichtlichen Grund, denn sie waren ebenso eingesielt wie das übrige.

Ins Herrenhaus schlichen wir auf den Zehen, damit uns ja niemand hörte, wohl aber hörten wir Herrn von Marliß singen und fanden es sehr taktlos, daß er geradedasLied für seinen Quetschtenor gewählt hatte:

»Die linden Lüfte sind erwacht,sie säuseln und wehen Tag und Nacht.«

Aber recht hatte er, wir rochen furchtbar.

Meine alte, gute Dorette, die längst und hoffentlich nun für immer aus Schwarzhausen zu uns übergesiedelt ist, saß in dem gemütlichen Stübchen neben meinem Zimmer und stopfte Strümpfe.

»Alle guten Geister loben Gott den Herrn,« rief sie, als wir beiden Eau de mille fleurs-Fläschchen hineinstolperten.

»Rasch ein Bad, liebe Dorette,« flehte ich, und sie betrachtete uns von oben bis unten und brummte: »Dich schickt der gnädige Herr doch noch mal weg, ich seh's schon, und die Frau von Marliß sollten das Kerlchen auch nicht in allen Dummheiten unterstützen.«

Damit trippelte sie hinaus.

»Na, nu wird's Tag!« rief Frau von Marliß und wollte sich aufs Sofa werfen, wurde aber noch rechtzeitig von mir dran verhindert, denn es lag nicht in meiner Absicht, die ganze Wohnung »einzuklarren«. »Sie tut ja grad, als wären wir aus reinem Pläsiervergnügen im Dung spazieren gegangen.«

Ich schwieg und verhielt mich streng abwartend, das beste was ich tun konnte, denn die Situation wurde nachgerade greulich, und das Stübchen roch dermaßen streng nach uns, daß ich Dorettens Wiederkehr ebenso ersehnte, wie fürchtete.

Meine gute, alte Dorette!

Sie tut so, als sei die Zeit, die sie bei uns in Schwarzhausen diente und mein einziges Väterchen noch bei uns war, jetzt wiedergekommen, denn sie respektiert meinen Fritz genau so, wie früher meinen Vater, aber sie tut auch so, als seien die dazwischenliegenden Jahre eitel Traum, und ich noch das kleine, unnütze und fürwitzige Kerlchen.

Sitzt Fritz einmal mit etwas sorgenvollem Gesicht beim Frühstück, weil auf dem Gute nicht alles im Lot ist, so legt Dorette ihm die Hand auf die Schulter und fragt:

»Na, was hat's denn wieder angestellt?«

»'s« bin ich.

Soll ich darüber böse sein? Ach Gott, nein! An Dorettens Schulter ruht sich's gar weich, und ihre runzelige, alte Hand streichelt sanft, wenn ich einmal etwas zu klagen habe, womit ich mein zartes Muttchen nicht behelligen will.

Gute, liebe Dorette!

So ein ganz klein bißchen Respekt hat sie doch auch vor mir und sie zeigt es besonders den übrigen Dienstboten gegenüber, nur geht dieser Respekt nicht so weit, daß sie mich >Sie< nennt, eher würde sie unsern Dienst verlassen.

Und nun zu unserm Bad.

Das war in unglaublich kurzer Zeit fertig, und Frau von Marliß und ich wurden nacheinander von Dorette »abgeschrubbt«.

Nun rochen schon zwei Zimmer »strenge«, und als wir reines Zeug anhatten, sahen wir Unglückswürmer uns kopfschüttelnd an.

»Ich meine, daß da kein Unterschied von vorhin ist,« sagte Dorette, indem sie an uns herumschnüffelte, »die Brühe ist gewiß bis auf die Knochen gegangen. Herunter zu die Herrens können die Damens nicht, das wäre schenierlich für beide Teile.«

Ich opferte eine Flasche Eau de Cologne, nachdem wir uns noch mit einer aufdringlich riechenden Seife gewaschen hatten, die ich sonst immer mied.

