Mörderische Hingabe - J.D. Robb - E-Book

Mörderische Hingabe E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Mörderische Hochspannung!

Eve Dallas ist gerade aus dem Urlaub zurück, als zwei grauenvolle Morde New York erschüttern: Der Chauffeur einer Luxuslimousine wurde mit dem Bolzen einer Armbrust durchbohrt, ein Edel-Callgirl mit einem Bajonett erstochen … Die Fälle scheinen zunächst keine Verbindung miteinander zu haben – bis auf die Vorliebe des Killers für außergewöhnliche Waffen. Eve Dallas ahnt, dass er bald wieder zuschlagen wird, aber wann? Und wer wird sein nächstes Opfer sein? Eve taucht mit ihren Ermittlungen in einen auserlesenen Kreis ein, zu dem auch ihr Mann Roarke gehört – und damit in das Zentrum eines perversen, wahnsinnigen Spiels …

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Buch

Frisch aus dem wohlverdienten Irlandurlaub mit ihrem Mann Roarke zurückgekehrt, wird Lieutenant Eve Dallas gleich doppelt brutal von ihrer Arbeit eingeholt: Erst wird der Chauffeur einer Luxuslimousine auf dem Parkplatz vor dem Flughafen LaGuardia aufgefunden – durchbohrt von dem Bolzen einer Armbrust. Kurz darauf findet ein Edel-Callgirl in einem Gruselkabinett auf Coney Island den Tod – erstochen mit einem Bajonett.

Scheinbar wahllose, unschuldige Opfer, und ein Mörder mit einer Vorliebe für außergewöhnliche Waffen und Luxusgüter, machen Eve wütend. Und eine wütende Eve Dallas kann ebenso gefährlich sein wie ein Killer. Als die Zeit verstreicht und mit ihr ein weiteres unschuldiges Opfer in Gefahr gerät, taucht Eve mit ihren Ermittlungen in einen auserlesenen Kreis ein, zu dem auch ihre Mann Roarke gehört – und damit in das Zentrum eines perversen, wahnsinnigen Spiels …

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts. Durch einen Blizzard entdeckte Nora Roberts ihre Leidenschaft fürs Schreiben: Tagelang fesselte 1979 ein eisiger Schneesturm sie in ihrer Heimat Maryland ans Haus. Um sich zu beschäftigen, schrieb sie ihren ersten Roman. Zum Glück – denn inzwischen zählt Nora Roberts zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J.D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane. Auch in Deutschland sind ihre Bücher von den Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken.

Von J. D. Robb bei Blanvalet erschienen (Auswahl)

Rendezvous mit einem Mörder · Tödliche Küsse · Eine mörderische Hochzeit · Bis in den Tod · Tödlicher Ruhm ∙ Verführerische Täuschung ∙ Aus süßer Berechnung ∙ Zum Tod verführt ∙ Das Böse im Herzen ∙ So tödlich wie die Liebe ∙ Geliebt von einem Feind ∙ Der liebevolle Mörder ∙ Im Licht des Todes ∙ Eiskalte Nähe ∙ Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas

Nora Roberts ist J. D. Robb

Ein gefährliches Geschenk

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J.D. Robb

Mörderische

Hingabe

Roman

Deutsch von Uta Hege

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Indulgence in Death« bei G. P. Putnam’s Sons, a member of Penguin Group (USA) Inc., New York.
Copyright © der Originalausgabe 2010 by Nora RobertsPublished by Arrangement with Eleanor WilderDieses Werk wurde vermittelt durch die Literarischen AgenturThomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.Copyright © 2014 für die deutsche Ausgabeby Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenRedaktion: Regine KirtschigCovergestaltung: www.buerosued.deCovermotiv: Trevillion Images/Susan O’Connor Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad AiblingLH ∙ Herstellung: kwISBN 978-3-641-20007-7V005
www.blanvalet.de

Du sollst nicht begehren; doch nach der Tradition

ist jede Form der Konkurrenz erlaubt.

– Arthur Hugh Clough

Das Elend, reich zu sein, besteht darin,

dass man mit reichen Menschen leben muss.

– Logan Pearsall Smith

1

Die Straße war mörderisch. Kaum breiter als ein ordentlicher Speichelfaden, schlängelte sie sich wie eine Kobra durch riesengroße Büsche voller fremdartiger Blüten, die aussahen wie leuchtend rote Blutstropfen.

Eve ermahnte sich, dass diese Reise ihre eigene Idee gewesen war – denn auch die Liebe war mörderisch. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass jede Kurve, die man im Westen von Irland mit dem Auto nahm, eine Gefahr für Leib und Leben war?

Im ländlichen Irland, dachte sie und hielt den Atem an, als ihr Gefährt auf dieser Todesreise abermals um eine Kurve bog. Wo die Städte nur ein leiser Schluckauf in der Landschaft waren und es mehr Rindviecher als Menschen gab. Wo die Schafherden sogar noch größer als die Rinderherden waren.

Was allerdings nur sie zu stören schien. Hatten die Menschen hier etwa noch nie überlegt, was passieren könnte, wenn sich die Armeen der Nutztiere verbündeten?

Als die mörderische Straße endlich aus den blutstropfenbesetzten Büschen führte, dehnten sich vor ihren Augen endlos weite Felder und gespenstisch grüne Hügel unter einem trüben, grau verhangenen Himmel aus. Die Wolken machten den Anschein, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie einfach nur bedrohlich dicht über der Erde hängen oder all die Schafe und die Rindviecher ersäufen sollten, die die ausgedehnten Grünflächen besetzt hielten und offenbar besprachen, welche Strategie im Krieg gegen die Menschen am verheißungsvollsten war.

Einige von den Biestern trieben sich sogar inmitten dieser seltsamen – und, ja okay, auch ziemlich interessanten – steinernen Ruinen, die man auf den Hügeln sah, herum. Halb verfallene, aber trotzdem imposante Bauten, die vielleicht einmal Burgen oder Festungen gewesen waren. Orte, wie geschaffen für die Planung eines Aufstands, dachte Eve.

Als Motiv für ein Gemälde, das man sich über das Sofa hängen könnte, wäre die Umgebung sicher hübsch, aber als natürlich konnte man sie nicht bezeichnen. Das hieß, sie war übertrieben natürlich. Ja, genau. Es gab hier viel zu viel Natur. Es war alles viel zu offen, dachte Eve. Selbst die in der unendlichen Landschaft willkürlich verstreuten Häuser waren mit Blumen getarnt. Überall sah man nur Grün und unzählige Blüten, deren Farb- und Formenvielfalt geradezu unglaublich war.

Sie hatte sogar Wäschestücke wie exekutierte Kriegsgefangene an irgendwelchen Leinen baumeln sehen. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass es im Jahr 2060 Häuser ohne Wäschetrockner gab?

Und wenn sie gerade dabei war, wo war eigentlich der ganze Luftverkehr? Bisher hatte sie nur eine Handvoll Flugzeuge gesehen, und nicht einen Werbeflieger, der die Sonderangebote in den Läden, die es schließlich sicher auch in Irland gab, anpries.

Keine U-Bahn, keine Schwebegrills, keine Touristen und auch keine Taschendiebe, die sie ausnehmen wollten, keine vor sich hin schimpfenden Taxifahrer und nicht einen laut furzenden Maxibus.

Himmel, sie vermisste ihre Heimatstadt New York.

Sie konnte nicht einmal riskieren, sich von ihrem Heimweh abzulenken, indem sie sich selbst hinter das Steuer setzte, weil man hier aus Gründen, die sie sicher nie verstehen würde, auf der falschen Straßenseite fuhr.

Warum zum Teufel taten diese Menschen das?

Sie war ein Cop und hatte einen Eid darauf geschworen, die Menschen zu beschützen, deshalb konnte sie sich kaum auf einer dieser todbringenden Straßen selbst hinter das Lenkrad eines Wagens schwingen, denn wahrscheinlich hätte sie dann spätestens nach drei Minuten irgendeinen unschuldigen Zivilisten umgemäht. Und nähme, wenn sie schon einmal dabei wäre, bestimmt noch eine Handvoll dieser Tiere mit.

Sie fragte sich, ob sie wohl je ihr Ziel erreichen würden, und wie groß die Chance war, in einem Stück dort anzukommen.

Vielleicht sollte sie ein paar Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen. Denn dadurch würde sie vorübergehend von ihrem Elend abgelenkt.

Abermals verengte sich die Straße, und als ihre Seite des Gefährts die Hecke links der Straße küsste, unterdrückte Lieutenant Dallas, erfahrene Mordermittlerin, Verfolgerin von Psychopathen, Serienkillern und perversen Mördern, nur mit Mühe einen Schrei.

Der Mann, mit dem sie gerade ihren zweiten Hochzeitstag beging – weshalb sie überhaupt auf die Idee zu diesem Trip gekommen war –, nahm seine Hand vom Lenkrad und tätschelte aufmunternd ihr Bein. »Entspann dich, Lieutenant.«

»Guck nach vorne! Guck nicht mich, sondern die Straße an. Weil das im Grunde keine Straße, sondern eher ein Feldweg ist. Was sind das überhaupt für Büsche und warum zum Teufel stehen sie ausgerechnet hier?«

»Das sind Fuchsien. Wunderschön, nicht wahr?«

Für Eve sahen die Blüten aus wie Blutspritzer. Als hätte die Armee der Nutztiere ein grausiges Massaker an den wenigen Bewohnern dieses Landstriches verübt.

