Fallen Saint. Süße Erlösung - J. Kenner - E-Book
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Fallen Saint. Süße Erlösung E-Book

J. Kenner

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Beschreibung

Seine Berührung ist Sünde. Ihre Liebe ist Erlösung.

Die Reporterin Ellie hat die dunklen Geheimnisse des Milliardärs Devlin aufgedeckt. Und Devlin ist es gelungen, Ellie von ihrem Schutzpanzer zu befreien und ihre seelischen Wunden zu heilen. Verbunden durch eine gemeinsame Vergangenheit und die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft, wird ihre Verbindung immer intensiver. Doch nun, da Devlins wahre Identität bekannt ist, tauchen alte Feinde auf. Sie wollen Devlin vernichten. Er schwört, Ellie mit all seiner Kraft zu beschützen. Doch Ellie erkennt, dass es nur einen Weg geben kann, sie beide zu retten: Sie muss Devlin in die Dunkelheit folgen.

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BAND 3

Seine Berührung ist ihre Sünde.

Ihre Liebe ist seine Erlösung.

Die Investigativreporterin Ellie hat die dunklen und gefährlichen Geheimnisse des Milliardärs Devlin aufgedeckt. Und Devlin ist es gelungen, Ellie von ihrem Schutzpanzer zu befreien und die Wildheit in ihr zu zähmen. Vereint durch eine gemeinsame Vergangenheit und die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft, wird ihre Verbindung immer intensiver. Doch nun, da Devlins wahre Identität bekannt ist, tauchen alte Feinde auf, die Devlin vernichten wollen. Er schwört, all seine Kraft dafür einzusetzen, Ellie zu beschützen. Doch Ellie erkennt bald, dass es nur einen Weg geben kann, sie beide zu retten: Sie muss Devlin in die Dunkelheit folgen.

J. Kenner

Fallen

Saint

Süße Erlösung

ROMAN

BAND 3

Aus dem Amerikanischen von Emma Ohlsen

Von J. Kenner sind im Diana Verlag erschienen:

Das große J. Kenner Fanbuch

Romane mit Nikki und Damien

Dir verfallen (Stark 1)

Dir ergeben (Stark 2)

Dich erfüllen (Stark 3)

Dich lieben (Stark 4)

Dich halten (Stark 5)

Mr. Stark (Stark 6)

Erzählungen mit Nikki und Damien

Dich befreien (Stark Novella 1)

Dir gehören (Stark Novella 2)

Dir vertrauen (Stark Novella 3)

Nikki und Damien (Stark Novellas 1-3)

Dich begehren (Stark Novella 4)

Dich beschenken (Stark Novella 5)

Dich besitzen (Stark Novella 6)

Nikki und Damien forever (Stark Novellas 4-6)

Dich berühren (Stark Novella 7)

Dich fühlen (Stark Novella 8)

Dich erleben (Stark Novella 9)

Dich verwöhnen (Stark Novella 10)

Erzählungen aus der Stark-Welt

Zähme mich (Stark Friends Novella 1)

Verführe mich (Stark Friends Novella 2)

Halte mich (Stark Friends Novella 3)

Romane

Wanted (1): Lass dich verführen

Wanted (2): Lass dich fesseln

Wanted (3): Lass dich fallen

Closer to you (1): Folge mir

Closer to you (2): Spüre mich

Closer to you (3): Erkenne mich

Secrets (1): Dirty Secrets

Secrets (2): Sexy Secrets

Secrets (3): Dangerous Secrets

Deep Love (1)

Deep Passion (2)

Deep Danger (3)

Year of Passion. Januar. Februar. März (1-3)

Year of Passion. Januar (1) – E-book

Year of Passion. Februar (2) – E-book

Year of Passion März (3) – E-book

Year of Passion. April. Mai. Juni (4-6)

Year of Passion. April (4) – E-book

Year of Passion. Mai (5) – E-book

Year of Passion. Juni (6) – E-book

Year of Passion. Juli. August. September (7-9)

Year of Passion. Juli (7) – E-book

Year of Passion. August (8) – E-book

Year of Passion. September (9) – E-book

Year of Passion. Oktober. November. Dezember (10-12)

Year of Passion. Oktober (10) – E-book

Year of Passion. November (11) – E-book

Year of Passion. Dezember (12) – E-book

Sexy Security (1): Betörendes Feuer

Sexy Security (2): Glühendes Feuer

Sexy Security (3): Stürmisches Feuer

Sexy Security (4): Verlockendes Feuer

Lovely Little Liar – Sinnliche Lügen (Blackwell Lyon 1) – E-book

Pretty Little Player – Heiße Spiele (Blackwell Lyon 2) – E-book

Sexy Little Sinner – Verführerische Sünden (Blackwell Lyon 3) – E-book

Lovely. Pretty. Sexy – Drei heiße Kurzromane. Sammelband Blackwell Lyon 1-3

Fallen Saint (1) – Verwegene Versuchung – E-book

Fallen Saint (2) – Zarte Sünde – E-book

Fallen Saint (3) – Süße Erlösung – E-book

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Vollständige deutsche E-book-Ausgabe 6/2022

Copyright © 2021 by J. Kenner

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel

My Cruel Salvation bei Martini & Olive.

Copyright © des deutschsprachigen E-book 2022

by Diana Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Theresa Klingemann

Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design, München

Covermotiv: © 4 PM production/Shutterstock.com

Satz: Leingärtner, Nabburg

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

ISBN 978-3-641-27202-9V002

www.diana-verlag.de

1. Kapitel

Viele Jahre zuvor …

Alejandro Lopez stand mit der mattschwarzen Glock in der Hand neben seinem Vater auf dem Schießstand. Heiß brannte die Wüstensonne auf sie herab. Er war zehn Jahre alt, schlaksig und groß für sein Alter; er reichte seinem Vater beinahe bis an die Schulter. Schon bald würde er vermutlich größer als er sein. Und auch stärker.

Was gut war. Denn dann musste er vielleicht keine Angst mehr haben. Und konnte seinem Vater sagen, dass er ihn Alex nennen sollte, wie seine Mutter es getan hatte, als sie noch am Leben gewesen war. Als er noch bei ihr hatte sein dürfen.

Er konnte sich kaum noch an sie erinnern, aber jeden Abend bemühte er sich, bewusst daran zu denken, wie sie ihn im Arm gehalten und Gute-Nacht-Geschichten erzählt hatte. Von ihm, Alex, der mutig und stark war und die Bösen besiegt hatte.

Sie hatte nie gesagt, wer die Bösen waren, aber inzwischen kannte er die Antwort. Es waren die Männer, bei denen er lebte. Alle um ihn herum, und an der Spitze sein Vater. Der Wolf.

Er schluckte den Kloß in seiner Kehle, befahl seinen Schultern, nicht zu zittern, und setzte eine ausdruckslose Miene auf. Der Wolf duldete keine Gefühlsregung, unter keinen Umständen. Ausnahmen wurden nicht gemacht.

Die Prellungen und blauen Flecken an Alex’ Körper zeugten davon.

Er musste hart an sich arbeiten. Besser werden. Musste alles, was er fühlte, tief in sich vergraben, damit sein Vater niemals erkannte, wie groß sein Hass war. Oder – schlimmer noch – seine Angst.

Er musste sich anpassen. Er musste einen Weg finden, sich einzufügen, während er insgeheim seinen brennenden Hass schürte und seine Rache plante.

Wenn er überleben wollte, blieb ihm keine andere Wahl, das wusste er. Nur dadurch konnte er verhindern, dass sein Vater beschloss, ihn zu beseitigen, so wie er seine Mutter beseitigt hatte.

