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Ein witziger lesbischer Liebesroman über eine warmherzige Krankenschwester, die bei einer Single-Auktion versehentlich ein Date mit einer unnahbaren Ärztin ersteigert. Ellie Fisher liebt ihre Arbeit als Krankenschwester in der Notaufnahme. Dafür nimmt sie selbst die kühle Ärztin Regina Novak in Kauf, die sich aufführt wie eine Halbgöttin in Weiß. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Regina hält Ellie für eine Romantikerin, deren sentimentale Einstellung bei der Arbeit nichts zu suchen hat. Als Regina sich überreden lässt, als Bachelorette bei einer Single-Auktion mitzumachen, bietet Ellie unabsichtlich auf sie – und gewinnt am Ende mehrere Dates mit ihr! Da das Geld für einen guten Zweck bestimmt ist, beschließen sie, die Verabredungen durchzustehen. Im Laufe der Dates beginnt das Eis zwischen den beiden zu tauen. Kann es sein, dass die Notaufnahme doch nicht der unromantischste Ort der Welt ist?
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Seitenzahl: 597
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Inhaltsverzeichnis
Von Jae außerdem lieferbar
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Epilog
Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen
Über Jae
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Von Jae außerdem lieferbar
Kuscheln im Erbe inbegriffen
Eine Mitbewohnerin zum Verlieben
Tintenträume
Ein Happy End kommt selten allein
Alles nur gespielt
Aus dem Gleichgewicht
Hängematte für zwei
Herzklopfen und Granatäpfel
Cabernet und Liebe
Die Gestaltwandler-Serie:
Vollmond über Manhattan
Die Hollywood-Serie:
Liebe à la Hollywood
Im Scheinwerferlicht
Affäre bis Drehschluss
Die Portland-Serie:
Auf schmalem Grat
Rosen für die Staatsanwältin
Die Serie mit Biss:
Zum Anbeißen
Fair-Oaks-Serie:
Perfect Rhythm – Herzen im Einklang
Beziehung ausgeschlossen
Oregon-Serie:
Westwärts ins Glück (Bd. 1 & 2)
Angekommen im Glück
Verborgene Wahrheiten (Bd. 1 & 2)
Unverhofft verliebt:
Vorsicht, Sternschnuppe
Falsche Nummer, richtige Frau
Alles eine Frage der Chemie
Kapitel 1
Ellie kletterte auf den hässlichsten orangefarbenen Plastikstuhl der Weltgeschichte, stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte sich in Richtung Wand.
Hinter ihr quietschten Turnschuhe auf dem Linoleumboden der Notaufnahme. »Ich hoffe, Sie demonstrieren gerade nur, was man nicht tun sollte, um für Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen«, sagte eine Stimme kühl. Sie übertönte das stetige Piepen der Monitore, ein klingelndes Telefon und lautstarkes Husten aus einem Behandlungsraum.
Ellie ließ sich zurück auf ihre Fersen sinken und warf einen Blick über die Schulter.
Dr. Regina Novak stand vor ihr, die athletischen Arme über ihrem blauen OP-Oberteil verschränkt und die vollen Lippen missbilligend zusammengepresst. Sie nickte in Richtung des Stuhls, auf dem Ellie stand. »Genau so landen viele Patienten in unserer Notaufnahme.«
Natürlich wusste Ellie, dass sie recht hatte. Aber der überhebliche Ton der Ärztin ging ihr auf die Nerven. Eigentlich arbeitete Ellie gern als Krankenschwester in der Notaufnahme, denn dort waren die Ärzte meist weniger arrogant und unhöflich als viele der Chirurgen.
Doch Dr. Novak war ganz klar die Ausnahme. Sie schien sich für eine Halbgöttin in Weiß zu halten. Da half es auch nicht, dass sie ausgesprochen attraktiv war. Sie war Ellie schon an ihrem ersten Arbeitstag als neue Fachärztin im Campbell Medical Center unangenehm aufgefallen, und in den sieben Monaten seither hatte sich ihr erster Eindruck bestätigt.
»Ich komme gleich runter. Ich muss nur noch kurz …« Ellie streckte sich erneut und schaffte es endlich, das Ende der Schnur an der Wand zu befestigen. »So. Geschafft.«
Dr. Novak beäugte die Papierherzen, als hätte Ellie Artefakte einer außerirdischen Kultur aufgehängt. »Was ist das?«
Ellie blickte von ihrer Position auf dem Stuhl auf sie hinab. War es kindisch, dass sie es genoss, ausnahmsweise einmal auf die hochgewachsene Ärztin hinunterschauen zu können? Zögernd sprang sie zu Boden. »Papierherzen«, sagte sie mit einem hoffentlich entwaffnenden Lächeln.
»Das sehe ich selbst.« Dr. Novak umklammerte das Band mit ihrem Klinikausweis, als würde sie Ellie damit am liebsten erwürgen. »Ich meine, warum hängen Sie die hier auf?«
War das nicht offensichtlich? »Weil im Februar der Monat der Liebe gefeiert wird und morgen Valentinstag ist. Ich dachte, ein bisschen Deko würde unsere Patienten aufheitern und für eine fröhlichere Atmosphäre sorgen.«
»Wir sind hier in der Notaufnahme. Das ist so ziemlich der unromantischste und am wenigsten fröhliche Ort der Welt«, antwortete Dr. Novak. »Die Leute kommen hierher, weil sie krank oder verletzt sind und Hilfe brauchen. Ich bezweifle, dass ihnen zum Feiern zumute ist. Schon gar nicht diesen Unsinn. Alles nur Geldmacherei.«
Ellie war nicht überrascht. Sie hatte damit gerechnet, dass Dr. Novak nichts mit Romantik am Hut hatte. »Aber es geht nicht nur um unsere Patienten«, sagte sie leise. »Auch das Personal könnte eine Aufmunterung gebrauchen. Wir haben mehrere Paare, die am Valentinstag arbeiten müssen. Was spricht denn dagegen, ihre Liebe zu feiern, indem wir hier ein paar Papierherzen und im Aufenthaltsraum ein paar Luftballons aufhängen?«
Als Ellie die Ballons erwähnte, knirschte Dr. Novak hörbar mit den Zähnen. »Unser Fokus sollte auf reiner Effizienz liegen. All das Zeug kommt uns bloß in die Quere.«
»Da oben?« Das konnte doch nicht ihr Ernst sein, oder?
»Es ist einfach unangemessen.«
Vermutlich könnte Dr. Novak ihr eisiges Starren noch bis zum Ende ihrer Schicht durchhalten. Es war an der Zeit, ihren Trumpf auszuspielen. »Die Stationsleitung und die Pflegedienstleitung fanden das aber gar nicht. Ich habe alles mit ihnen abgesprochen.«
Dr. Novak warf ihr einen Blick zu, der sämtliche Eisberge der Antarktis vor dem Schmelzen hätte bewahren können, aber da Ellies Vorgesetzte die Girlande genehmigt hatten, konnte sie nichts dagegen tun. »Können wir die Deko nicht wenigstens mit dem Monat der Herzgesundheit verbinden und ein Plakat aufhängen, das auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufmerksam macht?«
Dachte die Frau gelegentlich auch einmal an etwas anderes als Medizin? »Klar«, sagte Ellie. »Kann ich machen.«
Dr. Novak warf einen letzten finsteren Blick hinauf zu den Papierherzen, dann ging sie davon. »Und benutzen Sie eine Trittleiter, bevor Sie sich noch das Genick brechen«, rief sie über die Schulter zurück. »Wir können es uns nicht leisten, diese Woche unterbesetzt zu sein.«
Hinter Dr. Novaks Rücken fasste sich Ellie spielerisch an die Brust. Ach, welch rührende Sorge um mein Wohlergehen! Herzlichen Dank, Frau Doktor!
Sie bezweifelte ernsthaft, dass Regina Novak eine Verabredung für den Valentinstag hatte, aber falls doch, tat ihr die arme Person schon jetzt leid.
* * *
»Du wirfst doch nicht immer noch den armen Papierherzen böse Blicke zu, oder?«
Regina hörte auf, die Wand anzustarren.
Dr. Kayla Vaughn, die Kollegin von der Nachtschicht, die sie gleich ablösen würde, lehnte sich neben Regina an den Computerarbeitsplatz. Sie hatte ihre Braids zurückgebunden und war bereits mit den drei wichtigsten Ausrüstungsgegenständen ihres Berufsstandes ausgestattet: einem Tablet-PC, dem Stethoskop in ihrer Kitteltasche und einem großen Becher Kaffee.
»Wie bitte? Nein, natürlich nicht.« Regina hatte es irgendwie geschafft, die verflixten Dinger zu ignorieren, seit Ellie sie gestern aufgehängt hatte. »Ich entspanne nur meine Augen, während ich darüber nachdenke, wie ich im Entlassungsbericht am besten formuliere, dass die Patientin versehentlich den Verlobungsring verschluckt hat, den ihr Freund in der Mousse au Chocolat versteckt hatte.«
Kayla lachte. »Klingt, als hättest du eine interessante Schicht hinter dir.«
Regina gab ein unverbindliches Brummen von sich. »Das Übliche.«
»Verbrennungen durch Kerzen, Schnittwunden vom Blumenstiel-Kürzen und allergische Reaktionen auf Pralinen?«
»Drei Volltreffer.« Regina zeichnete mit dem Zeigefinger drei Häkchen in die Luft. »Ich konnte jedes Feld auf der Valentinstag-in-der-Notaufnahme-Bingokarte abhaken. Der vierzehnte Februar sollte als gesundheitsgefährdend eingestuft werden.«
»Ach, dann sind es also nicht bloß die Papierherzen, die du nicht ausstehen kannst, sondern es ist der Valentinstag im Allgemeinen.«
»Unsinn«, sagte Regina. »Es ist mir völlig egal, ob andere Leute ihr hart verdientes Geld für kitschige Karten und überteuerte Schnittblumen ausgeben wollen.«
Die Stationsleiterin schaute neugierig zu ihnen herüber.
