Göttlicher Thor - Sabineee Berger - E-Book
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Sabineee Berger

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Beschreibung

Siena ist eine spirituelle Frau, hat zwei Ehen und eine schwere Zeit hinter sich. Doch sie gibt nicht auf und öffnet sich allmählich wieder dem Leben. Sie entdeckt ihre magischen Kräfte und lenkt schon beim ersten wirklichen Ausflug in eine andere Dimension das Interesse eines waschechten Gottes auf sich. Keinem Geringeren als Thor, dem Gott des Hammers und des Donners. „Spirituell-fantastisch und völlig neu … aus der Ich-Perspektive BEIDER Hauptprotagonisten.“

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Sabineee Berger

Göttlicher Thor

 

 

 

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- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

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Impressum tolino

Prolog

Ich bin göttlich und ich bin vollkommen.

Eigentlich wäre damit alles gesagt. Allerdings gibt es eine Sache, die ich nicht verstehe. Sowohl von den Göttern nicht, als auch von den Menschen. Lebewesen unterliegen einem uralten Grundprinzip der Verbundenheit. Einem Kollektiv, das sie mehr oder weniger selbst göttlich macht. Und ich sollte es wissen, denn ich bin einer der Wenigen, der dieses System noch speist und nutzt. Ein einfacher Anwender sozusagen und seit kurzem auch so etwas wie ein göttlicher Wächter. Abgestellt und beauftragt von meinem Vater, aber auch weil ich es will und erkannt habe, dass dieses Medium schützenswert ist. Es ist wie eine Straße aus Licht, ein Weg durch die Sterne und somit eine Möglichkeit von einem Ort zum nächsten und damit auch zu anderen Welten zu reisen. Dieses Kollektiv birgt sowohl Gefahren, als auch viele Möglichkeiten – auch, wenn die Vorteile überwiegen. Wir nennen es ja auch dieStraße der Gemeinsamkeit, weil dieses Netz wie das Händereichen aller Wesen ist. Miteinander und mit allen anderen Welten. Auch wenn diese Vorstellung wohl die schwierigste ist. Metaphern hängen zudem immer von den jeweiligen Wurzeln ab. Ich persönliche hätte dieses Kollektiv früher Asgard genannt und Vergleiche mit Schiffen und Eroberungen von Welten angestellt. Wikingermythologie eben. Die ist zwar nicht die Schlechteste, aber in diesem Fall eindeutig zu gering bemessen. Denn ... zum Glück bedeutet Vollkommenheit nicht automatisch Stillstand. Der beste Beweis dafür ist diese Straße, dieses göttliche Netz. Seit Anbeginn des Lebens pulsiert es durch das gesamte Universum, rankt und schlängelt sich durch die Welten, erreicht höchste Dimensionen und tiefste Ebenen, durchzieht die Zeit und alles und jeden, der von göttlicher Energie genährt wird.

Es gibt also nicht nur Walhall mit seinem Götterpalast Valaskjalf. Obwohl mein Vater sich Odin nennt und er tatsächlich seine Burg Gladsheim in Asgard im Reich der Asen nennt. Doch es ist keine Burg im herkömmlichen Sinn und das Reich Asgard gibt es eigentlich nicht mehr, nur noch Abschnitte im Kollektiv. Dennoch nutzen wir diese Namen wie einen Nachhall vergangener Zeiten, als Erinnerung vielleicht an die Anbetung der Menschen damals. Okay, möglicherweise aus purer Sentimentalität. Die Menschen waren es nämlich, die uns zu dem geformt haben, was wir damals waren und heute nur noch in geringem Ausmaß sind. Und doch sind es unsere Wurzeln, die uns immer prägen werden. Für alle Zeit. Die Verehrung durch Menschen haben wir ebenso genossen, wie ihre Erschaffung unserer Bedeutung und Namen. Als Asen waren wir – im Gegensatz zu den Wanen – die kriegerischen Götter. Und wer lässt sich nicht gerne als mächtig bezeichnen und stark? Sanktionsgewalt ist herrlich und obliegt ausschließlich den Kriegern und jenen, die im entscheidenden Moment nicht zögern. Und genau das tue ich nie! Ich zögere nicht, wenn es darauf ankommt. Mut ist etwas das ich anbete, Stärke etwas das ich liebe und doch erfreuen mich auch die Feinheiten des Lebens, kleinste Schwingungen, Schönheit.

Ich bin Thor und ich habe nichts gemein mit dem kleinen Menschlein, der mich in diesem – wie nennt man es noch? – Kinofilm darstellt. Wobei mein Vater etwas anderes behauptet und dabei so seltsam lächelt, als würde er mich necken und es dennoch ernst meinen. Dabei kann ein derart rundes Gesicht mit womöglich aufgeklebtem Bart niemals das eines Kriegers sein. Niemals!

Aber ich schweife ab, denn Eitelkeit verspüre ich ebenfalls nur wie einen Nachhall früherer Zeiten. Im Prinzip bin ich frei von derart niederen Emotionen. Ich vergesse vielleicht nur nicht so schnell wie manch andere Götter und ich genieße die Vielschichtigkeit meines Wesens. Daher bin ich zurzeit auch der Einzige aus unseren Reihen, der sich noch für das Kollektiv interessiert. Denn ... wie soll ich es benennen?

Es geht uns zu gut!

