Briefe an Olga - Václav Havel - E-Book

Briefe an Olga E-Book

Václav Havel

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Beschreibung

«Die besondere Bedeutung, die das Briefeschreiben für mich hat, hat mehrere Gründe: Vor allem vergegenwärtige ich mir dabei das Zuhause, Dich, meine Nächsten und überhaupt unsere Welt; es ist für mich hier die einzige Gelegenheit, etwas zu schreiben; es ist für mich die einzige Gelegenheit zu leidlicher intellektueller Selbstverwirklichung; manches wird mir erst beim Schreiben klar; es ist meine einzige Kommunikation mit Dir und unserer Welt.» Am 29. Mai 1979 wurde Václav Havel – zusammen mit weiteren Bürgerrechtlern – verhaftet und im Oktober desselben Jahres wegen «Gründung einer illegalen Vereinigung (Komitee für die Verteidigung zu Unrecht Verfolgter) und Aufrechterhaltung von Kontakten zu Emigrantenkreisen» zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Angebot, sein Land zu verlassen, lehnte Havel ab. Daraufhin wurden seine Haftbedingungen verschärft. In dieser Haftzeit entstanden die bewegenden «Briefe an Olga», seine Frau.

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Seitenzahl: 559

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Václav Havel

Briefe an Olga

Betrachtungen aus dem Gefängnis

Aus dem Tschechischen von Joachim Bruss

Ihr Verlagsname

Für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Jiří Gruša

Über dieses Buch

«Die besondere Bedeutung, die das Briefeschreiben für mich hat, hat mehrere Gründe:

Vor allem vergegenwärtige ich mir dabei das Zuhause, Dich, meine Nächsten und überhaupt unsere Welt;

es ist für mich hier die einzige Gelegenheit, etwas zu schreiben;

es ist für mich die einzige Gelegenheit zu leidlicher intellektueller Selbstverwirklichung;

manches wird mir erst beim Schreiben klar;

es ist meine einzige Kommunikation mit Dir und unserer Welt.»

Über Václav Havel

Václav Havel wurde am 5. Oktober 1936 in Prag geboren. Seiner «bourgeoisen Herkunft» wegen – sein Vater unterhielt bis zur Verstaatlichung 1948 ein gutgehendes Restaurant in Prag – durfte er zunächst kein Abitur machen. Er war als Taxifahrer und Chemielaborant tätig und besuchte das Abendgymnasium, um 1954 das Abitur abzulegen. Da er weder zum Studium der Kunstgeschichte noch zur Filmhochschule oder zur Theaterfakultät der Akademie der Künste zugelassen wurde, absolvierte Havel von 1955 bis 1957 ein Studium der Automation des Verkehrswesens an der Technischen Hochschule Prag.

In diese Zeit fielen auch seine ersten dramatischen und essayistischen Versuche. Havel gehörte zum Kreis junger Dichter um die Literaturzeitschrift «Tvár», die 1965 verboten wurde. Ende der fünfziger Jahre leistete er seinen Wehrdienst ab. Danach war er Kulissenschieber am Prager Theater «ABC», dann arbeitete er im «Theater am Geländer», erst als Bühnenarbeiter, dann als Beleuchter und schließlich als Sekretär, Lektor und ab 1960 als Dramaturg. In diesem Theater wurden auch Havels erste Stücke aufgeführt: 1963 «Gartenfest». 1965 «Die Benachrichtigung» und 1968 «Erschwerte Möglichkeit der Konzentration».

Im Juni 1967 erregte Havel Aufsehen, als er auf dem IV. Schriftstellerkongreß in Prag die Zensur und den Machtapparat des kommunistischen Regimes kritisierte. Er engagierte sich dann während des «Prager Frühlings» 1968 als Vorsitzender eines «Clubs unabhängiger Schriftsteller». Nach der Intervention sowjetischer Truppen erhielt Havel Aufführungs- und Publikationsverbot im gesamten Ostblock. Er verließ Prag und wurde Hilfsarbeiter in einer Brauerei in Trutnova.

In seinem «Offenen Brief an Gustáv Husák», den damaligen Staatspräsidenten, rechnete er schonungslos mit dem System der absoluten »Tiefendemoralisierung« ab und machte den totalitären Existenzdruck des Regimes verantwortlich für die Angst, die die Menschen der Heuchelei, der Depression und der Passivität ausliefere. 1977 wurde die Bürgerrechtsgruppe Charta 77 von Havel und anderen gegründet, die unter Berufung auf die Schlußakte der KSZE-Konferenz in Helsinki Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten auch in der ČSSR forderte. Havel wurde einer ihrer Wortführer und in dieser Rolle mehr und mehr zum «politischen Gewissen» der Nation.

Von März bis Mai 1977 war er inhaftiert und wurde im Oktober 1977 wegen «versuchter Schädigung der Interessen der Republik im Ausland» zu vierzehn Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt. Im Dezember 1977 wurde Havel aus seiner Prager Wohnung ausgewiesen und erhielt nach erneuten Aktivitäten als Bürgerrechtler Hausarrest. Dennoch beteiligte er sich auch weiterhin an der Verbreitung der Werke verbotener Schriftsteller und schrieb neue Bühnenstücke, die nur im westlichen Ausland erscheinen und aufgeführt werden konnten.

Am 29. Mai 1979 wurde er – zusammen mit weiteren Bürgerrechtlern – erneut verhaftet und im Oktober desselben Jahres wegen «Gründung einer illegalen Vereinigung (Komitee für die Verteidigung zu Unrecht Verfolgter) und Aufrechterhaltung von Kontakten zu Emigrantenkreisen» zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Angebot, sein Land zu verlassen, lehnte Havel ab. Daraufhin wurden seine Haftbedingungen verschärft. In dieser Haftzeit entstanden die bewegenden «Briefe an Olga», seine Frau. Im Februar 1983 wurde der erkrankte Havel nach Appellen und Protesten internationaler Organisationen und vieler Schriftsteller in ein ziviles Krankenhaus verlegt. Wenig später wurde der Strafvollzug «aus Gesundheitsgründen» ausgesetzt.

Als Havel am 16. Januar 1989 die Gedenkveranstaltung zum zwanzigsten Todestag des Studenten Jan Pallach mit organisierte, der sich anläßlich der sowjetischen Intervention während des «Prager Frühlings» selbst verbrannt hatte, wurde er erneut festgenommen und am 21. Februar 1989 zu neun Monaten Haft unter verschärften Bedingungen (für rückfällige Straftäter) verurteilt. Gegen dieses Urteil legten zahlreiche westliche Länder, Organisationen und Gruppen Protest ein. Zum erstenmal erreichten das Regime aber auch Protestschreiben aus sozialistischen Ländern: aus Polen, der UdSSR, der DDR und Ungarn. Auch zahlreiche Künstler und Intellektuelle in der ČSSR selbst protestierten. Im März 1989 verkürzte ein Berufungsgericht die Haftstrafe Havels auf acht Monate und hob die «verschärften Bedingungen» auf. Nach Verbüßung der Hälfte seiner Strafe beantragte Havel Haftentlassung, am 17. Mai 1989 entsprach das Gericht seinem Antrag.

Am 15. Oktober 1989 erhielt Havel den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In der Begründung des Stiftungsrats hieß es, «er habe nie Zweifel daran gelassen, daß er persönlich, selbst unter Verlust seiner Freiheit, für seine Überzeugung einstehe».

Am 20. November 1989 gründete sich in Prag das Bürgerforum, das eine zentrale Rolle beim Sturz des kommunistischen Regimes spielte. In Ansprachen auf dem Wenzelsplatz analysierte Václav Havel die revolutionäre Umbruchsituation und formulierte die politischen Forderungen des Bürgerforums. Schließlich mußte auch Husák, der sich anfänglich beharrlich geweigert hatte, zurücktreten. Neuer Staatspräsident der Tschechoslowakei wurde am 29. Dezember 1989 Václav Havel.

Als die friedliche Teilung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Republiken beschlossen wurde, trat Václav Havel, der bis zuletzt für die tschechoslowakische Föderation eingetreten war, am 20. Juli 1992 von seinem Amt zurück. Am 1. Januar 1993 wurde die unabhängige Tschechische Republik ausgerufen, deren Parlament Václav Havel am 26. Januar 1993 zum ersten tschechischen Präsidenten gewählt hat.

Inhaltsübersicht

Am 22. und ...Teil I Briefe 1–128 Untersuchungshaft – Ruzyně; Gefängnisse Heřmanice und Pilsen-Bory Juni 1979 bis Mai 19821. Brief5. Brief7. Brief9. Brief10. Brief12. Brief13. Brief14. Brief15. Brief16. Brief17. Brief18. Brief19. Brief20. Brief21. Brief23. Brief28. Brief30. Brief31. Brief35. Brief37. Brief39. Brief40. Brief41. Brief44. Brief46. Brief47. Brief48. Brief49. Brief50. Brief52. Brief53. Brief54. Brief55. Brief56. Brief58. Brief60. Brief61. Brief62. Brief63. Brief64. Brief66. Brief67. Brief68. Brief69. Brief70. Brief71. Brief72. Brief73. Brief74. Brief75. Brief76. Brief78. Brief79. Brief80. Brief81. Brief82. Brief83. Brief86. Brief87. Brief89. Brief90. Brief91. Brief92. Brief93. Brief94. Brief95. Brief96. Brief97. Brief99. Brief100. Brief102. Brief103. Brief104. Brief105. Brief106. Brief107. Brief108. Brief109. Brief110. Brief111. Brief112. Brief113. Brief114. Brief115. Brief116. Brief117. Brief118. Brief119. Brief120. Brief122. Brief123. Brief128. BriefTeil II Briefe 129–145 Gefängnis Pilsen-Bory Mai 1982 bis Februar 1983129. Brief130. Brief131. Brief132. Brief133. Brief134. Brief135. Brief136. Brief137. Brief138. Brief139. Brief140. Brief141. Brief142. Brief 1982143. Brief144. Brief145. BriefAnhangAus der Verteidigungsrede Václav Havels vor dem Senat des Stadtgerichts in Prag (22.–23.10.1979)Jiří Dienstbier: Über das BriefeschreibenNachbemerkung von Jiří Gruša

Am 22. und 23.10.1979 fand beim Stadtgericht Prag die Hauptverhandlung gegen Václav Havel und seine Mitangeklagten statt.

