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Blake Gordon und das Blutschloss: Gruselkrimi E-Book

Horst Weymar Hübner

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Beschreibung

Wenn im Turm des Blutschlosses das Geisterlicht brennt und die Dohlen um die Zinnen und Türme fliegen, dann kommt Unheil über das Land. Denn dann geht der Grünhäutige um und holt sich seine Opfer. Auf dem Schloss kam er einst zur Welt als Sohn der Kastellansfrau und des Satans. Das Böse wurde ihm gleich in die Wiege gelegt. Als er den Kindern des Burgherrn die Kehle durchschnitt, nagelten ihn mutige Männer an das Schlosstor mit einem dicken Eisen und mitten durch seinen Kopf. Aber er überlebte die Zeiten...

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Blake Gordon und das Blutschloss: Gruselkrimi

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Inhaltsverzeichnis

Blake Gordon und das Blutschloss: Gruselkrimi

Copyright

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Blake Gordon und das Blutschloss: Gruselkrimi

von Horst Weymar Hübner

Wenn im Turm des Blutschlosses das Geisterlicht brennt und die Dohlen um die Zinnen und Türme fliegen, dann kommt Unheil über das Land. Denn dann geht der Grünhäutige um und holt sich seine Opfer.

Auf dem Schloss kam er einst zur Welt als Sohn der Kastellansfrau und des Satans. Das Böse wurde ihm gleich in die Wiege gelegt.

Als er den Kindern des Burgherrn die Kehle durchschnitt, nagelten ihn mutige Männer an das Schlosstor mit einem dicken Eisen und mitten durch seinen Kopf.

Aber er überlebte die Zeiten...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

1

Mit zunehmendem Unbehagen registrierte Jack Delano die feuchten Wolkenfetzen. Sie entstanden aus dem Nichts, ballten sich vor dem Nachthimmel zusammen und drückten herab.

Ihn fröstelte. Er schlug den Kragen seiner dünnen Jacke hoch und schritt schneller über das alte Kopfsteinpflaster dahin.

Jetzt musste er doch schon die spärlichen Lichter von Kilmarnock sehen können und die Dächer und Giebel der schiefen Häuser!

Er sah nichts.

Das Dorf war wie vom Erdboden verschwunden.

Blödsinn, sagte er sich, das Darf kann nicht verschwinden! Diese verdammten Wolken sind schuld! Die erdrücken und verschlucken alles!

Ein solches Mistwetter hatte es seit Jahren nicht gegeben. Nicht mitten im Sommer. Und schon gar nicht so plötzlich.

Am veränderten Klang seiner Schritte hörte er, dass sich auch noch Nebel breit machte. Jedes Geräusch klang gedämpft. Wie durch Watte hindurch.

Fadendünner Regen begann aus den Wolken zu nieseln.

Die Feuchtigkeit schlug sich auf Jacks Gesicht nieder. Unter seiner Nase bildete sich ein Tropfen.

Er überlegte, ob er nicht besser umkehren sollte. Bis er Samsons Gasthaus erreichte, war er bestimmt aufgeweicht bis auf die Knochen.

Das passierte aber auch, wenn er heimwärts ging.

Besser nass und bei Samson mit einem Bier in der Hand in der Kneipe, als nass und ohne Bier daheim und Brendas mürrisches Gesicht vor Augen, dachte er.

Außerdem war heute sein Tag. Es war Gewohnheit, dass er am Freitag zu Samson ging und ein paar Gläser Bier trank.

Bestimmt saßen sie alle schon in der Kneipe zusammen, die freitags immer hinkamen. Keiner brachte seine Frau oder die Freundin mit. Jeder konnte reden, wie er wollte, und jeder hörte zu.

Brenda daheim hörte ihm nie zu. Er musste ihr zuhören.

Sie nörgelte schon, kaum dass er sein klappriges Motorrad abstellte und ins Haus trat. Sie zankte mit ihm, während er aß immer das gleiche, sie ließ sich nie eine Abwechslung im Küchenzettel einfallen, wenn er nach einer Woche Abwesenheit von seiner Arbeitsstelle in Sheffield heimkam.

Und sie schimpfte hinter ihm her, wenn er dann zu Samson ging, um Freunde zu sehen.

Einen Herumtreiber nannte sie ihn, einen Saufkopf, der nie genug Geld heimbrachte und das auch noch in die Kneipe trug.