Nicht, dass der Wolf es ihm gegenüber jemals eingestanden hätte. Aber Alex hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass Zuhören schlauer war als Reden. Und obwohl er noch ein Kleinkind gewesen war, als sein Vater ihn in die Wüste verschleppt hatte, konnte er sich an bestimmte Dinge erinnern. An was genau, würde er sich dem Wolf gegenüber natürlich niemals anmerken lassen.

Der Wolf.

So nannte sein Vater sich selbst. So musste jeder, der mit und für ihn arbeitete, ihn nennen.

Der Wolf hat ein Meeting einberufen; du musst dich im Büro melden.

Der Wolf ist heute mies drauf. Die Phoenix-Operation ist total in die Hose gegangen. Geh ihm lieber aus dem Weg.

Der Wolf hat Frank im Auge. Armer Bursche.

Und dann wurde Frank nie wieder gesehen. Was umso schlimmer war, da Alex Frank gemocht hatte. Der grauhaarige Mann hatte ihm immer in gelbes Zellophan verpackte Sahnekaramellbonbons zugesteckt. Doch Frank hatte mit jemandem gesprochen, mit dem er nicht hätte sprechen sollen, und der Wolf hatte es erfahren. Was Franks Ende bedeutete.

Neben ihm regte sich sein Vater, der seine eigene Waffe locker an der Seite hielt. »Hast du geübt, Alejandro?«

Alex nickte.

»Ja, Vater.« Sein Vater verlangte von jedem, ihn als Wolf zu bezeichnen, nicht jedoch von Alex. Er wollte, dass Alex wusste, zu wem er gehörte, und so sprach Alex den Mann auch als Vater an. Doch wenn er an ihn dachte, dann hauptsächlich als den Wolf. Denn dieser Mann war nicht sein Vater. Nicht wirklich jedenfalls. Nicht wie die Männer, an die er sich aus Los Angeles erinnerte. An die freundlichen, liebenden Väter, die seine Freunde Pop oder Daddy nannten und auf die sie mit ausgestreckten Armen zurannten, um hochgehoben und herumgewirbelt zu werden.

Das hätte Alex sich so sehr gewünscht. Aber als er nun das Gewicht der Pistole in seiner Hand spürte, wusste er nur allzu gut, dass er das niemals bekommen würde.

»Dann zeig es mir.« Der Wolf deutete mit dem Kopf auf das Stück ausgedörrter Wüstenfläche vor ihnen. In einiger Entfernung standen Strohgarben, an die Papierziele mit menschlichen Umrissen in tiefem Schwarz befestigt waren. In jedes Gesicht hatte jemand rote Augen gemalt.

»Der Mann ist dein Feind. Er hat dich verraten. In seinen Augen bist du nichts wert. Hat der Mann recht?«

»Nein, Vater.« Es kostete ihn viel Kraft, das Zittern seiner Stimme zu unterdrücken. Sein Vater machte ihm Angst, wenn er in dieser Stimmung war. Alex hatte einmal miterlebt, wie er einem Mann den Schädel eingeschlagen hatte, nur weil er nicht so wie gewünscht geantwortet hatte. Der Mann hieß Michael, und er hatte Alex immer lustige Geschichten aus seiner Zeit in Paris erzählt. Nun konnte Michael sich nicht mehr an diese Zeit erinnern.

Meistens konnte er sich nicht einmal mehr an seinen eigenen Namen erinnern.

»Was machen wir mit Männern, die uns verraten haben?«, fragte der Wolf.

»Wir erteilen ihnen eine Lektion, Vater.« Selbst in seinen Ohren klang seine Stimme flach. Er konnte nur hoffen, dass sein Vater die Furcht nicht heraushörte, die Alex so verzweifelt zu verbergen suchte. Furcht und Abscheu. Er hasste diesen Mann. Aber er wusste, dass er es ihn nicht spüren lassen durfte.

»Ja. Ja.« Alex konnte hören, dass sein Vater stolz auf ihn war. Am liebsten hätte er sich übergeben. »Das ist mein Sohn. Und jetzt zeig mir, wie du ihm diese Lektion erteilst. Der Mann, der dich verraten hat, steht dort drüben und starrt dich an. Erlaubst du ihm, dich herabzuwürdigen?«

»Nein, Sir.«

»Dann ziel und zeig mir, was du kannst.«

Alex gehorchte. Er hob seine Waffenhand und spannte den Arm an, damit er nicht zitterte. Er zielte, wie es ihm beigebracht worden war. Sein Vater wollte, dass er das rote Auge traf.

Präzision und Treffsicherheit, Alejandro. Das erwarte ich von Männern, die an meiner Seite stehen. Du bist mein Sohn, aber du musst dir den Platz verdienen. Präzision, Treffsicherheit und unbedingte Loyalität.

Alex hatte wochenlang geübt, um ein Ziel von solch geringer Größe aus dieser Distanz – fast zwanzig Meter – zu treffen, aber sein Vater erwartete, dass er sich auf vierzig Meter steigerte und dann mit einem Gewehr zu üben begann. Er holte tief Luft und ließ sich einen Moment Zeit, dem Wind nachzuspüren, dann zog er behutsam den Hahn durch.

Er spürte den Rückstoß in seinem Arm, und seine Ohren klingelten trotz der Ohrstopfen, die er zum Training tragen durfte.

Und dann gefror sein Blut zu Eis.

Er hatte das Ziel verfehlt.

Beide roten Augen waren intakt. Dazwischen hatte seine Kugel ein schwarzes Loch gerissen.

Das Zielobjekt wäre definitiv tot. Aber er wusste, dass das seinem Vater nicht reichte.

»Ich dachte, du hast geübt.« Enttäuschung durchzog die Stimme des Wolfs. Enttäuschung und Wut.

»Das habe ich, Vater.« Er hörte das Beben seiner Stimme und hätte am liebsten geweint. Tränen brannten in seinen Augen, und er hasste sich dafür, dass er ein so jämmerlicher Feigling war.

»Dann hast du nicht genug geübt. Sieh mich an, Junge.«

Alex wandte sich ihm langsam zu und hob den Blick. Die Miene seines Vaters war hart und verächtlich, als er seinen Sohn von Kopf bis Fuß musterte.

»Du musst besser werden«, sagte der Wolf. »Sag mir, Junge. Wer ist dein Vater?«

Alex schluckte. »Du bist es.«

»Und hast du mich stolz gemacht?«

Er zwang sich, sich keinerlei Regung anmerken zu lassen. Er wusste, was nun kam. »Nein, Vater.«

Langsam nickte der Wolf. »Gut, dass du das weißt. Und nun …« Er holte aus und schlug Alex seine Waffe mit solcher Wucht gegen das Kinn, dass sein Kopf zurückflog. »… nun wirst du das auch nicht mehr vergessen.«

Alex taumelte, und seine Knie drohten nachzugeben, doch er ging nicht zu Boden. Hätte er das getan, würde alles nur noch schlimmer werden. »Nein, Vater.«

»Gut.«

Die Augen geweitet, das Kinn stolz erhoben, begann er im Kopf Sätze abzuspulen. Es tut nicht weh. Es tut gar nicht weh. Es ist nicht dein Gesicht, das sich zerschmettert anfühlt. Es gehört einem anderen. Du selbst bist okay. Dir ist nichts geschehen. Alles ist okay.

Doch er musste ein Wimmern unterdrücken. Das Mantra, das seine Stiefmutter Aurelia ihm beigebracht hatte, half nicht. Überhaupt nicht. Am liebsten hätte er seine Hand an seinen Kiefer gepresst.

Am liebsten hätte er geweint.

Stattdessen stand er steif wie eine Statue da. Ihm blieb nichts anderes übrig, denn andernfalls würde Schlimmeres passieren. Sehr viel Schlimmeres.

Jahre verstrichen in den nächsten Sekunden, doch er stand stocksteif da.

