Closer to you (3): Erkenne mich - J. Kenner - E-Book
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Closer to you (3): Erkenne mich E-Book

J. Kenner

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Beschreibung

Das große Finale der New-York-Times-Bestsellertrilogie

Die Beziehung zu dem attraktiven und selbstbewussten Jackson hat Sylvias Leben verändert. Aus dem leidenschaftlichen Spiel ist eine tiefe Bindung geworden. Doch nachdem Sylvia ihm ihr größtes Geheimnis anvertraut hat, gerät Jackson unter einen furchtbaren Verdacht. Für Sylvia beginnt ein Albtraum, denn sie weiß: Jackson würde alles opfern, um sie zu schützen – selbst ihre Liebe …

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Seitenzahl: 456

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Zum Buch

Die Liebe zu dem selbstbewussten und leidenschaftlichen Jackson hat Sylvia verändert. Bei ihm kann sie sich fallen lassen, mit ihm die Dämonen ihrer Vergangenheit vergessen. Bis ausgerechnet ihr dunkelstes Geheimnis für Jackson zum Verhängnis wird: Er gerät unter Verdacht, Sylvias größten Feind ermordet zu haben. Als nicht nur sein Ruf, sondern auch sein Leben auf dem Spiel steht, trifft Jackson eine Entscheidung, die Sylvia den Boden unter den Füßen wegzieht …

»Intensiv, gefühlvoll und sehr sinnlich – das großartige Finale der Closer-to-you-Trilogie!« Romantic Times

Zur Trilogie

Band 1: Closer to you. Folge mir

Band 2: Closer to you. Spüre mich

Band 3: Closer to you. Erkenne mich

Zur Autorin

J. Kenner wurde in Kalifornien geboren und wuchs in Texas auf, wo sie heute mit ihrem Mann und ihren Töchtern lebt. Sie arbeitete viele Jahre als Anwältin, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, widmete. Mit Closer to you kehrt sie in die Welt ihrer New-York-Times- und SPIEGEL-Bestsellerserie um Nikki Fairchild und Damien Stark zurück. Eine Übersicht über alle lieferbaren Titel von J. Kenner im Diana Verlag finden Sie unter www.diana-verlag.de oder direkt unter J. Kenner im Diana Verlag.

J. KENNER

closer to you

ERKENNE MICH

ROMAN

Aus dem amerikanischen Englisch von Janine Malz

Diana

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel Under My Skin bei Bantam Books, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York

Deutsche Erstausgabe 05/2016

Copyright © 2015 by Julie Kenner

This translation published by arrangement with Bantam Books, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Diana Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Babette Mock

Covergestaltung: t. mutzenbach design

Covermotiv: wacomka / shutterstock.com

Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

ISBN 978-3-641-17973-1 V003

www.diana-verlag.de

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Kapitel 1

Diese Minuten zwischen Schlaf und Wachsein haben etwas Friedvolles. Dieser sanfte Übergang vom einen in den anderen Zustand ist wie ein Geschenk des Himmels, so voller Wärme und Geborgenheit.

Ich befinde mich in einer Traumwelt, und im Moment fühle ich mich hier sicher. Geborgen. Wie gern würde ich einfach hierbleiben, in seinen Armen.

Aber oft ist es nur ein kurzer Weg vom Traum zum Albtraum, und während ich langsam durch die dunklen Gänge des Schlafs wandle, streckt die Angst ihre langen Finger nach mir aus. Mein Puls schlägt höher, und mein Atem geht flach. Ich kuschle mich näher an ihn heran, um seine Haut zu spüren, doch er ist nicht da, und ich setze mich schweißgebadet kerzengerade im Bett auf. Mein Herz pocht heftig gegen meine Brust.

Jackson.

Ich bin wach. Wach, allein und orientierungslos, und sofort steigt Panik in mir auf. Ich habe Angst, doch ich erinnere mich nicht mehr, weshalb.

Viel zu bald schon kehren mit dem Wachsein die Erinnerungen zurück, und ich wünschte, ich könnte in diesen Zustand des Vergessens zurückkehren, denn nichts, was mein Hirn an furchtbaren Albträumen fabriziert, ist nur annähernd so schrecklich wie die Wirklichkeit, die mich jetzt kalt und unerbittlich einholt.

Eine Wirklichkeit, in der die Welt um mich herum zusammenbricht.

Eine Wirklichkeit, in der der Mann, den ich liebe, unter Mordverdacht steht.

Seufzend lege ich eine Hand an meine Wange, und während ich den Schleier des Schlafs abstreife, nehmen meine Erinnerungen allmählich schärfere Konturen an. Er hatte mir einen sanften Kuss auf die Wange gedrückt, bevor er unseren warmen Kokon verlassen und an die kühle Morgenluft getreten war. Und ich hatte mich gefreut, bleiben zu können, gemütlich eingekuschelt in die Decken, an denen immer noch sein Geruch haftete und die seine Körperwärme abstrahlten.

Nun aber wünschte ich, ich wäre mit ihm aufgestanden, denn ich will nicht allein sein. Allein sein ist der Moment, in dem die Panik wieder in mir hochkriecht.

Allein sein ist der Moment, in dem ich mir sicher bin, dass ich ihn verlieren werde.

Allein sein ist der Moment, vor dem ich mich fürchte.

Doch just in der Sekunde, ich der ich das denke, wird mein Alleinsein jäh beendet. Die Schlafzimmertür fliegt auf und ein kleiner dunkelhaariger Sonnenschein mit blauen Augen kommt hereingerannt, springt zu mir aufs Bett und hüpft mit einer solchen Energie auf der Matratze herum, dass ich nicht anders kann als lachen. »Sylvie! Sylvie! Ich habe mit Onkel Jackson Toast gemacht!«

»Toast? Wirklich?« Es kostet mich Überwindung, aber ich schaffe es, heiter und fröhlich zu klingen und mir nicht anmerken zu lassen, dass die Angst immer noch an mir klebt wie Spinnweben. Ich gebe Ronnie eine kurze, feste Umarmung, doch ich bin abgelenkt. Denn meine ganze Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf den Mann, der in der Tür steht.

Ich betrachte ihn, wie er lässig dasteht, ein Holztablett in der Hand. Sein rabenschwarzes Haar ist noch vom Schlaf zerwühlt, und er trägt einen Zweitagebart. Er steckt in einer Flanell-Schlafanzughose und einem hellgrauen T-Shirt. Mit anderen Worten: Einfach ein Mann, der gerade aufgewacht ist und im Moment an nichts weiter denkt als an das Frühstück und die Nachrichten, die die Zeitung unter seinem Arm füllen.

Aber für mich ist er so viel mehr als das. Er ist Macht und Zärtlichkeit, Stärke und Kontrolle. Er ist der Mann, der meine Tage mit Farbe füllt und meine Nächte mit Licht.

Jackson Steele. Der Mann, den ich liebe. Der Mann, den ich einst törichterweise verlassen wollte. Der Mann, der mich zurückholte, meine Dämonen vertrieb und dabei mein Herz eroberte.

Aber eben diese Dämonen haben uns in diese Situation gebracht.

Denn Robert Cabot Reed war einer dieser Dämonen. Und jetzt ist Reed tot. Jemand hatte sich in sein Haus in Beverly Hills geschlichen und ihm den Kopf mit einem Dekogegenstand aus geschnitztem Elfenbein eingeschlagen.

Und ich fürchte, dass dieser Jemand Jackson war, und dass er bald den Preis dafür zahlen muss.

Als wir gestern am späten Nachmittag in Santa Fe eintrafen, waren wir beide unbeschwert, glücklich und frohen Mutes. Jackson hatte geplant, das Wochenende mit Ronnie zu verbringen und dann am Montag bei Gericht einen Termin zur Verhandlung seines Antrags auf Zuerkennung der rechtlichen Vaterschaft zu vereinbaren, damit er vor dem Gesetz als Vater von Ronnie anerkannt wird. Dieser Plan wurde jedoch jäh zerstört, als wir am Flughafen von Kriminalpolizisten empfangen wurden, die Jackson darüber informierten, dass die Polizei von Beverly Hills nach ihm sucht, weil er in Zusammenhang mit dem Mord an Reed vernommen werden soll.

