Kerlchen als Sorgenbrecher - Felicitas Rose - E-Book

Kerlchen als Sorgenbrecher E-Book

Felicitas Rose

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Beschreibung

Wie es im Leben von Kerlchen weitergeht ... ... »Prost, Tante Laura!« »Was machst du für 'n feierliches Gesicht, Deern?« »O Tanting, du sagst so oft, es fehle mir am nötigen Ernst, nun siehst du, bei »Moët Chandon Epernay Sillery« bringe ich diesen Ernst immer mit und werde ihn bis zum Schlusse der Sitzung bewahren.« »Sitzung! Wie das klingt. Kerlchen! Wir werden uns doch nicht beim Champagner festsetzen, zwei einzelne Damen!« »Gerade weil wir einzeln sind, brauchen wir rechten Halt. Lehn' dich nur fest in den roten Sessel, Tantchen, es wird nötig.« »Kerlchen, hast du was 'neingetan in den Sekt, daß du besorgt bist?« »O das braucht man nicht, der wirkt von alleine.« »Trinkt man das Glas immer gleich leer, Kerlchen? Mich dünkt, du bist bewanderter drin, als ich, und mußt es wissen.« »Das halte, wie du willst! Ich selbst tue es nicht, weil man zu rasch knüll wird und dummes Zeug redet.« »Nun, das tust du auch so, und bei mir wirst du es nicht erleben, naseweise Deern, davor schützt mich mein Alter.« »O Tantchen, behaupte das nicht zu schroff! Aber du hast mich gefragt, und ich erlaube dir auszutrinken, wenigstens beim Kaisertoast.« »Kerlchen, warum willst du die Sache so feierlich machen, das greift an.« »Weil wir nicht alle Tage so 'n Stöffchen haben, also wer soll die Kaiserrede halten? Du bist die Ältere, Tantchen.« »Das weiß ich, Gelbschnabel, aber ich bin das Redenhalten nicht gewohnt - warum lachst du dumme Deern?« »Ohhh! Ich lache ja gar nicht.« »Ich überlasse also dir - « »Das Präsidium? Bon! Na, denn steh' mal auf, nimm die Hacken zusammen und leg' die Finger an die Hosennaht.« »Kerlchen!« ...

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Kerlchen als Sorgenbrecher

Kerlchen als SorgenbrecherKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Impressum

Kerlchen als Sorgenbrecher

Aus der Romanreihe "Kerlchen" – Band 6

Felicitas Rose

Kapitel 1

Kerlchen kniete vor einem Riesenkoffer und packte.

Es hatte das schon so oft in seinem jungen Leben getan, daß es mit ordentlichem Wohlbehagen auf sein Werk blickte. So einen Koffer voll! Das sollte ihm mal einer nachmachen!

Neben Kerlchen auf einem hochbeinigen Lehnsessel saß Fräulein von Hartwig und seufzte.

Schwer, tief und anhaltend seufzte sie.

Um Kerlchens Mund spielte ein leises, humoristisches Lächeln.

»Nun, mien Deern, ich find' es nicht grad' hübsch, daß du deine alte Tante auslachst.«

»O Tanting, ich lach' ja gar nicht, ich lächle ja bloß.«

»So, das ist noch viel schlimmer, verstehst du wohl? So'n Lächeln von so'n dummen Gör dat deit weh, dat giekst orrnlich inwenni.«

Kerlchen legte sofort sein Schelmengesicht in ernste, würdige Falten.

»Ne, det lat man, dat steiht di nu gor nich,« rief Fräulein von Hartwig abwehrend und dann seufzte sie wieder:

»Dese dumme Reif'!«

»Ja,« sagte Kerlchen.

»Na, wenn du weiter nix weißt.«

Kerlchen zuckte die Achseln.

»Dese dumme Breif.«

»Ja!«

Wieder ein Seufzer, diesmal ganz tief.