Der Senat befand die Angeklagten der Straftat der Untergrabung der Republik schuldig (§ 98/1, 2, Ziff. a, b, bzw. § 98/1 d. StGB), der sie sich dadurch schuldig gemacht haben sollen, daß sie schädigende Schriftstücke zusammengestellt, vervielfältigt und verbreitet haben. Es ging um Informationen, die in den Mitteilungen des Ausschusses zur Verteidigung zu Unrecht Strafverfolgter enthalten waren.

 

Der Senat fällte folgendes Urteil:

Otta Bednářová

3 Jahre Freiheitsentzug

Václav Benda

4 Jahre Freiheitsentzug

Jiří Dienstbier

3 Jahre Freiheitsentzug

Václav Havel

4 ½ Jahre Freiheitsentzug

Dana Němcová

2 Jahre mit einer Bewährungsfrist von 5 Jahren

Petr Uhl

5 Jahre im sog. verschärften Strafvollzug II. Kategorie.

Diese Briefe an seine Frau Olga hat Václav Havel während der Verbüßung seiner Haftstrafe im Gefängnis geschrieben.

Teil I Briefe 1–128 Untersuchungshaft – Ruzyně; Gefängnisse Heřmanice und Pilsen-Bory Juni 1979 bis Mai 1982

1. Brief

Liebe Olga,

4. Juni 1979

 

die Astrologen hatten, wie sich zeigt, recht, als sie mir für dieses Jahr wieder Gefängnis voraussagten und als sie sagten, es werde ein heißer Sommer. Hier ist es tatsächlich schrecklich heiß, eine permanente Sauna. Es tut mir leid, daß Dir mein neuer Gefängnisaufenthalt wahrscheinlich viele Komplikationen bereiten wird. Meiner Meinung nach solltest Du in Hrádeček[*] bleiben, dort wirtschaften, Dich um das Gemüsebeet kümmern, das Haus verschönern, mit den Hunden zum Teich gehen usw. Es könnte immer einer von der Familie mit Dir zusammen dort sein, oder Freunde, die dort ihren Urlaub verbringen möchten. Es hat keinen Sinn, in Prag zu sein – mir hier kannst Du in keiner Weise helfen, und was würdest Du den ganzen Tag anfangen? Es wäre freilich notwendig, mit dem Autofahren anzufangen, damit Du einkaufen kannst und ähnliches. Und Du wärst nicht immer auf jemanden angewiesen. Kurz und gut, Du solltest so leben, als ob ich irgendwo auf einem Ausflug wäre, also ganz normal. Damit hilfst Du mir am meisten: wenn ich weiß, daß es Dir gutgeht und für Dich gesorgt ist. Wie lange ich auf dem Ausflug sein werde, das freilich weiß ich nicht, ich mache mir keine Illusionen, und eigentlich denke ich fast gar nicht darüber nach. Überhaupt denke ich über unseren «Fall» nicht viel nach – es gibt nämlich nichts, worüber man nachdenken könnte: die Sache ist klar, und mir ist auch klar (nach all den Erfahrungen), was und wie ich was zu tun habe. Ich denke an ganz andere Dinge. Und es ist ärgerlich, daß ich darüber nicht schreiben kann. Das Gefängnis als solches ist natürlich fürchterlich langweilig, wem macht es schon Spaß, ganze Tage lang die Wand anzustarren, aber ich ertrage es mit jedem neuen Aufenthalt besser, weil viele Dinge, die mich früher aus dem Gleichgewicht gebracht haben, mich heute nicht mehr überraschen oder durcheinanderbringen können. Die meisten Sorgen macht mir, ob nicht meinetwegen einige Leute draußen Schwierigkeiten haben; schreib mir bitte darüber. Grüße Andulka[*] herzlich, und gib ihr, bitte, meinen Brief zu lesen. Es tut mir leid, daß ich ihr nicht schreiben kann, aber vielleicht kann sie mir schreiben. Jeden Abend höre ich die Kinder auf dem Spielplatz in der Nähe ausgelassen spielen, ich habe also doch einen gewissen Kontakt mit der Außenwelt. Ich versuche ein wenig Yoga zu treiben, aber hier ist zu wenig Platz dafür.

***

Dienstag/5. 6.

 

Endlich Regen! Und Gewitter! Auf das Innenklima hier wirkt sich das zwar nicht sofort aus, aber es ist doch eine Erleichterung! Ich hatte schon Angst zu ersticken! Jetzt bin ich ausgezeichneter Stimmung. Ich werde Dir immer nur schreiben, wenn ich guter Stimmung bin; wenn ich Depressionen habe, werde ich sie für mich behalten. Es ärgert mich, daß ich es zwischen zwei Gefängnisaufenthalten wieder nicht geschafft habe, ein Stück zu schreiben. Das ist keine Krise der Schreibfähigkeit – ich schreibe immer noch gern (und besonders hier, wo ich nicht kann, habe ich Lust zu schreiben) –, sondern eher eine der Einfälle. Den ‹Faust› habe ich zwar gedanklich fertig und fast zur Hälfte geschrieben, aber ich bin immer noch nicht sehr zufrieden damit. Ich möchte wieder mal etwas Unstrittiges schreiben, nicht etwas, das nur Sonderlingen gefällt (wie das ‹Berghotel›). Ich versuche hier, den ‹Faust› noch einmal zu überdenken. Es gibt eine gewisse Chance, hier Englischunterricht zu bekommen, das wäre prima … Vielleicht hast Du schon festgestellt, daß wir in der Prager Wohnung einen neuen Einsatz im Schloß haben. Die Polizei war der Meinung, ich sei zu Hause und öffne nicht – deshalb drang sie ein, und als sie mich nicht fand, ließ sie das Schloß auswechseln, das später – bei der Hausdurchsuchung – erneut ausgewechselt wurde. Ich war nicht zu Hause, weil ich in der Stadt umherlief und die Freiheit genoß – als ob ich ahnte, daß ich sie so bald wieder verlieren sollte. Sie fanden mich dann bei einem Besuch. Ich redete dabei in einer Weise, die nicht sehr gut zu meinem ruhigen Charakter paßt, aber mir fiel nichts Witzigeres ein. Das war so ein emotionaler Ausdruck der Ohnmacht, den sie sich damit erklärten, daß ich angeblich ein Fräulein bezaubern wollte, die das hörte. Na ja. Wir werden sehen.

5. Brief

Liebe Olga,

21. Juli 1979

 