Aus einem Nachmittag, der als fröhliches, entspanntes Wiedersehen geplant war, wurde so plötzlich ein hektisches Durcheinander, bei dem die Anwälte zwischen New Mexico und Kalifornien hin- und hertelefonierten und nach einigen Diskussionen einen Deal mit den Behörden aushandelten.

Am Ende erhielt Jackson die Erlaubnis, das Wochenende in Santa Fe zu verbringen, unter der Bedingung, dass er sich am Montagmorgen sofort bei der Polizeidirektion in Beverly Hills melden müsse. Eigentlich hätte Jackson noch viel mehr Zeit aushandeln können – solange die Polizei keinen Haftbefehl gegen ihn in der Hand hatte, waren ihre Möglichkeiten begrenzt –, aber sein Anwalt hatte ihm klugerweise davon abgeraten. Schließlich gewinnt man weder das Vertrauen der Polizei noch der Öffentlichkeit, wenn man derartige Spielchen spielt. Denn auch wenn wir nicht wissen, welche stichhaltigen Beweise die Polizei hat, gibt es jede Menge Motive, die für Jackson als Täter sprechen.

Motive.

Das Wort klingt eigentlich viel zu neutral für ein so mieses, dreckiges Arschloch wie Reed.

Dieser Mann hat mich nicht nur als Vierzehnjährige missbraucht und traumatisiert, sondern uns auch zuletzt damit gedroht, dass er einige der abscheulichen Fotos, die er damals von mir gemacht hat, veröffentlichen würde, wenn ich Jackson nicht davon überzeugen würde, sich dem Film, den Reed plante, nicht weiter in die Quere zu stellen. Ein Film, der bislang wohlgehütete Geheimnisse um die kleine Ronnie und ihre Familie offenlegen – und das Kind in den Mittelpunkt eines ziemlich hässlichen öffentlichen Skandals rücken – würde.

Wollte Jackson den Film verhindern? Definitiv.

Wollte er mich davor bewahren, diese Fotos überall im Internet verbreitet zu sehen? Auf jeden Fall.

Wollte er Reed für all das bestrafen, was er mir in meiner Jugend angetan hatte? Absolut.

Hat Jackson Reed ermordet?

Was das betrifft – darauf weiß ich wirklich keine Antwort.

Mehr noch, ich darf es nicht wissen. Laut Jacksons Anwalt Charles Maynard ist es sehr wahrscheinlich, dass man auch mich befragen wird. Und als Freundin ohne den Status einer Ehefrau oder Angehörigen darf ich nicht die Aussage verweigern. Deshalb war es Charles wichtig, dass ich ganz ehrlich antworten kann, wenn ich sage, dass Jacksons Anwälte ihm verboten haben, darüber zu sprechen, und dass er mir gegenüber keinerlei Aussage dazu getroffen hat, ob er Reed ermordet hat oder nicht. Nicht Ja, nicht Nein, nicht Vielleicht. Einfach nichts.

Nichts.

Ich weiß natürlich, was das heißt. Nichts ist gleichbedeutend mit Wahrscheinlich.

Nichts ist gleichbedeutend mit Auf diese Weise kann ich ihn nicht vor Gericht belasten.

Nichts ist gleichbedeutend mit Dadurch versuchen wir das Schlimmste zu vermeiden.

Allein der Gedanke lässt mich erzittern, und ich setze mich im Bett auf, mein Kissen fest im Arm, meinen Rücken am Kopfteil angelehnt, während der Mann, den ich liebe, das Tablett und die Zeitung auf dem kleinen Tisch unter dem Fenster abstellt, an dem immer noch keine Gardinen hängen.

Es ist nur eine kleine Aufgabe, aber er führt sie mit einer solch selbstverständlichen Präzision aus wie so vieles, was er im Leben anpackt. Jackson ist kein Mann, der die Dinge als gegeben hinnimmt, und er ist kein Mann, der eine Verletzung ungesühnt lässt. Er ist ein Mann, der das, was er liebt, verteidigt, und ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass das, was er am meisten auf dieser Welt liebt, ich und seine kleine Tochter sind.

Ich weiß, dass er morden würde, um uns zu beschützen, und dieser Gedanke lässt mich wohlig erschauern. Doch dieses Gefühl wird durch meine Furcht und Sorge getrübt. Denn Jackson würde sogar noch weiter gehen und sich selbst opfern, wenn es unserem Schutz dient. Und ich habe schreckliche Angst, dass er genau das getan hat.

Und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich mit der Schuld leben könnte, sollte er hinter Gittern landen.

Er kommt herüber, setzt sich auf die Bettkante und wird sofort von dem dreijährigen Wirbelwind bestürmt, der gekitzelt werden will. Lächelnd kommt er ihrem Wunsch nach und sieht mich dann mit seinen eisblauen Augen an.

Ich greife nach seiner Hand und nehme sie in meine. Wie oft habe ich in den Stunden seit unserer Ankunft schon nach den passenden Worten gesucht, um ihn aufzumuntern. Aber es gibt keine passenden Worte. Ich kann einfach nur mein Bestes tun und für ihn da sein.

»Steht irgendwas über dich drin?«, frage ich und nicke zu der Zeitung auf dem Tisch hinüber.

»Nein, aber da das nur eine Lokalzeitung für Santa Fe ist, hatte ich das auch nicht erwartet.«

Ich runzle die Stirn. »Soll ich nachschauen?« Damit meine ich nicht die Lokalzeitung, und das weiß er auch. Ich biete vielmehr an, im Internet die einschlägigen Gossip-Websiten zu durchforsten, insbesondere die aus unserer Gegend, die sich auf L. A., Beverly Hills und Schlagzeilen rund um Prominente konzentrieren.

Er schüttelt den Kopf. Er hatte mir gestern gesagt, dass er sich seine Zeit mit Ronnie durch nichts und niemanden verderben lassen will, und das verstehe ich. Aber die Mordanklage hängt wie eine dunkle Wolke über uns – und den Klatsch und Tratsch zu kennen heißt, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein.

Dieses Argument hatte ich bereits gestern Abend angeführt, und ich öffne schon den Mund, um mich zu wiederholen, als er mir einen Finger auf die Lippen legt. »Ich habe heute Morgen nachgeschaut«, sagt er. »Und nichts gefunden.«

»Wirklich?«

»Wirklich«, versichert er mir, drückt meine Hand und hält Ronnie seine andere Hand hin. »Ich habe auf meinem Tablet nachgeschaut, während die junge Dame hier Toast gemacht hat. Stimmt’s?«, fragt er Ronnie, die auf seinen Schoß klettert. »Stimmt’s?«, wiederholt er und kitzelt sie solange, bis sie »Ja! Ja!« kreischt, auch wenn sie ganz offensichtlich keine Ahnung hat, wovon er redet.

»Deine Zeugin scheint mir etwas befangen zu sein.« Ich muss mir ein Lächeln verkneifen, denn es rührt mich, wie natürlich er in seine Vaterrolle gefunden hat und diese ausfüllt.

»Mag sein. Aber die Aussage entspricht der Wahrheit.« Er gibt Ronnie einen Kuss auf den Haaransatz und drückt sie mit einer solch herzerwärmenden Zuneigung an sich, dass es mich schier innerlich zerreißt.

»Du solltest ein bisschen zur Omi rausgehen«, sagt Jackson zu der Kleinen. »Fred fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst.«

Bei der Erwähnung des Welpen weiten sich ihre blauen Augen, die Jacksons so sehr ähneln. »Kommst du mit?«

»Klar«, verspricht er. »Aber erst will ich mich ein bisschen mit Syl unterhalten, während sie ihren Kaffee austrinkt, und dann komm ich zu dir, ja?«

»Und dein Toast?«, fragt sie mich mit ernster Miene.

»Den esse ich gleich, der ist bestimmt superlecker.«

»Yup«, bestätigt sie und schießt wie eine Rakete aus dem Zimmer.

Ich beobachte Jackson, wie er seine Tochter dabei beobachtet, wie sie nach draußen rennt, und als er sich zurückdreht und mich dabei erwischt, lächelt er verlegen. »Es ist manchmal immer noch schwer zu begreifen. Dass sie meine Tochter ist, meine ich.«

Ich denke an die dunklen Haare und blauen Augen des Mädchens. Ihre Intelligenz gepaart mit einer lebhaften Art und einem starken Willen. »Ich finde, das liegt auf der Hand.«

Ich hatte gehofft, ihm damit ein Lächeln zu entlocken, doch er sieht nach wie vor traurig aus.