Als »Mischung« konnten wir jetzt versuchen, herunterzugehen.

Herr von Marliß sang noch immer, war aber zu Curschmann übergegangen und begrüßte uns mit anzüglichen Strophen:

»Was streift vorbei im Dämmerlicht,war's nicht mein liebes Kind?Und wehten aus dem Körbchennicht die Rosendüfte lind?«

»Die Rosendüfte sind wir selbst,« rief Frau von Marliß und schüttelte den Herren die Hand, aber ihr Mann hielt sie auf Armeslänge von sich ab, und dann brachen Herr von Marliß und Fritz in ein tosendes Gelächter aus, während Herr Albrecht einen heißen, krebsroten Kopf bekam und zum Zimmer hinausstürzte.

Frau von Marliß sah ihren Mann bestürzt an.

»Ja, riechen wir denn immer noch?« fragte sie ungläubig, und Fritz entgegnete:

»Es geht für ein Schaltjahr.«

So was konnte man sich doch nicht gefallen lassen, und ich tat es auch nicht.

Mit einem Satz war ich zur Tür hinaus und in weiteren wenigen Sätzen befand ich mich in meinem Zimmer.

Hier zog ich blitzgeschwind mein Reitkleid an, Dorette stellte die dazu gehörenden Stiefel hin, und da ich nicht weiter sprach, sondern mit hastigen Fingern die Knöpfe an der Taille schloß, fragte sie besorgt:

»Kerlchen, Kerlchen, der Gnädige ist doch nicht böse? Er hat doch nicht die Geduld verloren?«

»Nein, aber ich,« rief ich ärgerlich, riß die Reitpeitsche vom Nagel, setzte das Hütchen auf, und hinaus war ich.

Nach knapp zehn Minuten sprengte ich schon zum Tor hinaus und die Allee hinunter, um – ja um mich auszulüften, aber gründlich.

Marlissens kamen ja beinahe jeden Tag bei uns vor, da brauchte ich mich nicht zu genieren, und ich ertrug es einfach nicht, so als Räucherkerzchen umherzulaufen. Vor einer Stunde sollten sie mich nicht wiedersehen.

»Banidex«, mein Brauner, griff tüchtig aus. Dazu hatte sich ein lustiger Wind erhoben, und ich konnte mich der Hoffnung hingeben, bald wieder normal zu sein.

Vorsichtshalber kehrte ich nach einer halben Stunde drunten im Dorf im Lehrerhaus ein.

Die Frau Lehrer ist solch ein feines, liebes Wesen, zu dem ich mich seit meinem Einzuge in Haus Rumohr gar herzlich hingezogen fühle.

Frau Marie war aber nicht da, sondern arbeitete im Garten, wie mir der fünfjährige Bubi sagte.

Ich folgte ihm ins Haus, nachdem ich mein Pferd dem kleinen Knecht übergeben hatte, der auch die Frau Lehrer heranrufen wollte.

Bubi und ich waren bald in vollem Erzählen, aber mir fiel es doch auf, daß seine Augen mich heute kritischer als sonst betrachteten, und daß er nicht ein einziges Mal mehr seit der Begrüßung seine Ärmchen um meinen Hals schlang.

Bubi und ich sind dicke Freunde.

Endlich kam Frau Marie.

Sie hatte eine zierliche weiße Schürze umgebunden und sah allerliebst wie immer aus, beide Hände streckte sie mir entgegen.

Dann aber fingen ihre Nasenflügel etwas an zu beben, sie blickte im Stübchen umher und sog nachdenklich die Luft ein.

Dann schaute sie streng auf Bubi.

»Nein, Mutti,« rief das Bürschchen, »is bind dewiß nis, die Baronin is es.«

Das genügte mir, und binnen fünf Minuten trug mich mein Rößlein schon weiter. Der erschrockenen Frau Lehrer hatte ich das Dümmste zugerufen, was ich ungefähr tun konnte, nämlich:

»Bubi hat recht.«

Und nun ging's nach Hause.

