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J. Kenner

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  • Herausgeber: Diana
  • Kategorie: Erotik
  • Serie: Stark
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Die junge Nikki Fairchild beginnt ihre Karriere in Los Angeles und muss ihren Chef auf eine Vernissage begleiten. Dort begegnet sie dem gut aussehenden und millionenschweren Unternehmer Damien Stark. Seine Anziehungskraft ist berauschend, doch instinktiv spürt Nikki, dass sie ihm widerstehen sollte. Denn Damien berührt etwas in ihr, das sie längst besiegt zu haben glaubte. Als er immer intensiver und fordernder seine Wünsche offenbart, gibt Nikki ihrem Verlangen nach. Noch ahnt sie nicht, dass auch Damien seine dunklen Geheimnisse hat …

Roman 1 der Stark-Serie

Noch nicht genug von Nikki und Damien? Entdecken Sie auch die Stark Novellas!

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Seitenzahl: 520

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howard

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Toller Start einer Reihe. Sehr zu empfehlen!
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Zum Buch

Für ihren ersten Job nach dem Studium ist die vierundzwanzigjährige Nikki Fairchild gerade von Texas nach Los Angeles gezogen. Auf einer Vernissage trifft sie ausgerechnet Damien Stark wieder. Vor Jahren ist sie dem attraktiven Jungunternehmer und Millionär schon einmal begegnet, und erneut entfacht er eine ungeahnte Leidenschaft in ihr. Doch sie spürt: Wenn sie ihm zu nahekommt, ist sie verloren. Damien dagegen ist entschlossen, Nikki zu erobern. Schon bald bietet er ihr einen Deal an, den sie nicht ausschlagen kann: eine Million Dollar für ein Aktporträt. Für Nikki, die von einem eigenen Softwareunternehmen träumt, eine Riesenchance. Doch Damien hat noch eine Bedingung. Solange Nikki ihm Modell steht, soll sie ganz ihm gehören …

»Sie mochten Shades of Grey und Crossfire? Dann werden Sie dieses Buch verschlingen!«

Sinfully Sexy Books

»Nikki und Damien kommen sich immer näher, doch dunkle Schatten der Vergangenheit bedrohen ihre Liebe – ein echter Pageturner!«

Heroes and Heartbreakers

»Einfach hinreißend!«

Romance Books Forum

Zur Autorin

J. Kenner wurde in Mountainview, Kalifornien, geboren und wuchs in Texas auf. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften war sie für verschiedene Anwaltskanzleien tätig, bis sie ihren ersten Roman veröffentlichte. Mit ihrer Serie um die Dämonenjägerin Kate Connor, die monatelang auf der USA-Today-Bestsellerliste stand, gelang ihr der Durchbruch. J. Kenner wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Dir verfallen, ihr erstes Buch im Diana Verlag, ist der Auftakt zu einer Trilogie, der zweite Teil Dir ergeben wird im Dezember 2013 erscheinen. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Georgetown, Texas.

J.KENNER

Dir

VERFALLEN

Roman

Aus dem Amerikanischen von Christiane Burkhardt

Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel

Release me bei Bantam Books, New York

Deutsche Erstausgabe 05/2013

Copyright © J. Kenner 2012

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013

by Diana Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion | Kristof Kurz

Umschlaggestaltung | t.mutzenbach design, München

Umschlagmotive | © shutterstock

Satz | Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-641-10203-6

www.diana-verlag.de

Für Shauna und Gina … ihr wisst schon, warum.

Mein besonderer Dank gilt Stefani, Kelly Jo und Kathleen fürs erste Gegenlesen, für ihre Kommentare und ihre Begeisterung.

Bedanken möchte ich mich auch bei Learjet, bei der Bundesluftfahrtbehörde der Vereinigten Staaten (FAA) und bei Stars in Your Eyes, die meine Fragen so sorgfältig beantwortet haben. Sollten sich doch noch Fehler eingeschlichen haben, gehen sie ausnahmslos auf meine Kappe.

1

Eine kühle Ozeanbrise streichelt meine nackten Schultern, und ich fröstle. Hätte ich doch nur auf den Rat meiner Mitbewohnerin gehört und eine Stola mitgenommen. Ich bin erst vor vier Tagen in Los Angeles angekommen und noch nicht daran gewöhnt, dass die hiesigen Sommertemperaturen vom Sonnenstand abhängen. In Dallas ist der Juni heiß, der Juli heißer und der August die Hölle.

Nicht so in Kalifornien, zumindest nicht am Strand. L. A.-Lektion Nummer eins: Immer einen Pulli dabeihaben, wenn man nach Einbruch der Dunkelheit noch draußen sein will.

Natürlich könnte ich den Balkon verlassen und wieder auf die Party zurückkehren. Mich unter die Millionäre mischen. Mit den Promis plaudern. Mir pflichtbewusst die Bilder anschauen. Schließlich ist das hier eine Vernissage, und mein Chef hat mich mitgenommen, damit ich Charme versprühe und Kontakte knüpfe – und nicht, damit ich mich an der Aussicht berausche: blutrote Wolken, die vor einem blassorangen Himmel explodieren. Blaugraue Wellen, die golden glitzern.

Ich umfasse das Balkongeländer und beuge mich vor, fühle mich von der gewaltigen, unerreichbaren Schönheit der untergehenden Sonne wie magisch angezogen. Zu schade, dass ich meine alte Nikon nicht dabeihabe, die ich seit Highschool-Zeiten besitze. Aber sie hätte nicht in mein perlenbesetztes Abendhandtäschchen gepasst, und eine Riesenkameratasche zu einem kleinen Schwarzen geht nun gar nicht.