vor allem: wie üblich habe ich vergessen, Dir zum Geburtstag zu gratulieren. Eingefallen ist es mir ein paar Minuten nachdem ich meinen vorigen Brief abgegeben hatte. Entschuldige! Was diese Vergeßlichkeit angeht, werde ich mich wohl nicht mehr bessern. Ich gratuliere Dir also nachträglich! Ein Geschenk kauf ich Dir, wenn ich in Freiheit sein werde, denn Geschenke aus dem Gefängnis (aus Brot) machen keinen sehr großen Eindruck auf Dich, soweit ich mich erinnere … Hast Du meine vorhergehenden Briefe erhalten – die Briefe Nr. 3 und 4? Es wäre sicher gut, mir den Empfang jedes Briefes auf einer Postkarte sofort zu bestätigen, damit ich den Überblick behalte … Das letzte Mal habe ich Dir den Empfang Deines ersten Briefes bestätigt, seit der Zeit sind zwei weitere eingetroffen. Der erste von ihnen hat mich sehr gefreut und mir unter anderem Lust zum Schreiben gemacht (Du hast mir darin geschrieben, wie Ihr meine Stücke gelesen habt). Vielen, vielen Dank dafür! Dagegen hat mich der zweite (insgesamt der dritte) ein wenig beunruhigt: Du hast geschrieben, daß Du mir keinen Kuß schickst – ich wüßte schon, warum. Ich weiß nicht, warum! Ich weiß aber, daß Du mir solche Dinge nicht schreiben darfst – mir geht es dann wer weiß wie viele Tage schlecht. Die Briefe sind das einzige, was man hier hat, man liest sie zehnmal, überdenkt sie nach allen Seiten, an jeder Kleinigkeit freut man sich oder leidet im Gegenteil an ihr und macht sich seine Ohnmacht klar – kurz und gut, Du mußt mir liebe Briefe schreiben! Und numeriere sie auch, schreib das Datum, und vor allem schreib gründlich und leserlich! Es ist schließlich kein so großes Problem, einmal in der Zeit sich an die Schreibmaschine zu setzen und alles aufzuschreiben, was mit Dir geschieht! … Wie ich Dir schon geschrieben habe … Nach dem Abschluß der Ermittlungen jedoch begann ich die Korrespondenz zu bekommen, wenn ich auch natürlich nicht weiß, ob ich alles erhalten habe. Englische Bücher kann ich mir hier leihen. An besseren Büchern habe ich hier ‹Verlorene Illusionen› gelesen, jetzt lese ich gerade ‹Die Pickwickier›. Ansonsten macht mir das Gefängnis keinen Spaß. Es ist hier dunkel, leer, und auch das Kindergeschrei hinter den Fenstern ist nicht mehr. Manchmal mache ich mir Anmerkungen zu einem Stück. Viele Einfälle habe ich in dieser eindimensionalen Umgebung aber nicht … Über meinen Fall habe ich Dir alles mögliche geschrieben, allerdings weiß ich nicht, ob Du meine Briefe bekommen hast. Deshalb rekapituliere ich: die Ermittlungen sind schon fast einen Monat abgeschlossen, so daß jederzeit der Prozeß sein kann – aber selbstverständlich nicht sein muß. Also: Ich weiß nicht gerade viel. Doch muß ich darauf vorbereitet sein, daß der Prozeß bald beginnen kann und ich verurteilt werde. Ich glaube, ich bin auf diese Alternative innerlich vorbereitet. Bist auch Du darauf vorbereitet? Mein Entlassungsgesuch ist abgelehnt worden, ich habe Beschwerde eingelegt. Mein Ersuchen um Besuchserlaubnis ist nicht beantwortet worden. Nächste Woche endet meine Untersuchungshaft, und sie wird offenbar verlängert werden, wie das üblich ist … Sehnst Du Dich nach mir? Nicht einmal von Dir habe ich in den letzten vierzehn Tagen eine Postkarte bekommen! Immer wenn Du im Dorf oder in der Stadt bist, kannst Du mir eine Postkarte schicken, es macht mir immer Freude! … In der Zeitung habe ich ein Foto der neuen Regierung von Nicaragua gesehen – sie sehen aus wie eine Gruppe fröhlicher Studenten der Philosophie, und so haben sie meine Sympathie. Ich weiß natürlich nicht, ob meine Informationen über sie komplett genug sind … Noch zu meinem Schreiben: ein wenig konkreter: den ganzen ‹Faust› habe ich überdacht – neues Milieu, neue Motive, neue Personen, eine neue Gesamtstruktur usw. Das Projekt ist also schon sehr detailliert. So bleibt nur noch das Schreiben, und das geht irgendwie nicht. Aber ich habe das Gefühl (vielleicht täuscht es), wäre ich draußen, müßte ich es sehr leicht und schnell geschrieben haben. Für heute tschüs!

 

P.S. Mir ist eine weitere seltsame Sache klargeworden: diese Welt hier hat weit mehr Wahrheit als die Welt draußen. Dinge und Menschen zeigen sich hier in ihrer wahren Gestalt. Lüge und Heuchelei verschwinden. Wenn ich mal wieder draußen bin, werde ich Dir einiges Interessante darüber erzählen.

***

Montag, 23.7.1979

 

Ich wollte Dir die Anweisungen für den Fall, daß der Prozeß stattfindet, rekapitulieren: Es wäre danach zwar wahrscheinlich noch die Berufungsverhandlung, aber trotzdem wäre es sehr gut, wenn Du auf meine Überführung in die «Strafverbüßung» vorbereitet wärest. Dort darf man nämlich mehr Dinge haben und braucht auch mehr als hier, auf der anderen Seite aber hat man dort kein Geld, um sich die Dinge zu kaufen. Es wird also notwendig sein, jemanden, der dort gewesen ist, auszufragen, wie man das macht, ob man nach der Verhandlung irgend etwas übergeben kann und was man dort bei sich haben darf. Offensichtlich wird ein billiges Rasierzeug notwendig sein, ein Vorrat an Pasten, Schreibhefte, Briefpapier, Schere, Spiegel, Seife usw. Und hauptsächlich reichlich Zigaretten. Und wenn Bücher möglich sind, dann englische Wörterbücher, Lehrbücher des Deutschen, engl. Bücher (Cassierer) usw. Vielleicht mache ich mir vorzeitig Sorgen, aber meine Erfahrung aus dem Gefängnis – eine unmittelbar fundamentale Erfahrung – ist es, daß es sich immer auszahlt, rechtzeitig auf alles vorbereitet zu sein.

 

Es küßt Dich Vašek

***

Dienstag morgen, 24. 7.

 

Heute habe ich von Dir geträumt! Wir hatten einen Palast in Venedig gemietet! Ich bin immer guter Laune. Schreib mir liebe Briefe und Karten, damit ich sie behalte!

7. Brief

Liebe Olga,

11. August 1979

 

es ist Samstag fünf Uhr, ich habe schon das Abendessen hinter mir und trinke Saft und überlege, was Du wohl machst. Höchstwahrscheinlich sitzt Du auf dem Hof – ich hoffe mit Freunden –, trinkst Kaffee und bereitest Dich darauf vor, in die Küche zu gehen, um anzuheizen und irgendein Abendbrot zu bereiten. Dein Leben muß ich mir so weiterdenken, denn authentische Nachrichten darüber habe ich nicht: seit Deinem dritten Brief, der vor mehr als einem Monat hier ankam, habe ich keinen Brief mehr von Dir bekommen. Aber auch keinen Brief von meinem Bruder oder jemandem anderen. Dieses Abgeschnittensein von allen Nachrichten von zu Hause ist keine gute Sache, und so wäre es vielleicht gut, wenn Du alle grundlegenden Informationen über Dich aufschriebst und sie an meinen Bruder schickst mit der Bitte, den Verteidiger zu bitten, mir das zu sagen, wenn er das nächste Mal kommt.

Was soll ich über mein Leben hier sagen? In den letzten Tagen quält mich irgendein Ischias oder Rheuma oder was das ist, es macht mir Schwierigkeiten beim Aufstehen und Hinsetzen u.ä. Yoga kann ich überhaupt nicht machen. Ich hoffe, daß das bald vorübergeht, mein Kollege massiert mich. Ich lebe hier – wenn möglich – noch introvertierter als früher, denn ich habe einen neuen Kollegen, mit dem ich nicht so reden kann wie mit dem vorher. Gedanken jagen mir genügend durch den Kopf, aber das Schreiben geht nicht – irgendwelche psychischen Hemmungen (am ehesten unbewußte) binden einem hier hoffnungslos die Hände. Mit meinem Fall beschäftige ich mich nicht, und ich weiß auch nichts Neues darüber. Hier ist es unfreundlich, traurig, die Menschen sind kalt, aber hab keine Angst, ich werde das ohne Schaden überstehen. Nach all den früheren Erfahrungen mache ich das alles reflektiert durch und achte sorgfältig auf mich selbst, so daß mir die Gefahr, in die eine oder andere Form der Gefängnispsychose zu verfallen, glaube ich, nicht droht. Ich versuche, all ihren unauffälligen Anschlägen zu widerstehen – deshalb schreibe ich Dir auch heute in meiner normalen Schrift und nicht in diesen gut aussehenden Fliegenbeinchen; mir scheint, auch solche Details sind wichtig – in dieser kleinen, gut aussehenden Schrift ist ein Stück unwillkürlicher Gebeugtheit und Getretenheit, die natürlich auch die Art und Weise beeinflussen, in der man sich ausdrückt, und also auch die Art und Weise des Denkens.

Ich lese schon das dritte englische Buch, aber immer noch sind viele Wörter unbekannt. Ich habe die Biographie Villons gelesen und sagte mir, daß ich im Vergleich mit ihm immer noch nicht so schlecht dran bin. Ich habe auch die ‹Osterwoche› von Aragon gelesen, nichts Besonderes. Dieser Werfel (‹Vierzig Tage›) war ausgezeichnet, lies das.

Gern würde ich Dir etwas Liebes schreiben, aber irgendwie will ich das diesem Papier nicht anvertrauen. Du mußt Dir das hinzudenken. Inzwischen küsse ich Dich und werde noch etwas schreiben – Dein

 

Vašek

***

Dienstag, 14. 8.

 

Es ist nichts Bemerkenswertes passiert. Vielleicht nur dies, ich habe wieder einen neuen Kollegen, also sind auch die Massagen vorbei. Aber das stört mich nicht, mein Ischias wird besser, es war offenbar nichts Ernstes. Ich bin gespannt, ob ich ein Paket von Dir bekomme, wenn alles normal ginge, müßte es bis spätestens Ende der Woche hier sein. Ich freue mich schon. Grüße alle Freunde, Freundinnen, Bekannten, Verwandten – ich werde sie nicht aufzählen, Du weißt doch sehr gut, wen alles ich grüße. Also schreib mir, wie die Rosen blühen und was die verschiedenen speziellen Pflanzen machen, die wir gepflanzt und gesät haben.

SEI FRÖHLICH, AUSGEGLICHEN, LEB GESUND UND GESELLIG, ERFÜLLE GEWISSENHAFT DIE ANVERTRAUTEN AUFGABEN, VERFOLGE DAS GESCHEHEN, ÄRGERE DICH NICHT ÜBER DINGE, UM DIE ES SICH NICHT LOHNT, DENKE AN MICH UND DRÜCK MIR DIE DAUMEN, BEMÜHE DICH, MIT ALLEN GUT AUSZUKOMMEN!