Bis sein Vater ihm endlich – endlich! – beide Hände auf die Schultern legte. »Sieh mich an, Junge.«

Wieder blickte Alex auf in die grausamen Augen seines Vaters, die nun tatsächlich ein wenig sanfter blickten; eine Milde, die sein Vater vermutlich für Liebe hielt. »Ich tue das, um einen Mann aus dir zu machen«, sagte er. »Ich tue das, damit man dich respektiert, wenn du eines Tages dein Erbe übernimmst. Respektiert und fürchtet. Deine Lieutenants werden für dich kämpfen, weil sie wissen, dass du stark bist und das Zeug dazu hast, sie anzuführen. Und dass du sie jagen und zur Strecke bringen wirst, wenn sie dich verraten. Verstehst du das, Junge? Begreifst du, dass alles, was mir gehört, eines Tages dein sein wird?«

»Ja, Vater.«

»Und kannst du ein Imperium regieren, wenn deine Männer dich nicht respektieren?«

»Nein, Vater.«

»Und wie verdienst du dir ihren Respekt?«

»Indem ich mich selbst übertreffe. Und in allem, was ich tue, der Beste bin.«

»Auch darin, deine Feinde zu erledigen?«

»Ja, Vater.«

»Wenn du dein Zielobjekt nicht mit rasiermesserscharfer Präzision ausschalten kannst, Junge, dann scheiterst du auf ganzer Linie. Nicht nur beim Schießen, sondern bei allem, was du dir vornimmst. Nur wenn du das verinnerlicht hast, wenn du daraus lernst, verdienst du es, das zu erben, was ich aufgebaut habe. Und du wirst es sogar noch größer machen. Begreifst du, wie sehr ich dich liebe? Was ich für dich erschaffen habe?«

Bittere Galle stieg in Alex’ Kehle auf. »Ja, Vater.«

»Geh zu deiner Mutter. Sag ihr, dass du nicht genügt hast. Aber weil du es morgen besser machen wirst, darfst du einen Keks zum Nachtisch haben.«

»Ja, Vater.« Wieder wurden ihm seine Knie weich, doch diesmal vor Erleichterung.

»Geh. Ich muss mit Eric reden. Wir sehen uns nachher zu Hause.«

»Ich …« Doch rasch brach er wieder ab. Es war nicht gut, etwas einzuwenden. Er konnte nur hoffen, dass Eric, der Mann, der jeden Tag mit ihm auf dem Schießstand trainierte, den morgigen Tag noch erlebte. »Ja, Vater«, sagte er also, machte kehrt und stob davon, ehe sein Vater noch etwas anderes sagen konnte.

2. Kapitel

Ich hasse ihn«, sagte Alex. Seine Stiefmutter Aurelia erstarrte neben ihm.

»Sch …« Ihre Stimme war leise und voller Liebe, doch auch mit Angst durchzogen. »Wenn er dich hört …«

Der Satz verklang, und Alex schauderte. Sie hatte recht. Es war dumm, so etwas laut auszusprechen.

Und doch konnte er den Mund nicht halten. »Er ist kein Wolf. Wölfe sind freundlich. Sie beschützen sich gegenseitig. Ich habe im Lexikon nachgelesen. Man sollte ihn Hyäne nennen.«

Aurelia kicherte, wies ihn aber hastig erneut zurecht. »Du bringst uns beide noch in Schwierigkeiten.«

Sie war die Frau seines Vaters, aber nicht viel älter als er selbst – erst achtzehn, und sie wirkte viel jünger. Seine letzte Stiefmutter war vierundzwanzig gewesen, und eines Tages war sie einfach verschwunden. Der Wolf hatte sie mit einem bösen Wort bezeichnet – dem F-Wort, das, wie er von Aurelia wusste, wirklich sehr böse und gemein war – und Alex mitgeteilt, dass sie weg war und auch nicht wiederkommen würde.

Das war vor zwei Jahren gewesen, und Alex hatte gedacht, dass sie vielleicht auf Reisen gegangen war. Sie hatte ihm immer versprochen, dass sie eines Tages nach Kalifornien fahren und ins Disneyland gehen würden, und anfangs war er sauer auf sie gewesen, dass sie einfach ohne ihn abgehauen war. Aber damals war er ja auch noch ein dummes kleines Kind gewesen. Inzwischen kannte er die Wahrheit. Inzwischen wusste er, dass sie nicht mehr lebte.

Und plötzlich schämte er sich, dass er weiterplapperte, obwohl Aurelia es ihm verboten hatte. Er wollte sie nicht auch noch in Gefahr bringen.

»Entschuldige«, murmelte er und kuschelte sich an sie, als sie ihm einen Arm um die Schultern legte. Er sprach nun so leise, dass er nicht sicher war, ob sie ihn durch den Lärm des Fernsehers, in dem Friends lief, überhaupt gehört hatte. »Ich will nicht, dass er dir was tut wie meiner Momma.«

Wieder versteifte sie sich neben ihm.

»Weißt du etwas darüber? Du kannst dich doch unmöglich noch an sie erinnern. Ich kann mich ja kaum noch erinnern. Ich war dreizehn, als sie – ich meine, als du zu uns kamst.«

»Ich weiß noch, dass sie immer viel geweint hat. Und ich weiß, wie am Abend die Polizei zu uns kam und gesagt hat, dass sie von der Straße abgekommen ist, aber das stimmt nicht, oder?« Er drehte den Kopf und sah sie trotzig an. »Er hat das gemacht. Er hat meine Momma umgebracht. Und mich dann hergeholt.«

Er sah die Antwort in ihrer Miene, aber sie blickte weg. »Du darfst so was nicht sagen. Du darfst das nicht einmal denken.«

Er wollte etwas erwidern, aber dann sah er den kleinen Jungen im Türrahmen und hörte Aurelias Seufzen. »Manny, sieh zu, dass du ins Bett kommst. Hast du mich gehört?«

»Und warum darf er noch aufbleiben?« Der Junge hatte wuscheliges schwarzes Haar, eine Himmelfahrtsnase und dunkle Augen, die auf Alex gerichtet waren.

»Weil er zehn ist. Und du erst sieben.«

»Ich will dir aber das Spiel zeigen, das ich gemacht habe.«

Sie neigte den Kopf. »Du sollst seit einer Stunde im Bett liegen und nicht Computer spielen. Also, husch zurück in die Federn. Du kannst mir dein Spiel morgen früh zeigen.«

»Du bist nicht meine Momma. Du kannst mir gar nichts sagen.«

»Ich bin deine Schwester, und weil unsere Momma tot ist, kann ich dir sehr wohl etwas sagen. Er will das schließlich so.«

Der kleine Junge wusste genau so gut wie Alex, wer damit gemeint war.

Und daher machte Manuel Espinoza mit einem letzten finsteren Blick zu Alex kehrt und verschwand.

»Er vermisst sie sehr«, sagte Aurelia. »Jetzt spielt er nur noch an diesem dummen Computer. Ich würde ihm ja erlauben, mit uns aufzubleiben, aber wenn dein Vater das sehen würde, bekämen wir alle Prügel.«

Alex nickte. »Ich weiß. Schon okay. Ich vermisse meine Momma auch.«

»Das weiß ich.«

Er runzelte die Stirn. »Hast du sie denn gekannt?«

Sie nickte und presste die Lippen zusammen.