Aber das ist mein erster Sonnenuntergang am Pazifik, und ich will diesen Moment unbedingt festhalten. Ich zücke mein iPhone und knipse ein Bild.

»Da werden die Gemälde da drin fast überflüssig, nicht wahr?« Ich erkenne die heisere Frauenstimme und drehe mich zu Evelyn Dodge um, einer ehemaligen Schauspielerin und Agentin, die sich jetzt als Kunstmäzenin betätigt und die Gastgeberin des heutigen Abends ist.

»Entschuldigen Sie, ich benehme mich wie eine Touristin, aber bei uns in Dallas gibt es keine solchen Sonnenuntergänge.«

»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagt sie. »Ich zahle jeden Monat eine stolze Summe für diese Aussicht, und da sollte sie verdammt noch mal echt spektakulär sein!«

Ich lache und fühle mich sofort wohler.

»Verstecken Sie sich?«

»Wie bitte?«

»Sie sind Carls neue Assistentin, nicht wahr?« Sie zeigt auf den Mann, der seit drei Tagen mein Chef ist.

»Nikki Fairchild.«

»Ah, jetzt weiß ich es wieder: Nikki aus Texas.« Sie mustert mich von Kopf und Fuß, und ich frage mich, ob sie enttäuscht ist, weil ich weder auftoupierte Haare habe noch Cowboystiefel trage. »Und, wen sollen Sie bezirzen?«

»Bezirzen?«, wiederhole ich, weil ich nicht genau weiß, was sie damit meint.

Sie zieht eine Braue hoch. »Schätzchen, der Mann läuft lieber über glühende Kohlen, als sich Kunst anzusehen. Er sucht nach Investoren, und Sie sind der Köder.« Sie stößt einen heiseren, kehligen Laut aus. »Keine Sorge. Ich werde Sie nicht weiter aushorchen. Und ich kann es Ihnen auch nicht verübeln, dass Sie sich hier verstecken. Carl ist brillant, aber er kann auch ein ziemliches Arschloch sein.«

»Ich habe eigentlich bei dem brillanten Carl unterschrieben«, sage ich, und sie stößt ein bellendes Gelächter aus.

Aber sie hat recht, ich bin tatsächlich ein Köder. »Ziehen Sie ein Cocktailkleid an«, hatte Carl gesagt. »Etwas Verführerisches.«

Tragen Sie Ihr blödes Cocktailkleid doch selbst!, hätte ich sagen sollen. Habe ich aber nicht. Weil ich diesen Job unbedingt will. Ich habe hart dafür gekämpft. Carls Firma, C-Squared-Technologies, hat in den letzten anderthalb Jahren erfolgreich drei webbasierte Produkte lanciert. Eine Leistung, die in der Branche nicht unbemerkt blieb, und alle sind schon gespannt, was er als Nächstes vorhat.

Für mich hieß das vor allem, dass ich viel von ihm lernen kann, und so hatte ich mich mit einer fast krankhaften Besessenheit auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet. Dass ich die Stelle dann bekommen habe, war ein Riesenerfolg für mich. Was ist also schon dabei, wenn er will, dass ich was Verführerisches anziehe? Diesen unbedeutenden Preis zahle ich doch gerne.

Mist.

»Ich muss wieder rein und den Köder spielen«, sage ich.

»Oje, jetzt habe ich Ihnen entweder ein schlechtes Gewissen gemacht oder Sie in Verlegenheit gebracht. Dabei war das gar nicht meine Absicht. Warten Sie lieber, bis die sich da drin einen angetrunken haben. Mit Alkohol fängt man mehr Fliegen – glauben Sie mir, damit kenne ich mich aus!«

Sie hat ein Päckchen Zigaretten in der Hand, klopft eine heraus und hält mir die Schachtel hin. Ich schüttle den Kopf. Ich liebe Tabakgeruch – er erinnert mich an meinen Großvater, aber den Rauch inhalieren? Das ist nichts für mich.

»Ich bin zu alt, um es mir abzugewöhnen, und außerdem ein viel zu großes Gewohnheitstier. Aber in meinem eigenen Haus rauchen? Da würden die mich glatt kreuzigen! Sie halten mir doch jetzt hoffentlich keinen Vortrag über das Passivrauchen, oder?«

»Nein«, verspreche ich.

»Wie wär’s dann mit Feuer?«

Ich halte das winzige Täschchen hoch. »Ein Lippenstift, eine Kreditkarte, mein Führerschein und mein Handy.«

»Kein Kondom?«

»Ich hatte ja keine Ahnung, dass das so eine Party ist«, erwidere ich trocken.

»Wusste ich doch gleich, dass Sie mir gefallen.« Evelyn sieht sich auf dem Balkon um. »Was für eine Party ist das eigentlich, wenn nicht eine einzige Kerze auf einem gottverdammten Tisch steht? Na ja, was soll’s.« Sie steckt sich die unangezündete Zigarette in den Mund, inhaliert selbstvergessen und mit geschlossenen Augen. Man muss sie einfach mögen. Anders als die meisten Frauen hier – mich eingeschlossen – ist sie kaum geschminkt, und ihr Kleid ist eher eine Art Kaftan. Das Batikmuster ist genauso interessant wie die Frau, die es trägt.

Meine Mutter würde sie als vulgär bezeichnen, denn sie ist laut, groß, rechthaberisch und selbstbewusst. Meine Mutter würde sie hassen. Aber ich finde sie fantastisch.