»Hast du wirklich nichts gefunden?«

»Wirklich nicht. Ehrenwort.« Ich sehe offenbar wenig überzeugt aus, denn er fährt fort. »Die Polizei veröffentlicht vorerst keine Namen. Nicht solange kein Haftbefehl erlassen wurde. Oder bevor sich die Sache so lang hinzieht, dass sie an die Presse gehen müssen, damit es nicht anderweitig durchsickert.«

»Und das weißt du aufgrund deiner umfangreichen Erfahrungen in der kriminellen Unterwelt?«

»Jahrelange Erfahrung im Krimi-Schauen«, korrigiert er mich. »Aber du weißt, dass ich recht habe.«

Ich nicke, denn das klingt logisch. Außerdem kennt die Polizei noch nicht alle Fakten. Soweit mir bekannt ist, wissen sie nur, dass Jackson den Film verhindern wollte. Von Ronnies Existenz und der Erpressung ahnen sie nichts.

Das beruhigt mich jedoch keinesfalls. Denn falls – nein, vielmehr wenn – das ans Licht kommt, wird es noch schlechter für Jackson aussehen.

»Alles okay mit dir?« Das ist natürlich eine blöde Frage.

Er schüttelt leicht den Kopf. »Nein«, gibt er zu. Er streicht mit den Fingern leicht über meine Wange und betrachtet mich. Ich beobachte, wie sein anfangs verlorener Blick schon bald einem Ausdruck wachsender Leidenschaft und Begierde weicht, der mir gilt und keine Frage beinhaltet, nicht um Erlaubnis bittet.

Stattdessen legt er mir einfach eine Hand in den Nacken und zieht mich zu sich, um meinen Mund mit seinem zu bedecken.

Ohne zu zögern öffne ich mich ihm, und zwar nicht nur meine Lippen, sondern mit dem gesamten Körper. Ich bin ganz und gar sein und will ihm geben, was auch immer er braucht.

Er intensiviert den Kuss, erforscht mich mit seiner Zunge und drängt mit seinem Mund heiß und fordernd gegen meinen.

Wir haben gestern Abend nicht miteinander geschlafen, weil wir von der Reise und all den aufwühlenden Ereignissen zu erschöpft gewesen waren. Außerdem waren wir zu sehr damit beschäftigt, die Familie zu begrüßen und Zeit mit Ronnie zu verbringen.

Das ist teilweise der Grund, weshalb ich jede Sekunde auf mehr warte. Auf den Druck seiner Hände auf meinen Brüsten. Auf ein heftiges Keuchen, wenn er mich auf der Matratze nach hinten drückt, um daraufhin aufzustehen, die Tür zu schließen und den Riegel vorzuschieben. Auf das Absenken der Matratze, wenn er zurückkommt, und das Geräusch von reißendem Stoff, wenn er mir mein Höschen herunterzieht.

Ich erwarte jeden Augenblick, dass ich sein Körpergewicht auf mir spüre. Dass er mir sein T-Shirt, das ich statt eines Schlafanzugs trage, über den Kopf zieht und mir damit meine Handgelenke fesselt.

Ich stelle mir vor, wie sich meine Innenschenkel anspannen, wenn er grob meine Beine auseinanderschiebt, und wie es kurz brennt, wenn er mit einem Ruck hart in mich stößt und sich dann der wilden Leidenschaft hingibt, die er so sehr gebraucht hat. Nach der er sich so sehr gesehnt hat.

All das erwarte ich, weil ich ihn kenne. Weil ich weiß, dass um ihn herum gerade alles außer Kontrolle gerät und Jackson ein Mann ist, der nicht nur die Kontrolle braucht, sondern sie auch aktiv übernimmt. Er ist kein Mann, der sich einfach geschlagen gibt und sich dem Schicksal ergibt. Sondern ein Mann, der kämpft. Der gewinnt. Der sich nimmt, was er braucht.

Ich lebe mein Bedürfnis nach Kontrolle beim Sex aus.

Das hatte er mir einst gesagt und es seither viele Male unter Beweis gestellt.

Doch anders als ich erwartet hatte, tritt all das nicht ein.

Angst macht sich in mir breit, als er sich von mir löst und aufsteht. Ohne mir in die Augen zu sehen, dreht er sich um, geht zum Fenster hinüber und fährt sich mit den Fingern durchs Haar.

»Jackson?«

Er reagiert nicht. Sondern steht einfach da, den Rücken zu mir gewandt und mit hängenden Schultern. Ich bin mir sicher, dass er mich nicht gehört hat. Wie auch? Er ist gerade meilenweit entfernt, und nicht bloß ein paar Schritte über den Holzfußboden.

Vor ihm auf dem Tisch steht immer noch völlig unangetastet mein Frühstück. Er schiebt das Tablett beiseite und öffnet die Gardinen, um das Morgenlicht hereinzulassen.

Wir befinden uns im Haus von Betty Wiseman, Ronnies Urgroßmutter mütterlicherseits. Die Familie ist vermögend, doch dieses Haus hier in New Mexico ist nur ein kleines Ferienhaus mit »gerade einmal« 460 Quadratmetern. Jackson und ich übernachten in einem der Gästezimmer, das auf den hinteren Teil des Grundstücks blickt. Der Ausblick gestern Abend bei unserer Ankunft war einfach atemberaubend – das sanft ansteigende, felsige Gelände am Fuße der Berge, das in den schönsten Herbstfarben leuchtet. Die grünen Gräser und Tannenwälder. Die unzähligen Rot- und Braunschattierungen der Blätter und Steine. Und natürlich der Himmel, der so weit und leuchtend blau ist, dass man das Gefühl hat, dass er die ganze Seele erfüllt.

Doch vom Bett aus, wo ich immer noch steif, verlegen und ein wenig beängstigt sitze, sehe ich nur einen kleinen Teil der überdachten Terrasse und einer Seite des Hauses. Jackson hingegen kann den traumhaften Panoramablick genießen. Wir nehmen völlig unterschiedliche Blickwinkel ein, und allein dieser kleine Umstand macht mir zu schaffen.

Ich lecke mir über die Lippen und fühle mich plötzlich weit von ihm entfernt, machtlos und verloren. Und ja, auch ein wenig wütend. Denn ich will ihn nicht leiden sehen, verdammt – nicht, wenn ich ihn trösten kann.

Aber genau da liegt das Problem. Genau das ist meine größte Angst. Nicht, dass ich ihn nicht trösten kann, sondern dass er das lieber mit sich selbst ausmachen will.

Egal.

Ich werfe die Decke beiseite und gehe zu ihm, nur mit seinem T-Shirt bekleidet, in dem ich geschlafen habe. Ich lege ihm von hinten meine Arme um die Taille, sodass ich eng an ihn geschmiegt mit der Wange an seinen Rücken stehe. Ich atme seinen Duft ein; er riecht nach Mann, Moschus und einem Anflug von Weichspüler. Nach Sauberkeit, vielleicht sogar ein wenig nach Häuslichkeit. Aber an Jackson ist dieser Geruch gleichzeitig sehr, sehr sexy.

Meine Hände liegen auf seiner Taille, und es wäre ein Leichtes, sie nach unten gleiten zu lassen. Ihn zu streicheln und zu spüren, wie er hart wird. Ihn zu necken und zu liebkosen. Ihn zu erregen und zu befriedigen.

Ihn so heiß und hart zu machen, dass er nichts anderes will als mich, an nichts anderes denken kann als an mich. Ihn so lange zu reizen, bis er mich in einer wilden Explosion seiner Leidenschaft hochhebt und aufs Bett wirft, die uns nicht nur völlig ausbrennt, sondern mit ihrem Feuer, ihrer Hitze auch die Schatten vertreibt, die sich zwischen uns gedrängt haben.

Aber eigentlich will ich das gar nicht. Was ich will und was ich wirklich brauche, ist, dass Jackson zu mir kommt. Dass er mich, wie er es zuvor getan hat, benutzt, um seine Wunden zu lindern und sich wieder vollständig zu fühlen.

Deshalb lasse ich meine Hand nicht nach unten zu seinem Schwanz gleiten, sondern halte ihn einfach fest umschlungen. Diesen Mann, den ich liebe und brauche. Und entgegen aller Hoffnung wünsche ich mir sehnlichst, dass er sich mir nicht entzieht.