Wir Götter brauchen dieses Netz eigentlich nicht mehr, sind mit uns und unserem erfüllten Leben zufrieden. Wie auch nicht? Ich meine, Göttlichkeit ist wunderbar! Wir haben alles, wovon man nur träumen kann und die meisten meiner Art sind derart gesättigt, dass sie dieses Kollektiv kaum noch mit ihrer Macht und Kraft speisen. Die Notwendigkeit ist ihnen verloren gegangen. Den Menschen wiederum das Wissen. Sie sind dünn beseelt, spüren kaum noch verbindende Schwingungen und ahnen nichts vom großen Ganzen. Dabei geht es hier wirklich um sehr viel. Vielleicht sogar um die Lebensessenz schlechthin. Odin würde jetzt sicher den Kopf schütteln und mahnende Worte an mich richten, aber ich glaube, dass unser Kollektiv krank ist und leicht schwindet. Immer öfter beschleicht mich ein seltsames Gefühl, wenn ich in das Netz tauche und seine seltsame Schwingung von Unbedeutsamkeit wahrnehme. Als würde der Lebenssaft des Universums langsam versiegen, die Bewegung sich verlangsamen oder demnächst ein großer Stillstand bevorstehen. Und das liegt sowohl an den Menschen, den Göttern, als auch an all den anderen Wesen, die ein Teil dieses Systems sind. Doch vor allem die Menschen machen mir Sorgen! Nicht nur, dass sie sich von den Göttern abgewandt haben, zeigen sie auch kaum Interesse und noch weniger Engagement an dieser Verbundenheit aktiv teilzuhaben. Etwas, das ich kaum begreifen kann, weil dieses Netz doch die Möglichkeit bietet mit allem und jedem in Kontakt zu treten. Es ist göttliche Kommunikation und nicht nur das! Dieses Kollektiv ist wie eine riesige Tankstelle wahrer Lebensessenz. Zumindest solange es eben noch pulsiert und sich selbst nährt und auch genährt wird durch seine Wichtigkeit und Nutzung. Die Götter aber haben keinen Bedarf und die meisten Menschen haben sich von ihrer Göttlichkeit so weit entfernt, dass sie keinen Zugang mehr finden, obwohl genau das ihre Erlösung sein könnte. Sie sind von Nichtigkeiten abgelenkt, rücksichtslos unterwegs und zeigen zu wenig Einfühlungsvermögen. Meist sind sie nur in den dünnsten Ausläufen – der sogenannten ätherischen Peripherie – zu finden. Dort tümpeln sie herum und schnappen nach Luft, ohne zu wissen, dass sie eigentlich nur die Hand ausstrecken müssten, um Zugriff zu bekommen ... zur Quelle und damit auch zu uns. Eine ehrliche Bitte ging noch nie verloren, wurde immer gehört. Zumindest glauben wir das, denn wir sind zwar vollkommen, aber noch lange nicht perfekt. Und das ist kein Widerspruch, auch wenn es vielleicht so klingt. Denn wahre Vollkommenheit hört nie auf sich weiterzuentwickeln.

Odin und die anderen tangiert das freilich wenig, denn – wie gesagt – die meisten von uns sind gesättigt und erfreuen sich ihrer Existenz. Wir genießen jeden Moment, halten Spiele ab und Kämpfe, weil jeder so seine Wurzeln hat und Erinnerungen pflegt. Ich zum Beispiel stamme vom kriegerischen Wikingervolk ab, auch wenn mein Vater immer wieder betont, dass ich in erster Linie von IHM abstamme. Doch die Wurzeln begründen sich bei uns auf den Glauben der Menschen und den Leben, die wir auf der Erde absolviert haben. Meine waren unzählig und sie waren meist kriegerischer Natur. Dennoch habe ich in meiner jetzigen Existenz irgendwann mehr Interesse am Kollektiv entwickelt als andere. Vielleicht war es Instinkt oder eine Ahnung, dass unser aller Leben in Gefahr sein könnte. Womöglich ist es auch meine Bestimmung hier Wächter zu sein, so wie es als Thor meine Aufgabe gewesen sein mochte über Midgard, die Welt der Menschen, zu wachen. Damals zumindest, als ich noch ausschließlich Thor war und sehr viel mit meinem Hammer, dem Donner und dem Krieg beschäftigt war. Mittlerweile aber bin ich mehr, sehr viel mehr. Auch wenn sich das nicht genauer benennen lässt und ich immer noch gerne meinen Namen Thor trage.

Zurück zur Straße der Gemeinsamkeit! Denn um die geht es. Wenn sie versiegt, macht nichts mehr Sinn. Schwindet das göttliche Netz, schwinden wir letztendlich alle. Auch wenn die Götter über meine Theorie lachen, weil sie es sich in ihrer Fülle nicht vorstellen können. Dabei könnte das ganze Universum zusammenbrechen und somit das Leben an sich! Vielleicht kann man es sich vorstellen wie bei einem menschlichen Körper, wo die alles nährende Blutzufuhr permanent verringert wird, Venen und Arterien verkümmern und alles unterversorgt wird, bis es stirbt.

Göttlichkeit ist zwar unbeschreiblich, aber ich bin mir sicher, dass auch hier ein System zugrunde liegt. Und wie bei jeder (womöglich noch so versteckten) Art von Ordnung vermag eine zu lange anhaltende Dysfunktion etwas daran verändern oder zusammenbrechen lassen.

1. Kapitel

Ich bin ein Nichts. Ein Niemand.

Meine Seele schwindet mit jedem Tag. Ich bin allein und werde es für den Rest meines Lebens bleiben. Das ist der traurige Stand nach vielen Jahren, die Bilanz meines Lebens und das Ergebnis unzähliger Versuche das Leben zu leben. Zwei gescheiterte Ehen und eine Fehlgeburt haben mich ausgelaugt. Mein Job gibt mir nichts und ich könnte jeden Tag nur heulen und einen Spiegel nach dem anderen zertreten, höre in meiner Fantasie das Glas bersten und den Splitt unter meinen Schuhsohlen knirschen. Denn, ja! Mit Vorstellungskraft bin ich gesegnet. Doch die hilft mir nicht in meiner Depression. Wie ein räudiges Monster hat mich die Krankheit im Griff, schleudert mich mal dort hin, dann wieder in eine andere Richtung. Doch egal, wo ich aufschlage und versuche mich aufzurappeln ... der Grundtenor ist immer derselbe und lautet: gähnende Leere, grässliche Dunkelheit und ein Leben, das sich zum Kotzen anfühlt.

Allmählich werde ich verrückt. Es ist eine Feststellung, eine logische Konsequenz und der Höhepunkt einer Krankheit, während sich alles um den Tiefpunkt einer Dreißigjährigen dreht. An manchen Tagen frage ich mich, warum mein Körper weiter funktioniert, mein Herz noch schlägt und in gemächlichem Rhythmus Blut durch meinen maroden, übergewichtigen Körper pumpt. Ich bin hässlich, ich bin tot und lebe dennoch. Warum? Warum nur kann mein Körper nicht akzeptieren, dass auf dieser Welt kein Platz für ihn ist?

