Bad Earth Sammelband 8 - Science-Fiction-Serie - Manfred Weinland - E-Book

Bad Earth Sammelband 8 - Science-Fiction-Serie E-Book

Manfred Weinland

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Beschreibung

Der achte Sammelband der atemberaubenden Science-Fiction-Serie jetzt zum Supersparpreis

Das Vermächtnis der Virgh

In was für ein Gebilde, was für ein Raumschiff - wenn es denn eines ist - wurde Scobee verschleppt? Ist sie überhaupt noch am Leben?

Binnen kürzester Zeit hat sich die Große Magellansche Wolke in einen Albtraum verwandelt. John Cloud, der neue Herr über die RUBIKON, setzt alle Hebel in Bewegung, Gewissheit über Scobees Verbleib zu erlangen.

Doch dann erwacht etwas in dem fremden Sonnensystem. Etwas von schrecklicher Tragweite ...

Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich auch im Sammelband.

Dieser Sammelband umfasst die Folgen 36 - 40 der Serie Bad Earth.


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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die digitalen Originalausgaben: Copyright © 2017/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covergestaltung: © Tanja Østlyngen und Guter Punkt, München www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: forplayday|rajeshbac|3000ad|Zoonar RF|Sylphe_7|Algol|michalz86 ISBN 978-3-7325-8592-2

Michael Marcus Thurner, Alfred Bekker, Manfred Weinland, Marten Veit

Bad Earth Sammelband 8 - Science-Ficiton-Serie

Inhalt

Michael Marcus ThurnerBad Earth 36 - Science-Fiction-SerieDas Vermächtnis der Virgh In was für ein Gebilde, was für ein Raumschiff - wenn es denn eines ist - wurde Scobee verschleppt? Ist sie überhaupt noch am Leben? Binnen kürzester Zeit hat sich die Große Magellansche Wolke in einen Albtraum verwandelt. John Cloud, der neue Herr über die RUBIKON, setzt alle Hebel in Bewegung, Gewissheit über Scobees Verbleib zu erlangen. Doch dann erwacht etwas in dem fremden Sonnensystem. Etwas von schrecklicher Tragweite ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Alfred BekkerBad Earth 37 - Science-Fiction-SerieCy und Algorian in der Gewalt der Jay'nac In der heimatlichen Milchstraße nimmt die Unterwanderung der Allianz CLARON durch die anorganischen Jay'nac immer dramatischere Züge an - mit schwerwiegenden Folgen für die Erinjij. Zur gleichen Zeit befinden sich Cy und Algorian in der Gewalt der Jay'nac-Klone - die sie mit einem unerwarteten Angebot überraschen ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Bad Earth 38 - Science-Fiction-SerieDie Allianz holt zum Vernichtungsschlag aus Der Showdown im irdischen Sonnensystem und auf der Spore Auri ist eingeläutet. Der offene Konflikt zwischen der Allianz CLARON und den Erinjij scheint nicht mehr aufzuhalten. Indes werden Cy und Algorian tiefer in den Strudel der Ereignisse gerissen. Sie erreichen die Spore Auri - und erkennen die ganze Wahrheit über Cys Heimat ... Welche weiteren Überraschungen erwarten Cy und Algorian noch? Ist der "Große Krieg" überhaupt noch zu vermeiden? Und wenn nicht: Wie wird das große Aufeinanderprallen der Allianz CLARON mit den Erinjij ausgehen? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Manfred WeinlandBad Earth 39 - Science-Fiction-SerieDie RUBIKON dringt ins Imperium der Virgh ein Der galaktische Krieg ist vollends entbrannt. Und auf der Giga-Spore im Auri-System ist etwas erwacht, das offenbar in enger Beziehung zu denjenigen steht, die nun dabei sind, die Allianz CLARON zu überrennen ... Steht das Ende der Allianz bevor? Währenddessen kommt es in der Großen Magellanschen Wolke zur lange erwarteten Konfrontation: Die Besatzung der RUBIKON II wird Zeuge des Wütens einer Virgh-Patrouille ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Marten VeitBad Earth 40 - Science-Fiction-SerieDie Hinterlassenschaft der Virgh Ist das Schicksal der Cirr besiegelt? Und was wurde aus Artas und den anderen Satoga? Warum reagieren sie auf keinen Kontaktversuch? John Cloud steht vor einer der schwersten Entscheidungen seines Lebens. Soll er den Cirr noch einmal beistehen - gegen eine übermächtige Flotte der Virgh? Selbst auf die Gefahr hin, dass die RUBIKON II dabei vernichtet wird? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Über diese Folge

Über die Autoren

Was bisher geschah

Impressum

Die Brut

In der nächsten Folge

Über diese Folge

Folge 36: Die Brut

Das Vermächtnis der Virgh

In was für ein Gebilde, was für ein Raumschiff – wenn es denn eines ist – wurde Scobee verschleppt? Ist sie überhaupt noch am Leben?

Binnen kürzester Zeit hat sich die Große Magellansche Wolke in einen Albtraum verwandelt. John Cloud, der neue Herr über die RUBIKON, setzt alle Hebel in Bewegung, Gewissheit über Scobees Verbleib zu erlangen.

Doch dann erwacht etwas in dem fremden Sonnensystem. Etwas von schrecklicher Tragweite …

Bad Earth – das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Über die Autoren

Manfred Weinland schrieb bereits für renommierte Serien wie Perry Rhodan Taschenbuch, Ren Dhark, Maddrax, Dino-Land, Jerry Cotton, Gespenster Krimi, Professor Zamorra u.a., ehe er das Konzept für die Serie Bad Earth ausarbeitete. Zusammen mit Erfolgsautoren wie Alfred Bekker, Luc Bahl, W. K. Giesa, Peter Haberl, Horst Hoffmann, Claudia Kern, Achim Mehnert, Susan Schwartz, Conrad Shepherd, Marc Tannous, Michael Marcus Thurner und Marten Veit, die ebenfalls alle bereits jahrelange Erfahrung im Schreiben von Science-Fiction-, Action- und Abenteuer- oder Horrorromanen haben, gelang eine ebenso spannungsgeladene wie komplexe Science-Fiction-Serie, die sich einem Thema widmet, das alle interessiert: Der Zukunft der Erde und der Menschheit.

Was bisher geschah

Die RUBIKON hat die Große Magellansche Wolke erreicht. Von dort flohen die Foronen vor Jahrzehntausenden an Bord der Arche vor den übermächtigen Virgh.

Im der GMW vorgelagerten »Sonnenhof« werden bis auf Sobek und Siroona sämtliche Foronen an Bord getötet. John Cloud, der mit seinen Gefährten von den Foronen gezwungen worden war, sich der Expedition zur Nachbargalaxis anzuschließen, nutzt die Chance und übernimmt das Kommando der RUBIKON. Ein historischer Moment. Sobek und Siroona finden sich in der Rolle von Gefangenen wieder.

Dennoch ist eine Rückkehr zur Milchstraße vorerst ausgeschlossen. Die RUBIKON ist beschädigt. Und so bleibt nur der weitere Vorstoß in die sehr viel näher gelegene alte Heimat der Foronen.

Auf dem von den Virgh zerstörten Planeten Galvaur wird Scobee von einem Unbekannten entführt. Und so kommt es zur Begegnung mit den Satoga – und einer folgenschweren Entdeckung …

Michael Marcus Thurner

Die Brut

1.

Etwas war in Scobees Kopf explodiert, hatte ihre Sinnesnerven schlagartig gelähmt. Schwärze legte sich um sie. Sie konnte sich nicht bewegen, sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.

Scobee wusste nur: Sie war von einem Wesen, das sie niemals zuvor gesehen hatte, niedergeschossen worden.

Ein unregelmäßiges Knattern wie von einem schlecht justierten Geigerzähler hielt sie gefangen. In diesem zeitlosen Kontinuum, in dem sie sich befand, war dies der einzige Anhaltspunkt dafür, dass sie noch lebte.

Möglicherweise …

Denn wer wusste schon, was nach dem Tod wartete?

Ein seltsamer Gedanke, überlegte sie, und wunderte sich im selben Moment darüber, dass sie erstmals seit langem wieder etwas verstehen konnte.

Die Zerrüttung, die ihren Geist erfasst hatte, schien ganz allmählich nachzulassen.

Ein Punkt, stechend weiß, bohrte sich zwischen ihre Augen. Feine Risse faserten lautlos von diesem Punkt nach außen weg wie bei einer zerbrechenden Glasscheibe nach einem Steinschlag. Die hell leuchtenden Risse fraßen sich in die Schwärze, die Scobee umgab; brachen die Flecken der Dunkelheit richtiggehend weg, rasch und immer rascher.

Dann war Helligkeit.

Scobee konnte wieder sehen!

***

Das grelle Licht war zweifellos künstlichen Ursprungs. Es kam von der glatten Decke.

Es gelang ihr nicht, Kopf, Arme oder Beine zu bewegen. Ihre Augen schmerzten, als sie den Blick hin und her huschen ließ. Jedes Blinzeln, jedes Zucken tat weh.

Eine Art Betäubungsstrahl hat mich erwischt, dachte sie nüchtern. Er muss meine Nerven vollends lahmgelegt und mich in eine Art Stase versetzt haben.

Scobee stöhnte auf, als das Kribbeln in Finger- und Zehenspitzen begann. Als würden tausend kleine Blitze in ihren Körper fahren, sich unter ihre Nägel bohren und diese langsam hochbiegen.

Nun wurden ihre Lippen warm; immer heißer, so heiß, dass sie am liebsten geschrien hätte. Doch die Muskeln waren zu schwach, ließen nur ein undefinierbares Grunzen zu, das aus ihrer Kehle nach oben drang.

Eine kühles Etwas legte sich auf Scobees Stirn, tastete vorsichtig über ihre von Blitzen durchsetzte Haut, fuhr fast zärtlich die Wangenknochen hinab.

Eine Hand!

Sie konnte sie vorerst nur sehen, aber nicht spüren. Das elektrische Prickeln, das sich allmählich von Fingern, Zehen und Mund weg ausbreitete, übertünchte alles. Es fühlte sich an, als würde endlich wieder Gefühl in ihre eingeschlafenen Glieder zurückkehren – nur ungleich schmerzhafter.

