Blue - tödliche Magie - Sabineee Berger - E-Book
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Blue - tödliche Magie E-Book

Sabineee Berger

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Beschreibung

Blue wurde von den Göttern gezeichnet und für ein Vergehen bestraft, das er nicht ungeschehen machen kann. Sein Körper ist übersät mit blauen Linien, die Zeugnis seiner Schande sind und den Tod bringen. Jeder, der ihm zu nahe kommt oder seine Haut berührt, stirbt. Als Ausgestoßener lebt er in absoluter Isolation, bis er von einem skrupellosen Menschenhändler für seine Zwecke entdeckt und gefangen genommen wird. Auf brutale Weise soll er gezwungen werden für ihn zu arbeiten, doch Blue schafft es vehement sich zu verweigern. Erst als drei junge Mädchen entführt und zur Prostitution gezwungen werden sollen, riskiert Blue alles für ihre Rettung. Und das ist nicht weiter verwunderlich, denn eine der Frauen scheint eine unerklärliche Verbindung zu seiner Magie zu haben.

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Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Impressum

„Von den Göttern gezeichnet“

Inhalt

Prolog 3

01. Kapitel 6

02. Kapitel 15

03. Kapitel 21

04. Kapitel 24

05. Kapitel 32

06. Kapitel 38

07. Kapitel 42

08. Kapitel 44

09. Kapitel 51

10. Kapitel 59

11. Kapitel 62

12. Kapitel 65

13. Kapitel 68

14. Kapitel 71

15. Kapitel 75

16. Kapitel 79

17. Kapitel 83

18. Kapitel 85

19. Kapitel 91

20. Kapitel 93

21. Kapitel 96

22. Kapitel 99

24. Kapitel 102

25. Kapitel 104

26. Kapitel 106

27. Kapitel 109

28. Kapitel 112

29. Kapitel 116

30. Kapitel 123

31. Kapitel 126

32. Kapitel 129

33. Kapitel 134

34. Kapitel 138

35. Kapitel 141

36. Kapitel 145

37. Kapitel 149

38. Kapitel 154

39. Kapitel 156

40. Kapitel 160

Epilog 165

EBOOKS von Sabineee Berger 170

Impressum 172

Prolog

„Steward-Alarm von links“, kicherte Vanessa und beugte sich zu ihren beiden Freundinnen. Die eine hielt sich vor lauter Lachen die Nase zu, die andere versteckte sich demonstrativ hinter ihrem leeren Cocktailglas. Der Steward musste schon der Obertrottel sein, wenn er nicht mitbekam, dass sie alle drei mit ihm flirteten. Er sah aber auch zum Anbeißen aus mit seiner weißen Uniform, den breiten Schultern und dem kantigen Gesicht. Zu dumm, dass er gar so hellblond war, sonst wäre er von den Dreien zum absoluten Traummann gekürt worden. Sie standen mehr auf dunkel, dunkel und nochmals dunkel. Das kurbelte so schön ihre verruchten Fantasien an. Blond wirkte eben meist zu brav.

Wieder lautes Gekicher. Endlich warf der Steward einen Blick in ihre Richtung. Leonie zwinkerte ihm keck zu, Annika winkte euphorisch und Vanessa saugte wie blöd an ihrem Cocktail. Ein geschmeicheltes Lächeln überzog das Gesicht des Mannes. Dann gab er sich einen Ruck und kam auf die drei jungen Damen zu.

„Bei den Ladies alles in Ordnung? Darf ich Ihnen vielleicht noch etwas bringen?“ Seine Stimme war rau, sein Auftreten sehr freundlich. Blonde Wimpern, blonde Augenbrauen, fast weißblondes Haar und Augen so blau wie das Meer. Vanessa strahlte ihn stumm an und saugte weiter am langen Strohhalm, Leonie kicherte und Annika, die Selbstbewussteste in der Runde, sah dem Mann tief in die Augen und gab im Namen aller Antwort.

„Was können Sie denn so empfehlen, Herr Steward?“ Den beiden anderen war es ein Rätsel, wie Annika eine so harmlose Frage derart erotisch aufladen konnte. In Flirtangelegenheiten hatte ihre Freundin eindeutig die Nase vorne, Vanessa und Leonie noch eine Menge zu lernen. Aber genau dafür waren sie ja schließlich hier! Statt der dämlichen Schulabschlussreise mit allen Spinnern und Spinnerinnen (das Wort alleine war schon grässlich) hatten sie sich für den zweiwöchigen Urlaub auf diesem Luxusdampfer entschieden. Zum Glück waren ihre Eltern gut situiert und klammerten nicht so wie andere. Die Oldies hatten einem Urlaub zu dritt nicht nur zugestimmt, sondern den Mädchen sogar eine Menge Kondome mit eingepackt. Ja, ihre Eltern waren toll, vielleicht ein wenig unbekümmert, aber immerhin keine Spießer. Der Reichtum und die Lockerheit im Umgang mit ihren Kindern waren vermutlich der Grund, warum die Drei nie wirklich Anschluss in ihrer Klasse gefunden hatten. Sie wirkten für die meisten wie aus einer anderen Welt, obwohl sie keine verzogenen Gören waren. Ihre Eltern waren miteinander befreundet und hatten sich die Entwicklung ihrer Töchter gut überlegt. Sie sollten nicht elitär und abgehoben aufwachsen, sondern bereits in der Schule das normale Leben kennenlernen, sich unters Volk mischen und Basics lernen. Natürlich stets mit der Möglichkeit, auch das schöne Leben der Reichen zu genießen und eine gute Ausbildung mit Studium abzuschließen. Und die Mädchen hatten ihre Eltern nie enttäuscht! Sie mochten in der Schule nicht die Lieblinge der Nation gewesen sein, aber alle drei hatten ihr Abitur mit Auszeichnung bestanden. Gutes Aussehen und Intelligenz waren also durchaus vereinbar.

Leonie war so ein bisschen das Modepüppchen und wollte nach dem Sommer mit einem Mode- und Designstudium beginnen. Annika, die Taffe, hatte sich – gegen jede Erwartung – für ein trockenes Jurastudium entschieden und Vanessa, die Schüchternste von allen, gar für ein Medizinstudium. Ausgerechnet das Nesthäkchen wollte sich mit Knochen, Muskeln und all dem unappetitlichen Zeug auseinandersetzen. Leonie und Annika hatten darüber nur verständnislos den Kopf geschüttelt, aber auch erkannt, dass sie sich nicht zu sehr einmischen durften. Außerdem waren sie nicht hier, um über seltsame Entscheidungen zu richten, sondern um zu feiern. Die Schulzeit war vorüber und ihre Mädchenjahre ebenso. Dazu gab es jetzt gerade nur blauen Himmel, Sonne, Pool und Meer. Das Kreuzschiff war besonders luxuriös und bot eine Menge Männer in schicken Uniformen, sowie vermutlich muskelbepackte und verschwitzte Varianten davon im Maschinenraum. Die Mädchen hatten diesen Bereich zwar noch nicht betreten, doch dafür redeten sie umso öfter davon. Vorfreude war eben auch eine Freude und der Besuch im Maschinenraum nur eine Frage der Zeit. Generell stand Gaffen mit einem großen Ausrufezeichen auf all ihren To-do-Listen. Und warum auch nicht? Sie waren ausgelassen, hatten endlich die Chance, den Rest der Welt zu entdecken und wollten dabei Party, Party und nochmals Party machen.

„Ich heiße Alexander und kann euch gerne noch eine Runde Cocktails bringen“, meinte der fesche Steward. „Mojitos sind derzeit die Renner. Crushed Ice, Zucker, viel Minze, Limetten und natürlich Havanna Club Rum.“ Er lächelte und zeigte eine Reihe strahlend weißer Zähne. Er fand es ganz angenehm, dass die jungen Damen mit ihm flirteten. Die Blonde gefiel ihm besonders gut, weil sie so etwas Frisches und Verletzliches ausstrahlte. Aber auch die Braunhaarige mit den großen Brüsten und die Rothaarige mit den vielen Sommersprossen waren, seiner Meinung nach, nicht zu verachten. So wie die Mädchen in ihren ultraknappen Bikinis ständig lachten, hätten sie gut und gerne einem Modemagazin entspringen können. Schöne Frauen, schlank und rank und doch an den richtigen Stellen gut bestückt. Sein Lächeln wurde breiter. Alleinstehende Mädchen galten hier seit jeher als Freiwild und so wie die sich aufführten, warteten sie nur auf die Gelegenheit, einen richtigen Mann zwischen den Schenkeln zu spüren. Der Schiffsmannschaft war es zwar untersagt mit Gästen ins Bett zu gehen, aber der Teufel sollte ihn holen, wenn er nicht wenigstens eine dieser Rosen im Laufe der Reise pflücken würde.