Betroffen legte meine Therapeutin den Zettel beiseite, nachdem sie ihn mir laut vorgelesen hatte. Den Brief hatte ich ihr vor über zwei Jahren in einem Anflug von Selbsthass geschrieben.

„So schlimm?“, fragte ich sie und versuchte ein schelmisches Zwinkern, das irgendwie misslang und zu einem Blinzeln wurde, als wäre mir etwas ins Auge gefallen.

„Sehr“, gab sie zur Antwort und hatte tatsächlich Tränen in den Augen. „Zum Glück hast du tolle Fortschritte gemacht, Siena. In 27 Monaten bist du weitergekommen, als manche in Jahrzehnten. Du bist vielleicht noch nicht ganz heil, aber du stehst so unendlich knapp davor!“

„Danke. Ich habe mich auch sehr bemüht und du hast mir gezeigt, dass ich leben möchte. Und zwar gesund leben möchte.“

„Ja, das ist mir schon aufgefallen“, lachte sie. „Und du siehst auch fabelhaft aus. Kannst du dich noch erinnern? Damals am Beginn deiner Therapie hattest du mehr als fünfzehn Kilogramm Übergewicht, einen fahlen Teint, hängende Schultern und Angst, deine Wohnung zu verlassen.“

„Iiihh. Erinnere mich nicht! Die Angst war höllisch und mein Bauch damals eine echte Katastrophe. Alle Frauen sammeln Fett an den Hüften an, nur bei mir hat sich alles um den Bauch gestaut.“

„Du weißt warum“, meinte Kathrin sanft und sah mich auf eine Weise an, die mir zeigte, wie viel ich mittlerweile dazugelernt hatte. Denn ja! Ich wusste warum ich so viel in mich hineingestopft hatte.

„Ich weiß! Im Bauch sitzen die Emotionen und ich habe mir einen Panzer drumherum aufgebaut. Logisch und nachvollziehbar ... aber deswegen nicht weniger ekelhaft.“

„Ekelhaft ist ein hässliches Wort. Du sprichst zwar von Vergangenem, aber du solltest doch immer möglichst respektvoll von dir sprechen. Du weißt wie schlecht sich negative Beurteilungen für dich auswirken. Aber zu etwas anderem ... was machen denn deine Drachen?“ Kathrins Augen glitzerten vor Interesse und ich spürte wie mein Herz eine Nuance schneller schlug. Dieses Thema war für mich die pure Aufregung.

„Ich bin in Kontakt. Es funktioniert immer noch.“

„Es ist so unglaublich, dass du gelernt hast auf diese Weise mit anderen Wesen zu kommunizieren.“

„Unglaublich finde ich eher, dass du mir glaubst“, scherzte ich, denn ein paar meiner Freundinnen hatten mich für völlig irre abgeschrieben.

„Warum nicht? Du bist ein spiritueller Mensch. Die Luft um dich herum knistert förmlich.“

„Echt? Ist mir noch nicht aufgefallen.“

„So viel zum Thema: FAST ganz heil. Du wirst schon noch merken, welche Power du hast. Bist du wütend, kannst du deine Umgebung mit einem Blick förmlich niederbrennen. Bist du aber glücklich, kannst du selbst dem Hartgesottensten ein Lächeln abringen. Bei dir ist einfach nichts einfach. Volle Power oder gar nichts, sozusagen.“

„Aber an manchen Tagen ...“, begann ich geknickt und spürte den Rest der Dunkelheit wie ein kriechendes Tier im Hintergrund meines Bewusstseins. Depressionen waren nicht einfach so wegzuschnippen und da ich seit Wochen keine Medikamente mehr nahm, war ich mir nie ganz sicher, ob nicht doch wieder etwas von dem alten Unheil ausbrechen würde. Dabei arbeitete ich jeden Tag daran, diese Unsicherheit loszuwerden.

„Papperlapapp! Jeder ist an manchen Tagen nicht gut drauf. Du musst nur aufpassen, dass du nicht noch mal so derart abdriftest, dann wird alles gut. Du willst schließlich die strahlende Magie einer Königin und nicht das Dunkel einer frustrierten, alten Hexe. Schon vergessen?“

„Ja, aber diese Metapher geht mir allmählich auf den Keks.“

„Metapher? Ich weiß nicht wovon du sprichst.“

„Meinst du das etwa ernst? Ich dachte du willst nur bildhaft ausschmücken. Damit ich besser verstehe.“

„Also bitte, Mädchen! Du sprichst auf unbekannten Ebenen mit waschechten Drachen und wunderst dich über meine Formulierung? Du hast die Möglichkeit auf ganz ungewöhnliche Weise zu kommunizieren und glaubst noch immer nicht eine Hexe zu sein?“

„Warum auch?“

„Magierin, vielleicht?“, lockte sie. „Fee? Göttin?“

„Ach, Quatsch. Ich weiß nicht was ich bin. Ich kapiere nur, dass ich durch diese Therapie immer mehr ich selbst werde und gelernt habe auf meine Gefühle zu achten und mein Feingespür zu schulen.“

„Genau“, warf sie schnell ein und zwinkerte mir zu. „Du hattest ja auch einen sehr hohen Anspruch, soweit ich mich erinnern kann.“ Dieses „soweit ich mich erinnern kann“ sagte sie immer nur, wenn sie mir etwas ins Gedächtnis rufen wollte. Die Frau hatte nämlich ein wahrlich brillantes Erinnerungsvermögen, im Gegensatz zu mir. In dem Fall jedoch wusste ich genau, was sie meinte.

„Stimmt. Ich wollte Heilung auf allen Ebenen.“

„Wie bist du nur auf diese Formulierung gekommen?“ Kathrin sah mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Was ich schon ziemlich witzig fand, weil sie mich in der Blüte meiner schlimmsten Depression eigentlich nie so angesehen hatte. Lächelnd zuckte ich mit den Schultern.