Sie lässt die unangezündete Zigarette auf die Bodenfliesen fallen und tritt mit ihrer Schuhspitze darauf. Dann gibt sie einer ganz in Schwarz gekleideten jungen Kellnerin mit einem Tablett voller Champagnergläser ein Zeichen.

Die Frau kämpft kurz mit der Balkonschiebetür, und ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie die Champagnerflöten auf den harten Fliesen zerschellen und ihre Scherben glitzern wie Diamanten.

Ich stelle mir vor, wie ich mich vorbeuge und nach einem zerborstenen Stiel greife, wie die spitze Kante in das weiche Fleisch meines Daumens schneidet, während ich zudrücke. Ich beobachte mich dabei, wie ich den Druck noch erhöhe und der Schmerz mir Kraft verleiht wie anderen Leuten eine Hasenpfote Glück.

Diese Fantasie verschwimmt mit meinen Erinnerungen und überfällt mich so plötzlich und mit einer Heftigkeit, dass ich ganz verstört bin. Zum einen, weil ich schon seit Langem keinen Schmerz mehr gebraucht habe, zum anderen, weil ich nicht weiß, warum ich ausgerechnet jetzt daran denke, wo ich mich doch ausgeglichen und der Situation gewachsen fühle.

Es geht mir gut, denke ich. Es geht mir gut, es geht mir gut, es geht mir gut.

»Nehmen Sie sich ein Glas, meine Liebe«, sagt Evelyn und reicht mir eine Champagnerflöte.

Ich zögere, suche in ihrem Gesicht nach einem Zeichen dafür, dass meine Maske verrutscht ist und sie einen Blick auf mein wahres Ich erhaschen konnte. Aber ihre Miene ist offen und freundlich.

»Nein, keine Widerrede«, fügt sie hinzu. Offensichtlich hat sie mein Zögern missverstanden. »Ich habe ein Dutzend Kisten gekauft und fände es schrecklich, den guten Tropfen umkommen zu lassen. Um Gottes willen, nein!«, sagt sie, als das Mädchen versucht, ihr ein Glas zu reichen. »Ich hasse das Zeug. Bringen Sie mir einen Wodka pur. Eisgekühlt und mit vier Oliven. Und jetzt beeilen Sie sich bitte, oder soll ich hier draußen verdursten?« Die junge Frau schüttelt den Kopf. Sie erinnert mich an ein nervöses, verängstigtes Häschen. Wahrscheinlich eines, das seine Pfote für das Glück eines anderen opfern musste.

Evelyn wendet sich erneut an mich. »Und, wie gefällt Ihnen L. A.? Was haben Sie schon gesehen? Wo sind Sie gewesen? Haben Sie schon einen Stadtplan gekauft, in dem die Häuser der Stars verzeichnet sind? Und jetzt erzählen Sie mir bitte nicht, dass Sie immun gegen den ganzen Touristenscheiß sind!«

»Ich habe bisher vor allem den Freeway und meine eigenen vier Wände gesehen.«

»Oh, das ist aber schade. Umso besser, dass Carl Ihren dürren Hintern heute Abend hierhergeschleift hat.«

Ich habe acht hochwillkommene Kilos zugelegt, seit meine Mutter nicht mehr wie früher jeden winzigen Bissen, den ich mir in den Mund stecke, überwacht. Mit Größe 36 bin ich sehr zufrieden, und meinen Hintern würde ich nicht gerade als dürr bezeichnen. Aber weil ich weiß, dass Evelyn das als Kompliment gemeint hat, lächle ich. »Ich freue mich auch darüber. Die Bilder sind wirklich fantastisch!«

»Ach, hören Sie doch mit dem Small Talk auf! Nein, nein«, sagt sie, noch bevor ich protestieren kann. »Ich weiß, das war ernst gemeint. Heilige Scheiße – die Bilder sind wirklich überwältigend. Aber Sie hatten gerade diesen leeren Blick einer wohlerzogenen jungen Dame, und das darf ich auf keinen Fall zulassen. Nicht jetzt, wo ich gerade dabei war, Ihr wahres Ich kennenzulernen.«

»Tut mir leid«, sage ich. »Aber ich verstelle mich nicht, das schwöre ich!«

Weil ich sie wirklich mag, sage ich ihr nicht, dass Sie sich täuscht – dass Sie die eigentliche Nikki Fairchild noch kein bisschen kennengelernt hat. Sondern nur ihre perfekte Fassade, die es wie ein Barbie-Accessoire mit dazu gibt. Wobei es sich in meinem Fall eben nicht um einen Bikini oder ein Cabrio handelt, sondern um die Elizabeth-Fairchild-Benimmregeln für geselliges Beisammensein.

Meine Mutter legt großen Wert auf Benimm, angeblich liegt das an ihrer Südstaatenerziehung. In meinen schwächeren Momenten pflichte ich ihr bei. Doch in der Regel halte ich sie für einen durchgeknallten Kontrollfreak. Seit sie mich als Dreijährige zum ersten Mal ins Rosewood Mansion in Turtle Creek – das beste Hotel von ganz Dallas – mitgenommen hat, wurde mir eingebläut, wie ich mich zu benehmen habe: Wie ich gehen, wie ich reden, wie ich mich anziehen soll. Was ich essen, wie viel ich trinken und welche Witze ich erzählen darf.

Jetzt beherrsche ich jeden Trick und jeden Kniff. Ich hülle mich in mein einstudiertes Schönheitsköniginnenlächeln wie in einen Schutzpanzer. Mit dem Ergebnis, dass ich auf keiner Party mehr ich selbst sein kann – selbst wenn mein Leben davon abhinge.