„Drei Mal Mojitoooo“, quietschte Leonie und Annika sah sie an, als wäre sie meschugge geworden.

„DU nimmst gleich drei?“, spöttelte sie und brachte damit alle anderen zum Lachen, auch den süßen Steward.

„Natürlich für uns alle“, erklärte Leonie empört. Sie hatte es nicht so gerne, wenn sich jemand über sie lustig machte, selbst wenn es ihre beste Freundin war.

„Dann müssten es aber vier sein“, warf Vanessa prompt ein und strich sich schüchtern eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Alle Blicke wanderten zu ihr. „Na was?“, fragte sie und lachte. „Alexander mag vielleicht auch einen Drink?“, neckte sie und erntete einen überraschten Blick von ihren Freundinnen. So frech war sie ja noch nie gewesen! Die Mädels fanden es jedenfalls gut und prusteten los. Lediglich der Steward winkte mit gespielt trauriger Miene ab.

„Sorry, Ladies. Ich darf im Dienst nicht trinken, aber ich bringe gerne drei besonders leckere Jumbo-Mojitos für euch drei Schönheiten.“ Damit wollte er sich schon abwenden, als ihm Annika noch schnell eine Frage stellte.

„Wie lange haben Sie denn eigentlich Dienst?“, fragte sie und der Steward grinste ihr zu. Allzu leicht wollte er es den drei Zuckerschnecken nämlich nicht machen. Der Kapitän war ein strenger Vorgesetzter, vor allem was das Benehmen der Mannschaft anging, und ein wenig Hinhalten heizte die Sache für gewöhnlich sowieso nur an.

„Das werdet ihr schon noch rauskriegen, Ladies“, lachte er, verschwand in Richtung Bar und alle drei gafften ihm unverschämt auf den Hintern.

„Der ist ja süß“, zwitscherte Leonie.

„Knackarsch“, meinte Annika und Vanessa schlürfte wie wild an ihrem Cocktail. Nie im Leben hätte sie gedacht, hier so unangebracht ausgelassen zu sein. Sie war mit Sicherheit die verklemmteste Frau auf Gottes Erden, aber dieses Manko wollten ihr die Freundinnen ja in diesem Urlaub austreiben. Ein letzter Schluck, dann war der Cocktail futsch.

„Geschafft“, lachte sie und schielte zur Bar, ob der Nachschub mit diesem Moji-Zeugs endlich auf dem Weg war. Bis vor kurzem hatte sie noch nicht einmal Alkohol getrunken und nun konnte sie gar nicht genug davon bekommen. Das Zeug enthemmte ja voll und das konnte sie durchaus gebrauchen. Immerhin war sie mit ihren neunzehn Jahren noch Jungfrau. Vermutlich die einzige auf diesem Schiff und überhaupt auf der ganzen Welt.

„Du wirst doch nicht etwa zur Säuferin, Mäuschen? Eine neue Studie hat ergeben, dass immer mehr junge Menschen Schlaganfälle bekommen. Vor allem, wenn sie in jungen Jahren zu viel Alkohol trinken“, neckte Leonie und Vanessa zog ein beleidigtes Gesicht. Ständig machten sie irgendwelche Andeutungen auf medizinische Grässlichkeiten. Wer brauchte schon die Vorstellung von halbseitigen Lähmungen, Sprachstörungen und hängenden Mundwinkel?

„Alohol is subba“, lachte sie daher gespielt betrunken. „Und du brauchst gar nicht frech werden! Du hast deinen Cocktail in nur fünf Minuten atomisiert.“ Wobei ihr das Wort atomisiert dann doch etwas schwer über die Lippen kam. Annika lachte und schüttelte den Kopf. Auch Leonie konnte ein Glucksen nicht unterdrücken. So lustig hatten sie es mit Vanessa schon lange nicht mehr gehabt.

„Wer geht mit mir schwimmen?“, johlte Annika dann übertrieben laut, stellte ihr Glas zur Seite und sprang aus ihrer Liege. Sie war mit Sicherheit beschwipst, doch das bisschen Wasser im Pool würde sie schon nicht gleich umbringen! Zumindest war sie dieser Ansicht.

„Kommt, ihr lahmen Luschen! Wer den Fettsack dort drüben mit einer Arschbombe platt macht, kriegt noch einen dritten Cocktail.“ Sie quietschte vor Vergnügen, sprintete los und warf sich mit brutal anzusehender Akrobatik ins Wasser. Ihre vollen Brüste wackelten wie verrückt, ihr Lachen war übers ganze Deck zu hören. Dafür ging die Fontäne ziemlich daneben. Zum Glück für den dicken Auserwählten. Die anderen beiden folgten ihr mehr oder weniger unauffällig. Gut, eher weniger unauffällig, denn alle Gäste an Deck gafften bereits mit so großen Augen, als kämen die drei Grazien von einem anderen Stern. Gar so unbekümmert und frivol verhielt man sich auf einem Luxusliner dann offenbar doch nicht.

Unter eben diesen Gästen befand sich allerdings auch ein Mann, der zwar unauffällig beobachtete, aber ganz besonderes Interesse an den drei Mädchen hatte. Und das war nicht weiter verwunderlich, denn er suchte ganz konkret etwas, das sich vom üblichen Frischfleisch abhob.

01.Kapitel

Er hasste es. Gott, wie er es hasste.

Und Gott war der eigentliche Grund, warum er hier kniete, obwohl der unmittelbare Aggressor ein anderer war. Verzweiflung übermannte ihn, wollte einen Schrei aus seiner Kehle reißen. Doch er biss die Zähne zusammen. Diese Genugtuung wollte er ihnen nicht geben. NICHTS wollte er ihnen geben und doch holten sie es sich jeden Tag von ihm: Seine Gott verfluchte Niederlage.

Maslov, der Mensch, hatte ihn gefangen, aber Gott hatte ihn für alle Zeiten gezeichnet. Nein, eigentlich hatte er ihn tatsächlich verflucht, denn seit jenem dunklen Tag, an dem er einen Fehler begangen hatte – einen einzigen, beschissenen Fehler – war er zu einem Aussätzigen geworden, zu einer menschlichen Abart, zu etwas Unmöglichem. Seitdem hatte er alles verloren, sprach kaum mehr ein Wort und schon gar nicht über den Vorfall oder die Zeichen auf seinem Körper. Die Macht, die für seinen Zustand verantwortlich war, konnte jeden Ursprung haben, doch göttliche Strafe erschien ihm plausibel, passte irgendwie zu seinem Vergehen ... seinem unwiderruflichen, unverzeihlichen Verbrechen. Seitdem gab es den jungen Andreas Sternitzer nicht mehr. Nun nannten sie ihn Blue, reduzierten ihn auf die Farbe und auf das Wesentlichste. Aber das dafür in klingender, runder Sprache!

Als hätte er das Bedürfnis, international zu werden!

Oder überhaupt noch IRGENDEIN Bedürfnis! In Wahrheit stand der Name für etwas Unmenschliches und für eine Farbe, die im Prinzip nur Kälte ausstrahlte. BLUE.

„Dein Auftritt ist in fünf Minuten“, höhnte eine Stimme von außerhalb und eine Faust hämmerte dumpf gegen das Holz der Tür.

Als müsste er wachgerüttelt werden!