»Erzähl mir von ihr.«

Sie blinzelte, als ihre Augen sich mit Tränen füllten. »Sie war nett. Als du noch ein Baby warst, hab ich bei euch gearbeitet. Ich mochte sie. Ich durfte sie Cat nennen. Und sie war so hübsch.« Sie strich ihm übers Haar. »Du siehst ihr sehr ähnlich.«

Er blickte finster, obwohl es ihm guttat. »Ich bin doch nicht hübsch.«

Sie lachte. »Du wirst ein toller Mann werden. Innerlich und äußerlich. Versprichst du mir das? Für sie. Du musst für sie ein guter Mensch werden. Damit sie stolz auf dich ist. Sie hat dich so sehr geliebt.«

»Mein Vater tut das nicht.«

Sie zog die Brauen zusammen, und ihr Blick huschte zum Küchenbereich. Niemand außer ihnen war im Haus, und sie würden sehen, wenn jemand durch die Vordertür eintrat. Doch falls jemand durch den Hintereingang kam …

Plötzlich wurde ihm kalt. Sein Vater mochte längst hier sein. Er konnte lautlos durch den Garten gekommen sein – und Alex hatte laut gesprochen. Was, wenn er etwas gehört hatte, und …

»Doch, das tut er«, sagte Aurelia. »Er … er liebt dich auf seine eigene Art.« Sie nickte, als wollte sie sich selbst davon überzeugen. »Aber du darfst ihn nicht wütend machen, okay? Versprich mir, dass du ihn nicht wütend machst. Denn dann hört er auf …«

Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ ihn los, um die Arme um ihren Oberkörper zu schlingen.

»Denn dann hört er auf, einen zu lieben«, sagte Alex trotzig. Warum sprach sie es denn nicht aus? So war es doch!

Sie blinzelte. Nickte. »Ja«, flüsterte sie. »Aber erzähl das niemandem außer mir.«

Er fühlte sich plötzlich klein, hilflos und allein. »Ich weiß. Mach ich nicht.«

»Gut.«

Er hörte die Erleichterung in ihrer Stimme. Er zögerte, aber er musste die Frage einfach stellen. »Das ist gar keine wirkliche Liebe, oder?«

Ihre Kehle arbeitete, als sie schluckte. »Nein. Ist es nicht. Und du bist schlauer, als gut für dich ist.«

Er grinste, weil er wusste, dass sie das damit bezwecken wollte. Nur fühlte er sich nicht schlau. Wäre er es gewesen, dann hätte er gewusst, was er tun musste, damit sie keine Angst mehr hatte. Damit er selbst keine Angst mehr hatte. Er setzte sich aufrechter hin, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. »Erzähl mir lieber nichts mehr über Momma.«

»Warum denn nicht?«

»Weil er dann auch wieder böse wird. Und wenn er böse wird, dann stirbt jemand.«

»Aber du musst doch etwas über sie erfahren …«

Er nickte langsam. »Okay. Aber wenn er das herausfindet, dann beschütze ich dich. Ich war noch zu klein, um Momma zu beschützen, aber jetzt kann ich es. Und das werde ich. Versprochen.«

Erneut sah er Tränen in ihren Augen, als sie lächelte. »Du bist ein guter Junge, und du wirst ein guter Mann werden.« Ihre Stimme war belegt, als sie fortfuhr. »Du wirst genau wie dein Daddy werden. Stark und mächtig und …«

»Du verfickte Schlampe.«

Alex erstarrte. Er hatte seinen Vater nicht durch die Küche kommen sehen. Aurelia offenbar aber schon, weswegen sie den letzten Satz gesagt hatte. Aber es hatte nichts geholfen. Was seinen Vater betraf, konnte nichts helfen.

»Du willst diesem Jungen erzählen, wie er einmal sein wird? Glaubst du, du hättest ein Recht darauf, mit meinem Sohn zu sprechen, als würdest du ihn kennen, nur weil du für mich die Beine breit machst?«

»Ich … nein, Daniel. Wir haben nur …«

»Miese kleine Hure. Für mehr taugst du sowieso nicht. Für mehr taugt keine Frau, Alejandro. Merk dir das gut. Merk dir diesen Tag, an dem die Fotze neben dir versucht hat, dir zu erklären, wer oder was du sein wirst. Aus dir wird das, was ich dir sage. Du wirst der Mann, der du werden sollst. Kein Waschlappen, der auf irgendein Weibsstück hört, hast du mich verstanden?«

Er hob das Kinn und vermied es, Aurelia anzusehen, denn er hatte Angst, dass er dann in Tränen ausbrechen würde. »Ja, Sir.«

»Die dumme, kleine Schlampe hat dir eingeredet, du seist etwas Besonderes, nicht wahr?«

»Ich …« Er schluckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

»Du«, fuhr der Wolf Aurelia an. »Raus hier.«

Sie nickte, warf Alex noch einen raschen Seitenblick zu und hastete in die Küche.

»Etwas Besonderes.« Sein Vater verzog verächtlich den Mund. »Du bist nichts Besonderes. Du kannst es werden, aber dafür musst du hart arbeiten. Hineinwachsen. Bis dahin bist du nichts. Du musst etwas aus dir machen, dein Erbe vergrößern, wie ich es getan habe. Du musst dich beweisen, so wie ich es mit dem getan habe, was dein Großvater mir und dessen Vater ihm hinterlassen hat. Dein Urgroßvater hat während der Prohibition Alkohol über die Grenze geschafft, aber in ihm steckte noch sehr viel mehr, genau wie in seinem Sohn, meinem Vater.«

Alex schluckte und nickte.

»Ich habe beide übertroffen. Ich habe die Saat zu einem Imperium wachsen lassen.«

»Ja, Vater.«

»Und du wirst es noch weiter bringen, Alejandro. Du wirst mich stolz machen. Doch bis du so weit bist – bis du deinen eigenen Weg gehst –, bist du nichts. Ein ungeformter Tonklumpen. Und falls du es noch nicht wusstest – feuchter Ton sieht einem Scheißhaufen verdammt ähnlich.«

3. Kapitel

Heute … 

Ich habe dich noch nie so nervös erlebt«, sagte Ellie und trat neben Devlin, als er seine Fliege zum mindestens vierten Mal an diesem Abend richtete. Sie begegnete seinem Blick in dem mannshohen Spiegel, der im Schlafzimmer der Penthouse-Suite stand, und lächelte mit einem Hauch gutmütigem Spott. »Der große Devlin Saint hat Lampenfieber. Irgendwie süß.«

»Das ist kein Lampenfieber«, sagte er. »Das ist …«

»Was denn?«

Er atmete hörbar aus. »Na gut, vielleicht doch.« Sie lächelten einander an. Er und seine El, die Frau, die er liebte. Der einzige Mensch, bei dem er wirklich er selbst sein konnte. Der einzige Mensch, dem er eingestehen mochte, wie viel dieser Abend ihm wirklich bedeutete.

Von dem Moment an, in dem er ihr zum ersten Mal begegnet war – an ihrem sechzehnten Geburtstag –, hatte sie ihn mit ihrer inneren und äußeren Schönheit bezaubert. Sie hatte ihm ein schüchternes Lächeln geschenkt, ehe sie hastig die Augen abgewandt hatte, doch ihr Blick hatte sich angefühlt, als sei ein Blitz eingeschlagen. Er war damals achtzehn gewesen und hatte in diesem Augenblick gewusst, dass sie ihm gehörte. Selbst wenn nie etwas zwischen ihnen geschehen sollte – und wie in aller Welt hätte auch etwas zwischen ihnen sein können? – , gab es an der Tatsache nichts zu rütteln.

Doch wie durch ein Wunder war Wirklichkeit geworden, was er in seinem Herzen gewusst hatte. Es war ein langer und erschütternder Weg gewesen, doch trotz aller Widrigkeiten waren sie nun wirklich und wahrhaftig zusammen. Sie war das Kostbarste, was er besaß, sie war sein Ein und Alles. Und nun stand sie vor ihm und sah ihn voller Liebe an – obwohl sie genau wusste, wer er war und was er getan hatte.