 

ICH GRÜSSE UND KÜSSE DICH V.

9. Brief

Liebe Olga,

Samstag, 8. September 1979

 

Dein Besuch hat mich sehr aufgemuntert und gestärkt; ich war danach fast heiter. Vor allem war ich froh, daß wir über die Reise in die USA derselben Meinung sind, bzw. daß Du mich eindeutig in meiner Ansicht über die ganze Angelegenheit bestärkt hast. Hier ist es wirklich schwer, alle Aspekte abzuwägen – ich war deshalb leicht nervös, aber nach Deinem Besuch ist all meine Nervosität von mir abgefallen. Ich habe mich versichert, daß ich mich dazu nicht anders stellen kann, als ich mich dazu stelle. Aber auch sonst hat mir das Gespräch mit Dir sozusagen Lebenslust gegeben. Schade, daß Du mich nicht öfter besuchen kannst.

Heute nachmittag habe ich angefangen, einen Brotschmuck für Dich zu machen, ich zeichne ihn Dir auf für den Fall, daß ich ihn Dir nicht über den Verteidiger zuschicken kann. Ich habe nicht geahnt, daß Du solche Dinge schätzt, sonst hätte ich Dir schon längst so etwas gemacht.

Und jetzt einige Instruktionen:

Ich heiße es gut, daß Du Ende September nach Prag umziehst. Allein kannst Du im Winter nicht in Hrádeček bleiben. Trotzdem solltest Du Hrádeček in einem solchen Zustand hinterlassen, daß es jederzeit wieder bewohnt werden kann – auch für länger. Was wäre, wenn man mich zufälligerweise nach Hause ließe? In einem solchen Fall bliebe ich zwar einige Zeit mit Dir in Prag, aber dann würde ich doch dorthin fahren wollen. Ich möchte nämlich schreiben, und in Prag schreibe ich keine einzige Zeile.

Ansonsten schau Dir die verschiedenen Listen von Aufgaben an, die ich Dir geschrieben habe, und überlege, was Du davon ausführen könntest. In Prag lebe dann in Gesellschaft, geh ins Theater, ins Kino, zu Freunden, in Geschäfte (Antiquitäten – Gläser u.a.). Verfolge verschiedene kulturelle Unternehmungen, Du weißt, was für welche ich meine. Mach Dir von allem Aufzeichnungen, damit Du mich informieren kannst.

Soweit also die Instruktionen.

Und jetzt – wie üblich – etwas von meinem Leben hier. Meine Kollegen sind zwar insgesamt gut und haben mich gern, sie machen mir jedoch Sorgen dadurch, daß sie dauernd sprechen und ich nicht lesen kann, nicht nachdenken usw. Ich kann sie daran natürlich in keiner Weise hindern. Manchmal ist es zum Verrücktwerden. Sobald sie etwa für nur 10 Minuten still werden, verläßt mich sofort die verborgene und unterdrückte Wut, und ich bin hervorragender Stimmung, so daß davon eine dauernde psychische Aberration bisher wohl nicht droht. Mit der Ausnahme, daß ich nach meiner Entlassung wohl bis zu meinem Tod eine Allergie gegen alles Reden über Frauen haben werde.

***

(Fortsetzung – Sonntag)

 

Der Schmuck ist vielleicht so gerade eben was geworden, aber ich werde ihn Dir nicht aufzeichnen – er soll eine Überraschung sein. Ich habe versucht, ihm etwas Jugendstilhaftes einzuhauchen. Hoffen wir, daß er richtig hart wird (er ist ganz aus Brot, mit anderen Materialien kann ich nicht arbeiten). Eine Schnur dafür wirst Du Dir selbst machen müssen.

Damit ich es nicht vergesse: das Wasser wird in Hrádeček so abgedreht: 1. Du schaltest die Wasserpumpe aus; 2. Du öffnest den Wasserhahn in der Ecke im Keller und läßt das Wasser auslaufen; 3. Du öffnest alle Hähne im Haus (vergiß die Scheune nicht), damit Luft in die Leitungen strömt.

Ich möchte noch einmal die wohltätige Wirkung betonen, die Dein Besuch hatte. Man erträgt das Gefängnis sofort besser.

Gestern abend habe ich auf bestimmte Weise, die mir empfohlen worden war, versucht, mit Dir telepathisch Verbindung aufzunehmen – aber es scheint nicht geklappt zu haben. Ich habe dazu (im Gegensatz zu anderen) keine Veranlagung.

Weißt Du nicht, wann die Premiere in Wien ist?

Inzwischen grüße und küsse ich Dich – bis Mittwoch schreibe ich sicher noch etwas hinzu –

 

Vašek

 

P.S. Meine Kollegen halten mich für einen Narren wegen meiner «lässigen» Beziehung zur Ausreisegenehmigung in die USA.[*]

Mit dem Schmuck bin ich doch noch nicht völlig zufrieden. Ich fange wohl einen neuen an. (Wenn sie nur nicht immer dreinreden wollten!) J.-P. Sartre: «Die Hölle sind die anderen.» Das wird einem hier gehörig klar, wo die Menschen auf sechs Quadratmetern ohne Unterbrechung zusammenleben müssen – viel intimer, als ein Mann mit seiner Frau lebt. Und es gibt kein Entkommen. Im Rudé Právo habe ich einen Aufsatz über Versuche von Wissenschaftlern gelesen, die die psychologischen Folgen eines längeren Zusammenlebens von Personen in einem abgeschlossenen Raum erforschten. Ich mußte ein wenig lächeln. Solch ein Laboratorium haben sie hier und wissen vielleicht gar nicht davon.

10. Brief

Liebe Olga,

Samstag, 22. September 1979

 

es ist schon wieder Samstag, und ich habe Gelegenheit, auf diese Weise mit Dir zusammenzusein.

Vor allem: einige Dinge bestätigen mich darin, daß wirklich bald der Prozeß sein wird und ich verurteilt werde, daß ich die geheimen Hoffnungen, ich könnte freigelassen werden, schon definitiv aufgeben sollte. Gleichzeitig fange ich an, glaube ich, diese ganze Sache mit den USA zu verstehen. Bisher sieht das so aus – jedenfalls mir erscheint das so –, daß es mit mir, wenn ich nur ein bißchen anders reagiert hätte, heute wesentlich besser aussehen könnte – und wahrscheinlich hätte das gar nicht den ungünstigen Effekt gehabt, den ich am meisten fürchtete. Es ist ohne weiteres möglich, daß ich übertrieben vorsichtig war und einen Fehler gemacht habe. Trotzdem kann ich mir nichts vorwerfen und nichts bedauern; meine Befürchtungen waren begründet, und soweit sie überflüssig waren, konnte ich das nicht wissen – so daß ich nicht anders handeln konnte. Sei es, wie es sei, jetzt ändere ich sowieso nichts mehr daran, und es hat keinen Sinn, nachträglich irgendwelche «Wenn» durchzuspielen. Etwa drei Tage schaffte ich es in der Tat nicht, mich geistig mit dieser Sache nicht zu beschäftigen, aber jetzt habe ich mich damit abgefunden. Dieses Abfinden war im übrigen nicht so schwer dank der Tatsache, daß ich von Anfang an – wie Du weißt – auf das Schlimmste gefaßt war. Möglicherweise erscheint meine Haltung jetzt ziemlich unsinnig – damit sie so nicht erscheint, habe ich die Absicht – falls das geht – einen gewissen Schritt zu unternehmen (ich habe in dieser Sache den Verteidiger eingeladen). Ich will das vor allem wegen meines eigenen guten Gefühls tun – daß ich es war, der hinter die Sache den richtigen Punkt gesetzt hat. Es ist ein bißchen lustig, daß es zu dieser Auflösung in einer Zeit kam, in der ich anfing, mich immer häufiger dabei zu ertappen, wie ich über Amerika nachdenke, darüber, wie ich mich darauf vorbereite und was ich da alles täte. Jetzt fange ich schon wieder eher an, darüber nachzudenken, wie ich mit dem Leben im «Lager» fertig werde …

Zu meinem Leben hier: es scheint, daß die fünf Tage im Bett mir wirklich geholfen haben. Die Probleme mit dem (ununterbrochenen) Geschwätz meiner Kollegen habe ich ständig (auch jetzt schwätzen sie), aber bisher bin ich davon nicht verrückt geworden, und ich glaube fest, daß ich das überlebe. Im übrigen ist das ein großartiges Training in Selbstbeherrschung, also in etwas, was ich offenbar noch reichlich brauchen werde. Darüber hinaus ist das auch eine Motivquelle für ein Stück, über das ich hier schon längere Zeit nachdenke. Ansonsten bin ich physisch und psychisch fit – nur beobachte ich bei mir in der letzten Zeit beträchtliche Faulheit und Passivität – Unlust, überhaupt etwas zu tun (Lernen, Lesen, Schreiben, Yoga). Wahrscheinlich ist das irgendeine Schutzreaktion des Körpers auf eine Situation, in der Konzentration unmöglich ist. Nächste Woche erwarte ich ein Päckchen von Dir (der Schein hätte im letzten Brief sein sollen), am Freitag habe ich Namenstag, und so freue ich mich, daß ich am nächsten Samstag ein kleines Festmahl aus den Dingen, die Du mir schickst, bereiten werde. Unter anderem: eine Woche danach – am Tag meines 43. Geburtstags – werde ich genausolang hier sein wie im Jahre 77, d.h. vier Monate und eine Woche. Und am selben Tag werde ich insgesamt 10 Monate hier verbracht haben! Es ist interessant, daß die Sache mit den USA in derselben Zeit nach der Verhaftung kam wie im Jahre 77 die damaligen Wirrnisse[*] – und daß ich darüber hinaus in der Zeit dasselbe Buch in die Zelle bekam wie damals: ‹Doktor Faustus› von Thomas Mann. Wieviel schlimmer waren die Tage damals für mich als heute! Über mir hellte es sich auf, und ich machte hier die Hölle durch (langsam fing ich an zu begreifen, wie blöd ich mich darin verwickelt hatte) – und jetzt ist es fast umgekehrt: über mir ziehen sich dunkle Wolken zusammen, und ich bin innerlich ausgeglichen! Was die Lektüre angeht: ich habe ‹Aurelian› von Aragon gelesen, und ich war sehr überrascht, wie schlecht das Buch ist (noch viel schlechter als die ‹Osterwoche›). Ich hatte mir nicht viel davon versprochen, aber es hat mich doch verblüfft. Ansonsten keine besonderen literarischen Erlebnisse …