Eine rollende Stimme sagte ein paar Wörter oder Sätze, die scheinbar nur aus dunklen Kehllauten und verschluckten Vokalen bestanden.

Es hörte sich an wie: »Rrochartk« und konnte alles heißen, von »Ich liebe dich, heirate mich!«, über »Deine Haut lässt sich sicherlich gut auf dem Magellanschen Großmarkt verkaufen« bis »Öffne bitte den Mund, damit ich dich für mein Mittagessen spicken kann«.

Wenn er mir etwas hätte antun wollen, hätte er das einfacher haben können, dachte sie und nahm ihre hechelnde Atmung bewusst zurück. Er sucht also eine Art Verständigung – so hoffe ich zumindest.

Für Minuten überdeckte das Blitzen in ihrem Körper jede andere Sinnesempfindung. Es erfasste Scobee vollends. Ihr Körper begann, unkontrolliert zu zucken und gleich danach zu verkrampfen.

Dann spürte sie einen Stich an ihrer Hüfte, fein und kaum merkbar.

Das Fremdwesen, von dem sie nach wie vor nur die fünffingrige, etwas grünlich schimmernde Hand und einen muskulösen Arm sah, hatte ihr eine Spritze gesetzt.

Dieser Wahnsinnige! Woher konnte er wissen, was für ihren Metabolismus zuträglich war und was nicht! Möglicherweise hatte er sie soeben dem Tod ausgesetzt, indem er ihr Wirkstoffe verabreichte, die auf den menschlichen Körper letal wirkten.

»Ncht … nicht!«, murmelte sie schwach, und drehte den Kopf leicht hin und her. Die Betäubung ließ nun immer rascher nach.

Erneut erklang die Stimme des anderen. Tief und scheinbar aus einer breiten Brust kommend.

Lachte er?

Endlich schob sich sein Oberkörper in ihr nach wie vor eingeschränktes Gesichtsfeld.

Die Erinnerung an das Wesen, das sie auf Galvaur niedergeschossen hatte, kam zurück.

Nochmals durchlebte sie jenen Moment, als er seine klobige Waffe auf sie anlegte, mit einem süffisanten Grinsen einen Finger krümmte und sie in die Schwärze schickte.

Das war derselbe Mann.

Das war das Wesen, korrigierte sie sich im selben Moment. Es trug einen Bart und zeigte Züge, die sie als maskulin deutete. Doch die Wunder der letzten Tage, Wochen und Monate hatten sie gelehrt, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.

Die Haare waren das markanteste Merkmal am Kopf des Wesens. Zwanzig bis dreißig rote Haarborsten, von kleinen Knoten durchsetzt, durchstachen die Kopfhaut und standen steil nach oben und hinten weg.

An der Stirn, zwischen den wulstigen Augenbrauen, befand sich ein kleiner rosafarbener Höcker und bildete einen merkwürdigen Kontrast zum Lindgrün seiner Haut.

Die Iris der tief liegenden Augen war schwarz, die Hornhaut glänzte ebenso wie die schmalen Lippen safrangelb. Kopfform und Nase waren menschenähnlich – die Ohren vielleicht ein wenig zu klein und zu eng anliegend, die Backenknochen zu ausgeprägt. Aber mit etwas gutem Willen hätte man es durchaus als Menschen durchgehen lassen.

Und in den Gen-Labors, aus denen ich stamme, ohnehin, dachte Scobee.

Der helle Bartschatten, der sie von Beginn an irritiert hatte, zog sich weit nach oben, über die Backenknochen hinweg.

Das Grinsen – es stand wie eingebrannt in seinem Gesicht. Als ob sich ihr Entführer permanent über sie lustig machen wollte.

Der Höhepunkt der Schmerzen war überschritten. Das Kribbeln ließ nach, sie spürte wieder ihre Glieder.

Und konnte sie bewegen!

Die Spritze, die ihr gesetzt worden war, schien ihr nicht geschadet zu haben, ganz im Gegenteil.

»Durst«, flüsterte sie. Ihr Rachen und die Zunge fühlten sich mit einem Mal wie Schleifpapier an. Unglaubliche Trockenheit in und auf ihrem Leib erweckte eine rasende, nicht zu unterdrückende Gier nach Flüssigkeit.

Das Wesen konnte sie mit Sicherheit nicht verstehen – aber die grünlichen Finger hielten ihr einen fasrigen, an eine Kokosnussschale erinnernden Becher vor die Nase. Bitterer, sämiger Saft tropfte ihr auf die halb geöffneten Lippen. Sie wandte alle Kraft dafür auf, die Flüssigkeit hinabzuwürgen.

Alles schmerzte.

Jede Schluckbewegung, jeder Gesichtsmuskel, jede Anspannung, jeder Flecken ihrer Haut. Es war, als hätte sie einen allumfassenden Muskelkater.

Und so war es wohl auch: Die merkwürdige Waffe hatte ihre Nerven vollends betäubt und den Muskelfasern winzigste Beschädigungen zugefügt.

Die hart gepolsterte Liege bewegte sich und zwang Scobee in eine annähernd sitzende Position. Fast fiel ihr Kopf hinab auf die Brust, so schwach fühlte sie sich, doch mit aller Willenskraft hielt sie ihn in Position.

Das Wesen stellte die halb volle Kokosnussschale neben ihr auf ein Tablett. Scobee sah dem Wesen hinterher, als es mit wuchtigen Schritten durch eine breite Tür ging. Mit einem satten Schmatzen schloss sich das Schott hinter ihm, und sie war alleine.

In einem Raum, wie er nüchterner nicht sein konnte.

Es gab die Liege, auf der sie mit einem breiten Gurt um die Hüfte festgeschnallt war, einen Tisch, eine weitere Sitzgelegenheit, alles in Weiß gehalten – und das war’s auch schon.

Nein. Nicht ganz.

Ein frei schwebender, schwarzer Tropfen, eine Handbreit hoch und von widerlich öliger Konsistenz, näherte sich ihr langsam.

Er breitete sich aus, wurde dünn wie eine Folie – und legte sich um ihr Gesicht.

Scobee wurde übergangslos jegliche Luftzufuhr abgeschnitten!

2.

»Sie ist tot! Sie ist gestorben!«, murmelte John Cloud und stürzte haltlos aus dem Sarkophagsitz der RUBIKON.

Benommen merkte er, dass ihm Jarvis’ kräftige Arme hochhalfen und auf wackelige Beine stellten.

Die Arme eines amorphen Wesen, geformt und gegossen aus Nano-Robotern – eine Vitalrüstung der Foronen, aufgepeppt durch die geistige Substanz eines Menschen, der so etwas wie ein Freund für John Cloud war.

Jarvis …

Der nun letzte ›lebende‹ Begleiter seit Beginn der Mars-Expedition.

Denn Scobee war tot.

Der Schmerz, der ihn vor wenigen Momenten durchzuckt hatte, als er eins mit der RUBIKON gewesen war, hatte mit absoluter Sicherheit die genetische Unterschrift der GenTec-Frau getragen.

Er wusste auch nicht, wie er sich den Vorgang erklären sollte, und eigentlich war es Cloud auch vollkommen egal. Tatsache war, dass er über Myriaden von Schiffsrezeptoren eine Botschaft empfangen hatte, die das Verwehen von Scobees körperlicher Substanz im Nichts zum Inhalt gehabt hatte.

Tränen schossen ihm in die Augen. Durch einen roten Schleier erkannte er, dass ihn Jarvis durch die Zentrale trug.

»Komm schon, Mann!«, sagte Jarvis. Er gab ihm einen Schluck Wasser zu trinken. »Reißen Sie sich zusammen, Kommandant!« Jarvis, der Amorphe, hörte sich beinahe so an wie Jarvis, der GenTec.

Unwillkürlich straffte Cloud seine Haltung, drängte den Schock beiseite. Jahrelang antrainierte Reflexe griffen mit einem Mal. Er wusste nicht, ob er seinen Ausbildern und Schleifern für die wirksam werdenden Automatismen danken oder sie verfluchen sollte.

Einerlei, sie waren ohnehin alle tot.

»Es … es geht wieder«, flüsterte er und riss sich müde von seinem Träger los.

Er ging vor zur Panoramawand, die ein virtuelles Standbild des großen Mutterschiffes zeigte, in dem Scobees Entführer verschwunden waren. Ständig fügte die RUBIKON neue Datenreihen hinzu. Sie standen in einem Planetensystem, dessen Sonne laut Auskunft des Schiffes Pint hieß. Ein einzelner Planet stand im Hintergrund des gegnerischen Schiffes.

Zentalo war sein Name.

Er war verglast wie schon Galvaur.

Die RUBIKON maß und extrapolierte unablässig, kombinierte Ergebnisse mit Mutmaßungen. Aus Vermutungen wurden prozentuelle Erwägungen, aus Hochrechnungen Tatsachen. Die KI dachte und handelte auch ohne ihn – doch sie übertrat nicht, so wie bereits früher mehrmals, eine gewisse Grenze.

Die Grenze von Reaktion zu Aktion.

Die gemischte Besatzung des Schiffes war von seinem, von Clouds, Geisteszustand abhängig. War die Schiffs-KI einmal der Meinung, dass er nicht mehr in der Lage wäre, sie zu führen, würde sie mit Sicherheit Schritte einleiten, die niemandem an Bord zur Freude gereichen würden.

So, wie es das Schiff vor wenigen Tagen mit den beiden letzten Foronen an Bord, Sobek und Siroona, getan hatte.

Die RUBIKON hatte sie kurzerhand für nicht einsatzfähig erklärt und Cloud das Kommando als einzig Entscheidungsbefugtem übergeben. Er hatte die verdammte Pflicht, dass es dabei blieb, um das Leben der anderen Wesen an Bord nicht zu gefährden. Scobees Tod und die damit verbundene Trauer hatte hintan zu stehen.

»RUBIKON, einen Stuhl!«, befahl Cloud.