Stille. – – – – – –

»Ne, weißt du Deern, du bist mi hüt to langwielig, ik möt jo woll rein to de Sorgenrätin gehn.«

Mit einem Ruck sprang Kerlchen auf und stellte sich so gerade und energisch vor Tante Laura hin, als »sühst mi woll«.

Fräulein Hartwig erschrak ordentlich ein bißchen vor diesen blitzenden, funkelnden Blauaugen.

»Tante Laura, merkst du denn nur gar nicht, was dir fehlt? Denk' doch bloß mal ein ganz klein wenig nach – – –«

»Ha, ha, ha! Will mich dies lüttge Gör zum Nachdenken bewegen, wo ich allmeindag nichts anders getan hab', als nachgedacht – –«

»Na, dann hast du das beim verkehrten Ende angefangen, Tante Laura, du sollst aber nun mal richtig drüber nachdenken, ob nicht all dein vieler Kummer bloß daher kommt, daß du mit jedem Brief zur Sorgenrätin rennst, die macht natürlich aus jedem Floh ein Rhinozeros.«

»Mücke, – Kerlchen!«

»Na meinetwegen Mücke!«

»Und ›Elefant‹.«

»Mir auch recht! Aber sag' mal selbst, liebstes Tantchen, hab' ich nicht ganz und gar recht? Ich fühl's ja schon lange, daß dir dieses ewige Reisen zum Halse heraushängt, na und ich bin auch so europamüde – – –«

»Europamüde? Willst du ins Ausland gehn, mien Deern?«

»Hier bleiben möcht' ich! Mölln liegt ja außerhalb der Welt. Hier steht die Naturgeschichte still, und das ist mir gerade lieb.«

»Wenn du solche Augen machst und so mit den Nasenflügeln wippst und das Muul so schief ziehst, denn guckt dir der Schelm überall raus, – was willst du denn eigentlich?«

»Ich hab's ja schon gesagt,hier bleibenmöcht' ich.«

»Immer, Kerlchen?«

»Nun nein, das wohl nicht, aber wenigstens mal 'n Vierteljahr. Wir sind jetzt ein halbes Jahr von Altenhof fort und von diesem halben Jahr haben wir drei Wochen in Mölln zugebracht.«

»Hast du dir das so schnell ausklamüsert, mien Deern?«

»Nö, das hab' ich mir heut Morgen mal schriftlich ausgerechnet, mit ol Marie zusammen, um dir damit gelegentlich unter die Augen zu gehn.«

»So, na du bist wenigstens ehrlich.«

»Das versteht sich!«

»Nee, das versteht sichnicht! Oll Marie is 'n ollen Duckmäuser, da läuft sie immer um mich rum und sagt nichts, aber hinter meinem Rücken – – – –«

»Ach Tantchen, sie muß ja alles hinter deinem Rücken tun, du bist ja nie da.«

»Klugsnacker!«

»Und es ist doch nur liebevolle Sorge von oll Marie. Sie meint, du wärst nun alt – –«

»Der Deubel ist alt.«

»Ja, und seine Großmutter ist noch älter!«

»Hör' mal, Kerlchen, – – –«

»Ach Tantchen, – ich hab'dichja gar nicht mit gemeint!«

»Dumme Deern, dat heww ik ok gorni dacht. Mit dien dumme Entschuldigung!!! Also wat seggt denn nu de negenklauke ol Marie.«

»Sie seggt, du sollst nicht mit jedem Brief, den du bekommst, zu der Sorgenrätin rennen, sondern sollst alles lieber ruhig mit deinem verständigen Kerlchen besprechen!«

»Kumm, Deern! Laß di mol bi Licht beseihn, damit ik weiß, wie'n »verstännigesKerlchen« utsüht.«

»Ja, lach' du nur Tanting! Ol Marie und ich meinen's doch am besten mit dir, und kurz und gut, wir meinen beide, du sollst mal all die Leute, die dir schreiben, mit sich selber fertig werden lassen, – sie danken dir's ja doch nicht – und sollst in deinem reizenden Haus hier bleiben, und dich von uns ordentlich mit Liebe pflegen lassen.«

»So, das wäre also dein Glaubensbekenntnis. Unrecht hast du nicht, mien Deern, und du sprichst auch nicht für dich selbst, denn auf der Reise hast du viel Schönes gesehen – und hier – – –«

Kerlchen schmiegte sich an Fräulein von Hartwig und küßte ihre Hand.