Neben mir weint ein Kollege über dem ersten Brief von zu Hause; ich beschwichtige ihn. Ich bin schon alt und ABGEBRÜHT …

Es ist jetzt an uns, sich um das Grab[*] zu kümmern. Wir könnten es uns mit der Familie meines Bruders zur Gewohnheit machen, daß wir an Allerseelen immer dahin fahren …

Es regnet ständig – was Du wohl machst? Hast Du Pilze getrocknet? Und Kräuter?

An meinem Geburtstag denke genau um 19 Uhr an mich! Ich werde auch an Dich denken!

Grüß alle Treuen!

Laß es Dir gutgehen!

 

Es küßt Dich V.

12. Brief

Liebe Olga,

(13. November 1979)

 

es ist Dienstag abend, gerade bin ich vom Gericht zurückgekommen, schon als Verurteilter. Ich würde Dir gern so viel schreiben über verschiedene Gefühle und Erlebnisse und Gedanken, die mich während des Prozesses begleiteten, aber ich bin irgendwie erschöpft und schrecklich müde – und ich weiß auch nicht, was ich alles darüber schreiben kann. Ich werde also erst einmal Ordnung in meinem Kopf machen und das nächste Mal vielleicht mehr darüber schreiben. Jetzt vielleicht nur, daß ich guter Stimmung bin, ich bin froh, es hinter mir zu haben; an Selbstmord denke ich nicht, im Gegenteil schaue ich der Zukunft frohen Mutes entgegen. Ich weiß nicht, ob nicht später irgendeine Art Depression folgen wird, aber ich glaube nicht. Und fang auch an, für mich ein «Lagerpaket» vorzubereiten, jemand wird Dich beraten, was da hineingehört. Am besten ALLES, denn im Lager werde ich nichts haben, nicht einmal Geld, um etwas zu kaufen. Das letzte Mal habe ich meinem Bruder einen Brief geschrieben. Grüße ihn. Ich danke Euch beiden, daß Ihr beim Prozeß wart. Sei tapfer und vernünftig! Und grüße alle, die ich gern habe – Du weißt wen.

 

Es küßt Dich Vašek

 

P.S. Der Rechtsanwalt soll mir, ich habe das vergessen, viel liniertes Papier mitbringen.

Ein Neuntel der Strafe habe ich schon hinter mir …

***

(Mittwoch – morgens)

 

Schnell noch ein paar Sätze.

Wie haben Dir meine Broterzeugnisse gefallen? Ich fürchte, sie kommen Dir ekelhaft vor, sonst hättest Du wohl etwas davon beim Prozeß getragen. Wenn das so ist, dann gib sie weiter. Am ersten Tag des Prozesses hast Du mich so eigenartig angelächelt – ein wenig, als ob Du mir eine Grimasse schnittest. Vielleicht kam ich Dir zugeknöpft vor, aber ich durfte niemanden grüßen. Meine Strafe nehme ich sozusagen philosophisch. Gott straft mich möglicherweise für Stolz, und vielleicht versucht er mich auch. Es ärgert mich, daß ich offenbar nicht werde schreiben können – und ich habe (darüber hab ich Dir berichtet) das Stück, über das ich hier immer nachdenke, jetzt schon sehr gut durchdacht. (Wieder habe ich alles radikal geändert.) Mach es gut, das nächste Mal schreibe ich mehr. Tschüs –

 

V.

13. Brief

Liebe Olga,

Samstag, den 3. November 1979

 

ich lebe immer noch von Deinem gestrigen Besuch, der für mich – wie üblich – eine Art Doping war bzw. ein «Schuß», wie im Gefängnis gesagt wird. Ich habe das Gefühl, daß ich Dir diesmal ein wenig zerstreut vorgekommen sein muß, vielleicht sogar seltsam. Aber wenn die hier so aus heiterem Himmel in dieses Loch kommen und einen für eine halbe Stunde wieder in seine Welt hinausziehen, dann ist man davon notwendigerweise ein bißchen verschreckt und nicht ganz in seiner Haut. Allerdings nur äußerlich – vom Gesichtspunkt des wirklichen Zustands der Seele aus bedeutet das gar nichts. Alles, was Du gesagt hast, habe ich wohl gehört, alles hat mich interessiert, alles habe ich mir gemerkt und nachträglich im Geiste rekapituliert und analysiert. Und über alle guten Nachrichten habe ich mich, wie es sich gehört, gefreut. Sollte es Dir also vorgekommen sein, als sei mir alles mögliche gleichgültig, so war das eine nur scheinbare Gleichgültigkeit, die zum Teil von meiner äußeren Nervosität stammte, zum Teil aus dem Bemühen kam, nicht alles offen zu zeigen.

In Deinem Brief war eine kleinere Predigt, aus der hervorging, daß Du das Gefühl hattest, als ob ich meine Entscheidung bezüglich der USA bedaure und mich «wieder» in irgendwelche unpassenden Spekulationen verwickelt hätte. Das war ein Mißverständnis. Entstanden wohl, weil Du meine ein wenig verworrene Sprache, die von dem Bemühen um andeutungsweise Redeweise stammte, wohl nicht verstanden hast. Ich habe das in einer Situation geschrieben, in der ich mir einbilden konnte, die ganze Sache mit den USA falsch verstanden zu haben, und daß ich de facto nicht vor einer wirklichen Entscheidung stand, sondern daß es eher um so etwas wie ein «Spiel» ging und ich als ein Blödian dastand, dem das nicht aufging. Sehr bald nach diesem Brief jedoch erkannte ich, daß mein Eindruck von einem «Spiel» ein völliger Irrtum war und daß ich im Gegenteil die ganze Sache gleich von Anfang an genau richtig verstanden hatte. Alle weiteren Ereignisse haben mich darin nur bestätigt. Hätte ich gewußt, daß Du daraus so weitreichende Schlüsse ziehst, dann hätte ich Dir gar nicht davon geschrieben. So hast Du mich also wirklich unnötigerweise gerüffelt. Bei Deinem gestrigen Besuch hast Du die Frage gestellt, ob diese Möglichkeit – wenn sie sich erneut ergäbe – nicht doch erwägenswert wäre. Das hat mich ein wenig überrascht. Was hat sich gegenüber Anfang September verändert? Daß ich einige Jahre Gefängnis vor mir habe? Das wußten wir doch damals schon! Und wenn es keine ganz einfache Entscheidung war, dann ausschließlich deshalb. Trotzdem haben wir uns spontan entschlossen (unabhängig voneinander waren wir derselben Meinung!), und ich sehe keine Gründe, warum wir unsere Entscheidung auf einmal ändern sollten.

Und jetzt zu meiner Verurteilung: ich war innerlich darauf vorbereitet, so daß mich das in keiner Weise getroffen hat. Trotzdem hat sich meine Verfassung nach dem Prozeß ziemlich verändert: die letzten Reste der Nervosität sind verschwunden (was begreiflich ist, denn nervös ist der Mensch aus Ungewißheit, nicht aus Gewißheit); es bemächtigte sich meiner eine große Unlust, an unseren Fall zu denken und sich mit ihm zu beschäftigen, und im ganzen fiel ich in eine Art ziemlich tiefen Dämmerzustand; es machte mir keinen Spaß, Gymnastik zu treiben, abzunehmen, zu lernen, über das Stück nachzudenken – es schien mir auf einmal, daß all diese kleinen Bemühungen irgendwie ihren Sinn verloren hätten. Ich verfiel weder in Depressionen noch in Hoffnungslosigkeit, sondern bloß in Passivität und Apathie. Einen gewissen Bruch bedeutete die Verurteilung also doch, ich befand mich in einer radikal neuen existentiellen Situation, in der ich mich erst einrichten mußte. Das heißt, für sich selbst eine völlig neue Struktur der Werte zu finden und für alles eine neue Perspektive, andere Hoffnungen, andere Ziele, andere Interessen, andere Freuden; sich eine neue Auffassung der Zeit zu schaffen und überhaupt eine neue Konzeption des Lebens.

Ich bin zu viereinhalb Jahren verurteilt worden. Wenn mir meine Bewährung dazugerechnet wird, womit man rechnen muß, dann bedeutet das, daß ich bis auf eine Woche 64 Monate im Gefängnis sein soll, d.h. bis zum 22. September 1984. Es kann geschehen, daß man mich früher entläßt, aber damit dürfen wir nicht rechnen oder uns daran klammern. Anfang Dezember werde ich erst ein Zehntel der Strafe hinter mir haben.