Binnen weniger Momente entstand eine bequem gepolsterte Sitzgelegenheit, die sich nicht nur wie Leder anfühlte, sondern sogar danach roch.

Und dennoch handelte es sich um Nano-Roboter, die im Übermaß in Böden, Decken und Wänden verborgen waren, um ihm, dem Kommandanten, für alle seine Bedürfnisse zur Verfügung zu stehen.

Jarvis trat näher heran, während sich Cloud angespannt niedersetzte.

»Scobee ist … tot?«, fragte er hohl, während sich sein Aussehen veränderte. Der Schock musste sein menschliches Bewusstsein nunmehr vollends erfasst haben. Er verlor jegliche Kontrolle über den künstlichen Körper.

»So ist es«, erwiderte Cloud betont nüchtern. »Es tut mir Leid.« Erneut schob er jeglichen Gedanken an das Schicksal der GenTec beiseite.

Er musste sich um das mysteriöse Schiff vor ihm kümmern. Er trug Verantwortung für sieben weitere Wesen, einschließlich ihm. Und möglicherweise war er auch die letzte Hoffnung für eine entmenschlichte Erde.

Nur das zählte. Geflissentlich übersah er die weinende Aylea und den völlig schockiert vor sich hinstarrenden Florenhüter Jelto.

Trauern konnte er später …

***

Scobee griff zitternd und kraftlos an ihr Gesicht, wollte den Ölfilm abreißen. Doch es gab keine Naht, nichts, an dem sie unterhaken konnte. Das merkwürdige, stinkende Gewebe klebte an ihr wie eine zweite Haut.

Die Luft wurde knapp, das Gefühl unerträglich. Fahrig tastete sie umher, um irgendetwas zu finden, mit dem sie den dünnen und dennoch so zähen Film von der Gesichtshaut lösen konnte.

Ihr Herz schlug unnatürlich rasch, der Kreislauf drohte erneut zu kollabieren. Scobees nach wie vor geschwächter Metabolismus vertrug keine weiteren Belastungen.

Das ist doch Wahnsinn!, dachte sie. Das kann dieser Unbekannte unmöglich wollen! Was läuft hier bloß schief?

Sie hielt es nicht mehr aus, alles in ihr gierte nach Luft, nach ein klein wenig Sauerstoff, nach Leben. Sie gab ihrer Panik nach und wollte schreien. Doch da war kein Platz, kein Raum, um den Schrei zu artikulieren. Ihr Mund, ihre Nase, ihr Kopf, alles war zugeklebt …

… und plötzlich atmete sie.

Gänzlich überraschend gab der Ölfilm nach, zerbröselte unter ihren Händen und fiel leicht wie Asche zu Boden.

Scobee hustete und würgte, sog den so heftig herbeigesehnten Sauerstoff gierig ein.

Sie lebte!

***

»Sie ist tot, sie ist tot«, murmelte Jelto gebetsmühlenartig. Er wippte auf seinem breiten Stuhl vor und zurück, vor und zurück. Die langen, zierlichen Hände umklammerten Aylea, die auf seinem Schoß saß.

Der Oberkörper der Zehnjährigen zuckte krampfartig. Alle Tränen waren geflossen, nahezu eine Stunde lang. Nun folgte die Erschöpfung, nun forderte der Körper seinen Tribut.

Cloud hatte die beiden Menschen so weit wie möglich aus seiner Wahrnehmung ausgeschlossen und konzentrierte sich auf das Abbild des Schiffes vor ihm.

Den Ort, an dem Scobee gestorben war.

»Systemanalyse abgeschlossen«, sagte die KI der RUBIKON über ein eng begrenztes Akustikfeld, nur für ihn hörbar.

»Statusbericht!«, forderte Cloud kurz angebunden.

»Durchmesser des Zentralkörpers zweihundertzwölf Meter. Der äußerste der sechzehn Ringe …«

»… dort, wo Scobee gestorben ist …«, warf Cloud müde ein.

… umläuft das tatsächliche Schiff in einem mittlerem Abstand von einhundertsechzig Metern.«

»Mittlerer Abstand?«, wunderte sich Cloud.

»Ja. Die Ringbahn verläuft nicht rund, sondern beschreibt eine Ellipse. Es gibt eine Abweichung von knapp zwei Metern.«

»Was bewirken die Ringe, was bewirken die Kugeln?«, fragte er ungeduldig nach.

»Ich bin noch auf unzureichendes Datenmaterial angewiesen«, entgegnete die RUBIKON. »Aber nachdem die Energieemissionen fast ausnahmslos aus den Kugeln dringen, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass in ihnen alle Schiffsaggregate stationiert sind. Antriebsysteme, Schutzschirmprojektoren, Energietransformatoren, Waffensysteme bis hin zu den Ortungsanlagen. Die Zentralkugel hingegen ist energetisch nahezu tot. Anscheinend dient sie ausschließlich zur Unterbringung der Beiboote, des Materials und der Besatzung …«

»Wie lautet deine Analyse des Antriebs?«, unterbrach Cloud erneut.

»Die Hülle der Zentralkugel ist von einer Legierung mit starkem Neodymium-Anteil ummantelt und wirkt als Magnet. Die sechzehn rotierenden Kugeln sind in ein äußerst komplexes System von Anziehung und Abstoßung eingebunden. Auch ihre Schalen beinhalten Neodymium-Eisen-Bor-Verbindungen mit Magnetfeldstärken von bis zu 10 hoch 13 Tera-Tesla. Die permanente gegenseitige Beeinflussung erzeugt einen Energiefluss, der an meine Leistungskapazität herankommt.«

»Das, was wir hier vor uns sehen, wirkt also bei Bedarf als sich selbst antreibender Supermagnet«, murmelte Cloud. »Aber wie bewegt sich das Schiff fort?«

»Dazu kann ich noch nichts sagen. Möglicherweise erfolgt eine Drehbeschleunigung, bis sich die Zentralkugel aus dem Standarduniversum rotiert und seine sechzehn Satelliten mit sich reißt.«

»Hier gibt es also vorerst noch Unsicherheiten, und wir müssen uns auf Überraschungen vorbereiten. Du sagst, dass die Energieleistungsstärke annähernd jener der RUBIKON entspricht?«

»Von der Erzeugung her gesehen: ja. Doch das Potenzial alleine ist nicht alles. Wie die Gewichtung des Verbrauchs – Antrieb, Aktivwaffensysteme und Verteidigungssysteme zueinander –, die Flexibilität der gegnerischen KI im Ernstfall und vor allem der Energie-Nutzungsgrad aussehen – da sind die Daten noch zu ungenau und reichen nicht für eine Hochrechnung.«

»Wenn wir nun den Ortungsschutz verlassen und diesem seltsamen Atommodell einen Schuss vor den Bug knallen – kannst du derart bluffen, dass der Gegner annimmt, dass wir ihm haushoch überlegen sind? Indem du alles an momentanen Vitalreserven in diesen einen Warnschuss legst? Ich rede nicht von einem Schuss mit der Kontinuumwaffe, und auch nicht von Antimaterie-Torpedos, sondern von hochenergetischem Sperrfeuer. Sodass der Gegner glauben muss, wir hätten noch viel mehr in der Hinterhand?«

Die RUBIKON schwieg für einen Moment und sagte schließlich: »Ich müsste das Risiko eingehen, alle meine derzeitigen Energieverbraucher für die Dauer von mehreren Minuten abzuschalten. Es gäbe keinen Schmiegschirm mehr, keine Ortungssysteme, keine Redundanzkreisläufe für Notfälle. Wir wären dem Gegner, wenn er rasch genug reagiert, hilflos ausgeliefert. Die Umwandlung Dunkler Materie und die Flutung der Energiespeicher dauert seine Zeit.«

»Aber wir könnten den Eindruck von übermächtiger Überlegenheit erwecken?«, beharrte Cloud.

»Wenn man bei den Wesen dort drüben von einer Denkweise ausgeht, die jener der Foronen oder der Menschen entspricht – ja. Bei den Virgh zum Beispiel würde die Drohgeste nicht verfangen. Ich rate davon ab. Das Risiko ist groß …«

Cloud ließ das Schiff wiederum nicht ausreden. »Wie lange könnte der Bluff aufrechterhalten werden?«

»Zumindest so lange, wie wir benötigt haben, um das andere Schiff zu vermessen. Eine Stunde vielleicht.« Der Ton der weiblichen Stimme, die die KI der RUBIKON repräsentierte, klang um eine Nuance sachlicher. Cloud wurde einmal mehr bewusst, dass er es mit einer Künstlichen Intelligenz zu tun hatte, die mehr als ein bloßer Rechner war.

»Gut«, sagte er. »Wir machen also Folgendes: Aus dem Ortungsschatten ausbrechen, ein überraschender Schuss mit voller Energieleistung vor den Schutzschirm des Atommodells. Dann beten wir, dass der Gegner zu überrascht ist, um gleich zu antworten und uns wegzublasen. Nach erfolgter Flutung der Speicher volle Leistung auf den Schmiegschirm und die Anti-Ortungssysteme. Wir müssen so schnell wie möglich wieder unsichtbar werden, sodass wir nicht allzu viel über uns verraten.«

»Warum willst du nicht die Kontinuumwaffe anwenden, John Cloud? Wir müssten unsere Defensive nicht preisgeben, und die Wirkung wäre wesentlich imposanter.«

»Haben die Foronen die Kontinuumwaffe jemals leichtfertig eingesetzt? War es nicht so, dass der Rochenschwanz selbst in der letzten großen Auseinandersetzung mit den Virgh erst in der allerletzten Sekunde genutzt wurde?« Cloud dachte kurz nach. »Ist es nicht so, dass ich selbst bei dir eine leichte Unsicherheit spüre, wenn die Waffe ausgelöst wird? Als ob niemand genau wüsste, was mit dem Aufriss des Kontinuums eigentlich bewirkt wird?«

Die RUBIKON schwieg.

Cloud hatte den letzten Teil seiner Konversation bewusst über die Virtuallautsprecher des Schiffes übertragen lassen, sodass Jelto, Jarvis und Aylea seinen Beschluss ebenfalls mithören konnten. Höchstwahrscheinlich auch die beiden Foronen, Siroona und Sobek, der rätselhafte Boreguir und möglicherweise sogar sein Vater, Nathan Cloud.