»Ach, komm schon«, sagte Kayla. »Es ist schließlich der Tag der Liebenden.«
»Ja, klar«, murmelte Regina. »Ich bin mir sicher, dass Grußkartenhersteller, Blumenläden und Juweliere dieses Fest lieben, weil sie mehr Geld als sonst verdienen.«
Kayla betrachtete sie kopfschüttelnd. »Vielleicht änderst du deine Meinung über den Valentinstag, wenn du dich verliebst und selbst wieder in einer Beziehung bist.«
»Das bezweifle ich.« Der Valentinstag wäre immer noch genauso lächerlich, selbst wenn sich ihr Beziehungsstatus ändern sollte. Außerdem wollte sie sich gar nicht neu verlieben. Sie brauchte keine Partnerin, um glücklich zu sein. »Ich hab dir ja schon gesagt, dass ich nichts gegen den Valentinstag habe. Ich mag bloß keine Ablenkungen bei der Arbeit.« Regina beäugte erneut die Papierherzen. »In unserem Job können Ablenkungen Leben kosten.«
Kayla kicherte und hätte fast ihren Kaffee verschüttet. »Meinst du nicht, du übertreibst? Ich glaube kaum, dass jemand stirbt, weil Ellie ein bisschen Valentinstags-Deko aufgehängt hat.«
Na schön, vermutlich nicht. Aber es ging ihr trotzdem gewaltig auf die Nerven. Dies war ein Krankenhaus, kein Kindergarten, wo zu jedem Feiertag die Bastelarbeiten der Kinder zur Schau gestellt wurden. Was würde Ellie sich als Nächstes ausdenken? Womöglich Ostereiersuchen in der Notaufnahme?
Außerdem ging es ihr nicht nur um die Dekoration. Es ärgerte sie, dass Ellie sich erneut über ihren Kopf hinweg an ihre Vorgesetzten gewandt hatte, anstatt ihre Ideen mit ihr und den anderen Fachärztinnen und Fachärzten zu besprechen.
Offenbar wurde das bei Ellie langsam zur Gewohnheit. In der ersten Woche ihrer Zusammenarbeit hatte sich Ellie über Regina hinweggesetzt und sich beim Chefarzt der Notaufnahme beschwert. Damals war sie überzeugt gewesen, Regina hätte die Behandlung eines Patienten mit einem Abszess am Arm verzögert, weil er drogenabhängig und nicht krankenversichert war.
Einfach lächerlich. Regina erinnerte sich gut an den betreffenden Patienten. Sie erinnerte sich an jeden drogenabhängigen Patienten mit einem Abszess. Niemals würde sie deren Behandlung unnötig hinauszögern, denn eine solche Therapie hätte das Leben ihres Bruders retten können.
Energisch winkte sie ab, um diesen Gedanken zu beenden. Genug von Abszessen, Ellie und diesem kitschigen Tag der Liebe. Sie schrieb den Entlassungsbericht zu Ende, schloss die digitale Patientenakte und deutete zur elektronischen Anzeigetafel an der Wand. »Ich habe es fast geschafft, vor Schichtende noch alles abzuarbeiten. Du musst dich bloß noch um zwei Patienten kümmern.«
Kayla stieß einen leisen Pfiff aus. »Und ich dachte, du machst keine Geschenke zum Valentinstag! Wen haben wir noch hier?«
»Der Patient in Raum eins wurde mit Schmerzen vorstellig, die in den Kiefer ausstrahlen. Keine Kurzatmigkeit und keine Schmerzen in der Brust, aber Blutdruck von 170/115, ohne Hypertonie in der Vorgeschichte.« Regina warf ihrer Kollegin einen vielsagenden Blick zu.
»Raucht er?«, fragte Kayla.
Regina nickte. »Zwei Packungen am Tag. Das EKG ist nicht aussagekräftig, und wir warten noch auf die Herzenzyme vom Labor. In Raum zwei haben wir eines der Valentinstagsopfer. Sie und ihr Freund wollten etwas Schwung in ihr Liebesleben bringen und es mal mit einer Sexschaukel versuchen. Dabei ist sie mit dem Kopf gegen die Wand gekracht.«
Kayla stieß erneut einen Pfiff aus. »Und du dachtest, es gäbe keine Romantik mehr.«
Regina ignorierte die Bemerkung. »Jedenfalls hat sie kurz das Bewusstsein verloren. Sie klagt über Kopfschmerzen, aber weder über Übelkeit noch über Sehstörungen oder Nackenschmerzen. GCS vierzehn. Sie wartet auf ein CT, um auszuschließen, dass sie sich etwas Ernsteres als eine Gehirnerschütterung zugezogen hat.«
»Gut. Dann übernehme ich jetzt, damit du nach Hause gehen kannst«, sagte Kayla. »Hast du an deinen freien Tagen schon etwas vor?«
»Schlafen.« Regina mochte keinen Small Talk und teilte nicht gern Details aus ihrem Privatleben mit Kollegen.
»Gehst du am Freitag zur Ein-Herz-fürs-Herz-Auktion?«
»Welche Auktion?« Regina hatte keine Ahnung, wovon ihre Kollegin sprach.
»Du hast noch nichts davon gehört? Wie geht das denn? Die gesamte Belegschaft hat seit Tagen kaum ein anderes Thema!«
Regina zuckte mit den Schultern. Sie war hier, um Leben zu retten, nicht um über die Wochenendpläne ihrer Kollegen zu plaudern.
»Das ist unsere alljährliche Wohltätigkeitsveranstaltung«, erklärte Kayla. »Zwölf der begehrtesten Singles aus Kansas City werden für einen guten Zweck versteigert. Die meisten von denen arbeiten hier im Krankenhaus. Das ist immer unglaublich lustig und der Erlös kommt der kardiologischen Abteilung unserer Pädiatrie zugute.«
»Klingt, ähm, nett.« Zumindest der Aspekt, dass der Erlös herzkranken Kindern zugutekam. Verzweifelten Singles dabei zuzusehen, wie sie Gebote auf die naiven Freiwilligen abgaben, war ungefähr so nett, wie von einem Patienten mit Lebensmittelvergiftung angekotzt zu werden. »Aber ich hatte nicht vor, hinzugehen. Wir sehen uns dann bei der nächsten Schicht.«
Als Regina aufstand und in Richtung Umkleide ging, stellte Kayla schnell ihren Kaffeebecher ab und eilte ihr hinterher. »Halt, warte. Ich habe das Thema nicht ohne Grund angesprochen. Ich helfe bei der Organisation der Auktion mit. Eigentlich sollte Marissa sich versteigern lassen, aber sie hat in letzter Minute abgesagt. Meinst du, du könntest für sie einspringen?«
»Du meinst, ich soll ihre Schicht übernehmen?«
Kayla trat näher, zwinkerte ihr neckisch zu und senkte die Stimme. »Ich dachte eher daran, dass du auf die Bühne treten und deinen Körper an den Höchstbietenden verkaufen sollst.«
Regina warf ihr die Sorte Blick zu, die sie normalerweise nur für unerfahrene Assistenzärzte verwendete, die drauf und dran waren, den Tod eines Patienten zu verursachen.
Kayla schluckte geräuschvoll. »Das war bloß ein Witz. So läuft das nicht bei der Auktion. Unsere Singles werden lediglich für ein paar Dates versteigert. Du brauchst den Meistbietenden nicht einmal zu küssen. Du musst bloß über den Laufsteg stolzieren und lächeln, während Leute aus dem Publikum auf dich bieten.«
Diese Vorstellung konnte Regina nicht umstimmen. Sich wie eine Kuh versteigern zu lassen, kam nicht infrage. »Nein danke.«
»Ach, komm schon! Es ist für die Kinder!«
»Ich spende gern etwas«, sagte Regina.
Kayla schüttelte den Kopf. »Wir brauchen keinen Scheck. Wir brauchen einen Ersatz für Bachelorette Nummer zwölf.«
»Frag jemand anderen.« Irgendjemand anderen. Regina schaute sich um und ihr Blick fiel auf Ellie, die außer Hörweite am Schreibtisch hinter dem Pflegetresen saß und Eintragungen in eine Patientenakte vornahm.
Mit ihren langen, brünetten Haaren, die im Neonlicht glänzten, und ihrem warmen Lächeln, das selbst die jüngsten Patienten beruhigte, würde sie beim Publikum sicher gut ankommen. »Was ist mit ihr?« Sie nickte unauffällig in Ellies Richtung. »Offenbar mag sie derart romantischen Kram.«
Ausgerechnet in diesem Moment sah Ellie auf. Sie warf Regina einen fragenden Blick zu, aber nicht einmal der Anflug eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel.
Regina war daran gewöhnt. Ellie hatte sie vom ersten Tag an nicht gemocht. Tja, das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie winkte ab, damit Ellie sich wieder auf die Arbeit konzentrierte.
»Ellie hat sich vor ein paar Jahren als Bachelorette versteigern lassen und sich dabei wacker geschlagen, aber du weißt doch, wie die Leute sind. Jeder träumt davon, mit einem Arzt oder einer Ärztin auszugehen, nicht mit jemandem von der Pflege. Ich wette, du würdest ein stolzes Sümmchen für die Kinder einsammeln.«
»Warum meldest du dich dann nicht freiwillig?«, fragte Regina. »Du bist doch auch Ärztin.«
»Tut mir leid, ich kann nicht.« Kayla zeigte auf ihren Ehering, den sie an einer Kette um den Hals trug. »Wer sich versteigern lässt, muss Single sein.«
Regina verschränkte die Arme über ihrem OP-Oberteil. »Wie kommst du darauf, dass ich Single bin?«
»Ach, ich weiß auch nicht. Vielleicht hat deine zynische Einstellung zum Valentinstag dich verraten«, murmelte Kayla.
Regina fixierte sie mit einem Blick, der Kayla wieder lautstark schlucken ließ.