»Das hier hast du dir verdient«, sagte sie. Wie immer schien sie zu wissen, was ihm im Kopf umherging. Sie strich seinen Smoking glatt und legte den Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen zu sehen. »Du bist unglaublich. Sieh nur, was aus Alejandro Lopez, dem Sohn des Wolfs, geworden ist. Oder meinetwegen aus Alex Leto, meinem ersten Freund. Jetzt bist du Devlin Saint. Einflussreich. Mächtig. Unfassbar sexy.« Das letzte hatte sie mit einem lüsternen Unterton gesagt, und er musste grinsen. »Du bist der Mann, den ich liebe. Der unglaublichste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Und du hast etwas Großartiges erschaffen.«

Sie trat einen Schritt zurück, um ihn zu begutachten. Dann begegnete sie erneut seinem Blick, und der Stolz, den er in ihren Augen erkannte, verschlug ihm beinahe den Atem. »Der World Council Award for Humanitarian Services. Wie großartig ist das denn? All die Arbeit, die du in die Devlin Saint Stiftung gesteckt hast … Das hier ist die Anerkennung deiner unermüdlichen Bemühungen. Fühlst du dich nicht bestätigt?«

Er holte tief Luft. »Das tue ich«, gab er zu. »Das war eine Sache, mit der mein Vater erstaunlicherweise recht gehabt hat.«

Sie sah ihn verwirrt an, und er lächelte. »Er hat mir eingebläut, dass ich ein Nichts bin, bis ich mir etwas aufgebaut, bis ich etwas aus mir gemacht haben würde. Tja, und das habe ich. Und was ich aufgebaut habe, ist verdammt viel mehr wert als alles, was dieser Mistkerl je zustande gebracht hat.«

»Ja«, sagte sie so voller Liebe, dass ihm das Herz erneut zu bersten drohte. Gleichzeitig wusste er, dass diese Unterhaltung nur seine Stiftung zum Thema hatte, jene wohltätige Organisation, die er vor fünf Jahren ins Leben gerufen hatte, um Opfer von Menschenhändlern zu befreien und ihnen anschließend alle Hilfe zu bieten, die sie brauchten, um wieder ins Leben zurückzufinden.

Was aber wäre ihre Antwort, wenn es um sein anderes Unternehmen ging? Eines, das ihm genauso sehr am Herzen lag? Saint’s Angels leistete großartige Arbeit, operierte allerdings unter dem Radar. Obwohl die Organisation auch für Geiselbefreiungen und andere Rettungsmissionen verantwortlich zeichnete, würde ihr niemand einen Preis verleihen. Zum einen, weil ihre Existenz geheim war. Zum anderen, weil wohl niemand einer Gruppe applaudieren würde, die auf die Kidnapper Scharfschützen ansetzte, um sicherzustellen, dass sie nie wieder Kinder misshandeln konnten. Am wenigsten jemand wie Ellie, die aus einem Polizistenhaushalt stammte und strenge moralische Prinzipien hatte.

Und doch kannte sie inzwischen die Wahrheit und stand noch immer an seiner Seite. Er wollte ihren Segen, ja, aber im Augenblick würde er sich damit zufriedengeben müssen, dass sie ihn nicht verdammte.

»Devlin?« Sie sah ihn stirnrunzelnd an und zog die Mundwinkel herab. »Alles okay?«

»Entschuldige. Ich war gerade woanders.« Er verdrängte den Gedanken an die verbleibende Unstimmigkeit und konzentrierte sich stattdessen auf das, wofür er zutiefst dankbar war – auf sie.

»Weißt du, worauf ich außerdem stolz bin?«

Sie betrachtete ihn einen Moment lang und schüttelte dann den Kopf.

»Mit dir an meiner Seite gesehen zu werden. Glaub mir, El, nichts macht mich stolzer, als der Mann zu sein, den du liebst.«

Vor Freude röteten sich ihre Wangen.

Er grinste und begutachtete sie, wie sie es eben bei ihm gemacht hatte. »Dass du ganz nebenbei auch noch atemberaubend schön bist, schadet allerdings auch nicht.«

Sie lachte. »Darf ich daraus schließen, dass du mein Kleid magst?«

»Das weißt du genau.«

Sie waren für die Preisverleihung nach Manhattan gekommen, und sie hatte ihm gestern eröffnet, dass sie sich auf die Suche nach dem richtigen Kleid für diesen Anlass machen wollte, während man ihn als Preisempfänger zu zahlreichen PR-Terminen schleppen würde. »Ich habe jahrelang hier gelebt, hatte aber nie einen Anlass, um ernsthaft shoppen zu gehen. Fifth Avenue, ich komme!«

Nun forderte er sie mit einer Geste auf, sich für ihn zu drehen, und sie gehorchte und präsentierte ihm das enge, bronzefarben schimmernde Kleid, das bei jeder Bewegung das Licht zu reflektieren schien. Dazu trug sie Riemchensandalen mit halsbrecherischen Zehn-Zentimeter-Absätzen, deren Höhe es ihr nicht nur beinahe ermöglichte, ihm in die Augen zu schauen, sondern auch ihrer Wade, die durch den bis zum Oberschenkel reichenden Schlitz zu sehen war, einen aufreizenden Schwung verlieh.

Er konnte sich nicht an ihr sattsehen. Wie der Stoff sich an ihr Hinterteil schmiegte und seine Hand förmlich einzuladen schien. Ihre schmale Taille. Der Ansatz ihrer Brüste über dem tiefen Ausschnitt des gerafften Oberteils und die Kette aus Topasen, die den Blick auf ihr Dekolleté zog und die roten Strähnchen in ihren braunen offenen Locken hervorhob.

Sie war umwerfend schön, und je länger er sie betrachtete, umso stärker packte ihn die Ehrfurcht, dass sie ihm gehörte. Diese Frau, das größte Wunder seines Lebens.

»Wie sehr hast du dich für den Schmuck verschuldet?«, neckte er sie. »Oder für das Kleid, wo wir schon dabei sind?«

Sie winkte ab. »Bei meinem Reportergehalt? Nun, sagen wir einfach, ich werde für den Rest meines Lebens Raten zahlen müssen.« Sie trat vor und schmiegte sich in seine Arme. »Zum Glück ist mein Freund es wert.«

»Hm«, machte er und nahm sich prompt vor, ihr Bankkonto bei der nächsten Gelegenheit wieder aufzufüllen. »Perfektion ist mit Geld nicht zu bezahlen.«

Ihr Lächeln wurde noch strahlender, und ihre karamellfarbenen Augen leuchteten. »Ich liebe dich«, sagte sie, und sein Herz schwoll wundersamerweise noch ein wenig mehr an.

»Vorsicht, oder wir kommen nicht rechtzeitig los.« Die Rezeption hatte vor ein paar Minuten angerufen, um Bescheid zu geben, dass der Wagen sie in einer Viertelstunde abholen würde.

»Das macht mir keine Sorgen«, sagte sie, trat näher und schlang ihre Arme um seine Taille. »Du bist der Ehrengast. Ohne dich fangen die nicht an.«

Sie stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn, und obwohl sein ganzer Körper sich in dem Bedürfnis verspannte, sie aufs Bett zu werfen, auszuziehen und seine tosenden Gefühle mit heißem, forderndem Sex abzuarbeiten, schüttelte er nur den Kopf und schob sie behutsam, aber entschieden von sich.

»Nein.«

Sie zog die Brauen hoch. »Nein?«

»Nicht, dass du nicht die personifizierte Versuchung bist«, sagte er. Und das meinte er ernst. Gab es überhaupt je einen Moment, in dem er sich nicht nach ihr sehnte? Unter normalen Umständen begehrte er sie ständig, und dass die Umstände im Augenblick ganz und gar nicht normal waren, steigerte sein Verlangen sogar noch. Er fühlte sich nicht wirklich bei sich, als sollte er die Preisverleihung absagen. Hatte er diese Ehrung wirklich verdient? Machten ihn die Geheimnisse seiner Vergangenheit nicht automatisch zum Heuchler?

Nein.