Ich war ärgerlich auf mich und alle Welt.

Fritz war nicht in seinem Zimmer, als ich kam, die Marlissens waren fortgefahren, und sämtliche Zimmer im Schlosse standen sperrangelweit offen, es war ein Zug zum Auffliegen.

»Du möchtest zur Frau Mama raufkommen,« belehrte mich Dorette kurz.

»Was ist denn nur geschehen, Kerlchen,« fragte Muusch ängstlich. »Ich habe die alte Frau von Marliß in Steinbrücken abgesetzt und mich hier gleich zurückgezogen, nun wollt' ich mit Euch gemütlich zusammensitzen, nachdem der Besuch fort ist, aber da sehe ich, daß unten alle Fenster geöffnet sind, und der Fritz läuft jetzt noch überall umher, als wäre das Gut in Gefahr.«

»Ach Muusch!!!«

Ich erzählte nun meinem Muttchen die ganze »anrüchige« Geschichte, und sie lächelte ihr feines, liebes Lächeln.

»Echt Kerlchen,« sagte sie, aber diesmal war ich doch unschuldig.

Beim Abendbrot war ich ziemlich isoliert, Fritz »versuchte« zärtlich mit mir zu sein, zupfte aber immer wieder zurück, bis ich ganz ärgerlich aufstand und mich in meine Kemenate begab.

»SüßesKerlchen, einziges« – rief mir Fritz nach, »könntest du dich vielleicht noch einmal in die Badewanne stecken – – mit grüner Seife – –«

Aber da war's vorbei mit meiner inneren Ruhe. – – Ich will's gestehen, zum erstenmal seit meiner fünfmonatigen Ehe habe ich wieder die Zunge hinausgestreckt, lang, lang – und es galtihm, der mein Herr sein soll,meinemFritz, meinem Herzensmann. Hinterher könnte ich mich noch totschämen über mich selber, aber – ich war zu wütend.

O, geliebte Vierundzwanzig, steckt doch nie die Zunge raus, ich muß euch sonst gottsjämmerlich verhauen.

Und den ganzen gestrigen Abend war ich bockig obendrein.

Fritz bezwang sich und wollte noch ein bißchen mit mir plaudern, aber ich hatte mir ein dickes Buch über Land- und Forstwirtschaft geholt und darin las und studierte ich krampfhaft, und wenn Fritz etwas fragte, oder behauptete, dann bekam er eine land-forstwirtschaftliche Antwort.

Ich kann ja unser interessantes Zwiegespräch hierhersetzen:

Fritz: »Na, Kerlelein, liebes, – ausgeschmollt? Was besehen wir denn da so eifrig?«

Ich: »Die Leistungsfähigkeit der deutschen Viehzucht,«

Fritz: »Kerlelein, du sollst doch die Bücher wegtun, schade um die schönen Äuglein.«

Ich: »Bau von Arbeiterwohnungen mit Darlehen der Landesversicherungsanstalten.«

Fritz: »Dir hat wohl Frau von Marliß einen Floh ins Ohr gesetzt?«

Ich: »Der wirtschaftliche Zusammenschluß der mitteleuropäischen Staaten und die Reform der bisherigen Meistbegünstigungsverträge.«

Fritz: »Soll das 'n Witz sein, Kerlelein? Ich finde ihn nicht besonders geistreich. Du machst sonst bessere.«

Ich: »Die Vererbungsweise des bäuerlichen Besitzes, die Fideikommißgesetzgebung in den deutschen Bundesstaaten.«

Fritz: »Willst du mich ärgerlich machen, Felicitas? Es gelingt dir nicht.«

Ich: »Verbot des Verkaufs von Vieh-, Milch-, Mast-, Kraft- und Freßpulvern durch Hausierer, Kaufleute und Krämer.«

Fritz: »Gut, Kerlelein! Ich gehe jetzt ins Bett. Studiere du weiter die Landwirtschaft,dierichtigeAtmosphärebesitzestdu jaheute.«

Wehe, mit diesem Trumpf verließ er mich.