»Okay, okay. Du hast mich vorhin nicht korrigiert, als ich gesagt habe, du wirst den Valentinstag mehr zu schätzen wissen, wenn du erst mal wieder in einer Beziehung bist. Außerdem ist die Welt der Notfallmedizin manchmal wirklich ein Dorf. Ich habe Bekannte, die ihre Facharztausbildung ebenfalls am Cedars-Sinai in L.A. gemacht haben.«
»Dann hat dir dein Spionagenetzwerk vermutlich auch verraten, dass ich lesbisch bin. Das disqualifiziert mich doch sicher als Bachelorette.« Normalerweise hielt Regina es nicht für nötig, sich ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber zu outen, aber sie schämte sich auch nicht für ihre sexuelle Orientierung und würde nicht davor zurückschrecken, diese zu benutzen, sich vor dieser dämlichen Auktion zu drücken.
»Warum sollte dich das disqualifizieren?«, fragte Kayla. »Die Verabredungen können rein platonisch sein. Außerdem, wer sagt denn, dass nur Männer auf dich bieten würden? Die frauenliebenden Frauen im Publikum haben es ebenfalls verdient, heiße Singles ersteigern zu können.«
Dem konnte Regina nicht widersprechen. »Stimmt, aber –«
»Prima!« Kayla klatschte in die Hände. »Ich kann dich also auf die Liste setzen?«
»Ich werde auf keinen Fall –«
»Bitte sag Ja. Das wird sicher lustig. Und deinem Ruf wird es auch helfen.«
»Meinem Ruf?« Regina zog das Wort in die Länge. Ihr Ruf als Notfallmedizinerin war ausgezeichnet. Sie hatte ihr Medizinstudium in Harvard als Jahrgangsbeste abgeschlossen und war leitende Assistenzärztin ihres Ausbildungsjahrgangs gewesen. Ihr Ruf bedurfte keinerlei Nachbesserung, schon gar nicht durch eine absurde Veranstaltung, bei der sie wie ein Stück Vieh angeboten werden sollte.
»Ja«, sagte Kayla. »Mit der Wohltätigkeitsauktion kannst du die Pflege davon überzeugen, dass du kein hochnäsiger Snob bist, der sich für besser als alle anderen hält.«
Regina schnaubte. »Das denkt ohnehin niemand von mir.«
Kayla warf ihr einen Blick zu.
Und wenn schon. Regina war egal, was andere von ihr dachten. Sie war hier, um ihren Job zu machen, nicht um einen Beliebtheitswettbewerb beim Pflegepersonal zu gewinnen.
»Dann beweis es. Beweis, dass du teamfähig bist, indem du unsere zwölfte Bachelorette wirst.« Kayla stupste sie an. »Komm schon. Du weißt, ich würde dich nicht um diesen Gefallen bitten, wenn ich nicht verzweifelt wäre.«
Regina schnitt eine Grimasse. »Na, herzlichen Dank. Vielleicht ist es gut, dass du nicht antreten kannst. Deine Komplimente lassen ganz schön zu wünschen übrig.«
»Du weißt genau, was ich meine. Bitte! Ich flehe dich an. Du willst doch nicht, dass ich bei der Arbeit abgelenkt werde, weil ich mir Sorgen um einen Ersatz für Marissa machen muss, oder?«
Bevor Regina antworten konnte, eilte Ellie zu ihnen herüber. »Die Leitstelle hat sich eben gemeldet. Der Rettungsdienst bringt uns gleich eine fünfunddreißigjährige Frau mit einem anaphylaktischen Schock und akuter Atemnot. Sie leidet an einer Nussallergie und ihr Mann glaubt, dass sie versehentlich Schokolade mit Haselnüssen gegessen hat.«
Noch ein Valentinstagsopfer. Ein Adrenalinstoß durchfuhr Regina. Sie öffnete den Mund, um nachzufragen, wie weit der Rettungswagen noch von der Klinik entfernt war. Dann fiel ihr ein, dass ihre Schicht vorbei war und jetzt Kayla das Sagen hatte.
»Sie sind in zwei Minuten da«, sagte Ellie, als hätte sie ihre Frage vorhergesehen.
Kayla gab eine Reihe von Anweisungen und wandte sich dann wieder Regina zu. »Ich setze dich auf die Liste der Freiwilligen, ja?«
Regina holte tief Luft, um ihr zu sagen, dass sie nicht eher zusagen würde, bevor nicht die Hölle zufror.
Doch Ellies Blick ging zwischen ihnen hin und her und blieb dann auf Regina liegen. Sie neigte den Kopf zur Seite, als fragte sie sich, wer sich um den neuen Patienten kümmern würde.
Vielleicht ahnte sie aber auch, worum Kayla Regina gebeten hatte, und war neugierig, ob Regina den Mut hatte, sich versteigern zu lassen.
Das Heulen einer Sirene ertönte in der Ferne und wurde dann schnell lauter.
Regina biss die Zähne zusammen. Dies war nicht der geeignete Zeitpunkt für alberne Streitereien. Ach, was soll’s. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass Ellie annahm, sie hätte Angst davor, auf die Bühne zu treten, obwohl Ellie selbst sich das auch getraut hatte. Außerdem war es ja für einen guten Zweck und kam herzkranken Kindern zugute. »Na schön. Ich mache es. Aber du schuldest mir was!«
Kayla joggte in Richtung Schockraum. »Danke«, rief sie über ihre Schulter zurück.
Als Regina zur Umkleide ging, schien sich eine schwere Last auf ihre Schultern zu senken. Warum hatte sie bloß das Gefühl, dass sie diese Entscheidung noch bereuen würde?
Kapitel 2
Am Freitag nach dem Valentinstag betrat Ellie die Lobby des historischen Hotels Muehlebach. Vorsichtig achtete sie darauf, dass sich weder ihr Mantel noch ihr bestes Kleid in der Drehtür verfingen. Die Absätze ihrer Pumps hallten über den kunstvoll verzierten Fliesenboden.
»Wow.« Nach einigen Schritten blieb sie stehen, um sich staunend umzusehen.
Beth rempelte sie von hinten an. »Hey, Vorsicht! Du kannst doch nicht einfach …!« Sie hielt neben Ellie inne.
Nun standen sie beide mitten in der Lobby und starrten.
Einst war das Muehlebach die Anlaufstelle für Besucher in Kansas City gewesen. Doch schon seit Jahren wurde es nicht mehr als Hotel benutzt, sondern nur noch für besondere Veranstaltungen wie die Ein-Herz-fürs-Herz-Auktion.
Wer auch immer die Lobby für die Auktion dekoriert hatte, mochte den Valentinstag offensichtlich genauso sehr wie Ellie. Herzförmige Heliumballons drängten sich um die Kronleuchter an der hohen Decke. Zwei Sträuße aus roten Rosen standen auf dem Sims des riesigen Marmorkamins. Rosafarbene Bänder schlängelten sich um die quadratischen Säulen aus Mahagoni, und über den Messingtüren der Aufzüge zu ihrer Linken und Rechten waren blutrote Stoffbahnen drapiert.
Kleine Amor-Figürchen steckten in den Schlüsselfächern hinter dem marmorverkleideten Empfangstresen und zielten mit ihren goldenen Pfeilen mit Herzspitze auf die Besucher. Im Hintergrund lief ein romantisches Liebeslied.
»Hey, ihr zwei!« Jasmine steckte ihren Kopf aus der Fahrstuhltür, die sie für die beiden aufhielt. »Kommt schon! Der Ballsaal ist eine Etage höher.«
Schick herausgeputzte Gäste traten hinter ihnen durch die Drehtür.
Ellie eilte durch die Lobby, so schnell das in ihren ungewohnt hochhackigen Schuhen möglich war. Gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen und Kolleginnen quetschte sie sich in den engen Aufzug.
Der Ballsaal im ersten Obergeschoss war ebenso elegant wie die Lobby. Rote und weiße Luftballons bildeten zwei große, ineinander verschlungene Herzen an einer der Wände. Kronleuchter warfen ihr weiches Licht auf eine Bühne und einen damit verbundenen Laufsteg, der in den Raum hineinragte. Unzählige runde, mit weißem Leinen drapierte Tische füllten den Saal. Um jeden Tisch herum waren Stühle mit scharlachroten Samtkissen platziert.
Die Veranstaltung war riesig! Kein Vergleich zu dem viel kleineren Ballsaal und der winzigen Bühne im ersten Jahr, als Ellie sich hatte versteigern lassen. Letztes und vorletztes Jahr hatte sie nicht teilnehmen können, weil sie in der Nachtschicht gearbeitet hatte. Zwar hatte sie gehört, dass die Veranstaltung gewachsen war und mehr gut betuchte Bieter und Philanthropen unter den Gästen waren, aber dennoch überraschten die Veränderungen sie.
Das Publikum sah auch viel eleganter aus. Überall um Ellie herum unterhielten sich Leute in Smokings und paillettenbesetzten Ballkleidern bei Canapés und Champagner. Ellie sah Handtaschen, die wahrscheinlich mehr kosteten, als sie im Monat verdiente.
»Wieso komme ich mir plötzlich vor wie Aschenputtel auf dem Ball?«, flüsterte Ellie Beth und Jasmine zu. Eine so feine Gesellschaft passte nicht zu ihr. Hätte das Krankenhaus ihnen keine Eintrittskarten beschafft, hätte der Sicherheitsdienst sie vielleicht hinausgeworfen.
Beth nickte mit großen Augen. »Ja, aber wie Aschenputtel, nachdem es Mitternacht geschlagen hat!«
»Nun ja, wenigstens hat sie ihren Prinzen auf dem Ball gefunden, also los!« Jasmine zog sie mit sich in Richtung der Bar mit den Freigetränken.
Offensichtlich dachten die Organisatoren, die Leute würden höhere Summen bieten, nachdem sie etwas Alkoholisches getrunken hatten – und vermutlich hatten sie mit dieser Annahme recht.