Aber all das muss Evelyn gar nicht wissen.

»Wo genau wohnen Sie?«, fragt sie.

»In Studio City. Ich teile mir die Wohnung mit meiner besten Freundin von der Highschool.«

»Dann müssen Sie auf Ihrem Arbeitsweg die 101 immer nur geradeaus fahren. Kein Wunder, dass Sie bisher nur Beton zu Gesicht bekommen haben! Hat Ihnen denn niemand gesagt, dass Sie sich eine Wohnung an der Westside nehmen müssen?«

»Für mich allein ist das zu teuer«, gestehe ich, was sie offenbar überrascht. Wenn ich die perfekte Fassade aufrechterhalte, wirkt es automatisch so, als käme ich aus einer reichen Familie. Vermutlich, weil dem auch so ist. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich selbst reich bin.

»Wie alt sind Sie?«

»Vierundzwanzig.«

Evelyn nickt weise, so als hätte ich ihr mit meinem Alter ein Geheimnis über mich verraten. »Sie werden schon bald allein wohnen wollen. Wenn es so weit ist, rufen Sie mich bitte an, dann suchen wir etwas mit einer schönen Aussicht für Sie. Es wird natürlich nicht ganz so spektakulär sein wie das hier, aber etwas Besseres als eine Bude am Freeway finden wir allemal.«

»So schlimm ist es auch wieder nicht, wirklich nicht!«

»Natürlich nicht«, sagt sie in einem Ton, der das genaue Gegenteil bedeutet. »Apropos schöne Aussicht«, fährt sie fort und zeigt auf den inzwischen dunklen Ozean und den sternenübersäten Nachthimmel. »Sie sind hier jederzeit willkommen, um die meine zu genießen.«

»Passen Sie auf, was Sie da sagen, sonst nehme ich Sie noch beim Wort! Ich würde gern mal mit meiner Kamera hierherkommen und ein, zwei Schnappschüsse machen.«

»Die Einladung gilt. Ich sorge für Wein und Sie für gute Unterhaltung. Eine junge Frau, die allein auf diese Stadt losgelassen wird: Ist das Stoff für ein Drama oder für eine romantische Komödie? Hoffentlich nicht für eine Tragödie! Ich vergieße ja auch gern mal ein paar Tränchen, aber ich mag Sie. Sie haben ein Happy End verdient!«

Ich verkrampfe mich. Evelyn weiß natürlich nicht, dass sie damit einen wunden Punkt getroffen hat. Deshalb bin ich tatsächlich nach L. A. gezogen: Um ein neues Leben anzufangen, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Mich neu zu erfinden.

Ich setze mein einstudiertes Lächeln auf und proste ihr mit meinem Champagnerglas zu. »Auf ein Happy End! Und auf diese fantastische Party. Ich glaube, ich habe mich jetzt lange genug hier draußen versteckt.«

»Quatsch!«, sagt sie. »Ich habe Sie hier festgehalten, und das wissen Sie ganz genau.«

Wir schlüpfen wieder ins Haus. Alkoholbeschwingte Gespräche ersetzen das leise Ozeanrauschen.

»In Wahrheit bin ich eine entsetzliche Gastgeberin. Ich tue, was ich will, rede, mit wem ich will, und wenn das meinen Gästen nicht passt, müssen sie eben woandershin gehen.«

Ich starre sie an. Ich kann den Entsetzensschrei meiner Mutter beinahe von Dallas bis hierher hören.

»Andererseits geht es auf dieser Party gar nicht um mich«, fährt sie fort. »Ich habe diese kleine Feier nur organisiert, um Blaine und seine Kunst bekannt zu machen. Er ist derjenige, der die Honneurs machen muss, nicht ich. Ich gehe zwar mit ihm ins Bett, muss ihn aber deswegen noch lange nicht bemuttern.«

Evelyn ist wirklich das Gegenteil einer klassischen Gastgeberin. Und dafür könnte ich ihr glatt um den Hals fallen.

»Ich habe Blaine noch gar nicht kennengelernt. Das ist er, nicht wahr?« Ich zeige auf einen langen Lulatsch mit Glatze und einem roten Ziegenbart. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht seine natürliche Haarfarbe ist. Diverse Leute umschwirren ihn wie Bienen, die Nektar aus einer Blüte saugen wollen. Sein Outfit ist jedenfalls entsprechend farbenfroh.

»Ja, das ist mein kleiner Publikumsmagnet«, sagt Evelyn. »Der Mann der Stunde. Er ist sehr talentiert, nicht wahr?« Sie macht eine weit ausholende Geste, die ihr gesamtes Wohnzimmer einschließt. Jede Wand ist mit Gemälden bedeckt. Bis auf ein paar Bänke wurden sämtliche Möbel weggeräumt und durch Staffeleien ersetzt, die mit weiteren Bildern bestückt sind.

Man könnte sie wohl als Porträts bezeichnen. Oder Aktbilder, aber nicht im klassischen Sinne. Sie sind äußerst gewagt. Ich kann sehen, dass sie gekonnt gemalt sind, und trotzdem verstören sie mich, so als sagten sie mehr über den Betrachter aus als über Maler und Modell.

Soweit ich das beurteilen kann, bin ich mit dieser Meinung die Einzige. Die Menge, die sich um Blaine schart, strahlt. Ich kann die Lobeshymnen bis zu mir herüber hören.