Es vergeht eine Sekunde, dann noch eine. Ich höre den Hund im Garten hinterm Haus bellen und das hohe quietschende Lachen von Ronnie, gefolgt von den tieferen Stimmen ihrer Urgroßmutter und Stella, der Haushälterin, die jetzt als Kindermädchen fungiert.

Jackson ist vollkommen regungslos, aber dann legt er seine Hände auf meine, sodass er mich, die ich ihn von hinten umarme, festhält. Ich schließe die Augen und genieße die Kraft, die in seiner Berührung liegt. Doch dann zieht er meine Hände sanft auseinander und befreit sich aus meiner Umarmung.

Ich schlinge die Arme fest um den Körper, wie um den plötzlichen Wärmeverlust auszugleichen. Doch es nützt nichts. Ich friere bis auf die Knochen und fühle mich verloren, wütend und ängstlich. Und wahnsinnig allein.

Er geht ein paar Schritte, setzt sich auf die Bettkante und reibt sich übers Gesicht. Als er zu mir hochschaut, sieht er so müde aus, dass all meine Wut und Unsicherheit verflogen ist und ich ihn nur noch trösten will. Ich gehe zu ihm, knie mich vor ihm hin und lege ihm meine Hände auf die Knie.

Sein Lächeln, wenn auch zittrig, wärmt mich innerlich, und als er mir mit dem Daumen über die Wange streicht, möchte ich weinen vor Erleichterung.

»Oh Syl«, sagt er schließlich. »Ich bin ein nervliches Wrack.«

»Ein bisschen«, sage ich und entlocke ihm ein schwaches Lächeln. »Aber du kriegst das hin. Wir kriegen das hin.«

»Ich wollte doch nur meine Tochter nach Hause holen.«

Irgendetwas an dem, was er sagt, macht mich stutzig. Doch ich brauche einen Moment, um herauszufinden, was. »Wolltest?«, wiederhole ich.

»Ich habe gleich heute Morgen Amy angerufen.«

»Oh.« Amy Brantley ist seine Anwältin für Familienrecht in Santa Fe. Sie war es, die seinen Antrag zur Feststellung der Vaterschaft und Zuerkennung der rechtlichen Elternschaft eingereicht hat. Und auch wenn ich sie nie persönlich getroffen habe, weiß ich, dass sie sobald wie möglich die Anhörung anberaumen wird. »Und was hat sie gesagt? Wann meldet ihr den Termin bei Gericht an?«

Ein Schatten huscht über sein Gesicht. »Vorerst gar nicht. Wir warten noch.«

»Warten? Aber …« Ich hole Luft und versuche meine Gedanken zu ordnen, als mir klar wird, dass ich das hätte ahnen müssen. Denn ich weiß, was das bedeutet. Dass er davon ausgeht, dass er nicht da sein wird, um sich um sie zu kümmern.

»O Gott, Jackson.« Ohne es zu wollen, ist meine Stimme voller Furcht und Panik.

»Nein«, sagt er und wiederholt das Wort mit Nachdruck. »Nein. Ich gebe nicht auf. Ich gebe nicht nach. Ganz sicher nicht. Aber ich will auch keine Risiken eingehen, was meine Kleine betrifft. Was, wenn der schlimmste Fall eintritt und ich tatsächlich im Gefängnis lande? Megan mag momentan ihr gesetzlicher Vormund sein, aber sobald ich als rechtlicher Vater anerkannt bin, verliert sie das Sorgerecht. Würde das kalifornische Gericht Ronnie trotzdem zurück nach New Mexico schicken? Zu Megan? Ihrem früheren Vormund, die sich aufgrund ihrer diversen psychischen Probleme in eine Klinik begeben hat? Oder zu Betty? Ihrer betagten Urgroßmutter? Vielleicht. Aber wahrscheinlicher ist es, dass sie in eine Pflegefamilie käme. Das kann ich nicht riskieren. Und das werde ich nicht riskieren.«

Ich will etwas einwenden. Ihn daran erinnern, wie viel ihm daran liegt. Ihn bestärken, dass wir das gemeinsam schaffen. Aber ich fürchte, dass all diese Worte ihm das Ausmaß dessen, was er verliert, nur noch schmerzlicher bewusst machen. Deshalb sage ich nur: »Es tut mir leid.«

»Mir auch.«

Ich will mich in seine Arme schmiegen und ihn festhalten. Ich will mich in ihm verlieren. Ich will seinen Duft einatmen und in seiner Nähe all meine Ängste vergessen.

Doch er sucht keine Nähe, und ich bringe es nicht über mich, mich durch diese dunkle Wolke hindurch in seine Arme zu begeben. Denn was, wenn er mich zurückweist?

Stattdessen stehe ich auf und zwinge mich zu lächeln. »Also gut, wie lautet der Plan? Du musst morgen früh in Beverly Hills sein, richtig? Wann sollen wir also losfahren?«

»Heute Nachmittag«, antwortet er. »Ich möchte erst persönlich mit Charles und dem neuen Anwalt reden, bevor ich mich morgen in die Höhle des Löwen begebe«, fügt er hinzu und meint damit Charles Maynard, seinen Anwalt in Los Angeles, und den neuen, herausragenden Strafverteidiger, den Charles beauftragt hat.

»Hast du Grayson und Darryl Bescheid gegeben?«, frage ich. Grayson Leeds ist der erste Pilot der Stark-International-Flotte, und als Damien Jackson angeboten hatte, einen der kleineren Privatjets auszuleihen, schloss dieses Angebot auch die Dienste von Grayson als Pilot und von Darryl, einem neuen Crew-Mitglied, als Co-Pilot, ein. Ursprünglich sollten die beiden Männer nur den zweistündigen Flug übernehmen, uns in New Mexico absetzen und nach Kalifornien zurückfliegen. Doch als die Polizei auftauchte und Jackson mitteilte, dass er am Montagmorgen für eine Befragung nach Beverly Hills kommen müsse, waren sie geblieben und wurden ebenfalls in Gästezimmern im Haus der Familie Wiseman untergebracht.

»Ich habe ihnen gerade Bescheid gesagt«, sagt Jackson. »Sie sind jederzeit startklar. Ich hatte geplant, dass wir direkt nach dem Mittag losfliegen.«

»Dann solltest du nicht hier drin hocken.« Ich blicke zum Fenster und biete ihm meine Hand an, um ihm vom Bett hochzuhelfen. »Sondern Zeit mit deiner Tochter verbringen.« Ich streiche ihm über die Wange und genieße das kratzige Gefühl seiner Bartstoppeln an meiner Haut. »Heute bleibt euch zwar nicht mehr viel Zeit, aber das ist okay, denn du wirst später noch viel Zeit mit ihr verbringen können.«

Im ersten Moment denke ich, dass er etwas einwenden wird, doch er nickt. »Kommst du mit raus?«

»Ich gehe erst duschen und ziehe mir etwas über. Außerdem«, füge ich hinzu und hebe den mittlerweile kalten Toast hoch, »kann ich nicht rausgehen, ehe ich nicht meinen superleckeren Toast gegessen habe.«

Er lacht tatsächlich ein wenig, und ich bin stolz auf mich, auch wenn der Witz eher mittelmäßig war.

Ich sehe ihm nach, als er rausgeht, und schließe die Tür hinter ihm, bevor ich zum Fenster zurückkehre und darauf warte, ihn im Garten zu sehen. Es dauert ein paar Minuten, bevor er auftaucht, und ich sehe, wie er Ronnie ruft, die mit dem Welpen sofort auf ihn zugerannt kommt. Als er sie hochhebt und umherwirbelt, strahlt er über das ganze Gesicht.

Der Anblick versetzt meinem Herzen einen Stich. Denn ich weiß, dass dieses Glück nur von kurzer Dauer ist. Und ich fürchte, dass alles noch schlimmer wird, bevor es wieder besser wird.

Mehr noch, ich fürchte, dass es gar nicht mehr besser wird.

Als ich gerade aus der Dusche steige, klingelt mein Handy. Da mir die Nummer unbekannt ist, lasse ich fast die Mailbox rangehen, nehme aber dann doch ab, für den Fall, dass meine beste Freundin Cass vom Telefon einer Freundin aus anruft. Womöglich ist es auch Charles, der von einer anderen Kanzlei aus anruft, oder mein Chef Damien Stark, der von einem Hotel aus anruft, weil er gerade einen Spontantrip mit seiner Frau Nikki unternimmt.