»Du weißt doch, dass ich mich nicht für Prinzen interessiere«, sagte Ellie.
Jasmine winkte ab. »Gut, dann bekommst du eben eine Prinzessin. Hast du dir schon überlegt, auf wen du bieten willst?«
Ellie schüttelte energisch den Kopf. »Ich werde nicht mitbieten.«
»Warum nicht? Wir sind hier bei einer Auktion, Ellie. Genau deshalb sind wir doch hergekommen. Um uns heiße Singles zu ersteigern.«
»Ich bin hier, um unsere Kollegen und einen guten Zweck zu unterstützen«, antwortete Ellie.
»Ich auch – mit meinem Portemonnaie. Ich finde, mindestens eine von uns sollte mit einem der begehrtesten Singles der Stadt nach Hause gehen. Am besten diejenige, die schon seit einer Ewigkeit kein Date mehr hatte.« Jasmine warf ihr einen vielsagenden Blick zu, den Ellie prompt ignorierte.
»Ich bezweifle, dass wir die Gucci-und-Prada-Leute überbieten können«, sagte Ellie.
»Doch, wenn wir es strategisch angehen«, sagte Jasmine. »Warte einfach, bis die letzten Singles an der Reihe sind, dann ist allen anderen das Geld oder die Lust ausgegangen.«
»Die beste Strategie ändert nichts an der Tatsache, dass sämtliche Bachelorettes wahrscheinlich hetero sind.«
»Vielleicht«, sagte Jasmine mit einem Grinsen. »Vielleicht aber auch nicht.«
Was sollte das denn bedeuten? Soweit Ellie wusste, war keine der zur Versteigerung stehenden Ärztinnen oder Notfallsanitäterinnen lesbisch oder bisexuell.
»Du könntest trotzdem mitbieten«, warf Beth ein, bevor Ellie nachhaken konnte. »Denk daran, dass du nicht nur einen Mann oder eine Frau ersteigerst, sondern eine ganze Latte von Aktivitäten.«
»Nein danke«, murmelte Ellie. »Ich habe kein Interesse an irgendjemandens Latte.«
Jasmine und Beth brachen in Gelächter aus.
Trotz der kühlen Luft im Ballsaal wurden Ellies Wangen heiß. »So habe ich das nicht gemeint! Ich meinte die Latte von Date-Aktivitäten wie zum Beispiel ein Abendessen in einem schicken Restaurant oder eine VIP-Loge für ein Spiel der Chiefs.«
»Klar!«
Ihre Freundinnen lachten immer noch, als sie in der Warteschlange aufrückten und an die Bar traten.
Ellie nahm sich kurz Zeit, um sich die Getränkekarte, die hinter der Bar hing, durchzulesen. Die meisten Cocktails hatten ein Valentinstags-Motto. Schließlich entschied sie sich für einen mit dem Namen Liebestrank Nummer neun.
Nachdem sie ihre Getränke erhalten hatten, bestand Jasmine darauf, dass sie sich für Bietertafeln registrieren ließen, bevor sie zu ihrem Tisch ganz hinten im Saal gingen.
»Ich werde meine nicht benutzen«, sagte Ellie und legte ihre Tafel neben dem Rosengesteck auf den Tisch. »Höchstens dazu, dir einen Klaps zu geben, wenn du nicht aufhörst, mich ständig vom Gegenteil überzeugen zu wollen.«
Jasmine kicherte. »Ach, ich hatte ja keine Ahnung, dass du auf Spanking stehst!«
Ellie griff nach der Bietertafel und schlug Jasmine damit leicht auf die Schulter. »Warum sind wir noch mal mit ihr befreundet?«, fragte sie Beth.
Beth hob abwehrend beide Hände. »Sorry, aber ich bin ihrer Meinung. Du brauchst unbedingt mal wieder ein Date. Du warst seit mindestens sechs Monaten mit niemandem mehr aus, nicht einmal am Valentinstag.«
»Hey, es ist schließlich nicht so, als wäre ich nicht offen für ein Date.« Nur allzu gern würde sie jemanden kennenlernen. Aber so verzweifelt war sie nicht, dass sie sich die Gesellschaft einer Frau hätte erkaufen müssen. »Ich will es bloß nicht übers Knie brechen. Die Richtige wird in mein Leben treten, wenn die Zeit reif ist. Aber ich glaube kaum, dass es heute Abend passiert. Mein Bankkonto sagt sogar ganz eindeutig, dass es heute nicht passieren wird. Ich werde bei der Auktion nur zuschauen.«
»Wie kannst du bloß total romantisch und gleichzeitig so dermaßen pragmatisch sein?« Jasmine musterte sie kopfschüttelnd.
Ellie grinste. »Das nennt man Multitasking. Ich kann sogar geradeaus gehen und gleichzeitig Kaugummi kauen.«
»Ach ja?« Jasmine stupste sie mit dem Programmheft der Auktion an. »Ich erinnere mich noch gut an eine gewisse Krankenschwester, die eine Nierenschale fallen ließ, weil sie nicht gleichzeitig geradeaus gehen und eine gewisse Ärztin anstarren konnte.«
Ellie kämpfte gegen den Drang an, sich mit der Bietertafel Luft zuzufächeln. »Ich habe sie nicht angestarrt.« Na schön, vielleicht ein bisschen. Dr. Novak war eine attraktive Frau – ganz objektiv betrachtet. Aber die anfängliche Bewunderung hatte sich rasch in Abneigung verwandelt, als sie die Ärztin dann kennengelernt hatte. »Ich bin nur stehen geblieben, um mich kurz vorzustellen. Im Gegensatz zu ihr habe ich nämlich Manieren.«
Jasmine kicherte. »Ja, indem du ihr die Nierenschale vor die Füße geworfen hast.«
Ellies Wangen brannten. »Es war ein Versehen. Das ist noch lange kein Grund, mich zu ignorieren und sich selbst nicht vorzustellen.«
»Nimm es nicht persönlich«, sagte Beth. »Mir hat sie sich auch nicht bekannt gemacht. Wir haben alle schon mit solchen Ärzten gearbeitet. Sie sind sich zu gut dazu, mit jemandem zu reden, der keinen Doktortitel hat.«
»Ja, ein paar sind arrogante Arschlöcher, aber manche kommen bloß kalt und arrogant rüber, sind in Wirklichkeit aber total heiß.« Jasmine drehte das Programm um und zeigte ihnen das Bild eines Bachelors. Sein Hemd war bis fast zum Bauchnabel aufgeknöpft und er hielt eine rote Rose zwischen seinen Zahnpasta-Werbung-weißen Zähnen.
Beth warf einen Blick darauf. »Nein, der fällt nicht in die Kategorie. Er mag zwar heiß sein, aber er ist auch ein Arsch. Eine Freundin von mir arbeitet im OP und sie sagt, er kennt nur eine einzige Lautstärke: Schreien.«
»Oh.« Jasmine klappte die Ecke der Seite, die sie mit einem Eselsohr versehen hatte, wieder nach oben.
Während ihre Freundinnen im Programmheft stöberten, lehnte sich Ellie zurück und beobachtete die Leute um sie herum. Sie nahm einen Schluck von ihrem Liebestrank Nummer neun und brummte anerkennend. Lecker. Der Granatapfelsaft, der Wodka mit Erdbeergeschmack und der Himbeerlikör ergaben die perfekte Mischung aus süß und sauer. Auf dem Glas lagen herzförmige Erdbeeren, die auf einen Amor-Pfeil aufgespießt waren.
Jasmine hielt ihr Champagnerglas in der einen Hand, während sie mit der anderen das Programmheft durchblätterte. Sie studierte die Biografien und Fotos der Bachelors mit der gleichen Aufmerksamkeit, die einige von Ellies verheirateten lesbischen Freundinnen dem Aussuchen eines Samenspenders widmeten.
Ellie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Dir ist es wirklich ernst mit der Auktion, oder?«
Jasmine nickte, ohne vom Programm aufzuschauen. »Darauf kannst du deinen Hintern verwetten«, sagte sie mit derselben Entschlossenheit, mit der sie sonst als Krankenschwester in der Notaufnahme Menschenleben rettete. »Ich –«
»Pst, es geht los!« Beth zeigte in Richtung Bühne.
Ellie wandte sich dem vorderen Teil des Saals zu.
Ein blonder Mann ging auf das Podium zu und beugte sich zum Mikrofon. »Willkommen bei der vierten Ein-Herz-fürs-Herz-Auktion! Mein Name ist Noah Hanson. Normalerweise moderiere ich die Soundbites bei Radio KRCX, aber heute Abend werde ich Ihr Moderator sein.«
Jemand an einem der vorderen Tische stieß einen lauten Pfiff aus.
Ellie bekam einen Eindruck davon, wie wild es an diesem Abend zugehen würde, obwohl das Publikum ziemlich vornehm wirkte.
Der Moderator lachte. »Tut mir leid, ich bin schon vergeben, aber wer unser Programm durchgelesen hat, hat sicher schon gesehen, dass sich zwölf der begehrtesten Singles in Kansas City heute Abend auf den Laufsteg trauen werden. Der gesamte Erlös kommt den kleinen Herzpatienten der pädiatrischen Abteilung des Campbell Medical Center zugute, also bitte nicht schüchtern sein! Bieten Sie kräftig mit!« Er machte eine dramatische Pause. »Dann präsentiere ich Ihnen ohne weitere Umschweife unseren ersten Bachelor!«
Jasmine beugte sich nach vorn, als würde sie sich auf ein Wettrennen vorbereiten. »Macht euch bereit, Mädels! Eine von uns schnappt sich bestimmt einen der begehrten Singles!«
Ellie zog eine der Erdbeeren von dem pfeilförmigen Spießchen und schob sie sich in den Mund. Selbst wenn Jasmines Vorhersage eintraf, stand eines fest: Sie würde es garantiert nicht sein.
* * *
»Tu es den Kindern zuliebe, hat sie gesagt. Das wird lustig, hat sie gesagt«, murmelte Regina, während sie hinter der Bühne wartete.