»Herrliches hab' ich kennen gelernt, du liebes Tantchen, und tüchtig verwöhnt worden bin ich von dir! So immer erster Klasse zu fahren, und in den ersten Hotels abzusteigen – –«

»Du Racker, meinst du vielleicht in Sandkrug den »Blauen Löwen«?«

»I wo Tantchen!«

»Aber Kerlchen, Kerlchen, was mach' ich nur mit dem Brief von Lieschen. Es ist doch mein Patenkind, und ich hab's ihren Eltern selig versprochen, mich nach ihr umzusehen.«

»Hast du ja auch reichlich getan, Tantchen!«

»Ja, das sagst du so mit deinem Untertanenverstand! Aber Lieschen und ihr Mann schreiben doch so bedrückt, und ich weiß es selbst, die kleine Klitsche in Ostpreußen bringt die Leutchen auf keinen grünen Zweig, deshalb ist es notwendig, daß ich – –«

»Nichtselbsthinreise bis beinahe nach Rußland, sondern ordentlich Moses und die Propheten hinschicke.«

»Kerlchen, wat seggst du da?«

»Lieschens Mann ist ein vorzüglicher Landwirt, Tantchen, das sagen doch alle, und meiner Ansicht nach braucht er jetzt nur bar Geld, um sich aufzurappeln, aber mit deinem Hinreisen nützt du ihm gar nichts, sondern hältst ihn und seine Frau von der Ernte ab. Schick' ihnen Geld, den armen beiden,gehörig, und dann leg' noch unser Reisegeld und alles drum und dran von Mölln bis Kraupischken drauf, dreihundert Mark langt nicht, – wetten?«

»Kerlchen, du bist en Schwadroneur, en Klogsnacker von Ur to Enn.«

»Schad' nix, Tantchen, recht hab' ich doch!«

»Was wird die Sorgenrätin sagen – – –«

»I laß sie reden, sie reist ja auch nicht.«

»O Kerlchen, es wird nicht gehen, ich will gleich zu ihr hin – und sie ist so 'ne verständige Frau und trägt alles so mit mir.«

»Wenigstens seufzt sie für zehne. Und trage ich nicht auch alles mit dir?«

»Na ja, Kerlchen! Tust du auch. Und alles, was du da sagst, klingt auch ganz vernünftig, aber du bist doch man so 'n Junges, Kleines, Dummes!«

»So? Danke schön! Aber aufschieben können wir doch die Reise auf 'n paar Tage, gelt? Du hältst ja so viel von Munke, Bümi und Luttewete – –«

»Staatsfrauenzimmer!«

»Na, denen will ich drei Briefe schreiben, – so wie wenn nix wär' – will ihnen unsern neuen Reiseplan mitteilen und sie so quasi um Rat fragen; – wenn auch nureinedafür ist, reise ich mit dir auf 'n Blocksberg.«

»Immer anständig, Kerlchen, und ohne Anspielungen, hörst du? – Aber ich bin's zufrieden und wette mit dir, alle drei jauchzen mir Beifall zu.«

»Um was wettest du, Tantchen? Drei Pullen Sekt? Für jede Cousineeine?«

»Du bist ein Süffel, Kerlchen, – aber gut! Wetten ist zwar gottlos – –«

»Aber Sekt nicht, Tantchen! Und nun an die Arbeit. Die Briefe unterbreite ich dir nachher, damit du deinen Senf dazu gibst.«

»Kerlchen, deine Ausdrucksweise – –«

»Ach, Geliebtes, wenn's Herz nur schwarz ist.«

Antwortbrief von Bümi an Kerlchen

»Kleines!«

Gottlob, daß man Deiner endlich wieder habhaft werden kann.