Er wusste, dass er Gutes tat. Seit er erwachsen war, hatte er all seine Kraft und Energie darauf verwandt, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Um Leiden zu lindern, Verbrechen zu bekämpfen, für Bildung zu sorgen. Was immer getan werden konnte, wurde getan, und die Stiftung, die er gegründet und ausgebaut hatte, war zu einer soliden Basis für viele einstige Opfer geworden, die nun wieder auf einem guten Weg waren. Viele Menschen waren gerettet worden. Viele Menschen hatten nun wieder eine Perspektive.

Er dachte an die Kinder, die er in den Armen gehalten, an die Erwachsenen, die er getröstet, die Missbrauchsopfer, denen er einen Zufluchtsort geboten hatte. Und, ja, auch an die vielen Verbrecher, die er selbst getötet hatte, ohne einen Hauch Reue dabei zu empfinden – er bedauerte höchstens, dass er diese Bastarde nicht hatte finden und ausschalten können, ehe sie überhaupt eine Möglichkeit gehabt hatten, auch nur einem einzigen Menschen Leid zuzufügen.

Ellie lächelte zärtlich, als sie die Hand hob und die Narbe in seinem Gesicht nachzeichnete, die sich von seiner Augenbraue bis zur Oberlippe zog. Eine Narbe, die er mit Stolz trug, repräsentierte sie doch eine weitere gewonnen Schlacht gegen das Unrecht – den Sturz eines weiteren Bauern in dem niemals endenden Schachspiel von Gut gegen Böse.

»Ich finde es furchtbar, dass du eine Verletzung davontragen musstest«, sagte sie. »Aber du siehst so verdammt sexy mit der Narbe zu deinem Smoking und der Brille aus.«

»Freut mich, dass du das denkst.«

»Weißt du, was ich noch denke?«

»Sag’s mir«, forderte er sie auf, als er ihr Hinterteil packte und sie so nah an sich zog, dass sie seinen harten Schwanz an ihrem Bauch spüren konnte.

»Genau dasselbe wie du«, sagte sie und bewegte sich an ihm gerade aufreizend genug, dass ihn die Begierde erneut durchfuhr. »Aber wie du schon sagtest – unten wartet ein Wagen auf uns, und wir müssen jetzt gehen, damit du dich feiern lassen kannst.«

»Richtig.« Er ließ sie los und nahm stattdessen ihre Hand. An der Tür hielt er noch einmal inne. »Weißt du, ich würde es aufgeben.« In der Hoffnung, dass sie im Herzen begriff, was er ihr zu sagen versuchte, sah er ihr ernst in die Augen. »Ich würde alles aufgeben, wenn dadurch sichergestellt wäre, dass du an meiner Seite bleibst.«

Einen Moment lang sahen sie einander an. »Ich glaube dir«, sagte sie und griff wieder nach seiner Hand. »Aber wenn du das tätest, wärst du nicht mehr du. Und jetzt lass uns losgehen, sonst kommen wir doch noch zu spät.«

4. Kapitel

Natürlich geriet er im Wagen in Versuchung. Dieses hoch geschlitzte Kleid, das viel zu viel Bein zeigte. Wie wunderbar wäre es gewesen, etwas von der aufgestauten Energie zu verbrennen. Die dunkle Scheibe hochzufahren und sie hier im Wagen zu nehmen. Sie zu vögeln, während Manhattan an den Scheiben vorbeirauschte. Ihren Geschmack und Geruch noch an sich zu haben, während er auf dem Podium stand, um seine Rede zu halten.

Sie machte ihn stark, seine El. Sie war auf der langen Reise, die er bis hierhin unternommen hatte, sein Talisman gewesen, ein Leuchtturm, der ihm den Weg gewiesen hatte, zu dem Mann zu werden, der er nun war. Gut, böse – wie immer man es sehen wollte, er war durch sie zu diesem Mann geworden. Ja, er gehörte ihr vollkommen.

Und sie ihm genauso.

Als müsse er es beweisen, drückte er ihr Bein und schob seine Hand über ihre seidene Haut aufwärts. Sie sog hörbar die Luft ein, und er konnte sehen, wie sich ihre Nippel unter dem dünnen Stoff des Kleids verhärteten. Sie spreizte leicht die Beine, und ihr leises Stöhnen spielte seinem Schwanz übel mit. Doch dann legte sie ihre Hand auf seine und hielt sie auf.

»Nie und nimmer lasse ich zu, dass du mich zerzaust, ehe du diesen Preis entgegengenommen hast.«

Als er die Glut in ihrer Stimme hörte, nahm sein Puls prompt an Tempo auf, und sein Schwanz zuckte in freudiger Erwartung. Unwillkürlich musste er grinsen. Wie oft hatte er ihr schon gesagt, wie sehr er auf Vorfreude stand?

»Und danach?«, fragte er.

Ihre Hand blieb auf seiner, doch sie spreizte die Beine noch ein Stück mehr. »Danach steht außer Frage. Welche Frau kann schon von sich sagen, dass sie mit dem Wohltäter des Jahres auf dem Rücksitz eines schicken Autos gevögelt hat?«

»Stimmt. Wäre schade, dass auszulassen«, sagte er. Er rieb ihr mit dem Daumen über den Schenkel und verspannte sich erneut, als er sah, wie sie als Reaktion auf diese schlichte Liebkosung erbebte.

»Das habe ich auch nicht vor. Dennoch …« Sie ließ den Satz offen, und einen Moment lang geschah nichts. Doch dann schob sie seine Hand langsam, so hinterhältig langsam weiter hinauf, bis sein Daumen an ihre bloße Muschi stieß. »Nur als Vorschau.«

Er protestierte mit einem Stöhnen.

»Baby, wie zum Henker soll ich eine Rede halten, wenn ich genau weiß, was du unter diesem Kleid trägst – oder besser: nicht trägst?«

Sie presste die Schenkel zusammen und klemmte seine Hand ein, was ihm wie eine Aufforderung erschien, seine Finger zwischen ihre Schamlippen zu schieben. »Ach, da habe ich volles Vertrauen in dich«, sagte sie. »Sieh es als Inspiration.«

Sie schnappte nach Luft, als seine Finger die empfindsame Stelle fanden, und bog den Rücken durch, ehe sie resolut seine Hand wegzog. »O nein«, sagte sie, obwohl ihre atemlose Stimme ihre Worte Lügen strafte. »Das ist für später. Wir nehmen auf der Fahrt zurück zum Hotel einen Umweg.«

»Ganz genau«, sagt er, als seine Gedanken auch schon vorauseilten. Zwischen Hin- und Rückfahrt lag ja nur die Kleinigkeit einer Rede, die er zu halten hatte. »Das tun wir.«

Sie grinste, lehnte sich zurück und schmiegte sich an seine Seite, und er schlang ihr den Arm um die Schultern. Sie hatten noch ein paar Minuten Fahrt vor sich, und Schweigen legte sich über sie, als die Stadt an ihnen vorüberzog.

Nach einem Augenblick griff sie allerdings erneut seine Hand.

»Alles in Ordnung?«

Er wusste, warum sie diese Frage stellte. Schließlich waren die vergangenen Wochen alles andere als normal gewesen. Sie hatten erfahren müssen, dass Anna Lindstrom, eine seiner ältesten Freundinnen und seine persönliche Assistentin, eine Verräterin gewesen war.

Und als wäre das noch nicht genug gewesen, war ein alter Feind am Horizont aufgetaucht. Und dann hatte er beinahe Ellie selbst verloren, und nur das Schicksal, Timing und die Wurzeln eines knorrigen alten Baums hatten verhindert, dass sie in den Abgrund gestürzt war, ehe er sie in letzter Sekunde hatte retten können.

So sehr ihn Annas Verrat und ihr Tod erschüttert hatten, so war es beinahe nichts verglichen mit dem Wissen, wie knapp Ellie dem Tod entronnen war.