»Sie sollten sie ein Stück zurücksetzen, damit sie nicht mehr direkt an der blöden Straße stehen.«

»Ich nehme an, die Büsche waren als Erste hier.«

Anders als die feindseligen Büsche, die sich hinterlistig an die Straße angeschlichen hatten, liebte Eve den melodiösen, irischen Akzent, der sich selbst in New York gelegentlich in seine Sprache schlich.

Als sie einen kurzen Blick in seine Richtung wagte, sah sie, dass er glücklich wirkte. Glücklich und entspannt in seiner dünnen Lederjacke, einem T-Shirt, den aus dem unglaublichen Gesicht gestrichenen, rabenschwarzen Haaren und den Augen, deren Blau so leuchtete, dass sich ihr Herz zusammenzog.

Ein paar Wochen zuvor wären sie fast gestorben, und sie dachte voller Grauen an den atemlosen Augenblick zurück, in dem sie gedacht hatte, sie würde ihn verlieren. Weil er schwer verletzt gewesen war.

Doch jetzt saß er kerngesund und quicklebendig neben ihr. Vielleicht würde sie ihm noch einmal verzeihen, dass er sich auf ihre Kosten amüsierte.

Ja, vielleicht.

Außerdem war es ihre eigene Schuld, denn sie verbrachten auf ihren Vorschlag hin einen Teil des Urlaubs und die Feier ihres Hochzeitstages hier in Irland. Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte, dass er anders als beim ersten Mal, als sie mit ihm bei seiner neu entdeckten Sippschaft zu Besuch gewesen war, statt eines Jet-Copters ein Auto nehmen würde, weil er fand, dass man dann mehr von der Umgebung sah.

Sie näherten sich einer kleinen Ansammlung von Häusern, die mit etwas gutem Willen vielleicht als Ortschaft zu bezeichnen war, und sie atmete erleichtert auf.

»Jetzt haben wir es fast geschafft«, erklärte er. »Dies ist Tulla, und der Hof von meiner Tante liegt nur ein paar Kilometer von dem Dorf entfernt.«

Erleichtert fuhr sich Eve mit beiden Händen durch das kurze, braune Haar.

»Sieh nur. Jetzt kommt sogar die Sonne durch.«

Sie betrachtete den wässrig gelben Strahl, der sich durch eine winzig kleine Öffnung in der Wolkendecke zwängte, und kniff ihre Augen zu. »Wow, bei diesem grellen Licht kann ich kaum noch was sehen.«

Lachend strich er ihre zerzausten Haare wieder glatt. »Wir sind hier einfach nicht in unserem Element, Lieutenant. Aber vielleicht tut es uns ja gut, dem Alltag hin und wieder zu entfliehen.«

Einem Alltag, der für sie aus Mordfällen, Ermittlungen, dem Irrsinn einer Stadt, die immer rannte und nie ging, den Gerüchen des Reviers und der Hektik und Verantwortung bestand, die mit der Leitung eines Polizeidezernats verbunden waren.

Ein Teil von diesen Dingen machte seit zwei Jahren auch den Alltag ihres Mannes aus. Er jonglierte mit dem Leben, das sie führte, und mit seiner eigenen Welt, die aus dem Kauf und Verkauf, dem Besitz sowie der Herstellung fast aller Dinge, die es im bekannten Universum gab, bestand.

Genau wie ihre eigenen ersten Lebensjahre waren auch die von Roarke von schrecklichen Gefahren und Dunkelheit geprägt gewesen. Er hatte sich als Taschendieb und Trickbetrüger in den Gossen Dublins durchgeschlagen, doch im Gegensatz zu seiner armen Mutter hatte er seinen brutalen, mörderischen Vater überlebt.

Auf dieser Grundlage hatte er später ein Imperium errichtet – und sich dabei weiter häufig in den Grauzonen des Rechts bewegt.

Aber trotz oder vielleicht auch wegen dieser Schatten hatte sie, der Cop aus Überzeugung, sich in ihn verliebt. Später hatten sie herausgefunden, dass sein Leben auch noch eine völlig andere Seite hatte, die im County Clare unweit des Dörfchens Tulla auf einem erschreckend altmodischen Bauernhof zu finden war.

»Wir hätten auch mit einem Hubschrauber von unserem Hotel aus zu ihnen fliegen können«, sagte Eve.

»Mir hat die Autofahrt echt Spaß gemacht.«

»Ich frage mich, was für ein Mensch du bist. Denn das meinst du anscheinend wirklich ernst.«

»Aber nach Italien fliegen wir.«

»Das will ich doch wohl hoffen.«

»Wenn wir dort ankommen, dinieren wir bei Kerzenschein in unserer Suite.« Mit einem durch und durch entspannten, gut gelaunten Lächeln fügte er hinzu: »Und zwar mit der besten Pizza, die man in Florenz bekommt.«

»Au ja.«

»Es bedeutet ihnen viel, dass wir beide zusammen ein paar Tage hier verbringen.«

»Ich mag sie«, äußerte sich Eve über die Familie seiner Mutter. »Sinead und die anderen. Und auch Ferien sind gut. Ich muss nur noch etwas an mir arbeiten, damit ich in Urlaubsstimmung komme und mich nicht mehr ständig frage, was wohl gerade in New York passiert. Was machen die Leute hier in dieser Einöde den ganzen Tag?«

»Sie arbeiten, bestellen ihre Felder, führen ihren Haushalt, kümmern sich um die Familie und gehen abends auf ein Bier und ein bisschen Gesellschaft in den Pub. Ein Leben braucht nicht unerfüllt zu sein, nur weil es einfach ist.«

Sie stieß ein leises Schnauben aus. »Du würdest hier verrückt.«

»Und zwar spätestens nach einer Woche«, stimmte er ihr unumwunden zu. »Wir beide sind urbane Wesen, aber trotzdem kann ich anerkennen, dass es Menschen gibt, die es zu schätzen wissen, wenn sie in einer Gemeinschaft leben, in der man sich gegenseitig unterstützt. Die Iren nennen das comhar. Hier in den westlichen Countys ist der Sinn für die Gemeinschaft ganz besonders ausgeprägt.«

Inzwischen ragten links und rechts der Straße dunkle Wälder auf, die wenig später in den Augen vieler Menschen sicher hübschen Feldern wichen, die von kleinen Steinmauern geteilt wurden, deren Bestandteile wahrscheinlich aus dem schwarzen Boden ausgegraben worden waren.

Als Roarke um eine Kurve fuhr, entdeckte sie das Haus. Es wirkte großzügig und aufgeräumt, der hübsch bepflanzte Vorgarten sah wie ein Meer aus bunten Blumen aus. Falls Gebäude eine Aura hatten, hatte dieses eine Aura der Zufriedenheit.

Roarkes Mutter hatte hier gelebt, doch irgendwann hatten die hellen Lichter Dublins sie gelockt. Dort hatte das junge, hoffnungslos naive und vertrauensselige Mädchen sich in Patrick Roarke verliebt, sein Kind auf die Welt gebracht und ihr Leben hingegeben, damit diesem Kind kein Leid geschah.

Ihre Zwillingsschwester führte jetzt den Haushalt und half ihrem Ehemann, den Kindern, den Geschwistern und den Eltern bei der Arbeit auf dem Hof. Weil offenbar die ganze Sippe hier im Grünen fest verwurzelt war.

Noch bevor sie aus dem Wagen steigen konnten, erschien Sinead bereits in der Tür. Sie war eine hübsche Frau mit rötlich goldenem Haar und grünen Augen, denen ihre Freude über die Besucher überdeutlich anzusehen war.

Doch sie streckte nicht aufgrund der Blutsverwandtschaft strahlend ihre Arme nach Roarke aus. Denn Blutsverwandtschaft hieß nicht automatisch, dass man echte Zuneigung zu jemandem empfand.

Sinead nahm den Neffen innig in den Arm, weil er ein Teil ihrer Familie war und sie ihn liebte, dann murmelte sie etwas auf Gälisch, was für Eve zwar unverständlich, aber trotzdem herzlich klang.

Weil es von Herzen kam.

Plötzlich lag auch Eve an Sineads Brust und riss erschreckt die Augen auf.

»Fáilte abhaile. Willkommen daheim.«

»Danke. Ah …«

»Kommt rein, kommt rein. Alle sind in der Küche oder irgendwo hinter dem Haus. Wir haben genügend Essen da, um die gesamte Horde satt zu kriegen, und wollen gleich ein Picknick machen, denn ihr zwei habt schließlich wunderbares Wetter mitgebracht.«

Eve blickte zum Himmel auf und sagte sich, dass die Bezeichnung wunderbares Wetter offenbar von Land zu Land etwas Anderes bedeutete.

»Ich sage einem von den Jungen, dass er eure Sachen aus dem Auto holen und auf euer Zimmer bringen soll. Es ist uns allen eine Freude, euch zu sehen. Weil wir jetzt endlich wieder einmal alle zusammen hier zu Hause sind.«

Sie wurden beköstigt und gefeiert, neugierig umrundet und mit Fragen bombardiert. Eve schaffte es, sich all die Namen und Gesichter einzuprägen, indem sie sich vorstellte, sie alle wären Verdächtige in einem ihrer Fälle – selbst die Allerjüngsten, die noch gar nicht laufen konnten, oder die, die noch ein wenig wacklig auf den Beinchen waren.