Aber natürlich ist es keiner von ihnen.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung gehört meinem Vater.

»Sylvia, Liebes, wir müssen reden.«

Seine liebevolle Anrede und sein freundlicher Ton lassen mich irritiert zusammenfahren. Als ob es ihn kümmern würde. Als ob er sich einen Scheiß um mich kümmern würde.

Ich weiß es besser.

Ich weiß, dass er nur anruft, weil Jackson ihn gezwungen hat, sich mit einer Wahrheit zu konfrontieren, die er seit meinem vierzehnten Lebensjahr ignoriert hat – dass Robert Cabot Reed mein Leben zerstört hat und dass mein Vater mich diesem Arschloch auf dem Silbertablett ausgeliefert und dann weggeschaut hat.

»Sylvia. Sylvia, sprich doch mit mir«, bittet er mich.

»Das ist gerade kein guter Zeitpunkt.« Meine Stimme klingt gepresst, und ich bringe die Worte nur mit Mühe heraus.

»Ich habe dir zig Mal auf die Mailbox gesprochen, und du hast mich nie zurückgerufen.«

»Und deshalb dachtest du, du trickst mich aus, indem du von einer anderen Nummer aus anrufst?«

»Welche Wahl hatte ich denn? Ich muss mit dir reden.«

»Du musst?« Die Worte hängen schwer und dunkel über uns, sind sie doch Ausdruck der ganzen Misere meiner Kindheit.

»Wir müssen«, korrigiert er. »Wir müssen reden. Über Reed. Über das, was passiert ist. Über diese Fotos, mit denen er euch erpresst.«

»Ich kann nicht.« Ich schüttele den Kopf und wünschte, ich könnte einfach alles ausblenden, was er sagt. Einfach die Erinnerungen zurückdrängen, die er heraufbeschwört. Aber es hilft nichts. Der Boden unter meinen Füßen beginnt zu wanken, und ich klammere mich an den Waschtisch.

»Du kannst mich nicht ignorieren.«

Doch. Kann ich. Aber ich bringe die Worte nicht heraus. Nicht jetzt. Nicht, wenn sich mir der Hals zuschnürt, das Bad in einem grauen Schleier verschwindet und unter mir der Boden nachgibt, während diese furchtbaren Erinnerungen mich zu überrollen drohen.

»Wir müssen reden, Sylvia. Bitte.« Seine Stimme dringt wie aus weiter Ferne zu mir, wie Lärm, der nichts mit mir zu tun hat. Und ich halte diesen Lärm nicht länger aus.

Ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht.

Ich weiß nicht, ob ich die Worte tatsächlich ausspreche oder sie nur in meinem Kopf schreie. Irgendwie gelingt es mir jedoch, noch rechtzeitig auf die richtige Taste zu hauen und den Anruf zu beenden, bevor mir das Handy aus der Hand fällt. Meine Knie geben nach, und plötzlich sitze ich mit herangezogenen Beinen auf dem Boden. Ich presse meine Augen fest zu und wiege mich vor und zurück, während ich gegen die Panik und die Erinnerungen ankämpfe, die in mir aufsteigen und mich aufzufressen drohen.

Ich hasse das – diese Furcht. Dieses Gefühl des Verlorenseins. Des Kontrollverlusts.

Dieses ohne jegliche Vorwarnung plötzlich mit alten Ängsten und Erinnerungen konfrontiert sein.

Wenn ich gewusst hätte, dass er es ist, hätte ich mich innerlich darauf vorbereiten können. Mich dafür wappnen können.

Hättest du das wirklich? Oder hättest du dich einfach vor seinen Worten, seiner Stimme versteckt?

Die Wahrheit wiegt schwer in meiner Brust, denn ja, ich hätte mich versteckt. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich den Rest meines Lebens vor meinem Vater verstecken.

Ich hole tief Luft und versuche mich zu beruhigen. Es ist vorbei, und er ist weit weg. Ich kann das wieder in den Griff kriegen.

Mehr noch, ich muss das wieder in den Griff kriegen.

Es ist nicht einmal eine Woche her, seit Jackson meinem Vater erzählt hat, was Robert Cabot Reed mir angetan hat. Nicht, dass mein Vater nicht ohnehin schon etwas geahnt hätte. Er war schließlich derjenige, der mich mit vierzehn an Reed vermittelt hat. Der als Gegenleistung für meine Dienste exorbitant hohe Summen von Reed kassiert hat, angeblich für meine Modeltätigkeit, aber damit war es natürlich nicht getan.

Und schließlich war es mein Vater gewesen, der mein Flehen, nicht mehr zu den Fotoshootings gehen zu müssen, ignoriert hatte.

Mit anderen Worten, er wusste, was in dem Fotostudio hinter verschlossener Türe vor sich ging, hatte es sich aber nie eingestanden. Bis zu jenem Tag, an dem Jackson ihn zwang, sich nicht nur der Vergangenheit zu stellen, sondern auch der Gegenwart. Einer Gegenwart, in der Reed mich damit erpresste, dass er diese widerwärtigen intimen Fotos von mir an die Presse weitergeben würde, wenn ich Jackson nicht dazu bewegte, sich nicht länger dem Film in den Weg zu stellen.

Seit jenem Abend hat mein Vater mehrfach versucht mich anzurufen, und ich habe ihn jedes Mal ignoriert. Doch so wie ich ihn kenne, wird er nicht aufgeben. Was mich betrifft, so hat er in jenem Moment aufgehört mein Vater zu sein, als er mich damals zu Reeds Studio fuhr. Und wenn er jetzt anruft und sich entschuldigen oder gar um Vergebung bitten will, ist er bei mir an der falschen Adresse.

Ich schüttele die Arme aus und klatsche mir leicht auf beide Wangen, wie man das bei einem traumatisierten Opfer macht. Und letzten Endes bin ich genau das.

Ich muss mich zusammenreißen, denn ich kann nicht zulassen, dass Jackson mich so sieht. Nicht, weil ich befürchte, dass er mich nicht trösten würde, sondern gerade weil ich weiß, dass er das tun wird. Er würde eher seine eigenen Probleme und Sorgen hintanstellen, als meine zu ignorieren. Vielmehr noch, er würde meinen Schmerz so sehr empfinden wie seinen eigenen, und das kann ich ihm nicht aufbürden. Nicht jetzt. Nicht heute.

Und auch wenn ich weiß, dass es die richtige Entscheidung ist, ihm diesen Anruf zu verschweigen, kann ich mich nicht gegen das Gefühl erwehren, als ob dieses Schweigen der erste Schritt auf einem dunklen Pfad ist, der mich immer weiter von Jackson wegführt. Und wenn ich nicht darum kämpfe, ihn an meiner Seite zu behalten, werde ich ihn an die Schatten verlieren.

 

Kapitel 2

»Miss Brooks?«

Graysons Stimme bohrt sich durch die Watte, die meinen Kopf zu füllen scheint, und ich setze mich hastig auf, während Panik in mir aufsteigt und mein Herz wild in meiner Brust zu schlagen beginnt. »Was ist los?«, frage ich. »Ist alles okay? Wieso sind Sie hier? Sollten Sie nicht die Maschine fliegen?«

Ich bin kein großer Fan vom Fliegen – genauer gesagt beunruhigt es mich zutiefst, wenn ich darüber nachdenke, dass ich in einem gigantischen Stahlkanister durch die Lüfte schwebe. Das Einzige, was ich daran mag, ist der Moment nach der Landung, wenn ich feststelle, dass ich auf wundersame Weise überlebt habe. Als Grayson uns vorgewarnt hatte, dass es über New Mexico und Arizona Stürme geben würde, hatte ich deshalb auf Drängen von ihm und Jackson Pillen gegen Reiseübelkeit genommen. Normalerweise werde ich davon nur ein bisschen schläfrig. Aber zum Mittagessen hatte Stella eine Karaffe mit Sangria herausgebracht, und da ich vom Herumtoben draußen im Garten mit Jackson und Ronnie ins Schwitzen geraten war, hatte ich mehr Gläser getrunken als gut für mich war.

Was heißt, dass ich bereits angetrunken war, als wir an Bord gingen, und sobald die Pillen zu wirken begannen, bin ich weggedöst. Dass ich jetzt so abrupt aus dem Schlaf gerissen wurde, hat meine Flugangst erneut geweckt.