Neben ihr schlossen zwei Chirurgen eine Wette darauf ab, wer von ihnen mehr Geld einbringen würde.
Regina biss sich auf die Unterlippe, um ihnen nicht zu sagen, dass sie die Klappe halten sollten. Ihre Füße schmerzten höllisch in den Stöckelschuhen, und ihre Geduld war am Ende.
Warum hatte sie sich bloß von Kayla zu diesem Unsinn überreden lassen? Und warum konnte sie nicht wenigstens als Erste versteigert werden, statt die Letzte zu sein?
Sie war nicht nervös. Nein, natürlich nicht. Beruflich hatte sie mit Notfällen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen und subduralen Hämatomen zu tun und rettete Menschen, die dem Tode nahe waren. Eine alberne Auktion würde sie nicht ins Schwitzen bringen.
Regina war nur deshalb unruhig, weil Herumstehen und Abwarten noch nie ihr Ding gewesen war. Sie war eine Frau der Tat.
Aber so sehr sie auch hoffte, dass in letzter Sekunde ein Wunder geschehen würde, das sie aus dieser Misere befreite, wusste sie, dass es keinen Ausweg gab. Sie würde es einfach durchstehen müssen.
Sie machte einen Schritt nach vorn und spähte durch einen winzigen Spalt in dem tiefroten Samtvorhang.
Auf dem Laufsteg zog einer der Pfleger sein Hemd aus und ließ es wie ein Lasso über seinem Kopf kreisen. Offenbar hatten die beiden Chirurgen ihm eingeredet, dass von jedem Bachelor ein Striptease erwartet wurde, obwohl Kayla allen Singles versichert hatte, ein jugendfreier Auftritt sei völlig ausreichend.
Er ließ die Hüften kreisen und streckte dem Publikum seinen Hintern entgegen.
Regina stöhnte. Mann. Sie würde während ihrer nächsten Schicht mit ihm zusammenarbeiten müssen. Dieses Bild vor Augen konnte sie dabei nicht gebrauchen. Schnell sah sie weg und ließ ihren Blick stattdessen über die Zuschauer wandern.
Das Publikum schien sich bestens zu amüsieren. Alle lachten, klatschten, pfiffen, johlten und tranken ihren Champagner, so schnell die Kellner ihn ausschenken konnten.
Alle, bis auf eine Frau.
Reginas Blick blieb auf einem Gesicht ruhen, das sie kannte.
Ellie saß an einem Tisch ganz hinten im Saal und nippte an einem kirschroten Getränk, das wie einer dieser ekelhaft süßen Cocktails aussah. Sie lächelte höflich, schien aber vom Striptease des Pflegers wenig beeindruckt.
Würde ihr Lächeln verblassen, sobald sie Regina auf die Bühne treten sah? Würde sie jeglichen professionellen Respekt vor ihr verlieren, wenn Regina herumstolzieren und etwas Bein zeigen würde, um die Gebote in die Höhe zu treiben?
Na wenn schon. Ellie schien ohnehin wenig Respekt vor ihr zu haben.
Dennoch war es Regina nicht egal. Natürlich spielte es keine Rolle, was Ellie von ihr hielt. Aber bei der Arbeit war ihr ein professionelles Auftreten immer wichtig gewesen. Nur ein einziges Mal hatte sie ihren Kollegen einen Blick auf die Frau hinter dem weißen Arztkittel erlaubt, und danach war nichts mehr wie vorher gewesen.
Tja, jetzt bist du aber nicht auf der Arbeit. Außerdem war Ellie laut Kayla selbst schon einmal Bachelorette bei der Auktion gewesen, konnte deshalb also nicht schlecht von Regina denken.
Einen Moment lang fragte sich Regina, was Ellie auf der Bühne getragen hatte. Ob sie wohl getanzt oder ein tiefes Dekolleté gezeigt hatte, um richtig viel Geld einzunehmen?
Nein, nein, nein, nein. Denk nicht darüber nach. Sie ist eine Kollegin und du magst sie nicht mal. Sie hat kein Dekolleté.
Aber selbst aus dieser Entfernung konnte sie sehen, dass dem nicht so war. Ellie sah fantastisch aus in einem einfachen, aber schmeichelhaften roten Kleid.
Nicht, dass Regina sich davon beeindrucken ließe. Sie war es nur nicht gewohnt, Ellie in etwas anderem als OP-Kleidung zu sehen.
»Sind Sie so weit?«, fragte die Auktionsmitarbeiterin, die irgendwo hinter ihr stand.
Regina drehte sich um und warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Sie sind gleich nach ihm dran.« Mit dem Klemmbrett deutete sie auf einen der Chirurgen.
Alle anderen waren wohl auf die Bühne gegangen, ohne dass Regina es bemerkt hatte.
Regina nickte angespannt. »Ich bin bereit.«
Es dauerte nicht lange, bis die Stimme des Moderators hinter die Bühne drang. »Bitte begrüßen Sie mit mir unsere letzte Bachelorette des Abends, Dr. Regina Novak!«
Er zog ihren Namen in die Länge, als wäre sie eine Boxerin, die gleich in den Ring steigen würde – und so fühlte sich Regina auch.
Du machst es den Kindern zuliebe,war ihr letzter Gedanke, bevor sie den Vorhang beiseiteschob, ein selbstsicheres Grinsen aufsetzte und die Bühne betrat.
* * *
Hatte Ellie sich durch das lautstarke Klatschen und Johlen verhört oder hatte der Moderator gerade Regina Novak als Bachelorette Nummer zwölf angekündigt?
Schnell blätterte sie durch das Programm. Die zwölfte Junggesellin sollte eine Assistenzärztin im letzten Ausbildungsjahr sein. Nirgendwo im Heft gab es ein Bild von Dr. Novak, aber Ellie erkannte die Frau, die jetzt ins Rampenlicht trat, sofort.
Sie schritt mit demselben Selbstverstrauen auf die Bühne, das Ellie aus der Notaufnahme kannte. Aber im Gegensatz zu ihrem Arbeitsalltag trug Dr. Novak jetzt keine OP-Kleidung.
Ihr schwarzes, eng anliegendes Neckholder-Kleid brachte ihre schlanke Figur zur Geltung und ließ ihre durchtrainierten Arme und Schultern frei. Die breiten Träger kreuzten sich über ihren Brüsten und liefen hinter ihrem elegant wirkenden Hals zusammen. Der Saum endete einige Zentimeter über den Knien, sodass das Publikum ihre langen Beine bewundern konnte, während sie in High Heels über den Laufsteg stolzierte. Die Pfennigabsätze hätten als tödliche Waffe klassifiziert werden können.
Himmel, ihre Beine waren umwerfend! Okay, alles an ihr war umwerfend. Nur ihr Charakter nicht.
In der Mitte des Laufstegs hielt Dr. Novak inne und warf sich selbstsicher, fast herausfordernd in Pose. Im Gegensatz zu einigen der anderen Singles tanzte sie nicht und sie zog sich auch nicht aus.
Das hatte sie auch nicht nötig. Sie zog die Aufmerksamkeit aller auch ohne Striptease auf sich. Selbst die Leute, die das Interesse an der Auktion verloren hatten und an die Bar gegangen waren, drehten sich nun um.
Der Anflug eines Lächelns umspielte Dr. Novaks Mundwinkel. Es schien die Zuschauer herauszufordern, ein Gebot auf sie abzugeben. Ihr kinnlanges, schwarzes Haar, das sie hinter ein Ohr zurückgeschoben hatte, glänzte im Rampenlicht wie die Federn eines Raben.
Ellies Mund war staubtrocken. Leider hatte sie ihren Cocktail schon ausgetrunken, deshalb schnappte sie sich ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners, der gerade vorbeikam, und nahm einen großen Schluck.
Na schön, zugegebenermaßen sah Dr. Novak in einem Kleid ziemlich gut aus. Na und? Sie war dennoch ein arrogantes Arschloch.
Jasmine stieß einen lauten Pfiff aus, der Ellie zusammenzucken ließ.
»Jazzy!« Ellie presste eine Hand aufs Ohr. »Hör auf damit!«
»Was denn? Sie ist echt heiß!« Jasmine warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Und einer der Notfallsanitäter, der mit ihr in Kalifornien zusammengearbeitet hat, hat mir verraten, dass sie zufälligerweise auch lesbisch ist.«
Das hatte Ellie nicht gewusst. Gerüchte verbreiteten sich im Krankenhaus normalerweise sehr schnell, doch über Dr. Novak hatte sie noch nichts gehört. Aber natürlich hatte sie auch nicht versucht, etwas über sie herauszufinden. »Ach? Ich meine, na und? Selbst wenn es stimmt, heißt das noch lange nicht, dass ich auf sie bieten werde, falls du das denkst. Ich kann sie nicht leiden, wieso sollte ich da Geld für ein Date mit ihr ausgeben? Mit ihr arbeiten zu müssen, ist schon schlimm genug.«
»Du kannst sie nicht leiden. So, so. Deshalb sind dir fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie hinter dem Vorhang vorgekommen ist.«
Ellie versuchte, die Arme über der Brust zu verschränken, musste aber feststellen, dass sie ihre Bietertafel fest umklammert hielt. »Quatsch. Ich musste nur zweimal hinschauen, um mich zu vergewissern, dass sie es wirklich ist. In OP-Kleidung sieht sie ganz anders aus.«
Jasmine kicherte. »Das kannst du aber laut sagen.«
»Pst.« Beth funkelte die beiden an. »Ihr verpasst ihre Vorstellung!«
Ellie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Moderator zu.
»… hat sich netterweise bereit erklärt, für eine Kollegin einzuspringen, die kurzfristig absagen musste.«
Das war also der Grund, warum sie nicht im Programmheft aufgeführt war. Ellie fragte sich, wer Dr. Novak überredet hatte, als Bachelorette einzuspringen, und was man ihr dafür geboten hatte. Mit Sicherheit hatte sie sich nicht aus reiner Herzensgüte freiwillig gemeldet.