Wie der kleine Kerl, der ein ums andere Mal versuchte, sich an einem ihrer Beine hochzuziehen.

»Unser Devin ist ein echter Schwerenöter.« Seine Mutter – Maggie – nahm ihn lachend in den Arm und setzte ihn anmutig auf ihrer Hüfte ab. »Aidan hat erzählt, dass ihr von hier aus weiter nach Italien wollt. Connor und ich haben auf unserer Hochzeitsreise richtig auf den Putz gehauen und uns Venedig angesehen. Eine wunderschöne Stadt.«

Das Kind auf ihrer Hüfte hüpfte plappernd auf und ab.

»Meinetwegen, kleiner Mann, wir haben heute schließlich allen Grund zu feiern. Also hole ich dir noch ein Plätzchen. Willst du auch eins?«

»Danke, nein. Ich bin bereits pappsatt.«

Einen Moment später spürte Eve ein Jucken zwischen ihren Schulterblättern, drehte vorsichtig den Kopf und sah, dass hinter ihr ein Junge stand und sie mit neugierigen Blicken maß. Er hatte die grünen Augen und die unzähligen Sommersprossen, die das Markenzeichen aller Brodys waren, und wenn sie sich nicht irrte, hatte sie ihn an Thanksgiving in New York gesehen, als die Familie bei ihnen zu Besuch gewesen war.

»Was guckst du so?«, fragte sie etwas barsch.

»Hast du deinen Stunner mitgebracht?«

Zwar hatte sie ihr Schulterhalfter nicht dabei, das Knöchelhalfter aber hatte sie vor ihrer Abreise zuhause aus Gewohnheit angelegt. Doch Sinead und die anderen Frauen würden es wahrscheinlich nicht zu schätzen wissen, fuchtelte sie bei einem Familienpicknick mit der Waffe vor dem Kind herum.

»Warum? Willst du jemanden abknallen?«

Er verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Meine Schwester.«

»Und warum?«

»Weil sie ’ne blöde Sumpfkuh ist. Das ist doch Grund genug.«

Sie kannte dieses Wort, weil Roarke selbst in New York gelegentlich in seinen Heimatslang verfiel. »In New York ganz sicher nicht. Denn dort gibt’s blöde Sumpfkühe wie Sand am Meer.«

»Wenn ich groß bin, werde ich ein Cop und niete die Verbrecher reihenweise um. Auf wie viele hast du schon geschossen, seit du Polizistin bist?«

Blutrünstiger kleiner Bastard, dachte Eve. Was ihr durchaus nicht unsympathisch war. Trotzdem erklärte sie: »Nicht mehr als nötig. Denn es ist viel befriedigender, wenn man die Verbrecher hinter Gitter bringen kann.«

»Warum denn das?«

»Sie haben deutlich länger was davon, als wenn man einmal auf sie schießt.«

Er dachte kurz darüber nach. »Tja, dann schieße ich sie erst über den Haufen und loche sie dann noch ein.«

Als sie lachte, grinste er erneut. »Hier bei uns gibt es keine Verbrecher, was echt schade ist. Vielleicht komme ich noch einmal nach New York, damit du mir ein paar von deinen zeigen kannst.«

»Vielleicht.«

»Das wäre cool«, erklärte er und hüpfte gut gelaunt davon.

Kaum war er verschwunden, warf sich jemand auf den freien Stuhl an ihrer Seite und versorgte sie mit einem frischen Bier. Der älteste Sohn von Sinead, Seamus. Nahm sie an.

»Also, wie findest du Irland?«

»Indem ich von New York aus Richtung Osten fliege.« Als er leise lachte und ihr freundschaftlich den Ellenbogen in die Rippen rammte, fügte sie hinzu: »Unglaublich grün. Mit jeder Menge Schafe und echt leckerem Bier.«

»Schließlich hat sich ein Schäfer abends nach getaner Arbeit ein, zwei Gläser Bier verdient. Ihr beide habt meine Mutter sehr glücklich gemacht, weil ihr euch Zeit für die Familie genommen habt. Sie hat in Bezug auf Roarke die Stelle ihrer Schwester eingenommen, deshalb möchte ich dir danken, weil du ihr und ihm zuliebe hergekommen bist.«

»Es ist kein echtes Opfer, rumzusitzen und so gutes Bier zu trinken«, gab sie knapp zurück.

Er tätschelte ihr sanft das Bein. »Trotzdem war es eine ganz schön weite Reise für ein Bier. Und außerdem ist auch mein Junge total hin und weg von dir.«

»Wie bitte?«

»Mein Sean. Der kleine Kerl, der sich eben so eifrig mit dir unterhalten hat.«

»Oh. Ich weiß noch immer nicht genau, wer wer ist«, gab sie zu.

»Das kann ich mir vorstellen. Aber seit wir an Thanksgiving bei euch waren, will er kein Weltraumpirat mehr werden, sondern als Cop die bösen Buben abknallen, wenn er mit der Schule fertig ist.«

»Das hat er beiläufig erwähnt.«

»Ehrlich gesagt, hofft er verzweifelt, dass vor eurer Abreise in dieser Gegend noch ein möglichst blutiger, mysteriöser Mord geschieht.«

»Kommt so was hier öfter vor?«

Seamus lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und nippte nachdenklich an seinem Bier. »Der letzte Mord, an den ich mich erinnern kann, ist ungefähr zwölf Jahre her. Da hat die betagte Mrs O’Riley ihrem Alten eine Bratpfanne übergezogen, als er wieder mal sternhagelvoll und mit dem Parfüm von einer anderen Frau in den Klamotten heimgekommen ist. Das war zwar ziemlich blutig, aber nicht gerade mysteriös.«

»Dann gibt’s für eine Mordermittlerin in dieser Gegend also kaum etwas zu tun.«

»Was für Sean natürlich traurig ist. Deshalb verfolgt er übers Internet die Fälle, die du drüben in den Staaten löst. Vor allem von dem letzten Fall – den Morden im Zusammenhang mit diesen Holo-Spielen – war er hin und weg.«

»Oh.« Sie blickte zu Roarke, der Arm in Arm mit Sinead stand. Und dachte an das Messer, das in seinen Körper eingedrungen war.

»Wir haben sein Gerät mit einer Kindersicherung versehen. Die grausigen Details kriegt er deshalb nicht mit.«

»Was bestimmt auch besser ist.«

»Wie schlimm war mein Cousin verletzt? In den Medien wurde die Verletzung kaum erwähnt – sicher wollte er das nicht.«

Das Gefühl von seinem warmen Blut, das dickflüssig durch ihre wild zitternden Finger rann, vergäße sie wahrscheinlich nie. »Es war ziemlich knapp«, räumte sie widerstrebend ein.

Seamus nickte und warf einen Blick auf Roarke. »Er hat von seinem Vater nicht viel mitbekommen, stimmt’s?«

»Nichts, was von Bedeutung wäre, nein.«

Irische Picknicks, merkte Eve, zogen sich wie die Sommertage auf der Insel endlos hin. Denn am Himmel funkelten bereits die Sterne, als das Essen und das Trinken, die Musik, der Tanz und all die fröhlichen Gespräche endeten und die Gesellschaft wieder nach Hause zog.

»Wir haben euch sehr lange wach gehalten.« Sinead brachte sie nach oben und umarmte dieses Mal nicht ihren Neffen, sondern Eve.

Die keine Ahnung hatte, was sie machen sollte, wenn ein anderer Mensch als Roarke in friedlicher Absicht seine Arme um sie schlang.

»Ihr habt eine anstrengende Reise hinter euch, und wir haben euch kaum Zeit gelassen, eure Sachen auszupacken oder euch zumindest euer Zimmer anzusehen.«

»Es war ein nettes Fest.«

»Oh ja, das war’s. Und zum Abschluss hat mein Seamus Roarke noch überredet, morgen früh mit ihm aufs Feld zu gehen.« Sie drückte Eve den Arm, und Eve sah über ihre Schulter auf den Mann, von dem die Rede war.

»Echt? Du willst mit ihm aufs Feld? Auf ein Feld, auf dem etwas zu essen wächst?«

»Das wird sicher lustig. Weil ich schließlich bisher noch nie Trecker gefahren bin.«

»Ich hoffe nur, dass du das auch noch sagst, wenn wir dich im Morgengrauen aus dem Bett zerren.«

»Er braucht sowieso kaum Schlaf. In der Hinsicht ist er wie ein Droide«, meinte Eve.

Lachend öffnete Roarkes Tante eine Tür. »Dies ist euer Schlafzimmer. Ich hoffe, bis Roarke sich wieder aus den Federn quälen muss, habt ihr es darin bequem.«

Eve sah sich in dem Zimmer mit den schrägen Wänden, schlichten Möbeln, weichen Farben und den weißen Spitzen vor dem Fenster um. In einem gedrungenen Krug auf der Kommode stand ein bunter Blumenstrauß.

»Falls ihr irgendetwas braucht – ich bin am anderen Flurende.«

»Uns fehlt nicht das Geringste.« Roarke gab seiner Tante einen Kuss auf die Wange.