Ein Stromer ist ein Waisenknabe gegen Dich; Franz und ich fassen uns oft an den Kopf und fragen, was aus Dir geworden ist? Du hieltst doch früher das gute, alte Sprichwort so hoch:

»Nord, Ost oder West,To Hus is 's Best.«

Franz hält ja natürlich immer zu Dir; wenn wir mal ein bißchen auf unser Kerlchen schimpfen, und so meint er, Du wärst nicht daran schuld, sondern Fräulein von Hartwig. Dein heutiger Brief hat das ja nun bestätigt, und Franz hat Oberwasser.

Aber warum um Himmels Willen hat sie kein Sitzfleisch?

Hätte ihr das Geschick einen Mann wie Franz und ein so quirlefitschiges Baby beschert, wie unsere Ingeborg, dann würde sie froh sein, mal sitzen zu können, und die Eisenbahn nicht so unmenschlich strapazieren; daß Ihr jetzt nach Ostpreußen preschen wollt, halte ich für 'ne Kateridee.

Kerlchen, bist Du uns schrecklich böse, daß »Ingeborg« nicht »Felicitas« heißt?

Franz wollte es nicht, er sagte: »Unsere Felicitas (damit meinte er Dich) isteinzigartig, wir wollen keinen Kerlchen-Abklatsch in Szene setzen, er würde doch vereitelt werden. Und das meinte er ehrlich so.

Daß er aber zu seiner Schwiegermutter, die durchaus wollte, das Kleinchen sollte nach ihr »Hedwig« heißen, dasselbe sagte, nämlich:

»Mama, du bisteinzigartig, ich würde nicht wagen, das Kind Hedwig zu nennen,« das war natürlich die reinste Schauspielerei. Mama war auch empfindlich, und um sie zu versöhnen, nennt Franz nun unser Engelchen: »Olsch«.

Du siehst, ich habe meine Not mit dem greulichen Menschen nach wie vor.

Liebstes Kerlchen, ade! Inge schreit, Franz schimpft und ich verbleibe

Deine treue Bümi«

Kapitel 2

Brief von Luttewete an Kerlchen

»Liebes! Ich meine, Du hättest sonst vernünftigere Briefe geschrieben, aus dem letzten wird man nicht recht klug. Ich soll Dir raten, ob Du nach Kraupischken reisen sollst? Wo liegt denn das? Kraupischken! Bleib zu Hause, Kerlchen! Ihr seid so schon die reinen Zigeunersch.

Deine Luttewete«

Kapitel 3

Brief von Munke an Kerlchen

»Dummes Kerlchen! Jetzt in der Erntezeit reisen, wo's der Landmann so hilde wie nur möglich hat?! Bitte teile mir mit, wenn Ihr beide da in Mölln vollends überschnappt.

Deine Dich innigliebendeMunke«

Kapitel 4

»Kerlchen!«

»Tante?«

»Sind drei Flaschen Sekt nich en büschen viel für dich und mich?«

»Warum fragst du, Tantchen?«

»Dumme Deern! Als ob die Briefe von deinen naseweisen Cousinen nicht eine deutliche Sprache redeten!«

»Meinst du Sektsprache, Tantchen? Prickelnde, süffige Sssss – –?«

»Mich dünkt, Kerlchen, du wirst schon dun, wenn man bloß das Wort ausspricht, das gefällt mir nun gar nicht von dir!«

»O Tantchen! Mein Väterchen trank ihn auch so brennend gern – –«

»Na, denn is dat wat anneres. Denn büst du jo erblich belastet, mien Deern, un kannst da nix vör. Und nun geh in den Keller, weißt du, – rechts in dem verschlossenen Schränkchen –«

»Oho, Tantchen, ich weiß schon, ich hab' da schon manchmal in stummer Andacht davor gestanden.«