»Keine Sorge, alles ist okay, alles ist gut.« Jacksons Stimme ist sanft und beruhigend, und ich versuche mich zu entspannen. Jackson zieht mich zu sich, und als ich dankbar näher rücke, denke ich, dass Fliegen vielleicht doch gar nicht so übel ist, wenn es bedeutet, dass ich mich sicher und geborgen an Jackson schmiegen kann, der seinen Arm um meine Schultern legt.

Ich seufze und genieße seine Nähe. Ich habe ihn noch nicht darauf angesprochen, dass etwas zwischen uns nicht stimmt, und mich stattdessen wie ein Schiffbrüchiger verzweifelt an jede noch so subtile Verbindung zwischen uns geklammert. Jede Berührung unserer Finger. Jeden Druck seiner Hände auf meinem Rücken, während er mir den Weg wies. Jeden sanften Blick, jedes liebevolle Lächeln.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwas zwischen uns steht. Jackson und ich haben immer zusammengepasst, wie Puzzleteile, die sich perfekt ineinanderfügen. Aber jetzt fühlt es sich so an, als ob jemand die Teile verbogen hätte und sie sich nicht mehr ineinanderstecken ließen, und dieses Gefühl macht mich wahnsinnig. Ich glaube, ich halte das nicht mehr lange aus, und dann werde ich ihn damit konfrontieren. Ich werde ihn packen und ihn fragen, wieso er plötzlich so weit weg von mir ist – und ich kann nur hoffen, dass er sich dadurch nicht noch weiter von mir entfernt.

Doch jetzt ist nicht der rechte Moment dafür. Denn im Moment möchte ich einfach nur wissen, wieso der Pilot vor mir hockt, statt im Cockpit zu sitzen, wo er hingehört.

»Ganz im Ernst, wieso sitzen Sie nicht hinter dem Steuer oder dem Knüppel oder wie auch immer das heißt?«, frage ich deshalb mit zu Schlitzen verengten Augen an Grayson gewandt.

»Darryl hat alles unter Kontrolle«, versichert mir Grayson. »Und es tut mir leid, Sie wecken zu müssen, aber da ist ein Satelliten-Anruf für Sie.«

»Damien?«

»Trent«, antwortet Jackson. »Ich hatte angeboten, mich darum zu kümmern, aber er besteht darauf, mit dir zu sprechen.«

Das ist merkwürdig, und sofort wächst meine Besorgnis, doch ich sage mir, dass das keine große Sache sein muss. Ich selbst rufe Damien dauernd an, wenn er mit dem Flugzeug unterwegs ist. Letztlich ist es nur eine weitere Form der Kommunikation. Wahrscheinlich braucht er nur eine Telefonnummer, die Rachel nicht finden kann. Oder er will, dass ich bei einem seiner Projekte einspringe, weil sich zwei Termine überschneiden. Irgendetwas ganz Banales, das sich problemlos regeln lässt.

Irgendetwas, das keine Krise bedeutet. Denn ehrlich gesagt ist das Maß an Krisenerträglichkeit bei mir bereits voll.

Grayson kehrt mit einem Headset für mich zurück, das ich aufsetze, und dann warte ich, bis er wieder im Cockpit ist und den Anruf durchstellt.

Ein paar Sekunden später höre ich Trent Leiter am anderen Ende der Leitung. »Sitzt du?«

»Trent, ich bin im Flugzeug. Was dachtest du denn?«

»Sorry. Sorry.« Er klingt nervös. Da Trent sonst nicht leicht aus der Fassung zu bringen ist, macht mich das unruhig, sodass ich aufstehe und in der Kabine auf und ab gehe.

Was?, formt Jackson mit dem Mund.

Aber ich zucke nur mit den Schultern. »Verdammt, Trent. Was ist los?«

»Oh Mann«, sagt er, und ich kann ihn beinahe vor mir sehen, wie er die Schultern sacken lässt. Trent sieht nicht schlecht aus, ist aber auch nicht der Typ Mann, der einen Raum mit seiner Präsenz füllt, sobald er ihn betritt. Vielmehr besitzt er einen jungenhaften Charme, mit dem er die Kunden überrascht und für sich einnimmt, wenn er sie mit in Sportbars und zu Basketballspielen nimmt und bei ein paar Bier über die aktuellen Spielerstatistiken plaudert.

Die Tatsache, dass ich ihm anhören kann, wie unangenehm ihm dieser Anruf ist, bedeutet, dass er schlechte Neuigkeiten überbringt. Mehr noch, ich bin mir sicher, dass es um das Resort geht, und die Vorstellung, dass ich einfach nur bei einer Ortsbegehung in Century City irgendeinem Investor die Hand tätscheln soll, ist gerade geplatzt wie eine Seifenblase.

Und deshalb hält es mich nicht länger auf meinem Platz. »Trent«, setze ich noch einmal nachdrücklich nach.

»Es ist raus«, sagt er. »Ein verfluchtes Leck und schon ist es überall.«

Ich bleibe kurz vor der Cockpit-Tür stehen und mache auf dem Absatz kehrt, sodass ich nun Jacksons Augen begegne. Offenbar beunruhigt durch meinen Gesichtsausdruck beginnt er aufzustehen, doch ich schüttele den Kopf. »Was?«, frage ich mit angespannter Stimme. »Was ist raus?«

»Es gab diesen Artikel in der The Business Round-Up«, sagt er. Die Business Round-Up ist eine kleine Lokalzeitung, die den innerstädtischen Bereich von L. A. abdeckt. »Ich weiß nicht, wie sie an die Geschichte herangekommen sind, jedenfalls war der Artikel heute Morgen auf ihrer Website. Ein paar Stunden später haben die Boulevardblätter davon Wind bekommen, und jetzt steht es so ziemlich überall.«

»Was steht überall? Jetzt spuck es endlich aus, Trent.« Aber noch während ich spreche, eile ich zurück zu meinem Sitzplatz und krame in meiner Tasche nach meinem Tablet, damit ich selbst einen Blick auf die Website der Round-Up werfen kann. Während ich noch versuche eine Internetverbindung herzustellen, fällt mir ein, dass wir Grayson gesagt hatten, dass er das WLAN nicht extra einschalten müsse, da wir ja ohnehin nur ein paar Stunden unterwegs sein und früh genug mit der Realität konfrontiert werden würden.

»In dem Artikel steht, dass sich die Investoren erneut Sorgen machen, nachdem sie bereits wegen des Lost Tides nervös waren«, berichtet er und meint damit ein konkurrierendes Resort, das in Santa Barbara entsteht, nur wenige Stunden von meinem Resort auf Santa Cortez entfernt. Dieses Projekt ist mir ein Dorn im Auge, denn die Projektleitung hält die Details weiterhin unter Verschluss, da sie offenbar plant, aus der Eröffnung ein großes PR-Event zu machen. Aber nach allem, was durchgesickert ist, weiß ich, dass dieses Resort von meiner Idee für das Cortez-Resort inspiriert ist. Und ehrlich gesagt kotzt mich das an.

Trent räuspert sich und fährt fort. »Und jetzt sagen die Investoren, wenn der Architekt des Resort at Cortez unter Mordverdacht steht, überlegen sie es sich noch einmal, ob sie wirklich in das Projekt investieren wollen.«

»Fuck.«

Ich kann mich nicht erinnern, mich hingesetzt zu haben, aber nun sitze ich, und Jackson hat sich mit sorgenvoller Miene nach vorn gelehnt.

Sag es mir, fordert er stumm.

Und dieses Mal komme ich seiner Aufforderung nach. »Es ist raus«, flüstere ich. »Die Presse weiß, dass du unter Mordverdacht stehst.« Dann wende ich mich wieder Trent zu. »Wie konnte das geschehen?«

»Ich vermute, dass irgendein hartnäckiger Reporter einen Informanten bei der Polizeidirektion von Beverly Hills hat. Wenn man an Celebrity-Gossip heranwill, ist das der ideale Ort, um ein paar Geldscheine zu zücken und auszutesten, wessen Gehaltstüte eine Aufstockung gebrauchen kann.«

»Scheiße.« Ich hole Luft und versuche ruhig zu bleiben. Neben mir sieht Jackson so aus, als könnte er mühelos seine Faust durch die Flugzeughülle rammen. Ich nehme rasch seine Hand in meine und drücke sie fest. Alles, was ich will, ist, dieses Telefonat beenden. Das verdammte Headset quer durch die Kabine schleudern und auf Jacksons Schoß klettern. Mich an ihm festhalten, von ihm festgehalten werden, und einfach nur atmen.