Es kam keinerlei Reaktion. Fast apathisch nahm die bunt zusammengewürfelte Truppe seine Anweisungen zur Kenntnis. Lediglich im Gesicht des jungen Mädchens Aylea glaubte Cloud, Abscheu zu erkennen. Sie verstand ganz offensichtlich nicht, dass er so einfach über Scobees Tod hinwegging und sofort wieder zum Tagesgeschäft zurückfand.

Aylea konnte und würde es nicht verstehen.

Er benötigte nun mehr denn je eine Ablenkung. Ein Gegner – zumal es derjenige war, der Scobee auf dem Gewissen hatte –, kam ihm da gerade recht …

***

Sechs Stunden später:

Die RUBIKON liegt stabil. Zumindest äußerlich gibt es keine Anzeichen dafür, dass sie in wenigen Sekunden ihre volle Leistungskapazität entfalten wird.

Cloud, der einmal mehr im Sarkophag ruht, spürt die Ruhe vor dem Sturm fast schmerzhaft. Es ist wie die Fokussierung auf einen singulären Punkt. Alles, jede Funktion, ist diesem einen Ziel untergeordnet, dem Gegner im Atommodell seine Entschlossenheit zu demonstrieren.

Das kommende Manöver gleicht einer Aktion eines geübten Karatekas. Er muss Kime anwenden, die explosionsartige Ausführung einer Technik mit maximaler Kraft in kürzester Zeit. Gleichzeitig kommt es auf Sun Dome an, dem Abstoppen der Technik kurz vor dem Ziel.

Das Problem ist, den Widerspruch zwischen den beiden Gedanken zu überbrücken. Die Lösung ist, das Ziel geringfügig vor die jeweilige Körperstelle des Gegners zu verlagern. In diesem Falle also wenige Kilometer vor den äußersten Ring des Atommodells.

Trotz der ungeheuer leistungsfähigen KI der RUBIKON stellt diese Aufgabe höchste Anforderungen an Cloud. Er ist nun mal Mensch, und Emotionen lassen sich selbst im Verbund mit dem Schiff kaum unterdrücken.

Er zählt die Sekunden herunter, spannt seinen metallen gewordenen Leib an, konzentriert sich auf die Geschütze, die an der Vorderkante des Rochenkörpers in Position gefahren sind.

Sechs …

Letzte Energieverbraucher werden auf Null gefahren; selbst die künstliche Schwerkraft an Bord der RUBIKON wird aufgehoben.

Fünf …

Die Zielkalibrierung ist abgeschlossen. Alles in Cloud schreit danach, die Fokussierung einige hundert Meter näher an das gegnerische Schiff heranzulegen. Nur mühsam widersteht er.

Vier …

Es herrscht Totenstille in der RUBIKON. Selbst die KI des Schiffes hat sich in einen kurzzeitigen, begrenzten Schlaf begeben.

Drei …

Cloud hält die Luft an, spannt die Muskulatur und richtet alles, das ihn und die RUBIKON ausmacht, auf den singulären Punkt.

Zwei …

Die Waffensysteme sind geladen, überfrachtet, drohen zu zerbersten, drängen danach, ihre fürchterliche Ladung auf den Weg zu schicken.

Eins …

Schutzschirm aus. Passivortung aus. Die RUBIKON ist nur noch ein Klumpen, ein riesiger Brocken, wehrlos einem möglichen Gegenangriff ausgeliefert. Ein leises Kitzeln am Bauch verkündet, dass Cloud im nächsten Moment von den Ortungssystemen des Atommodells entdeckt wird. Doch das spielt nun keine Rolle mehr …

Null!

Ungeheure Energien fließen, verschwinden in einem rätselhaften Zwischen-Kontinuum und fallen nur geringfügig zeitversetzt im Zielgebiet zurück.

Cloud spürt und sieht Licht, so grell, so heiß, so schmerzend. Es explodiert, bringt Raum und Zeit ins Wanken. Die Milliarden Fühler seines Raumschiffes, Produkte unvorstellbar hoch gezüchteter Technik der Foronen, sind gelähmt, geben ihren Geist auf oder tun schlichtweg weh.

Energetisches Chaos leckt über den Zielpunkt.

Punktgenau getroffen. Eine gute Leistung, lobt ihn die KI der RUBIKON, die soeben wieder ihre Tätigkeit aufnimmt. Sie scheint schwach, und dennoch saugt sie unersättlich Dunkle Materie in riesigen Mengen an.

Noch ist Cloud schutz- und wehrlos. Der Zapfvorgang wird Ewigkeiten dauern, mindestens zwei Minuten. Nun muss er bluffen. Stärke zeigen, die er und das Schiff nicht haben.

Er projiziert Bilder, Tonfolgen und simple mathematische Gleichungen, die in ihrer unumstößlichen Logik im ganzen Universum Gültigkeit besitzen. Dann Signale, die einer ersten Kontaktaufnahme dienen und gleichzeitig selbstbewusste Stärke demonstrieren sollen.

Ich benehme mich fast wie ein Forone, durchschießt es Cloud. Ich drohe und lasse überheblich die Muskeln spielen.

Er findet keine Zeit, sich länger mit diesem unangenehmen Gedanken zu beschäftigen. Nach wie vor sendet er auf x-beliebigen Wellenlängen Botschaften und Logikketten, die, eine Bereitschaft des anderen vorausgesetzt, binnen kürzester Zeit ausreichend Material für eine eingeschränkte Unterhaltung bieten sollten.

Energienebel verflüchtigen sich. Clouds Außenfühler erwachen aus der Lähmung und liefern erste brauchbare Daten.

Das Atommodell ist unbeschädigt. Möglicherweise sind seine Ortungssysteme und ähnlich empfindliche Messgeräte von den energetischen Erschütterungen in Mitleidenschaft gezogen worden, doch die sechzehn Kugeln tun ihren Dienst und umwandern den Zentralkörper.

Der Gegner versucht, einen Schutzschirm aufzubauen und unsere Botschaften damit am Durchdringen zu hindern, sagt die KI.

Möglicherweise befürchtet er, dass wir ihm Virenpakete auf den Weg geschickt haben und schützt sich dagegen.

Sieh der Wahrheit endlich ins Auge, John Cloud! Sie verweigern jegliche Kontaktaufnahme.

Er ignoriert die Einflüsterungen der KI und verstärkt das Bombardement mit Daten- und Informationspaketen. Höfliche, aber bestimmte Botschaften, in wenigen Augenblicken formuliert.

Noch sind bei der anderen Seite nur die Bemühungen anzumessen, sich zu schützen. Offenbar sind beim Atommodell sprichwörtlich ein paar Sicherungen rausgeflogen, und die Redundanzsysteme greifen nur allmählich beziehungsweise unkoordiniert.

Zapfung zu dreißig Prozent abgeschlossen. Primärfunktionen können wieder aufgenommen werden. Errichtung des Schmiegschirms möglich …

Nein!, denkt Cloud. Instinktiv wechselt er erneut die Strategie. Wir bleiben ungedeckt. Wir zeigen, dass wir uns stark genug fühlen. Und dass wir uns nicht fürchten.

Im Notfall können wir nicht rasch genug reagieren, John Cloud!, protestiert die KI. Selbst im besten Fall liefern wir ihren Aktivortern ausreichend Informationen über unser tatsächliches Leistungsvermögen. Das ist bar jeglicher Vernunft!

Gehorche!, befiehlt Cloud lapidar. Ich bin nun mal kein streng rational denkender Forone, sondern ein Mensch. Du wirst dich daran gewöhnen müssen.

Neunzig Sekunden sind vergangen. Das Energiepotenzial der RUBIKON erreicht allmählich wieder seine Maximalmarke. Auch die Werte des Atommodells nähern sich nach und nach wieder der Standardleistung an, die es vor dem Warnschuss gezeigt hat.

Es ist schlichtweg Wahnsinn, noch länger zu warten. Er muss unbedingt den Schmiegschirm aufbauen. Ein einziger Schuss gegen die ungeschützte Hülle der RUBIKON geführt, würde zu einer Katastrophe führen. Auch wenn er im Schiffskörper unheimlich anmutende Reaktionen zeigen kann – gegen mit Überlichtgeschwindigkeit abgefeuerte Geschosse sind auch seine hypersensiblen Sinne chancenlos.

Noch einen Moment, eine letzte Sekunde … Sie müssen unsere Stärke anerkennen. Sie müssen endlich akzeptieren, dass es nur ein Warnschuss war und wir sie nicht vernichten wollten. Warum, zur Hölle, sind die bloß so begriffsstutzig? Am liebsten würde ich ihnen … würde ich ihnen … Sie haben Scobee gefangen, sie getötet!

Seine Gedanken verwirren sich immer mehr. Instinktiv schlüpft er ein wenig aus dem Schiff, gewinnt notwendig gewordene Distanz. Übergangslos übernimmt die KI die von ihm aufgegebenen Positionen.

Cloud gibt auf.

Alles deutet auf eine kriegerische Auseinandersetzung hin. Denn eines steht fest: Solange er nicht erfahren hat, was mit Scobee passiert ist, wird er nicht von hier weichen. Wenn es nicht auf friedlichem Weg geht, nun, dann muss er die Möglichkeiten der RUBIKON anderweitig ausschöpfen.

Schmiegschirm aufbauen, befiehlt er. Torrel einsatzbereit machen.

Ein Waffensystem, so mächtig, dass es Cloud das Fürchten lehrt. Psi-Strahlung, die ungeahnte mentale Schäden anrichtet und bereits in geringer Streudosierung bei den Betroffenen schwere Depressionen auslöst. Mit Abscheu denkt er an Berichte über Versuche der USA, die in eine ähnliche Richtung abzielten. Damals, zu Beginn und Mitte des 21. Jahrhunderts …

Einsatzbereit, meldet die KI.

Ohne lange darüber nachzudenken, löst Cloud die Waffe aus.

Er kann sich vorstellen, was sich nun an Bord des gegnerischen Schiffes abspielt. Dennoch will sich kein Mitleid einstellen.