Dabei hatte er seit Tagen nicht mehr wirklich geschlafen. Die meiste Zeit seiner Gefangenschaft kniete er auf hartem Boden, mit nichts am Leib, als seinen Jeans aus festen Spezialfasern. Die Schuhe hatten sie ihm auch gelassen, nur um ja nichts zu riskieren. Sein Gefängnis war ein abgesicherter Raum, der sonst nur für SM-Spielchen diente, aber auch hier gab es Substanzen, die abgefackelt werden konnten. Es war sehr kühl in dem schmuddeligen Zimmer, aber auf seiner Haut perlte Schweiß. Kalter Schweiß. Ein heller Schimmer überzog die blauen Zeichen, die sich über seine Muskeln schlängelten und in bizarren Formen über die gesamte Landschaft seines Körpers verliefen. Er vermutete eine Botschaft dahinter, womöglich eine Art göttlicher Sprache. Doch die konnte niemand lesen oder verstehen, am wenigsten er selbst. Und er hatte aufgegeben nach dem Sinn zu fragen, konnte nur die Strafe darin sehen, den Fluch. Stellenweise war noch seine ursprüngliche Haut zu sehen, in heller, nussbrauner Farbe und seine Jeans saß tief genug auf den Hüften um erkennen zu lassen, dass auch seine Beine mit eben diesem Muster überzogen waren. Selbst seine Zehen wiesen diese ungewöhnlichen Zeichen und geradlinigen Verläufe auf. Noch nie zuvor hatte er so ein einfaches und doch kompliziertes Muster gesehen. Es war wie ein Oxymoron, nur ohne Worte, von dem nur sein Gesicht verschont geblieben war. Die letzten, dünnen Ausläufe seiner Schande rankten sich von seinem Rücken aufwärts über den Hals bis knapp hinter seine Ohren.

In nur einer Nacht war er von den Göttern gezeichnet worden. In einem Sturm aus Wahnsinn und Schmerz. In einem wahren Höllenritt überirdischer Magie. Irgendwann hatte er das Bewusstsein verloren, doch das Grauen des Irrsinns, die Qualen auf seiner Haut und den Schmerz in seiner Seele würde er nie wieder ausblenden können. Sein Körper erinnerte ihn jeden Tag und jede verdammte Minute an seinen tödlichen Fluch. Er war nicht einfach nur mit göttlichem Blau gebrandmarkt worden, um als Sünder erkannt zu werden oder um sich die Schande jeden Tag aufs Neue in Erinnerung zu rufen. Nein, das Ganze ging viel weiter. Viel tiefer. Seinen Zeichen haftete tödliche Magie an, die ihn jede Sekunde seines Daseins zu absoluter Isolation verdammte.

Wieder ein Klopfen an der Tür. Sein Körper begann zu zittern, wusste was auf ihn kommen würde. Maslov war ein Monster in Menschengestalt. Er war reich und skrupellos. Als Zuhälter, Drogendealer und Menschenhändler musste er das vermutlich sein, aber dieser Mann war der größte Abschaum und der schlimmste Albtraum für jeden, der nicht auf seiner Seite stand oder sein Geschäftspartner war. Brutalität war sein eigentlicher Vorname und Rücksichtslosigkeit sein verhasster Zuname. Wer nicht spurte, wurde erpresst, ermordet oder in Mafia-Manier bestraft. Auch Blue sollte auf seine Seite wechseln, ein Handlanger Maslovs werden und sein Verbündeter in allen Lebenslagen sein. Mit seiner Magie am Leib war das jedoch nur mit einem Vertrag dämonischen Ursprungs möglich. Nur der konnte ihn und seine blauen Zeichen kontrollieren und eben an einen Menschen binden. Doch noch hatte Blue die Unterschrift verweigert und selbst beim größten Druck und den ständigen Misshandlungen noch die Kraft aufgebracht, sich gegen diese Übernahme zu wehren.

Irgendwie.

Denn seine Magie schützte ihn zwar vor Kugeln und Messerattacken, aber nicht vor dem Einfallsreichtum dieses abscheulichen Mannes. Im Grunde war er nur wegen eben dieser Magie gefangen genommen worden und musste hier knien. Die Ketten an seinen Armen waren schmerzhaft, aber die Stange, die seinen Hals fixierte, war die reinste Qual. Und dennoch konnte er sich nicht dazu durchringen, Gott oder die Götter – was wusste er schon, wer dafür zuständig war! – um Hilfe zu bitten.

Noch nicht.

Nicht so.

„Los geht’s, Kleiner!“ Tom Butin, einer von Maslovs Schlägern, öffnete die schwere Tür und kam mit wuchtigen Schritten auf Blue zu. Mit 1,87 Metern Größe und 103 Kilogramm war er immer noch kleiner und schmächtiger als Blue, aber solange der Gefangene kniete, witzelte er gerne über die Größe des anderen.

Vor dem SM-Raum begann das erste Gejohle.

„Er kommt! Gleich kommt er“, kreischte eine Frau so schrill, dass Blue bei jedem Wort zusammenzuckte. Menschen sind schon eine seltsame Spezies, dachte er bei sich. Alle diese Frauen stehen unter Zwang, werden sexuell missbraucht, geschlagen und oft genug unter Drogen gesetzt, aber wenn ich auftauche meinen sie plötzlich, am anderen Ende der Machtkette zu stehen und daran ziehen zu können. Blue konnte es nur als primitives Machtspiel und Perversität erkennen, doch in Wahrheit war er einfach umwerfend schön und die meisten Frauen durch seinen Anblick wie entfesselt. Selbst die Männer fühlten sich von ihm angezogen und spürten den Reiz der Gefahr.

Knurrend kam Blue in die Höhe, während Tom seine Fesseln per Fernbedienung fixierte. Aus sicherer Entfernung packte er dann die Stange, die an einem Metallring um Blues Hals befestigt war und löste sie von der Wand. Mit dieser Stange konnte er ihn gut in Schach halten, auch wenn ihm das mit reiner Körperkraft vermutlich nicht gelungen wäre. Mit Strom jedoch war das kein Problem, denn den konnte er Blue mit dieser Stange bei Bedarf sogar mehrmals durch den Körper jagen. Und Bedarf gab es scheinbar öfter als die Notwendigkeit dafür, denn speziell bei Blue konnte Tom schon ein bisschen eigen werden. Lässig strich er sich eine seiner blonden Haarsträhnen hinters Ohr und lächelte dem Gefangenen spöttisch zu. Machtspielchen machten ihn ziemlich an und den magischen Mann zu kontrollieren, gehörte eindeutig dazu.

Blues Haut schimmerte vor Anstrengung ein paar Nuancen heller. Stellenweise wurden die Linien zu einem fluoreszierenden Türkis, was die Zeichen lebendig erscheinen ließ, wie bewegt. Sein perfekt muskulöser Körper, die magische Farbe und Blues markantes Gesicht brachten Eisberge zum Schmelzen, doch der zusätzliche Reiz für die Menschen war das Wissen um die Gefahr hinter dieser Schönheit, denn jede noch so kurze Berührung seiner Haut war tödlich. Bedingungslos und unwiderruflich. Alles Lebendige ging durch den bloßen Kontakt mit seiner Haut in magischen Flammen auf. Bis zum Tod. Bis zur Asche.

DAS war sein Fluch und sein Gott verdammtes Leben.

Der Transport und die Bewegung seines Körpers war eine gefährliche Sache und nur mit Fesseln, der Stange und einer Menge Strom möglich. Doch die Gefahr schreckte die Wenigsten ab. Niemand in Maslovs Haus ließ sich den Anblick von Blue entgehen, wenn er in den Vorführraum gebracht wurde. Im Gegenteil, sie waren immer außer Rand und Band, drängten sich auf den Gängen, den Stiegen und den anderen Zimmern. Allen voran standen immer die Frauen, die versuchten einen Blick auf ihn zu erhaschen und sich dabei gegenseitig anstachelten, immer lauter und intensiver zu jubeln. Genau das war es, was Blue von diesen Menschen mitbekam: abgrundtiefe, hässliche Sensationsgier. Und er hasste sie alle dafür. Selbst die schönsten Frauen, die möglichen Opfer, die eventuell zu Bedauernden. Liebend gerne hätte er sie von seiner Magie kosten lassen. Allen voran Maslov, dem er die Schmerzen, die Erniedrigungen und diesen verfluchten Zirkus zu verdanken hatte. Ja, er würde sie ohne mit der Wimper zu zucken töten, nur indem er sie der Reihe nach in die Arme schloss. Seine Berührung war immer tödlich, ob er wollte oder nicht. Aber in dem Fall würde er wollen und wie auch noch! Zum ersten Mal hätte sein blauer Fluch endlich einen Sinn. Auch wenn es nichts an seiner Lage oder seiner Einsamkeit geändert hätte ... für einen kurzen Moment hätte er dafür so etwas wie Genugtuung verspürt.