»Dr. Novak ist Notfallmedizinerin und in ihrer Freizeit begeisterte Klavierspielerin und Discgolferin. Ihr Date kann also davon ausgehen, dass sie äußerst geschickte Hände hat.« Der Moderator zwinkerte übertrieben.
Ellie verzog das Gesicht. Zwar mochte sie die Person nicht, aber Kommentare wie diesen schätzte sie noch viel weniger.
Dr. Novaks irritierend attraktives Gesicht blieb jedoch ausdruckslos.
Trotz ihrer Abneigung konnte Ellie nicht umhin, ihre Selbstbeherrschung zu bewundern.
»Die drei Worte, die sie am besten beschreiben, sind ruhig, effizient und erfinderisch«, las der Moderator aus seinen Unterlagen vor.
Ellie unterdrückte ein Schnauben. Wohl eher kalt, arrogant und abweisend.
»Der Meistbietende erhält nicht nur die Chance, mit Bachelorette Nummer zwölf Doktor zu spielen. Das Paket beinhaltet auch ein romantisches Eislauf-Date im Crown Center, ein Abendessen in einem der besten Restaurants der Stadt, eine von unserer Bachelorette geplante Überraschung und einen Backkurs für zwei bei Sasha Peterson, der Bäckerin, die Jenna Blakes Hochzeitstorte kreiert hat!«
Das klang nach einer Menge Spaß! Schade, dass Ellie nichts davon erleben würde.
»Wir beginnen mit einem Startgebot von hundert Dollar für das tolle Date-Paket mit Dr. Novak.« Der Moderator musterte das Publikum. »Bietet jemand einhundert?«
»Einhundert«, rief jemand ein paar Tische weiter links von Ellie.
Sie reckte den Hals, um zu sehen, wer es war.
Ein Typ in einem teuren Smoking, der seine spärlichen Haare nach vorn gekämmt hatte, um eine Halbglatze zu verbergen, hielt seine Bietertafel in die Höhe.
»Hier drüben sind einhundert geboten. Höre ich einhundertfünfzig?«
Die Gebote stiegen schnell an, bis sie dann bei achthundert stagnierten.
Achthundert Dollar für ein Date-Paket! Ellie konnte es nicht fassen. Ihr erstes eigenes Auto hatte weniger gekostet! Zugegeben, es war eine Rostlaube gewesen, aber zumindest hatte es ihr gehört.
»Kommt schon, Leute! Wer wird denn so schüchtern sein? Die Dates mit Dr. Novak sind jeden Cent wert!« Der Moderator zeigte mit dem Finger auf die Ärztin und bedeutete ihr, über den Laufsteg zu stolzieren, um die Gebote in die Höhe zu treiben.
Dr. Novak warf ihm einen Blick zu, der ihn dazu brachte, hinter dem Podium in Deckung zu gehen. Dann schlenderte sie hocherhobenen Hauptes den Laufsteg hinab.
Jetzt war sie Ellie näher als zuvor, sodass diese bei jedem ihrer selbstsicheren Schritte das Spiel ihrer geschmeidigen Muskeln sehen konnte. Himmel, diese Beine! Ellie wollte einen weiteren Schluck Champagner nehmen, aber kein einziger Tropfen benetzte ihre Lippen. Sie muss das Glas geleert haben, ohne es zu merken.
Am Ende des Laufstegs hielt Dr. Novak inne und schenkte dem Publikum ein sexy Grinsen.
»Achthundertfünfzig«, rief der Resthaarkünstler.
Einen Moment lang schien Dr. Novaks Blick Ellie zu streifen und etwas blitzte in ihren Augen auf. War es Verärgerung? Unbehagen? Ein Hilfeschrei?
Ellie schüttelte den Kopf über sich selbst. Quatsch. Sie hatte mit angesehen, wie Dr. Novak einen betrunkenen Patienten zur Räson gebracht hatte, der die Pflegekräfte mit Bettpfannen beworfen hatte. Sie würde ein paar Dates mit dem Resthaarkünstler sicher überleben.
Dann vollführte Dr. Novak eine langsame Drehung und schritt zurück über den Laufsteg.
»Wir haben achthundertfünfzig von dem Herrn mit Tafel siebenundvierzig«, dröhnte die Stimme des Moderators durch die Lautsprecheranlage des Hotels. »Wer bietet neunhundert?«
Jasmine stupste sie an. »Komm schon. Tu es.«
Ellie antwortete nicht. Zwar hatte sie etwas Geld gespart, aber das war für Notfälle. Gern würde sie die Hälfte davon an die kardiologische Abteilung der Pädiatrie spenden, doch auf keinen Fall würde sie auf eine Frau bieten, die noch nie ein privates Wort mit ihr gewechselt hatte.
Außerdem hatte Dr. Novak es nicht nötig, von Ellie gerettet zu werden.
Sicher würde gleich jemand anderes auf sie bieten. Vermutlich sogar mehrere Bietende, denn jetzt konnten die Zuschauer zum ersten Mal die Rückseite ihres Kleides sehen – oder vielmehr das Fehlen einer Rückseite.
Das Kleid war hinten tief ausgeschnitten, zeigte viel nackte Haut und verriet, dass sie keinen BH trug.
Ellies Mund wurde so trocken wie die Sandwiches in der Krankenhauscafeteria. Sie brauchte dringend etwas zu trinken. Wo blieb der Kellner? Sie fächelte sich Luft zu.
»Großartig!« Der Moderator nickte jemandem in Ellies Nähe zu. »Wir haben neunhundert von der Dame mit Tafel dreiunddreißig.«
Ellie sah sich um, um herauszufinden, wer geboten hatte.
Niemand an dem Tisch rechts von ihr hielt eine Tafel mit der Nummer dreiunddreißig in der Hand.
Auch am Tisch zu ihrer Linken nicht.
Und warum starrten alle sie oder jemanden an ihrem Tisch an?
Mit einem mulmigen Gefühl schaute Ellie zu Jasmine. »Du hast doch nicht etwa …?«
Aber Jasmine hatte ihre Bietertafel neben das Programmheft gelegt. Außerdem hatte sie eine andere Nummer. Sie grinste Ellie an.
»Was ist?«, flüsterte Ellie.
Immer noch grinsend zeigte Jasmine auf etwas.
Ellies überhitztes Gehirn brauchte einen Moment, um zu begreifen, worauf Jasmine deutete.
Die Nummer dreiunddreißig.
Auf der Tafel, mit der Ellie sich Luft zufächelte.
»Was? Moment mal!« Ellie starrte auf ihre verräterische Hand und ließ sie schnell auf den Tisch sinken. »Nein, nein, ich wollte nicht bieten! Ich wollte doch bloß …«
»Bietet jemand neunhundertfünfzig?«, fragte der Moderator. »Oder glatte Tausend?«
Ellie warf dem Resthaarkünstler einen flehenden Blick zu, aber er unterhielt sich mit dem Mann neben ihm und schien das Interesse an der Auktion verloren zu haben.
»Neunhundert zum Ersten …«
Schweiß trat Ellie auf die Stirn. Sie umklammerte die Tischkante, um sich nicht erneut Luft zuzufächeln. Womöglich glaubte der Moderator sonst, sie würde noch mehr bieten.
»Zum Zweiten …«
Komm schon. Jemand muss doch bieten. Irgendjemand! Ellies Blick hetzte von Tisch zu Tisch.
»Und zum Dritten! Den Zuschlag erhält die Dame im roten Kleid mit der Tafel Nummer dreiunddreißig.« Der Auktionshammer krachte auf das Podium. »Einen Applaus für unsere großzügige Meistbietende, bitte!«
Das laute Klatschen der Leute um sie herum hallte in Ellies Ohren wider. Vielleicht war es aber auch ihr eigener rasender Herzschlag.
Gott! Ellie hätte am liebsten ihre brennenden Wangen in den Händen vergraben. Sie hatte versehentlich mehrere Dates mit einer Frau ersteigert, die sie nicht ausstehen konnte!
Kapitel 3
Endlich war es vorbei! Hätte der Moderator noch eine weitere unoriginelle Bemerkung über ihre geschickten Hände gemacht, hätte sie ihre Stöckelschuhe ausgezogen und ihn damit erstochen.
In der Mitte des Laufstegs blieb sie stehen und blinzelte gegen das grelle Scheinwerferlicht an, während sie versuchte zu erkennen, wer das höchste Gebot abgegeben hatte. Laut dem Moderator schien es eine Frau zu sein. Wenigstens musste sie sich nicht mit einem Mann herumärgern, der glaubte, er könnte sich Freiheiten herausnehmen, weil er für ihre Gesellschaft bezahlt hatte.
Ein Lichtkegel bewegte sich durch den Ballsaal auf der Suche nach der Dame im roten Kleid, die neunhundert Dollar für ein Date mit ihr bezahlt hatte.
Was für eine Geldverschwendung! Es war schon eine ganze Weile her, seit Regina zuletzt auf einem Date gewesen war. Meistens fand sie romantische Verabredungen so langweilig wie eine Scheibe trockenen Toast.
Und jetzt würde sie bald herausfinden, wie viel unangenehmer erst ein bezahltes Date sein würde.
Der Scheinwerfer zielte auf einen Tisch im hinteren Bereich.
Regina hob eine Hand, um das grelle Bühnenlicht abzuschirmen, das es ihr unmöglich machte, die Zuschauer von dort aus, wo sie jetzt stand, genau zu sehen.
Was zum Teufel?
Die Dame in Rot sah aus wie …
Nein, das konnte nicht sein. Regina hob auch die andere Hand und beschattete ihre Augen. Doch ein weiterer Blick bestätigte, was sie zu sehen geglaubt hatte.
Die Meistbietende war keine mysteriöse Fremde.
Es war Ellie Fisher.
Sie starrten einander an, als existierte die Menschenmenge zwischen ihnen nicht.