Er seufzte. Er konnte von Glück reden, dass er überhaupt eine Arbeitsstelle hatte. Auch wenn sie im fernen Sheffield lag und er mit dem Motorrad sechs Stunden für eine Fahrt unterwegs war. Darum hatte er sich auch einen billigen Schlafplatz in Sheffield besorgt.

Andere aus Kilmarnock waren schlimmer dran. Die hatten keine Arbeit und wussten nicht, wie sie das Salz in die Suppe bezahlen sollten.

Aber davon wollte Brenda nichts wissen. Solche Einwände wischte sie mit einer Handbewegung beiseite.

Sie wollte wegziehen aus Kilmarnock. Am liebsten in die Stadt. Da war das Leben nicht so eintönig und langweilig.

Da gab’s schöne Wohnungen und nicht bloß ein einsames altes Haus eine Meile vom Dorf entfernt, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten.

Unzufrieden war sie, jawohl. Kein gutes Wort gab sie ihm mehr. Vorhin, als er aus dem Haus gegangen war, hatte sie ihm sogar nachgerufen, der Teufel möge ihn doch holen!

Daheim war es wahrhaftig nicht mehr zum Aushalten. Da war er bei Samson entschieden besser aufgehoben.

Der Gedanke an die trockene Gaststube heimelte ihn an und wärmte ihn von innen. Er schritt schneller aus.

Durch die feuchte Nacht drang ein unheimlicher Laut.

Jack erschauerte. Es klang wie von einem Nachtvogel und kam vom Fluss drüben, aus dem offenbar der Nebel stieg.

Dann hörte er ganz deutlich näherkommende Schwingenschläge. Die Wolkenfetzen wirbelten, der Nebel brodelte, ein heimliches Knarren erfüllte die Nacht.

Jack gefror fast das Blut in den Adern, als ihn kalte Luftstöße trafen. Seine Augen weiteten sich, denn Wolken und Nebel rissen auf. Ein Loch entstand.

Plötzlich konnte er hinauf bis zum Rabenstein blicken. Der halbe Mond stand über dem schaurigen Gemäuer von Tinmore Castle. In einem Fenster brannte ein Licht.

Jack blieb wie gelähmt stehen.

Tinmore Castle war seit Jahrhunderten unbewohnt. Die letzten Herren da oben hatten sich mit Gift und Dolch gegenseitig umgebracht. Landauf, landab hieß Tinmore Castle das Blutschloss.

An dem Ort war es nicht geheuer. Es spukt, sagten die Leute.

Früher sollten immer wieder Menschen verschwunden sein. Jack kannte niemand, der je zum Blutschloss hinaufgestiegen war.

Mit den Mauern, Türmen und Zinnen musste es wahrhaftig eine unheimliche Bewandtnis haben. Sie zerfielen nicht.

Und jetzt brannte ein Licht da oben!

Ein Geisterlicht!

Er hatte die Männer in Samsons Gasthaus schon oft davon reden hören, dass es so etwas gab. Geglaubt hatte er es nicht. Und bis heute hatte er auch nie ein solches Licht gesehen.

Die Nebel wallten und brodelten, Wolkenfetzen trieben vor das unheimliche Bild. Aber sie verdeckten es nicht gänzlich.

Vor dem halben Mond bewegte sich etwas.

Jack quollen die Augen aus den Höhlen, als er ein riesiges geflügeltes Wesen erspähte.

Auf den ersten Blick sah es so aus, als würde es mit trägem Schwingenschlag um

die unvergänglichen Türme und Mauern von Tinmore Castle schweben.

Das war ein Trugschluss. Es war viel näher. Fast schon bei Jack, denn wieder spürte er kalte Luftstöße. Sie erfolgten synchron mit der Bewegung der Schwingen.

Die Furcht griff wie eine kalte Faust nach Jacks Herz.

Er verspürte den unbändigen Wunsch, wegzulaufen. Hinein nach Kilmarnock, zu Samsons gemütlicher Kneipe. Er konnte aber nicht die Füße bewegen. Sie verharrten wie festgewachsen.

Das grauenhafte Wesen schwebte auf ihn nieder. Am Kopf begannen zwei Augen zu glühen. Unter dem Körper reckten sich mächtige Krallen hervor.

Ein geflügeltes Monster!

Jacks Mund stieß krächzende Töne aus. Namenloses Entsetzen schüttelte den Mann.

Das geflügelte Monster schien sich an der Qual des Menschen zu ergötzen. Es gab ein seltsames Knarren von sich. Und dann lachte es.