Verdammt. Immer wenn er an seinen Fluch dachte, schrie seine Seele kläglich um Hilfe. Alles Lebendige aus Fleisch und Blut wurde durch den Kontakt seiner bloßen Haut verbrannt. Aber auch ein paar leblos wirkende Materialien waren manchmal mit Vorsicht zu genießen. Das genaue Muster oder die Gesetzmäßigkeit dahinter war ihm unklar. An manchen Tagen versengte er etwas mit seiner Magie, an anderen wiederum nicht. Das Dumme an magischen Flammen war, dass sie kaum zu löschen waren. Herkömmliches Wasser half überhaupt nicht. Antibrennpasten ebenso wenig. Nur Stahl und Stein konnte er immer bedenkenlos ohne Handschuhe berühren. Holz war grenzwertig. Aus dem Grund hatten sie ihm auch die Hosen gelassen und die Schuhe. Sonst hätte er vielleicht noch wertvolles Mobiliar oder Vorhänge abgefackelt. Feste Materialien, spezielle Fasern, Sicherheitsschuhe und Handschuhe waren für Blue zu einem Teil seines Alltags geworden, zumindest bevor er diesem Spinner Maslov ins Netz gegangen war. Doch selbst mit Spezialgewand aus hohem Anteil feinster Glas- und Kupferfasern, sowie Handschuhen aus Polyvinylchlorid hatte er immer darauf achten müssen, niemanden unabsichtlich in Brand zu setzen. PVC-Handschuhe waren nur in Ausnahmefällen durch seine Magie entflammbar. Vor allem dann, wenn der Kunststoff durch Benzol, Ether oder Salzsäure beschädigt worden war. Der Kunststoff war nicht ideal für seine Haut, doch im Prinzip fühlte er sich wie Kunstleder an und sah auch so aus.

So war sein Leben vor Maslov zwar nicht schön gewesen, aber zumindest halbwegs kontrollierbar. Vorsicht und spezieller Umgang mit seiner magischen Krankheit hatten ein recht normales Leben in Aussicht gestellt, wenn auch eines in völliger Isolation. Kontakt mit anderen war nicht möglich. Als Andreas Sternitzer hatte er sich darüber nie Gedanken gemacht. Damals hatte er für eine Elitetruppe gearbeitet, sein Leben gelebt und auch genügend Frauen konsumiert. Beziehungen hatten ihn nie interessiert, Körperkontakt schon. Doch von einem Tag auf den anderen war eben diese lächerliche Selbstverständlichkeit zur Unmöglichkeit geworden. Berührung war tödlich. Immer und ausnahmslos. Und er vermisste das Gefühl von Haut auf Haut, die Wärme einer Frau und ihre verführerische Weichheit. Selbst das Fühlen ohne Berührung vermisste er. Gott, und wie sehr auch noch! Dabei war er erst seit fast einem Jahr mit dieser Magie verunstaltet und somit abstinent. Davor hatte er kaum ein Augenmerk auf diese Nebensächlichkeiten verwendet. Die Frauen waren stets willig gewesen und der harte Drill in seinem Job hatte seinen Körper auf andere Weise gefordert und spürbar gemacht. Körpergefühl war selbstverständlich gewesen und nicht weiter der Rede wert. Doch der Fluch hatte ihm recht bald klar gemacht, in welche Einsamkeit er ihn letztendlich trieb. Natürlich war er auch früher manchmal einsam gewesen, doch er hatte stets die Möglichkeit gesehen, etwas daran zu ändern, eine Wahl zu haben. So wie man sich entscheiden konnte nett zu sein oder nicht. Für ihn war es reine Kopfsache und persönliche Entscheidungskraft gewesen, die sein Leben bestimmt hatten. Doch genau das war ihm genommen worden. Durch den Fluch befand er sich in einer Sackgasse, in der er nicht mehr selbst entscheiden konnte und in der es keine Hoffnung mehr gab. Göttliche Strafe konnte grausam sein und mit ihr hatte er alles verloren: Seinen Job bei der Eliteeinheit, die Frauen zum Vergnügen, das Leben an sich. Und von so etwas wie Liebe brauchte er nicht einmal zu träumen.

Wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er in seinem Leben vermutlich manches ändern, womöglich die Menschen mehr respektieren und sich auf die Schönheit des Lebens konzentrieren. Doch diesen einen, schwerwiegenden Fehler würde er vermutlich wieder begehen. Wieder und immer wieder... und letztendlich genauso enden wie jetzt.

Denn es war ein Ende.

Definitiv.

Blue schluckte hart und die Erinnerung an frühere Zeiten überrollte ihn, ohne dass er es wirklich wollte. Damals hatte noch alles so gut angefangen...

Als junger, militärgedrillter Kämpfer hatte er sich bei Evok, der Spezialeinheit für die Bekämpfung von menschenfeindlichen Dämonen beworben. Evok war die Abkürzung für Evokation und stand nicht ausschließlich für Beschwörung, sondern auch für das Recht von übergeordneten politischen Instanzen, Entscheidungen von nachgeordneten Entscheidungsebenen an sich zu ziehen. Natürlich passte das Wort auch zu all dem magischen Kram, der mit abartigen Spezies wie Dämonen zu tun hatte, aber es ging auch darum, im Notfall das absolute Sagen zu haben. Denn die Menschheit wusste nicht viel über Dämonen und Magie. Das Meiste passierte im Verborgenen und wurde auch bewusst vertuscht, um die Menschen nicht in Angst und Panik zu versetzen. Die Evok-Einheit war eine Ansammlung unterschiedlichster Kämpfer und war stets die höhere Instanz bei ungewöhnlichen und menschenfeindlichen Vorkommnissen. Sie hatten auch den besseren Wirkungsgrad gegenüber herkömmlichen Sonderkommandos, denn sie waren extrem militärisch gedrillt und dämonisch geschult. Sprich, sie wussten die abartigen Viecher richtig an den Eiern zu packen, sofern die überhaupt welche hatten.

Damals fühlte sich Andreas noch berufen, Menschen zu beschützen und extreme Jobs zu erledigen. Schon in sehr jungen Jahren war er der Mann fürs Grobe gewesen, hatte sich mit Extremkampfsport in die Höhe gearbeitet und sich bei den Evoks mit Arroganz und eisernem Willen bis an die Spitze der zehn besten Kämpfer vorgearbeitet. Dabei war er nur ein einfacher Mensch und nicht etwa ein Halbdämon, wie so manch anderer in der Einheit. Aber er war gut, verteufelt gut sogar. Er legte keinen Wert darauf gemocht zu werden, war ausschließlich zielgerichteter Krieger und ein Gewinner durch und durch. Nettigkeiten waren nur etwas für Warmduscher. Für ihn zählten Effizienz, Fokus und Rücksichtslosigkeit im Kampf. Andreas hatte keinen Gedanken an Ehre oder Gerechtigkeit verschwendet, sondern wie ein Irrer gegen unfassbare Abscheulichkeiten gekämpft, sie brutal und unerbittlich zur Strecke gebracht. Bis zu jenem Tag, an dem er einmal an den Falschen geriet und ihn aus purer Angst eliminierte. Ihn, den unverzeihlichen Fehler. Ihn, dessen Name er nicht auszusprechen wagte und ihn, dessen Wesensart er nicht einmal in Gedanken zulassen konnte. Auch heute nicht. Selbst nach einem Jahr der Strafe.

Blue verzog angewidert den Mund. Er hasste die Erinnerung an sein altes Leben. Was vorbei war, war vorbei und so wie es aussah, krähte sowieso kein Hahn nach ihm. Außer vielleicht Maslov, der es regelrecht auf ihn abgesehen hatte. Zum Teil wunderte er sich über seine Vehemenz, doch auf der anderen Seite war er eine Waffe, die keine Munition brauchte und ohne Spuren töten konnte. Blue war auch nicht wirklich verwundbar und brauchte kaum Nahrung. Er war also recht pflegeleicht und sicher ein guter Bodyguard, wenn er vertraglich unter Kontrolle stand. Von der Seite her war also verständlich, wenn ein Subjekt wie Maslov Interesse zeigte. Wobei Blue in den Augen seines Gegners ein viel tieferes Interesse erkannt hatte. Maslov war ein machtgieriger Mensch und auch wenn er einen guten Bodyguard gebrauchen konnte, so faszinierte ihn doch vor allem Blues Magie. Vermutlich war der Zuhälter der irrigen Meinung, diese göttliche Macht irgendwann selbst beherrschen zu können. Was schlicht lächerlich war. Niemand wusste woher die Zeichen kamen oder was sie bedeuteten. Selbst ihre Wirkung variierte und war unvorhersehbar.