»Da habe ich mir wohl einen echten Siegertypen ausgesucht«, sagt Evelyn. »Hm, mal sehen – wen möchten Sie kennenlernen? Rip Carrington und Lyle Tarpin? Die beiden sorgen immer für Aufregung, und Ihre Mitbewohnerin wird bestimmt grün vor Neid, wenn sie hört, dass Sie mit ihnen gesprochen haben.«

»Tatsächlich?«

Evelyn zieht die Brauen hoch. »Rip und Lyle? Die kabbeln sich schon seit Wochen.« Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Die neue Staffel ihrer Sitcom war ein Fiasko, haben Sie das denn nicht mitbekommen? Das steht doch überall im Internet. Sie kennen die beiden wirklich nicht?«

»Tut mir leid«, sage ich aus dem Bedürfnis heraus, mich zu entschuldigen. »Mein Studium war ziemlich zeitintensiv. Und Sie können sich sicherlich vorstellen, wie es ist, für Carl zu arbeiten.«

Wenn man vom Teufel spricht …

Ich sehe mich um, kann meinen Chef aber nirgendwo entdecken.

»Das ist eine schwere Bildungslücke«, sagt Evelyn. »Kultur – und dazu gehört auch die Popkultur, meine Liebe – ist genauso wichtig wie … was, sagten Sie, haben Sie gleich wieder studiert?«

»Ich glaube, das habe ich noch gar nicht erwähnt. Aber ich habe einen Abschluss in Elektrotechnik und einen in Informatik.«

»Sie sind also schlau und schön. Sehen Sie? Das haben wir schon mal gemeinsam. Aber bei so einer Ausbildung verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz, warum Sie als Sekretärin für Carl arbeiten.«

Ich lache. »Das tue ich auch gar nicht, wirklich! Carl hat nach jemandem mit Informatik-Erfahrung gesucht, der sich gemeinsam mit ihm um die geschäftliche Seite der Firma kümmert. Und ich habe nach einer Stelle Ausschau gehalten, in der ich etwas über die wirtschaftlichen Aspekte lernen und praktische Erfahrungen sammeln kann. Ich glaube, er hat kurz gezögert, bevor er mich eingestellt hat, denn meine Kenntnisse liegen eindeutig mehr auf technischem Gebiet. Aber ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich eine schnelle Auffassungsgabe habe.«

Sie sieht mich an. »Das klingt ganz so, als wollten Sie Karriere machen.«

Ich zucke die Achseln. »Wir sind hier in Los Angeles. Geht es in dieser Stadt nicht genau darum?«

»Ha! Carl kann von Glück sagen, dass er Sie hat. Mal sehen, wie lange er Sie behält. Trotzdem … welche Gäste hier könnten Sie interessieren?«

Sie sieht sich im Raum um und zeigt schließlich auf einen Mann über fünfzig, der in einer Ecke Hof hält. »Das ist Charles Maynard«, sagt sie. »Ich kenne Charlie schon seit Jahren. Er kann einen ziemlich einschüchtern, bis man ihn näher kennenlernt. Und das lohnt sich. Seine Kunden sind entweder Promis oder Broker mit mehr Geld als Gott. Wie dem auch sei, er hat die besten Geschichten auf Lager.«

»Ist er Anwalt?«

»Ja, bei Bender, Twain & McGuire. Eine sehr angesehene Kanzlei.«

»Ich weiß«, sage ich erfreut. Endlich kann ich zeigen, dass ich nicht vollkommen ahnungslos bin, obwohl ich weder Rip noch Lyle kenne. »Ein guter Freund arbeitet für sie. Er hat hier angefangen, ist aber jetzt in der Niederlassung in New York.«

»Nun, Texas, kommen Sie, ich stelle Sie vor.« Wir machen einen Schritt in seine Richtung, als Evelyn mich plötzlich zurückhält. Maynard hat sein Handy herausgezogen und brüllt Anweisungen hinein. Ich bekomme ein paar deftige Flüche mit und schaue Evelyn verstohlen an. Sie bleibt unbeeindruckt. »Er hat einen weichen Kern. Glauben Sie mir, ich habe schon öfter mit ihm gearbeitet. Damals, als ich noch Agentin war, haben wir unzählige Biopic-Deals für unsere Kunden an Land gezogen. Und darum gekämpft, so einige verräterische Details geheim zu halten.« Sie schüttelt bei der Erinnerung an diese glorreichen Zeiten den Kopf und tätschelt dann meinen Arm. »Trotzdem, warten wir lieber, bis er sich ein wenig beruhigt hat. Und in der Zwischenzeit …«

Sie verstummt, und ihre Mundwinkel zeigen immer weiter nach unten, als sie sich erneut im Raum umsieht. »Ich glaube nicht, dass er schon da ist, aber – o ja! Das ist jemand, den Sie kennenlernen sollten. Und apropos schöne Aussichten: Im Vergleich zu dem Haus, das er gerade bauen lässt, nimmt sich meine Aussicht aus wie … na ja, die Ihre.« Sie zeigt in den Flur, aber ich kann nur wackelnde Köpfe und Haute Couture erkennen. »Er nimmt nur selten Einladungen an, aber wir kennen uns schon eine Ewigkeit«, sagt sie.

Ich weiß immer noch nicht, von wem sie spricht, aber dann teilt sich die Menge, und ich sehe den Mann im Profil. Ich bekomme Gänsehaut, ohne zu frieren – im Gegenteil, mir ist auf einmal wahnsinnig warm.