Scobee ist tot, denkt er bloß.

Die Gegenseite meldet sich, sagt die KI plötzlich.

Leise Hoffnung – und gleichzeitig Beunruhigung – erfüllt ihn. Ist seine riskante Taktik doch noch von Erfolg gekrönt? Und warum ist die Schiffsbesatzung so stark, dass sie der dosierten Bestrahlung mit Torrel widerstehen kann?

Er schlüpft geistig erneut tiefer in die RUBIKON, sodass er wieder direkt mit allen Sinnen des Schiffes sehen und fühlen kann.

Ein längerer Datensatz erreicht ihn, wird isoliert, gefiltert, mit einem beigefügten Algorithmus in eine Bildbotschaft umgewandelt und für seine ausgeweiteten Sinne aufbereitet.

Die Qualität ist ausgezeichnet. Die kurze Bildübertragung zeigt einen grell beleuchteten, eintönig gestalteten Raum.

Ein Wesen schiebt sich ins Bild. Ein Wesen mit schmerzverzerrter Mimik, ihm nur allzu gut bekannt, beide Hände gegen die Schläfen gepresst.

»Schalt um Himmels willen Torrel ab, John! Es ist alles in Ordnung«, wimmert Scobee leise. »Artas will mit dir sprechen.«

Scobee!

***

Nachdem sich ihr Kreislauf endlich beruhigt hatte, löste Scobee den Halteriemen. Eine Untersuchung der so kahlen und nüchternen Kabine brachte keine neuen Erkenntnisse.

Alles, was sie seit dem Erwachen aus der Bewusstlosigkeit erlebte hatte, entbehrte jeglicher Logik.

Zumindest jeglicher menschlichen Logik.

Das ist das Verrückte daran, überlegte sie. Dieses Wesen wirkt derart menschenähnlich, dass der Verstand befiehlt, seine Handlungsweise an herkömmlichen Maßstäben zu messen. Aber, verflixt noch mal, ich sitze irgendwo in der Großen Magellanschen Wolke fest! Hunderttausende Lichtjahre von der Erde entfernt!

Ein tiefes Brummen durchbrach ihre Gedanken. Das Licht wurde um eine Nuance dunkler, und das Schott, der einzige Zugang zu ihrer Kabine, öffnete sich.

Vorsichtig und dennoch neugierig näherte sich Scobee dem Ausgang. Ein leerer Gang erstreckte sich nach links und rechts, ähnlich nüchtern gestaltet wie der Raum, in dem sie erwacht war. Es herrschte gähnende Leere, niemand erwartete sie.

Ich befinde mich wahrscheinlich in einem Raumschiff, dachte sie. Leichte Vibrationen unter ihren Füßen, die möglicherweise von großen Maschinenaggregaten stammten, waren hier spürbar. Eine deutliche Krümmung des Ganges ließ eine Kugelform des Schiffes vermuten.

Lichtkegel an den Seitenwänden leuchteten hintereinander auf. Es waren wohl Signale, eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Zögernd folgte die GenTec dem vorgegebenen Weg.

Nach zwanzig Schritten kreuzte sie einen Quergang, der Richtung Inneres des mutmaßlichen Schiffs führte. Neugierig lugte Scobee um die Ecke – fuhr jedoch sofort wieder zurück.

Ein schwarzer Öltropfen!

Um einiges größer als derjenige, der ihr Gesicht umfangen hatte. Er schwebte mitten im Kreuzgang, ruhig, scheinbar abwartend.

Die wegweisenden Lichter erloschen. Stattdessen huschte der Tropfen davon.

Furcht, der sie nur zu gerne nachgab, hinderte sie daran, dem widerlichen Ding zu folgen.

Der Tropfen schwebte ein paar Schritte voran. Als sie sich nicht bewegte, kam er zurück und glitt unangenehm nahe an ihr Gesicht.

Scobee wich zurück, bis sie die Wand des Ganges in ihrem Rücken spürte.

»Folgen!«, krächzte der Tropfen.

Er sprach!

Aber wie … woher …

»Rasch!« Scheinbar ungeduldig wippte er auf und ab, immer hektischer werdend.

»Ich komme«, sagte Scobee heiser.

Der Tropfen verstand. Er glitt wieder voraus, und nach kurzem Zögern lief die GenTec-Frau hinterher.

Das Schiff war von unzähligen Kreis- und Quergängen durchzogen, die ein verwirrendes Labyrinth bildeten. Ihre Ängste ließen sich ungeachtet ihrer gentechnischen Veränderungen kaum im Zaum halten. Dennoch bemühte sie sich, den Weg im Gedächtnis zu bewahren.

Es fiel ihr schwer und schwerer. Es gab keinerlei Anhaltspunkte. Alles sah gleich aus. Nirgendwohin zweigten Türen oder Schotts ab. Es kam Scobee fast so vor, als wäre ihre Kabine die einzige im ganzen Schiff gewesen.

Manchmal war ein hohles Rauschen zu hören. Als befände sie sich in einem kompliziert vernetzten System aus Gängen, durch die immer wieder der Wind pfiff. Ab und zu zwang sie der Dunkeltropfen, wie ihn Scobee mittlerweile getauft hatte, stehen zu bleiben. Er schoss dann quer über den Gang, so rasch, dass seine Umrisse fast verschwanden, und erzeugte dabei ein weiteres ungewohntes Geräusch.

»Kommen wir endlich ans Ziel?«, fragte sie schließlich ihren schwebenden Wegweiser.

»Gleich«, antwortete der Dunkeltropfen völlig überraschend.

Und tatsächlich – nachdem sie zwei weitere Quergänge passiert hatten, öffnete sich vor Scobees Augen ein Raum. Er besaß die Form einer Kugel von ungefähr zwanzig Meter Durchmesser. Vor ihr ging es steil in die Bodensenke – eigentlich Bodenrundung – hinab. Und dort wartete das Wesen, das sie hierher entführt hatte. Grinsend wie immer.

***

»Sprechen!«, forderte sie der Dunkeltropfen auf. »Vieles Sprechen!«

Scobee verstand. Der Translator – um nichts anderes konnte es sich bei dem merkwürdigen Gerät handeln –, benötigte Vokabular.

Ohne den grinsenden Außerirdischen auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, redete sie frei drauf los. Dabei versuchte sie, mit Gesten zu veranschaulichen, was sie meinte.

Der Dunkeltropfen schwieg die meiste Zeit und fragte nur selten nach, wenn Scobee zu undeutlich sprach.

Schließlich hatte die GenTec genug. Sie deutete auf sich und sagte: »Scobee«. Das Fremdwesen saß mittlerweile in einer schüsselförmigen Vertiefung. Das Grinsen, das es nach wie vor zeigte, war ihm keine Sekunde aus dem Gesicht gewichen.

Er lacht gar nicht. Es sind diese kleine Gesichtsfalten, die den Mundwinkel ständig ein wenig nach oben ziehen und für eine Täuschung sorgen, dachte Scobee. Die Physiognomie unserer beider Rassen unterscheidet sich also doch ein wenig. Wahrscheinlich ist er die meiste Zeit todernst und vielleicht genauso nervös wie ich.

Langsam und zögernd wiederholte sie ihren Namen und deutete schließlich auf den Fremden.

Er verschränkte in einer menschlich scheinenden Geste die Finger ineinander und sagte mit leiser, gutturaler Betonung: »Artas«. Dabei zog er die dünnen Lippen weit nach oben, und diesmal war sich Scobee sicher, dass er grinste.

Ich Jane – du Tarzan!, dachte sie erleichtert. Ein erster Schritt war getan.

***

Die Zeit verging wie im Fluge.

Doch einige Wörter, die Artas ihr mitzuteilen versuchte, entzogen sich ihrem Auffassungsvermögen. »Kartenspiele, die zum Nacktschneckentod durch Nichtatmen führen«, wie der Dunkeltropfen in einem Beispiel für ein zweisilbiges Wort übersetzte, blieb schlichtweg rätselhaft.

Endlich gab der Satoga – so nannte sich die Rasse des Fremdwesens – das Zeichen für eine Erholungspause. »Periode des Nichtstuns«, übersetzte der Dunkeltropfen sperrig.

Erst jetzt, nach mehreren Stunden höchster Konzentration, registrierte Scobee die ungewohnte Geräuschkulisse, die sie umgab.

Jenes Pfeifen, Singen und Rauschen, das ihr bereits auf dem Marsch durch die Gänge hierher aufgefallen war, drang von Zeit zu Zeit an ihr Ohr. Es kam und entfernte sich wieder, schuf eine Art atonale Musik.

Wesentlich beunruhigender für ihr nach wie vor angespanntes Gemüt waren dutzende Dunkeltropfen, die den Kugelraum durchschwebten und leise vor sich hin flüsterten. Sie kommunizierten auf unheimliche Art und Weise mit- und untereinander. Manchmal berührten sie sich. Ein glockenhelles Geräusch entstand dann, das erst verklang, wenn sie sich wieder trennten.

Technik und Funktionalität hier an Bord des Schiffes – übersetzt trug es den Namen PERSPEKTIVE – waren doch gänzlich anders als auf der RUBIKON. Scobee sah nirgendwo Eingabe-Terminals oder sprachgesteuerte Befehlsfelder, an die sie sich auf dem Foronen-Schiff mittlerweile gewöhnt hatte. Nüchternheit durchdrang den Raum, alles war kahl und seltsam nichts sagend. Der bunteste Farbtupfer in der Zentrale war fraglos die feuerrot leuchtende Stachelhaarpracht des Satoga.

Sie musterte Artas unverhohlen. Hier in seiner Zentrale trug er die weit über die Schulter hinausragende Rüstung nicht, die ihr auf dem verglasten Planeten Galvaur aufgefallen war. Lediglich ein aus Metallteilen gesponnenes Hemd bedeckte seinen fleischigen, grünen Oberkörper. Tiefe, nur schlecht verheilte Wunden, deren gleichmäßige Anordnung auf rituellen Ursprung hindeuteten, vernarbten die stark behaarten Arme. Die kräftigen Beine waren von einer eng anliegenden, silbern glänzenden Folie umwickelt. Der Satoga wirkte wie ein Wesen, das innerhalb von wenigen Momenten von null auf hundert beschleunigen konnte – und dann einen fürchterlichen Gegner darstellte.