»Schämst du dich nicht, Kerlchen?«

»Nein, Tantchen, warum?«

»Frag' nicht so dumm und geh'!«

»I wo, Tanting. Erst mußt du 'ne Postanweisung, oder noch besser 'n Geldbrief schreiben an dein Patenkind Lieschen und den beiden Landwirten auf die Beine helfen.«

»Das kann ich auch nachher.«

»Nein, Tantchen,jetzt. So was darf man nie verschieben, und wer weiß, ob du nach dem Sekt noch auf einem Bein stehen kannst.«

»Was fällt dir ein, Deern? Da will ik uns schon 'n »P« vörschriwen. Meinst du, ich führ' 'ne Orgie mit dir auf?«

»Liebes Tantchen, erst 's Geschäft und dann 's Vergnügen. Hier ist dein Schreibtisch, da die Tinte, da die Feder, und nun schreib' ordentlich 'n paar Nullen.«

»Kerlchen, gib mir 'n Kuß! Bist doch 'ne ole gaude Deern!«

»Na nu los! Ich gehe inzwischen in den kühlen Keller. Welche Marke soll ich holen?«

»Ach, das werden sie auf der Post schon wissen!«

»Tantchen, ich meine die Sektmarke!«

»Mit dien olen Sekt. Da hätt' ik mi schön mang Marke un Marke verbiestern künn'.«

»Na, was soll ich also holen?«

»Oha, ich hab' allmeindag nur einen Champagner gehabt. De Franzosenkirl schickt em ümmer direkt ut Epernay.«

»Echten, Tantchen? Du bist ein Engel! Aber trotzdem werde ich nicht leiden, daß wir beiden deutschen Mädchen noch ferner französischen Sekt trinken, ich bin dafür, daß wir deinen Bestand möglichst rasch austrinken, um noch rascher »deutschen« bestellen zu können.«

»Oha, oha, Kerlchen, wat büst du vor 'n Patriotschen!«

Nach einer halben Stunde stand Fräulein von Hartwig von ihrem Briefe auf.

»Fertig!« rief sie tief aufseufzend. »Ungewennte Arbeit makt Quesen. Aber das Gör wird zufrieden mit mir sein. Und nun geh' ich noch selbst zur Post.«

In der Tür traf sie mit Kerlchen zusammen.

»Ich habeeinstweilendrei geholt, Tantchen, Papa sagte immer, auf einem Bein steht kein Mensch.«

»So? Auf dreien auch nicht!«

»Hm! – Du kannst dich ganz auf mich verlassen, ich habe sie bis an die Gurgel in Eis gepackt, und bis du wiederkommst, hab' ich auch den Abendbrotstisch nett gedeckt.«

»Und das verstehst du aus 'm ff, Kerlchen!«

Kapitel 5

»Prost, Tante Laura!«

»Was machst du für 'n feierliches Gesicht, Deern?«

»O Tanting, du sagst so oft, es fehle mir am nötigen Ernst, nun siehst du, bei»Moët Chaudon Epernay Sillery«bringe ich diesen Ernst immer mit und werde ihn bis zum Schlusse der Sitzung bewahren.«

»Sitzung! Wie das klingt. Kerlchen! Wir werden uns doch nicht beim Champagner festsetzen, zwei einzelne Damen!«

»Gerade weil wir einzeln sind, brauchen wir rechten Halt. Lehn' dich nur fest in den roten Sessel, Tantchen, es wird nötig.«

»Kerlchen, hast du was 'neingetan in den Sekt, daß du besorgt bist?«

»O das braucht man nicht, der wirkt von alleine.«

»Trinkt man das Glas immer gleich leer, Kerlchen? Mich dünkt, du bist bewanderter drin, als ich, und mußt es wissen.«

»Das halte, wie du willst! Ich selbst tue es nicht, weil man zu rasch knüll wird und dummes Zeug redet.«

»Nun, das tust du auch so, und bei mir wirst du es nicht erleben, naseweise Deern, davor schützt mich mein Alter.«

»O Tantchen, behaupte das nicht zu schroff! Aber du hast mich gefragt, und ich erlaube dir auszutrinken, wenigstens beim Kaisertoast.«