Er ist groß und so gut aussehend, dass diese Beschreibung fast eine Beleidigung ist. Aber er ist so viel mehr als nur attraktiv: er hat Präsenz. Er beherrscht den Raum, indem er sich einfach nur darin aufhält, und mir fällt auf, dass Evelyn und ich nicht die Einzigen sind, die ihn anstarren. Sämtliche Gäste haben sein Eintreffen bemerkt. Er muss die Blicke spüren, die auf ihn gerichtet sind, doch die allgemeine Aufmerksamkeit schüchtert ihn nicht im Geringsten ein. Er lächelt die junge Serviererin mit dem Champagnertablett an, nimmt sich ein Glas und beginnt mit einer Frau zu plaudern, die dümmlich lächelnd auf ihn zukommt.

»Dumme Nuss!«, beschwert sich Evelyn. »Mir hat sie immer noch keinen Wodka gebracht.«

Aber ich bekomme kaum mit, was sie redet. »Damien Stark«, sage ich. Erstaunlicherweise bringe ich kaum mehr als ein Flüstern zustande.

Evelyn zieht die Brauen so weit hoch, dass ich es selbst aus den Augenwinkeln bemerke. »Nun, wie wär’s mit ihm?«, sagt sie wissend. »Da scheine ich wohl einen Treffer gelandet zu haben.«

»O ja«, gebe ich zu. »Mr. Stark ist genau der Mann, den ich kennenlernen möchte.«

2

»Damien Stark ist der Heilige Gral«. Das hat Carl vor der Party zu mir gesagt. Dicht gefolgt von »Hey, Nikki, Sie sehen aber verdammt heiß aus.«

Vermutlich dachte er, ich werde rot, lächle und bedanke mich für das Kompliment. Aber nachdem ich das nicht tat, räusperte er sich und kam wieder auf den Punkt. »Sie wissen, wer Stark ist, oder?«

»Sie kennen doch meinen Lebenslauf«, rief ich ihm wieder in Erinnerung. »Das Stipendium.« Während vier von fünf Jahren, die ich an der University of Texas studiert habe, erhielt ich ein Stipendium von Stark International Science – Geld, das mir damals unendlich viel bedeutet hat. Aber selbst ohne dieses Stipendium müsste ich schon hinter dem Mond leben, um den Mann nicht zu kennen. Mit gerade mal dreißig hat sich der zurückgezogen lebende frühere Tennisstar mithilfe seiner Preisgelder und Werbemillionen komplett neu erfunden. Inzwischen ist er als Unternehmer bekannter als als Sportler: Mit seinem riesigen Firmenimperium verdient er jedes Jahr Milliarden.

»Ach, stimmt ja«, sagte Carl zerstreut. »Team April hat am Dienstag eine Präsentation bei Stark Applied Technology.« Bei C-Squared ist jedes Entwicklerteam nach einem Monat benannt. Bei nur dreiundzwanzig Angestellten muss es die Firma jedoch erst noch schaffen, bis zum Herbst oder gar Winter vorzudringen.

»Das ist ja fantastisch!«, sagte ich aufrichtig begeistert. Jeder Erfinder, Softwareentwickler und ehrgeizige Firmengründer würde alles darum geben, einen Termin bei Damien Stark zu bekommen. Dass Carl das gelungen war, bewies nur, dass sich meine Anstrengungen, diesen Job zu bekommen, wirklich gelohnt hatten.

»Und ob!«, sagte Carl. »Wir werden die Beta-Version der 3-D-Trainingssoftware vorführen. Brian und Dave sind auch dabei«, fügte er noch hinzu und meinte damit die beiden Softwareentwickler, die das Projekt hauptsächlich programmiert haben. Angesichts seiner Anwendungsmöglichkeiten im Sportsegment und der Tatsache, dass der inhaltliche Schwerpunkt von Stark Applied Technology auf Sportmedizin und Training liegt, ging ich fest davon aus, dass Carl einen weiteren Sieg landen würde. »Ich will, dass Sie uns zu dem Termin begleiten«, fügte er noch hinzu, und ich konnte es mir gerade noch verkneifen, begeistert die Faust in die Luft zu recken. »Allerdings werden wir uns nur mit Preston Rhodes treffen. Wissen Sie, wer das ist?«

»Nein.«

»Das weiß niemand. Weil Rhodes ein Niemand ist.«

Carl hatte also doch kein Meeting mit Stark, und ich ahnte so langsam, worauf unser Gespräch hinauslief.

»Und jetzt die Millionenfrage, Nikki: Wie kommt ein aufstrebendes Genie wie ich zu einem persönlichen Termin mit einem so hohen Tier wie Damien Stark?«

»Networking«, sagte ich. Schließlich habe ich mein Studium nicht umsonst mit Auszeichnung absolviert.

»Und genau dafür habe ich Sie eingestellt.« Er hob den Zeigefinger, als hätte er einen Geistesblitz, und ließ den Blick über mein Kleid schweifen, bis er an meinem Ausschnitt kleben blieb. Zumindest konnte er sich gerade noch verkneifen, seiner Hoffnung lautstark Ausdruck zu verleihen, meine Titten – und weniger sein Produkt – könnten Stark dazu bringen, persönlich an dem Treffen teilzunehmen. Aber ehrlich gesagt war ich mir gar nicht so sicher, ob die beiden dem Auftrag überhaupt gewachsen waren. Ich sehe zwar nicht schlecht aus, bin aber eher der Typ Mädchen von nebenan. Und zufällig weiß ich, dass Stark auf Supermodels steht.

