Aus süßer Berechnung - J.D. Robb - E-Book
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Aus süßer Berechnung E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Um diesen Killer zu fassen, muss Eve Dallas selbst zum Lockvogel werden ...

Es ist eine bitterkalte Nacht in New York, als auf der Treppe vor einem leeren Bürogebäude eine tote Frau gefunden wird. Alles sieht nach einem misslungenen Überfall aus, doch Eve Dallas ahnt schon, dass die Leiche bewusst dort abgelegt wurde. Jetzt muss sie nur herausfinden, warum jemand so etwas tun würde. Verdächtige gibt es einige, doch mit der tatkräftigen Unterstützung ihres milliardenschweren Ehemanns Roarke und ihrer toughen Partnerin Peabody, kommt Eve der Lösung des Falls bald näher, denn einige der mächtigsten Männer der Stadt hatten durchaus ein Motiv für den Mord …

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Seitenzahl: 630

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Buch

In einer bitterkalten Nacht wird in Manhattans East Side am Fuße einer Treppe vor einem Bürogebäude eine tote Frau gefunden. Von ihren Wertsachen fehlt jede Spur. Eve Dallas’ Kollegen sind sich einig, dass dies nur ein misslungener Raubüberfall sein kann, doch Eve ahnt schon, dass die Leiche bewusst dort abgelegt wurde. Es fällt schwer zu glauben, dass Marta Dickenson, das Opfer, eine wohlhabende Frau und hingebungsvolle Mutter, etwas getan haben soll, weswegen sie umgebracht wurde. Doch als Eve und ihre Partnerin Peabody Blut im Inneren des Gebäudes finden, wird klar, dass hier ein Mörder gehandelt hat, der zwar genau wusste, was er tat, aber nicht professionell genug war, alle Beweise zu vernichten. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich schließlich heraus, dass Marta getötet wurde, um illegale Aktivitäten zu vertuschen …

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren erfolgreich Kriminalromane.

Liste lieferbarer Titel

Rendezvous mit einem Mörder · Tödliche Küsse · Eine mörderische Hochzeit · Bis in den Tod · Der Kuss des Killers · Mord ist ihre Leidenschaft · Liebesnacht mit einem Mörder · Der Tod ist mein · Ein feuriger Verehrer · Spiel mit dem Mörder · Sündige Rache · Symphonie des Todes · Das Lächeln des Killers · Einladung zum Mord · Tödliche Unschuld · Der Hauch des Bösen · Das Herz des Mörders · Im Tod vereint · Tanz mit dem Tod · In den Armen der Nacht · Stich ins Herz · Stirb, Schätzchen, stirb · In Liebe und Tod · Sanft kommt der Tod · Mörderische Sehnsucht · Ein sündiges Alibi · Im Namen des Todes · Tödliche Verehrung · Süßer Ruf des Todes · Sündiges Spiel · Mörderische Hingabe · Verrat aus Leidenschaft · In Rache entflammt · Tödlicher Ruhm · Verführerische Täuschung · Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas · Mörderstunde. Drei Fälle für Eve Dallas

Nora Roberts ist J. D. Robb

Ein gefährliches Geschenk

J. D. Robb

Aus süßer Berechnung

Roman

Deutsch von Uta Hege

Die Originalausgabe erschien 2013

unter dem Titel »Calculated in Death« bei G. P. Putnam’s Sons,

a member of Penguin Group (USA) Inc., New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © der Originalausgabe 2013 by Nora Roberts

Published by Arrangement with Eleanor Wilder

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe

by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Regine Kirtschig

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: iStock.com/JChaicom

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

LH · Herstellung: sam

ISBN: 978-3-641-22460-8V003

www.blanvalet.de

Dem Armen mangelt viel, dem Geizigen hingegen alles.

Publilius Syrus

Geld ohne Ehre ist eine Krankheit.

Balzac

1

Ein mörderischer Wind blies ihr die bitterkalte Luft der Novembernacht entgegen, und sie hatte das Gefühl, als schabe er mit spitzen kleinen Messern sorgfältig das Fleisch von ihren Fingern ab. Sie hatte wieder einmal ihre Handschuhe vergessen, aber das war nicht schlimm, denn sonst hätte sie sie wahrscheinlich wie bereits so viele teure Paare Handschuhe bei der Arbeit ruiniert.

Lieutenant Eve Dallas steckte die steifgefrorenen Hände in die warmen Taschen ihres Mantels und sah sich die Tote an.

Sie lehnte unterhalb der kurzen Treppe, über die man in das Souterrain des Hauses kam, an einer Wand, ihr verdrehter Kopf wies auf einen Genickbruch hin, was sie auch ohne Untersuchung durch den Pathologen erkannte.

Eve schätzte sie auf Mitte vierzig. Sie trug keinen Mantel, doch der kalte Wind machte ihr nichts mehr aus. Sie war geschäftsmäßig gekleidet – Hosenanzug, Rollkragenpullover, ordentliche, flache Boots. Wahrscheinlich waren ihre Sachen alles andere als billig, aber die Beurteilung des Outfits überließ Eve am besten ihrer Partnerin Detective Peabody, wenn die erschien.

Eve sah keinen Schmuck und keine Uhr am Arm der Frau.

Keine Hand- und keine Aktentasche auf dem Boden.

Keinen Müll und keine Schmierereien an der Hauswand.

Nur die Tote, die zusammengesunken an der Wand lehnte, als wäre sie dort eingenickt.

Sie wandte sich an die Kollegin, die zuerst vor Ort gewesen war. »Was können Sie mir berichten?«

»Der Notruf kam um 2.12 Uhr. Mein Partner und ich waren gerade in der Nähe und haben uns etwas aus dem Supermarkt geholt. Zwei Minuten später sind wir hier eingetroffen. Der Eigentümer des Gebäudes, ein gewisser Bradley Whitestone, und Alva Moonie standen auf dem Bürgersteig. Whitestone sagte aus, die Wohnung würde gerade renoviert und wäre deshalb unbewohnt. Als er sie Moonie zeigen wollte, haben sie die tote Frau entdeckt.«

»Er wollte ihr um zwei Uhr nachts eine Wohnung zeigen?«

»Ja, Ma’am. Die beiden haben ausgesagt, sie wären erst in einem Restaurant und dann in einer Bar gewesen. Tatsächlich sind sie beide ziemlich alkoholisiert.«

»Okay.«

»Mein Partner hat gesagt, dass sie sich zu ihm in den Wagen setzen sollen, weil Sie doch sicher noch mit ihnen sprechen wollen.«

»Ja, natürlich. Aber das hat noch ein bisschen Zeit.«

»Wir konnten nur noch feststellen, dass die Frau nicht mehr am Leben ist. Einen Ausweis, eine Tasche, Schmuck und einen Mantel haben wir nirgendwo entdeckt. Sie hat augenscheinlich ein gebrochenes Genick und weist ein paar sichtbare Verletzungen wie eine Schürfwunde an einer Wange und eine aufgeplatzte Lippe auf. Wirkt wie ein eskalierter Überfall. Aber … so fühlt es sich irgendwie nicht an«, schränkte die Beamtin leicht errötend ein.

Eve nickte interessiert. »Warum?«

»Auf keinen Fall wollte ihr irgendwer einfach die Handtasche entreißen, denn dann hätte sie ihren Mantel noch an. Es hat bestimmt etwas gedauert, ihn ihr auszuziehen. Wenn sie gefallen wäre, oder wenn sie irgendwer gestoßen hätte, müsste sie am Fuß der Treppe liegen, statt dort drüben an der Wand zu lehnen, wo man sie vom Gehweg aus nicht sofort sehen kann. Es kommt mir so vor, als hätte jemand sie dort versteckt.«

»Sind Sie scharf auf einen Job in meinem Dezernat, Officer Turney?«

»Ich wollte nicht respektlos sein, Lieutenant.«

»Das waren Sie auch nicht. Natürlich könnte der Genickbruch auch die Folge eines unglücklichen Sturzes sein. Der Angreifer ist ihr gefolgt, hat sie an einen Fleck geschleift, wo sie nicht gleich zu sehen ist und hat sich dann den Mantel und den Rest geholt.«

»Ja, Ma’am«, stimmte Turney ihr mit leisem Zweifel in der Stimme zu.

Und auch Eve meinte: »Aber so fühlt es sich nicht an. Allerdings brauchen wir mehr als einfach ein Gefühl. Bleiben Sie auf Ihrem Posten, Officer. Detective Peabody ist unterwegs.« Noch während sie dies sagte, zog sie ihren Untersuchungsbeutel auf, nahm das Versiegelungsspray heraus und sprühte sich die Hände und die Stiefel ein.

In dieser Ecke der New Yorker East Side war es – wenigstens um diese Uhrzeit – ziemlich ruhig. Die meisten Wohnungen und Schaufenster lagen im Dunkeln, denn die Läden und sogar die Kneipen hatten längst schon geschlossen. Natürlich gab es auch ein paar Lokale, die spätabends noch geöffnet waren, aber um dort potenzielle Tatzeugen zu finden, waren sie zu weit vom Fundort der Verstorbenen entfernt.

Selbstverständlich würden sie sich bei den Nachbarn umhören, doch die Chance, dass irgendjemand mitbekommen hätte, was passiert war, war eher gering. Vor allem aufgrund der eisigen Umklammerung, mit der das Jahr 2060 darauf bestand, erst in ein paar Wochen zu Ende zu gehen, hatten sich die meisten Menschen sicher längst allein oder mit ihren Partnern unter warme Bettdecken gekuschelt wie sie selbst, bevor der Anruf der Zentrale bei ihr eingegangen war.