Wenn ich über diese meine verhältnismäßig hohe Strafe nachdenke, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, daß es in Wirklichkeit eine Strafe für alles ist, was ich in den letzten Jahren getan habe (auch wenn das im Urteil nicht gesagt wird). Was mich zwingt, mir selbst die Frage zu stellen, ob ich irgendwelche Fehler begangen oder etwas schlecht gemacht habe. Grundsätzlich meine ich nicht. Einigen könnte es vielleicht vorkommen, daß ich in manches zu viel investiert habe, daß ich nicht genügend innere Reserven hatte und daß ich nicht vorsichtig genug war. Das ist möglich, und wäre das nicht so gewesen, wäre es mit mir vielleicht nicht so ausgegangen. Nur daß man seinen Charakter nicht ändert; ich bin eben so, wenn ich etwas anfange, dann muß ich das mit vollen Kräften tun, ohne Hintertürchen. Dazu kam jedoch in diesem Falle – in den letzten zwei Jahren – noch ein anderes Motiv: nach meiner Rückkehr aus dem Gefängnis im Jahre 1977 war ich durch die Art, wie damals alles zusammenkam, so unglücklich, ja sogar verzweifelt, daß mir alles gleichgültig war und es mir nur um eines ging: zu zeigen, daß ich nicht meiner Bequemlichkeit den Vorzug gegeben hatte. Vielleicht hat das dazu geführt, daß ich manchmal exaltiert und krampfhaft war, zu einigen Dingen die gesunde Distanz verlor und mich allzusehr in sie versenkte. (Du selbst hast mir das nicht nur einmal angedeutet.) Vielleicht habe ich mir wirklich ein wenig «das Leben genommen», wie jemand über mich geschrieben hat. Es war keine gute Situation und konnte so nicht weitergehen.

Ich schreibe darüber, weil ich mich – wie schon gesagt – in einer neuen Situation einrichte und eine der Aufgaben, die ich meinem langen Gefängnisaufenthalt geben will, eine Art «Selbstkonsolidierung» ist. Als ich begann, Schauspiele zu schreiben, war ich innerlich nicht so beschwert wie in den letzten Jahren, ich hatte viel mehr eine gewisse «jungenhafte» Phantasie, ich war innerlich weit ausgeglichener – und hatte dabei irgendwie mehr innere harmonische Gewißheit – die ständige Problematisierung seiner selbst ist die andere Seite der Münze «Verbissenheit». Nun ja, das alles möchte ich gern wieder in mir erneuern. Wahrscheinlich kommt es Dir seltsam vor, daß mir zu dieser Selbstrekonstruktion gerade der Kerker dienen soll, aber ich habe tatsächlich so ein Gefühl, daß ich mich – für längere Zeit aus allen Bindungen herausgerissen, mit denen ich mich selbst gefesselt habe – innerlich befreien und neue Souveränität gewinnen könnte. Es geht hier nicht um eine Revision dessen, was ich über die Welt denke, sondern im Gegenteil um eine bessere Erfüllung der Ansprüche, die die Welt – so, wie ich sie sehe – an mich stellt. Ich will mich nicht ändern, sondern besser ich selbst sein. (Ein wenig erinnert das an die Hoffnungen, mit denen die Helden Dostojewskis in das Gefängnis gehen – bei mir ist das aber weder so pathetisch noch so absurd, noch so religiös). Ich möchte mit achtundvierzig Jahren nicht als ein galliger Alter zurückkommen, zu dem ich in der letzten Zeit ein wenig geworden bin, sondern eher als der fröhliche Junge, der ich einst war. Vielleicht sind das Illusionen, aber über welche meiner Pläne für die nächsten fünf Jahre ich auch nachdenke, immer komme ich schließlich auf diese Angelegenheit zurück als auf die Hauptaufgabe, die alles andere vorbestimmt. Und es scheint mir auch, soll ein Mensch meines Typs aushalten, dann geht das nicht anders, als daß er dem einen eigenen Sinn gibt.

Solltest Du mir in diesem Augenblick vorwerfen, daß ich in diesem Brief wieder «zu aufrichtig» bin, dann muß ich Dir sagen, daß es mir völlig gleichgültig ist, daß das jemand liest. Ich halte es für wichtig, daß Du meine Denkweise siehst – ich brauche Kommunikation – und möchte nicht, daß wir bloß aus Stolz auf unsere Privatsphäre aufhören, uns zu verstehen. Du bist in diesen Dingen grundsätzlicher als ich, das ist wahr, aber in diesem Fall scheint mir Offenheit lebenswichtig zu sein.

Nun ja, ich höre schon auf, mich mit mir selbst zu beschäftigen, und werde versuchen, ein wenig darüber nachzudenken, was auf Dich zukommt …

Wir haben schon einiges überlebt, wir werden auch das überleben! Wir werden jeder sein eigenes Bündel Sorgen haben, und jeder wird mit ihnen auf seine Weise fertig werden müssen. Und gegenseitig müssen wir uns hauptsächlich aufmuntern, nicht deprimieren. Ich unterschätze Deine Sorgen überhaupt nicht, in mancherlei Hinsicht wirst im Gegenteil Du es schwerer haben als ich. Ich habe mir überlegt, wie Du dem – nach meiner Vorstellung – entgegentreten solltest.

***

Montag, den 5. November 1979

 

Heute hatte ich einen guten Tag: ich habe gebadet, wunderbar Yoga gemacht, gesunde Sachen gegessen (Dein Verdienst), hatte gute Laune (der Ansturm der Vitamine hatte darauf sicherlich Einfluß). Die Zeit des Dämmerzustands scheine ich definitiv hinter mir zu haben. Grüße alle Treuen und alle, die ich gern habe. Ich werde sie nicht namentlich aufzählen, aber grüße jeden speziell, als ob ich sie alle aufgeschrieben hätte. Auch wenn Du nicht so fröhlich warst wie das letzte Mal, hast Du gut ausgesehen – offenbar kamst Du nicht vom Bummel.

SEI RUHIG, AUSGEGLICHEN, FRÖHLICH, ARBEITSAM, GESELLIG, LIEB ZU ALLEN, OPTIMISTISCH, PFLEGE DICH. ZIEH DICH SCHÖN AN, SAGE LAUTER KLUGE SACHEN, SCHIEBE UNANGENEHME PFLICHTEN NICHT VOR DIR HER, STUDIERE MEINE BRIEFE AUFMERKSAM UND BEMÜHE DICH, MEINE AUFGABEN ZU ERFÜLLEN, SEI MUTIG UND GLEICHZEITIG BEDACHTSAM, DENK AN MICH IM GUTEN, BEDAURE MICH, ABER NICHT ZU VIEL, DAMIT DU NICHT TRAURIG WIRST, VERLIERE DIE HOFFNUNG NICHT UND HAB MICH GERN!

 

Es küßt Dich Vašek

 

 

P.S. (Montag nacht) Ich war herrlich verschlafen, und auf einmal erinnerte ich mich an unseren Prozeß, ärgerte mich, stand auf und beschrieb einige Seiten, aß Zuckerzeug und rauchte drei Zigaretten. So habe ich mich beruhigt. Du siehst also: nicht einmal ich habe Wasser in den Adern!

14. Brief

Liebe Olga,

Samstag, den 17. November 1979

 

die Hauptneuigkeit aus meinem Leben in den letzten vierzehn Tagen ist nicht allzu freudig: mit nie dagewesener Intensität haben sich meine verfluchten Hämorrhoiden entzündet. Schon einige Tage mache ich Fürchterliches durch, es schmerzt ununterbrochen, auch in der Nacht, so daß ich nicht schlafen kann. Unter diesen Bedingungen ist das natürlich schlimmer als draußen, aus vielen verschiedenen Gründen, etwa auch, weil man sich, wenn es am schlimmsten ist, keinen Schnaps gönnen kann. Man hat nur seinen Schmerz, und so muß man ihn bis zum Grund auskosten. Ich bin fast völlig verzweifelt. Gestern war ich zu einer fachärztlichen Untersuchung in Pankrác. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß ich operiert werde. Ich wäre sehr froh, denn ich weiß nicht, wie ich fünf Jahre damit leben soll. Draußen hat man tausend Möglichkeiten, dem entgegenzutreten, die man im Gefängnis natürlich nicht hat. Ich fürchtete, wie jeder chronische Hämorrhoidist, dort eine Geschwulst zu haben, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Ein Lichtblick war nur, daß ich durch Prag gefahren bin (ich habe auch unser Haus am Ufer gesehen).

Im nächsten Brief wird der Schein für das Dezemberpaket sein. Ich werde froh sein, wenn Du ein paar Dinge mit einpackst, die zu Weihnachten gehören: eine Kerze, Weihnachtsdecke, Räucherkerze, Mistelzweige u.ä. Ansonsten Zigarren, Zigaretten und Weihnachtsgebäck (es ist nicht sicher, ob es möglich sein wird, andere Lebensmittel zu schicken). Und natürlich Säfte. Und Vitamine.