Das erfuhr ich vor sechs Jahren, als er noch Tennis spielte und ich Schönheitsköniginnen-Diademen nachjagte. Er hatte beim Schönheitswettbewerb zur Miss Tri-County Texas zu den Promi-Juroren gehört, und obwohl wir bei dem Empfang nur wenige Worte wechselten, hat sich mir die Erinnerung an diese Begegnung unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt.

Ich stand gerade am Buffet und überlegte, ob meine Mutter es wohl an meinem Atem riechen konnte, wenn ich mir eines der winzigen Käsekuchenstückchen nahm. Und da kam er auf mich zu – mit einem so ungetrübten Selbstbewusstsein, dass man es leicht mit Arroganz verwechseln konnte. An Damien Stark wirkte es allerdings einfach nur sexy. Er sah zuerst mich an und dann die Käsekuchenstücke. Anschließend nahm er zwei davon und steckte sie sich auf einmal in den Mund. Er kaute, schluckte und grinste mich an. Seine ungewöhnlichen Augen – eines bernsteinfarben, das andere fast schwarz – funkelten verschmitzt.

Ich suchte verzweifelt nach einer intelligenten Bemerkung und scheiterte kläglich. Also stand ich bloß da, ein höfliches Lächeln im Gesicht, und fragte mich, ob sein Kuss genauso gut schmecken würde wie der Kuchen – mit dem Vorteil, auch noch kalorienfrei zu sein.

Schließlich beugte er sich vor, und ich hielt die Luft an, während er immer näher kam. »Ich glaube, wir sind so was wie Seelenverwandte, Miss Fairchild.«

»Wie bitte?« Redete er über den Käsekuchen? Gütiger Gott, ich hatte ihn doch hoffentlich nicht neidisch angesehen, als er die beiden Stücke auf einmal gegessen hatte? Eine grauenhafte Vorstellung.

»Wir wollen beide nicht hier sein«, erklärte er und wies dann verstohlen mit dem Kinn auf den nächstgelegenen Notausgang. Plötzlich stellte ich mir vor, wie er meine Hand packt und mit mir davonrennt. Ich sah es so deutlich vor mir, dass ich erschrak. Aber die Gewissheit, dass ich mit ihm gehen würde, erschreckte mich kein bisschen.

»Ich – oh«, murmelte ich.

Lachfältchen bildeten sich um seine Augen, als er grinste und noch etwas sagen wollte. Was das war, sollte ich allerdings nie erfahren, da Carmela D’Amato zu uns stieß und sich bei ihm einhakte. »Damien, Liebling.« Ihr italienischer Akzent war genauso auffällig wie ihr dunkles, gewelltes Haar. »Komm, wir sollten gehen, si?« Ich war noch nie eine große Leserin von Klatschzeitschriften, aber es fällt schwer, Klatsch zu meiden, wenn man an Schönheitswettbewerben teilnimmt. Deshalb kannte ich die Schlagzeilen und Artikel, die über eine Beziehung des atemberaubenden Tennisstars mit dem italienischen Supermodel spekulierten.

»Miss Fairchild«, sagte er und nickte zum Abschied. Dann drehte er sich um und führte Carmela durch die Menschenmenge nach draußen. Ich sah ihnen nach und tröstete mich damit, dass ich beim Abschied so etwas wie Bedauern in seinem Blick gesehen hatte. Bedauern und Resignation.

Aber dem war natürlich nicht so – warum auch? Zumindest half mir dieser kleine Tagtraum, den Rest des Schönheitswettbewerbs durchzustehen.

Eine Begegnung, die ich Carl gegenüber mit keinem Wort erwähnte. Manche Dinge behält man eben lieber für sich, und dazu gehörte auch, dass ich mich freue, Damien Stark wiederzusehen.

»Kommen Sie, Texas«, sagt Evelyn und reißt mich aus meinen Gedanken. »Sagen wir Hallo.«

Ich spüre, wie mir jemand auf die Schulter klopft, wirbele herum und sehe Carl vor mir. Er grinst, als hätte er soeben einen geblasen bekommen. Ich weiß es besser: Er kann es kaum erwarten, Damien Stark vorgestellt zu werden.

Nun, mir geht es genauso.

Die Lücke hat sich wieder geschlossen, und Stark ist außer Sichtweite. Ich habe noch nicht mal sein Gesicht gesehen, nur sein Profil, und jetzt nicht mal mehr das. Evelyn geht voran und schiebt sich durch die Menge, wobei sie ein paarmal stehen bleibt und mit Gästen plaudert. Wir setzen unseren Weg fort, als ein breitschultriger Riese im karierten Anzug nach links tritt und den Blick auf Damien Stark freigibt.

Er sieht sogar noch besser aus als damals vor sechs Jahren. Die Unverfrorenheit der Jugend ist reifem Selbstvertrauen gewichen. Er ist Jason, Herkules und Perseus in einer Person – er hat einen so durchtrainierten, perfekten Heldenkörper, dass Götterblut in seinen Adern fließen muss. Seine markanten Züge wirken wie von Licht und Schatten gemeißelt. Das verleiht ihm eine klassische Schönheit, macht ihn aber auch unverwechselbar. Sein rabenschwarzes Haar schluckt sämtliches Licht, wirkt dabei aber so zerzaust, als hätte er den ganzen Tag an einem windigen Strand verbracht. Die Frisur bildet einen deutlichen Kontrast zu seinem schwarzen Maßanzug und dem weißen gestärkten Hemd, das ihm eine lässige Eleganz verleiht. Man kann sich gut vorstellen, dass dieser Mann auf dem Tennisplatz ebenso zu Hause ist wie im Konferenzraum.