Es lachte wahrhaftig. Wild, böse und gemein.

Die Schwingen legten sich an den gedrungenen Körper. Noch unheimlicher glühten die Augen.

Behäbig senkte sich das dämonische Wesen auf Jack Delano nieder. Die Krallen öffneten sich weit. Im nächsten Augenblick schlugen sie sich in beide Schultern.

Ein Schmerz wie von tausend glühenden Messern raste durch Jacks Körper. In seinem Kopf brauste und dröhnte es. Vor seinen Augen brodelte es. Der geisterhafte Nebel war plötzlich rot.

Ein gequälter Schrei floh über seine Lippen und stieg zitternd in den Nachthimmel hinauf.

Ein ganzer Berg schien auf ihm zu lasten. Ächzend sank er in die Knie. Dabei stieß er die Arme nach oben und wehrte sich gegen das Monster.

Seine Fäuste stießen in den Leib des unheimlichen Angreifers. Die Haut war eisenhart. Und wie mit Schuppen bedeckt fühlte sie sich an.

Der grausige Kopf mit den glühenden Augen näherte sich Jack. Ein weit geöffneter Mund mit scharfen Zähnen hackte auf ihn ein. Jack boxte und schrie und wimmerte.

Ungehört verhallten seine Hilfeschreie. Die Krallen ließen ihn nicht mehr los, und der gierige Mund biss immer mörderischer zu.

Jacks Kraft erlahmte.

„Warum?“, würgte er keuchend hervor, seiner Sinne kaum noch mächtig. „Wer bist du?“

Ein schauriges Kichern war die Antwort. Ein Wispern war in der Luft: „Du gehörst jetzt mir, du gibst mir dein Leben!“

„Nein!“, brüllte Jack Delano auf. Er schlug nach dem Mund, der ihm Schmerzen und grässliche Wunden zufügte.

Sofort peitschten ihn die Schwingen, dass er seine Knochen krachen hörte. Dann pressten sie ihn unbarmherzig zusammen. Es gab kein Entrinnen für ihn.

„Dein Leben gib es mir!“, wisperte es.

Riesengroß schnappte der zähnebewehrte Mund vor Jacks Gesicht auf.

Jacks entsetzter Schrei brach schlagartig ab, als der schreckliche Mund zubiss und der Schädel zerplatzte.

Droben auf dem Rabenstein erlosch das Geisterlicht in einem Fenster von Tinmore Castle.

Drunten im Tal brodelten und wallten noch eine Weile die nassen Wolken und der Nebel.

2

„Ein Dreckswetter ist das heute!“, schimpfte Henry Bishop und schüttelte hinter der Tür von Samsons Kneipe die Nässe von seiner Kappe.

Als er sich umwandte, starrte ihn ein Dutzend Gesichter an, als hätte er zwei Köpfe oder sonst ein auffälliges Merkmal.

Er versah das Bürgermeisteramt in Kilmarnock. Die Arbeit erforderte bestenfalls zwei Stunden Arbeit am Tage. Die übrige Zeit arbeitete er in seiner Schmiede und in der Werkstatt, wo er Pflüge und Wagen reparierte und dann und wann einen Traktor. Gelegentlich zapfte er auch Benzin, wenn jemand welches brauchte. Die einzige Tankstelle des Dorfes gehörte ihm.

Meist waren es Fremde, die an seiner Tankstelle anhielten. Kilmarnock war arm, im Ort gab es gerade fünf Autos und zwei Dutzend Motorräder.

„Dreckswetter?“, fragte der alte Kilrain und zeigte grinsend seine drei letzten Zähne. „Hat dir deine Frau einen Eimer Wasser übergeschüttet, weil sie dich nicht gehen lassen wollte?“

Die anderen lachten schadenfroh. Henry Bishop war der wohlhabendste Mann im Ort gleich nach Doktor Garrick. Seinen bescheidenen Reichtum neideten sie ihm eigentlich alle.

Mit anderen Worten hatte ihn niemand so recht ins Herz geschlossen. Auch wenn seine Sippe zu den ältesten Familien von Kilmarnock zählte. Oder vielleicht gerade deshalb.

Dass er jetzt log und behauptete, draußen sei schlechtes Wetter, ließ die Männer grinsen. Als sie zu Samson gekommen waren, war der Himmel klar gewesen. Das war noch keine Viertelstunde her.