Tom schob ihn mit der Stange in den verhassten Showraum und drückte ihn auf der Bühne erneut in die Knie. Dann fixierte er die Ketten und zog Blues Arme straff nach rechts und links. Übertrieben weit, bis Blues Schultergelenke kurz vor der Luxation standen, denn nur so kamen seine Muskeln extrem zur Geltung. Blue atmete tief durch, versuchte den Schmerz zu verdrängen und sich erneut an die demütigende Haltung zu gewöhnen. Lediglich sein zusammengepresster Mund und die angespannten Sehnen seines Halses zeigten, wie sehr er mit dieser Haltung kämpfte. Die Stange um seinen Hals wurde in einer speziellen Vorrichtung an der Wand befestigt, um ihn absolut bewegungsunfähig zu machen. Ein Mann mit derart tödlichen Kräften durfte sich bei einem Geschäftstreffen niemals alleine bewegen. Nicht auszudenken, wenn ein bedeutender Geschäftspartner irrtümlich abgefackelt wurde, nur weil der Kerl sich vielleicht einen Millimeter zu weit in die falsche Richtung bewegte. Maslov war schlau genug, Blue selbst nach Tagen der Gefangenschaft nicht zu unterschätzen. Einerseits wollte er ihn auf diese Weise mürbe machen und auf seine Seite ziehen, andererseits liebte er das Schauspiel, die Provokation und das Leid anderer.

„So ist’s gut, Blue. Meine Ladies flippen immer aus, wenn du kniest und deine Muskeln spielen lässt.“ Maslov trat in sicherem Abstand vor ihn hin und kicherte belustigt. Er war ein drahtiger Kerl von vierzig Jahren, fast so groß wie Tom und hatte kalte, eisblaue Augen. Seit Jahren rasierte er sich eine Glatze, weil sein Haar viel zu schütter geworden war und die Mädels darauf standen. Glaubte er zumindest.

Blues Dermaglyphen schimmerten auf seiner Haut, jeder Muskel war angespannt und in perfektem Schwung. Maslov stand nicht auf Kerle, aber diese Laune der Natur war auch für ihn ein besonders erhebender Anblick. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Kerl war verflucht geil und zugleich saugefährlich. Eine Kombination, die ihn antörnte. Als hätten die Götter diesen Mann nicht nur mit tödlichen Zeichen, sondern auch mit einem speziellen Aphrodisiakum versehen. Zum Glück hatte er sich gut überlegt, wie er mit dem Gefangenen umgehen musste und darauf verzichtet, ihn voreilig zu töten. Dabei hatte er im letzten Jahr seinem Geschäft ganz schön geschadet und einer Menge anderer Leute Schwierigkeiten bereitet. Die einen hatte er ausgeliefert, doch die meisten gleich gekillt. Dieser Blue war nach seinem Ausscheiden aus Evok eindeutig zu einem Problem für das organisierte Verbrechen geworden. Als hätte er es sich in den Kopf gesetzt, die Welt zu retten oder einfach nur zu sterben. Denn wer startete schon freiwillig eine One-Man-Show gegen das wirklich große, illegale Geschäft? Sich zum Feind der Russen zu machen war eine Sache und meist tödlich. Sich aber zu seinem Feind zu machen bedeutete viel mehr als den Tod. Maslov machte kaum Gefangene und wenn, dann nur für kurze Zeit. Doch dieser blaue Mann hatte ihn von Anfang an fasziniert. Er wollte ihn nicht einfach nur auf seine Seite ziehen und für seine Zwecke nutzen, sondern vor allem das Geheimnis seiner Macht ergründen, ihn studieren, erforschen und ihn immer wieder... erniedrigen. Solch große Macht mit noch größerer Macht zu unterjochen kam schon verdammt nahe an den ultimativen Kick heran, den er viel zu lange schon suchte.

Die wochenlange Observation hatte sich wahrlich gelohnt, denn schon bald war er auf das wohl größte Geheimnis dieses Mannes gekommen: Er war schlicht und ergreifend nicht mehr wirklich menschlich. Dieses Wesen brauchte so gut wie keine Nahrung und hatte solch einen niedrigen Stoffwechsel, wie er es sonst nur von Dämonen kannte. Dennoch war er nicht dämonischer Herkunft. Dafür war er einfach zu wenig hässlich. Die Magie versorgte ihn offenbar mit allem, was er benötigte. Und sie beschützte ihn auch! Herkömmliche Waffen konnten ihm kaum etwas anhaben, prallten von einer Art Energiefeld ab. Keine noch so präzise abgefeuerte Waffe hatte ihn bisher getroffen oder wirklich verletzt. Alle Kugeln, Messer und Spritzen waren bisher stets rechtzeitig von seinem Körper abgelenkt worden. Es grenzte schier an ein Wunder, dass er Blue überhaupt in die Finger bekommen hatte. Aber so war Maslov eben. Er machte stets das Unmögliche möglich. Für seine Kunden, seine Opfer und für sich selber. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte er eben wirklich hartnäckig sein und eine geradezu teuflische Schlauheit an den Tag legen.

Maslov lachte böse in sich hinein. Eine Absonderlichkeit wie Blue beherrschen zu können zeigte, wie wichtig es war, von sich selbst überzeugt zu sein und die Basics von Magie und Dämonologie zu beherrschen. Dennoch hatte ihm vor allem geholfen, den Alltag von Blue zu studieren. Die Intervalle seiner Nahrungsaufnahme hatte er sich notieren lassen und danach die beste Gelegenheit abgewartet, um ihm unauffällig etwas ins Getränk zu mischen. Ja, ja! Die gute alte Welt der Drogen! Da konnte der Mann zaubern was er wollte, wenn der richtige Mix selbst ein achtes Weltwunder wie Blue in die Knie zwang.

Zwei dunkelhaarige Schönheiten gesellten sich zu Maslov, blickten entzückt auf den Gefangenen und seine angespannte Haltung. Mit schnellen, fließenden Bewegungen begannen sie ihren Chef zu verwöhnen. Wenn eine Hinrichtung auf der Tagesordnung stand, wurden sie alle immer so scharf, dass sie meist im Vorfeld einen kleinen Spannungsabbau brauchten. Vor allem, wenn der Henker und die Waffe ein und dieselbe Person war und so schön und hilflos in Ketten hing. Der blaue Schimmer seiner Haut war nur ein zusätzliches Highlight, sein markantes Gesicht und die harten Muskeln die eigentliche Attraktion.

„Von den Göttern gezeichnet“, lachte Maslov mit abfälliger Miene. „Und was nützt dir der ganze Scheiß jetzt? Liegst in Ketten vor mir auf den Knien, mit nichts an deinem Körper als deiner alten Hose. Was für ein erbärmliches Ende für einen Krieger, der einst gegen Dämonen kämpfte und danach gegen mich in den Krieg zog. Ja! Du warst vielleicht mal einer von den Guten, aber sei doch ehrlich, Blue... was hat es dir gebracht? Keiner hat sich je bei dir bedankt, oder? Ebenso wenig hat es auch nur einen deiner Freunde gekümmert, was in jener Nacht aus dir geworden ist. Ausgestoßen haben sie dich, verhöhnt und verspottet. Als Gezeichneter warst du nicht mehr tragbar für Evok. Richtige Freunde gab es sowieso nie in deinem Leben. Ebenso wenig wie Wertschätzung. Aber du wolltest ja unbedingt weiter den Helden spielen und dich mit der ganzen Welt anlegen. Vor allem mit dem Teil, der aus Verbrechern besteht.“ Er lachte rau. „Und mit mir. Was dein größter Fehler war!“ Mit bösem Grinsen kam Maslov einen Schritt näher auf seinen Gefangenen zu. Die beiden Damen folgten ihm wie zuckersüße Klebestreifen und versuchten, ihre Erotikarbeit nicht zu vernachlässigen.