Aber eigentlich will ich so viel mehr. Ich will seinen Mund auf meinem. Seine Hände auf mir spüren. Ich will, dass er mir hilft zu vergessen. Meine Ängste zu vertreiben.

Und ich will dasselbe für ihn tun.

Aber dies hier ist nicht der richtige Ort dafür – ein kleiner Privatjet mit einer dünnen Tür zwischen der Kabine mit gerade einmal acht Sitzplätzen und dem Cockpit.

Doch ehrlich gesagt fürchte ich mich noch mehr davor, dass Jackson mich zurückweisen könnte. Mit einer sanften Berührung und einem Kuss. Aber nichtsdestoweniger unmissverständlich und schmerzvoll.

Frustriert stehe ich auf, als Trent zaghaft fragt: »Syl? Bist du noch dran?«

»Ja, ich bin noch dran. Weiß Damien Bescheid?«

»Er weiß es.«

Als der Name seines Halbbruders fällt, steht Jackson ebenfalls auf, streicht mir über die Schulter, wie um mir wortlos Beistand zu leisten, und geht nach hinten. Nicht so sehr, weil er Bewegungsdrang verspürt, sondern weil er gerade implodiert. Es ist, als ob er all seine Wut und Energie in sich hineinsaugen würde, und ich weiß, dass er seiner Wut Luft machen, dass er – ebenso wie ich – explodieren muss. Und so sehr ich diese Explosion fürchte, so sehr freue ich mich darauf, wenn wir erst einmal dieses verdammte Flugzeug verlassen haben.

»Und?«, hake ich nach. »Was meint Damien dazu?«

»Er macht sich Sorgen«, sagt Trent. »Und er hat allen Grund dazu. Die Investoren ziehen sich zurück, und du steckst in der Patsche. Also betreibt er jetzt Schadensbegrenzung.«

»Wie?«

»Dallas ist gerade in der Stadt – die Round-Up hat ihn kontaktiert.«

Dallas Sykes ist einer der Hauptinvestoren des Resorts. Als Erbe eines Kaufhaus-Imperiums mit dem Image eines Bad Boy steht er bereits seit seiner Kindheit im Fokus der Öffentlichkeit. Ob Schlägereien, ausschweifende Partys oder rasante Autofahrten – jede Nachricht, die ihn auch nur im Entferntesten streift, verbreitet sich innerhalb kürzester Zeit wie ein Lauffeuer, und es vergeht kein Tag, an dem die Boulevardpresse nicht über seine zahlreichen Liebesaffären berichtet.

»Ich sollte Damien anrufen«, sage ich.

»Brauchst du nicht. Er ist bereits dabei, Sykes mit der üblichen Wir-können-alles-in-Ruhe-bei-einem-Drink-besprechen-Taktik zu besänftigen. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich anrufen würde.«

»Ist Aiden in der Nähe?«

»Ich war es, der den Artikel entdeckt hat«, fährt mich Trent pikiert an, und ich zucke zusammen.

»Sorry, ich meinte das nicht so.« Ich verstehe, weshalb er so gereizt reagiert. Trent ist für Südkalifornien zuständig, und das Resort at Cortez fällt damit eigentlich in seinen Zuständigkeitsbereich. Aber da die Idee für das Resort von mir stammt, hat Damien mich als Projektmanagerin eingesetzt – und ich bin wiederum Aiden Ward, dem Vizepräsidenten von Stark Real Estate Development, unterstellt, sodass Trent völlig übergangen wird.

»Ich bin dir echt dankbar dafür, dass du mich vorwarnst.«

»Ja, klar, ich dachte mir, du solltest Bescheid wissen. Immerhin steht das Resort bereits auf wackligen Füßen, und es würde mir leidtun, wenn du das Resort nur wegen so einem Blödsinn verlieren würdest.«

Das Resort verlieren.

Das Resort verlieren?

Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich die ganze Zeit über blind war. Ich war gedanklich so sehr mit der Möglichkeit beschäftigt, dass Jackson hinter Gittern landen könnte, dass ich kein bisschen daran gedacht habe, dass mir das Resort allein deshalb entgleiten könnte, weil Jackson unter Mordverdacht steht.

Kalte Furcht ergreift mich. Ich habe alles Menschenmögliche getan, um dieses Projekt ins Rollen zu bringen. Ich habe meine ganze Kraft hineingesteckt und mein Herz dafür riskiert.

Ich schüttele energisch den Kopf. »Ich werde das Resort auf gar keinen Fall verlieren. Das ist keine Option.« Trotzdem kann ich mich nicht gegen meine wachsende Angst erwehren. Denn ich habe keinerlei Kontrolle über die Berichterstattung, und wenn die Investoren der Meinung sind, dass Jackson Gift für das Projekt ist, werden alle meine Bemühungen umsonst gewesen sein.

»Ich wollte auch gar nicht …«, setzt Trent an.

»Nein.« Das Wort platzt förmlich aus mir heraus vor Panik.

»Syl.« Jacksons Stimme ist sanft und fest. »Sag ihm, dass du auflegen musst. Wir sind bald in L. A. Du wirst das Resort nicht verlieren. Denk nicht einmal darüber nach.«

Am Headset höre ich Trent, der sich räuspert. »Syl?«

»Ich muss auflegen«, sage ich mechanisch.

»Ähm, ja, da ist noch eine Sache. Nicht nur die Round-Up hat darüber berichtet. Sie waren nur die ersten.«

»Ich weiß, das sagtest du bereits.«

»Ja, aber ich meine, die anderen haben nicht nur das mit dem Mordverdacht aufgegriffen, sondern spekulieren auch über die Motive und allen möglichen Mist.«

Mein Magen verkrampft sich, und ich greife instinktiv nach Jacksons Hand. »Die Motive?«

»Der Film. Der tätliche Angriff. Das Naheliegende eben«, sagt er, und ich kann beinahe hören, wie unangenehm ihm das alles ist. Neben mir hat Jackson mit der linken Hand mein Tablet aus dem Netz am Vordersitz gefischt. Er tippt darauf und flucht, als sich nichts tut.

»Am besten liest du es selbst, sobald ihr gelandet seid. Ich soll dir auch von Damien ausrichten, dass er das alles heute Abend bei eurem Meeting besprechen wird.«

»Okay. Sicher. Klar.«

»Alles in Ordnung mit dir?«

Nein. Ganz und gar nicht. »Danke, es geht schon. Es wird schon gehen. Danke, dass du dich hinter mich stellst.«

Es entsteht eine kurze Pause, ehe er mit leiser Stimme getroffen erwidert: »Was dachtest du denn, Sylvia? Dass ich dich den Wölfen zum Fraß vorwerfen würde?«

»Ich, nein …«, beginne ich. Doch es ist zu spät, denn er hat bereits aufgelegt.

»Was hat er gesagt?«, fragt mich Jackson, und ich erzähle ihm von dem Artikel in der Round-Up und der Sache mit Dallas.

»Fuck«, flucht er, und ich nicke. »Und was ist mit dem Rest? Du hast gesagt, dass über die möglichen Motive spekuliert wird.«

»Alles, was ich weiß, ist, dass der Film und der tätliche Angriff erwähnt wurden. Mehr hat Trent nicht gesagt. Das, und dass die Geschichte überall weiterverbreitet wird.« Ich lege eine Hand auf sein Bein. »Wir kriegen das hin«, sage ich. »Das Resort. Den Prozess. Alles.«

Ich wünschte, er würde diese Worte wiederholen. Seine Hand auf meine legen und sanft meine Finger drücken. Ich wünschte, er würde seinen Arm um mich legen und mich sanft zu sich heranziehen und mir versichern, dass wir das gemeinsam durchstehen, egal, was geschieht. Ich wünschte, ich würde mich ihm näher fühlen, doch offenbar spielen meine Wünsche keine Rolle, denn als Jackson den Kopf hebt und mich ansieht, ist es, als würde ich durch das falsche Ende eines Teleskops blicken, und alles, was nah sein sollte, erscheint plötzlich weit, weit weg.