Das war der Preis, den sie und Roarke dafür bezahlten, dass sie Polizistin und er ihr Ehemann war.

Sie nahm die wenigen Stufen bis zum Souterrain und sah sich kurz die Eingangstür der Wohnung an, bevor sie dicht neben der Toten in die Hocke ging.

Ja, sie sah wie Mitte vierzig aus, mit sorgfältig aus dem Gesicht gebundenem, hellbraunem Haar, einer leichten Abschürfung am rechten Wangenknochen und ein wenig Blut an ihrer aufgeplatzten Unterlippe, das inzwischen angetrocknet war. Sie hatte Löcher in den Ohren, und falls sie Ohrringe getragen hatte, hatte der Mörder sie nicht einfach herausgerissen, sondern sich die Zeit genommen, sie ordentlich zu entfernen.

Eve hob eine der Hände des Opfers an und nahm die Abschürfung am Handballen wahr. Als hätte sich die Frau an den Fasern eines Teppichs verbrannt, sinnierte sie und drückte dann den rechten Daumen der toten Frau auf ihren Identifizierungspad.

Marta Dickenson, eine gemischtrassige Frau von sechsundviezerig Jahren. Verheiratet mit Denzel Dickenson, zwei Kinder, wohnhaft in der Upper East und bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen, dessen Firmensitz acht Blocks entfernt lag, angestellt.

Eve zog ihre Messgeräte aus dem Untersuchungsset und ihre eigenen, kurzen, braunen Haare flatterten im Wind. Die bernsteinbraunen Augen blieben kühl und ausdruckslos, denn im Moment dachte sie noch nicht an den Ehemann, die Kinder, die Familie und die Freunde des Opfers, sondern an den Leichnam selbst, die Position, in der er sich befand, die Gegend und den Tod, der ihrer Messung nach um 22.50 Uhr eingetreten war.

Was hast du hier getrieben, Marta, in einer eisigen Novembernacht acht Häuserblocks von deinem Arbeitsplatz und mindestens genauso weit von deinem Heim entfernt?

Eve lenkte den Strahl der Taschenlampe auf die Hose, zupfte mit einer Pinzette ein paar blaue Fasern von dem schwarzen Stoff und tütete sie ein.

Als über ihrem Kopf die Stimme ihrer Partnerin erklang, richtete Eve sich wieder auf, sodass der lange Ledermantel um ihre schlanke, hochgewachsene Gestalt schwang, als sie sich umdrehte und Peabody – oder zumindest deren Beine – auf der Treppe sah.

Im Gegensatz zu ihr hatte die Partnerin natürlich nicht vergessen, Handschuhe und Mütze anzuziehen. Eine – Himmel – pinkfarbene Skimütze mit einem kessen, kleinen Bommel, die sie sich so tief wie möglich in die Stirn gezogen hatte und die farblich zu den Cowboystiefeln passte, die sie sicher nicht mal auszog, wenn sie abends schlafen ging. Dazu hatte sie sich einen Schal in allen Regenbogenfarben mehrfach um den Hals geschlungen und eine dick wattierte, pflaumenblaue Jacke an.

»Wie können Sie sich in all diesen Klamotten überhaupt noch bewegen?«

»Ich bin bis zur U-Bahn und dann von der U-Bahn bis hierher gelaufen, ohne dass mir kalt geworden ist. Meine Güte.« Ein Ausdruck des Mitleids huschte über ihr Gesicht. »Sie hat ja nicht mal einen Mantel an.«

»Ich glaube nicht, dass sie das jetzt noch stört. Marta Dickenson«, erklärte Eve und zählte alles auf, was sie bisher herausgefunden hatte.

»Von ihrem Büro und auch von ihrer Wohnung aus ist es ein ziemliches Stück bis hierher. Vielleicht war sie ja auf dem Heimweg von der Arbeit, aber warum hat sie bei dieser Eiseskälte nicht die U-Bahn genommen?«

»Das ist eine gute Frage. Die Wohnung hier steht leer, denn sie wird gerade renoviert. Ziemlich praktisch, finden Sie nicht auch? So, wie sie da in der Ecke sitzt, hätte man sie eigentlich erst morgen früh entdecken sollen.«

»Weshalb sollte sich ein Straßenräuber dafür interessieren, wann die Frau gefunden wird?«

»Auch das ist eine gute Frage. Aber falls er Wert darauf gelegt hat, ist die nächste Frage, woher er gewusst hat, dass hier gerade niemand wohnt.«

»Vielleicht wohnt er ja in der Gegend, oder vielleicht arbeitet er bei der Firma, die die Wohnung renoviert.«

»Vielleicht. Ich will mich auch noch in der Wohnung umsehen, aber vorher rede ich mit den Leuten, die die Polizei verständigt haben. Bestellen Sie schon mal den Pathologen, ja?«

»Was ist mit der Spurensicherung?«

»Noch nicht.«

Eve nahm die Treppe Richtung Bürgersteig und lief entschlossen auf den Streifenwagen zu. Noch bevor sie ihn erreichte, stieg der Mann, der auf dem Rücksitz hockte, aus.

»Sind Sie diejenige, die hier das Sagen hat?«, stieß er mit nervöser Stimme aus.

»Ich bin Lieutenant Dallas«, stellte sie sich vor und sah ihn fragend an. »Mr. Whitestone?«

»Ja. Ich…«

»Sie haben die Polizei verständigt.«

»Ja. Ja, gleich, als wir sie dort … sitzen sahen. Sie war … wir waren …«

»Sie sind der Eigentümer dieser Wohnung?«

»Ja.« Der attraktive Mann von Anfang dreißig atmete tief ein und blies dann eine weiße Nebelwolke aus. Als er wieder etwas sagte, hatte seine Stimme einen ruhigen, nachdenklichen Klang. »Tatsächlich gehört mir und meinen Partnern das gesamte Haus. Es gibt außer der Wohnung hier im Souterrain noch acht andere Wohnungen im dritten und im vierten Stock.« Sein Blick wanderte an dem Haus hinauf. Auch er trug keine Mütze, merkte Eve, wurde aber von dem schwarzen Wollmantel und dem schwarz-rot gestreiften Schal anscheinend ausreichend gewärmt.

»Mir gehört die Wohnung in der untersten Etage«, fuhr er fort. »Wir renovieren gerade das gesamte Haus und ziehen dann mit unserer Firma in den ersten und den zweiten Stock.«

»Was für eine Firma haben Sie?«

»Wir sind Finanzberater, die Firma hat den Namen WIN. Whitestone, Ingersol und Newton. W-I-N.«

»Verstehe.«

»Ich werde selbst in diese Wohnung ziehen, zumindest hatte ich das vor. Wobei ich mir jetzt nicht sicher bin …«

»Warum erzählen Sie mir nicht erst mal, wie Ihr Abend abgelaufen ist?«, schlug Eve ihm vor.

»Brad?«

»Bleib im Wagen sitzen, Alva. Dort ist es zumindest warm.«

»Ich sitze hier jetzt schon seit einer halben Ewigkeit.« Die Frau, die aus dem Streifenwagen glitt, war blond und gertenschlank, trug irgendeinen Pelz und schenkelhohe Lederstiefel mit so hohen, dünnen Absätzen, dass Eve verstehen konnte, dass sie haltsuchend ihren Arm durch den von Whitestone schob.

Rein optisch wirkten sie wie das ideale Paar. Sie waren beide attraktiv und gut gekleidet, und sie standen beide sichtlich unter Schock.

»Lieutenant Dallas.« Alva reichte ihr die Hand. »Erinnern Sie sich noch an mich?«

»Nein.«

»Wir sind uns letztes Frühjahr während der Big Apple Gala kurz begegnet. Ich sitze in dem Komitee, das diese Gala ausgerichtet hat. Aber egal.« Sie schüttelte den Kopf, während der Wind die meterlangen Haare über ihre Schultern blies. »Das ist einfach entsetzlich. Diese arme Frau. Nicht mal ihren Mantel haben sie ihr gelassen. Ich weiß nicht, warum mir das so nahegeht, aber irgendwie kommt es mir besonders grausam vor.«

»Hat einer von Ihnen die Leiche angefasst?«

»Nein«, ergriff Whitestone abermals das Wort. »Wir waren essen, danach waren wir noch auf ein paar Drinks in einer Bar. Im Key Club, nur zwei Blocks von hier entfernt. Ich habe Alva von den Renovierungsarbeiten erzählt, und da sie sich dafür interessiert hat, sind wir noch hierher spaziert, um uns die Wohnung anzusehen. Sie ist fast fertig, also … aber während ich den Code eingeben wollte und den Schlüssel aus der Tasche zog, schrie Alva plötzlich los. Ich selbst hatte die Frau bis dahin gar nicht gesehen. Ich habe diese Frau erst in der Ecke lehnen sehen, als Alva schrie.«

»Sie saß ganz hinten in der Ecke«, führte Alva aus. »Obwohl ich laut geschrien habe, dachte ich zunächst, sie wäre eine Obdachlose oder so. Mir war nicht sofort klar … doch dann war es nicht mehr zu übersehen. Wir konnten deutlich sehen, dass sie nicht mehr am Leben ist.«

Sie lehnte sich an Whitestone, der schützend den Arm um sie legte. »Wir haben sie nicht angerührt«, erklärte er. »Natürlich bin ich näher rangegangen, aber ich konnte sehen … ich konnte sehen, dass ihr nicht mehr zu helfen war.«

»Brad wollte, dass ich hinein ins Warme gehe, aber das hätte ich nicht über mich gebracht. Ich konnte nicht in seiner warmen Wohnung warten, während sie hier draußen in der Kälte saß. Die Polizei kam dann wirklich schnell.«

»Mr. Whitestone«, meinte Eve. »Ich brauche eine Liste mit den Namen Ihrer Partner und der Leute, die hier arbeiten.«

»Natürlich.«

»Bitte geben Sie die Liste und Ihre Kontaktinformationen meiner Partnerin. Dann können Sie nach Hause fahren. Wir melden uns später noch einmal.«

»Wir können gehen?«, fragte Alva überrascht.