Und so schnell zog nicht einmal in Kilmarnock ein Unwetter auf. Sie konnten auch gar nichts hören kein Donnergrollen und nicht das Rauschen des Regens.

Es sah ganz danach aus, wie der alte Kilrain gesagt hatte Bishop war unter einen Wassereimer geraten.

Henry Bishop deutete die feixenden Gesichter richtig. „Ihr glaubt mir wohl nicht?“

Er riss die Tür auf.

Draußen wogte Nebel, dass nicht das Haus gegenüber zu erkennen war. Ein Schwall feuchter Nachtluft drang in die Kneipe.

Das Grinsen gefror auf den Gesichtern.

Kopfschüttelnd sagte ein junger Mann: „Das gibt es doch nicht! Eben war’s noch klar, dass man bis nach Abbot sehen konnte.“

Abbot lag weiter unten im Tal des Tinmore, fünf Meilen entfernt. Nur wenn es ganz klar war, konnte man die Häuser sehen. Oder abends die Lichter.

Zufrieden schloss Bishop wieder die Tür und hängte seine Kappe auf den Haken.

Während er zu dem großen Tisch ging, wo sie freitags immer saßen, zapfte ihm Samson ein Bier. Bishop sah, dass Jack Delano noch fehlte. Und der Doktor auch.

„Meine Frau hat noch nie einen Eimer Wasser nach mir ausgeschüttet“, brummte Bishop. „Weiß der Himmel, woher das Wetter so plötzlich kommt.“

Der alte Kilrain machte ein geheimnisvolles Gesicht. „Sie sind heute wieder geflogen“, deutete er an. „Das ist kein gutes Zeichen. Immer ist was passiert, wenn sie geflogen sind.“

„Wer?“, fragte der junge Mann. Sein Blick ging zwischen Bishop und Kilrain hin und her.

„Hör nicht auf ihn!“ Bishop machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er meint die Bergdohlen vom Rabenstein. Das ist der Aberglaube der alten Leute.“

„Noch jedes Mal ist was passiert“, beharrte Kilrain.

Samson brachte Bishops Bier an den Tisch. „Der Doktor ist nach Glanstony und kommt später, denke ich. Halloran hat den Knecht zum Doktor geschickt, seiner Frau geht es nicht gut. Und Jack wird schon noch herfinden. Der kommt immer.“

„Bis er eines Tages ganz in Sheffield bleibt!“

Der alte Kilrain kicherte gehässig. „Seine Frau hat Haare auf den Zähnen, die macht ihm das Wochenende zur Hölle.“

Niemand wollte sich näher dazu äußern. Sie wussten, dass Brenda Delano hinterhältig war war und Jack bei ihr nichts zu lachen hatte. Dabei hatte er nie ein abfälliges Wort über sie im Beisein Dritter gesagt. Aber es hatte schon etwas zu bedeuten, dass er immer als letzter Gast die Kneipe verließ.

Der junge Mann, der gern mehr über die Bergdohlen wissen wollte, rückte näher an Kilrain heran. „Was ist das für ein Aberglaube?“

„Schluss jetzt, kein Wort mehr davon!“, brauste Samson auf. Er wusste, dass Kilrain gruselige Geschichten erzählen konnte. Und wie! Da richtete es einem beim Zuhören die Haare auf. Dann lauschten die Männer wie gebannt und tranken wenig. Solche Spukgeschichten waren nicht gut fürs Geschäft.

„Du hörst es nicht gern, wie?“ Kilrain lachte vergnügt und rieb die mageren faltigen Hände. Seine Haut raschelte wie Pergament. „Keiner will davon hören, aber Bescheid weiß jeder. Kauf mir ’ne Zigarre, Archy, und ich erzähle dir vom grünen Monster auf dem Blutschloss.“

Der Alte leckte sich die Lippen, seine Augen funkelten begehrlich.

Archy überlegte scharf. Er hatte knapp ein halbes Pfund in der Tasche und das ganze lange Wochenende noch vor sich. Aber eine Geschichte von einem grünen Monster war die Ausgabe für eine Zigarre wert.

Er schaute Samson an. „Gib ihm eine, ich komme dafür auf.“

„Brav, mein Junge!“, lobte Kilrain. „Du hast noch Mumm in den Knochen und weißt, was sich gehört.“

Samson war unentschlossen, ob er beide hinauswerfen oder die Zigarre bringen sollte. Es war nicht gut, wenn in den alten Geschichten herumgerührt wurde. Das brachte auch Unglück.