„Weiß nicht. Eingebung, vielleicht.“

„Eingebung. Ts.“ Sie schnaubte und beugte sich mehr zu mir herüber. „Du warst schon immer eine Hexe, meine Liebe. Du hast dich dem nur nie gestellt und bist durch deine persönliche Geschichte, aber vor allem durch Stillstand und ungelebte Potentiale in eine Krankheit geschlittert. Hättest Du nichts dagegen unternommen, wärst du irgendwann zur schwarzmagischen, alten Furie geworden.“ Kathrin meinte es vollkommen ernst, doch mir war auch nach ein wenig Spaß.

„Aber das war ich doch schon! So kurz nach meiner Scheidung, als sich Georg wie der größte Vollidiot benommen hat, war ich wohl für einen Moment genau dort, wo du mich mit unbehandelter Depression in ein paar Jahren sehen würdest.“ Ich lachte.

„Stimmt“, gab sie zu und dachte kurz nach. „Da warst du wirklich eine giftige, alte Furie. Vielleicht nicht schwarzmagisch, weil dein Potential ja erst reifen muss, aber eine Hexe warst du allemal. Gott, habe ich mich vor dir gefürchtet!“ Kopfschüttelnd saß sie da und sah mich an, als wäre ich Xanthippe höchstpersönlich. Was mich ziemlich verblüffte.

„Was? Wann denn?“

„Als du das erste Mal zu mir gekommen bist, warst du total geladen und völlig aus deiner Mitte. Du hast ja keine Ahnung, was für eine brachiale Ausstrahlung du hast, wenn du sauer bist. Selbst mein Wolfshund würde seine süßen Ohren anlegen und nur noch leise winseln.“ Dazu machte sie solch ein mitfühlendes und zugleich betretenes Gesicht, dass ich spontan lachen musste.

„Du hast einen irischen Wolfshund?“, fragte ich spöttisch.

„Ja. Und?“ Sie machte ein unschuldiges Gesicht, doch in ihren Augen glitzerte bereits der Schalk.

„Aber du bist die kleinste Person, die ich kenne!“, schnaubte ich. „Wie kannst du dir so ein Riesentier ins Haus holen? Ich meine ...“ Ich war kurz sprachlos. „... was frisst der denn so den ganzen Tag lang? Und wenn er so viel frisst, was sch... der dann eigentlich?“

„Also bitte!“ Kurz wirkte sie ein wenig indigniert. „Am liebsten frisst er alte schwarzmagische Weiber und dementsprechend viel scheißt er dann auch“, konterte sie trocken. Sie hatte offenbar kein Problem mit dem Sch-Wort, sondern lachte vielmehr vergnügt über meine groß gewordenen Augen. Ich mochte ihre Schlagfertigkeit natürlich und musste schmunzeln, fühlte mich aber bemüßigt etwas klarzustellen.

„Ich bin keine Schwarzmagierin und werde auch nie eine sein“, meinte ich möglichst ernst, obwohl ich den Hund mit seinen vielen Kackhaufen kaum aus dem Kopf bekam.

„Ich weiß. Sonst wärst du nicht meine Patientin. Du bist eine der Guten, aber wie du weißt, kommst du aus einer ganz anderen Ecke.“ Damit spielte sie auf unsere letzte Sitzung an, wo ich in einer Art Vision verstanden hatte, dass ich meinen dunklen Teil annehmen musste, um endlich Zugriff auf mein ganzes Potential zu bekommen. Die Seele musste nun einmal vollständig werden. WIE dunkel sich der Teil dann allerdings dargestellt hatte, war über meinen Horizont gegangen, hatte mich schlicht vom Hocker – oder eigentlich von der Therapiecouch – gefetzt. Voll und ganz. Ich war sowohl psychisch als auch physisch am Hosenboden gelandet und hatte nach Luft geschnappt, weil die dunkle Kraft so klar auf meine Brust gedrückt hatte. Mit ganzer Wucht war mir klar geworden, welch ungeheure Macht ich oder jemand aus meiner Ahnenreihe irgendwann einmal gehabt haben musste.

„Ach, das!“ Ich zitterte, denn ich war nicht ohne Grund am Boden gelandet. Diese Kraft hatte mich vor die Wahl gestellt sie anzunehmen oder nicht und mir recht rasch ein JA abgerungen. Ein klares noch dazu. Doch die Gewalt hatte mir die Couch unterm Hintern weggerissen. Hässliche Bilder hatten mich überschwemmt und regelrecht aufgefressen. Klauen, Wurzeln, Fratzen. Alles in windenden, glänzenden Bewegungen. Schwarz, grässlich, schleimig und irre horrormäßig. Kathrin bemerkte meinen hektischen Blick.

„Schon gut, Siena!“, beruhigte sie mich. „Die Angst vor deiner Dunkelheit können wir bearbeiten. Es macht schließlich keinen Sinn, vor sich selber Angst zu haben.“

„Vor mir selber?“, keuchte ich und wischte in Gedanken die Krallen und Zähne beiseite, achtete darauf das dumpfe Gefühl der Schwärze zu übergehen, die Bedrohung zu negieren, das Knurren zu überhören.

„JA, vor dir selber!“ Kathrin schnappte sich meine beiden Hände und sah mir fest in die Augen. „Wach auf, Siena! Es gibt DAS Böse nicht. Das was du spürst und siehst bist du. Es ist ein Teil von dir und es ist womöglich nicht gar so grässlich, wie du jetzt vielleicht noch glaubst. Im Grunde ist schwarz und weiß doch neutral. Das Dunkle mag nur einfach noch ungewohnt sein. Nimm es an und finde es schön!“

„Schön?“, krächzte ich und zertrat in Gedanken gerade die matschige Zunge eines zähnefletschenden Monsters. Fantasie konnte durchaus bescheuert ausarten, wenn man gerade im dunklen Morast steckte. „Schön! Ja, klar“, spottete ich verzweifelt und bekam kaum Luft. Ich musste an mir arbeiten, an allem Möglichen, aber vor allem an meinen Glaubenssätzen. Das war mir klar, doch es war so verdammt beängstigend.

Selbst mit Humor.