»Für heute ja. Ich hätte gerne die Erlaubnis, mich in dem Gebäude und speziell hier unten in der Wohnung umzusehen.«

»Sicher. Alles, was Sie brauchen. Ich habe die Codes und die Schlüssel hier.«

»Ich habe einen Generalschlüssel. Falls es Probleme gibt, weiß ich ja, wo ich Sie erreichen kann.«

Eve wandte sich zum Gehen, doch Alva rief ihr hinterher: »Bei unserem ersten Treffen, Lieutenant, dachte ich, die Arbeit, die Sie leisten, wäre glamourös. Wegen des Icove-Falls, der bald als Film in alle Kinos kommt. Das alles wirkte furchtbar aufregend auf mich. Aber das ist es nicht.« Sie blickte wieder Richtung Treppe. »Es ist hart und traurig.«

»Das ist Teil meines Jobs«, gab Eve zurück und wandte sich Officer Turney zu. »Die Nachbarschaft befragen wir erst morgen früh. Ich glaube nicht, dass irgendwer uns viel erzählen will, wenn er um diese Uhrzeit aus dem Bett gerissen wird. Nicht nur die Wohnung, sondern das gesamte Haus steht augenblicklich leer. Sorgen Sie dafür, dass unsere Zeugen heimgefahren werden, ja? Von welcher Wache sind Sie, Turney?«

»Wir sind vom 136. Revier.«

»Und wer ist Ihr Vorgesetzter?«

»Sergeant Gonzales, Ma’am.«

»Wenn Sie die Nachbarn mit uns befragen wollen, seien Sie um halb acht wieder hier. Ich kläre das mit Ihrem Boss.«

»Sehr gerne, Ma’am.« Beinahe hätte die Beamtin vor ihr salutiert.

Lächelnd kehrte Eve zurück zum Fuß der Treppe, schob den Generalschlüssel ins Schloss und öffnete die Wohnungstür.

»Licht an«, bat sie, und sofort wurde es taghell.

Der bisher nicht möblierte Wohnbereich bot jede Menge Platz. Die bereits gestrichenen Wände schimmerten wie Brot, das frisch getoastet worden war, und der nicht mit Planen abgedeckte Teil des dunklen Holzbodens verströmte einen warmen Glanz. Die ordentlich entlang der Wände aufgetürmten Arbeitsmaterialien zeugten davon, dass die Renovierung noch nicht völlig abgeschlossen war.

Trotzdem wirkte alles ordentlich und aufgeräumt, weshalb also war eine Plane anders als die anderen nicht ganz glatt gezogen und ließ einen Teil des Bodens frei?

»Sieht aus, als wäre irgendwer dort ausgerutscht, oder als hätte dort ein Kampf stattgefunden«, meinte sie und nahm den Raum mit dem Videorekorder, der am Aufschlag ihres Mantels klemmte, auf.

Dann bückte sie sich nach der Plane, zog sie glatt und stellte fest: »Jede Menge Farbspritzer, aber zugleich …«

Sie richtete den Strahl von ihrer Taschenlampe auf die Plastikfolie und erklärte: »Ja, genau, das sieht nach Blut aus. Nur ein paar kleine Spritzer, aber immerhin …«

Sie nahm eine kleine Probe, markierte die Stelle für die Spurensicherung und ging dann weiter in die große Küche, deren ebenfalls schimmernde Oberflächen unter zusätzlichen Schutzplanen verborgen waren.

Nach dem ersten Durchgang durch das Schlafzimmer, das Gäste- oder Arbeitszimmer und die beiden Bäder tauchte Peabody an ihrer Seite auf.

»Ich habe schon einmal mit der Überprüfung unserer Zeugen angefangen«, meinte ihre Partnerin. »Die Frau ist zwar nicht ganz so reich wie Roarke, aber auf jeden Fall betucht genug, damit sie sich den Mantel und die wirklich tollen Stiefel ganz problemlos leisten kann.«

»Das war ihr deutlich anzusehen.«

»Auch er nagt nicht gerade am Hungertuch. Sohn reicher Eltern, aber er verdient auch selbst nicht gerade schlecht. Vor zehn Jahren ist er mal wegen Trunkenheit am Steuer aufgefallen, und sie wird ständig irgendwo geblitzt, vor allem, wenn sie auf dem Weg zu ihrem Grundstück in den Hamptons ist.«

»Wir wissen schließlich alle, wie es ist, wenn man dringend in die Hamptons muss. Was sehen Sie, wenn Sie sich hier umsehen, Peabody?«

»Sehr gute Arbeit, Liebe zum Detail, gut angelegtes Geld und einen Eigentümer, der sich diese gute Arbeit und die Liebe zum Detail problemlos leisten kann. Und …« Sie wickelte sich ein paar Meter ihres bunten Schals vom Hals und trat auf die verrutschte Plane zu. »… ein paar kleine Flecken auf der Folie, die wie Blut aussehen.«

»Die anderen Planen liegen alle völlig glatt. Nur diese war verschoben wie ein Läufer, über den jemand gestolpert ist.«

»Auf einer Baustelle kann es schon mal zu Unfällen kommen, aber …«

»Ja, genau. Blut auf einer Plane und dazu die Leiche vor der Tür. Sie hat eine aufgeplatzte Lippe, aber die hat nur ganz leicht geblutet, also hat womöglich niemand mitbekommen, dass etwas auf der Plane hier gelandet ist.«

»Sie haben sie hier reingebracht?« Peabody sah stirnrunzelnd in Richtung Tür. »Mir sind bisher keine Spuren eines Einbruchs aufgefallen, aber ich sehe gleich noch einmal nach.«

»Sie haben die Tür nicht aufgebrochen. Vielleicht haben sie das Schloss geknackt, doch dafür braucht man Zeit. Sie hatten also entweder den Zugangscode oder ein echt gutes Lesegerät dabei.«

»Das heißt, es ist kein eskalierter Straßenraub.«

»Nein. Wobei der Killer alles andere als clever vorgegangen ist. Wenn er stark genug war, um ihr das Genick zu brechen, warum hat er sie dann erst noch geschlagen? Darauf deuten wenigstens die aufgeschürfte rechte Wange und die aufgeplatzte Unterlippe hin.«

»Dann ist er also vorher mit den Fäusten auf sie losgegangen?«

»Nein, ich glaube, er hat ihr nur eine mit der flachen Hand gescheuert. Das machen Typen, um Frauen zu erniedrigen. Sie schlagen mit den Fäusten zu, wenn sie betrunken oder sauer sind und ihnen scheißegal ist, ob jemand die Folgen ihrer Schläge sieht. Mit der flachen Hand schlagen sie zu, um einzuschüchtern oder wehzutun. Vor allem sieht es aus, als hätte unser Täter mit der Rückhand zugeschlagen und die Wange seines Opfers dabei mit den Knöcheln aufgeschürft.«

Sie hatte selbst bereits genügend Schläge ins Gesicht bekommen, um zu wissen, wovon sie sprach.

»Er war beherrscht und schlau genug, um nicht mit den Fäusten auf sie einzudreschen«, fuhr sie fort. »Aber zu dumm, um keine Spuren zu hinterlassen oder die verdammte Plane einfach mitzunehmen, als er abgehauen ist. Die Abschürfung an ihrem rechten Handballen und die blauen Fasern, die sie an der Hose hat, könnten von einem Teppich stammen, der in einem Fahrzeug lag.«

»Sie denken, jemand hätte sich die Frau geschnappt und sie in einem Wagen hergefahren.«

»Das könnte durchaus sein. Er hat sie hierhergeschafft, in diese leere Wohnung, und dann seinen Job gemacht. Er war schlau genug, die Wertsachen und den Mantel seines Opfers mitzunehmen, damit es aussieht wie ein Straßenraub, der aus dem Ruder gelaufen ist. Aber ihre Stiefel hat er hiergelassen. Anständige Stiefel, die noch ziemlich neu aussehen. Wenn sich ein Straßenräuber die Zeit genommen hätte, um der Frau den Mantel auszuziehen, warum hätte er ihr dann die teuren Stiefel anlassen sollen?«

»Wenn er sie hierhergebracht hat, brauchte er anscheinend Zeit und Ruhe. Aber vergewaltigt hat er sie wohl nicht, denn weshalb hätte er sie danach wieder anziehen sollen?«

»Ich schätze, dass sie auf dem Weg zur oder von der Arbeit war.«

»Sie war auf dem Heimweg, ihr Mann hatte bereits die Polizei verständigt, weil er Angst hatte, ihr wäre was passiert. Sie war heute länger im Büro, aber um kurz nach zehn hat sie ihn angerufen und gesagt, sie würde sich jetzt auf den Weg machen und wäre spätestens in einer halben Stunde zu Hause.«

»Das sind aber ziemlich viele Infos für eine Vermisstenanzeige«, meinte Eve. »Vor allem, wenn es um eine erwachsene Frau geht, mit der man vor zwei Stunden noch gesprochen hat.«

»Das fand ich auch, deshalb habe ich den Ehemann zur Vorsicht auch noch überprüft. Und raten Sie einmal, wer Denzel ist? Der jüngere Bruder von Gennifer Yung.«

»Das hat mir gerade noch gefehlt.« Eve atmete vernehmlich aus. »Das macht’s nicht wirklich einfacher für uns.«

»Das glaube ich auch«, stimmte Peabody ihr zu.