„Soll ich dir sagen, was dein eigentliches Problem ist? Du warst bei Evok ein derart arrogantes Arschloch, dass dich einfach keiner gemocht hat. Wir beide wissen auch warum! Du hast alles, was dir in die Quere gekommen ist, flach gelegt... sowohl im Kampf als auch in weiterem Sinne.“ Maslov lachte und die Damen mit ihm, aber Blue zeigte keine Reaktion, schenkte Maslov nicht einmal einen Blick. Er stierte die ganze Zeit wie gebannt ins Leere und ließ die Worte des Manns offensichtlich an sich vorbeigehen. Maslov hatte gelernt, sich nicht darüber zu ärgern, denn er wusste, dass er jedes Wort verstand und das Zuhören nicht verhindern konnte. Und Worte waren ein ewig unterschätztes Machtinstrument.

„Ein kleiner Drink hat dir das Genick gebrochen, mein Freund. Klar braucht jeder mal auch ein bisschen Whiskey. Hey, mir brauchst du das nicht zu sagen! Zu dumm nur, dass ich von diesem Laster wusste, obwohl du lächerlich selten zur Flasche greifst. Aber selbstgerecht, wie du nun mal bist, hast du nicht damit gerechnet, verwundbar zu sein. Ein kleiner Drink in einer dunklen, verruchten Bar. Ach, Blue! Und dann noch nicht einmal in einer von meinen!“ Er lachte laut und schüttelte den Kopf über so viel Dummheit. Dazu bewegte er seine Fingerspitzen, als würde er eine Prise Salz in einen Drink geben. „Und schon bist du mit einem Schlag mein Sklave und bald bester Mitarbeiter.“ In Wahrheit hatte er diesem Drink so viel Amylnitrit und Benzodiazepine beigemengt, dass selbst ein Rhinozeros daran zugrunde gegangen wäre. Bei solch einer Naturgewalt wie dem magischen Mann war er lieber auf Nummer sicher gegangen. Blue war an dem Zeug aber nicht krepiert, hatte nur das Bewusstsein verloren und nun ein paar Gedächtnislücken zu verbuchen. Er war noch bei bester, verfluchter Gesundheit. Und der Fluch war in dem Fall gut. Amylnitrit wurde in Maslovs Kreisen als Popper-Droge gehandelt, hatte eine aphrodisierende und zugleich entspannende Wirkung. Wenn Maslov es also recht bedachte, hatte vielleicht sogar er mit seinem Drogencocktail einen ordentlichen Anteil dazu beigetragen, dass Blue plötzlich diese göttliche Geilheit ausstrahlte. Der Typ sah zwar gut aus, aber seine Wirkung ging deutlich über das Maß seines Aussehens hinaus.

Egal.

Ihm sollte es nur recht sein! Für seine Partys und Gangbangs war Blue der ideale Anheizfaktor und sollte er sich irgendwann doch noch auf seine Seite stellen, würde er ihn mit einem Vertrag der magischen Sonderklasse binden. Nur so war seine Macht kontrollierbar und keine Gefahr für ihn selbst.

„Dabei wäre es so leicht, du Idiot! Du brauchst kein Sklave sein, kannst jederzeit die Fronten wechseln und in meine Dienste treten. Das ist gar nicht so ein schlechtes Leben wie du vielleicht glaubst.“ Er schnalzte selbstgefällig mit der Zunge. „Aber solange du das nicht willst, bist du mein Gefangener und nur zum Vergnügen anderer da.“ Damit wandte er sich der kleinen Gruppe am Ende des Showraumes zu, denn die Party war natürlich längst im Gange. Drei der fünf Geschäftspartner lagen bereits mit Maslovs weiblichen und männlichen Sexdienern auf lauschigen Plätzen, ließen sich verwöhnen und genossen den guten Ausblick auf die Showbühne.

„Nicht wahr, meine lieben Gäste?“ Die Männer hoben nur kurz den Blick und nickten ihrem Gastgeber zu, die Nutten taten nicht mal das. Maslov war dennoch zufrieden und wandte sich wieder an Blue.

„Okay, diejenigen die sterben, haben mit dir wohl eher kein Vergnügen“, ergänzte er sarkastisch und verzog plötzlich das Gesicht. Mit einem wütenden Laut stieß er eine der beiden Nutten von seinem Körper. „Keine Zähne, du Hure. Das nächste Mal kannst du gleich bei Blue weitermachen, verstanden?“ Lilly rutschte auf Knien von ihm fort und zitterte am ganzen Leib. Sie wusste, wie tödlich der blaue Mann war und dass Maslov durchaus auch Frauen opferte.

„Verzeihung“, stieß sie hervor und beugte demütig den Kopf. Ein paar der Gäste fanden das ganz amüsant und lachten über die ängstliche Reaktion der Frau. Maslov hingegen knirschte mit den Zähnen und überlegte erste Maßnahmen. Er war ein Tyrann durch und durch und er hatte in seinem Reich alle Macht der Welt. Seine Stimmungsschwankungen und sein Zorn waren legendär und Folgen seines Drogenmissbrauchs. Aber das kümmerte ihn nicht sehr. Damit mussten seine Angestellten klarkommen, gehen ... oder sterben. So waren manchmal Zähne ein Muss, dann wieder vollkommen verkehrt. Nie wusste eine Gespielin, wie er es wirklich wollte und worauf sie sich gerade einließ. An guten Tagen bedeutete das ein paar Ohrfeigen, in krassen Fällen den Tod. In genau diesem Fall aber kam der verängstigten Lilly die andere Gespielin zu Hilfe.

„Blue soll seine Hose ausziehen“, flötete sie Maslov ins Ohr, während sie seine Hinterbacken massierte. Sie hatte richtig Feuer gefangen beim Anblick des Mannes und wollte von dem Fehler ihrer Freundin ablenken. „Bitte nur heute! Ein einziges Mal!“ Der Gefangene sah so hinreißend schön aus, dass sie einmal mehr sehen wollte, als nur seinen beeindruckenden Oberkörper.

„Du kannst sie ihm ja ausziehen, Süße“, ätzte Maslov. „Schutzanzug gibt es allerdings keinen.“ In seinen Augen glühte ein höllisches Feuer. Diese Nelly war einfach nur eine dumme Nuss und noch nicht lange bei ihm. Dafür waren ihre Brüste sensationell und ihre Lippen super aufgespritzt. Mit Eigenfett.

„Ich könnte es ja mal probieren“, zwitscherte sie allen Ernstes und einer der Gäste applaudierte spontan, um seine Zustimmung zu dem Himmelfahrtskommando zu geben. Ein Todesfall mehr oder weniger war auf solchen Partys schließlich kein Weltuntergang.

„Spinnst du?“, schrie Lilly aufgebracht, weil sie nicht wollte, dass ihre Freundin so mit ihrem Leben spielte. „Noch niemand hat das überlebt. Kein Mensch ist immun gegen die Magie. Jeder, der seine Haut berührt, geht in Flammen auf. In magischen Flammen. Du hast es doch schon einmal gesehen, Nelly! Du kannst doch nicht allen Ernstes...“

„Still!“ Maslov hatte es nicht so gerne, wenn andere etwas erklärten. „Lass sie doch, wenn sie möchte.“ Er grinste böse und stieß die dumme Nutte vorwärts. Die Gäste johlten fröhlich und Maslov zwinkerte ein paar Mal in die Runde. Doch das Mädchen hatte begriffen, dass das Ablenkungsmanöver plötzlich in eine sehr reale, tödliche Richtung schwenkte. Blue mordete zwar nicht, weil er wollte, konnte es aber auch nicht verhindern, wenn er nicht wollte. Unbeholfen stakste sie auf ihren extremen High Heels vorwärts, um den Stoß Maslovs abzufangen, dann aber blieb sie abrupt stehen und blickte wie erstarrt zu dem schönen Gefangenen. All seine Muskeln befanden sich selbst in dieser unwürdigen Stellung in einem solch harmonischen Schwung, dass ein Teil von ihr ihn tatsächlich am liebsten angefasst hätte. Blue hob den Kopf. Seine Augen waren silbern und klar und starrten sie direkt an. Beinahe unmerklich schüttelte er den Kopf und deutete dem Mädchen, nicht näher zu kommen. Ihr Herz begann zu flattern, ihre Hände zu schwitzen. Endgültig begriff sie, wie tödlich ernst Maslov es meinte. Er hatte ein Herz aus Stein und für nichts und niemanden wirklich etwas über. Nelly aber wollte nicht sterben. Mit ängstlichem Blick wandte sie sich wieder um und stöckelte langsam zurück zu ihrem Boss. Maslov packte sie unsanft am Arm.