»Kerlchen, warum willst du die Sache so feierlich machen, das greift an.«

»Weil wir nicht alle Tage so 'n Stöffchen haben, also wer soll die Kaiserrede halten? Du bist die Ältere, Tantchen.«

»Das weiß ich, Gelbschnabel, aber ich bin das Redenhalten nicht gewohnt – – warum lachst du dumme Deern?«

»Ohhh! Ich lache ja gar nicht.«

»Ich überlasse also dir – –«

»Das Präsidium? Bon! Na, denn steh' mal auf, nimm die Hacken zusammen und leg' die Finger an die Hosennaht.«

»Kerlchen!«

»Doch, doch, da hilft nichts! Also: »Seine Majestät unser allergnädigster Kaiser und Herr, er lebe! Hurra! Nun trink' aus, Tantchen, und nun singen wir: »Heil dir im Siegerkranz!«

»Kerlchen, es geht mir durch und durch. Du bist 'ne Mordsdeern und hast den Teufel im Leib.«

»I wo doch, das denkst du bloß! Übrigens klang das Lied nicht übel, du hast ja einen famosen Baß.«

»Na, wenn das 'ne Schmeichelei sein soll – –«

Trink', Tantchen! Und nun steigt das zweite Allgemeine: »Sind wir vereint zur guten Stunde.« – Bravo! Ein Schmollis den Sängern! Tante Laura, nun mußt du »Fiducit« schmettern.«

»O Kerlchen!«

»Los!«

»Na denn – Fiducit!«

»Schön!«

In diesem Augenblicke öffnete ol Marie die Tür und meldete: »Frau Kriegsrat Karg.«

Kerlchen machte ein unwilliges Gesicht, und über das Antlitz von Tante Laura schlug eine helle Röte.

»Kerlchen, was machen wir nur? Was wird sie sagen?«

»Nanu? Tante Laura, du wirst doch kein Bangbux sein? Du wirst doch noch in deinem eigenen Hause Sekt picheln können?«

»Soll ich 'rein, oder soll ich nicht 'rein?« fragte draußen Frau Kriegsrat pikiert, und gleich darauf kläglich: »Ach die Sorgen, die Sorgen!«

Ol Marie gab ihr einen gelinden Stoß nach vorne, und Kerlchen winkte ihr mit einem Gesicht, dessen Ausdruck in biederes Deutsch übersetzt ungefähr sagte: »Machen Sie gefälligst die Tür von außen zu.«

Die Sorgenrätin blieb mit offenem Munde vor den beiden Zecherinnen stehen.

»Wwwas machen Sie denn da, meine beste Hartwig?« fragte sie verblüfft.

Tante Laura war sehr verlegen.

»Ohhh – nichts weiter. Ich habe eine Wette an dieses kleine Mädchen verloren, und die bringen wir jetzt ins Reine.«

»Wetten ist gottlos,« bemerkte die Kriegsrätin streng.

»Ja, und deshalb schaffen wir's fort,« fiel Kerlchen rasch ein. »Trinken Sie mit, gnädige Frau? Wir haben pro Nase eine Flasche.«

Die Kriegsrätin schüttelte den Kopf und machte ihr übliches Sorgengesicht. Sie liebte die Fröhlichkeit im allgemeinen und im besonderen nicht, denn da sie selbst zu jeder Zeit mit irgend einer selbstgeschaffenen Sorge behaftet war, sah sie auch andere lieber mit Falten auf der Stirn und mit trostbedürftigen Sorgenherzen. Auch tröstete sie gern, und wie Kerlchen behauptete, war sie im Grunde eine edle Seele, aber nur»im Grunde«, »ausgeschlachtet«und»gänzlich netto«.

»Sekt macht quietschvergnügt,« lachte Kerlchen.