»Bestellen Sie die Spurensicherung, und sagen Sie, die Sache wäre wirklich wichtig, denn wir haben es schließlich mit der toten Schwägerin einer Richterin zu tun.«

Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und dachte nach. Sie hatte eigentlich erst einmal zum Büro des Opfers fahren, sich den Weg ansehen und ein Gefühl für die Umgebung kriegen wollen, bevor es zum Haus des Opfers ginge, um zu sehen, wie weit der Weg normalerweise war. Doch jetzt …

»Der Ehemann der Toten läuft wahrscheinlich schon seit Stunden in der Wohnung auf und ab. Also lassen Sie uns hinfahren und ihm die schlechte Botschaft überbringen.«

»Ich hasse diesen Teil von unserer Arbeit«, murrte Peabody.

»Wenn Sie ihn eines Tages nicht mehr hassen, sollten Sie sich schnellstmöglich nach einem anderen Job umsehen.«

Die Dickensons bewohnten eines von vier Penthäusern mit Dachgarten in einem würdevollen Gebäude ganz aus grauem Stein und Glas in einer Nachbarschaft, in der Gehwege und Parks mit Kindermädchen und professionellen Hundesittern bevölkert waren.

Um in das Gebäude zu gelangen, musste sie sich erst mit dem Computer auseinandersetzen, der nachts anstelle des Portiers die Tür bewachte und der reinste Schießhund war.

»Lieutenant Eve Dallas und Detective Delia Peabody.« Sie zückte ihre Dienstmarke und hielt sie vor den kleinen Monitor. »Wir müssen zu Denzel Dickenson in Penthouse B.«

Bitte nennen Sie den Grund Ihres Besuchs, forderte der dämliche Computer sie mit butterweicher Stimme auf.

»Der geht dich einen feuchten Kehricht an. Lies die verdammte Marke ein, und mach endlich die Tür auf, ja?«

Es tut mir leid, doch eine Einladung durch Penthouse B liegt mir nicht vor, und außer, wenn es sich um einen Notfall handelt, ist der Zugang zum Gebäude ohne die entsprechende Genehmigung durch die Verwaltung oder einen der Bewohner nicht gestattet.

»Hör zu, du dämliches Stück Scheiße. Ich kann nichts dafür, dass du statt eines Hirns nur ein paar Chips im Kasten hast. Es geht um offizielle polizeiliche Ermittlungen, also lies endlich meine Marke ein und gib die Tür frei, wenn ich nicht die Hausverwaltung, die Security und sämtliche Bewohner wegen Strafvereitelung belangen und dich verschrotten lassen soll.«

Die Verwendung von Schimpfworten ist nicht …

»Wenn du uns nicht sofort reinlässt, fallen mir noch jede Menge anderer Beleidigungen für dich ein. Peabody, rufen Sie Reo an, damit sie Haftbefehle gegen die Verwaltung und Bewohner des Gebäudes hier erwirkt. Wollen wir doch mal sehen, wie es ihnen gefällt, wenn sie um diese Zeit in Handschellen aufs Revier verfrachtet werden, nur weil dieser Blechgott uns den Zugang zu dem Haus verwehrt.«

»Mit Vergnügen, Lieutenant.«

Bitte lassen Sie mich Ihre Dienstmarke noch einmal überprüfen, und legen Sie die Hand auf das neben dem Eingang installierte Handlesegerät.

Eve zückte mit der einen Hand die Marke, während sie die andere auf den Scanner klatschen ließ. »Jetzt mach endlich auf.«

Die Überprüfung wurde abgeschlossen, und der Zugang wird gestattet.

Sie marschierten durch die Tür und durch die elegant mit schwarzem Marmor ausgelegte Eingangshalle auf den schimmernd weißen Fahrstuhl zu, neben dem zwei riesengroße Urnen voll stacheliger, leuchtend roter Blumen standen.

Bitte warten Sie, bis Mr. oder Mrs. Dickenson Sie einlädt raufzufahren.

»Sonst noch was, du blöde Blechbüchse?« Sie stapfte durch die offene Tür des Lifts und ihre Partnerin stürzte ihr eilig hinterher.

»Penthouse B«, wies sie den Fahrstuhl an. »Und falls du irgendwelche Scherereien machst, ziele ich mit meinem Stunner geradewegs auf deine Hauptplatine, das verspreche ich.«

Geschmeidig glitt der Lift nach oben und mit einem breiten Grinsen meinte Peabody: »Das hat echt Spaß gemacht.«

»Ich hasse es, wenn ein Computer meint, dass er mich vorführen kann.«

»Nun, im Grunde werden Sie nicht vom Computer selber, sondern eher vom Programmierer vorgeführt.«

»Sie haben recht. Verdammt, Sie haben recht. Machen Sie sich eine Notiz, dass Sie herausfinden, wer der Programmierer dieser blöden Kiste ist.«

»Das wird bestimmt noch lustiger als Ihre Auseinandersetzung mit dem Ding.«

Das Lächeln ihrer Partnerin verflog, sobald der Fahrstuhl hielt. »Im Gegensatz zu unserem Besuch bei Denzel Dickenson.«

Sie gingen zum Penthouse B, das ebenfalls sehr gut mit Handlesegerät, Spion und Kamera gesichert war, und als Eve auf die Klingel drückte, hörte sie ein gut gelauntes »Hi!«

Die Stimme eines Kindes, dachte sie verwirrt.

»Willkommen bei den Dickensons«, grüßte die Jungenstimme und dann stellten Denzel, Marta, Annabelle und Zack sich nacheinander vor. Zum Abschluss hörte man das dumpfe Bellen eines Hundes und nach einem »Das ist Cody« fügte Zack hinzu: »Und wer sind Sie?«

»Ah …« Da sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte, hielt Eve ihre Marke vor die Kamera.

Die Marke wurde eingescannt und kurz darauf verkündete die Stimme des Geräts: Die Identifizierung wurde abgeschlossen. Einen Augenblick bitte.

Tatsächlich sprang bereits nach einem Augenblick das grüne Lämpchen an, und ein erschöpft wirkender Mann in grauem Sweatshirt, dunkelblauer Jogginghose sowie abgetragenen Laufschuhen machte ihnen auf. Er hatte kurz geschnittenes, leicht gewelltes Haar, einen schokoladenbraunen Teint und seine beinahe schwarzen Augen drückten bei Eves Anblick nacheinander Hoffnung, Angst und schließlich Trauer aus.

»Nein. Nein. Nein.« Er sackte auf die Knie und schlang sich die Arme um den Bauch, als hätte sie ihm einen Tritt verpasst.

Sofort hockte Peabody sich neben ihn. »Mr. Dickenson.«

»Nein«, stieß er zum vierten Mal mit rauer Stimme aus, während ein Hund, der größer als ein Shetlandpony war, aus Richtung Wohnzimmer getrottet kam. Der Hund blickte auf Eve, während sie noch überlegte, ob sie diese Bestie betäuben sollte, legte er sich auf den Bauch und robbte winselnd auf sein Herrchen zu.

»Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf die Beine. Kommen Sie, ich führe Sie zu einem Stuhl«, bot Peabody dem Witwer an.

»Marta. Nein. Ich kenne Sie. Sie sind Dallas. Sie sind Mordermittlerin. Oh nein.«

Da ihr Mitgefühl das Misstrauen gegenüber großen Hunden überwog, hockte auch Eve sich vor ihn hin. »Mr. Dickenson, wir müssen reden.«

»Sagen Sie es nicht. Nein, sagen Sie es nicht.« Er hob den Kopf und starrte sie verzweifelt an. »Bitte, sagen Sie es nicht.«

»Es tut mir leid.«

Er brach in lautes Schluchzen aus. Schlang die Arme um den Hund, wippte auf den Knien und brach in hemmungsloses Schluchzen aus.

Aber es musste ausgesprochen werden. Für das Protokoll und, wie sie wusste, auch für ihn.

»Mr. Dickenson, es tut mir leid, aber ich muss Sie darüber informieren, dass Ihre Frau nicht mehr am Leben ist. Es tut uns wirklich leid.«

»Marta. Marta. Marta«, sprach er ihren Namen wie ein Mantra aus.

»Können wir jemanden für Sie anrufen?«, erkundigte sich Peabody mit sanfter Stimme. »Ihre Schwester oder vielleicht eine Nachbarin?«

»Wie? Was ist passiert?«

»Vielleicht sollten wir uns erst mal setzen«, meinte Eve.

Er starrte sie mit großen Augen an, bevor er zitternd ihre ausgestreckte Hand ergriff. Er war ein großer, gut gebauter Mann, nur zu zweit schafften sie es, ihn hochzuziehen, bis er schwankend zwischen ihnen stand.