Was zum Geier hatte Ellie vor? Sie war doch nicht wirklich auf ein Date mit ihr erpicht, oder? Stand Ellie überhaupt auf Frauen?
Regina hatte keine Ahnung, da sie sich immer von der Gerüchteküche der Notaufnahme ferngehalten hatte.
Aber selbst wenn Ellie lesbisch oder bi sein sollte, sie hatte niemals irgendein Interesse an Regina gezeigt. Schon gar nicht genug Interesse, um neunhundert ihrer hart verdienten Dollar für ein Date mit ihr auszugeben!
Ellie sah nicht gerade begeistert darüber aus, den Zuschlag erhalten zu haben. Ihr Gesichtsausdruck ähnelte dem eines Patienten, der operiert werden musste.
Ihre Wangen hatten die scharlachrote Farbe ihres Kleides angenommen und sie war auf ihrem Stuhl nach unten gerutscht, als hätte sie sich am liebsten unter dem Tisch versteckt, um dem Scheinwerferlicht zu entgehen.
War es ihr peinlich, dass sie auf Regina geboten hatte und jeder es mitbekam?
Aber warum hatte sie es dann getan? War das eine Art Machtspiel? Vielleicht Rache dafür, dass Regina sich gegen ihre Valentinstags-Deko ausgesprochen hatte? Oder ein Versuch, das Machtgefälle zwischen ihnen umzudrehen und auf ihrem Date zur Abwechslung einmal das Sagen zu haben?
Wenn das der Grund war, würde sie eine unschöne Überraschung erleben. Regina hatte nicht vor, sich in ein unterwürfiges Mauerblümchen zu verwandeln, bloß weil Ellie eine Menge Geld ausgegeben hatte.
Sie verfluchte sich dafür, dass sie sich überhaupt erst zu dieser albernen Auktion hatte überreden lassen. Missmutig wandte sie den Blick von Ellie ab und trat zurück hinter den Vorhang.
Doch bevor sie sich bequemere Kleidung anziehen konnte, kam die Auktionsmitarbeiterin auf sie zu. »Wir haben nebenan einen kleinen Empfang für unsere Bachelors und Bachelorettes vorbereitet, damit sie ihre Gewinner kennenlernen können. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Vielleicht war das in der Tat eine gute Idee. Ellie und sie konnten alles an Ort und Stelle klären, sodass sie bei der Arbeit nicht darüber reden mussten und ihre Interaktion in der Notaufnahme rein beruflich halten konnten.
Regina marschierte den Flur entlang und stieß die Tür auf, die die Auktionsmitarbeiterin ihr zeigte.
Die anderen Singles hatten ihre Gewinner bereits ausfindig gemacht. Gelächter und das Klirren von Champagnergläsern hallten durch den Empfangssaal, als alle auf ihre bevorstehenden Dates anstießen.
Regina schien die Einzige zu sein, der nicht nach Feiern zumute war. Suchend sah sie sich nach Ellie um, konnte sie aber nirgendwo finden. Wahrscheinlich ist sie noch im Ballsaal und stellt einen Scheck für mich aus. Sie verzog das Gesicht – und natürlich war ausgerechnet das der Moment, in dem sich die Tür öffnete und Ellie hereinkam.
»Das ist alles ein Missverständnis«, sagte sie zu einem Auktionsmitarbeiter, der sie in den Empfangssaal führte. »Ich hatte gar nicht vor …« Sie hielt abrupt inne. Ihre großen, braunen Augen weiteten sich, als ihr Blick auf Regina fiel.
Peinliche Situationen wie diese waren genau der Grund, warum Regina niemals mit Kolleginnen ausging. Aber sie war ja auch nicht diejenige, die ein Date ersteigert hatte. Das war Ellie gewesen, und es war an der Zeit, herauszufinden, warum sie es getan hatte.
Regina ging zu ihr hinüber.
»Dr. Novak, darf ich Ihnen Ellie Fisher vorstellen?« Der freiwillige Helfer gestikulierte zwischen beiden hin und her. »Ms Fisher, das ist –«
Regina unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Danke. Wir kennen uns bereits.«
»Oh. Super. Ich meine … Dann lasse ich Sie beide mal allein.« Er eilte davon, als würde er die angespannte Atmosphäre spüren.
Ellie wirkte, als wäre sie ihm am liebsten hinterhergelaufen. »Ähm, hallo.« Sie scharrte mit den Füßen, was irgendwie süß war.
Nein, sagte sich Regina streng. Ellie war nicht süß. Sie führte irgendetwas im Schilde. Und Regina würde herausfinden, was es war. Und zwar jetzt sofort. Sie fixierte Ellie mit einem Blick, den sie normalerweise nur auf Eltern anwandte, die sie im Verdacht hatte, ihre Kinder zu misshandeln. »Warum haben Sie auf mich geboten?«
»Ich … Das wollte ich gar nicht«, platzte Ellie heraus.
Autsch. Trotz des großen Egos, das manche Leute Regina unterstellten, verletzte sie das.
»Ich wollte lediglich …«
»Was?«, herrschte Regina sie an.
»Ähm, mit der Tafel nach einer Fliege schlagen?« Es klang eher nach einer zaghaften Frage denn nach einer Erklärung.
Regina kniff die Augen zusammen. »Eine Fliege?«
Ellie nickte und starrte auf ihre Pumps. »Ja. Eine richtig große.«
»Können Sie sich noch an den Patienten letzte Woche erinnern? Der, der mit einer Taschenlampe im Rektum zu uns kam und behauptet hat, er sei in der Dusche ausgerutscht und darauf gefallen?«
Ellie nickte mit gesenktem Kopf.
»Mich beschleicht gerade das gleiche Gefühl, belogen zu werden.«
Ellie spähte durch ein paar Haarsträhnen, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatten, zu ihr auf. »Es tut mir leid. Ich wollte Sie wirklich nicht ersteigern oder Sie irgendwie in Verlegenheit bringen.«
Es war leicht zu erkennen, dass sie die Wahrheit sagte, aber das machte alles nur noch schlimmer. »Wieso sollte mich das in Verlegenheit bringen? Es ist mir nicht peinlich, mit einer Frau auszugehen. Aber Ihnen vielleicht schon.«
Ellie strich sich mit beiden Händen die losen Haare aus dem Gesicht und sah Regina nun zum ersten Mal richtig an. »Mir? Warum sollte mir das peinlich sein? Sogar die Reinigungsleute im CMC wissen, dass ich lesbisch bin.«
»Sie gehen also mit Frauen aus.« Regina hätte sich am liebsten einen Klaps auf den Hinterkopf verpasst. Es sollte ihr völlig egal sein, ob Ellie nun auf Frauen stand oder nicht. »Nur mit mir möchten Sie nicht ausgehen.«
»Ähm, nein.« Rasch deutete Ellie in Richtung von Reginas Kleid, wandte dann aber wieder den Blick ab, als wäre sie darum bemüht, sie nicht anzustarren. »Ich meine, nichts für ungut, Sie sehen wunderschön aus, aber …«
»Aber Sie mögen mich nicht.«
Ellie sah auf, als hätte Reginas Unverblümtheit sie überrascht. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen. Doch dann begegnete sie ihrem Blick. »Um ehrlich zu sein … nein.«
Ganz schön mutig. Regina runzelte über sich selbst die Stirn. Mutig? Was war bloß los mit ihr? Ellie hatte sie eben beleidigt und trotzdem konnte Regina nicht anders, als sie zu bewundern. Sie biss die Zähne zusammen. »Tja, das beruht auf Gegenseitigkeit. Es ist also besser, wir belassen es bei einer strikt beruflichen Beziehung. Ich werde gleich mal mit den Organisatoren der Auktion reden. Sicher können sie Ihnen das Geld zurückzahlen.« Sie wandte sich ab und wollte davongehen.
»Warten Sie!« Warme Finger legten sich um ihren bloßen Arm.
Regina drehte sich um und starrte finster auf Ellies Hand.
Rasch ließ Ellie los. »Tut mir leid. Ich … Das ist keine gute Idee. Das Geld kommt kranken Kindern zugute, und es wäre nicht richtig, wenn sie für meinen Fehler büßen müssten.«
Fehler. Regina knirschte mit den Zähnen. »Na schön. Dann sagen wir einfach, wir wären auf unser Date gegangen. Wir müssen ja nicht wirklich miteinander ausgehen.«
Ellie fummelte an der roten Satinschleife an der Taille ihres Kleides herum. »Ähm, doch, müssen wir.«
»Wie bitte?« Regina stemmte ihre Hände in die Hüften. Endlich waren ihre hohen Absätze einmal für etwas gut, denn sie verschafften ihr einen noch beachtlicheren Größenvorteil. »Was soll das denn bitte heißen?«
»Ich hatte mich vor ein paar Jahren freiwillig als Bachelorette gemeldet.«
»Ja, davon habe ich gehört.«
Ellie blinzelte. »Ach?«
»Alle glauben ständig, sie müssten mich über alten Klatsch und Tratsch im Krankenhaus auf dem Laufenden halten. Na und?« Regina winkte ungeduldig. »Was hat das mit unserer Situation zu tun?«
»Ich weiß deshalb, dass man von uns erwartet, dass wir zusammen gesehen werden und dabei so wirken, als hätten wir jede Menge Spaß. Die Organisatoren der Auktion schicken jemanden mit, der Fotos macht. Damit bewerben sie dann die nächste Auktion. Außerdem werden die Sponsoren vielleicht auch ein paar Bilder in ihren sozialen Medien posten.«
Na toll! Regina rieb sich die Augen, ohne sich darum zu scheren, dass sie vermutlich ihre Wimperntusche verschmierte. »Dann kommen wir also aus der Sache nicht mehr raus.«
Ellie nagte an ihrer vollen Unterlippe. »Nein. Es sei denn, wir möchten als egoistische Arschlöcher dastehen, denen herzkranke Kinder völlig egal sind.«
Bildete sie sich das nur ein oder war Ellies Tonfall herausfordernd? Glaubte sie etwa, Regina würde die ganze Aktion einfach abblasen, ohne sich um die kranken Kinder zu scheren? Natürlich würde sie das nicht tun! Regina straffte die Schultern. Sie hatte das Medizinstudium und die stressige Facharztausbildung überstanden, da würde sie ein mickriges Date auch irgendwie durchstehen. »Na ja, es ist nur ein Date. Ist schließlich nicht so, als müssten wir heiraten.«
Ellie fummelte wieder an der Schleife an ihrer Taille herum. »Eigentlich sind es mindestens zwei.«
Regina starrte sie an. »Zwei was?«
»Dates.« Ein Funkeln trat in Ellies braune Augen. »Haben Sie nicht zugehört, als der Moderator es erwähnt hat, und auch das Kleingedruckte im Vertrag nicht gelesen, bevor Sie ihn unterschrieben haben? Der oder die Meistbietende erhält ein ganzes Date-Paket mit vier Unternehmungen, die wir auf zwei, drei oder vier Tage verteilen können.«
Zwei bis vier Tage? Das hatte Kayla ihr nicht gesagt, wahrscheinlich weil sie Angst hatte, Regina würde einen Rückzieher machen, wenn sie davon erfuhr. Und damit hatte sie gar nicht so unrecht. Regina verbrachte nur selten dermaßen viel Zeit mit irgendeiner Person, nicht einmal mit der Frau, mit der sie zuletzt ausgegangen war. Sie sollte lieber ihren Verbandskasten einpacken, denn Ellie und sie würden sich sicherlich gegenseitig an die Gurgel gehen, noch bevor das erste Date vorbei war.