Dabei finde ich ihn durchaus sympathisch, dachte Scobee. Auch wenn dieses Lächeln gar kein Lächeln ist – es erzeugt Vertrauen.

Artas erwiderte flüchtig ihren Blick und lümmelte sich schließlich leger in sein ockerfarbenes Möbel.

Eine Aura umgab ihn. Nein, es war nicht nur die Persönlichkeit, sondern auch etwas anderes, das tatsächlich spürbar war. Täuschte der Blick, oder verschob sich die optische Wahrnehmung tatsächlich rund um seinen Körper? Als ob heiße Luft um ihn waberte …

Artas deutete unvermittelt auf zwei der Dunkeltropfen. Einer schwebte zu ihr, der andere blieb beim Satoga.

Wieder erklang die tiefe, nur aus rudimentären Klanglauten bestehende Stimme. Es kribbelte nahezu unangenehm in ihren Ohren, wenn er sprach.

Der Dunkeltropfen übersetzte: »Artas macht Fehler. Keine Absicht Scobee auf Glasplaneten zu entführen. Angst vor Wesen mit Waffen, die verglasen Planeten. Glauben, dass Bösewicht ist Scobee. Mitnehmen mit Winzigschiff hierher. Verzeihung? Analyse mit Schwarzhaut zeigen, dass brav Scobee.«

Fast hätte sie lauthals drauf losgelacht. An der Grammatik und gewählten Wortfolge des Translator-Tropfens musste noch emsig gearbeitet werden. Doch das würde sich sicherlich mit der Zeit geben.

Sie assoziierte »Schwarzhaut« sofort mit jenem Tropfen, der zerfasert war und sich um ihr Gesicht gelegt hatte. Selbst jetzt noch, als sie sich an das Gefühl des Erstickens erinnerte, rann es ihr kalt über den Rücken. Was hatte dieses Schwarzhaut genannte Ding mit ihr angestellt, dass Artas inzwischen davon überzeugt war, dass sie »brav« war?

»Natürlich verzeihe ich«, erwiderte Scobee vorsichtig. »Aber sag mir bitte, wo wir jetzt sind! Und, vor allem, wo meine Begleiter sind? Bist du ihnen begegnet?«

Die Übersetzungspause dauerte nur kurz.

»Begegnet sind wir Begleitern. Wir Ausweichungen gemacht und geflogen davon. Hierher, zu PERSPEKTIVE.«

Auf einen Wink seiner Hand hin öffnete sich eine halbkugelförmige Öffnung vor dem Möbel des Satoga. Es zeigte unvermittelt die Schwärze des Weltalls und einer nahen Sonne. So lebensecht, so hautnah, dass Scobee schwören konnte, den Hauch der absoluten Kälte und gleichzeitig die Hitze des Sterns auf ihrer Haut zu spüren. Dies war keine Projektion, dies war … Wirklichkeit! Geblendet kniff sie die Augen zusammen.

Wieder flimmerte davor die Luft, als ob sie beide lediglich eine dünne, energetische Schutzwand davor bewahrte, hinausgezogen zu werden.

Doch wie war das möglich? Ihrem Gefühl nach befand sich die Zentralekugel tief im Inneren des Schiffes …

Mühsam konzentrierte sie sich auf das Bild, das sie sah.

Eine Sonne, blau und kalt scheinend. Sie beleuchtete einen hellgrünen Planeten, von dem sie ein gutes Viertel im Licht des Sterns erkennen konnte. Vielfältige Reflektionen erzeugten Blendeffekte, sodass Scobee ihre Augen mit den Händen schützen musste.

»Auch hier sehen Verglasung«, sagte Artas. »Alles Glas. Viele Planeten voll Glas. Wir haben bereits gesichtet einundvierzig Glasplaneten. Alles tot.«

Das Ausmaß des Schadens, den die Virgh in der Großen Magellanschen Wolke angerichtet hatten, gewann durch die Worte eine neue Dimension. Scobee hatte es nach den Erzählungen Sobeks, des Foronen, vermuten müssen, dass deren geheimnisvolle, uralte Gegner eine Schneise des Schreckens und des Todes quer durch die kleine Galaxis geschlagen hatten – doch jetzt, als sie erstmals verbindliche Zahlen hörte, wurde ihr doch ein wenig schwummrig.

»Einundvierzig Planeten«, murmelte sie tonlos, sodass es der Dunkeltropfen kaum verstehen konnte, »einundvierzig Welten, die ihres Lebens beraubt worden sind.« Abrupt kehrte sie mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. »Woher kommen die Satoga?«, fragte sie. »Und wo sind die anderen deiner Rasse?«

Entweder dauerte die Übersetzung diesmal länger, oder Artas dachte über eine passende Antwort nach.

Schließlich erklärte er: »Wir kommen aus kleiner Galaxis. Erster Sprung über großen Leerraum mit PERSPEKTIVE, wir sind stolz. Andere Satoga ruhen und arbeiten, bloß sind hundert.«

Kleine Galaxis … er musste damit die Kleine Magellansche Wolke meinen!

Artas und seine Landsleute stellten, wenn sie alles richtig gedeutet hatte, die Speerspitze eines expandierenden Sternenreiches dar, das sich in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Herrschaftsgebietes erstmals umsah. Oder, um es weniger kriegerisch zu sehen: Sie befand sich an Bord eines Forschungsraumers.

Hoffentlich.

»Können wir das Missverständnis mit meinen Leuten aus dem Weg räumen?«, fragte sie vorsichtig. »Ist es möglich, dass ihr mich zurückbringt nach Galvaur? Zum Glasplaneten, auf dem du mich … gefunden hast?«

»Schwierig, da Landsfrauen von Scobee nicht erheitert sein werden«, sagte Artas.

Sie hätte schwören können, dass er unruhig auf seinem Sitz hin und her rutschte. Selbst das Dauergrinsen des Satoga wirkte nun ein wenig schief. Offensichtlich war die Flucht vor der RUBIKON von unschönen Szenen begleitet gewesen.

»Ich bitte dich darum«, drängte Scobee. »Ich bin mir sicher, dass wir das Missverständnis aufklären können. Sagtest du nicht, die Schwarzhaut zeige, dass du mir vertrauen könntest?«

Der Satoga schwieg lange Zeit. Geistesabwesend und mit einer bloßen Handbewegung schloss er die Sichtblende weg, die den verglasten Planeten zeigte. Erleichtert nahm Scobee die schützenden Hände von der Stirn und atmete tief durch.

»Scobee ist gut zu vertrauen. Satoga wollen Frieden und erforschen. Wir werden versuchen zurückzureisen. Du redest mit deiner Chefin, dass wir nicht Feinde sind?«

In diesem Moment explodierte die Welt um sie!

***

Schwere Erschütterungen ließen die PERSPEKTIVE für lange Sekunden erbeben. Haltlos wurde Scobee hin und her geworfen, landete schwer auf dem Rücken, rutschte in den tiefsten Punkt der inversen Kugel, um im nächsten Moment wie ein Pfannkuchen erneut hochgeschleudert zu werden.

Es gab nichts, an dem sie sich festhalten konnte, absolut nichts! Scobee musste sich darauf beschränken, mit akrobatischen Körperdrehungen möglichst auf allen vieren zu landen und so schwere Verletzungen zu vermeiden. Endlose Trainingsstunden auf der Erde, die das rein reaktive Umschalten in ungewöhnlichen und gefährlichen Situation als Ziel gehabt hatten, machten sich nun bemerkbar. Die GenTec flog umher – und landete dennoch ein ums andere Mal wie eine Katze.

Endlich ließen die Erschütterungen nach.

Cloud, dachte sie sofort, er muss uns gefolgt sein!

Hastig rappelte sie sich hoch und eilte zu Artas. Der saß nach wie vor in seinem Lehnstuhl. Die Erschütterungen schienen ihn keinesfalls beeindruckt zu haben – und wenn sie sich nicht täuschte, hatte er sich keinen Millimeter von der Stelle gerührt.

Seltsam. Es gab keinerlei Anzeichen für mechanische oder energetisch geformte Haltegurte. Wie hatte sich der Satoga festhalten können?

Einerlei.

»Artas«, sagte sie hastig, »ich befürchte, dass uns meine Freunde gefolgt sind. Kannst du das Schiff identifizieren, dass uns beschossen hat?«

Kommentarlos und mit kleinen Fingerbewegungen sorgte der Satoga dafür, dass sich im Zentrum der Kugel eine Holoprojektion aufbaute. Ein Objekt wurde näher herangezoomt.

Die Konturen eines riesenhaften Rochens füllten das Hologramm. Es war tatsächlich die RUBIKON!

»Fürchterliche Energieentladung«, sagte Artas via des neben ihr schwebenden Dunkeltropfens. »Gefahr für PERSPEKTIVE.«

»Kein Wunder«, murmelte Scobee, »schließlich ist es das Schiff der …«

Sie brach ab. Es war vielleicht nicht besonders zielführend, zu diesem Zeitpunkt verwirrende Geschichten zu erzählen, warum und wer die RUBIKON zum jetzigen Zeitpunkt steuerte. Eindringlich fuhr sie fort: »Das war vorerst nur ein Warnschuss! Bitte, beschaffe mir eine Funk- oder Bildverbindung zu meine Freunden!«

»Dies ist nicht Leichtes«, entgegnete der Satoga. »Abstimmung schwer. Unnettes Verhalten deiner Freunde«, fügte er hinzu.

Es klang kein Vorwurf in den Worten.

Wie auch?

Bedeutungen, die in der Tonlage des Sprechers lagen, blieben trotz hochwertiger Translator-Technik noch unübersetzbar.

»Wir werden das alles so rasch wie möglich klären, Artas.« Scobee stieg nervös von einem Fuß auf den anderen. Es kam auf jede Sekunde an, wollte sie eine weitere Eskalation der Auseinandersetzung verhindern. »Nur starte bitte keinen Gegenangriff – und mach auch keinen Fluchtversuch. In den Augen meiner Freunde hast du mich entführt. Sie wollen mich sicherlich befreien.«

Wollte John das wirklich?