»Ich kann nicht … was?«

»Wir werden uns jetzt erst einmal setzen.« Sachte, doch entschlossen führte Peabody den Mann ins Wohnzimmer, das groß, aber mit all den Farben und den vielen Sachen, die eine Familie mit zwei Kindern und mit einem Riesenhund hatte, freundlich und gemütlich war. »Ich werde Ihnen ein Glas Wasser holen, okay?«, fuhr sie mit ruhiger Stimme fort. »Soll ich Ihre Schwester kontaktieren?«

»Genny? Ja, rufen Sie Genny an.«

»Also gut. Und Sie setzen sich erst mal hin.«

Ermattet ließ er sich in einen Sessel sinken, sofort legte der Hund die riesigen Vorderpfoten und den massiven Schädel auf den Beinen seines Herrchens ab.

Während Peabody sich auf die Suche nach der Küche machte, wandte Denzel sich an Eve. Noch immer strömten Tränen über sein Gesicht, der anfängliche Schock über das Auftauchen der Polizei hingegen hatte sich gelegt.

»Marta. Wo ist Marta?«

»Unser Pathologe kümmert sich um sie.« Obwohl sie sah, dass Dickenson zusammenzuckte, fuhr sie fort. »Wir kümmern uns um sie. Ich weiß, das ist sehr schwer für Sie, aber ich müsste Ihnen ein paar Fragen stellen.«

»Sagen Sie mir, was passiert ist. Ich muss wissen, was passiert ist. Sie hätte heimkommen sollen. Warum ist sie nicht heimgekommen?«

»Das müssen wir herausfinden. Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt zu Ihrer Frau?«

»So gegen zehn. Sie war noch im Büro, rief aber an, um mir zu sagen, dass sie Feierabend macht. Ich habe ihr gesagt, lass dich fahren, Marta, ruf die Fahrbereitschaft an. Sie hat gesagt, ich sollte nicht so ängstlich sein, aber ich wollte nicht, dass sie allein zur U-Bahn läuft oder an der Straße auf ein Taxi warten muss. Es ist heute Abend so entsetzlich kalt.«

»Und, hat sie sich fahren lassen?«

»Nein. Sie hat mich ausgelacht und mir erklärt, der kurze Weg zur U-Bahn durch die frische Luft täte ihr gut. Sie hätte fast den ganzen Tag am Schreibtisch zugebracht und sie – sie wollte fünf Pfund abnehmen. Oh Gott. Oh Gott. Was ist passiert? Hatte sie einen Unfall? Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind Mordermittlerin. Jemand hat Marta umgebracht. Jemand hat meine Frau, hat meine Marta umgebracht. Aber warum? Warum?«

»Wissen Sie, ob irgendwer ihr etwas antun wollte?«

»Nein. Auf keinen Fall. Da gibt es niemanden. Ganz sicher nicht. Es gibt nicht einen Menschen auf der Welt, der sie nicht leiden kann.«

Peabody kam zurück und hielt ihm ein Glas Wasser hin. »Ihre Schwester und Ihr Schwager kommen gleich.«

»Danke. War es ein Überfall? Aber das kann auch nicht sein. Wenn sie überfallen worden wäre, hätte sie freiwillig alles rausgerückt. Als wir beschlossen haben, in der Stadt wohnen zu bleiben, haben wir uns gegenseitig in die Hand versprochen, nie ein unnötiges Wagnis einzugehen. Schließlich haben wir zwei Kinder.« Abermals brach er in wildes Zittern aus. »Die Kinder. Was soll ich nur unseren Kindern sagen? Wie in aller Welt soll ich es unseren Kindern erklären?«

»Sind Ihre Kinder hier?«, erkundigte sich Eve.

»Ja, natürlich. Sie schlafen und erwarten, dass sie morgen früh beim Aufstehen ihre Mutter sehen. Sie ist morgens vor der Schule immer hier.«

»Ich muss Ihnen diese Frage stellen, Mr. Dickenson. Gab es zwischen Ihnen und Ihrer Frau Probleme?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin Anwalt, und da meine Schwester Strafrichterin ist, ist mir bewusst, dass ich erst einmal verdächtig bin.« Wieder füllten seine Augen sich mit Tränen, und mit rauer Stimme bat er: »Also bringen wir es einfach hinter uns. Aber sagen Sie mir vorher, was mit meiner Frau passiert ist. Sagen sie mir erst, wie Marta umgekommen ist.«

Am besten fasste sie sich möglichst kurz. »Ihre Leiche wurde heute Nacht um kurz nach zwei circa acht Häuserblocks von ihrem Arbeitsplatz entfernt entdeckt. Sie lehnte mit gebrochenem Genick am Fuß der Eingangstreppe eines Hauses.«

Er atmete vernehmlich aus und ebenso geräuschvoll wieder ein. »So weit wäre sie nie zu Fuß gegangen, nicht spätabends und vor allem nicht allein. Und wenn es ein Sturz gewesen wäre, wären Sie jetzt nicht hier. Wurde sie – hat man sie vergewaltigt?«

»Bisher deutet nichts auf sexuellen Missbrauch hin. Mr. Dickenson, haben Sie nach dem letzten Telefongespräch mit Ihrer Frau und unserem Erscheinen noch einmal versucht, Ihre Frau zu kontaktieren?«

»Ich habe sie alle paar Minuten auf dem Handy angerufen. Zum ersten Mal gegen halb elf, aber sie ging nicht dran. Sie hätte niemals zugelassen, dass ich mir so lange Sorgen um sie mache. Deshalb wusste ich … Ich brauche einen Augenblick für mich. Ich brauche einen Augenblick für mich.« Zitternd stand er auf und eilte aus dem Raum.

Der Hund blickte ihm traurig hinterher, schob sich dann vorsichtig an Peabody heran und legte eine Pfote auf ihr Knie.

»Manchmal ist es noch schlimmer als sonst«, murmelte sie und tätschelte dem armen Tier tröstend den Kopf.

2

Auch Eve stand wieder auf und lief durchs Wohnzimmer, um Spannung abzubauen und sich einen Eindruck davon zu verschaffen, welcher Art das Leben der Familie gewesen war.

Gerahmte Fotos waren überall im Raum verteilt – vor allem Bilder der Familie, auf denen man das Opfer in glücklichen Zeiten mit dem Ehemann und den Kindern sah. Vor allem aber gab es Aufnahmen der Kinder, eines wunderhübschen, kindlich unschuldigen Mädchens und eines genauso hübschen Jungen, dessen ansteckende Fröhlichkeit der Stimme, die sie an der Tür begrüßt hatte, entsprach.

Die Landschafts- und die Seebilder, die an den Wänden hingen, hatten ansprechende Farben. Es war eine Art von Kunst, die Menschen tatsächlich verstehen konnten, und genau wie die Gemälde an den Wänden sahen auch die Möbel weniger modern oder pompös als behaglich und vor allem kinder-, hunde- oder einfach generell familienfreundlich aus.

Trotzdem zeugte die Einrichtung der Wohnung ebenso wie das diskrete, ruhige Haus, in dem sie lag, von jeder Menge Geld.

Im Kamin – den sie auf einer Aufnahme von Weihnachten komplett mit prall gefüllten Strümpfen, strahlenden Kindern und den großen, roten Blumen, die für viele Menschen offenbar ein Muss an diesen Feiertagen waren, gesehen hatte – hatte Denzel in Erwartung seiner Frau ein echtes Holzfeuer entfacht. Wieder wogte Mitgefühl in ihrem Innern auf, denn dieses Feuer nützte weder dem Opfer noch den Hinterbliebenen etwas.

»Ganz schön große Wohnung«, stellte sie beiläufig fest.

»Mit zwei Kindern und einem Hund von dieser Größe brauchen sie die schließlich auch.«

»Das stimmt. Er ist Anwalt für Gesellschaftsrecht, nicht wahr?«, erinnerte sie sich von ihrer kurzen Überprüfung, die sie durchgeführt hatte, bevor sie hergekommen war.

»Ja. Und Teilhaber einer anscheinend durchaus gut gehenden Kanzlei. Grimes, Dickenson, Harley und Schmidt.«

»Warum haben Kanzleien immer Namen, die nach Kanzleien klingen?«, fragte Eve. »Was macht er dort genau?«

Peabody balancierte ihren Handcomputer und den dicken Hundeschädel auf den Knien. »Er ist auf Erb- und Steuerrecht spezialisiert. Dabei geht es hauptsächlich um Geld.«

»Wie bei unserem Zeugen. Interessant. Gucken Sie, ob es eine Verbindung zwischen Dickenson oder Dickensons Kanzlei und Whitestone oder dessen Firma gibt.«

»Dickensons Kanzlei hat zwei Etagen in … Roarkes Firmensitz.«

»Die Adresse ist nicht schlecht.«

»Eine direkte Verbindung zwischen ihm und unserem Zeugen gibt es nicht, aber vielleicht haben sie ein paar gemeinsame Mandanten.«

»Da gehe ich jede Wette ein.« Als die Wohnungstür geöffnet wurde, brach sie ab und sah, dass Denzels Schwester angekommen war.

Richterin Gennifer Yung kam in den Raum gestürzt, blieb abrupt stehen, als sie die Mordermittlerin entdeckte, und für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als sacke sie in sich zusammen, bis sie ihre Schultern wieder straffte und mit ausdrucksloser Miene dicht gefolgt von einem schlanken Mann mit asiatischen Gesichtszügen den Raum durchquerte, bis sie vor Eve Dallas stand.