Doch trotz all dieser schrecklichen Ereignisse kam für ihn vor allem einem Wunder gleich, dass Ellie, die entsetzt gewesen war, von seinen dunkelsten Geheimnissen zu erfahren, an jenem Abend, an dem man ihr Auto über die Klippe gedrängt hatte, zu ihm unterwegs gewesen war, um ihm zu sagen, dass sie ihn immer noch liebte. Und immer noch brauchte.

Sie war sein Ein und Alles. Und Anna hatte sie ihm beinahe genommen.

»Devlin?«

»Alles okay«, versicherte er ihr, und strich ihr über die Wange. »Ich habe nur …«

»Was denn?«

Er schluckte. »Dieser Preis. Was hältst du davon?« War sie wirklich stolz auf ihn, dass er mit der Stiftung so viel erreicht hatte, oder blieb in ihren Augen ein Beigeschmack von Heuchelei, wenn er diese Ehrung annahm, obwohl er hinter Saint’s Angels und ihren Methoden stand?

Sie zögerte nur einen winzigen Moment, ehe sie antwortete, aber es reichte, um all seine Ängste, sie doch verlieren zu können, erneut aufsteigen zu lassen. Dann war der Stolz zurück in ihren Augen.

»Ich finde, du hast ihn verdient«, sagte sie. »Diesen Preis und noch so viel mehr.«

Er zog sie an sich und küsste sie. »Danke.«

»Du musst nicht an dir zweifeln.«

Er lachte. »Das tue ich selten.« Dabei wusste er, dass er bei El nicht ständig stark sein musste; sie liebte ihn, auch wenn er Zweifel oder Ängste äußerte. Und obwohl das eine schlichte Wahrheit war, war es auch etwas, das tiefe Demut in ihm erzeugte.

Endlich fuhr der Wagen vor dem Dorset Theater vor, ein kürzlich renovierter Veranstaltungsort, in dem die Preisverleihung stattfinden würde. »Wir sind da«, sagte er und zog sie zu einem letzten Kuss zu sich, ehe die Tür geöffnet wurde und sie ausstiegen und den roten Teppich betraten.

Er hielt einen kurzen Augenblick inne, um die Menschenmenge hinter der Absperrung auf sich wirken zu lassen, dann nahm er ihre Hand, und sie setzten sich in Bewegung. Doch plötzlich wandte sie ihm den Kopf zu, und in ihrer Miene zeichnete sich Verwirrung ab. Als er sie gerade fragen wollte, was los war, hörte er es selbst.

Er hatte zunächst den Lärm der Menge und das Blitzen der Kameras automatisch ausgeblendet; Reporter riefen seinen Namen, Fragen prasselten auf sie ein. Und dann drangen einzelne Stimmen, einzelne Worte durch – der Wolf.

Nein.

Ihm gefror das Blut zu Eis, als er die Menge nach der Quelle absuchte, aber es hätte jeder sein können, und er schloss seine Hand fester um Ellies, als sich über dem Gebrüll eine Frage erhob.

Heißen Sie wirklich ursprünglich Alejandro Lopez?

Die Schultern steif, die Miene ausdruckslos, beschleunigte er mit Ellie an seiner Seite sein Tempo. Er wusste, dass er hätte antworten müssen. Dass er hätte anhalten und sprechen sollen, und vielleicht hätte er das sogar getan, wenn nicht eine weitere Frage durch die Kakofonie der Stimmen gedrungen wäre.

Devlin, haben Sie Ihren Vater erschossen?

Nein.

Nein, nein, nein.

All die Kraft und die Stärke, die ihn ausmachte, schien plötzlich zu entweichen, und er fühlte sich wieder wie damals, als er zehn Jahre alt gewesen war und sein Vater von ihm verlangt hatte, ihn stolz zu machen, weil er eines Tages alles erben würde, was der Wolf aufgebaut hatte.

Er hatte dieses Erbe nie gewollt. Er hatte sein ganzes Leben lang versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Es loszuwerden.

Doch nun schleuderte man es ihm unter einem Trommelfeuer von Fragen und Anschuldigungen entgegen.

Verdammt!

Der Fluch dröhnte in seinem Kopf, doch er ließ sich nichts anmerken. Er war aus Stein. Aus Eis. Dank seinem Vater hatte er schon als Kind gelernt, seine Gefühle unter Verschluss zu halten, und diese Lektion half ihm nun dabei, Ellie und sich selbst ohne Zwischenfälle ins Gebäude zu schaffen.

»Es tut mir sehr leid, Mr. Saint.« Eine große Frau mit flammend rotem Haar hastete ihnen entgegen und signalisierte den Portiers, die Türen zu schließen. Erst als das geschehen war, erlaubte Devlin sich, in seiner Wachsamkeit ein wenig nachzulassen, wenn auch nur, um auf Ellie herabzublicken.

Sie sah ihn genauso verloren an, wie er sich fühlte. »Devlin«, flüsterte sie, »du tust mir weh.«

Erst jetzt bemerkte er, dass er ihr beinahe die Hand zerquetschte. Sofort ließ er sie los und öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen. Für den viel zu festen Griff. Für die Menge dort draußen. Für den Mann, der er war – durch dessen Existenz sie eine Szene wie diese hatte durchleben müssen.

Aber die Worte wollten nicht kommen. Stattdessen trat ein hoch aufgeschossener Mann im Smoking zu ihnen. Er hatte grau meliertes Haar, ein freundliches Gesicht und traurige Augen. »Arthur Packard«, sagte er und streckte ihm die Hand entgegen. »Vorsitzender des Komitees. Könnten wir uns vielleicht einen Moment unterhalten?«

Devlins Herz stolperte. Er war nicht dumm, er wusste, was das bedeutete, und er schob seine Finger in Ellies, während Packard sie in einen Nebenraum führte und sich für einen Moment entschuldigte.

»Sie werden mir den Preis wieder aberkennen.« Er wusste, dass er sprach, aber er konnte sich kaum selbst hören. Er war wie betäubt.

Ellie nickte. »Ja.«

»Gottverdammt.« Er schlug mit der Faust auf seinen Oberschenkel. Er wollte fühlen. Sich selbst. Empörung. Etwas anderes als diese Taubheit. Und diese schreckliche, drängende Furcht, dass es keine Rolle spielte, wie sehr er sich anstrengte oder was er auch erreichte, weil die Sünden seines Vaters ihn bis in alle Ewigkeit verfolgen würden.

5. Kapitel

Devlin.«

Ihre Stimme war sanft, fast zögerlich. Und mit einem Mal wurde ihm klar, dass er das hier überstehen würde. Denn was immer das Schicksal auch für ihn bereithalten mochte – El war noch immer an seiner Seite.

Langsam streckte er den Arm aus und nahm ihre Hand. Sie drückte seine, und er zog sie an sich und hielt sie fest, ehe er den Kopf senkte und ihr einen Kuss auf das duftende Haar drückte.

»Bist du okay?«

Er hob den Kopf, und sie blickte zu ihm auf. »Ja, sicher«, sagte er, um die Sorge in ihrem Blick zu löschen.

»Nein, bist du nicht.«

»Nein«, gab er zu, »bin ich nicht. Aber solange du bei mir bist, werde ich das schon überstehen.«

»Ich habe nicht vor wegzugehen.«

Am liebsten hätte er sie an sich gezogen, um seinen wachsenden Zorn in Leidenschaft zu kanalisieren, aber das war nicht möglich. Nicht einmal für einen Kuss war Raum, da die Tür sich öffnete und Packard in Begleitung eines weiteren Mannes eintrat.