„Ich habe gerade das Bedürfnis dem lieben netten Weihnachtsmann alle Haare vom Leib zu reißen. Auch am Sack.“

„Oh! Angst lässt dich derb werden. Schön.“

„Schön? Schon wieder?“ Ich keuchte immer noch und hatte nun zwei bescheuerte Bilder in meinem Kopf: Einen völlig enthaarten Weihnachtsmann mit Riesensäcken (nur nicht auf seinem Rücken) und einem halb zermatschten Monster mit einer Flut von gerupften, weißen Haaren vom heiligen Mann in seinen Krallen.

Kathrin ergriff meine Hand.

„Siena! Du hast dich schon vor einiger Zeit entschlossen es anzunehmen. Jetzt musst du aus der Angst heraustreten und sehen, was du mit dem Ding machen kannst. Wie heißt es doch immer wieder so schön? Der Fürst der Finsternis, der immer das Böse will und doch stets das Gute schafft?“

„Was, äh. Check ich grad nicht.“ Ich war verwirrt, aber auch abgelenkt, von dem dreisten Weihnachtsmann, der provokant lächelte und sich an seinen Riesendingern kratzte. Kathrin packte meine Hände eine Spur fester.

„Jetzt schalt einen Gang runter! Du bist immer gleich so aufgekratzt.“ Ich riss meine Augen auf, weil das Wort so treffend zu meiner Fantasie passte. Doch Kathrin wirkte ein wenig verärgert. „Vergiss diese Hirngespinste! Wir wollen, dass du mit deiner Kraft umgehen lernst und deine Möglichkeiten nicht wahllos verstreust. Also richte deine Visualisierungskraft gefälligst auf das Wesentliche! Schau nicht weg oder flüchte in abstruse Vorstellungen. Konzentriere dich auf das, was du mit der Dunkelheit machen kannst!“ Manchmal hatte ich wirklich den Eindruck, dass sie nicht nur sehr empathisch war, sondern Gedanken lesen konnte. Aber sie hatte ja recht! Was nutzte es sich mit witzigen Bildern abzulenken, wenn es galt Monster zu beherrschen oder sie gar zu akzeptieren? Anstrengend waren diese Prozesse dennoch und nervend.

Letztendlich aber versuchte ich mich dem zu stellen. Ich seufzte laut und formulierte in Gedanken die Absicht, endlich Ordnung in mein inneres Chaos zu bringen. Das war bei mir wohl immer der erste Schritt ... die Absicht, der echte Wunsch. Dafür schickte ich den nackten (und kahlen) Weihnachtsmann gleich einmal zum Nordpol, dachte mir noch ein Küsschen auf seinen Allerwertesten und widmete mich dann sogleich den dunklen Scheußlichkeiten, die zähnebleckend nur darauf warteten mich zu verschlingen. Knarrende Wurzeln, windende Biester, heulende Monster. Was für ein Unsinn! Und wie beängstigend! Uraltes kam da hoch, selbst Zeichen und Symbole, die ich noch nie bewusst gesehen hatte und auch nicht verstand. All das spürte ich mehr, als ich sehen konnte, aber es war ganz klar real.

Ich wusste, ich konnte in diese Welt tauchen, musste nur in die Angst hinein und mich ... nicht länger fürchten. Angst und nicht fürchten waren ein Widerspruch in sich, eine Ungereimtheit, eine Unmöglichkeit ... und doch war ich sicher, dass es möglich war, denn in Wahrheit gab es keine Grenzen. Vor allem nicht im eigenen Denken und Fühlen.

Nun denn ... schrie ich in Gedanken und brüllte damit das ganze Universum an, straffte meine Schultern, reckte das Kinn. Ausläufe der Angst machten es mir unmöglich, gleich freundlich zu sein, aber dann richtete sich meine Innenschau auf das Unvermeidliche, fokussierte das Dunkle, stellte sich den Biestern und ... begann sie liebevoll zu streicheln.

2. Kapitel

Mein bester Freund ist schwul und heißt Franz.

Allerdings durfte ich ihn bisher immer nur Francesko nennen. Nein, er ist nicht einfühlsamer als andere Männer und auch kein Friseur, sondern Automechaniker. Aber er ist ein guter Zuhörer, hat Verständnis für meine spirituellen Anwandlungen und zudem Muskeln zum Niederknien. Angefreundet hatten wir uns recht rasch im Fitnesscenter, wo ich mich auch jetzt noch drei Mal in der Woche schinde, um nie wieder übergewichtig zu werden. Von den meisten Kilos Überschuss hatte ich mich zwar bereits verabschiedet, aber vom perfekten Body war ich noch weit entfernt.

„Ciao bella!“ Francesko konnte es nicht lassen, einen auf italienischen Macho zu machen.

„Hallo, Franz!“ Gut, ich konnte es dafür nicht lassen, ihn zu ärgern. Er schnaubte auch prompt frustriert.

„Bist du wohl still, du böses Mädchen!“, zischt er und machte ein abwehrendes Teufelszeichen in meine Richtung. Was ich so blöd und witzig fand, dass ich ihm spontan ein Flugküsschen zuwarf. Er schmollte noch leicht wegen seines Namens, aber ein erstes Grinsen konnte er nicht verhindern.

„Na, turtelt ihr beiden schon wieder?“, fragte der riesige Bodybuilder neben ihm und grinste dabei, weil jeder hier von Franceskos sexueller Neigung wusste und ein Flirt daher nicht stattfand. Aber sie mochten alle einen unbekümmerten Umgang und Spaß. Im Kreise meiner Fitnesspartner bemerkte ich jedenfalls kaum Verkorkstheit und die Grenzen erschienen mir nicht gar so eng wie sonst. Die Männer hier verstanden alle Spaß, waren sehr bodenständig und natürlich. Zumindest normaler in ihrem Verhalten, als so manch einer auf der Straße. Und an etwas unnatürlich viel Muskelmasse hatte ich mich mit der Zeit gewöhnt. Wobei mir vor allem Männer gefielen, die nicht ganz so wuchtig waren. Ein bisschen überdurchschnittliches Volumen war schon wünschenswert, aber zu viel war nun einmal zu viel.

„Hast du nicht einen von deinen Muskeln zu sprengen?“, ätzte Francesko laut, weil er heute dann offenbar doch nicht in der Stimmung war für derartige Späßchen.