»Dann sehen wir uns beim Frühstück. Gute Nacht.« Damit glitt sie wieder in den Flur hinaus und zog die Tür hinter sich zu.

»Warum in aller Welt willst du morgen Trecker fahren?«, wandte sich Eve an Roarke.

»Ich habe keine Ahnung, irgendwie fand ich, dass es einfach dazugehört.« Fröhlich zog er sich die Schuhe aus. »Aber ich mache einen Rückzieher, falls du den Morgen nicht allein verbringen willst.«

»Das wird sicher kein Problem. Weil ich erst mal die Jahresration Bier ausschlafen muss, die man mir heute aufgezwungen hat.«

Lächelnd trat er vor sie und strich mit der Hand über ihr Haar. »Das waren heute ganz schön viele Leute.«

»Aber sie sind alle wirklich nett. Wenn man erst mal herausgefunden hat, worüber man mit ihnen reden kann. Am liebsten sprechen sie von dir.«

»Weil ich neu in der Familie bin.« Er küsste ihre Stirn. »Weil wir beide neu in der Familie sind und sie vollkommen fasziniert von meiner Polizistin sind.« Er zog sie sanft an seine Brust und eng umschlungen standen sie in einem hübschen Schlafzimmer in einem alten Bauernhaus und atmeten den süßen Duft der Blumen ein, den die abendliche Brise durch das offene Fenster wehen ließ. »Das hier ist ein völlig anderes Leben. Eine völlig andere Welt.«

»Der letzte Mord fand hier vor ungefähr zwölf Jahren statt.«

Er schüttelte den Kopf und stellte lachend fest: »Ich hätte mir denken sollen, dass du das bereits herausgefunden hast.«

»Ich habe mit dem Thema nicht angefangen. Hörst du das?«

»Was?«

»Nichts. Es ist total ruhig und total dunkel. Totenstill und finster wie in einem Grab. Man sollte meinen, dass hier nicht nur alle Jubeljahre mal ein Mord geschieht.«

»Hast du vielleicht Lust auf Arbeit in den Ferien?«

»Nicht wirklich. Und die Stille ist für mich okay. Wenn auch vielleicht ein bisschen ungewohnt.« Sie glitt mit einer Hand bis zu der Stelle, wo das Messer in ihn eingedrungen war. »Und wie geht’s dir?«

»Auf alle Fälle gut genug, um …« Er presste seine Lippen fest auf ihren Mund und wanderte mit seiner Hand an ihrem Leib herab.

»Warte. Irgendwie fühlt sich das seltsam an.«

»Für mich fühlt sich das vollkommen natürlich an.«

»Deine Tante hat gesagt, ihr Zimmer ist am Ende dieses Flurs. Und du weißt genauso gut wie ich, dass man in diesem Haus sogar die Flöhe husten hören kann.«

»Dann musst du eben einfach leise sein.« Er kitzelte sie, bis sie quietschte. »Auch wenn das aus meiner Sicht nicht nötig ist.«

»Hast du mich nicht heute früh schon zweimal flachgelegt?«

»Meine geliebte Eve, was Romantik angeht, bist du eindeutig ein hoffnungsloser Fall.« Er schob sie rückwärts zu dem Bett, das höchstens halb so breit war wie ihr Bett daheim.

»Mach wenigstens die Glotze an. Damit man nicht uns beide, sondern die Geräusche aus dem Fernseher im Zimmer deiner Tante hört.«

Er strich mit seinen Lippen über ihre Wange und mit seiner Hand über ihr straffes Hinterteil. »Es gibt hier keinen Fernseher.«

»Keinen Fernseher?« Sie schob ihn von sich fort und sah sich suchend um. »Ist das dein Ernst? Was ist dies für ein Raum?«

»Ein Raum, den man zum Schlafen und zum Sex benutzt. Und genau das habe ich auch vor.« Um es zu beweisen, stieß er sie aufs Bett.

Das hörbar quietschte.

»Gott, was war das? Hast du das gehört? Ist in diesem Zimmer irgendwo ein Tier versteckt?«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Tiere alle draußen sind. Das war das Bett.« Entschlossen zog er ihr das Hemd über den Kopf.

Sie hob die Hüften an und ließ sie wieder fallen. »Oh, um Himmels willen. Wir tun es doch wohl nicht auf einem Bett, das spricht. Denn dann erfährt das ganze Haus, was hier gerade passiert.«

Er knabberte an ihrem Hals. »Ich glaube, sie vermuten sowieso bereits, dass wir was miteinander haben.«

»Ja, vielleicht, aber das ist was anderes, als wenn das Bett dabei laut Jippie schreit.«

Es war kein Wunder, dass er hoffnungslos in sie verschossen war, ging es ihm durch den Kopf.

Er sah ihr ins Gesicht, während er einen Finger über eine ihrer Brüste wandern ließ. »Dann haben wir am besten ruhigen, würdevollen Sex.«

»Bei würdevollem Sex macht man auf alle Fälle irgendwas verkehrt.«

»Da hast du sicher recht.« Er umfasste lächelnd ihren Busen und küsste sie zärtlich auf den Mund. »Wie schön du bist. Und während der gesamten, beinah dreiwöchigen Ferien gehörst du mir allein.«

»Du versuchst doch nur, mich weichzuklopfen«, meinte sie, bevor sie mit ihren Fingern durch die rabenschwarzen Haare ihres Liebsten fuhr. Denn ebenso gehörte er in der Zeit ihr allein.

»Es ist schön, dass wir hierhergekommen sind.« Jetzt zog sie ihm das Hemd über den Kopf und legte die Hand auf die inzwischen fast verheilte Wunde. »Auch wenn ich lieber nicht mehr daran denke, wie es zum Urlaub kam, freue ich mich, hier zu sein.«

»Ich finde, dass es bisher eine durchaus interessante Reise war.«

»Von der ich nicht eine Meile missen möchte. Auch wenn sie mitunter etwas holprig war.« Sie rahmte sein Gesicht mit ihren Händen, reckte ihren Kopf, bis ihre Lippen sich berührten, zog ihn über sich und seufzte leise auf.

Mit geschlossenen Augen ließ sie ihre Hände über die gesunden, starken Muskeln seines Rückens gleiten und sog seinen Duft begierig in sich auf. Während sie sich öffnete und ihn wie stets willkommen hieß.

Sie drehte ihren Kopf, suchte erneut nach seinem Mund und verspürte eine Leichtigkeit, die süß war wie die milde, abendliche Luft.

Wieder stieß das Bett ein lautes Quietschen aus, und lachend meinte sie: »Vielleicht legen wir uns besser auf den Fußboden.«

»Beim nächsten Mal«, schlug er ihr vor, wieder stieß sie ein leises Lachen und danach einen zufriedenen Seufzer aus. Denn wie jedes Mal, wenn sie in seinen Armen lag, wurde ihr wohlig warm ums Herz.

Und als sie sich schließlich rundherum befriedigt schläfrig an ihn schmiegte, murmelte sie gut gelaunt: »Jippie.«

Noch bevor es richtig hell war, fuhr sie aus dem Schlaf und richtete sich kerzengerade auf.

»Was war das? Hast du das gehört?« Eilig sprang sie aus dem Bett, stürzte nackt durchs Zimmer und riss den Reservestunner aus dem Knöchelhalfter, das auf der Kommode lag.

»Da! Da war es schon wieder! Was ist das für ein Geräusch?«

Roarke drehte sich gemütlich noch einmal um. »Das ist das Krähen eines Hahns.«

»Willst du mich verarschen?« Mit gezückter Waffe stand sie da und starrte ihn mit großen Augen an.

»Oh nein. Es wird allmählich hell, und der Hahn gibt das Signal zum Aufstehen.«

»Ein Hahn?«

»Genau. Und obwohl der Anblick, den du bietest, durchaus faszinierend ist, glaube ich nicht, dass Sinead und ihr Mann sich freuen würden, wenn du ihren Hahn über den Haufen schießen würdest, Schatz.«

Seufzend legte sie den Stunner wieder fort. »Mein Gott, es kommt mir vor, als wären wir auf einem anderen Planeten und nicht nur auf einem anderen Kontinent.« Sie glitt wieder ins Bett. »Falls dein ganz privater Piepmatz vielleicht auch noch das Signal zum Aufstehen geben will, denkst du am besten daran, dass ich bewaffnet bin.«

»Auch wenn der Gedanke durchaus reizvoll ist, muss ich jetzt leider aufstehen. Denn obwohl ich lieber noch ein bisschen Frühsport mit dir treiben würde, habe ich versprochen, dass ich mit Seamus Trecker fahren will.«

»Viel Spaß«, wünschte ihm Eve und zog ein Kissen über ihren Kopf.

Krähende Hähne, dachte sie und kniff die Augen zu. Großer Gott, kam dieses andere Geräusch vielleicht von einer Kuh? Muhten diese Tiere wirklich? Und vor allem, wie nah kamen diese Ungeheuer an das Haus heran?

Sie lüftete vorsichtig das Kissen und sah nach, ob ihre Waffe griffbereit auf dem Nachttisch lag.