Ich habe auch eine bessere Nachricht: ich habe angefangen, ein Stück zu schreiben! Nämlich: ich bin vom bloßen Nachdenken und Notieren zum Schreiben des Textes übergegangen. Ich halte das für einen großen Erfolg, weil ich nicht geglaubt habe, daß mir das unter diesen Bedingungen möglich wäre. So habe ich noch nie geschrieben: ich habe wenig Platz, kann nicht in der Nacht schreiben, muß Papier sparen, habe nichts, womit ich mich beim Schreiben aufmuntern kann usw. Viel ist es, das ist wahr, bisher noch nicht – etwa 10 Seiten. (Wegen der Schmerzen mußte ich die Arbeit unterbrechen.) Aber die Hauptsache ist, daß das überhaupt geht. Theoretisch sollte mich nichts daran hindern, früher oder später tatsächlich ein neues Stück fertigzuschreiben. (Wie das nach der Verurteilung sein wird, weiß ich natürlich nicht, ich werde entschieden weniger Zeit haben.) Weil das Schreiben eines jeden Stückes für mich, wie Du weißt, eine große Geburt ist (ich kann das nicht wie die Mehrzahl meiner Kollegen), bin ich über diese Wendung sehr froh.

Im letzten Brief habe ich ein wenig über mich selbst psychologisiert, ich nehme an, daß Du das verstanden hast; ich knüpfe daran an. Ich denke darüber nach, wie ich den Jahren im Gefängnis, die mich erwarten, Sinn geben soll. Das letzte Mal habe ich darüber geschrieben, daß es vielleicht – wenn ich das gut schaffe – zu meiner gesamten psychischen und mentalen Rekonstitution führen könnte. Warum ich das glaube: die letzten Jahre habe ich doch in einer Art «Glashausposition» gelebt. Das wird sich nun ändern. Ich werde eine von vielen kleinen und ohnmächtigen Ameisen sein. Ich kehre also irgendwie in frühere Zeiten zurück, ich werde in die Welt geworfen sein, in ähnlicher Weise wie zu der Zeit, als ich Laborant war, Kulissenschieber, Soldat, Student. Ich werde meine Nummer haben, werde einer von vielen sein, und niemand wird mehr von mir verlangen oder mich in besonderer Weise beachten. Irgendeine «Institution» werde ich vielleicht für jemanden draußen sein – aber davon werde ich nichts wissen, ich werde in einer anderen Welt leben und mit anderen Sorgen. Diese Rückkehr zu einer Situation, die mir am wohlsten getan hat und in der ich auch am meisten getan habe, könnte mir zu jener geplanten inneren Rekonstitution verhelfen. Eines der Dinge, in denen sich das widerspiegeln sollte, könnte sein, daß ich wieder mehr für das Theater zu schreiben begänne – als Beobachter des «Welttheaters». Es ist paradox, daß ich mir diese Wende gerade vom Gefängnis verspreche, wo mir das Schreiben wohl außergewöhnlich erschwert werden wird, aber so pflegt das zu sein: hab ich nicht auch früher am meisten gerade in den Zeiten geschrieben, in denen ich zum Schreiben am wenigsten Zeit hatte? In dieser Hinsicht begreife ich auch die Tatsache, daß ich jetzt schon etwas zu schreiben angefangen habe, als einen bescheidenen Anfang in der Richtung, die ich im Sinn habe.

Ich habe freilich auch andere Pläne: ein wenig will ich mich im Englischen vervollkommnen – perfekt lerne ich das nie, es geht nur darum, so gerade eben sprechen und lesen zu können. Hauptsächlich würde ich natürlich gern Deutsch lernen – zwar auch nicht perfekt – dazu bin ich einfach nicht disponiert –, aber wenigstens so, wie ich Englisch kann. Das würde mir durchaus genügen. Ich habe das intensive Gefühl, daß mir draußen nicht einmal das gelingen würde, hier jedoch zumindest die Hoffnung besteht. Es wäre gut, wenn Dir irgendein Kenner ein gutes, komplettes und umfangreiches Lehrbuch empfehlen könne und wenn Du es mir zu all den Dingen legtest, die ich für das Lager möchte und die Du mir vielleicht irgendwie wirst geben können. Dazu wäre noch ein Wörterbuch gut.

Meinen Plan für die Zeit des Gefängnisses würde ich bisher so zusammenfassen:

Den Gesundheitszustand so zu erhalten, wie ich ihn jetzt habe (mit eventueller Ausheilung der Hämorrhoiden);

mich insgesamt psychisch und mental zu rekonstituieren;

mindestens zwei Stücke zu schreiben;

mein Englisch zu verbessern;

Deutsch wenigstens so zu lernen, wie ich jetzt Englisch kann;

gründlich die ganze Bibel zu studieren.

Wenn es mir gelänge, diesen Plan zu erfüllen, wären dies doch nicht ganz verlorene Jahre …

 

Es küßt Dich V.

 

HOFFNUNG IST EINE DIMENSION DES GEISTES. Sie ist nicht außerhalb von uns, sondern in uns. Wenn Du sie verlierst, mußt Du sie neu in Dir SELBST und den Menschen um Dich herum suchen – nicht in Gegenständen oder Geschehnissen.

***

Dienstag, den 20. November 1979

 

Heute war also der Verteidiger hier, um mit mir die Berufung durchzusprechen; übermorgen wird er noch einmal vorbeikommen, aber da wird dieser Brief schon unterwegs sein. Über Dich und Euch habe ich von ihm nicht viel erfahren, nur, daß meine Briefe wohl endlich angekommen sind, was bedeutet, daß ich die Pakete jetzt in absehbarer Zeit erwarten könnte. Nun, ich lasse mich überraschen. Ansonsten scheint es mir freilich nicht, als ob Du mit dem Verteidiger in regelmäßiger Verbindung wärest. Mein Bruder hat mit ihm Kontakt, wofür ich ihm dankbar bin. Prima, daß Ihr auch Berufung einlegt. Das nächste Mal sehen wir uns beim Berufungsverfahren, das möglicherweise noch vor Weihnachten stattfinden wird – oder im Januar. Ich denke, es wäre gut, wenn Du die Tasche mit all den Sachen, die ich fürs Lager will, mit dorthin nimmst. Vielleicht wird uns ein Gespräch erlaubt, bei dem Du mir das übergeben kannst. Wenn nicht, läßt es sich vielleicht anders einrichten – daß sie der Verteidiger mitnimmt und im Gefängnis abgibt oder so. Auf das Lager freue ich mich schon, es wird wenigstens eine Veränderung, ich werde mich mehr bewegen und mehr Menschen sehen. Hier freut sich jeder darauf. Ich mache mir zwar nichts vor, ich werde dort sicher auch entbehren, aber wenigstens wieder ein wenig anders. Und das Provisorium geht zu Ende – ein Provisorium ist nie eine gute Sache. Lieber Brummbär, ich denke voller Zärtlichkeit an Dich, und mit Zärtlichkeit trage ich sogar, daß Du nicht schreibst, meine Aufgaben nicht erfüllst und auf meine Briefe nicht reagierst (liest Du sie wenigstens ordentlich?). (Ich brauche die Kommunikation mit Dir und brauche Deine Kontrolle – so wie Du einst den Dramaturgen für mich gemacht hast.)

 

Es küßt Dich Vašek

 

Goethe: Mehr Licht!

15. Brief

Liebe Olga,

Samstag, den 1. Dezember 1979

 

es gibt eine bestimmte Art von Gefängnisinsassen, mit denen ich hier zusammengetroffen bin und die mir definitiv alles Selbstmitleid im Gefängnis verleidet haben: draußen sind sie große Macher, mächtige Vorgesetzte, selbstsüchtig und zynisch, sie denken nur daran, wie sie sich auf Kosten ihrer Nächsten bereichern können – und wenn sie hierher kommen, werden sie zu alten Weibern: sie heulen und schluchzen, tun sich ständig leid, täuschen verschiedene Krankheiten vor, sind kriecherisch und bemühen sich, alles auf andere abzuwälzen. Weihnachten habe ich hier noch nicht erlebt, aber ich habe gehört, daß an Weihnachten diese gefallenen Bonzen am schrecklichsten sind und es mit ihnen nicht zum Aushalten ist. Aus lauter Allergie vor dieser mentalen Lage habe ich nicht vor, mich mit Weihnachten sehr zu beschäftigen, und werde das auch in diesem Brief nicht allzusehr tun.

… Es ist mir unangenehm, wieder auf das Thema meiner Sachen für das Lager zurückzukommen, und ich komme Dir damit wohl schon lächerlich vor, aber Du mußt verstehen, daß das für mich wirklich wichtig ist und ich darüber hinaus nicht weiß, inwieweit Du meine vorhergehenden Instruktionen in dieser Richtung registriert hast. Deshalb füge ich zur Sicherheit eine neue Liste bei (die Dinge waren nämlich auf verschiedene Briefe verteilt, und ich weiß nicht, ob ich alles aufgeschrieben habe): STANGE BT + GERÄT ZUM ZIGARETTENSTOPFEN + ZIGARETTENSPITZE + FESTES BRILLENETUI + KALENDER 1980 + 5 LINIERTE HEFTE + KUGELSCHREIBER + MINEN + BIBEL + KLEINES TSCH-DT UND DT-TSCH WÖRTERBUCH + LEHRBUCH DEUTSCH + VIELE VITAMINE + TEE + TASCHENMESSER + BILLIGER RASIERAPPARAT + GRÖSSERE MENGE GUTER RASIERKLINGEN + 3 TUBEN NORMALER RASIERSCHAUM + 3 ZAHNPASTEN + 3 GELEE NACH DER RASUR + NEUE (HARTE) ZAHNBÜRSTE + WASCHBÜRSTE + BRAUNE SONNENCREME + 3 FRANZBRANNTWEINGELEE IN DER TUBE + NAGELSCHERE + SPIEGEL + NAGELFEILE + 2 PAAR WARME SOCKEN.