Sein gesunder Erwerbssinn behielt die Oberhand. Er verkaufte lieber eine Zigarre, statt zwei Gäste vor die Tür zu weisen.

Kilrain beschnupperte das gute Stück ausgiebig und zog es unter der Hakennase hin und her. Genussvoll biss er schließlich ein Ende ab, spuckte es unter den Tisch, ließ sich von Archy Feuer geben und paffte eine dicke Rauchwolke gegen die trübe Lampe.

„Also, mein Junge“, hob er an, „hör gut zu. Als es da oben auf dem Rabenstein noch die Herren von Tinmore gab hatten die Leute im ganzen Tal nichts zu lachen. Sie mussten den Zehnten auf die Burg liefern, Steuern bezahlen, die Wege in Ordnung halten, Vorspanndienste für die Herrschaft leisten und das Feuerholz schlagen. Und daneben noch die Felder bestellen. Manchmal ist das Tinmore-Pack recht übermütig geworden, die noblen Herren kamen herunter und suchten sich die schönsten Frauen und Mädchen aus und nahmen sie für eine Nacht mit hinauf aufs Schloss.“

Samson guckte unwillig. Denn statt zu trinken, sperrten die Gäste Mund und Ohren auf. Auch Henry Bishop, und der kannte die Geschichte längst.

„Manche ehrsame Frau ist lieber von der Schlossmauer gesprungen, das kannst du mir glauben, Archy, als mit einem der Ärsche von Tinmore das Lotterbett zu teilen. Aber es sind nicht alle gesprungen. Hier in der Gegend und besonders drunten in Abbot hat manche Familie einen Tinmore im Stammbaum.“

Der alte Kilrain funkelte den Wirt höhnisch an.

„Was willst du damit sagen?“, knurrte Samson gereizt.

„Dem Tinmore-Pack kann man vieles vorwerfen, aber nicht, dass es sich nicht um seinen illegitimen Nachwuchs gekümmert hätte. Die Ableger wurden mit allerlei Privilegien ausgestattet. Zu diesen Vorrechten gehörte auch die Schankerlaubnis.“

„Hirnloser Schwätzer!“, giftete Samson und erntete ein Grinsen der Männer. Jedermann wusste, dass seine Familie seit ein paar hundert Jahren das Wirtshausgeschäft in Kilmarnock betrieb.

„Es ist die Wahrheit“, brabbelte Kilrain und betrachtete die weiße Asche seiner Zigarre, bevor er einen Zug nahm. „Manche Leute nehmen das alles viel zu persönlich! Archy, Junge, jetzt stell dir mal vor, wie viele Verdammungsflüche auf das Tinmore-Pack damals niedergeprasselt sind. Und wie viele Gebete gesprochen wurden, um den himmlischen Beistand zur Bestrafung der lästerlichen Sippe zu erflehen. Na, irgendwann hat das alles doch gewirkt, die noblen Herren haben sich schließlich gegenseitig ausgerottet.“

Archy schaute unzufrieden. Die Geschichte war keine Zigarre wert.

„Und das grüne Monster?“, drängte er.

„Kommt noch“, dämpfte Kilrain seinen Eifer. „Als das Pack noch vor Saft und Kraft strotzte und hinter einer Kanne Wein darauf sann, wie es dem Herrgott den nächsten Tag stehlen sollte, kam ein neuer Kastellan aufs Schloss. Er hatte das hübscheste Mädchen von Glanmarten zur Frau genommen. Ein blitzsauberes junges Weib und das liederliche Tinmore-Pack das konnte nicht gut gehen. Du kannst einem alten Fuchs auch nichteinen herrlichen duftenden Gänsebraten vor die Nase halten und ihm verbieten, reinzubeißen. Er tut’s doch. Das Gesindel setzte dem jungen Weib jedenfalls arg zu, aber immer rechtzeitig war der Kastellan zur Stelle. Die noblen Herren sannen auf Abhilfe. Sie schickten den jungen Mann in angeblich wichtigen Geschäften über Land, so dass er ein paar Tage von Tinmore Castle fern bleiben würde. Die Rechnung hatten sie allerdings ohne die junge Frau gemacht. Eher würde sie mit dem Teufel buhlen, sagte sie, als einem von den Tinmores zu Willen zu sein.“

Genießerisch nahm der Alte einen mächtigen Zug.

„Und?“, fragte Archy begierig.