Wie zum Teufel sollte man bei all dem Muhen, Krähen und den anderen Dingen, die dort draußen vielleicht vor sich gingen, schlafen? Das war alles total unheimlich. Was sagten diese Biester zueinander? Und weshalb sprachen sie überhaupt?

Stand das Fenster nicht noch offen? Vielleicht stünde sie am besten auf und …

Als sie abermals die Augen aufschlug, fielen helle Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht.

Dann war sie also wirklich noch einmal eingeschlafen, hatte allerdings einen beunruhigenden Traum gehabt, in dem die Tiere dieses Bauernhofs in Tarnklamotten herumgelaufen waren.

Sie brauchte dringend einen Kaffee, doch im selben Augenblick wurde ihr klar, dass sie in Irland war, und sie unterdrückte einen Fluch. Denn hier trank man Tee, und sie hatte keine Ahnung, wie sie einen Tag im Kreis all dieser Menschen überstehen sollte, ohne dass sie vorher eine möglichst große Dosis ordentliches Koffein bekam.

Sie richtete sich mühsam auf, sah sich immer noch etwas verschlafen um und merkte, dass ein Memowürfel auf dem Morgenrock am Fußende des Bettes lag. Eilig griff sie sich den Würfel und rief die dort hinterlassene Nachricht ab.

»Guten Morgen, Lieutenant. Falls du noch nicht richtig ausgeschlafen bist: Die Dusche findest du hinter der letzten Tür auf der linken Seite des Flurs. Sinead sagt, dass du zum Frühstück einfach in die Küche kommen sollst. Wie es aussieht, treffen wir uns gegen zwölf. Sinead bringt dich dann zu uns aufs Feld oder dorthin, wo wir gerade sind. Pass gut auf meine Polizistin auf.«

»Hier gibt’s keine Verbrecher, falls du das vergessen hast.«

Sie zog ihren Morgenmantel an und steckte nach kurzem Überlegen ihren Stunner ein. Weil man eine Waffe besser nicht einfach im Zimmer liegen ließ.

Hoffentlich würde die Dusche ihre Lebensgeister wecken, wenn es hier schon keinen Kaffee gab.

2

Ihr Schlafzimmer war aufgeräumt, und selbst das Bett war ordentlich gemacht, bis sie mit Duschen fertig war. Hatten sie hier etwa Droiden? Sie war nur froh, dass sie den Stunner mitgenommen hatte, als sie aus dem Raum gegangen war.

Aber wenn sie Droiden hatten, weshalb gab es dann keinen AutoChef in diesem Raum, auf dessen Speisekarte Kaffee stand? Oder einen Fernseher, um die internationalen Nachrichten zu sehen und zu verfolgen, was daheim geschah.

Pass dich an, befahl sie sich und zog sich unter lauten Kuckucksrufen eines völlig durchgeknallten Vogels an. Sie war nicht in New York, und dieser Ort hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihrer Heimatstadt. Immerhin sammelte sie hier minütlich einen Punkt als gute Gattin ein.

Sie fuhr sich mit den Fingern durch das feuchte Haar, weil es hier zwar eine Dusche, aber keine weitere Kabine zum Trocknen gab, und sagte sich, dass sie für den bevorstehenden Tag halbwegs gewappnet war.

Auf halbem Weg ins Erdgeschoss hörte sie, wie eine hübsche, helle Frauenstimme über die Liebe sang. Während sie hätte schwören können, dass ihr der verführerische Duft von echtem Kaffee in die Nase stieg.

Tapfer kämpfte sie gegen die aufkeimende Hoffnung an und sagte sich, dass der Geruch wahrscheinlich nur ihrer sensorischen Erinnerung entsprang. Wie ein Fisch, der an der Angel hing, wurde sie dennoch von dem Aroma angezogen, bis sie schließlich in der Küche stand.

»Oh, Gott sei Dank.« Sie hatte nicht gemerkt, dass sie diesen Gedanken ausgesprochen hatte, doch Sinead lenkte ihren Blick vom Herd auf sie und meinte lächelnd: »Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?«

»Bestens, danke. Ist das etwa echter Kaffee?«

»Allerdings. Roarke hat auf meine Bitte extra deine Lieblingssorte mitgebracht. Denn ich wusste, dass du eine Schwäche dafür hast.«

»Es ist mehr ein geradezu verzweifeltes Verlangen.«

»Ich brauche morgens immer erst mal eine Tasse starken Tee, bevor ich richtig bei mir bin.« Sinead hielt Eve einen bis zum Rand gefüllten, dickwandigen, braunen Becher hin. Sie trug eine weizengelbe Hose unter einer leuchtend blauen Bluse mit in Ellenbogenhöhe aufgeschlagenen Ärmeln und hatte ihr Haar mit einer Klammer an ihrem Hinterkopf zusammengefasst.

»Setz dich an den Tisch und komm erst einmal in Gang.«

»Danke. Gern.«

»Die Männer sehen sich noch irgendwelche Landmaschinen an, du kannst also in Ruhe frühstücken. Roarke sagt, über ein richtiges irisches Frühstück würdest du dich sicher freuen.«

»Ah …«

»Eine zivilisierte Menge«, fügte Sinead gut gelaunt hinzu. »Nicht die Berge, die die Männer in sich reinschaufeln, bevor sie auf die Felder gehen.«

»Mir genügt der Kaffee. Mach dir also bitte keine Umstände.«

»Das tue ich gern. Es macht mir einfach Spaß. Die Würstchen und der Speck sind bereits fertig, müssen also nur noch kurz aufgewärmt werden, und die anderen Sachen sind im Nu gemacht. Außerdem gefällt es mir, wenn mir hier jemand Gesellschaft leistet.« Lächelnd wandte sie sich wieder ihren Töpfen zu.

Seltsam, dachte Eve. Es war wirklich seltsam, jemandem beim Kochen zuzusehen. Sicher kochte auch der blöde Summerset zu Hause all die Dinge, die sie über die diversen AutoChefs im Haus bestellen konnte, selbst.

Doch sie würde sich niemals freiwillig in die Küche setzen, während dieser arrogante Laffel dort zugange war.

»Ich habe gehört, der Gockel hätte dich aufgeweckt.«

»Was?«

»Nicht diese Art von Gockel«, stellte Sinead fröhlich fest. »Der hat dich vielleicht ebenfalls geweckt, aber ich meine den Chef von unserem Hühnerstall.«

»Oh, richtig. Ja. Macht er etwa jeden Morgen einen solchen Krach?«

»Allerdings, obwohl ich so daran gewöhnt bin, dass ich kaum noch mitbekomme, wenn er kräht.« Sie schlug ein paar Eier in die Pfanne. »Das ist für mich wahrscheinlich das, was für dich Verkehrslärm ist. Einfach ein Teil der Welt, in der man lebt.«

Sie wandte sich Eve wieder zu. »Ich bin so froh, dass ihr bis morgen bleibt und heute so ein schöner Tag ist. Weil die Sonne dein Geschenk für Roarke noch mehr zur Geltung kommen lässt. Ich dachte, wir beide gehen ein bisschen früher rüber, damit du es dir erst einmal selbst ansehen kannst.«

»Dank der Bilder, die du mir geschickt hast, kann ich mir schon vorstellen, wie es geworden ist, aber natürlich würde ich es gern auch noch mit eigenen Augen sehen. Ich weiß zu schätzen, was ihr hier alle geleistet habt, Sinead.«

»Es bedeutet uns sehr viel. Es ist viel mehr als nur ein prächtiges Geschenk zu eurem Hochzeitstag. Viel mehr.«

Sie häufte die Eier, eine braun gebackene Kartoffel und eine halbe Tomate auf den Teller mit den Würstchen und dem Speck und stellte ihn mit einem Schälchen Butter auf den Tisch. »Hier ist noch frisch gebackenes Vollkornbrot«, erklärte sie, wobei sie das Geschirrtuch von dem halben, runden Brotlaib zog.

»Riecht super.«

Lächelnd schenkte Sinead Kaffee nach, holte sich ihren Teebecher und nahm Eve gegenüber Platz.

»Und es schmeckt sogar noch besser. Was viel heißt, weil mich auch Roarke beim Frühstück hoffnungslos verwöhnt.«

»Das freut mich. Es macht mir Spaß, für andere zu kochen und sie zu umsorgen. Obwohl das vielleicht etwas unbescheiden klingt, glaube ich, dass mir das einfach liegt.«

»Auf jeden Fall.«

»Jeder Mensch sollte das Glück haben zu tun, was ihm gefällt und wofür er talentiert ist. Du hast dieses Glück auf jeden Fall.«

»Das stimmt.«

»Ich kann mir genauso wenig vorstellen, deiner Arbeit nachzugehen, wie du dir sicher vorstellen kannst, das Leben zu führen, das mir hier beschieden ist. Trotzdem sitzen wir zusammen hier an diesem Tisch. Das Schicksal kann sehr launisch sein, aber in dieser Hinsicht hat es es sehr gut mit uns beiden gemeint. Ich danke dir, dass du bereit bist, einen Teil von deiner knappen Urlaubszeit zu opfern, und mit Roarke hierhergekommen bist.«

»Es ist wohl kaum ein Opfer, hier zu sitzen und ein so köstliches Frühstück zu genießen«, widersprach ihr Eve.