„Nein? Magst du ihn doch nicht anfassen, du Dummchen?“ Sein Griff wurde härter. „Gut, dann aber ab mit dir auf die Knie und ja keine Zähne!“ Nelly tat sofort wie ihr geheißen wurde, öffnete Maslovs Hose und legte sich augenblicklich ins Zeug. Maslov knurrte zufrieden und schenkte Lilly noch einen kurzen, abschätzigen Blick. „Und du kannst dich verdrücken. Ich brauch dich heute nicht mehr.“ Das musste er ihr nicht zweimal sagen. Aus irgendeinem Grund war Maslov milde gestimmt. Auch Nelly schien glimpflich davonzukommen, denn schließlich gab es weit schlimmere Jobs als die von Mr. Blow vor versammelter Mannschaft.

Als Lilly zur Tür hinaus stolperte, wurde zeitgleich ein junger Mann in den Raum gestoßen. Seine Hände waren auf den Rücken gebunden und ein riesiger Knebel steckte in seinem Mund... ein Ball, der mit einer Schnur um seinen Kopf befestigt worden war. Offensichtlich ein Requisit aus Maslovs SM-Raum. Kreidebleich ließ sich der Mann auf die Knie fallen und flehte Maslov in stiller Verzweiflung um Vergebung an. Seine Schultern bebten und jeder konnte sehen, dass er weinte und um sein Schicksal wusste. Doch Maslov hatte für heute schon genug Milde gezeigt. Lilly war zu schön, um sie hart zu bestrafen und die Neue hatte noch eine Chance verdient, weil sie gerade wirklich gut an ihm saugte. Für Verräter aber hatte er nichts über, schon gar keine Vergebung.

„André, du mieses, kleines Arschloch! Du hast mich diese Woche ein kleines Vermögen gekostet.“ Maslov zischte den Rest des Satzes wie eine böse gewordene Schlange. Er ärgerte sich, dass André versucht hatte, einen Teil der letzten Drogenladung für sich abzuzweigen. Zusätzlich hatte sich Nelly gerade mächtig ins Zeug gelegt. Seine Hand auf ihrem Kopf bestätigte, dass der Zischlaut wohl eher wegen ihr erfolgt war. Mit lüstern verdrehten Augen packte er sie noch fester an den Haaren, dann deutete er seinen beiden Wachhunden mit der Aktion zu beginnen. Er liebte es zu kommen, wenn ein anderer ging und er schaffte es jedes Mal, sich über das primitive Wortspiel zu amüsieren. Uh, diese Nelly gab wirklich Gas. Mit einer schnellen Bewegung deutet er seinen beiden Muskelprotzen, dass sie sich zu beeilen hatten. Auch seine Gäste waren längst soweit, dass sie zusätzlich zum Verwöhnprogramm noch einen gehörigen Kick gebrauchen konnten. Andrés Knebel wurde entfernt, seine Fesseln natürlich nicht. Etwas Geschrei war durchaus anregend, aber die Sicherheit der Gäste durfte nicht aufs Spiel gesetzt werden. Menschen, die dem Tode ins Gesicht sahen, konnten ganz leicht durchdrehen und zu einem Risiko werden. Maslov aber wollte hier nichts riskieren. Er war zwar einer der wirklich bösen Jungs auf diesem Planeten, doch er hatte eine Menge über für ... Sicherheit. André hatte für seinen Verrat zu sterben und was lag da näher, als damit seine Gäste zu unterhalten? Die meisten Geschäftspartner liebten diese Shows über alles. Die ersten klatschten bereits heftig Beifall, schnupften nebenbei Kokain und ließen sich weiterhin auf alle erdenklichen Arten von den Damen und Herren des Hauses verwöhnen. Gangbang auf Maslov-Art eben.

André kreischte panisch und versuchte, der vorgegebenen Richtung mit seinem ganzen Körpergewicht gegenzusteuern. Doch die beiden Schlägertypen waren unerbittlich, schoben ihn weiter zur Bühne. Näher und immer näher kam er dem blauen Mann, der mit versteinerter Miene auf das Unausweichliche wartete.

„Ich wurde reingelegt“, brüllte André. „Ich wusste es nicht. Ich habe doch nur ...“ Ich, ich, ich. Seine Verzweiflung war offensichtlich, das Festhalten am ICH eine logische Konsequenz, kurz vor dem großen Verlust.

„Fester!“, knurrte Maslov Nelly an und „Schneller!“, forderte er fast zeitgleich von seinen beiden Lakaien. Genau das war in seinen Augen die Kunst einer perfekten Inszenierung. Er musste dirigieren, vorgeben und den kollektiven Orgasmus schüren. Und er hatte ein ganz gutes Händchen dafür, dass beinahe immer alles gleichzeitig oder eben zur rechten Zeit passierte. Nur so war es perfekt und nur so konnte er es richtig genießen. Die kopulierenden Gäste im Hintergrund, ihr Stöhnen, das Jammern des Todgeweihten, Maslovs eigener, nahender Höhepunkt... es war ein geniales Szenario. Dazu Blues angespannter Körper und letztendlich der Tod eines Verräters. Niemand konnte bei solchen Spielchen Maslov das Wasser reichen, niemand auch nur im Entferntesten seine Qualität erreichen.

André erhielt einen kräftigen Stoß und kam ins Straucheln. Blues Oberkörper spannte sich an, erwartete das Unausweichliche. Jeden Moment konnte der Aufprall des jungen Mannes geschehen und damit der quälende Schmerz des Feuers. Das Zischen der Haut, der Gestank von verbranntem Fleisch... all das konnte Blue kaum noch ertragen. Doch er biss die Zähne zusammen, hatte keine Chance sich zu wehren. Die tödliche Magie der Zeichen funktionierte, ob er wollte oder nicht.

Zehn, neun, ... in Gedanken zählte er die Sekunden. Der Mann hatte gleich Kontakt mit seiner Haut – mit seiner Gott verfluchten Haut – und war in spätestens fünf Minuten nichts weiter als Asche. Und das Schlimmste daran war die furchtbare Leere danach.

02.Kapitel

„Der Landausflug wird der Hammer.“ Annika zupfte an ihrem süßen, durchsichtigen Kleid und schob ihre Brüste ein wenig höher. Alle drei Mädchen sahen zum Anbeißen aus mit ihren Flipflops, den kurzen Kleidern und den Bikinis darunter.

„Wie heißt die Insel noch mal?“, fragte Vanessa und leckte sich den Lippenstift von den Zähnen. Ohne Make-up ging bei den Mädchen gar nichts, selbst wenn es nur ein Badeausflug werden sollte.

„Satsche-irgendwas. Ist doch egal. Eine tolle Insel irgendwo zwischen arabischem Meer und indischem Ozean. Sie ist herrlich einsam und hat nur Palmen, weißen Strand und keine Haie.“ Leonie lachte böse und zwinkerte Vanessa zu, weil sie wusste, wie sehr die sich vor den spitzzahnigen Viechern fürchtete. Vanessas Miene gefror auch augenblicklich, aber ihre Hand blieb beweglich und so boxte sie ihre Freundin fest in den Oberarm. Leoni japste überrascht und fuhr sich mit dem Lippenstift bis fast zu den Ohren.

„Scheiße, muss das sein? Sieh mal wie ich jetzt aussehe“, empörte sie sich, prustete aber gleich darauf los und machte eine Grimasse. Annika und Vanessa kicherten ebenfalls.