»Jackson?«, flüstere ich mit flehender Stimme. Einen Augenblick lang verhallt meine Frage ungehört. Er sitzt einfach da, steif und distanziert, mit versteinertem Gesichtsausdruck und Augen so kalt wie ewiges Eis. Ich spüre, wie ein Anflug von Panik in mir aufsteigt und umklammere fest die Armlehnen. Er hat nichts gesagt oder getan, und dennoch weiß ich mit untrüglicher Sicherheit, dass sich Jackson unaufhaltsam von mir entfernt. Und ich weiß weder weshalb, noch wie ich das aufhalten kann.

Ich will erneut seinen Namen rufen, doch da lässt er die Schultern sacken und entspannt sich. Er sieht mich an und sofort durchflutet mich Erleichterung, denn das Eis in seinen Augen ist geschmolzen.

Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar, während er sich nach vorne beugt, um seine Ellenbogen auf den Knien und seinen Kopf auf den Händen abzustützen. »Verdammt, Syl, ich habe echt Scheiße gebaut.«

Ich erstarre ein wenig, als mich eine mögliche Bedeutung seiner Worte wie ein Schlag ins Gesicht trifft. Heißt das, er hat Reed umgebracht?

Und falls ja, was bedeutet das für uns?

Ich strecke meine Hand aus, um sie ihm auf die Schulter zu legen, weil ich den Körperkontakt in diesem Moment so sehr brauche wie die Luft zum Atmen.

Doch so weit komme ich nicht.

Denn im nächsten Augenblick entfährt mir ein Schrei, und ich umklammere die Armlehnen, als der Blechvogel, in dem wir fliegen, mit einem Mal auf und ab hüpft wie auf einem Trampolin, und ich sehe, wie meine Handtasche, die eben noch auf dem Boden neben meinen Füßen lag, wie bei einer Akrobatiknummer durch die Luft saust, gegen die Decke kracht und, begleitet von meinen schrillen Schreien, wieder zu Boden fällt.

Ein knackendes Geräusch durchbricht meine Schreie. Es ist die Funksprechanlage, aus der Graysons Stimme ertönt: »Sorry wegen der Turbulenzen«, entschuldigt er sich, während das Flugzeug sich wieder stabilisiert. »Wir sind beim Landeanflug in ein riesiges Luftloch geraten, aber es besteht kein Grund zur Sorge. Wir werden in zirka fünfzehn Minuten sicheren Boden erreichen.«

Als er zu Ende gesprochen hat, schnappe ich nach Luft und merke erst jetzt, dass ich den Atem angehalten hatte. Ich versuche die Armlehne loszulassen, aber meine Hand ist wie festgeeist. Ich stehe nach dieser Nahtoderfahrung immer noch so sehr unter Schock, dass ich völlig verwirrt bin. Doch dann kehrt mein Verstand zurück und mit ihm die Erkenntnis, dass Jackson meine Hand festhält. Sein Daumen streicht sanft über die Rückseite meines Handgelenks, und er redet leise auf mich ein. »Schon gut, Syl. Alles ist gut.«

Ich ziehe zitternd Luft ein und bin ganz erfüllt von Erleichterung und Hoffnung. »Alles ist gut«, wiederholt er, als ich meinen Kopf zu ihm drehe. Er hebt meine Hand zu seinen Lippen und küsst zärtlich meine Finger. »Jetzt ist es schon besser.«

Ich seufze und nicke, während mein Herz immer noch wild in meiner Brust schlägt.

Er tröstet mich, und Gott weiß, wie sehr ich das brauche.

Aber das heißt nicht, dass ich ihm glaube.

 

Kapitel 3

»Hast du Mr. Stark gehört?« Ich surfe in den sozialen Medien, während ich mit Rachel Peters, Damiens Wochenendassistentin, telefoniere. Gleichzeitig laufe ich über die Rollbahn vor Hangar J, einem der privaten Hangars von Stark International auf dem nördlichen Flugfeld des Flughafens von Santa Monica.

Der Firma gehören insgesamt zehn Hangars sowie die Gemeinschaftsunterkunft, wie wir das große, unscheinbare Gebäude nennen, das die Crew-Büros, eine Küche und einen Essbereich, eine gut sortierte Bar für die ankommenden Passagiere und die Crew, einen großen Freizeitbereich mit einem Billardtisch und einem überdimensionalen Fernseher sowie zwei Schlafzimmer beherbergt, die der Crew bei Bedarf zur Verfügung stehen.

Jetzt steuere ich auf das Gebäude zu, nur wenige Minuten nach Jackson, der sich mit der Aussicht auf einen Drink bereits mit Darryl auf den Weg gemacht hatte. »Es ist gleich Happy Hour«, hatte Darryl gesagt. »Und ehrlich gesagt sehen Sie aus, als könnten Sie einen Drink vertragen.«

Da ich vorher unbedingt noch diesen Anruf tätigen musste, hatte ich versprochen nachzukommen, war aber nur langsam vorangekommen, weil ich nebenher allerlei Dinge erledigte. Ich wollte die Zeit nutzen und die sozialen Medien checken, bevor ich mit Jackson rede. Denn ich glaube, wir sollten auf den Sturm vorbereitet sein, der über uns hinwegfegen wird.

»Ich habe noch nichts von ihm gehört«, antwortet Rachel auf meine Frage.

Durch meine Arbeit am Resort at Cortez bin ich so sehr eingespannt, dass Rachel mich nun immer häufiger als geplant über das Wochenende hinaus auch in der Woche an Damiens Empfang vertreten muss. Aber sie macht ihre Sache gut, und Damien hat bereits deutlich gemacht, dass ich sie gründlich einlernen soll, damit sie eines Tages, falls ich eine Vollzeitstelle als Projektmanagerin in der Immobilienabteilung bekomme, meinen Aufgabenbereich übernehmen kann.

Da das ganz klar mein Ziel ist, gebe ich mir größte Mühe, sie einzuarbeiten. Und die wichtigste Grundregel, die Rachel lernen muss, ist die, dass man nicht Damiens Assistentin sein kann, ohne immer auch Ohren und Augen offen zu halten, was sich sonst so in der Firma tut. Jedenfalls nicht, wenn man seinen Job behalten möchte.

Deshalb kitzle ich jetzt mehr aus ihr heraus: »Du hast nichts von ihm gehört, aber …«

»Aber«, nimmt sie meinen Gedanken auf, »Dallas hat vor ungefähr einer Viertelstunde angerufen und mich gebeten, die Suite im Century Plaza für ihn zu reservieren.«

»Und was sagt uns das?« Ich weiß, was es mir sagt, und ich hoffe, dass Rachel es auch weiß.

»Dass er nicht abspringt. Zumindest noch nicht. Und selbst wenn er darüber nachdenkt, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, hat er darüber noch nicht mit Mr. Stark gesprochen. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er das vorhat. Mr. Stark wäre sicher mächtig sauer, wenn Sykes erst seine Gastfreundschaft in Anspruch nimmt und dann seine Investitionen abzieht. Und selbst ein Mann wie Dallas Sykes möchte es sich nicht mit einem Damien Stark verscherzen.«

»Nicht schlecht«, lobe ich sie. »Was noch?«

»Na ja, der Rest ist reine Spekulation. Vielleicht lehne ich mich da etwas zu weit aus dem Fenster.«

»Das ist Teil des Jobs, Rachel. Eine unterwürfige Assistentin, die von Mr. Stark immer genaue Anweisungen braucht, was sie zu tun hat, ist ihm keine große Hilfe.«

»Eben. Also, ich glaube, Dallas ist nicht unbedingt ein guter Indikator. Dafür, wie sich die anderen Investoren verhalten werden, meine ich.« Sie klingt ein wenig zaghaft und unsicher.

»Okay«, sage ich und verkneife mir ein Lächeln, als mir einfällt, wie nervös ich selbst war, als ich Damiens persönliche Assistentin wurde. »Und wieso?«

»Na ja, er ist einfach so unberechenbar. Typ Hollywood-Bad-Boy, wenn du weißt, was ich meine? Was heißt, dass die anderen Investoren unter Umständen trotzdem abspringen, besonders in Anbetracht dessen, was heute passiert ist. Was heißt, dass wir immer noch am Arsch sind.«

Ich lache laut über ihre abschließende Beurteilung der Gesamtsituation und höre, wie sie am anderen Ende der Leitung scharf Luft einzieht.