»Lieutenant.«

»Richterin Yung. Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«

»Danke«, gab sie knapp zurück und sah sich suchend um. »Mein Bruder…?«

»Brauchte einen Augenblick für sich.«

Nickend wandte sich die Richterin an ihren Mann. »Daniel, das sind Lieutenant Dallas und Detective Peabody. Dr. Yung, mein Ehemann.«

»Die Kinder«, fragte Dr. Yung. »Wissen sie es schon?«

»Sie schlafen, ich glaube nicht, dass sie schon mitbekommen haben, was geschehen ist.«

Cody hatte Peabody bereits im Stich gelassen und scharwänzelte um Gennifer und ihren Ehemann herum.

»Schon gut, Cody, schon gut. Sei ein braver Junge und mach Platz. Platz.«

Die Richterin, die eine attraktive Frau mit seidig weicher brauner Haut und wachen, beinahe schwarzen Augen war und in dem Ruf stand, als Vertreterin von Recht und Ordnung unerschrocken, leidenschaftlich und gerecht zu sein, legte eine Hand auf Codys Kopf und streichelte ihn sanft.

»Ich werde erst einmal mit Denzel sprechen. Mir ist klar, dass Sie wahrscheinlich Fragen haben und bestimmt in Eile sind, aber trotzdem werde ich erst kurz …«

Bevor sie den Satz beenden konnte, kehrte Denzel mit von Schmerz gezeichnetem Gesicht ins Wohnzimmer zurück.

»Genny. Oh Gott, Genny. Marta …«

»Ich weiß, Schätzchen, ich weiß.« Eilig trat sie auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.

»Jemand hat ihr das Genick gebrochen.«

»Was?« Sie rahmte sein Gesicht mit beiden Händen und fragte entgeistert: »Was?«

»Sie sagen, ihr Genick … Warum habe ich sie nicht gezwungen, die Fahrbereitschaft anzurufen? Warum hab ich nicht selbst dort angerufen und sie so dazu gezwungen, dass sie sich fahren lässt?«

»Psst. Psst. Komm mit. Wir gehen erst mal kurz nach nebenan. Stütz dich auf mich, Baby. Daniel.«

»Ja, natürlich.« Höflich wandte sich ihr Ehemann an Eve. »Möchten Sie einen Kaffee?«

Obwohl Eve für eine Tasse anständigen Kaffees einen Mord hätte begehen können, durfte sie jetzt keine Zeit verlieren. »Nein danke. Waren Sie zu Hause, als Ihr Schwager sich bei Ihrer Frau gemeldet hat?«

»Ja. Es war gegen Mitternacht, er war völlig außer sich. Marta ging nicht an ihr Handy und war schon seit fast zwei Stunden nicht mehr im Büro. Er hatte bereits den Wachdienst angerufen, und sie hatten ihm gesagt, dass sie das Büro um kurz nach zehn verlassen hat. Er hatte auch schon die Polizei verständigt, doch Sie wissen selbst, dass die nichts unternimmt, nur, weil offenbar jemand ein bisschen später als geplant nach Hause kommt. Also hat er seine Schwester angerufen, damit die ihm hilft.«

»Ich gehe davon aus, dass Mrs. Dickenson, soweit Sie wissen, für gewöhnlich nie so spät nach Hause kam.«

»Auf keinen Fall. Das heißt, zumindest nicht, ohne Denzel anzurufen. Sie hätte nicht gewollt, dass er sich Sorgen um sie macht. Genauso hat auch er ihr jedes Mal Bescheid gegeben, wenn er einmal später kam. Wir wussten gleich, dass etwas nicht stimmt, aber ich hätte nie … dass es so schlimm wäre, hätte ich niemals gedacht.«

»Wie gut haben Sie Mrs. Dickenson gekannt?«

»Verzeihung, aber können wir uns vielleicht setzen? Das ist wirklich hart für mich. Ich …« Er ließ sich in einen Sessel sinken. »Ich bin augenblicklich nicht ich selbst.«

»Kann ich Ihnen ein Glas Wasser holen, Dr. Yung?«

Er sah Peabody mit einem müden Lächeln an. »Danke, nein. Sie haben mich gefragt, wie gut ich Marta kannte«, wandte er sich abermals an Eve. »Sehr gut. Wir sind eine Familie, und für meine Frau und Denzel – auch für dessen Frau – geht die Familie über alles. Genny und ihr Bruder standen sich immer schon sehr nahe. Die Kinder.« Er sah dorthin, wo man über eine Treppe in die obere Etage kam. »Ich mache mir Sorgen um die Kinder. Sie sind viel zu jung, um so etwas zu erleben, sie werden einen Großteil ihres kindlichen Vertrauens verlieren, wenn sie hören, was geschehen ist.«

Er schloss kurz die Augen.

»Sie werden wissen wollen, wie Martas und Denzels Ehe war. Ich bin seit sechsunddreißig Jahren mit einer Richterin verheiratet.« Er seufzte abgrundtief und faltete die Hände sorgfältig in seinem Schoß. »Mir ist deshalb bewusst, dass man in einem Fall wie diesem allen Spuren nachgehen muss. Aber ich kann Ihnen versichern, die beiden haben einander abgöttisch geliebt. Sie hatten ein gutes Leben und vor allem eine glückliche Familie. Natürlich waren sie ab und zu verschiedener Meinung oder hatten sogar manchmal Streit. Aber trotzdem waren sie wie geschaffen füreinander, und vor allem haben sie sich wunderbar ergänzt, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Manchmal hat man einfach Glück mit den Entscheidungen, die man im Leben fällt, und mit den Menschen, die man trifft. Die beiden hatten in der Beziehung ein Riesenglück.«

»Wissen Sie, ob jemand Marta oder Denzel hätte schaden wollen?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihnen jemand derart feindselig gesonnen war. Sie beide sind beruflich hochzufrieden und erfolgreich, und sie haben einen wirklich netten Freundeskreis.«

»Trotzdem machen Anwälte sich ab und zu auch Feinde«, meinte Eve.

»Das ist mir klar, denn das tun Richter auch. Aber Denzel arbeitet vor allem als Wirtschaftsanwalt, als solcher hat er mit Familien- und mit Strafsachen, die heftige Gefühle bei den Leuten wecken, nichts zu tun. Er ist ein Mann der Zahlen.«

»Genau wie Marta eine Frau der Zahlen war.«

»Was heißt, dass sie dieselbe Sprache sprachen«, stellte Denzels Schwager mit dem Anflug eines Lächelns fest.

»Hatten sie gemeinsame Mandanten?«

»Das kam mitunter durchaus vor.« Als Dickenson zurückkam, stand er auf und sah ihn fragend an.

»Genny kocht erst mal Kaffee. Sie hat gefragt, ob sie Sie wohl kurz sprechen kann, Lieutenant.«

»Okay.« Eve wandte sich an Peabody, und die nickte ihr unauffällig zu.

»Mr. Dickenson, ich hätte da noch ein paar Fragen«, meinte ihre Partnerin, als Eve den Raum verließ. Während der Lieutenant durch ein zweites Wohnzimmer, das über einen hochmodernen Fernseher verfügte und mit den Regalen voller Fotos, zahlreichen Trophäen und bunten Pappschachteln mit Deckeln behaglich erschien, und ein großes Esszimmer mit einem dunklen Holztisch, auf dem eine große, blaue Vase voller weißer Blumen prangte, in die offene Küche ging, konzentrierte sich Peabody auf den Anwalt.

Auch die Schränke in der Küche waren aus dunklem Holz, die Arbeitsplatten waren aus hellem, grauem Stein und in einer Fensternische standen Polsterbänke und ein Tisch, an dem die Familie wahrscheinlich zu den Mahlzeiten zusammenkam.

Vor einem anderen Fenster waren hübsche, kleine, blaue Kräutertöpfe aufgereiht, und die Richterin stand an der Kochinsel und stellte dicke, blaue Becher auf ein hölzernes Tablett.

»Das wird mein Bruder nie verwinden«, stellte sie mit rauer Stimme fest. »Sie kennen sich schon seit dem College, für beide war es Liebe auf den ersten Blick. Anfänglich war ich dagegen, denn ich wollte, dass er erst sein Studium abschließt und beruflich Fuß fast, ehe er an eine ernsthafte Beziehung denkt.«

Sie trat vor einen Schrank und nahm ein Milchkännchen heraus.

»Ich bin zehn Jahre älter als mein Bruder, und ich habe immer auf ihn aufgepasst. Ob er es wollte oder nicht.« Sie bemühte sich zu lächeln, aber dadurch wurden ihre rot verquollenen Augen noch betont. »Es dauerte nicht lange, bis Marta mich für sich eingenommen hat. Sie war für mich so etwas wie die kleine Schwester, die ich niemals hatte, ich habe sie bereits nach Kurzem abgöttisch geliebt.«

Als sich ihre roten Augen abermals mit Tränen füllten, wandte sie sich eilig ab, zog die schimmernd weiße Tür des Kühlschranks auf und nahm einen Milchkarton heraus.