„Huch. Schon gut. Ich bin dann mal weiter vorne“, lachte Robert kein bisschen schockiert und ging mit frechem Augenzwinkern an mir vorbei zur Bizepsmaschine, wo er wieder mörderisch viele Kilos stemmen wollte. Wie viel genau wusste wohl keiner, aber das Donnern der Gewichte war immer durch die ganze Halle zu hören. Muskulöse Männer, die schwitzten und manchmal ganz interessante Geräusche von sich gaben, waren schon auch ein Anreiz immer wieder hierher zu kommen. Die Kraft des visuellen Tankens, während man für den eigenen Körper arbeitete, war nicht zu unterschätzen und jeder schaute mal rechts oder links, genoss den einen oder anderen Anblick. Ob Frau oder Mann war dabei gar nicht einmal so wichtig, denn ein schöner Körper war so oder so interessant.

„Heute so brummig, Francesko? Ist dir etwas über die Leber gelaufen?“, fragte ich, weil mein Freund sonst immer eher einer von der heiteren Sorte war.

„Ein ... Freund ist gestern gestorben. Ein sehr guter Freund.“ Was? Ich war völlig von den Socken.

„Oh!“, brachte ich dann auch nur heraus, weil ich mich vor lauter Mitgefühl gleich so hundeelend fühlte. Da scherzte Robert und ich lachte brav und fand alles witzig und dabei hatte mein lieber Francesko einen Menschen verloren und machte gerade Furchtbares durch. So wenig Empathie war schon erschütternd. Sofort setzte ich mich neben ihn und legte meinen Arm um seine Schultern. Gut, das andere Ende seines breiten Rückens erreichte ich kaum, weil er eben gut gebaut war, aber er verstand die Geste richtig. Jetzt konnte ich auch sehen, wie sehr er sich bemühte nicht zu weinen.

„Du lieber Himmel! Was ist denn passiert?“ Endlich konnte ich sprechen.

„Es war ein Auto und nicht etwa Aids“, schnauzte er mich an und zog seinen Mund zu einem unschönen Bogen nach unten. Er war in Trauer und wütend.

„Jetzt hör aber auf!“, blaffte ich ihn dennoch an. „Ich hatte diese Vorurteile nie. Schon vergessen mit wem du hier redest? Darf ich vorstellen ... Siena. Und jetzt komm her und lass dich trösten. So eine Scheiße aber auch.“ Es waren sicher nicht die besten Worte für einen Mann, der einen Freund verloren hatte, aber offenbar verstand er sie richtig, denn er ließ sich darauf ein. Er seufzte schwer und begann tatsächlich zu weinen, beugte sich vornüber und versteckte sein Gesicht hinter den Handflächen. Automatisch verstärkte ich meinen Griff um seinen Körper und drückte schließlich sein Gesicht auf meine Schulter.

„Mein Gott, du Armer! Lass dich trösten und dann erzählst du mir ganz genau, was passiert ist.“ Seine Schultern bebten, und ich streichelte immer wieder sanft darüber, konnte aber nicht verhindern, dass ich ebenfalls zu heulen anfing. Wenn ich es denn dann mal schnallte, ging die Trauer eines anderen nie spurlos an mir vorbei. Zum Glück waren emotionale Ausbrüche in diesem Fitnesscenter kein Affront und mussten nicht unter den Teppich gekehrt werden. Tränen waren zwar auch hier ungewöhnlich, aber die meisten der Anwesenden waren reif genug und hatten schon eine Menge erlebt. Und Tränen waren schließlich niemandem fremd.

Nach ein paar Minuten hatte er sich beruhigt und bedankte sich mit einem herzergreifenden Schniefen bei mir.

„Danke. Das hat gutgetan. Weißt du ... ich hatte bisher irgendwie nicht die Zeit in den Verlust hineinzugehen. Ich meine, mich so richtig reinzuhängen, zu leiden und meine Emotionen frei zu lassen. Aber dein ‚komm lass dich trösten‘ hat mich umgehauen. Eben genau richtig erwischt.“

„Es tut mir sehr leid um deinen Freund.“

„Danke. Deine Anteilnahme tut auch gut.“ Er versuchte ein Lächeln und das rührte mich total. Zärtlich streichelte ich über sein Gesicht. Einfühlsame Männer waren ein Segen für die Welt. Sein Blick veränderte sich.

„Sag, Siena ... du erlebst doch immer seltsame Dinge, sprichst mit Drachen und wanderst irgendwie auf seltsamen Ebenen durch die Gegend.“

„Was? Warum kommst du jetzt darauf?“ Mit diesem Schwenk hatte ich irgendwie nicht gerechnet und es war mir seltsamerweise auch ein wenig peinlich. „Ich habe dir doch nur von ein paar eigenartigen Erlebnissen oder Träumen erzählt. Ich weiß ja selbst nicht genau, was ich da mache oder wie das passiert.“

„Egal! Kannst du mir vielleicht sagen, ob mein Freund gut ... äh ... im Himmel angekommen ist?“, fragte er besorgt und meinte es offenbar vollkommen ernst. Doch damit hatte ich noch viel weniger gerechnet. Vor lauter Verblüffung bekam ich den Mund nicht gleich zu.

„Wie bitte? Meinst du nicht, dass du da meine Fähigkeiten völlig überschätzt?“, krächzte ich überfordert, aber Franceskos Unterlippe begann leicht zu zittern und ich erkannte augenblicklich, dass es hier nicht um meine Unzulänglichkeiten und Ängste ging, sondern einzig und alleine darum, einem Freund zu helfen. Warum sollte es mir auch peinlich sein darüber zu reden?