Ohne ihre Hand loszulassen, wandte er sich den beiden zu. Er konnte ihren Mienen ansehen, was sie zu sagen hatten. »Sie entziehen mir den Preis.«

»Es tut mir leid«, sagte Packard verlegen. »Die Entscheidung lag nicht bei mir.«

»Sondern bei mir«, meldete sich der andere Mann zu Wort und trat mit erhobenem Kinn vor. »Ich bin Blair Livingston. Mir obliegt die Aufsicht über alle Operationen des Rats. Und unter diesen Umständen würden wir unseren Ruf aufs Spiel setzen.«

»Und Sie glauben, dass es Ihrem Ruf dient, meiner Stiftung allein aufgrund der Tatsache, wer mein Vater ist, die Würdigung zu verweigern?«

»Wir sind zumindest nicht gewillt, das Risiko einer schädigenden PR einzugehen. Sie haben Ihre Herkunft geheim gehalten.« Livingston zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, was für Geheimnisse Sie sonst noch hüten.«

Devlin erstarrte innerlich, und der in ihm schwelende Zorn flammte auf wie ein Flächenbrand. Dies war etwas, was er nicht mit Geld oder Macht oder einem Scharfschützengewehr in Ordnung bringen konnte. Das war der Schatten seines Vaters, und in diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als seine aufgestaute Wut loswerden zu können, indem er auf einen Sandsack einprügelte. Oder auf eine Person, die es verdient hatte.

Die Aberkennung des Preises war nur der Anfang, wie er wusste. Er hatte Jahre investiert, um sich einen Namen und einen Ruf aufzubauen. Devlin Saint.

Und nun stürzte alles in sich zusammen. Packard und Livingston waren nicht die Ursache seiner Wut – sie waren nur ein Symptom.

Devlin hatte jetzt ganz andere Sorgen. Sehr viel größere Sorgen sogar.

Statt sich also in sinnloser Argumentation zu ergehen, holte Devlin tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »Ich verstehe Ihre Haltung«, sagte er. »Und sicherlich werden Sie wiederum verstehen, dass Ms. Holmes und ich nicht zum Bankett bleiben werden. Es wäre uns eigentlich sogar recht, uns jetzt gleich zu verabschieden, und am besten durch den Hinterausgang, falls es hier einen gibt.«

»Natürlich«, sagte Mr. Packard, der noch immer peinlich berührt wirkte. »Bitte folgen Sie mir.«

Livingston blieb zurück, und Packard führte sie durch einen Korridor. Devlin textete dem Fahrer, wo er sie auflesen sollte.

»Hier«, sagte Packard und blieb vor einer massiven Metalltür stehen. »Ich kann mit Ihnen rausgehen und …«

»Das wird nicht nötig sein.« Devlin drückte die Stange nieder und stieß die Tür auf. Er bedeutete Ellie vorzugehen, nickte dem zerknirschten Packard zu und trat ebenfalls auf die Straße hinaus.

Der Wagen war nicht zu sehen.

Das war nicht allzu überraschend; vermutlich hatte der Fahrer ein paar Blocks weiter geparkt, um sich die Zeit mit Lesen oder Musikhören zu vertreiben.

Was allerdings überraschte, war die Anwesenheit des Mannes, der an einer rostigen Feuerleiter lehnte. Er war groß, schlank und dunkelhaarig, hatte ein Gesicht, mit dem man in Hollywood Karriere hätte machen können, und strahlte das Selbstvertrauen eines Machtmenschen aus. Devlin war dem Mann nie persönlich begegnete, erkannte ihn aber sofort: Damien Stark, ehemaliger Tennisprofi, jetzt milliardenschwerer Unternehmer.

»Mr. Stark«, sagte Devlin und zog die Brauen hoch. »Ich nehme nicht an, dass Sie hier draußen stehen, weil Sie Luft schnappen wollten.«

»Schön, wenn es so banal wäre. Nein, ich wollte Sie nur wissen lassen, dass die Entscheidung des Komitees, Ihnen den Preis wieder abzuerkennen, nicht einhellig ausgefallen ist.« Er zuckte die Achseln, als er sich von der Leiter abstieß, ihm seine Hand entgegenstreckte und seinem Blick begegnete. »Außerdem wollte ich mich Ihnen vorstellen – eigentlich nach Ihrer Rede, aber daraus wird wohl nichts.«

»Ich fürchte nicht.« Devlin ergriff die Hand des anderen. »Aber ich weiß zu schätzen, dass Sie hier auf mich gewartet haben. Danke.« Er wandte sich zu El um. »Elsa Holmes, Damien Stark.«

»Ich weiß natürlich, wer Sie sind«, sagte sie. »Und nennen Sie mich bitte Ellie.«

»Es ist mir ein Vergnügen, Ellie«, sagte Stark. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Devlin zu. »Freut mich, Sie endlich kennenzulernen, wenn die Umstände auch bedauerlich sind. Eigentlich hätten wir uns schon vor fünf Jahren begegnen sollen.«

Einen Moment lang war Devlin nicht klar, was er meinte. Dann begriff er. »Die Stiftung. Unsere Büros in Laguna Cortez.« Er wandte sich an Ellie, die ihn fragend ansah. »Der Architekt, der das Gebäude entworfen hat, Jackson Steele, ist Damiens Bruder.«

»Die Welt ist klein«, bemerkte sie.

»So ist es.« Stark blickte die Straße entlang, auf der sich der Wagen näherte. »Sieht aus, als würden Sie abgeholt werden. Ich will Sie nicht aufhalten. Ich wollte Ihnen nur meine Anteilnahme ausdrücken. Und Ihnen gratulieren.«

Devlin zog eine Braue hoch. »Gratulieren?«

»Sie brauchen keinen Preis, Saint. Die Arbeit Ihrer Stiftung spricht für sich.«

Devlin nickte und ließ die Worte auf sich wirken. »Ich danke Ihnen«, sagte er schließlich. »Das bedeutet mir viel.«

»Ich habe so meine Erfahrungen damit, unter der Beobachtung der Presse zu stehen. Und ich weiß, wie es ist, unter dem Ruf eines Vaters zu leiden, den man weder gemocht noch respektiert hat. Sie schaffen das. Es wird nicht leicht werden, aber Sie werden diesen ganzen Mist hinter sich lassen.«

»Das steht fest«, sagte Devlin. Denn natürlich hatte Stark recht. Devlin hatte keine Wahl, als all das hinter sich zu lassen.

Doch auch wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, den Schaden für die Stiftung in Grenzen zu halten, indem er der Öffentlichkeit bewies, dass man sich auch als Sohn des Wolfs wohltätigen Zielen widmen konnte, war das nicht das, was ihn wirklich umtrieb.

Nein, wessen sich weder Stark noch die Medien bewusst waren, war die Tatsache, dass die Aufdeckung seiner Herkunft Devlin zu einer Zielscheibe gemacht hatte, auf die sowohl die ehemaligen Verbündeten seines Vaters als auch dessen Feinde begierig anlegen würden.

Noch schlimmer aber war, dass ihr wahres Ziel sein würde, ihn zu bestrafen. Ihn dort zu treffen, wo es ihm am meisten wehtat.

Was wiederum bedeutete, dass dieselben Medien, für die Ellie arbeitete, gleichzeitig auch sie zur Zielscheibe gemacht hatten.

6. Kapitel

Es tut mir so furchtbar leid für Devlin, und nicht nur, weil dieses Arschloch Livingston das Komitee davon überzeugt hat, ihm den Preis zu verweigern. Nein, denn was Damien Stark gesagt hat, entspricht der Wahrheit – die Devlin Saint Foundation leistet hervorragende Arbeit. Das weiß die Welt verdammt gut, und daran ändert sich auch nichts – mit oder ohne Preis.

Innerlich vor Wut beben lässt mich allerdings, dass diese verfluchten Reporter ihn mit dem Wolf in einen Topf geworfen haben. Und Devlin hat nichts, aber auch gar nichts von dem eiskalten, miesen, verbrecherischen Dreckskerl, der ihn gezeugt hat.