»Das sehe ich,« bemerkte die Kriegsrätin trocken. »Liebe Hartwig, ich finde, Sie haben bereits heiße Wangen und blanke Augen.«

»Wie auf der Knopfgabel geputzt,« fiel Kerlchen ein, »und wir sind erst bei der ersten Flasche.«

»Was, Sie wollen noch mehr trinken,« fragte Frau Karg entsetzt.

»Aber nur mit Ihrem Beistand, liebste Karg,« rief Tante Laura eifrig und verlegen, »hier setzen Sie sich an den Hauptplatz.«

»Ich trete das Präsidium ab und übergebe es hiermit Frau Kriegsrätin Karg.«

Kerlchen machte sein feierlichstes Gesicht.

»Ach, reden Sie doch keinen Unsinn, Fräulein Felicitas.«

Aber es klang nicht sehr böse, und die Sorgenrätin setzte sich, wenn auch halb widerwillig. Kerlchen hatte ihr einfach den Stuhl untergeschoben.

»So 'n Zeugs hab' ich auch noch in meinem Keller,« meinte die Kriegsrätin, »ich rühr's aber nicht an, der Staub liegt dick auf den Flaschen. Mein seliger August trank gern einen guten Tropfen, aber ich hatte immer so 'ne Sorge, es könnte knallen – – –«

»Und da haben Sie nie Champagner getrunken?«

»Ach Gott, nein, bei uns zu Hause nie. Mein Seliger war so rührend, wenn er sich 'ne Flasche 'raufholte, erinnerte er mich immer beizeiten dran, daß es schrecklich knallen würde, dann brachte ich mich in Sicherheit.«

»Wirklich sehr rührend,« sagte Kerlchen, und machte eine kleine Faust in Gedanken an den seligen Egoisten.

»Na, aber bei uns knallt es nicht,« bemerkte Tante Laura, »kommen Sie her, liebe Karg, auf Ihr Wohl!«

»Es prickelt,« sagte diese ängstlich.

»Das gibt sich.«

Die Kriegsrätin trank. Und dafür, daß sie Neuling in der Sache war, zeigte sie sich recht anstellig. Kerlchen schenkte ein und öffnete die zweite Flasche so kunstgerecht, ohne Knall und Stoffvergeudung, daß die alten Damen entzückt waren.

»Sie müssen gleich morgen zu mir kommen, liebes Fräulein, und nach meinen Flaschen sehen.«

»Bloß sehen?«

»Hihihi, ach nein, ich meine auch so ohne Knall aufmachen, und trinken, o wie würde sich der selige Karg freuen, wenn er wüßte, daß ich meine Abneigung nach und nach überwinde.«

Kerlchen zweifelte zwar an der Freude des Seligen, aber nicht an der Überwindung. Diese erfolgte wirklich »nach und nach«.

Die Kriegsrätin trank und wurde ungeheuer fidel.

»Stecken Sie mal die Zunge ins Sektglas,« rief das übermütige Kerlchen, und die Rätin befolgte den Rat, und stieß kleine entzückte Schreie aus.

»Jetzt steigt das dritte Allgemeine,« ermunterte Kerlchen, »gnädige Frau, Sie vergessen Ihr Präsidium!«

»Wwwas soll ich tun?« griente die Kriegsrätin.

»Singen, singen, ein Lied anstimmen, z. B.

»Mien Vadder is im ZuchthausMien Mudder hat stohlenMien Bruder is a daUn mi werd'ns bald holen.Zum Holla de ria, holla de ra haha.«

»Du bist ja aus 'ner noblen Familie, Kerlchen,« tadelte Tante Laura, »ich würde das nicht so in alle Winde schreien.« »Hier sind ja keine Winde, nur Wände,« kalauerte Kerlchen, und zeigte dann auf die Frau Kriegsrätin, welche sich erhoben hatte und auf ihren kurzen Beinchen ziemlich unsicher balancierte. Ihr Sektglas hielt sie in hoch erhobener Hand und schaute es selig an, während sie den Oberkörper hin und her wiegte.