„Okay, okay.“ Ich drängte das Gefühl von möglicher Unzulänglichkeit mit aller Kraft nieder. „Francesko ich weiß es wirklich nicht, ob das geht. Aber wenn du mir seinen Namen sagst und ein Bild mitgibst, werde ich versuchen ihn heute Nacht zu erspüren. So etwas habe ich zwar noch nie gemacht, aber für dich probiere ich es. Vielleicht kann ich ja wirklich rauskriegen wo er steckt und ob er es geschafft hat. Aber wieso fragst du überhaupt? Hast du Grund zur Annahme, dass er nicht erlöst wurde? Ich meine, ... dass er nicht in den Himmel gekommen ist?“ Diese Redensart erschien mir wie aus Kindertagen, aber warum sollte ich es nicht auch so benennen? Dennoch lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken, weil ich mich da viel zu wenig auskannte und mit Geistern und Toten nicht wirklich viel am Hut hatte. Oder haben wollte. Ich war mit meiner Therapeutin zwar schon wirklich weit gekommen und hatte viele Ängste abgebaut, aber mit Drachen zu reden und zu flirten war ein ganz anderes Kaliber als sich mit Geistern zu konfrontieren.

„Er heißt Roman Baldin und er sieht so aus.“ Damit fischte er aus den Untiefen seiner Sporthose ein verknittertes Bild und reichte es mir mit einem Blick der so laut nach Hilfe schrie, dass ich einfach nicht weghören konnte. Irgendwie rührte es mich auch, dass er das Foto sogar beim Training bei sich trug. Meine Anteilnahme wurde automatisch inniger und ich musste mir bewusst den Satz meiner Therapeutin ins Gedächtnis rufen: „Mitgefühl statt Mitleid! Es macht keinen Sinn für den anderen zu leiden.“ Aber mit dem richtigen Gefühl war die Anteilnahme einfach eine andere, tiefer irgendwie. Und mit eben dieser Schwingung sah ich mir das Bild an.

Der Mann war schön. Beeindruckend schön sogar. Dunkel, groß, muskulös, mit strahlend blauen Augen und einem warmen Lächeln. Jetzt im Sinne von herzlich und nicht im Sinne von homosexuell. Doch der Mann war seit gestern nicht mehr am Leben.

„Scheiße“, flüsterte ich leise und Francesko nickte stumm, weil er genau wusste, was ich dachte. Um solch ein Prachtexemplar von Mann war es einfach zu schade. Vielleicht hatte er einen schlechten Charakter oder sonst irgendwelche Makel gehabt, aber einen derart schönen, gesunden Mann mit solch warmherzigen Augen aus dem Leben zu schmeißen, war schon eine Ungerechtigkeit, die ich kaum nachvollziehen konnte. Aber das war es schließlich bei jedem Menschen, der viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde.

„Ja, nicht wahr? Er war ein traumhafter Mensch. Leider kein bisschen homo, aber so ein wunderbarer Typ. Ich sage dir, wenn du den in eine römische Uniform gesteckt hättest, wäre er der herrlichste Legionär aller Zeiten gewesen. Findest du nicht, dass er so einen altrömischen Touch hat? Äh ... hatte?“ Der Nachsatz brachte ihn wieder fast zum Weinen.

„Hast du ihn geliebt?“, fragte ich vorsichtig und empfand selbst sehr viel Traurigkeit, weil der Mann selbst auf dem zerknitternden Foto eine umwerfende Ausstrahlung hatte.

„Nein. Aber wir waren sehr gute Freunde.“

„Hier habe ich ihn aber nie gesehen. So, wie er aussieht, muss er doch trainiert haben, hm?“

„Stimmt. Er ging aber ins berüchtigte Flavour-Center. Du weißt schon, wo die Reichen und Schönen zusammenkommen und finanzielle Bündnisse fürs Leben schließen.“

„Ach, er war also an Geld interessiert?“, fragte ich und war ein wenig enttäuscht, obwohl ich den Mann gar nicht gekannt hatte.

„Aber nein. Er hatte selbst Geld wie Heu. Er liebte die Atmosphäre dort.“

„Echt?“ Ich war skeptisch. Wie konnte man die Sterilität der modernsten Geräte, der langweiligsten Musik und der künstlich gepolsterten Damen der High Society etwas abgewinnen? Dort ging es doch nur um bestmögliche Repräsentation – in Sachen Body, Styling und Kohle. Was natürlich ein ganzes Sammelsurium an Vorurteilen war, aber meiner Meinung entsprach.

„Ja, aber er war kein oberflächlicher Typ. Bevor du hier aufgetaucht bist, war er immer in diesem Fitnesscenter. Doch dann meinte er eine Art Sozialstudie absolvieren zu müssen. Und genau die hat ihm schließlich das Genick gebrochen, denn genau vor diesem verdammten Center haben sie ihn einfach über den Haufen gefahren. Natürlich mit Fahrerflucht. Roman hat noch ein paar Stunden gelebt, aber dann haben seine Organe plötzlich versagt. Der Schock hat ihn letztendlich zur Strecke gebracht.“ Er seufzte schwer. „Als hätte seine arme Seele nicht glauben können, dass ein Mensch so niederträchtig Fahrerflucht begehen könnte. Wäre die Rettung gleich geholt worden und hätte man ihm sofort Erste Hilfe geleistet, könnte er noch am Leben sein. Dessen bin ich mir sicher. Für mich ist das nichts anderes als Mord.“ Das erklärte Franceskos Wut, aber nicht seine Bedenken in Sachen Seelenheil oder Erlösung.

„Aber wieso glaubst du, er könnte es nicht in den Himmel geschafft haben?“

„Na hör mal! So ein Schock bringt doch jeden durcheinander.“

„Was?“ Das kam ein wenig zu schnell und zu polternd. Es klang auch seltsam und sein Blick schweifte dabei ab. Als würde er etwas verheimlichen oder sich für etwas schämen. Aber ich wollte seine Erklärung auch nicht gleich abtun. „Ja, schon“, lenkte ich daher ein und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Aber das heißt doch nicht ...“ Francesko erkannte, dass ich ihm nicht glaubte und wappnete sich mir die Wahrheit zu sagen. Sein Blick wurde fester und bohrte sich in meine Augen.

„Also gut, ich habe von ihm geträumt“, gestand er und fixierte mich weiter so intensiv, als hätte er schon viel zu lange zurückgehalten, was Sache war.

„Oh.“ Mit fiel einfach nichts anderes ein. Francesko ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen.

„Ich habe gesehen, wie verzweifelt er war und er hat um Hilfe gerufen. So eindringlich und laut, dass ich völlig hektisch erwacht bin. Dabei hatte ich allerdings nicht wirklich Angst. Es war mehr das Gefühl von absoluter Hilflosigkeit, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Und dann ... dann bist du mir eingefallen.“

„Ich?“, quietschte ich.