„Kein Wunder, wenn das mit Alex nichts wird“, meinte Annika frech. „So wie du immer rumrennst.“ Selbst hatte sie längst ein Auge auf den Kapitän geworfen und flirtete mit dem süßen Steward nur noch selten. Der stand sowieso ganz offensichtlich nur auf Vanessa, obwohl die ja wieder einmal überhaupt nichts bemerkte. Sie scherzte zwar immer fleißig mit und flirtete, aber echtes Interesse ging an ihrem Sensor vorbei. Da hatte Vanessa schon die selten gute Begabung, durch Ignoranz alles zu verbocken. Vielleicht war sie gerade deshalb so interessant für Männer wie Alex, denn der war nicht etwa der anständige Steward, als der er sich gerne präsentierte. Soweit hatte Annika den Typen schon abgecheckt. Mit Sicherheit war er der reinste Filou und konnte jede Frau an Bord haben, wenn er nur mit den Fingern schnippte. Lediglich Leonie schien das nicht zu sehen, oder auch nicht zu stören. Sie hatte sich vollkommen auf diesen Typen eingeschossen und war wild entschlossen, ihn zu Fall zu bringen. Nur eben bisher ohne Erfolg.

„Pfff! Das wird schon noch. Das Bürschchen ziert sich halt noch ein bisschen.“ Leonie ließ sich nicht auf die Schippe nehmen. Sie wusste was sie hatte und was sie wollte. Bis zum Ende der Luxusreise würde sie den süßen Steward schon noch vernaschen. Es war wie eine Wette mit sich selber und ein großartiges Versprechen an ihre Libido. Außerdem hatte sie mitbekommen, dass Annika kein Interesse mehr an ihm hatte und Vanessa sowieso nie wirklich auf ihn abgefahren war. Sicherheitshalber fragte sie bei Vanessa noch einmal nach, denn von ihr wusste sie immer am wenigsten, was sie wollte. „Warum magst du ihn eigentlich nicht rumkriegen?“

„Wen?“, fragte Vanessa gedankenverloren und die beiden anderen Frauen verdrehten die Augen.

„Danke! Das war eigentlich schon Antwort genug“, lachte Annika.

„Alex, der Steward!!! Klingeling!“ Leonie wackelte mit ihrer Hand vor Vanessas Gesicht, als würde sie mit einem kleinen Glöckchen klingeln. „Warum du nicht wollen gute Erfahrung mit heiße Kellner machen?“

„Hä?“ Vanessa blinzelt kurz, dann kapierte sie. „Warum du reden wie Bescheuerte?“, konterte sie trocken, war aber nicht bereit, wirklich Antwort zu geben. Überhaupt wirkte sie plötzlich viel zu ernst.

„Was ist denn los, Süße? Ich mach doch nur Spaß.“ Leonie wirkte besorgt und auch Annika bemerkte Vanessas seltsamen Stimmungswechsel.

„Stimmt was nicht, Nessi?“, fragte sie, denn mit dem Namen konnte sie ihre Freundin immer aufheitern... oder ärgern. Je nachdem. Nessi wurde vom Ungeheuer von Loch Ness abgeleitet und Vanessa hatte nun mal einen schönen, langen Hals. Vanessas Mundwinkel hoben sich ein klein wenig.

„Ach, ihr beiden seid süß. Aber ich...“ Sie druckste ein wenig herum. „Ich habe so verdammtes Heimweh.“

„WAAAS?“ Annikas Augen wurden groß.

„Ist jetzt nicht dein Ernst!“

„Nach nur drei Tagen?“ Leonie und Annika waren sich einig, dass Vanessa ihren Verstand verloren hatte. Heimweh nach solch kurzer Zeit war abartig, überhaupt wo sie gleich eine ultrageile Insel mit weißem Sand und Palmen einweihen sollten. Doch das war Vanessa egal. Sie schniefte und zeigte keine Spur mehr von Fröhlichkeit. Als hätte sie das schon die längste Zeit nur überspielt. Ihre Augen glitzerten verdächtig nach Tränen.

„Ach komm, Süße!“ Leonie umarmte ihre Freundin spontan. Sie konnte zwar nicht nachvollziehen, warum sie so traurig war, doch Tränen kochten sie immer weich. Annika hingegen machten sie ärgerlich.

„Wehe, wenn du uns jetzt alles verdirbst. Meine Güte! DU wolltest doch unbedingt mit. Jetzt sind wir gerade mal drei Tage auf diesem geilen Überluxusdampfer und haben all das leckere Zeugs an Bord. Und ich rede nicht nur von den Cocktails, Baby! Trotzdem hältst du es nicht aus?“ Sie atmete tief ein. „Nur weil der Überknaller für dich halt noch nicht vorbeigeflogen ist...“ Sie machte eine kurze Pause und beugte sich näher zu Vanessa. „Zugegeben, nicht alles was hier glänzt ist Gold. Da ist schon der eine oder andere Kahlkopf dabei. Eine Menge der Gäste sind schon... naja... im Seniorenalter. Das bringt der Luxus eben mit sich. Aber wir haben hier alle Freiheiten und ein paar von den älteren Herrschaften sind auch nicht ganz ohne. Der Kapitän zum Beispiel...“

„...der hat vielleicht auch eine Platte unter seinem Käppi“, ätzte Leonie und streckte ihrer Freundin zum Spaß die Zunge raus.

„Ach, still! Ich wollte ihr doch nur erklären, dass sie einfach noch ein bisschen suchen soll und abwarten muss.“ Annika deutete Leonie, dass sie mit ihrem Zungenspiel aufhören sollte. Dann wandte sie sich wieder Vanessa zu. „Irgendwo hockt er schon, der Mann, der auch zu dir passt... und zu deinem ersten Mal.“ Ups. Eigentlich hatte sie versprochen, nicht darüber zu reden.

„Erstes Mal?“ Leonie bekam gleich ganz große Ohren. „Aber du hattest doch mit siebzehn schon einen Freund und du hast gesagt...“

„Ich habe gelogen“, unterbrach Vanessa ihre Freundin barsch. Dann wandte sie sich an Annika und zog eine Grimasse. „DANKE, Annika. Seeehr einfühlsam.“

„Ja, sorry. Du hast mich einfach auf dem falschen Fuß erwischt.“

„Womit denn? Mit meinem Seelenschmerz?“ Vanessas Frage triefte vor Selbstmitleid, aber sie meinte es genauso, wie sie es sagte. Bei starkem Heimweh wurde man nun mal theatralisch.

„Ja, mein Gott!“ Annika pustete sich frustriert eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wir haben uns geschworen, jeden Tag Party zu machen und es uns gut gehen zu lassen. Schon vergessen? Was soll dann der Scheiß jetzt mit den Tränen und dem ich will wieder zu Mami?“ Annika kam überhaupt nicht mehr runter, aber auch Vanessa ließ nicht locker.

„Wenn hier jemand was verdirbt, dann gerade du mit deiner unsensiblen Art. Man muss nicht immer nur hart und stark sein und alles gleich niederbulldozern, nur weil’s mal um Gefühle geht!“ Vanessa und Annika sahen sich an, als würden sie gleich aufeinander losgehen. Leonie wusste sich nicht anders zu helfen, als laut loszuschreien.

„Jetzt reicht‘s aber! Wenn ihr zwei euch nicht augenblicklich wieder einkriegt, bin ich auch noch sauer und glaubt mir, DAS wollt ihr euch nicht antun. Wie ihr wisst, neige ich zu Verdauungsstörungen, wenn mich was wirklich aufregt.“ Annika und Vanessa wollten noch etwas sagen, doch als ihnen klar wurde, womit Leonie gerade drohte, konnten sie ein erstes Grinsen nicht länger verhindern.

„Untersteh dich! Redest du gerade vom Furzen? Gott, du bist so primitiv.“ Annika hielt sich demonstrativ die Nase zu. „Wir teilen uns immerhin eine Kabine.“

„Eben“, feixte Leonie und blitzte mit ihren funkelnden Augen einmal herausfordernd zu Vanessa und dann wieder zu Annika. Demonstrativ hob sie ihren Allerwertesten vom Sessel und wartete ab. Und das Grinsen der beiden blieb, wenn auch mit einem leichten Ausdruck des Entsetzens. Die allgemeine Stimmung schwappte jedenfalls wieder in die fröhliche Ecke, wo sie im Urlaub ja auch hingehörte.

„Okay, Stinkaz! Dann entschuldige ich mich eben. Äh... sorry, Nessi.“ Annika wirkte tatsächlich einsichtig und schickte Vanessa ein kleines Flugküsschen. Und die fing es auch gleich auf.

„Ach, okay“, antwortete Vanessa, drückte sich die Handfläche mit dem gefangenen Küsschen auf die Wange und versuchte ein Lächeln.

---ENDE DER LESEPROBE---