Sinead schob den Arm über den Tisch und berührte ihre Hand. »Du hast großen Einfluss auf einen sehr einflussreichen Mann. Seine Liebe gibt dir diese Macht, obwohl ich davon ausgehe, dass ihr euch auch wie tollwütige Hunde streiten könnt.«

»Das können wir sogar sehr gut.«

»Im Moment fährt er mit einem Traktor über eins von unseren Feldern, statt auf einer sonnenüberfluteten Terrasse an irgendeinem exotischen Ort zu sitzen und bereits zum Frühstück mit Champagner anzustoßen. Weil du wolltest, dass er hierherkommt und Traktor fährt. Weil du weißt, wie wichtig die Verbindung zur Familie für ihn ist, und dass er es braucht, dass du diese Verbindung mit ihm teilst.«

»Ihr habt ihm etwas gegeben, was er will und braucht, obwohl ihm das gar nicht bewusst gewesen ist. Sonst säßen du und ich jetzt nicht zusammen hier an diesem Tisch.«

»Meine Schwester fehlt mir immer noch jeden Tag.«

Sinead wandte sich kurz ab und stieß mit rauer Stimme aus: »Die Verbindung zwischen Zwillingen ist so intim, dass ich es nicht in Worte fassen kann. Jetzt habe ich mit ihrem Jungen einen Teil von ihr, von dem ich nie auch nur gehofft hätte, ihn jemals zu besitzen, ich nehme für sie die Mutterstelle bei ihm ein. Denn genau wie du liebe ich ihn von ganzem Herzen. Ich möchte, dass du mich als Freundin siehst und hin und wieder mit ihm herkommst oder uns in eurem Haus empfängst. Dass diese Verbindung im Verlauf der Zeit noch stärker und noch wahrer wird – und dass das, was uns beide verbindet, mehr als die Beziehung zu dem Mann ist, den wir beide lieben.«

»Viele Menschen hätten ihm die Schuld daran gegeben, was damals geschehen ist.«

»Er war noch ein Baby«, widersprach ihr Sinead, doch sie schüttelte den Kopf.

»In meiner Welt beschuldigen, verletzen und verstümmeln sich die Menschen gegenseitig aus den unlogischsten Gründen. Roarkes Vater hat deine Schwester umgebracht. Er hat sie dir genommen, denn er hat sie erst benutzt, missbraucht, betrogen und am Schluss getötet. Deshalb würden viele Menschen Roarke ansehen und denken, dass er schuld an diesem Unglück ist, dass seine Mutter seinetwegen nicht mehr lebt. Als er herausfand, was geschehen war, als er dahinterkam, dass man ihn über Jahre hinweg eine Lüge glauben lassen hat, hat er sich sofort auf den Weg zu euch gemacht. Statt ihn abzuweisen, ihn mit Vorwürfen zu überschütten oder ihn für ihren Tod zu strafen, habt ihr ihn hier bei euch aufgenommen und getröstet, weil er selbst zutiefst erschüttert war.« Eve seufzte.

»Ich schließe nur sehr selten Freundschaft«, fügte sie dann hinzu. »Ich tue mich damit ein bisschen schwer. Aber ich werde euch nie vergessen, dass ihr ihn mit offenen Armen aufgenommen habt, und schätze, dass das zwischen uns bereits etwas wie eine Freundschaft ist.«

»Er hat wirklich Glück, dass er dich hat.«

Eve schaufelte sich kurzerhand den nächsten Bissen Rührei in den Mund. »Auf jeden Fall.«

Lachend legte Sinead ihre Hände um den Becher Tee, der vor ihr stand. »Siobhan hätte dich gemocht.«

»Wirklich?«

»Auf jeden Fall. Sie mochte kluge, kühne Frauen.« Sinead beugte sich über den Tisch. »Und da wir gerade allein sind, könntest du mir jetzt vielleicht die grässlichen Details deines letzten Mordfalles erzählen. Die, die von den Medien verschwiegen worden sind.«

Kurz vor Mittag betrat Eve den kleinen Park, stemmte ihre Hände in die Hüften und betrachtete eingehend die Gerätschaften, von denen sie umgeben war. Sie kannte sich mit Spielplätzen nicht im Geringsten aus, doch dieser Spielplatz schien durchaus okay zu sein. Vor allem, da sie zwischen all dem Zeug, auf dem die Kinder schaukeln, klettern, rutschen oder sonst was machen konnten, eine Reihe hübscher Blumenbeete sowie eine Menge junger, grüner Bäume sah.

Sinead hatte im Gedenken an die tote Schwester einen Kirschbaum auf dem Hof gepflanzt, und hier wuchs neben einem kleinen Pavillon eine jüngere Version desselben Baums. Außerdem konnten die Eltern sich auf einer Reihe hübscher Bänke ausruhen, während ihre Kinder ausgelassen tobten, merkte Eve.

Neben einem vollständig möblierten Spielzeughaus plätscherte ein hübscher Brunnen, und ein Stückchen weiter gab es eine freie Fläche mit ein paar Tribünen, wo die Kids nach Aussage von Sinead bolzen konnten – was zum Teufel das auch immer war –, eine Picknickhütte und ein größeres Gebäude, weil die Sportler schließlich Räumlichkeiten brauchten, um sich vor und nach den Spielen umzuziehen.

Einige der angelegten Pfade endeten bisher im Nichts. Weil die Arbeit an dem Spielplatz noch nicht abgeschlossen war.

Trotzdem hatten Sinead und die anderen sich unglaublich ins Zeug gelegt, und Eve stellte zufrieden fest: »Sieht alles wirklich super aus.«

Sinead atmete erleichtert auf. »Ich hatte fürchterliche Angst, du hättest es dir vielleicht total anders vorgestellt.«

»Etwas derart Tolles hätte ich mir nie ausdenken, geschweige denn umsetzen können.« Sie trat ein wenig näher an die Schaukeln und sah auf den Boden, als ihr Schuh im weichen Untergrund versank.

»Das ist Sicherheitsmaterial. Weil Kinder schließlich auch mal fallen, sich dabei aber möglichst nicht verletzen sollen.«

»Ausgezeichnet. Sieht so aus, als könnte man hier jede Menge Spaß haben«, stellte Eve fest. »Natürlich ist es hübsch und wirklich gut durchdacht, aber vor allem sieht es aus, als könnten sich die Kids hier prächtig amüsieren.«

»Wir waren mit ein paar von unseren Kindern hier, damit sie alles testen, und ich kann dir garantieren, sie haben sich nach Kräften amüsiert.«

Jetzt stemmte auch Sinead ihre Hände in die Hüften, drehte sich einmal um sich selbst, und die sanfte Brise fuhr durch ihr inzwischen offenes Haar. »Im Dorf wird von nichts anderem mehr geredet. Aber schließlich ist dies auch ein wunderbarer Ort geworden. Ein in jeder Hinsicht wunderbarer Ort.«

»Wenn er ihm nicht gefällt, trete ich ihm in den Hintern.«

»Und ich halte währenddessen deine Jacke. Ah, da kommen sie.« Sinead reckte das Kinn, als sie den Pick-up sah. »Dann schaffe ich die anderen erst einmal aus dem Weg, damit du Roarke sein Geschenk unter vier Augen überreichen kannst.«

»Danke, das ist nett.«

Meistens war ihr unbehaglich zumute, wenn sie etwas schenkte oder selbst etwas geschenkt bekam. Und in diesem Fall war sie etwas nervös, dass ihr Präsent womöglich furchtbar übertrieben war. Im November, während Sinead in New York gewesen war, war ihr die Idee fantastisch vorgekommen, aber dann hatte das Vorhaben sich als entsetzlich kompliziert und aufwändig herausgestellt, und jetzt hatte sie Angst, dass es vielleicht nicht angemessen war.

Geschenke, Jahrestage und Familie – mit all diesen Dingen kannte sie sich nur sehr wenig aus.

Sie sah ihm entgegen, als er auf sie zugelaufen kam. Er trug Jeans und Stiefel, ein verblichenes, bis zu seinen Ellenbogen aufgerolltes, blaues Hemd und hatte sich das dichte, seidig weiche, schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, so wie er es immer machte, wenn er bei der Arbeit war. Obwohl sie schon seit fast zwei Jahren seine Frau war, schlug ihr Herz noch immer einen Purzelbaum, wenn sie ihn sah.

»Dann gibst du also alles auf und wirst jetzt Bauer?«, rief sie ihm entgegen.

»Nein, ich glaube nicht, obwohl es ein paar Stunden lang durchaus sehr lustig war. Sie haben sogar Pferde.« Er blieb vor ihr stehen, neigte den Kopf und gab ihr einen Kuss. »Du könntest ja einmal auf einem reiten, wenn du willst.« Er legte einen Finger auf das Grübchen in der Mitte ihres Kinns. »Vielleicht macht dir das ja mehr Spaß als der Ritt auf diesem Holo-Pferd, mit dem du letztens in die Schlacht gezogen bist.«

Sie erinnerte sich an die Kraft und die Geschwindigkeit des Hologramms und zog in Erwägung, dass ein Ritt auf einem echten Pferd durchaus Spaß machen könnte. Doch jetzt ging es erst einmal um etwas völlig anderes.