Der Anflug eines Lächelns auf Ellies Gesicht verblasste. »Sie haben wirklich nichts davon gewusst, oder? Dachten Sie etwa, all die Aktivitäten, die der Moderator aufgezählt hat, ließen sich in einen einzigen Tag quetschen?«
Um ehrlich zu sein, hatte Regina dem albernen Geplapper des Moderators kaum zugehört. Sie konnte sich nur daran erinnern, dass er Schlittschuhlaufen erwähnt hatte. »Warum auch nicht? Wenn wir effizient planen, können wir alles innerhalb von ein paar Stunden schaffen.«
Ellies Grinsen kehrte zurück. »Effizient planen? Es geht um Dates, nicht um die Vorbereitung eines Polytraumas für den OP.«
Schade. Regina hätte es vorgezogen, ein Polytrauma zu behandeln. Dann müsste sie wenigstens nicht zwei Tage langweiligen Small Talk mit einer Kollegin betreiben, die sie nicht leiden konnte.
»Ach, jetzt aber!«, sagte Ellie, als hätte sie ihre Gedanken erraten. »So schlimm wird es schon nicht werden. Wir schaffen das schon.« Sie klang, als wollte sie sich selbst Mut zusprechen.
»Ja.«
»Machen wir’s den Kindern zuliebe«, sagten sie beide gleichzeitig.
Sie nickten einander zu und standen dann einen Moment lang schweigend da.
Die angeregten Gespräche der anderen Singles und Meistbietenden drangen zu ihnen herüber.
»Na schön«, sagte Regina nach einer Weile. »Bringen wir es in so wenigen Tagen wie möglich hinter uns.«
»Zwei sind wahrscheinlich machbar«, antwortete Ellie. »Wir könnten morgens Schlittschuhlaufen gehen und nachmittags Ms Petersons Backkurs absolvieren, wenn sie einverstanden ist. Dann könnten wir die letzten beiden Aktivitäten an einem anderen Tag machen.«
Regina seufzte unterdrückt und nickte.
»Möchten Sie mir Ihre Nummer geben?«, fragte Ellie und fügte dann hinzu: »Dann können wir abgleichen, wann wir beide frei haben, und uns auf einen Tag und eine Uhrzeit für unser erstes Date einigen.«
Das war wohl eine gute Idee. Wenn sie versuchte, Ellies Telefonnummer von der Krankenhausverwaltung zu bekommen, würde das nur Gerüchte in Umlauf bringen. Sie nahm das Handy, das Ellie ihr hinhielt, und tippte ihren Namen und ihre Rufnummer ein.
»Danke.« Ellie nahm das Handy zurück und starrte darauf, dann zu Regina. »Ähm, Dr. Novak?«
»Ja?«
»Nein, ich meine, Sie haben Ihren Namen als Dr. Novak eingegeben.«
»Weil ich so heiße.«
Ellies Mundwinkel zuckten, aber Regina konnte nicht sagen, ob sie eine Grimasse oder ein Lächeln unterdrückte. »Klar, solange wir auf der Arbeit sind. Aber soll ich wirklich Dr. Novak sagen, während wir auf einem Date sind?«
»Es ist ja kein richtiges Date«, murmelte Regina.
»Trotzdem. Es hat nichts mit der Arbeit zu tun, also sollten wir gleichberechtigt sein und uns duzen.« Ellie hielt ihrem Blick stand. »Wenn ich Sie während eines romantischen Abendessens ständig mit Doktor ansprechen würde, käme ich mir vor, als hätte ich einen Ärztinnen-Fetisch.«
Regina seufzte. Das war genau der Grund, warum sie nicht mit Kolleginnen ausging. Geschäftliches und Vergnügen zu vermischen, war nie eine gute Idee. Was natürlich nicht hieß, dass ihr diese Dates Vergnügen bereiten würden. »Na schön.«
Ein Lächeln brachte die Grübchen in Ellies Wangen zum Vorschein. »Ich darf dich also duzen und Regina sagen?«
»Wenn es sein muss.«
»Na ja, ich könnte dich auch Bachelorette Nummer zwölf nennen, wenn dir das lieber ist.«
Regina fixierte sie mit einem Blick, der durchdringend wie ein Skalpell war. »Nur wenn du willst, dass ich dich Bieterin Nummer dreiunddreißig nenne.«
»Okay, okay. Wir nehmen die Vornamen.«
Regina hob warnend einen Finger. »Aber nur solange wir nicht auf der Arbeit sind.«
»Natürlich.« Ellie schrieb eine kurze Nachricht und steckte ihr Handy dann in ihre Handtasche. »Ich habe dir gerade eine SMS geschickt, damit du meine Nummer hast.«
Regina nickte ihr zu.
Eine ungemütliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
»Ich schätze, wir sehen uns dann auf der Eislaufbahn«, sagte Regina schließlich.
»Vorher sehen wir uns noch auf der Arbeit«, entgegnete Ellie.
Ein dumpfes Pochen pulsierte durch Reginas Schläfen. Sie massierte sich die Nasenwurzel. »Ich vermute mal, es wird uns nicht gelingen, die ganze Angelegenheit für uns zu behalten, oder?«
Ellies Lachen klang amüsiert, nicht sarkastisch. Sie gestikulierte in Richtung des Ballsaals. »Hast du schon vergessen, wie viele unserer Kolleginnen und Kollegen im Publikum saßen?«
»Was sagen wir, wenn sie nach unseren Dates fragen?«
»Tja, kommt ganz darauf an.«
»Worauf?«
Ein schelmisches Leuchten trat in Ellies dunkle Augen. »Darauf, wie interessant oder langweilig sie sind.«
Regina hob beide Augenbrauen und knurrte: »Willst du mich etwa herausfordern?«
»Nun ja«, sagte Ellie und erneut umspielte dieses charmante Lächeln ihre Mundwinkel. »Ich habe neunhundert Dollar bezahlt, von daher …«
Einen Moment lang war Regina sprachlos und wusste nicht, ob sie Ellie anschreien oder ihr das verflixte Grinsen von den Lippen küssen sollte.
Wie kam ich denn auf den Gedanken? Natürlich würde es keine Küsse geben. Nicht einen einzigen. »Keine Sorge«, antwortete sie schließlich. »Ich garantiere, dass es die besten Dates werden, auf denen du je warst. Natürlich nur zu Werbezwecken. Du sollst auf den Fotos für die sozialen Medien nicht gelangweilt aussehen.«
»Klar. Kannst du überhaupt Schlittschuh laufen? Irgendwer hat erzählt, dass du aus Kalifornien kommst.«
Die Klatschmäuler aus dem Krankenhaus hatten also hinter ihrem Rücken über sie gesprochen. Na toll. Regina zeigte ihre Zähne, wobei es ihr egal war, ob es wie ein Grinsen oder eine Drohung wirkte. »Du wirst es herausfinden.«
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Empfangssaal, um das letzte Wort zu haben.
* * *
Hab ich das eben wirklich gesagt? Ellie starrte Regina hinterher und riss dann den Blick von ihrem fast nackten Rücken los. Warum hatte sie Regina dazu herausgefordert, ihr ein tolles Date-Erlebnis zu bieten?
Jeden Moment würde sie aufwachen und über diesen albernen Traum lachen.
Sie kniff sich fest. Der Schmerz pochte in ihrem Arm, aber der Raum verwandelte sich nicht plötzlich in ihr gemütliches Schlafzimmer.
Das war alles tatsächlich passiert. Sie hatte ungewollt mehrere Dates mit Dr. Novak ersteigert.
Mit Regina,fügte ihre innere Stimme hinzu.
Sie konnte nicht fassen, dass sie darauf bestanden hatte, die Ärztin zu duzen und mit dem Vornamen anzusprechen. »Es muss an diesem verflixten Liebestrank Nummer neun gelegen haben«, murmelte sie. Der Cocktail war stärker als gedacht gewesen und hatte ihr die Zunge gelöst. Das Glas Champagner, das sie beim Anblick von so viel entblößter Haut geleert hatte, war dabei auch nicht gerade hilfreich gewesen.
»Liebe?«, sagte eine Stimme neben ihr. »Mensch, dann haben sich die neunhundert Dollar wirklich gelohnt, wenn ihr jetzt schon von Liebe sprecht!«
Ellie drehte sich um und stöhnte.