Seine berühmten Augen ziehen mich in ihren Bann. Sein Blick ist intensiv, gefährlich und voller Versprechungen und folgt mir, als ich auf ihn zugehe.

Ich habe ein seltsames Déjà-vu-Erlebnis, als ich auf ihn zuschreite und mir meines Körpers, meiner Haltung und der Art, wie ich die Füße voreinandersetze, nur allzu bewusst bin. Idiotischerweise fühle ich mich, als würde ich erneut an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen.

Ich schaue geradeaus und meide sein Gesicht. Mir gefällt die Nervosität nicht, die von mir Besitz ergriffen hat – das Gefühl, er könnte durch meinen Schutzpanzer hindurchsehen, den ich zusammen mit meinem kleinen Schwarzen angelegt habe.

Ein Schritt, dann noch einer.

Ich kann einfach nicht anders, ich muss ihn direkt ansehen. Unsere Blicke treffen sich, und sämtlicher Sauerstoff scheint aus dem Raum zu weichen. Mein Tagtraum von einst ist Wirklichkeit geworden, ich bin hin und weg. Das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben, legt sich, und es gibt nur noch diesen elektrisierenden, sinnlichen Moment.

Ich habe das Gefühl zu schweben, aber nein, ich habe nach wie vor festen Boden unter den Füßen, und Damien sieht mir in die Augen. Ich entdecke Leidenschaft und Entschlossenheit darin und dann nichts als ungebremstes, instinktives Begehren. Es ist so intensiv, dass ich Angst habe, unter seinem Blick zusammenzubrechen.

Carl nimmt meinen Ellenbogen und stützt mich. Erst jetzt merke ich, dass ich fast gestolpert wäre. »Alles in Ordnung?«

»Neue Schuhe. Danke.« Ich sehe erneut zu Stark hinüber, aber das Feuer in seinem Blick ist erloschen, sein Mund nur noch ein dünner Strich. Egal, was das war – und was zum Teufel war das? –, der Moment ist unwiederbringlich dahin.

Als wir Stark erreichen, habe ich mir fast erfolgreich eingeredet, dass es bloß Einbildung war.

Ich bekomme kaum mit, wie Evelyn Carl vorstellt. Dann komme ich an die Reihe, und Carl legt seine Hand schwer auf meine Schulter, schubst mich ein Stück nach vorn. Seine Hand ist feucht und klebt auf meiner nackten Haut. Ich muss mich dazu zwingen, sie nicht abzuschütteln.

»Nikki ist Carls neue Assistentin«, sagt Evelyn.

Ich gebe ihm die Hand. »Nikki Fairchild, es ist mir ein Vergnügen.« Ich erwähne nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind. Das ist nicht der richtige Moment, um ihn daran zu erinnern, dass ich einmal im Badeanzug vor ihm auf und ab gelaufen bin.

»Miss Fairchild«, sagt er und ignoriert meine Hand. Mein Magen verknotet sich, aber ich weiß nicht, ob es an meiner Nervosität, meiner Enttäuschung oder an meiner Wut liegt. Er sieht zwischen Carl und Evelyn hin und her, meidet bewusst meinen Blick. »Sie müssen mich leider entschuldigen. Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen.« Und schon ist er weg. Er verschwindet so schnell in der Menge wie ein Zauberer in einer Rauchwolke.

»Was zum Teufel … ?«, sagt Carl, was auch meine Gefühle in etwa zusammenfasst.

Evelyn ist ungewöhnlich schweigsam. Mit offenem Mund starrt sie mich an.

Aber ich muss nicht lange raten, was sie denkt. Es ist offensichtlich, dass sie sich dasselbe fragt wie ich: Was war denn das gerade?

Aber vor allem: Was zum Teufel habe ich falsch gemacht?

3

Meine Demütigung scheint eine Ewigkeit über uns dreien zu hängen. Dann nimmt Carl mich am Arm und führt mich von Evelyn weg.

»Nikki?« Sie sieht besorgt aus.

»Das – das ist schon in Ordnung«, sage ich. Ich fühle mich völlig benommen und äußerst verwirrt. Darauf habe ich mich so lange gefreut?

»Mal ganz im Ernst, Nikki«, sagt Carl, nachdem er etwas Abstand zwischen uns und die Gastgeberin gebracht hat. »Was zum Teufel war das denn?«

»Keine Ahnung.«

»Quatsch!«, fährt er mich an. »Sind Sie ihm schon mal irgendwo begegnet? Haben Sie ihn verärgert? Haben Sie sich vorher bei ihm beworben? Was zum Teufel haben Sie getan, Nicole?«

Ich zucke zusammen, als ich meinen Taufnamen höre. »Es liegt nicht an mir«, sage ich und wünsche mir, es wäre auch so. »Er ist berühmt. Er ist exzentrisch. Er war unverschämt, aber das hatte nichts mit mir zu tun. Wie auch?« Ich merke, dass ich laut werde, und zwinge mich, meine Stimme zu dämpfen. Zu atmen.

Ich balle die linke Hand zur Faust, so fest, dass sich meine Fingernägel in den Handballen bohren. Ich konzentriere mich auf den Schmerz, auf meine Atmung. Ich muss cool bleiben, gelassen bleiben. Ich darf nicht zulassen, dass meine Fassade zusammenbricht.

Carl fährt sich neben mir durchs Haar und zieht scharf die Luft ein »Ich brauche einen Drink. Kommen Sie!«

»Mir geht’s gut, danke.« Das Gegenteil ist der Fall, aber im Moment möchte ich bloß alleine sein – insofern das in einem Raum voller Menschen überhaupt möglich ist.

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