Sie atmete tief durch und fuhr mit ruhiger Stimme fort: »Sie warteten mit Kindern, und haben sich erst mal ganz auf ihre Ehe und auf ihre Karrieren konzentriert, aber als die Kinder kamen, standen sie für beide im Mittelpunkt. Trotzdem hatten sie von Anfang an ein Kindermädchen, weil sie beide ihre Arbeit lieben, doch in ihrer Freizeit gehen sie ganz in der Familie auf. Sie haben ein beneidenswertes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie hergestellt. Ein Gleichgewicht, das Denzel nie mehr wieder finden wird.«

Sie stellte das gefüllte Milchkännchen und eine Schale voller Zuckerwürfel zu den Bechern aufs Tablett.

»Ich erzähle Ihnen das aus einem ganz bestimmten Grund«, erklärte sie, als Eve weiter schwieg. »Ich weiß, Sie müssen sich auch meinen Bruder ansehen, weil der Partner immer oder sogar zuerst verdächtig ist. Ich werde Ihnen eine Liste ihrer Freunde, Nachbarn, Vorgesetzten und Kollegen, ihres Kindermädchens und der Putzfrau geben. Eine Liste aller Leute, die sie sprechen müssen oder wollen.«

»Das weiß ich zu schätzen. Dazu brauchen wir auch noch das Link, von dem aus er sie angerufen hat, wir würden uns auch gerne alle anderen elektronischen Geräte ansehen, die’s hier gibt. Es würde die Sache beschleunigen, wenn er uns die Erlaubnis gäbe, uns hier in der Wohnung, in seinem Büro und in sämtlichen Fahrzeugen der Familie umzusehen.«

»Die wird er Ihnen geben. Er wird alles tun, was Sie von ihm verlangen, aber um den Anschein zu vermeiden, irgendetwas ginge nicht mit rechten Dingen zu, kann ich den Durchsuchungsbefehl nicht erteilen. Ich werde einen Kollegen bitten, das zu tun. Es sollte nicht mein Name darunter stehen. Ich bitte Sie lediglich darum, die Durchsuchung durchzuführen, wenn die Kinder nicht zu Hause sind. Ich sage Denzel, dass er sie mir morgen bringen soll.«

»Kein Problem.«

»Sagen Sie mir, was Sie schon wissen.«

»Einzelheiten kann ich noch nicht nennen. Tut mir leid, aber das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es wie ein fehlgeschlagener Überfall durch einen Straßenräuber ausgesehen hat. Ich nehme an, sie hatte eine Handtasche dabei, und vielleicht eine Aktentasche.«

»Beides. Höchstwahrscheinlich beides. Ihre Aktentasche ist aus braunem Leder, hat ein Schulterband und einen silbernen Besatz. Denzel hat sie ihr vor fünf Jahren zu ihrer Beförderung geschenkt. Ihren Ehering hat sie nie abgelegt. Weißgold mit eingravierten Herzen. Die Armbanduhr, die ein Geschenk von Daniel und mir zu ihrem vierzigsten Geburtstag war, trug sie ebenfalls. Beides ist versichert, wir können Ihnen Fotos und genauere Beschreibungen der beiden Schmuckstücke geben, wenn Sie wollen.«

»Das wäre uns eine Hilfe.«

»Außerdem werden Sie wissen wollen, wie es finanziell um die Familie stand. Sie haben jeder ein eigenes Konto, doch die meisten Sachen sind gemeinsamer Besitz. Wir werden Ihnen all diese Informationen geben, aber Ihnen ist hoffentlich klar, dass Denzel Marta nicht auf dem Gewissen hat.«

»Richterin …«

»Sie müssen Ihre Arbeit machen, müssen gründlich sein und können erst einmal nicht ausschließen, dass er der Täter ist. Aber Sie wissen jetzt schon, dass er es nicht ist. Sie sind intelligent, gewieft und verfügen, wie ich glaube, über eine sehr gute Intuition. Ich brauche Sie ganz sicher nicht zu bitten, Ihr Möglichstes für meine Schwägerin zu tun, denn das tun Sie sowieso.«

Als ihre Stimme schwankte, brach sie ab, presste sich die Finger vor die Augen und holte mehrmals tief Luft.

»Erst vor Kurzem«, fuhr sie fort, »habe ich im Scherz zu Daniel gesagt, manchmal müssten wir in unserer Position gegenüber den Menschen, die wir lieben und die sich andauernd Sorgen um uns machen, die Gefahren unseres Jobs herunterspielen. Aber falls einer der Schweinehunde, die ich hinter Gitter schicke, seine Todesdrohung einmal in die Tat umsetzen würde, sollte er auf alle Fälle dafür sorgen, dass Sie die Ermittlungen in diesem Mordfall übernehmen. Sorg dafür, dass Lieutenant Dallas in dem Fall ermittelt, habe ich zu ihm gesagt. Und jetzt sage ich Ihnen persönlich, wenn Sie diesen Fall nicht sowieso bekommen hätten, hätte ich meine Beziehungen spielen lassen, um dafür zu sorgen, dass man Ihnen die Ermittlungsleitung überträgt. Ich will, dass Sie und Ihre Partnerin herausfinden, wer das getan hat, wer eine so wunderbare Frau ermordet und sie meinem Bruder, ihren Kindern, uns genommen hat. Oh Gott.«

Wieder brach sie ab und warf sich erschaudernd beide Hände vors Gesicht. »Oh Gott. Ich muss einen Schritt nach dem anderen machen, bis die Sache abgeschlossen ist. Einen Schritt nach dem anderen, sonst nichts.«

Sie ließ ihre Hände wieder sinken, riss sich sichtbar zusammen und fuhr fort: »Falls Morris sich nicht bereits um sie kümmert, wie er es normalerweise mit den Toten, die Sie reinbekommen, macht, bitte sorgen Sie dafür, dass er sie übernimmt. Werden Sie das tun?«

»Ja, das werde ich«, versprach Eve ihr.

»Dann kümmern sich die jeweils Besten ihres Fachs um sie. Das ist alles, was ich im Moment für Marta tun kann.«

»Können Sie mir sagen, was für einen Mantel Ihre Schwägerin getragen hat?«

»Was für einen Mantel?«

»Sie hatte keinen Mantel an. Aber angesichts der Kälte …«

»Großer Gott.« Yung massierte sich die Schläfen und atmete zischend ein. »An einem Tag wie diesem hätte Marta ihren langen, grauen Wollmantel mit schwarzen Ärmeln und mit schwarzen Knöpfen angehabt. Und auf alle Fälle einen Schal. Sie hat immer einen Schal getragen, und sie hatte eine ziemlich große Sammlung davon, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich bei der Durchsicht all der Schals und Tücher, die sie hatte, wüsste, welchen sie getragen hat. Aber vielleicht kann Denzel sich erinnern.«

»Danach werden wir ihn später fragen.«

»Ich muss jetzt nach meinem Bruder sehen. Die Kinder …« Wieder holte sie vernehmlich Luft. »Die Kinder stehen bestimmt bald auf.«

»Dann lassen wir Sie jetzt allein.«

»Danke. Ich stelle Ihnen alles, was Sie brauchen, schnellstmöglich zusammen. Falls Sie feststellen, dass etwas fehlt, rufen Sie mich einfach an.«

Als sie in das graue Dämmerlicht des anbrechenden Tages traten, presste Peabody sich wie die Richterin die Finger vor die Augen und stellte mit dumpfer Stimme fest: »Schlimmer geht es wirklich nicht.«

»Oh doch. Und zwar, wenn gleich die Kinder aufstehen und hören, was geschehen ist.« Eve drückte ihr die Plastiktüte mit dem Handy, das Denzel ihr überlassen hatte, in die Hand. »Ich setze Sie gleich bei der Wache ab. Kontaktieren Sie McNab, richten Sie ihm von mir aus, dass er seinen knochigen Hintern schwingen und sich das Handy ansehen soll.«

Sie öffnete die Fahrertür des Wagens und stieg ein. »Ich habe gesagt, dass Harpo – selbst ernannte Königin von Haar und Fasern – sich die Fasern an der Hose unseres Opfers ansehen soll, und werde sie nachher anrufen und fragen, ob sie schon was dazu sagen kann. Yung besorgt uns die Durchsuchungsbefehle für die Wohnung, die Büros und Autos der Familie. Setzen Sie die Detectives Sanchez und Carmichael darauf an, aber sagen Sie den beiden, dass Sie darauf achten sollen, dass die Familie während der Durchsuchung nicht zu Hause ist. Denzel bringt die Kinder an dem Tag zur Richterin.«

Sie wendete und fuhr zurück in Richtung Innenstadt. »Und Carmichael von der Trachtengruppe soll ein Team zusammenstellen, das die Anwohner befragt. Er soll Officer Turney um halb acht dort treffen, also kontaktieren Sie bitte auch noch deren Vorgesetzten auf dem 136. und sagen ihm, dass ich sie haben will.«

»Sie wollen die Beamtin, die zuerst am Fundort unserer Leiche war?«

»Ich will Turney. Sie hat echt gute Instinkte, ich sehe eine kleine Peabody in ihr.«

»Ach ja?« Peabody straffte stolz die Schultern, bevor sie beleidigt das Gesicht verzog. »Ist sie …«

»Denken Sie am besten nicht einmal daran zu fragen, ob sie einen kleineren Hintern, einen strafferen Busen, leuchtendere Augen oder sonst was hat, was schöner als bei Ihnen ist, rufen Sie einfach Sergeant Gonzales an.«

»An ihren Hintern habe ich gar nicht gedacht«, murmelte die Partnerin gekränkt. »Aber jetzt geht er mir sicher nicht mehr aus dem Kopf.«