Einige Tage später

So, nun bin ich wieder normal.

Frau von Marliß schrieb mir ein Zettelchen und schickte es durch ihren Reitknecht:

»Sitze noch in Isolierbaracke, Sie auch?«

Ich sagte dem Reitknecht, er möchte der gnädigen Frau bestellen, ich sei wieder munter und wünsche auch ihr baldige Besserung ihrer »Migräne«.

Am schwersten lag es mir auf der Seele, daß ich eklig zu Fritz gewesen war, zu Fritz, dem immer Gütigen, Vornehmen, zu Fritz, der mich auf Händen trägt, kurz und gut zumeinemFritz.

Was da am besten zu tun war, wußte ich allein, ich lief in seine Stube, die noch ebenso einfach eingerichtet ist, als da er junger Beamter in Berlin war, sie harmoniert darin mitmeinerlieben Bude, die das Ideal eines Frauengemaches ist.

Fritz saß vor seinem Riesenschreibtisch und studierte die Teile einer neuen landwirtschaftlichen Maschine.

Ich: »Lieber Fritz, bist du noch bös?«

Fritz: »Drillmaschine von F. Zimmermann und Comp., Halle.«

Ich: »O das ist interessant, Fritz! Ist sie für unsern Schulmeister? Ist's 'ne neue Erfindung nach Art des Nürnberger Trichters?«

Fritz: »So – – hier ist die Vorrichtung. Ich muß bei unserm hügeligen Terrain den Saatkasten horizontal stellen können, sonst wird die Geschichte nicht gleichmäßig.«

Ich: »Fritz, das hat doch gar nichts mit dem Bösesein zu tun – –«

Fritz: »Da ist die Kurbel mit dem Zahnrad, und hier greift's in die Zahnstange ein.«

Ich: »Sonst geht dir's aber gut, ja? Fritz?«

Fritz: »Aha, – die Saatleitungsröhren münden in die Schare – –«

Ich: »Fritz, lieber, lieber Fritz! Sieh, dein Kerlelein ist hier und möchte dich um Verzeihung bitten. Sag mir, ob du noch bös bist. Gelt ja? Ich hab's verdient, – abscheulich war ich gestern, – Fritz – lieber –«

Der Schreibtischstuhl flog zurück und purzelte gleich um vor der Gewalt, mit welcher Fritz aufsprang.

So ist er, – ein richtiger Sturmwind. Man kann dann gar nichts tun, als stillhalten, – ich hab mal versucht auszureißen – es nützt absolut nichts.

Laut auf jubelte Fritz.

»Hab' ich's nicht immer gesagt, daß du ein Engel bist Kerlchen? Ach du liebe Zeit –Engel! Das liebste, wonnigste, allerbeste, reichste, süßeste Menschenkind bist du, mit einem goldigen Herzen, – du, du, du!«

Ich wollte etwas sagen, bekam aber keine Luft, und gab es auf.

»Herzenslieb« redete Fritz weiter, »was bin ich für ein abscheulicher Kerl! Nachdem ich dich gestern wütend geärgert, nehme ich dir deine kleine Rache übel, werfe dir noch einen elenden letzten Trumpf an den Kopf und krache die Türe zu. Und du kommst heute zu mir, und anstatt dich sofort jubelnd an mein Herz zu nehmen, lasse ich die elendeste Retourkutsche anfahren, die auf Lager ist, und trotzdem bist du lieb und gut geblieben zu mir, – Kerlelein – ach du Kerlelein!«

So etwas hört sich doch wonnig an.

»Du sagst ja gar nichts, Kerlein! Hast du mir verziehen?«

»Doll lieb hab' ich dich, Fritz von Rumohr!«