Sie kannte den Kommandant nur zu gut. Unter keinen Umständen hätte er ein Bombardement begonnen – wenn nicht ein triftiger Grund vorgelegen hätte. Was war passiert, dass Cloud gleich derart heftig um sich schlug?

Nervös massierte sie sich den rechten Arm, der geprellt schien. Wenn bloß die Kopfschmerzen nicht wären …

Das Grinsen in Artas’ Gesicht vertiefte sich. Und endlich, endlich sagte er: »Du bekommst Verbindung. Warten ein wenig, bitte!«

Ja, verstand er denn nicht, dass es auf jede Sekunde ankam? Warum lehnte er sich provokant zurück und deutete mit den Fingern ein wenig umher? Als ob er ein unsichtbares Orchester dirigieren wollte …

Wie funktionierte die Technik bloß in diesem Schiff? Wo waren die Bedienungselemente?

Plötzlich: Schmerz!

Ein Stich in ihrem Kopf. Ein feuriges Messer, das ihr Bewusstsein auseinander schnitt.

Übelkeit. So schlimm, dass sie sich zu Boden warf und heftig würgte.

Düstere, alles zerfressende Gedanken. Tief aus dem Unterbewusstsein nach oben schwappend, alles andere beiseite schiebend.

Blindheit erfasste sie. All ihre Gedanken wurden von der Außenwelt abgeschottet, als ob eine unsichtbare Hülle existierte, die Scobee auf ihr ureigenes Ich, auf ihre Seele reduzierte. Und dieses Ich war verachtenswert, hässlich und böse.

»Ich bin schlecht«, murmelte sie, »ich möchte sterben.«

Sie kippte zur Seite. Kraftlos, als ob ihre Arme aus Gelee bestünden.

Eine neue Form von Schmerz erfasste sie, drängte diese belastende Schwärze, die sie in einen Strudel zu ziehen drohte, für einen kurzen Moment beiseite.

Sie war auf den rechten Arm gefallen! Die Prellung!

Orientierungslos blickte sie sich um.

Was war bloß los, was geschah hier?

Dies musste die Wirkung von Torrel sein! Jener Psychowaffe der Foronen, die alle Wesen in ihrem Bereich in den Selbstmord trieb.

Scobee stemmte sich mühselig hoch, schlug sich mehrmals kräftig mit der Faust gegen die Prellung, ohne eine bewusste Steuerung ihres Schmerzvermögens vorzunehmen.

Tränen traten in ihre Augen – und dennoch war dieser körperliche Schmerz noch immer besser als all das Leid, das sie vor wenigen Momenten in den tiefsten Abgründen ihres Ichs erblickt hatte.

Artas saß in seinem Sessel, die gelben Augen weit aufgerissen. Die Mundwinkel hingen schlaff nach unten. Ein Speichelfaden triefte langsam, wie in Zeitlupe, auf die breite Brust.

Scobee schlug zu, mit aller verbliebenen Kraft. Links und rechts jeweils eine Ohrfeige, sodass sich seine Haut in Form ihrer Fingerabdrücke sofort blau färbte.

Dunkeltropfen wirbelten um sie, prallten gegen Wände und Boden. Warum hatte ihre Steuerung ausgesetzt? Wurden sie etwa durch Artas’ Willen gelenkt?

»Artas, komm zu dir!« Sie brüllte ihm ins Ohr, schlug nochmals zu.

Der Satoga schnappte plötzlich nach Luft, als wäre er in letzter Sekunde aus todbringendem Wasser an die Oberfläche getaucht. Er sprang auf, stieß sie kräftig von sich, um im nächsten Moment seinen Fehler zu erkennen.

Schlagartig legte sich das Chaos. Die Schlingerbewegungen der Dunkeltropfen hörten auf.

»Eine Sprechverbindung zum anderen Schiff!«, schrie sie. Ihre Arme verkrampften erneut, Schweiß stand von einem Moment zum nächsten auf ihrer Stirn. Sie war knapp vor einem neuerlichen Anfall – und diesmal würde es wohl keine Rückkehr mehr geben …

Ein kurzer Deut des Satoga, und ein schwarz flimmerndes Feld entstand vor ihnen. Datenstrings wurden gesendet und ausgetauscht, seltsame Schriftzeichen verloren und zerfransten sich in der Bildübertragung.

Fürchterlich müde taumelte sie knapp vor das Zentrum des Flimmerfeldes und hoffte, dass tatsächlich eine Bildübertragung stattfand. Sie erkannte John Cloud einigermaßen störungsfrei – aber hörte und sah er sie auch?

»Sprechen!«, forderte Artas sie auf, und ließ sich erschöpft in seinen Steuerstuhl fallen.

Scobee achtete nicht weiter auf ihn. Sie konzentrierte all ihre Kraft darauf, tonnenschwere Gewichte zu heben, die sich auf Lippen und Zungen gelegt hatten.

»Schalt um Himmels willen Torrel ab, John! Es ist alles in Ordnung«, flüsterte sie. »Artas will mit dir sprechen.«

Dann brach sie zusammen.

3.

Cloud löste sich umgehend aus der RUBIKON.

Das Abbild Scobees erschien überlebensgroß auf dem Panoramaschirm. Ihre tätowierten Augenbrauen zitterten unkontrolliert, und ihre Wangen waren leichenblass.

Doch sie lebte!

Aber … aber wieso? Er hatte doch mit den Sinnen des Schiffes deutlich gespürt, dass ihre Lebensenergie vergangen war, abrupt, wie mit einer Schere abgeschnitten.

Sie verdrehte die Augen und kippte nach unten hin weg, aus dem Aufnahmebereich der Bildfläche.

»Torrel aus!«, befahl Cloud hastig und löste sich aus dem Sarkophag, der einmal dem Foronen namens Mont gehört hatte.

Übergangslos erloschen einige Funktionslichter. Die heimtückischste Waffe, die er jemals kennen gelernt hatte, verstummte.

War dies ein Trick? Eine Holoaufnahme, vom Gegner gefertigt, um Zeit zu gewinnen?

Das Aufnahmefeld verschob sich räumlich nach links und zeigte ein menschenähnliches Wesen, das sichtlich erschöpft in einem breiten Sessel saß und wie ein Fisch nach Luft schnappte.

Cloud nahm sich keine Zeit, Physiognomie und Statur des Gegenübers zu studieren.

»Was hast du mit Scobee gemacht?«, brüllte er.

Zorn und gleichzeitig grenzenlose Erleichterung erfüllten ihn. Und Verwirrung. Wo hatte er falsch gedacht, wo falsch gehandelt? War alles nur ein einziges Missverständnis gewesen?

»Verzeihen musst du«, radebrechte der Fremde. »Scobee schwach, aber Gesundheit gut.« Er selbst wurde von heftigen Krämpfen gepackt und krümmte sich auf seinem Sessel zusammen.

»Ich will Scobee sofort an Bord meines Schiffes sehen«, sagte Cloud mühsam beherrscht. »Und du würdest gut daran tun, sie zu begleiten. Ich bin mir sicher, wir haben Einiges zu bereden.«

»Das werde ich tun«, entgegnete das Wesen, dessen Namen wohl Artas war. Seine imposante Gestalt wirkte unter den Nachwirkungen Torrels teigig und schlaff. Er stemmte sich hoch. Seine Glieder zitterten. »Ich komme zu dir, wenn du willst, und nehme Scobee mit. Aber zuerst …« Ein hässliches, würgendes Geräusch erklang, und der Mann krümmte sich unter grässlichen Schmerzen.

Artas’ Metabolismus unterschied sich scheinbar nicht allzu sehr von dem eines Menschen.

Torrel war eine bestialische Waffe.

***

Drei Stunden später:

Alle waren sie in der Zentrale der RUBIKON versammelt – selbst die Foronen Sobek und Siroona.

John Cloud hatte sich in Geduld üben und die Form wahren wollen. Doch als Scobee, gestützt von Jarvis, hereingetaumelt kam, war es vorbei mit jeglicher Beherrschung.

Cloud eilte auf sie zu und barg sie in seinen Armen.

»Was hat er mit dir bloß angestellt«, murmelte er. »Ich habe deinen Tod gespürt. Ich verstehe das alles nicht. Du lebst und …«

»Ist schon gut, John«, antwortete Scobee leise. Sie drückte ihn sanft, aber energisch von sich. Ihre grünen Augen leuchteten dabei hell auf.

»Hm … gut«, sagte er. »Jetzt erzähl!«

»Ich denke, das sollte besser mein Begleiter machen. Darf ich vorstellen: Artas. Seine Rasse, die Satoga, stammen aus der Kleinen Magellanschen Wolke. Sie befinden sich auf ihrem ersten Erkundungsflug außerhalb ihrer Galaxis.«

Der Genannte trat vor, seine und Clouds Blicke trafen sich. Abgesehen von dem Lächeln, das beständig um seine Mundwinkel spielte, wirkte er sehr menschlich. Die Farbnuancen seiner Haut waren nebensächlich. In breiten Kreisen der Gesellschaft im Jahre 2040 wäre er ohne Probleme durchgekommen. Unvermittelt erinnerte sich Cloud an spleenige Schönheitsoperationen, die gegen Mitte des 21. Jahrhunderts auch eine Veränderung der Hautfarbe zum Gegenstand gehabt hatten.

Ein kleiner, schwarzer Tropfen schwebte zwischen Artas und ihm.

»Ich nenne ihn Dunkeltropfen«, flüsterte Scobee. »Er wird als Translator fungieren.«

»RUBIKON«, sagte Cloud, »nimm Kontakt mit dem Dunkeltropfen auf und gleicht eure Sprachsysteme aufeinander ab.«

Artas nickte zögernd und deutete mit einer schrullig anmutenden Geste auf seinen Dunkeltropfen. Helle Schlieren umgaben ihn plötzlich, und die KI der RUBIKON berichtete lakonisch: »Kontakt! Sprachregister des Dunkeltropfens zugänglich. Datenaustausch beginnt.«

Cloud blickte Artas mittlerweile unsicher an, und er glaubte zu sehen, dass auch dem anderen nicht ganz geheuer zumute war. Beide hatten wohl noch nicht viel Erfahrung mit Erstkontakten. Auch wenn es Johns mittlerweile vielleicht zehnte Begegnung mit Mitgliedern anderer Völker war – diese ersten Aufeinandertreffen stellten jedes Mal eine Herausforderung dar, die als einzigartig im Gedächtnis hängen blieben.