»Die elektronischen Ermittler sollen sich die Geräte ansehen, sobald uns die Versicherung die Aufnahmen der Schmuckstücke geschickt hat, geht die Suche nach dem Ehering, der Armbanduhr und auch dem Mantel los. Wir reden später noch mal mit dem Ehemann. Vielleicht kann er sich ja erinnern, welchen Schal und ob sie Ohrringe getragen hat. Eben war er noch zu fertig für ein längeres Gespräch. Außerdem überprüfen Sie die Arbeitsplätze und gucken nach möglichen Verbindungen sowohl untereinander als auch zu der Firma unseres Zeugen. Irgendwas ist da auf jeden Fall. Wenn sie ein zufälliges Opfer war, bin ich die Kaiserin von Japan.«

»China.«

»Was?«

»Es heißt, ›die Kaiserin von China‹, und bevor Sie fragen, nein, ich habe keine Ahnung, woher dieses Sprichwort kommt, vor allem, da es Kaiser oder Kaiserinnen anders als in Japan dort schon ewig nicht mehr gibt.«

»Da haben Sie’s.«

»Ich mein ja nur …«

Eve bedachte Peabody mit einem kurzen Seitenblick und trat aufs Gaspedal. Da um diese Uhrzeit noch kaum Fußgänger die Straßen überquerten und die letzten Nachtschwärmer inzwischen mit dem Taxi heimgefahren waren, kamen sie ungewöhnlich schnell voran.

Sie mied den Times Square, wo die Party niemals endete, und überholte einen mit verschlafenen Pendlern auf dem Weg von oder zur Schicht beladenen Maxibus.

»Jemand hat sie sich geschnappt und zwar in der Nähe des Büros. Vielleicht saß er auch in einem Taxi, ist an ihr vorbeigefahren, hat sie eingeladen und ist dann mit ihr zu dieser leeren Wohnung weitergefahren, weil er wusste, dass dort niemand ist. Entweder, es war ein echt versierter Einbrecher oder er hatte den Zugangscode, weil Spuren eines Einbruchs nicht zu sehen sind. In der Wohnung angekommen, hat er ihr erst mal ein paar verpasst.«

»Mit der Rückhand auf die Wange und dann auf den Mund.«

»So sieht’s zumindest aus. Eine Rückhand auf dem Wangenknochen tut echt weh, haut einen erst mal um und hat ihr wahrscheinlich eine Heidenangst gemacht. Die Verletzung ist zu stark für eine leichte Ohrfeige, aber zu schwach dafür, dass jemand mit den Fäusten auf sie losgegangen ist.«

Sie rief sich das Gesicht des Opfers in Erinnerung. »Wobei er sicher mehr als einmal zugeschlagen hat. Wir werden sehen, ob Morris uns verraten kann, ob sie betäubt war, doch im Grunde glaube ich das nicht. Es sollte aussehen wie ein vermasselter Raub, da würde es nicht passen, fänden wir einen Betäubungsmittelrest in ihrem Blut. Sie haben sie sich geschnappt, in ein Fahrzeug eingesperrt und sind mit ihr zu dieser Wohnung gefahren, denn dort waren sie ungestört.«

»Und warum? Wäre es ein gegen Yung gelenkter Racheakt gewesen, hätten sie sich doch wahrscheinlich eher an die Richterin persönlich, deren Ehemann, eins ihrer Kinder oder eins von ihren Enkelkindern rangemacht. Sie hat zwei Töchter, falls das von Interesse für Sie ist, und jede dieser Töchter hat ein Kind.«

»Es ging hier nicht um Rache.« Auch Eve selber hatte diese Möglichkeit bereits erwogen und war zu dem Schluss gekommen, dass zu viel dagegen sprach. »Sonst hätten sie sie deutlich übler zugerichtet, damit Yung erkennt, dass es um Rache geht. Und ja, sie hätten sich dann jemanden geschnappt, der ihr noch näher stand. Vielleicht geht es ihnen darum, Druck auf Denzel auszuüben, und sie haben sich die Ehefrau geschnappt, um über sie an ihn heranzukommen oder so. Doch dann wäre sie lebend deutlich wertvoller für sie gewesen. Vielleicht also ging es einfach um Informationen. Über einen der Mandanten ihres Unternehmens, denn sie kannte sicher zahlreiche mit Geld zusammenhängende Geheimnisse der Leute, wusste, wenn sie Steuern hinterzogen hatten oder etwas in der Art. Sie wussten, dass sie länger im Büro geblieben war, also haben sie sie entweder beobachtet, haben einen Spitzel im Büro oder arbeiten selber dort.«

Sie hielt vor dem Revier. »Ich fahre noch zu Morris. Sobald ihr Büro aufmacht, fahren wir hin und reden mit ihren Kollegen und mit ihrem Boss. Ich brauche ihre aktuellen Fälle und ihre Mandantenliste, dasselbe gilt für ihren Mann.«

»Wir folgen also der Spur des Geldes.«

»Die ist immer interessant. Und jetzt steigen Sie endlich aus.«

»Ich bin schon weg.«

Eve fuhr weiter, sah auf ihre Uhr und rief über das Autotelefon bei sich zu Hause an. Zwar wurde es erst langsam hell, doch wie sie ihren Gatten kannte, war der schon seit über einer Stunde auf und hatte unter Umständen bereits ein kleines Sonnensystem oder etwas in der Art gekauft.

»Lieutenant.«

Sein von Gott in einem ganz besonders großzügigen Augenblick geschaffenes Gesicht mit den hellwachen, leuchtend blauen Augen füllte den gesamten Bildschirm. Die zum Pferdeschwanz gebundene Mähne seidig weicher, schwarzer Haare zeigte, dass er wie erwartet längst im Arbeitsmodus war.

»Ich dachte mir, ich gebe dir Bescheid, dass ich vor heute Abend nicht noch mal zurückkomme.«

»Das hatte ich mir schon gedacht«, erklärte er mit seinem melodiösen, irischen Akzent. »Sieh zu, dass du was in den Bauch bekommst.«

»Ich glaube, damit warte ich, bis ich im Leichenschauhaus fertig bin. Die Automaten dort sind echt der letzte Dreck.«

»Es ist mal wieder schlimm. Das sehe ich dir an.«

»Ein Mord ist niemals schön, dieser hier war nicht einmal besonders blutig, aber … sie war Mutter von zwei Kindern, und ihr Mann war völlig fertig, als er es erfahren hat. Betuchte Leute aus der Upper East Side, beide Ehepartner im Finanzsektor tätig, mit einem Penthouse, das jedoch nicht schick, sondern mit Fotos ihrer beiden Kinder urgemütlich eingerichtet ist. Außerdem war sie die Schwägerin von Richterin Yung.«

»Richterin Yung?«

»Vom Strafgericht. Eine der Besten ihres Fachs.« Ihm gegenüber brauchte sie nicht zu verbergen, dass sie sich die Angelegenheit zu Herzen nahm. »Die Wohnung ist derart mit Liebe und mit Trauer überflutet, dass man dort nur noch mit Mühe Luft bekommen hat.«

»Es ist schwer, diejenige zu sein, die keine andere Wahl hat, als den Damm zu brechen.«

»Das gehört nun mal zu unserem Job, aber wie Peabody gesagt hat, ist es manchmal noch schlimmer als sonst. So war es diesmal auch. Yung wird es mir so leicht wie möglich machen, die Erlaubnis zur Durchsuchung des Apartments, der Büros und der Fahrzeuge der Eheleute und Zugang zu allen Unterlagen zu bekommen, die ich einsehen muss.«

»Aber trotzdem …«

»Aber trotzdem bleibt die Mutter zweier Kinder, die dem Anschein nach eine echt glückliche Familie gegründet hat, weiter tot. Wie dem auch sei, was weißt du über Brewer, Kyle und Martini?«

»Ah … Wirtschaftsprüfer, die vor allem große Unternehmen oder Leute prüfen, die so reich wie Unternehmen sind.«

»Aber dich nicht?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Aber falls ich die Wirtschaftsprüfer wechseln wollte, kämen sie durchaus in Betracht. Sie haben einen tadellosen Ruf. Opfer oder Ehemann?«

»Das Opfer selbst. Der Ehemann ist Dickenson von Grimes, Dickenson, Harley und Schmidt, auf Erbrecht und auf Steuerkram spezialisiert.«

»Von denen habe ich noch nichts gehört, aber ich kann gerne sehen, was ich über diesen Laden in Erfahrung bringen kann.«

»Das dürfte dir nicht allzu schwerfallen, denn die Räume der Kanzlei liegen in deinem Haus.«

»Das macht’s mir wirklich leicht.«

»Wenn du Zeit hättest, sie dir mal anzusehen, wäre das gut. Es kann bestimmt nicht schaden, jemanden an Bord zu haben, der weiß, worum es bei diesen Sachen geht. Einen Namen hätte ich da noch. Die WIN-Gruppe – Immobilien, Geldanlagen, solches Zeug.«

»Das sagt mir nichts, aber auch über diese Firma kriege ich bestimmt problemlos etwas raus. Was haben sie mit deinem Fall zu tun?«

»Bradley Whitestone – das W – hat die Tote heute Nacht vor seiner noch nicht fertig renovierten Wohnung lehnen sehen, als er mit einer Frau dort war, an der er offenbar Interesse hat. Sie sagt, wir wären uns schon mal auf einer Gala irgendwo begegnet. Alva Moonie.«