»Sie sind noch größer als Kühe, sehen aber nicht so seltsam aus.«

»Genau.« Er sah sich um, und ihre Nervenenden fingen an zu kribbeln. »Willst du noch ein Picknick machen? Das hier wäre der ideale Ort dafür.«

»Gefällt er dir?«

»Die Anlage sieht wirklich reizend aus.« Er nahm ihre Hand, und sie bemerkte, dass er nach dem Grün der Felder roch. »Soll ich dich auf der Schaukel anstupsen?«

»Vielleicht.«

»Wir beide sind als Kinder kaum jemals geschaukelt.« Hand in Hand mit ihr lief er über den Platz. »Ich wusste gar nicht, dass es hier einen so schönen Spielplatz gibt. Die Lage ist perfekt. Nah genug am Dorf, um ihn problemlos zu erreichen, aber weit genug davon entfernt, dass der Besuch etwas Besonderes bleibt. Die Bäume sind noch jung, ich nehme also an, er wurde erst vor Kurzem angelegt. Das heißt, anscheinend sind sie sogar noch dabei«, verbesserte er sich, als er die Grabwerkzeuge und die anderen abgedeckten Geräte sah.

»Er ist noch nicht ganz fertig.« So unauffällig wie möglich führte sie ihn an dem kleinen Spielzeughaus vorbei zum Brunnen.

»Die offizielle Eröffnung steht noch aus.«

»Das heißt, wir haben diesen Spielplatz ganz für uns? Sean war mit mir und seinem Vater unterwegs. Er hätte sicher Lust, sich hier ein bisschen auszutoben.«

»Ja, vielleicht …« Eve hatte gehofft, er würde sich den Brunnen ansehen, doch im Grunde hätte sie sich denken müssen, dass er sich vor allem für die Geräte interessieren und gedanklich überschlagen würde, welche Arbeiten noch nicht beendet waren. »Hier ist also dieses Ding.«

»Hm?« Er sah sie fragend an.

»Mein Gott.« Sie drehte ihn frustriert herum und stieß ihn praktisch mit der Nase auf die schimmernde Plakette, die am Brunnenrand befestigt war.

SIOBHAN-BRODY-PARK

GESTIFTETVONIHREMSOHN

Als er schwieg, vergrub sie ihre Hände in den Taschen ihrer Jeans. »Tja, nun … es ist ein paar Tage zu früh, aber trotzdem wünsche ich dir einen schönen zweiten Hochzeitstag.«

Er starrte sie aus seinen wundervollen, wilden, blauen Augen an und sagte nur ein Wort. Nur: »Eve.«

»Die Idee ist mir gekommen, als deine irische Verwandtschaft letzten Herbst bei uns zu Hause eingefallen ist, und Sinead meinte, sie und auch die anderen fänden sie okay. Ich habe eigentlich nur Geld geschickt. Verdammt, dein Geld, denn schließlich hast du bei unserer Hochzeit dieses blöde Konto für mich eingerichtet. Also …«

Wieder sagte er nur »Eve«, zog sie eng an seine Brust und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar.

Machte einen tiefen Atemzug und nahm sie noch ein wenig fester in den Arm.

»Dann gefällt es dir also.«

Schweigend strich er ihr über den Rücken, aber schließlich stieß er leise aus: »Du bist einfach unglaublich.« Wobei ihm die Rührung deutlich anzuhören war. Seine blauen Augen leuchteten vor Glück. »Dass du an so etwas gedacht hast. Dass du das realisiert hast.«

»Den größten Teil der Arbeit hatten Sinead und die anderen. Ich habe schließlich nur …«

Er schüttelte den Kopf und küsste sie innig auf den Mund.

»Ich weiß nicht, wie ich dir dafür je danken soll. Ich kann kaum in Worte fassen, was mir das bedeutet. Weil es dafür einfach keine Worte gibt.« Er nahm ihre Hände und hob sie an seine Lippen. »A ghra. Du bringst mich völlig aus dem Gleichgewicht.«

»Dann ist es also gut.«

Jetzt legte er die Hände sanft an ihr Gesicht, presste seinen Mund auf ihre Braue, sah ihr ins Gesicht und sagte einen Satz auf Gälisch, den sie nicht verstand.

Sie sah ihn fragend an, und als er lächelte, wurde ihr warm ums Herz.

»Ich habe gesagt, dass du mein Herzschlag, mein Atem und das Licht in meiner Seele bist.«

Um nicht vollkommen dahinzuschmelzen, nahm sie seine Handgelenke und sah ihn mit einem schiefen Grinsen an. »Selbst wenn ich dir auf die Nerven gehe?«

»Dann vor allem.« Er drehte sich um und sah sich die Plakette an. »Sie ist einfach wunderschön. Schlicht und wunderschön.«

»Du bist schließlich auch ein schlichter Typ.«

Wie Eve gehofft hatte, brach er bei diesem Satz in leises Lachen aus. »Die Familie hat mir einiges über sie erzählt. Deshalb weiß ich, dass ihr das sehr viel bedeutet hätte. Ein sicherer Ort, an dem die Kinder spielen können.« Wieder blickte er sich um. »Ein Ort für Familien und für junge Leute, die sich hier zusammensetzen können, um gemeinsam ihre Hausaufgaben zu erledigen, Musik zu hören oder auf dem Fußballfeld zu kicken.«

»Ich verstehe wirklich nicht, warum das Fußball heißt, denn mit unserem Football hat es schließlich nicht das Mindeste zu tun. Außerdem ist es kein Baseball. Weil sie in Europa einfach keinen blassen Schimmer davon haben, was echt schade ist.«

Mit einem erneuten Lachen nahm er ihre Hand und schwang sie fröhlich hin und her. »Wir sollten jetzt die anderen holen, damit sie sich hier amüsieren können, während du mir alles zeigst.«

»Okay.«

Kaum hatte Seamus’ Zögling das Signal bekommen, stürzte er begeistert los, erklomm diverse Leitern, baumelte an irgendwelchen Stangen und kletterte wie ein Äffchen über das Gerüst.

Was zeigte, dass der Spielplatz ausgezeichnet zum Herumtoben geeignet war.

Wenig später tauchten Sinead sowie eine Reihe anderer Verwandter auf, breiteten diverse Köstlichkeiten auf den Picknicktischen aus und scheuchten die neugierigen Hunde fort.

Als Sinead nach getaner Arbeit auf dem Rand des Brunnens Platz nahm, setzte Roarke sich neben sie, nahm ihre Hand, und sie sahen einander schweigend an.

»Es ist gut zu wissen, dass hier meine Enkelkinder und vielleicht noch deren Kinder spielen, lachen, streiten, rennen werden«, stellte sie nach einem Augenblick mit rauer Stimme fest. »Es ist gut, dass sich aus Trauer und Verlust auch etwas Schönes, Freundliches entwickeln kann. Deine Frau kennt dich sehr gut, und das macht dich zu einem reichen Mann.«

»Das stimmt. Ihr alle habt viel Zeit und Arbeit in den Spielplatz investiert.«

»Oh, ich hatte sonst gerade nichts vor, und außerdem hat sie nicht nur dir, sondern auch mir und allen anderen ein Geschenk damit gemacht. Deine Oma hat geweint, als ich ihr erzählt habe, was Eve im Schilde führt. Aber es waren glückliche Tränen, und nach all den unglücklichen Tränen, die wir wegen Siobhan vergossen haben, hatten diese Tränen eine reinigende Wirkung. Deine Frau kennt sich mit Tod und Elend aus. Das macht sie sensibel.« Sinead sah den Neffen von der Seite an. »Sie hat eine ganz besondere Gabe, denn sie kann nicht nur mit ihren Augen, sondern auch mit ihrem Bauch und ihrem Herzen sehen.«

»Sie würde das Instinkt, Gewohnheit oder das Gespür der Polizistin nennen.«

»Es spielt keine Rolle, wie sie diese Gabe nennt, oder?« Lachend stand sie wieder auf und zog ihn neben sich. »Sieh nur, wer da drüben steht. Ein Freund, der mit dir spielen will.«

Roarke blickte verwundert über seine Schulter, setzte dann aber ein breites Grinsen auf. »Ich hätte nicht gedacht, dass Brian extra zum Spielen aus Dublin kommt.«

»Ich dachte mir, an einem Tag wie diesem würdest du dich vielleicht freuen, einen Jugendfreund zu sehen. Am besten gehst du zu ihm, denn es sieht so aus, als mache er sich ungeniert an deine Frau heran.«

Mit einem breiten Grinsen auf dem runden, rötlichen Gesicht zog Brian Kelly Eve an seine Brust. »Ah, mein liebreizender Lieutenant.« Ungeniert verpasste er ihr einen Schmatzer mitten auf den Mund. »In dem Augenblick, in dem Sie Roarke den Laufpass geben, werde ich zur Stelle sein.«

»Es ist immer gut, wenn man einen Ersatzmann hat.«

Er lachte dröhnend auf und schlang ihr einen seiner muskulösen Arme um die Schultern, als sein Freund auf sie zukam.

»Ich werde mit dir um sie kämpfen. Und ich werde dabei alle miesen Tricks anwenden, die ich je gelernt habe«, erklärte Roarke.