Es vergingen nur wenige Augenblicke, bis die RUBIKON verkündete: »Datenübertragung abgeschlossen …«

***

Die Lösung aller Rätsel lag schlichtweg im dem Begriff »Magnetismus« verborgen.

Die Satoga hatten, wie Artas ausführte, eine unheimlich anmutende Affinität zu Gravitation und Magnetfeldern. Sowohl die Technik ihres Raumschiffes mit dem wundersamen Namen PERSPEKTIVE als auch die Bedienung nicht sichtbarer Elemente beruhten auf Beschleunigung, Druck und Zug mit Hilfe magnetischer Felder.

»Die sechzehn unterschiedlich geladenen Kugeln um euer Zentralschiff sorgen also tatsächlich für ein supermagnetisches Feld, das die Schiffseinheit als Ganzes um die eigene Achse beschleunigt, aus dem Normalraum reißt und an einem willkürlichen Ort im Universum wieder absetzt?«

»Im Prinzip ja«, sagte Artas vermittels des Dunkeltropfens. »Es gehört natürlich einiges Geschick dazu, die PERSPEKTIVE zu steuern.« Freimütig erzählte der Satoga über die Prinzipien seiner technischen Anwendungen, ohne allerdings auf Details einzugehen.

»Woher weißt du, wo das Schiff wieder in den Normalraum zurückkommen soll?«

»Wir Satoga haben ein angeborenes Gespür für Gravitationslinien und -merkmale. Wie wir bereits beim Kontakt mit anderen Völkern in unserer heimatlichen Sterneninsel bemerkten, stehen wir mit diesem Talent ziemlich einzigartig da.«

Das konnte sich Cloud lebhaft vorstellen. Immer wieder sah er Artas erstaunt zu, wenn dieser mit einem leichten Magnetfeld, das er vermittels Fingerbewegungen erzeugte, seinen Dunkeltropfen steuerte. Scobee hatte ihm erzählt, dass in der Zentrale der PERSPEKTIVE keinerlei Bedienungselemente zu sehen gewesen waren.

»Ihr spürt also, wo ihr hin wollt?«, stocherte er nach.

»So ist es. Dank ständiger Konzentration eines Teils unserer Besatzung und rituellen Übungsmeditationen fühlen wir eine Umgebung, die weit über einhundert Lichtjahre hinaus reicht. Unsere Kräfte lassen sich potenzieren, wenn wir zusammenarbeiten. Dies ermöglichte uns auch, durch den Leerraum in die Große Magellansche Wolke zu steuern.« Artas deutete auf die höckerartige Verformung seiner Stirn, als ob dort der Ursprung seines besonderen Sinnes verborgen lag. Und vielleicht war es auch so …

»Warum konntet ihr dann unser Schiff, die RUBIKON, nicht anmessen, als wir euch verfolgten?«, hakte Cloud misstrauisch nach. »Schon aufgrund der Masse des Körpers hättet ihr uns spüren müssen.«

»Die Tarnung durch euren Schutzschirm war ausreichend«, antwortete Artas gelassen. »Nun … Wenn ich mich genau auf das Gebiet, in dem ihr euch versteckt hieltet, konzentriert hätte, hätte ich die RUBIKON sicherlich gefunden.«

Das mochte ja alles logisch erscheinen, ohne dass sich Cloud näher auf Details einlassen wollte. Für das war später noch Zeit. Doch eine Frage, eine ganz besondere, lag ihm auf der Zunge.

»Wir konnten eure Raumjäger bis hierher verfolgen, und auch die Vitalanzeigen Scobees waren für mich stets vorhanden.« Cloud hatte Artas sein besonderes Verhältnis zur RUBIKON – und wie er mit Hilfe des Schiffskörpers erweiterte Sinnesorgane besaß – in wenigen Worten erklärt. »Doch als der Jäger auf der äußersten Kugelbahn der PERSPEKTIVE landete, spürte ich einen Schockimpuls, der mit Sicherheit von ihr stammte.« Er deutete auf die GenTec. »Es hörte und fühlte sich an wie ein Todesschrei. Und danach war Scobee für mich tot.«

Der Satoga saß lange Zeit da, mit einem eingefrorenen Grinsen auf seinen schmalen Lippen. Schließlich sagte er: »Es gibt dafür zwei mögliche Erklärungen: Erstens kennen wir die Sensibilität mancher Wesen gegenüber den starken magnetischen Strahlungen an Bord der PERSPEKTIVE. Deswegen habe ich der Frau kurz nach der Landung auf der sechzehnten Externbahn eine so genannte Schwarzhaut aufgesetzt.«

»Schwarzhaut?«, fragte Cloud nach. Ein Seitenblick auf Scobee zeigte ihm, dass sie unangenehme Erinnerungen mit diesem Begriff verband.

»Eine Art Imprägnierung, eine Schutzschicht, die es ihr erleichtert, die wirkenden Magnetfelder an Bord der PERSPEKTIVE ohne körperliche Schäden davonzutragen.«

Scobees todesähnliche Schreie und der Schmerz, den ich verspürt habe, konnten durchaus mit dieser Schwarzhaut in Zusammenhang stehen, dachte Cloud. Das erklärt aber noch nicht, warum plötzlich alle ihre Vitalimpulse, die ich die ganze Zeit gespürt hatte, weg waren. »Und die zweite Erklärung?«, hakte er nach.

»Um das labile Gleichgewicht der verschiedenen magnetischen Strahlungen nicht durch den An- und Abflug unserer Raumjäger zu stören«, führte der Satoga aus, »lassen wir die kleinen Schiffe auf der äußersten Externbahn landen. Sobald die Kugel auf ihrer Umlaufbahn die Beiboote und Raumjäger erfasst, werden sie oder auch nur die Besatzungen durch ein stark geladenes Magnetfeld ins Innere der PERSPEKTIVE versetzt. Die dort herrschenden Bedingungen sorgen wohl dafür, dass du die Vitalimpulse Scobees nicht mehr anmessen konntest.«

Cloud dachte zurück. Die Kugel der sechzehnten Bahn war in gleichmäßigem Tempo scheinbar über die Raumjäger geglitten, hatte sich kurz silbern verfärbt, und im selben Moment war Scobee für ihn gestorben – obwohl sie nur etwas Ähnliches wie eine Transmission durchgemacht hatte! Die starke Strahlung der Zentralkugel, in der sie gelandet war, hatte die Vitalimpulse der GenTec anschließend unterdrückt.

Artas’ Aussagen klangen glaubwürdig, und es gab keinen Grund mehr, ihm zu misstrauen. Er hatte offen und ehrlich geantwortet.

Cloud musste sich eingestehen, dass er auf den äußeren Eindruck des Satoga positiv reagierte. So merkwürdig die Fähigkeiten der Mitglieder dieses neuen Völkchens auch anmutete – Artas wirkte sympathisch.

»Also gut«, sagte er schließlich mit einem Lächeln. »Ich glaube, damit wäre wohl alles geklärt. Herzlich willkommen an Bord der RUBIKON!«

***

Es war dies eine ungewohnte Situation für John Cloud. Erstmals konnte er aus einer Position der Stärke heraus sprechen und verhandeln.

Und wer wusste schon, wie der Satoga reagiert hätte, wenn er nicht die Energiegeschütze abgefeuert und schlussendlich sogar Torrel eingesetzt hätte! Der Einsatz der Waffen schien ihm im Nachhinein also gerechtfertigt – auch wenn er Scobee einige Kopfschmerzen bereitet hatte.

In knappen Worten schilderte er Artas, wie sie in die Große Magellansche Wolke gelangt waren, ohne näher auf ihre Suche nach den geheimnisvollen Virgh einzugehen. Auch die undurchsichtige Rolle der Foronen, im speziellen Sobeks und Siroonas, ließ er unerwähnt.

»Und warum habt ihr eure Sternengalaxis verlassen?«, fragte er schließlich den Satoga.

Artas zupfte an seinen wenigen dicken Haaren herum.

Ein Zeichen von Nervosität?

»Wir leben im Randbereich unserer Galaxis in einem eher unscheinbaren Sternensektor«, erwiderte er schließlich. »Vor knapp hundert Jahren unserer Heimatwelt brachten wir unsere manipulativen Fähigkeiten von Magnetfeldern zu ausreichender Vollendung, um das Weltall zu erobern.« Sein Grinsen veränderte sich nicht, als er weitersprach. »Unsere ersten Kontakte mit anderen Völkern verliefen … hm … nicht unbedingt erfolgreich. Die Kleine Magellansche Wolke quillt einerseits über von Völkern und Rassen, die Neuankömmlingen wie uns keinen Platz für eine friedvolle Ausbreitung geben wollen. Winzige und auch große Sternenreiche bekämpfen einander aus den seltsamsten Gründen. Sie okkupieren, intrigieren, brandschatzen und zerstören. Sie schaffen neue Grenzen, die bereits nach wenigen Tagen wieder überschritten werden.«

Der Dunkeltropfen, der als Translator fungierte, konnte die Worte übersetzen. Aber die Emotionen, die Artas zweifelsohne beim Sprechen empfand, gingen verloren.

»Andererseits erregten wir bei unseren wenigen Kontakten dank unserer besonderen Gabe Aufmerksamkeit«, setzte der Satoga nach kurzer Pause fort. »Es kam zu Kaperungen unserer Schiffe und versuchten Entführungen ganzer Raumschiffsbesatzungen. Man wollte uns in Frondienste zwingen und für fremde Herrscher arbeiten lassen.«

»Und das ist euren Feinden bislang nicht gelungen?«, unterbrach ihn Scobee.