„Ja, du! Du warst mein erster Gedanke nach all der inneren Panik. Und das kann ich nicht ignorieren. Deshalb bin ich auch heute trainieren gegangen. Ich brauche dich. ER braucht dich.“

„Und wie? Ich meine, was meinst du denn genau?“

„Ich habe im Traum gesehen, dass er von ganz vielen Menschen hier festgehalten wird.“

„Oh, er hatte Familie? Oder viele Liebschaften?“

„Nein, er war Single und seine Eltern sind früh gestorben. Aber er hat in ganz speziellen Filmen mitgemacht ...“

„Oh.“ Ich war schockiert. Francesko allmählich genervt.

„Kannst du dieses ständige Oh bitte lassen? Er war ein Pornostar, na und? Was glaubst du wie viele Menschen er durch seine Filmchen glücklich gemacht hat? Mich übrigens auch. Die hatten echt Unterhaltungswert. Der Mann muss einfach eine Granate im Bett gewesen sein. Fang den Schlingel musst du dir echt mal ansehen!“

„Äh. Nein Danke. Ich steh nicht so auf Porno. Aber was hat das alles mit dem Himmel zu tun? Glaubst du er kommt nicht rein, weil er für Geld Sex hatte?“ Ich verstand wirklich nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hatte, aber Francesko sah mich an, als hätte ich eine viel zu lange Leitung (zum Hirn, versteht sich).

„Natürlich nicht! Es ist doch nicht verwerflich solche Filme zu drehen und ich denke mir, dass Gott nicht so kleinkariert denkt. Nein. Ich glaube vielmehr, dass er so viele Fans hatte, dass die ihn einfach hier festhalten. Bewusst oder unbewusst. Du weißt schon ... Menschen können furchtbar anhänglich sein, wenn sie ein Idol haben.“

„Du meinst allen Ernstes, dass seine ehemalige Fangemeinde ihn nach seinem Tod auf Erden festhält? Meinst du das?“

„Si!“, pfefferte er. Kleiner italienischer Ausrutscher, dachte ich.

„Aber wie soll das funktionieren? Ich meine ... Herrgott, er ist doch tot!“

„DANKE! Sehr einfühlsam. DAS weiß ich auch.“

„Entschuldige. Echt. Aber wie meinst du das?“

„Ich habe im Traum gesehen, wie tausende Hände ihn festgehalten haben. So wie Fans, die ihre Hand ausstrecken und einem Popstar auf der Bühne zujubeln, nur eben, dass sie ihn dabei packen wollen und in die Menge ziehen möchten. Sie wollen ihn haben, finden ihn toll, himmeln ihn an. Und vielleicht reicht dieses Anhimmeln ja schon, um ihm tatsächlich den Himmel zu verwehren.“

„Ich hätte nicht geglaubt, dass du an so etwas wirklich glaubst. Du hast dir meine Geschichten mit den Drachen zwar immer angehört, aber ...“

„... aber der Traum war wie ein Hilfeschrei, Siena! Er braucht Hilfe. Er muss hier weg. Ins Licht. In den Himmel. Wo auch immer hin. Nur dieses halb hier, halb dort zerreißt ihn.“ Ich hielt ihn immer noch im Arm, sah ihm aber die ganze Zeit in die Augen. Wie um seine Bitte zu unterstreichen, schob er noch einmal das Bild von Roman vor mein Gesicht.

„Nimm es mit. Schreib seinen Namen drauf und bitte ... ich weiß du hast mehr Möglichkeiten als andere Menschen und einen gewissen Draht zur Spiritualität. Vielleicht sogar zum Göttlichen. Bitte, Siena. Tu das für mich. Für ihn.“ Im Hintergrund donnerten die schweren Gewichte von Robert dem Riesen und erzeugten zusätzlich zu Franceskos Bitte um Hilfe ein dumpfes Gefühl in meinem Bauch. Ich hatte oft genug schon das Gefühl gehabt mit anderen Wesen als nur mit Drachen zu kommunizieren, meinte hin und wieder Geister zu spüren, doch das hatte ich bisher niemandem erzählt, geschweige denn wirklich in meinem Kopf zugelassen. Ich wollte schließlich nur meine Depression verlieren und nicht gleich verrückt werden. Ein bisschen Magie war schon verdammt interessant, als Hexe bezeichnet zu werden vielleicht auch noch, aber Geister? Ach, du Scheiße!

„Okay. Ich mache das.“

3. Kapitel

„Erzähl was über deinen Drachentick!“

„Danke, das klingt wirklich verlockend. Deine Formulierung zeigt auch ganz klar, was du davon hältst.“ Ich schnaubte empört, aber Rosi prostete mir unschuldig mit ihrem Hugo-Prosecco zu. Mit dem Getränk konnte sie sich so dermaßen zuschütten, dass sie nach unserem Mädchentreffen immer mit dem Taxi nach Hause fahren musste.

„Ach, bitte! Sei doch nicht so empfindlich! Das letzte Mal hast du von einem weißen Drachen erzählt mit grünen Augen und einem leicht golden schimmernden Bauch. Mit ihm hast du deine Wohnung geschützt oder so. Oder hast du mit ihm die Elemente beherrscht? Mist. Ich habe doch glatt vergessen, was das Vieh gekonnt hat.“

„Und ich habe doch glatt vergessen, warum ich dir jemals davon erzählt habe.“

„Kommt schon Mädels! Wir sind zum Feiern da und nicht zum Streiten. Rosi hat es nicht so mit der Spiritualität, aber mich interessiert sehr wohl, was sich so bei dir tut. Deine Therapie hast du ja, glaube ich, jetzt beendet, oder?“ Ich verdrehte die Augen, weil es bei den beiden Mädels immer so ankam, als wären meine Drachenerlebnisse eine Folge von Medikamentenentzug.

„Also gut, Martina.

- Ende der Buchvorschau -

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Texte © Copyright by Sabine Berger Autorenname Sabineee Berger [email protected] www.bumaku.at

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ISBN: 978-3-7394-4941-8