»Was ich dir nicht verdenken kann.«

Lachend ließ er von Eve ab, zog Roarke an seine Brust und küsste ihn genauso schmatzend auf den Mund. »Du warst immer schon ein Glückspilz.«

»Freut mich, dich zu sehen, Brian.«

»Deine Tante war so nett mich einzuladen.« Er trat einen Schritt zurück und sah sich auf dem hübschen Spielplatz um. »Wunderschön. Echt wunderschön.«

Eve blickte neben sich, als plötzlich Sean an einer ihrer Hände zog. »Was ist?«

»Die Hunde sind da drüben in den Wald gerannt.«

»Okay.«

»Sie kommen nicht zurück, wenn ich sie rufe, und sie bellen die ganze Zeit.«

»Na und?«

Er rollte mit den Augen. »Du bist doch die Polizistin. Ich darf nicht alleine in den Wald, deswegen musst du mitkommen.«

»Ach ja?«

»Na klar. Denn vielleicht haben sie ja was gefunden. Einen Schatz, einen Hinweis auf ein Rätsel …«

»Oder ein normales Eichhörnchen.«

Er bedachte sie mit einem bösen Blick. »Das weiß man erst, wenn man es sieht.«

»Nach der langen Fahrt von Dublin täte es mir sicher gut, mir kurz die Beine zu vertreten. Und auch einen Schatz könnte ich durchaus brauchen«, mischte Brian sich in das Gespräch, und Sean fing an zu strahlen.

»Also, gehen wir, aber sie muss mitkommen. Weil sie schließlich ein Lieutenant ist.«

»Da hast du recht. Na, wie wäre es mit einer kurzen Schatzsuche?«, fragte er Roarke.

»Ich zeige euch den Weg!«, begeistert lief der Junge los.

»Nun komm schon, Lieutenant.« Roarke nahm ihre Hand. »Weil du die Truppe schließlich anführen musst. Wie läuft’s in deinem Pub, Brian?«

»Oh, wie immer. Ich zapfe das Bier und höre mir den Tratsch und den Kummer der Leute an.« Er zwinkerte Eve zu. »Mein Leben ist inzwischen ziemlich ruhig.«

»Wie heißt Blödsinn auf Gälisch?«, fragte Eve.

»Also bitte, liebreizender Lieutenant, zwar hat mich dieser Mann in meiner Jugend kurzfristig auf Irrwege geführt, aber seither bin ich geläutert. Überzeugen Sie sich einfach selbst, indem Sie wieder mal mit Roarke nach Dublin kommen. Die Getränke wären dann selbstverständlich kostenlos.«

Sie schlenderten gemächlich Richtung Wald, der junge Sean aber sprang aufgeregt um sie herum und trieb sie ein ums andere Mal zu Eile an. Inzwischen konnte Eve die Hunde hören. Ihr pausenloses Bellen klang tatsächlich schrill und aufgeregt.

»Warum rennen Hunde ständig weg, schnuppern an irgendwelchem Zeug, pinkeln auf die Sachen drauf oder jagen unschuldigen anderen Tieren hinterher?«

»Für einen Hund ist das gesamte Leben ein einziger, langer Feiertag«, erklärte Brian ihr. »Vor allem, wenn da noch ein Junge ist, mit dem er spielen kann.«

Eve stieß einen Seufzer aus, als sie den Wald erreichten. Denn aus ihrer Sicht war es in höchstem Maß gefährlich, einfach so durch die Natur zu trampeln.

Die Baustämme und Steine waren mit dunkelgrünem Moos bewachsen, das wenige Sonnenlicht, das durch die Äste fiel, bekam aufgrund der vielen Blätter einen grünen Ton, und knorrige, bizarr geformt Zweige ragten in den Himmel oder in den Weg.

»Passt auf die Feen auf«, bat Brian Eve und Roarke mit einem breiten Grinsen. »Himmel, es ist Jahre her, seit ich zum letzten Mal in einem echten Wald gewesen bin. Weißt du noch, Roarke, wie wir die Deutschen in diesem Hotel über den Tisch gezogen haben und uns dann zwei Tage lang im Wald von Wexford beim fahrenden Volk verkrochen haben, bis es wieder halbwegs sicher für uns war?«

»Vorsicht«, warnte Eve. »Ich höre alles, und ich bin ein Cop.«

»Da war dieses Mädchen«, fuhr der Ire unbekümmert fort. »Eine glutäugige Schönheit. Und egal, wie sehr ich mich bemüht habe, sie zu becircen, hatte sie die ganze Zeit nur Augen für dich.«

»Wie gesagt, ich höre alles«, warnte Eve ein zweites Mal. »Und ich bin die Frau von diesem Mann.«

»Die Sache ist doch ewig her.«

»Bis wir dort wieder abgehauen sind, hattest du die Hälfte deines Anteils schon wieder verzockt«, rief Roarke ihm in Erinnerung.

»Das stimmt, aber ich habe mich dabei wirklich amüsiert.«

Eve blieb stehen. »Wo ist der Junge?«

»Er ist schon mal vorgelaufen«, antwortete Roarke. »Weil dieser Ausflug in den Wald für ihn ein wunderbares Abenteuer ist.«

Dann hörten sie ihn rufen. »Ach, da seid ihr ja, ihr dummen Tiere.«

»Und die Hunde hat er auch entdeckt.«

»Gut, dann kann er sie ja mitbringen, und wir können zusammen wieder auf den Spielplatz gehen.« Eve blieb wie angewurzelt stehen und sah sich ängstlich um. »Irgendwie ist es hier unheimlich, findet ihr nicht?«

»Nein, finden wir nicht.« Trotzdem beschloss Roarke, das Kind zurückzurufen, doch im selben Augenblick kam Sean von selber angerannt. »Da kommt er ja.«

Sean kam auf sie zugeflogen. Seine Sommersprossen hoben sich wie schwarze Punkte von den kreidebleichen Wangen ab, und er starrte Eve aus großen Augen an. »Du musst mitkommen.«

»Ist etwas mit einem von den Hunden?« Roarke trat auf ihn zu, aber der Junge schüttelte den Kopf und packte Eve am Arm.

»Schnell. Du musst dir etwas angucken.«

»Und was?«

»Na sie. Die Hunde haben sie gefunden.« Er zerrte Eve mit aller Kraft hinter sich her. »Bitte. Sie ist mausetot.«

Eve wollte ihn zusammenstauchen, doch ein Blick in sein Gesicht genügte, und sofort war ihr Instinkt als Cop geweckt. Denn Sean erlaubte sich eindeutig keinen Spaß mit ihr. »Zeig mir, wo sie liegt.«

»Er spricht bestimmt von einem toten Tier. Weil vor Hunden, nichts was tot ist, sicher ist«, fing Brian an.

Eve jedoch ließ sich von Sean durchs Dickicht über eine Reihe moosbewachsener Steine dorthin führen, wo die Hunde saßen. Obwohl sie nicht mehr bellten, war ihr aufgeregtes Zittern nicht zu übersehen.

»Da.«

Der Junge streckte eine Hand aus, aber Eve hatte die Leiche schon entdeckt.

An einem ihrer Füße baumelte ein hochhackiger, roter Schuh, das Gesicht wies eine Reihe leuchtend roter Abschürfungen sowie eine Vielzahl blauer Flecken auf, und ihre trüben Augen starrten reglos geradeaus.

Der Junge hatte recht gehabt. Die Frau war mausetot.

Eve riss ihn zurück, als er noch einen Schritt nach vorne machen wollte. »Halt. Geh bloß nicht näher ran. Und halte auch die Hunde von ihr fern. Denn sie haben schon mehr als genug Spuren zerstört.«

Sie versuchte automatisch, den Rekorder anzustellen, der natürlich nicht am Kragen ihrer Jacke klemmte, und konnte nur hoffen, dass sie sich auch so einprägen könnte, was sie sah.

»Verdammt, ich habe keine Ahnung, wen ich hier in einem solchen Fall anrufen muss.«

»Das übernehme ich.« Roarke zog bereits sein Handy aus einer der Vordertaschen seiner Jeans. »Brian, bring den Jungen und die Hunde wieder zu den anderen, ja?«

»Nein, ich bleibe hier.« Sean stemmte die Fäuste in die Hüften und schüttelte vehement den Kopf. »Ich habe sie gefunden, deshalb sollte ich auch bei ihr bleiben. Jemand hat sie umgebracht. Jemand hat sie umgebracht und dann alleine hier zurückgelassen. Nachdem ich sie gefunden habe, bin ich jetzt auch für sie zuständig.«

Ehe Roarke ihm widersprechen konnte, blickte Eve den Jungen an. Sie hatte ihn zurück zum Spielplatz schicken wollen, aber etwas an dem jungen, sommersprossigen Gesicht des Kindes hielt sie davon ab. »Wenn du bleiben möchtest, musst du tun, was man dir sagt.«

»Du bist der Boss.«

»Das stimmt.« Zumindest, bis die einheimischen Cops erschienen und das Ruder übernähmen, dachte sie. »Hast du sie berührt? Das ist wirklich wichtig, also lüg mich ja nicht an.«

»Ich habe sie nicht angefasst, das schwöre ich. Ich bin auf die Hunde zugerannt, und dann habe ich sie auf der Erde liegen sehen. Ich habe versucht zu schreien, aber …« Er errötete ein wenig. »… irgendwie habe ich keinen Ton herausgebracht. Also habe ich die Hunde von ihr weggelockt, sie Platz machen lassen und bin wieder losgerannt.«