Stopf das alles in irgendeine alte Tasche, und nimm es zum Berufungsprozeß mit für den Fall, daß man uns ein Gespräch genehmigt und Du sie mir bei dieser Gelegenheit übergeben kannst. Wenn das nicht klappt, dann bring sie am zweiten (nicht am ersten) Tag nach dem Prozeß ins Gefängnis. Ich werde in der Zwischenzeit ein Gesuch an die Gefängnisverwaltung richten, daß sie das von Dir annehmen und zu meinen Sachen geben. Wenn das nicht geht, dann nimm es wieder mit, und dann wirst Du es mir vielleicht im Paket schicken können. Aber vielleicht klappt es doch. Im Lager werde ich nichts haben und auch kein Geld, um etwas zu kaufen …

In den letzten Briefen habe ich von meinen Plänen geschrieben. Es kann sein, daß diese Pläne illusorisch sind, doch ich bin entschlossen, alles davon zu erfüllen, was mir die Umstände erlauben …

Wie wirst Du Weihnachten verleben? Wohl mit Eurer Familie, nicht? Wünsche ihnen allen von mir schöne Weihnachten und ein glückliches neues Jahr. Und kauf auch an meiner Stelle ein paar Geschenke. Ich lege diesem Brief Zettelchen bei, die Du an die Geschenke machen kannst. Kauf Dir von mir etwas Schönes – irgendein fesches Kleid etwa; für den Fall, daß Du es Dir unter den Baum legst, gebe ich auch ein entsprechendes Zettelchen bei. Dir wünsche ich, daß Du das nach Jahren erste Weihnachten ohne mich fröhlich verlebst. Iß und trink für mich und sei nicht traurig – wenn Du gerade mitten darin bist, werde ich schon lange schlafen. Um 19 Uhr werde ich intensiv an Dich denken (vor dem Abmarsch ins Bett)…

Ich habe eine Idee für ein sehr gutes Weihnachtsgeschenk, das Du mir machen könntest: Du könntest mir endlich einen umfangreicheren Brief schreiben.

 

Es küßt Dich Vašek

16. Brief

Liebe Olga,

15. Dezember 1979

 

in ein paar Tagen sehen wir uns bei Gericht, und erst Gott weiß wann wirst Du diesen Brief bekommen; wenn Du ihn lesen wirst, werde ich wohl schon irgendwo weit weg im Lager sein und völlig andere Sorgen haben als jetzt. Trotz alldem – und trotz meines Glaubens, daß man uns nach dem Prozeß ein Gespräch erlauben wird – werde ich schreiben, als ob nichts Entscheidendes geschehen sollte; so hast Du wenigstens, wenn auch nachträglich, Überblick über mein Leben …

Hier ist es sehr grau, trüb und unfreundlich. Ich freue mich schon auf den Prozeß und die Veränderungen, die dann folgen werden. Am Stück schreibe ich jetzt nicht viel, aber ich denke viel darüber nach und über andere literarische Alternativen; mit der Zeit werde ich mehr darüber schreiben. Wenn mich Hoffnungslosigkeit überfällt, mache ich Yoga – und das hilft! Mich deprimieren Kleinigkeiten – keineswegs die Situation im ganzen. Ich habe ein sehr interessantes Buch gelesen – Byrd (Forscher): ‹Allein›. Wie er ein halbes Jahr allein am Südpol gelebt hat. Viele Erkenntnisse über die Isolation, die mit meinen Erfahrungen übereinstimmen! Sehr gründlich lese ich Rudé Právo und analysiere alles darin. Vorgestern habe ich mich zum Beispiel den ganzen Tag lang mit dem Etat für das kommende Jahr beschäftigt. Sehr interessant! Ich lerne aus dem, was geschrieben steht, auch das zu begreifen, was nicht geschrieben wird. An meinen Kollegen habe ich mich schon gewöhnt und stopfe ihn mit ins Stück. Es ist eigenartig, aber geistiges Schöpfertum ist offenbar ohne Interaktion mit Anregungen von außen nicht möglich – wenn die Seele von allem isoliert ist, entwickelt sie sich nicht, sondern verkümmert eher. (Die buddhistische Konzeption der Selbstvervollkommnung in der Isolation ist wahrschenlich für eine andere Art Mensch – aber nicht einmal sie führt zu sichtbaren schöpferischen Ergebnissen –, ihre Ergebnisse sind wohl im Grunde nicht mitteilbar und sind im übrigen auch gar nicht zur Mitteilung bestimmt.) Mir kommt es zwar nicht vor, als ob ich hier gleich geistig verkümmere, aber ich fühle, daß ein Erlebnis, ein einziges interessantes Gespräch mich zu unverhältnismäßig ausdrucksvolleren geistigen Taten provozieren würde als eine Woche konzentrierten Nachdenkens. Die Seele braucht eben die WELT – ohne sie hat sie «Leerlauf». Den Mitgefangenen erscheine ich als ein introvertierter Typ, der nur liest, grübelt oder etwas aufschreibt, aber im Grunde bin ich überhaupt nicht so. Mich inspiriert die Erfahrung der Welt, keineswegs das eigene Innere.

 

Es küßt Dich Dein Dich liebender V.

***

(Sonntag vormittag)

 

Die Schmerzen im Gesäß werden stärker, ich fürchte, daß sich das nächste Woche kumuliert – ich weiß nicht, wie ich den Prozeß absolvieren soll. Darüber hinaus scheint mir, daß zur Schlappheit vor Schmerzen noch wieder eine Grippe hinzukommt. Unter normalen Umständen nähme ich jetzt einen Haufen Vitamine, irgendwelches Aspirin und heißen Tee – und es wäre vorbei. So wird sich das wieder einige Tage hinziehen. Wann wird mein Körper mal wieder in Ordnung sein? DANKE FÜR DIE FOTOGRAFIE! Gut!

***

(Sonntag abend)

 

Mein Gesundheitszustand hat sich gebessert. Vielleicht wird in diesem Brief ein Schein für Obst sein. (Es stimmt nicht, daß es jeden zweiten Monat sein darf – das war einmal – jetzt ist das eine Sache der individuellen Beurteilung)…

Ich grüße Dich, küsse Dich und bis übermorgen auf Wiedersehn! V.

17. Brief

Liebe Olga,

Silvester 1979

 

von Deinem Besuch hatte ich einen ausgezeichneten Eindruck, und ich halte ihn für sehr gelungen. Du warst hübsch (!), es stand Dir, Du strahltest Ausgeglichenheit, Souveränität und Tatkraft aus, hast mir eine Menge wichtiger Dinge gesagt – ich war – kurz und gut – ungewöhnlich zufrieden mit Dir. Es scheint, daß die Situation der «Strohwitwe» Dir diesmal sehr zugute kommt: die zeitweilige Befreiung aus der Abhängigkeit von mir erlaubt Dir, erfolgreich Deine Identität zu entfalten. Die größte Freude macht es mir natürlich, daß Du – wenn man so sagen kann – «in meinem Geiste» lebst und wirkst und mich gelungen ersetzt. (Jetzt wäre es noch nötig, daß Du an meiner Stelle ein neues Stück schreibst.) Daß ich mir neben Dir ein wenig wie eine Drohne vorkomme, wie ein Anhängsel, für das man sorgen muß wie für ein Kind oder einen Krüppel, beunruhigt mich; ich werde von Dir abhängiger, als gesund ist. Ich danke auch für alle Sachen – ich hoffe, daß man in der Vorratskammer meine reichhaltige Ausstattung für das Gefängnis angenommen hat. Ich konnte ebenfalls alles mitnehmen. (Sei nicht böse, daß ich gezögert habe, den Talisman anzunehmen – das war nicht etwa, weil ich nichts davon gehalten hätte, sondern eher aus Furcht, daß er mich zu sehr zum Sklaven macht – ich habe eine Neigung zum Aberglauben.)

Dieser Brief – geschrieben an der Wende des Jahrzehnts – wird vielleicht eher ankommen, als es bisher üblich war – wer weiß, ob er nicht sogar die vorhergehenden Briefe überholt: weil ich verurteilt bin, geht die Korrespondenz offenbar nicht mehr so komplizierte Wege.

Über Erwarten gut habe ich hier Weihnachten überlebt. Ich war noch froh vom frischen Erlebnis Deines Besuches und dem frischen Vorrat an Köstlichkeiten. Am Heiligabend haben wir uns eine große Tafel hergerichtet, die Wand über dem Tisch war mit Mistelzweigen geschmückt, der Tisch mit schön angerichteten Köstlichkeiten gedeckt. Die Vorbereitung von Festtafeln ist, wie Du weißt, mein Hobby. Ich war überhaupt nicht sentimental, im Gegenteil, ich war in leicht gehobener Stimmung. Nach Weihnachten wurden mir die Haare geschnitten. Zwar keine Glatze, wie ich wollte (das wurde nicht erlaubt), aber sehr kurz. Ich sehe also aus wie vor vielen Jahren, was ich als symbolisches Vorzeichen meines Vorhabens auffasse, wieder etwas von meiner früheren psychischen Frische zu erlangen.