Endlich setzte sie mit krähender Stimme ein:

»Vörn Deubel bün ik ni bang,Un ok ni vörn Prozeß,Vör Arbeit dohn un BottermelksuppJo, davör bün ik bang.Bün ik ok!«

»Bün ik ok!!!« schmetterten Tante Laura und Kerlchen hinterdrein, stießen mit den Gläsern zusammen und tranken bis auf die Nagelprobe.

»Kargen, was haben Sie für dolle Lieder,« meinte Tante Laura, »die hätt'« ich Ihnen gar nicht zugetraut.«

»Ich weiß auch nicht, wie es mir so plötzlich ins Gedächtnis kommt. – – –«

»Das macht der Sssssekt, der macht so heiter,Das Zeug das schmeckt, man pichelt weiter«

lachte Kerlchen, und die Kriegsrätin ließ sich wieder einschenken.

»Es mag sein, daß dieser wwwwunderschöne Trank mmit dran schuld, daß mmir pppplötzlich diese Lllllieder in den Sinn kommen,« sprach sie dann sinnend, »denn ich war sonst immer ernst vvvveranlagt, – jawohl ich –wa–arernst! schrie sie Kerlchen an, trotzdem dieses gar nicht widersprochen hätte.

Dann trank sie wieder und fing an zu weinen.

»Wenn ich an meine Jugend denke – –«

»Denken Sie nicht dran, es ist ja schon so lange her,« tröstete Kerlchen.

»Aber ichwilldran denken,« fuhr die Kriegsrätin sie an, und weinte stärker, »ohhhh, es war eine erhebende Zeit! Ich war so ein schönes Mädchen – –«

Kerlchen schreckte zusammen bei dieser kühnen Behauptung, und auch Tante Laura blickte aus schwimmenden Äuglein ungläubig auf die Erzählerin.

»Bei allen Aufführungen und Festspielen mußte ich die erste Rolle spielen, – ich konnte es, denn ich hatte das größte Talent zur Deklamation. – Frau Kriegsrat stieg trotz ihrer Fülle und der kurzen Beinchen umständlich auf einen Stuhl und balancierte gefahrdrohend, während sie heftige Bewegungen mit den Armen machte.

»Festgemauert in der ErdenSteht die Form – – –

Jedenfalls war ihre Deklamation nicht wörtlich zu nehmen, denn die Kriegsrätin purzelte sehr unsanft von ihrer Erhöhung und setzte sich so ungraziös wie möglich auf die Erde.

– aus Lehm gebrannt.Heute muß die Glocke werden!

»O Himmel, Tantchen, sie ist totalitter dun,« rief Kerlchen erschrocken, »wir müssen sie ins Bett bringen.«

Tante Laura weinte. Sie weinte über die ungewöhnliche Verfassung, in welcher die ehrwürdige Kriegsrätin sich befand und gleichzeitig über das Unbehagen, das sie selbst empfand.

Frisch, Gesellen, seid zur Hand!

ermunterte die Rätin mit erhobener Stimme, und Kerlchen und Tante Laura faßten die vergnügt Lächelnde unter die Arme, um sie in sichern Gewahrsam zu bringen. Das war aber gar nicht so leicht, und das Donnerwort der Kriegsrätin:

Von der Stirne heißRinnen muß der Schweiß«

erschien sehr angebracht.

Ein erschwerender Umstand war auch der, daß die Dame Kerlchen immer an sich drücken wollte –

»Soll das Werk den Meister loben?«

jammerte sie mit einem unberechtigten Fragezeichen.

Endlich, endlich lag sie in dem freundlichen Gastzimmer, und einige Ahnen derer von Hartwig schauten streng und mißbilligend auf das Opfer eines ungewohnten Genusses.

Kerlchen wollte aus der Waschkanne etwas Wasser in seine hohle Hand gießen, um der Kriegsrätin die heiße Stirn liebevoll zu kühlen, kippte aber aus Versehen beinahe den ganzen Inhalt des Gefäßes über die Liegende, und mit den etwas erschreckt hervorgestoßenen Schlußworten: