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Sie sind stark, sie sind gefährlich – und unfassbar gutaussehend!
Pierce Blackwell und die Brüder Cayden und Connor Lyon haben eine Sicherheitsfirma gegründet: Zusammen bauen sie Blackwell-Lyon Security auf und sind fest entschlossen, jede freie Sekunde in die Arbeit zu stecken. Beziehungen sind da im Moment kein Thema, denn sie erfordern Zeit, wie die drei in der Vergangenheit immer wieder gemerkt haben. Ihr Einsatz zahlt sich aus, die Firma wird immer erfolgreicher. Doch so ganz können die drei dann doch nicht auf Frauen verzichten: Sexy Flirts, tiefe Blicke und heiße Nächte bleiben nicht aus. Und während die Flammen der Leidenschaft immer höher lodern, entwickeln sich Gefühle, mit denen keiner der drei Männer gerechnet hätte …
Drei verführerische Lovestorys! Auch einzeln als eBook erhältlich (Lovely Little Liar (1), Pretty Little Player (2), Sexy Little Sinner (3))
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Seitenzahl: 478
Veröffentlichungsjahr: 2021
Zum Buch
Sie sind stark, sie sind gefährlich – und unfassbar gutaussehend!
Die Lyon-Brüder gründen mit ihrem Partner Pierce die Sicherheitsfirma Blackwell-Lyon-Security und stecken jede freie Sekunde in die Arbeit. Beziehungen sind da kein Thema, denn sie erfordern Zeit. Doch je erfolgreicher die Firma wird, desto weniger halten die Männer ihren Vorsatz durch, zugunsten des Jobs auf Frauen zu verzichten. Sexy Flirts, tiefe Blicke und heiße Nächte bleiben nicht aus. Und während die Flammen der Leidenschaft immer höher lodern, entwickeln sich Gefühle, mit denen keiner der drei Männer gerechnet hätte …
Drei verführerische Lovestorys
Zur Autorin
Die New-York-Times- und SPIEGEL-Bestsellerautorin J. Kenner arbeitete als Anwältin, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, widmete. Ihre Bücher haben sich weltweit mehr als drei Millionen Mal verkauft und erscheinen in über zwanzig Sprachen. J. Kenner lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Texas, USA.
J. Kenner
Lovely. Pretty. Sexy – Blackwell Lyon Sammelband
Drei heiße Kurzromane
Aus dem Amerikanischen von Marie Rahn
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Vollständige Taschenbucherstausgabe 07/2021
Copyright © 2018 by Julie Kenner
Die Originalausgaben erschienen 2018 unter den Titeln Lovely Little Liar (The Blackwell-Lyon Series, Book 1),Pretty Little Player (The Blackwell-Lyon Series, Book 2), Sexy Little Sinner (The Blackwell-Lyon Series, Book 3) bei Martini & Olive.
Copyright des deutschsprachigen E-Books © 2020 und dieser Ausgabe © 2021 by Diana Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Janine Malz und Antje Steinhäuser
Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design, München
Umschlagmotiv: © Shutterstock.com (Bokeh Blur Background; Shumo4ka)
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-26744-5V001
Alle Rechte vorbehalten
www.diana-verlag.de
Lovely Little Liar
Sinnliche Lügen
(Blackwell Lyon 1)
Sie ist nicht die Frau, für die ich sie hielt … aber sie ist die Frau, die ich will, verdammt noch mal.
Ich hätte mich nie für zynisch gehalten, aber es verändert einen Mann schon, am Altar stehen gelassen zu werden.
Jetzt geht es mir nur noch um den Job. Darum, mein Unternehmen aufzubauen und mein Leben weiterzuleben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe die Frauen immer noch. Wie sie aussehen. Wie sie riechen. Wie sie sich anfühlen – vor allem das. Und ich habe es mir zur Mission gemacht, jeder Frau, die das Bett mit mir teilt, die beste Nummer ihres Lebens zu schenken. Aber zulassen, dass Nähe entsteht? Dass es ernst wird? Dass ich jemals wieder einer Frau vertraue? Nein, das wird nicht passieren.
Dachte ich zumindest.
Dann traf ich sie. Ist schon komisch, wie sich die Dinge innerhalb einer Sekunde verändern können. Wie zum Beispiel eine Verwechslung alles infrage stellt. Aber da war sie, vollkommen geschäftsmäßig und nicht im Geringsten an mir interessiert. Und Teufel auch: Ich wollte sie. Verzehrte mich nach ihr.
Vor allem aber wollte ich ihr helfen. Sie und ihre Schwester beschützen. Doch je besser ich sie kennenlerne, desto mehr will ich sie. Das ganze Paket. Alles von ihr.
Und wundersamerweise will sie mich auch.
Das Problem ist nur, dass wir beide gebrannte Kinder sind. Eines weiß ich genau: In dem Feuer, das zwischen uns knistert, können wir nur überleben, wenn wir beide den Mut aufbringen, gemeinsam in die Flammen zu springen.
1 Von Beziehungen halte ich nichts. Wovon ich allerdings etwas halte, ist Sex.
Ihr werdet fragen, warum. Tja Leute, darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben: Männerhandbuch zum finanziellen, emotionalen und geschäftlichen Erfolg. Aber ehrlich gesagt: Wieso seine Zeit mit einem Buch verschwenden, wenn sich das Ganze auf vier schlichte Wörter eindampfen lässt: Keine. Beziehung. Nur. Sex.
Lasst mich das erklären.
Beziehungen erfordern Zeit, und wenn man gerade dabei ist, ein Geschäft aufzubauen, muss man jede freie Sekunde in die Arbeit stecken. Das könnt ihr mir glauben. Seit meine Kumpel und ich vor ein paar Monaten Blackwell-Lyon Security gegründet haben, reißen wir uns 24/7 den Arsch auf: Aufgabenverteilung, Meetings, Aufbau eines soliden Kundenstamms. Und unser Einsatz zahlt sich aus. Ich schwöre, unser Terminplan wäre nicht halb so voll, wenn ich während der Premiumarbeitszeit immer wieder Textnachrichten von einer unsicheren Freundin beantworten müsste, die nervös wird, wenn ich mich nicht alle zehn Minuten melde. Also verzichte ich auf eine Beziehung und kann dem Unternehmen beim Wachsen zusehen.
Außerdem erwarten One-Night-Stands keine Blumen oder Geschenke. Vielleicht mal eine Einladung zum Essen oder Trinken, aber man muss ja sowieso essen, oder etwa nicht? Mag sein, dass nichts über ein kostenloses Essen geht, aber Sex for free kommt ziemlich nah dran.
Der entscheidende Punkt jedoch ist für mich die emotionale Freiheit. Man muss nicht auf Zehenspitzen herumschleichen, weil sie mal wieder schlechte Laune hat. Keine Schuldgefühle, wenn sie wissen will, wieso die Pokernacht interessanter war, als mit ihr eine kitschige Serie zu gucken, in der ein gebräunter Metrosexueller mit Männerdutt der Star ist. Keine Angst, sie könnte gleich mit einem anderen vögeln, wenn man mal nicht auf ihre SMS antwortet.
Und auf gar keinen Fall der Sturz in ein tiefes, dunkles Loch, wenn die Verlobung zwei Wochen vor der Hochzeit gelöst wird, weil sie nicht sicher ist, ob sie einen überhaupt noch liebt.
Nein, ich bin nicht verbittert. Nicht mehr.
Ich bin nur pragmatisch.
Zugegeben: Ich mag Frauen. Wie sie lachen. Wie sie empfinden. Wie sie riechen.
Es gibt mir einen Kick, ihnen gute Gefühle zu machen. Dafür zu sorgen, dass sie in meinen Armen dahinschmelzen und um mehr betteln.
Ja, ich mag sie. Aber ich traue ihnen nicht. Und nie wieder lass ich zu, dass ich am Schluss der Gefickte bin.
Jedenfalls nicht so.
So sieht’s aus. Q. E. D.
Beziehungen sind nicht mein Ding. Nur One-Night-Stands. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, jeder Frau, die mit mir ins Bett geht, den Fick ihres Lebens zu besorgen.
Aber nur als einmalige Sache. Ein zweites Mal gibt es nicht.
So läuft das eben bei mir. Von Beziehungen habe ich mich schon vor langer Zeit verabschiedet.
Als ich jetzt also vor dem Thyme vorfahre, einem trendigen neuen Restaurant in Austins Reichenviertel Tarrytown, und dem Angestellten meinen Wagenschlüssel überlasse, erwarte ich nur das Übliche. Einen kleinen, lockereren Flirt. Ein paar Appetithäppchen. Ein netter kleiner Rausch von ein paar Drinks zu viel. Und dann eine kurze Spritztour zurück in mein Apartment, um die Mitte der Woche würdig zu feiern.
Doch stattdessen erwartet mich sie.
2 »Nun, dann müssen Sie ihn wohl ausrufen lassen.« Die Stimme der langbeinigen Brünetten gehört zu einer Frau, die kein Problem damit hat, Befehle zu geben. »Er muss mittlerweile schon hier sein.«
Langbein steht vor mir am Empfang, aber mit dem Rücken zu mir, daher sehe ich nur eine dichte Mähne kastanienbrauner Locken, eine schmale Taille, die man mit zwei Händen umfassen könnte, und einen Arsch, der den Rock mehr als gut ausfüllt. Ihr gegenüber klammert sich eine zierliche Blondine an einen Stapel Speisekarten und kaut nervös an ihrer Unterlippe.
»Und?« Man hört deutlich, dass Langbein das nicht als Frage meint.
Als die Empfangsdame Langbein erklärt, dass man in diesem Restaurant niemanden auszurufen pflegt, blicke ich ungeduldig auf meine Uhr. Der Verkehr auf der Sixth Street war noch ein bisschen übler als sonst, daher bin ich fünf Minuten zu spät. Eine ärgerliche Tatsache, da ich normalerweise immer pünktlich bin. Eine Angewohnheit aus meiner Militärzeit. Ich fröne vielen Lastern, aber Unpünktlichkeit gehört nicht dazu.
Langbein aber sorgt dafür, dass ich noch später komme, daher blicke ich stirnrunzelnd nach links zur Bar und halte Ausschau nach einer Frau ohne Begleitung, die ›J‹ von der Dating-App sein könnte. Aber da sitzt keine allein, die so aussieht, als wartete sie auf ›PB‹.
Diese spezielle App benutze ich zum ersten Mal, und ihre Besonderheit – denn alle haben eine Besonderheit – besteht darin, dass der Kontakt anonym bleibt, bis man sich persönlich trifft. Das ist ja alles gut und schön, macht die Sache aber auch schwieriger. Denn ehrlich: Hätte sie am Empfang wirklich nur ›J‹ als ihren Namen angegeben? Ich jedenfalls komme mir wie ein Idiot vor, wenn ich mich gleich als PB vorstellen muss.
Andererseits werde ich mich glücklich schätzen können, wenn ich mich überhaupt noch vorstellen kann, denn Langbein verschwendet so viel Zeit damit, die Empfangsdame zu schikanieren, dass das Restaurant schließen wird, bevor ich nach ›J‹ fragen oder um einen Tisch bitten kann.
»Aber ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich seinen Namen nicht weiß«, sagt Langbein gerade, als ich aus meinen Überlegungen auftauche. Ihre Kommandostimme verrät jetzt eher Frustration und, wie ich glaube, auch Enttäuschung.
Die Empfangsdame hingegen wirkt noch nervöser.
»Ich weiß nur, dass er für eine Sicherheitsfirma arbeitet …«
Ding, ding, ding. Leute, wir haben einen Gewinner!
»… und bereits hier sein sollte.«
»J?«, sage ich selbstbewusst und trete neben sie. »Ich bin Pierce Blackwell.« Gleichzeitig ziehe ich eine Visitenkarte aus meiner Brieftasche und reiche sie ihr, als sie sich mir zuwendet.
»Von Blackwell-Lyon Security. PB«, füge ich hinzu, nur für den Fall, dass noch Zweifel bestehen. »Ich freue mich sehr, Sie persönlich kennenzulernen.«
Und das ist offen gestanden die hundertprozentige Wahrheit. Denn obwohl die Rückseite meines Dates schon ziemlich lecker war, ist die Vorderseite geradezu umwerfend. Ihre dunklen Haare umrahmen ein blasses Gesicht mit so makelloser Haut, dass ich mich stark zurückhalten muss, um ihr nicht über die Wange zu streicheln. Ihr Mund ist groß und perfekt für schmutzige Köstlichkeiten, und ihr kurviger Körper schenkt einem Mann das Gefühl, eine echte Frau in seinen Armen zu haben.
»Oh.« Sie klingt leicht erschrocken, und ihre bernsteinfarbenen Augen weiten sich vor Überraschung. Ihr Ton ist nicht mehr so streng wie gegenüber der Empfangsdame, und in ihren Augen sehe ich Erleichterung. Vermutlich dachte sie, ich hätte sie versetzt, obwohl sie wahrlich nicht aussieht wie eine Frau, die oft versetzt wird.
Und ihre offensichtliche Erleichterung, dass ich doch gekommen bin, lässt auf eine Verletzlichkeit schließen, die ich nach ihrem Umgang mit der Empfangsdame nicht bei ihr vermutet hätte.
Ehrlich gesagt gefällt mir dieser gewisse Widerspruch. Er hinterlässt den Eindruck einer starken Persönlichkeit mit einem weichen, femininen Kern. Mit anderen Worten: eine Frau, die weiß, was sie von einem Mann will, aber keine Angst hat, ihm die Kontrolle zu überlassen.
Erwähnte ich schon, dass ich gerne die Kontrolle habe?
Sie hält meine Karte immer noch in der Hand, und als sie den Blick senkt, um sie zu studieren, streicht sie, wohl unbewusst, mit dem Daumen über die geprägten Buchstaben, worauf ich mir unwillkürlich vorstelle, wie sie mit ihrem Daumen über meine Hand, meinen Mund … und andere, noch weit interessantere Körperteile streicht.
Jetzt hebt sie den Kopf.
In dem Moment, als unsere Blicke sich treffen, bin ich sicher, etwas Vertrautes in ihrem zu erkennen. Die Art Leidenschaft, die verrät, dass wir die Appetithäppchen überspringen, nur kurz einen Drink zum Kennenlernen kippen und es dann kaum noch vollständig angezogen bis zu meiner Wohnung schaffen.
Ich weiß, Frauen gefällt mein Aussehen: dunkelblonde Haare, ein Körper, der trotz seiner vierunddreißig Jahre dank meiner militärischen Ausbildung und den Anforderungen meines Jobs in Bestform ist, plus blaue Augen, die mir schon viele Komplimente von fremden Frauen eingebracht haben.
Also bin ich nicht überrascht, als ich Leidenschaft in ihren Augen aufblitzen sehe. Doch dann blinzele ich, denn ich will verdammt sein, wenn das Feuer nicht erlischt und ihr Blick vollkommen ausdruckslos wird. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
Was zur Hölle …
Habe ich mir das alles nur eingebildet? Halluziniert?
Oder gibt sie sich verdammt viel Mühe, intensives körperliches Verlangen zu unterdrücken?
Aber wieso sollte sie? Schließlich ist sie an diesem Abend hierhergekommen, weil sie dasselbe wollte wie ich. Eine gemeinsame Nacht. Eine schöne Zeit. Ohne jede Verpflichtung.
Ehrlich gesagt, das ergibt keinen Sinn. Aber momentan weiß ich nur eines ganz sicher: dass die Begierde, die ich in ihrem Blick sah, verschwunden ist. Puff! Wie durch einen Zaubertrick.
Keine Leidenschaft. Kein Feuer.
Keinerlei Interesse.
»Also einen Tisch für zwei?«, fragt die Empfangsdame übertrieben munter. »Für den Speiseraum muss man mit einer Dreiviertelstunde Wartezeit rechnen, aber in der Bar gibt es noch freie Tische.«
»Ja, das geht in Ordnung«, sage ich, wild entschlossen, den Abend wieder auf Spur zu bringen. »Wahrscheinlich bleiben wir bei Drinks und Vorspeisen.« Ich sehe sie um Bestätigung heischend an, doch sie starrt stirnrunzelnd auf ihr Handy und wendet sich mir erst wieder zu, als wir am Tisch sitzen.
»Die Drinks hier sind ziemlich gut«, teile ich ihr mit, als die Empfangsdame uns mit den Karten von der Bar allein lässt. »Da ich in der Innenstadt wohne, bin ich seit der Eröffnung schon sehr oft hier gewesen. Und Sie? Waren Sie schon mal hier?«
Sie hebt eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen, was ich unbeschreiblich sexy finde, obwohl sie offensichtlich verärgert ist. »Ich bin gerade erst hierhergezogen. Wann sollte ich also hier gewesen sein?«
»Ja, richtig. Gutes Argument«, erwidere ich, was reine Beschwichtigung ist, denn woher soll ich wissen, wann sie nach Austin gezogen ist? In ihrem Profil stand nicht ein Wort darüber, dass sie neu in der Stadt ist. Aber meine einzige Alternative wäre, ihr direkt zu sagen, dass der Abend für mich gelaufen ist, und dann abzuhauen.
Allerdings bin ich noch nicht bereit, sie aufzugeben. Denn trotz unseres Fehlstarts fasziniert mich etwas an dieser ›J‹. Und ich weiß ganz genau, dass ich Interesse in ihren Augen aufblitzen sah. Das ich wiedererwecken möchte. Denn, hey: Wer weiß eine schöne Herausforderung nicht zu schätzen?
»Apropos Zeit«, bemerkt sie. »Unter den gegebenen Umständen fühle ich mich gezwungen, vollkommen ehrlich zu sein.«
»Na, dann los.«
»Ich mag es gar nicht, wenn man mich warten lässt«, sagt sie. »Pünktlichkeit ist mir extrem wichtig.«
»Mir auch.« Das stimmt zwar, aber es wundert mich schon, dass sie sich wegen lächerlicher fünf Minuten so aufregt. Andererseits haben wir wenigstens eine winzige Gemeinsamkeit entdeckt. »Ich komme fast immer zu früh. Natürlich könnte ich es jetzt auf den Verkehr schieben, aber eigentlich hätte ich früher das Büro verlassen sollen.«
Dann lasse ich mein charmantestes Lächeln aufblitzen. Das hat mich bis jetzt noch nie im Stich gelassen, und auch jetzt erzielt es die erhoffte Wirkung. Sie entspannt sich ein wenig, lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und fährt mit dem Zeigefinger über die Lederkante der Speisekarte.
»Das freut mich zu hören. Sie kamen mir bislang eher allzu lässig vor. Das bin ich nicht gewohnt.«
Daraufhin ergreife ich ihre Hand. Sie ist weich und warm. Sofort überkommt mich eine neue Welle der Lust, und mein Schwanz meldet sich. Sie mag zwar kratzbürstig und rätselhaft sein, aber sie ist auch sehr von sich selbst überzeugt, und diese Kombination finde ich rattenscharf.
»Schätzchen«, sage ich. »Ich mag in vielerlei Hinsicht lässig sein, aber nicht in dieser Sache.«
»Schätzchen?« Sie entzieht mir ihre Hand, was mich so abtörnt, als hätte sie mich mit einem Eimer Eiswasser übergossen. »Und eben haben Sie mich ›J‹ genannt. Ganz ehrlich? Gründen wir eine Hip-Hop-Band?«
»Könnten wir«, kontere ich und ringe um mein inneres Gleichgewicht. »PB und J. Sie müssen zugeben, das hat was.«
Ich lache, weil das auf jeden Fall was hat. Und wieso zum Teufel nörgelt sie so an mir herum? Wenn sie keinen Bock hat, mit ›J‹ angesprochen zu werden, hätte sie sich eine andere App aussuchen sollen.
»Nennen Sie mich einfach Jez«, sagt sie. »Oder Miss Stuart, wenn Sie es förmlicher mögen.« Sie sitzt jetzt vollkommen aufrecht, und ich denke, förmlicher könnte sie gar nicht sein, selbst wenn sie sich Mühe gäbe.
»Jez«, nicke ich. »Gefällt mir.«
»Das ist natürlich die Kurzform von Jezebel. Und selbstverständlich haben meine Eltern meiner Schwester einen Namen mit ähnlichem Hintergrund gegeben.« Sie lehnt sich zurück und wartet offensichtlich auf eine Reaktion.
»Eltern neigen dazu«, erwidere ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Schließlich sind Eltern und Geschwister bei solchen Dates normalerweise eher nicht Thema.
Trotzdem habe ich wohl das Richtige gesagt, denn sie lächelt, und auf einmal leuchtet ihr gesamtes Gesicht auf. Und obwohl ich nie über Nacht bleibe – ohne Ausnahme! –, denke ich unwillkürlich, ich würde beim Aufwachen gerne ein solches Lächeln sehen.
»Hören Sie«, sagt sie nun, »ich weiß, ich wirke vielleicht streng und fordernd, und manche fühlen sich davon abgeschreckt. Aber ich nehme nun mal all dieses sehr, sehr ernst.«
»Verstehe ich.« Und das meine ich aufrichtig. Denn ich weiß zwar, dass ich ein netter Kerl bin, aber eine Frau muss vorsichtig sein, mit wem sie nach Hause geht.
»Das freut mich«, erwidert sie, gerade als die Kellnerin kommt, um unsere Bestellung aufzunehmen. Ich reiche ihr meine Karte. »Angel’s Envy. On the rocks. Und die Dame nimmt …?«
»Mineralwasser mit Zitrone.« Sie sieht mich direkt an, als die Kellnerin sich entfernt. »Ich behalte gerne einen klaren Kopf.«
Also gut, Leidenschaft hin oder her, aber langsam nervt diese Frau. »Und ich denke ehrlich gesagt gerade, dass ich mir besser einen Doppelten bestellt hätte.«
Missbilligend presst sie die Lippen zusammen. »Schön. Aber ich hoffe, Sie haben einen klaren Kopf, wenn es darauf ankommt. Ich erwarte volle Konzentration auf alle Details.«
Daraufhin sehe ich sie volle zehn Sekunden nur an. Und dann – denn mittlerweile habe ich nichts mehr zu verlieren – senke ich bewusst langsam meinen Blick. Auf ihre eigentlich prallen Lippen, die gerade nur noch ein dünner, roter Strich sind. Die sanfte Kurve ihres Kiefers, ihren geschwungenen Hals.
Da der oberste Knopf ihrer Seidenbluse sich gelöst hat, kann ich sehen, dass ihr die Brüste ein bisschen über den Rand ihres hellrosa BHs quellen. Ich halte gerade lange genug inne, um mir vorzustellen, wie sie genau an dieser Stelle schmeckt. Wie sich ihre weiche Haut auf meinen Lippen anfühlt. Und wie ihre strenge, forsche Stimme weich werden wird, wenn sie sich unter mir windet und um mehr bettelt.
Langsam hebe ich wieder den Blick. »Schätzchen«, sage ich, »mir entgeht kein einziges Detail.«
Zufrieden sehe ich, wie Röte in ihre Wangen steigt. Sie atmet geräuschvoll aus und schluckt. »Aha. Nun, das ist gut.«
Ich verkneife mir ein Lächeln. Zwar weiß ich nicht, was für ein Spiel wir da spielen, aber ich bin überzeugt, dass ich momentan führe.
Als sie tief Luft holt, erkenne ich, dass sie versucht, sich zu sammeln. »Wenn Ihnen kein Detail entgeht, kennen Sie ja mein Problem schon.«
Ich lehne mich zurück und bin froh, dass die Kellnerin mit meinem Drink zurückkommt, da mir das Zeit zum Nachdenken verschafft. Problem? Das einzige Problem, an das ich mich aus ihrem Profil erinnere, ist, dass sie seit Monaten nicht mehr flachgelegt wurde, weil sie so viel arbeiten muss. Als ich ihr versicherte, dieses Problem könnte ich auf der Stelle lösen, akzeptierte sie prompt meine BuT – auf der App die ›Bitte um Treffen‹.
»Tja, Sie haben auf der Überholspur gelebt«, sage ich, worauf sie zufrieden nickt, weil ich mich erinnere.
»Und der ganze Aufruhr um meine Schwester macht alles nur noch schlimmer.«
»Ihre Schwester?«
Als sie mir einen scharfen Blick zuwirft, bedaure ich sofort, dass ich nachgefragt habe.
»Ich dachte, Sie hätten Ihre Hausaufgaben gemacht«, sagt sie leicht provozierend, was ich aber ignoriere, weil ich zu sehr vom Anblick ihrer Lippen fasziniert bin, die den Strohhalm umschließen.
Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her, weil mir die Jeans zu eng wird. Andererseits: Scheiß drauf! Ich weiß jetzt schon, dass diese Frau nur Ärger bringt. Mag sein, dass sie faszinierend ist. In jedem Fall eine Herausforderung. Aber auch viel, viel zu kompliziert.
Offenbar sind Teile von mir, die sich unterhalb der Tischplatte befinden, nicht annähernd so skeptisch wie ich. Aber das spreche ich eher meinem generellen Drang zu, endlich zur Sache zu kommen, als Jez persönlich.
»Nun?«, hakt sie nach.
»Sind Sie eigentlich immer so …« Ich verstumme, weil ich es nicht für klug halte, zickig zu sagen.
»Was?«
»Ach, irgendwie erinnert mich das hier stark an ein Vorstellungsgespräch. Und das finde ich für nur eine Nacht etwas übertrieben.«
»Eine Nacht? Nicht doch! Ich suche jemanden für mindestens drei Wochen. Danach können wir entscheiden, ob eine Verlängerung sinnvoll wäre.«
»Halt. Moment mal.«
»Bei Larry waren es fünf Jahre«, schiebt sie nach, was erklärt, warum sie so steif ist. Wahrscheinlich hat sie zum ersten Mal eine Dating-App benutzt.
»Eine ganz schön lange Zeit«, sage ich.
»In der Tat. Und ehrlich gesagt ist mir die Kontinuität eines langjährigen Arrangements auch lieber. Natürlich nur mit jemandem, dem ich vertrauen kann. Deshalb auch die Probezeit bei Ihnen. Vorausgesetzt, Sie erweisen sich als gut genug. Was ich offen gestanden langsam bezweifle.«
Ich zucke zusammen, denn plötzlich steht mir das Bild einer Riege olympischer Schiedsrichter vor Augen, die mich begutachtet, während ich versuche, mit einem Salto einen eleganten Abgang aus meinem Bett hinzulegen.
Ich verdränge die Vorstellung und schüttele den Kopf.
»Also gut. Klartext jetzt.« Ich leere mein Bourbonglas. »Jetzt kann ich Ihnen vorwerfen, dass Sie sich nicht vorbereitet haben. Denn in meinem Profil steht eindeutig, dass es bei mir keinerlei langfristige Verpflichtungen gibt.« Wieder lasse ich mein charmantes Lächeln aufblitzen. »Vergessen Sie die Ehe. Ich bin lediglich für einen One-Night-Stand zu haben.«
»Das ist doch absurd. Sie wollen das ernsthaft nur eine Nacht tun? Und glauben tatsächlich, damit wäre ich einverstanden und ich wollte dies hier noch mal wiederholen?« Sie weist auf die Bar, als wäre ein Drink mit einem Unbekannten reinste Folter. »Sind Sie wahnsinnig?«
»Mein Seelenklempner findet das nicht.«
Darauf steht sie auf und wirft sich ihre Tasche über die Schulter. »Ich wollte, das hätten Sie deutlicher herausgestellt. Unser Treffen war komplette Zeitverschwendung, und genau das kann ich mir im Moment gar nicht leisten.«
»Jez …« Ich erhebe mich ebenfalls und strecke den Arm nach ihr aus, aber sie weicht zurück. Keine Ahnung, warum ich sie zum Bleiben überreden will, aber genau so ist es.
Sie hingegen gibt mir nicht mal die Chance, es zu versuchen.
»Vielen Dank für das Wasser.« Sie holt tief Luft, und ich sehe ihr an, dass sie um Fassung ringt. »Das Missverständnis bedaure ich wirklich sehr. Trotz allem bin ich der Meinung, es wäre … interessant gewesen, mit Ihnen zu arbeiten.«
Damit dreht sie sich um.
Und schon ist sie weg.
Was zum Teufel war das denn?
»Noch einen?«, fragt die Kellnerin, als ich mich wieder auf meinen Stuhl sinken lasse.
»Ja. Aber diesmal einen doppelten. Den kann ich jetzt brauchen.«
Dann sitze ich eine ganze Weile nur da, leicht benommen, obwohl ich nicht weiß, wieso. Eigentlich gibt es keinen Grund für meine Enttäuschung über ihren Abgang, denn eine wie sie hätte mit Sicherheit nur Ärger gemacht. Eine klammernde Frau ist das Letzte, was ich wollte.
Dennoch: Ich habe schon mehrfach allein in einer Bar gesessen und etwas getrunken. Aber noch nie kam mir der leere Stuhl mir gegenüber dermaßen leer vor.
Seufzend greife ich zu dem Drink, den die Kellnerin mir serviert. Ich genieße den beißenden Geschmack des Whiskeys und frage mich, ob mir vielleicht der Alkohol zu Kopf gestiegen ist. Denn jetzt denke ich sogar, dass zwei Dates auch nicht das Ende der Welt gewesen wären. Vielleicht nicht mal drei, zum Teufel noch mal!
Ehrlich gesagt habe ich mich schon seit langer Zeit nicht mehr so gut mit einer Frau unterhalten, obwohl sie mir wirklich ein Rätsel war.
Mein Handy meldet sich und signalisiert, dass ich eine Nachricht von der Dating-App habe.
Ich reiße es aus meiner Jackentasche, überzeugt, dass das Jez ist.
Falsch gedacht.
Zugegeben, von J ist sie schon. Doch während ich sie lese, macht sich ein unbehagliches Gefühl in mir breit.
Tut mir leid, dass ich nicht gekommen bin. Ärger auf der Arbeit, ich musste nach Dallas fliegen. Verschieben wir’s? J.
Ich lese die Nachricht zweimal, nur um ganz sicherzugehen, dass ich nicht vom Bourbon halluziniere.
Aber nein: Die Botschaft ist eindeutig. J, die Frau, mit der ich mich heute Abend hier treffen sollte, ist nicht in Austin, sondern zweihundert Meilen entfernt.
Was heißt, sie ist nicht aufgetaucht.
Was auch heißt, dass Jez nicht J ist.
Was heißt, dass ich keine Ahnung habe, wer Jezebel Stuart ist.
Und ganz sicher weiß ich nicht, über was zum Teufel wir eben geredet haben.
3 Eine volle Viertelstunde sitze ich an der Bar und widme mich meinem Drink, bevor mir endlich ein Licht aufgeht und ich alles kapiere. Zugegeben, vielleicht hätte ich schneller hinter den ganzen komplizierten Sachverhalt kommen sollen, aber ich war nicht mit dem Kopf dabei. Der hat sich nur mit diesen endlosen Beinen beschäftigt. Mit dieser weichen Haut. Diesen sinnlichen, durchdringenden Augen.
Und diesem Mund, der sowohl für Sarkasmus als auch für Sündiges geschaffen schien.
Ja, ich war abgelenkt. Und mehr als ein bisschen begriffsstutzig. Aber letzten Endes dämmert’s mir doch. Und in dem Augenblick, als das geschieht – dem Moment, als ich begreife, wie gründlich wir aneinander vorbeigeredet haben –, springe ich vom Stuhl und renne zur Tür.
Aber Jez ist natürlich schon lange weg.
Verdammt.
Ich gehe wieder hinein und setze mich auf meinen alten Platz. Zwar steht mein verwässerter Drink noch da, aber der Kellner will ihn gerade abräumen. Als ich ihn anknurre wie ein Alphalöwe, der auch noch den letzten Rest einer erlegten Gazelle für sich beansprucht, weicht er mit aufgerissenen Augen zurück.
Ich leere mein Glas, kaue auf den letzten Stückchen der Eiswürfel und tippe nachdenklich auf mein Handy.
Nun, da ich das große Ganze sehe, wird mir das echte Szenario schmerzhaft deutlich. Ich bin hergekommen, um mich mit meinem Date zu treffen. Sie hingegen wollte irgendeinen unzuverlässigen privaten Sicherheitsmann engagieren, der sich nicht gezeigt hat.
Oder doch?
Stirnrunzelnd denke ich über diesen Zufall nach. Ist er aufgetaucht? Genauer gesagt: Habe ich mich gezeigt?
Stöhnend lehne ich mich auf meinem Platz zurück und hole tief Luft. Denn ich rieche förmlich, dass hier was faul ist.
Ich nehme mein Handy, wähle Kerries Privatnummer und warte, dass sie sich meldet.
»Kriege ich auf der Arbeit nicht schon genug von dir?«, höre ich meine Schwester.
»Von mir kann man nie genug bekommen, und das weißt du auch.«
Sie schnaubt. »Ehrlich, was ist los? Ich lasse ein Bad ein, und ein sexy Schotte wartet darauf, dass ich mich zu ihm geselle.«
»Vorfreude«, erwidere ich, »ist die schönste Freude.« Unsere Mutter hatte eine Sammlung Romane von Barbara Cartland, die meine Schwester entdeckte, als sie elf war und ich einundzwanzig. Sie war der Überraschungsnachzügler meiner Eltern – nein, keine Wechseljahre, sondern schwanger! – und verbrachte deshalb als Kind viel mehr Zeit im Haus als ich in meiner Jugend. Meine Eltern waren älter, beide berufstätig und weniger bereit, sie zu ihren Freizeitaktivitäten zu chauffieren. Und ich war zum ersten Mal im Mittleren Osten und nicht da, um sie als älterer Bruder zu unterstützen.
Offenbar ist Dame Cartland eine Einstiegsdroge, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Kerrie mittlerweile alle Liebesromane dieser Welt gelesen hat. Mit Ausnahme derer, die sich um Helden der Special Forces drehen. Sie sagt, dabei muss sie an mich denken, und das wäre einfach zu bizarr.
»Vor allem, weil du dich kein bisschen als romantischer Held eignest«, erklärte sie einmal. Und angesichts der Tatsache, dass Romanzen mehr Zeit und Gefühle erfordern als ein One-Night-Stand, hat sie wahrscheinlich recht.
Jetzt seufzt sie theatralisch. »Was willst du?«
»Hast du mit einer Frau namens Jezebel Stuart einen Termin für mich gemacht?«
»Halt – was?«, fragt sie mit scharfer Stimme. Jetzt ist sie interessiert, und ich glaube, meinen Schuldigen gefunden zu haben.
»Verdammt, Kerrie. Wenn du einen Termin ansetzt, musst du den in den Kalender eintragen. Das ist eine Mindestanforderung in deinem Job!«
»Ich weiß schon, wie ich meinen Job mache. Außerdem habe ich so einen Termin nicht für dich gemacht. Aber …«
»Dann für Cayden? Oder Connor?« Ich rattere die Namen meiner Partner herunter.
»Nein. Keinen Termin. Nada. Zero. Hörst du jetzt mal mit dem Mist auf und sagst mir, was eigentlich los ist?«
»Bist du an deinem Computer?«
»Selbstverständlich, weil ich ja auch im Bad einen Computer habe.« Ich höre praktisch, wie sie die Augen verdreht. »Was brauchst du?«
»Ein paar Hintergrundinformationen über diese Frau. Jezebel …«
»Stuart. Ja, ich weiß. Das sagtest du schon. Aber dafür brauche ich keinen Computer. Sie kommt aus Phoenix, hat die letzten zehn Jahre aber in L. A. gelebt. Allerdings ist sie momentan in Texas. Ihre Schwester dreht da einen Film. Und wieso erzähle ich dir das alles?«
»Bist du schon online? Oder woher weißt du das alles?«
»Äh, weil ich auch ein Privatleben habe und noch andere Sachen lese als Tactical Weapons und Security Magazine.«
»Und Peanuts«, bemerke ich trocken. »Ich lass mir nie Snoopy in der Sonntagszeitung entgehen.«
»Ihre Schwester ist Delilah Stuart«, fährt sie ungerührt fort. »Und Jezebel ist ihre Managerin. Will sie uns deshalb anheuern? Wegen des Shitstorms, dem Delilah ausgesetzt ist, seit sie Levyl mit Garreth Todd betrogen hat?«
»Ganz so einfach ist es nicht.« Ich habe zwar keine Ahnung, wer Levyl ist, aber Garreth Todd sagt mir was. Hauptsächlich, weil ich mich in meiner Freizeit eben nicht nur mit Fachzeitschriften beschäftige, ganz gleich, was meine Schwester denkt. Ich habe auch eine große Schwäche für Kinofilme mit hohem Actionfaktor und mindestens einer Verfolgungsjagd, und Todd war in drei meiner letzten Lieblingsstreifen der Star.
Normalerweise würde ich mir lieber Bambussplitter unter die Fingernägel schieben, als über irgendwelchen Hollywoodklatsch zu lesen, zu reden oder nachzudenken. Aber da Kerrie es gerade erwähnt, fällt mir doch ein Gespräch ein, zu dem ich vor einer ganzen Weile gezwungen war. Eine meiner Verabredungen erging sich des Langen und Breiten über einen ehemaligen Kinderstar, dessen Erfolg als Erwachsene plötzlich durch die Decke ging. Zuerst wurde sie von ihren Fans geliebt. Nicht nur wegen der Rolle, mit der sie ihren Durchbruch hatte, sondern auch wegen der Tatsache, dass sie mit dem Leadsänger einer berühmten Boygroup zusammen war; einer Band, deren Songs pubertierenden Mädchen Ohnmachts- oder Kreischanfälle bescherte und erwachsene Frauen dazu trieb, heimlich im Supermarkt unautorisierte Biografien über die Sänger zu kaufen.
Offenbar wurde die Romanze der beiden in allen Boulevardzeitungen breitgetreten. Sie waren das zuckersüße Powerpärchen, mit dem alle mitfieberten.
Doch dann bekam die Schauspielerin eine Traumrolle in einem großen Kinofilm mit Garreth Todd als Partner. Als herauskam, dass sie mit Todd geschlafen – und damit dem Sänger das Herz gebrochen – hatte, war sie plötzlich nicht mehr Amerikas Liebling, sondern eine männermordende Harpyie ohne Seele und Gewissen. Zwar schmückte sie immer noch die Titelseiten aller Frauenzeitschriften, aber jetzt, weil sie von allen Frauen auf der ganzen Welt, die den Liebeskummer des Sängers viel zu persönlich nahmen, gehasst und geschmäht wurde.
Zwar habe ich nichts von Morddrohungen gegen die Schauspielerin gehört, aber in Anbetracht des Gifts, das meine damalige Verabredung beim Erzählen der ganzen Seifenoper verspritzte, würde mich gar nichts mehr wundern.
Abschließend hatte sie gesagt, die Schauspielerin hätte genau das bekommen, was sie verdient hätte. Offenbar war sie von irgendeiner großen Filmproduktionsfirma gefeuert worden und galt in ihrer Branche jetzt als Aussätzige.
Wie ich schon sagte: Seifenoper.
Damals hatte mir der Name der Schauspielerin nichts gesagt. Aber jetzt war ich mir sicher, dass er Delilah Stuart lautete.
Bevor ich Kerrie um weitere Informationen bitten kann, plappert sie schon weiter: »Das ist ja großartig. Ich wette, Delilah hat ziemlich viele Aufgaben im Sicherheitsbereich zu vergeben, und mit ihrem Auftrag hätten wir auch in der Unterhaltungsbranche einen Fuß in der Tür. In Austin gibt es unheimlich viele Film- und Musikunternehmen, und eine Empfehlung von Delilah wäre trotz ihres Rufs Gold wert. Damit könnten wir die Lücke schließen, die Talbot hinterlassen hat, verstehst du?«
Allerdings verstand ich. Blackwell-Lyon ist eine relativ junge Firma, und als die Jungs und ich aus unserem alten Unternehmen ausschieden, rechneten wir mit einem stetigen Strom an Aufträgen von Reginald Talbot, einem Milliardär aus dem Silicon Valley, der vor etwa zehn Jahren mit seiner Familie und seiner Firma nach Austin zog. Doch fünf Monate nach Gründung von Blackwell-Lyon beschloss Talbot, in den Ruhestand zu gehen, verkaufte seine Firma an ein riesiges Unternehmen und zog mit seiner Frau ans Mittelmeer.
Mit anderen Worten: Er arbeitet an seiner Bräune, während meine Partner und ich alle Mühe haben, das Loch in unserem Kundenstamm zu stopfen.
»Also, was genau ist passiert?«, erkundigt sich Kerrie. »Du hattest einen Termin mit ihr? Wie das denn?«
»Ist jetzt egal«, sage ich, denn wenn Kerrie erst mal die wahre Geschichte erfährt, kann ich weitere Informationen von ihr vergessen. »Im Moment muss ich einfach nur wissen, wo sie wohnt.« Ich bin Sicherheitsexperte, kein Privatdetektiv. Dennoch habe ich im Laufe der Jahre ein paar Quellen aufgetan. »Ruf Gordo an und sag ihm, ich habe einen Eilauftrag.«
»Wie wär’s mit ›bitte‹?«
»Bitte.«
»Nun, da du so höflich fragst …«
»Kerrie«, sage ich mit warnendem Unterton.
»Ich mach doch nur Spaß. Gordo muss ich erst gar nicht anrufen, denn Delilah wohnt im Violet Crown. Also wette ich, Jezebel wohnt da auch.«
»Und woher weißt du das?«, frage ich, überlege aber schon, wie lang die Fahrt dorthin dauern wird. Das Violet Crown ist ein exklusives Boutique-Hotel in der Innenstadt von Austin. Und günstigerweise nur ein paar Meilen vom Thyme entfernt.
»Twitter. Jemand im Hotel hat einen Schnappschuss von ihr gemacht und gepostet. Hashtag Delilah Stuart.«
Ich runzele die Stirn. »Wann genau wurde das gepostet? Und gibt es noch weitere Fotos?«
Jetzt ist Kerrie offenbar an ihrem Computer, denn ich höre sie auf der Tastatur tippen. »Äh, der Post ist vor etwa einer Viertelstunde erschienen. Und hat ein paar Dutzend Likes bekommen.« Erneutes Tippen. »Aber weitere Posts sehe ich nicht. Nur viele Retweets. Wieso?«
Die Frage ignoriere ich. »Ich melde mich später noch mal.« Nachdem ich einen Fünfziger auf dem Tisch hinterlassen habe, sprinte ich zum Parkservice.
»Pierce«, fragt Kerrie drängend, als ich dem Angestellten mein Ticket gebe. »Was ist los?«
»Ich hoffe, nichts.«
»Aber …«
Ich beende das Gespräch und trommele ungeduldig mit den Fingern auf dem Arbeitstisch des Parkservices. Ich will meinen Wagen, und mit jeder verstreichenden Sekunde nimmt das mulmige Gefühl in meinem Bauch zu.
Mag sein, dass ich noch nicht die ganze Geschichte kenne, aber ich weiß genug.
Ich weiß, dass Jez ins Thyme kam, um einen Sicherheitsfachmann anzuheuern. Ich weiß auch, dass sie während unseres Gesprächs ihre Schwester erwähnte.
Ich weiß, dass Delilah immer noch von Fans belästigt wird.
Und ich weiß, dass ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort jetzt öffentlich ist.
Nennt mich paranoid, aber das behagt mir gar nicht.
4 »Verbinden Sie mich mit Jezebel Stuarts Zimmer. Es ist dringend.« Ich habe mein Handy an das Audiosystem des Range Rovers angeschlossen und rase die Fifth Street runter zum Lamar Boulevard.
Wenn ich Glück habe, mache ich mir unnötig Sorgen. Denn die aktuelle Produktionsfirma wird doch wohl für Delilahs Sicherheit sorgen. Andererseits: Wieso wollte Jezebel mich dann einstellen? Oder besser gesagt: Wieso wollte sie den Typen einstellen, der sich an meiner Stelle mit ihr treffen sollte?
Das weiß ich nicht, und im Augenblick ist mir das auch egal. Selbst wenn Jez mich vielleicht für einen inkompetenten Idioten hält, kann ich nicht einfach untätig bleiben, ohne mich zu vergewissern, dass sie und ihre Schwester in Sicherheit sind.
»Tut mir leid, Sir, aber einen Gast mit diesem Namen haben wir hier nicht.« Das Mädchen klingt nicht mal alt genug, um Alkohol trinken zu dürfen, und ich weiß, dass ich ihr den Tag ruiniere. Aber besser ihren als Jezebels.
»Ausgezeichnet«, erwidere ich und verstärke den Charmepegel in meiner Stimme. »Genau so sollten Sie antworten. Ich werde Ihrem Geschäftsführer auf jeden Fall sagen, dass Sie sich strikt ans Protokoll gehalten haben.«
Ich halte lange genug inne, um ihr die Möglichkeit zu geben, mir zu sagen, dass sie nicht weiß, wovon ich spreche. Aber als sie daraufhin schweigt, weiß ich, dass ich richtig geraten habe: Jez und Delilah wohnen bei ihnen, das Management weiß davon, und das Personal wurde angewiesen, unter allen Umständen ihre Privatsphäre zu schützen.
»Ich gehöre zur Presseabteilung des Filmstudios. Jezebel erwartet meinen Anruf.«
»Aber ich darf niemanden durchstellen.«
»Nein, das dürfen Sie nicht«, bestätige ich. »Und ich weiß es zu schätzen, dass Sie so gewissenhaft sind. Sie sind doch unterrichtet worden, wie Sie sich in solchen Fällen verhalten sollen?«
»Äh …«
»Verzeihung, wenn das nicht der Fall ist. Aber natürlich müssen wir die Stuarts auch erreichen können, wenn sie ihre Handys ausgeschaltet haben. Daher lassen Sie mich jetzt einfach warten und rufen im Zimmer an. Sagen Sie Jezebel, Pierce Blackwell müsste sie sprechen. PB«, füge ich hinzu. »Sagen Sie ihr unbedingt, es ist PB. Und dass es wichtig ist.«
Zwar bin ich ziemlich sicher, dass ich mit meinem Namen keine Punkte bei Jezebel gewinnen kann. Also bleibt nur zu hoffen, dass sie den Anruf aus reiner Neugier entgegennimmt.
»Aber …«
»So ist die vereinbarte Vorgehensweise«, unterbreche ich sie, während ich nach rechts auf den Lamar einbiege und Richtung Brücke steuere. »Wenn Miss Stuart einverstanden ist, müssen Sie mich nur noch durchstellen.«
»Oh. Na gut. Bleiben Sie bitte dran.«
Als ich Warteschleifengedudel höre, klopfe ich mir innerlich auf die Schulter.
Doch je länger ich warten muss, desto mehr schwinden meine Triumphgefühle. Ich bin an der Brücke. Ich bin auf der Brücke. Jetzt zwingt mich eine Ampel zum Halt. Ich werfe einen Blick nach rechts auf den mondbeschienenen Fluss, den wir Einheimischen Town Lake nannten, bis er vor etwa zehn Jahren von der Stadtverwaltung in Lady Bird Lake umbenannt wurde. Es ist ein toter Arm des Colorado River, und warum wir ihn nicht einfach so nennen, ist eines der kleinen Rätsel dieses Lebens.
Dann wandere ich mit dem Blick zu den geschwungenen Hügeln auf der Südseite des Flusses. Zwar kann ich es von hier aus nicht sehen, aber ich weiß, da oben ist das Violet Crown. Und Jezebel.
Als ich die Brücke hinter mir gelassen habe und nach rechts in die Barton Springs Road eingebogen bin, muss ich immer noch warten und befürchte langsam, dass Jez mich völlig abgeschrieben hat und ich niemals durchgestellt werde.
Gerade will ich das Gespräch beenden und noch mal neu wählen, da meldet sich die Angestellte wieder. »Ich verbinde Sie jetzt«, sagt sie, bevor ich fragen kann, wieso das so lange gedauert hat.
Dann höre ich Jez’ Stimme. »Wie haben Sie mich gefunden? Und warum rufen Sie überhaupt an? Hab ich was an der Bar vergessen?«
»Ich bin etwa drei Minuten von Ihrem Hotel entfernt. Ich werde das Hotel umrunden und am Personaleingang parken. Es ist ein schwarzer Range Rover. Packen Sie Ihre Sachen zusammen. Nehmen Sie Ihre Schwester, und dann treffen wir uns unten.«
»Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Wir arbeiten nicht zusammen.«
»Wenn Sie immer so streitlustig sind, kann ich mich wohl glücklich schätzen. Aber im Moment müssen Sie mir einfach vertrauen. Ich bringe Sie in eine andere Unterkunft.«
»Ihnen vertrauen? Ich kenne Sie ja nicht mal. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Sie auch nicht mag.«
»Nur ziemlich sicher? Freut mich, dass es ein kleines Hintertürchen gibt, durch das ich schlüpfen kann.«
»Pierce …«
»Und vielleicht mögen Sie mich nicht, aber Sie vertrauen mir«, fahre ich fort. »Sonst hätten Sie meinen Anruf gar nicht entgegengenommen. Also wette ich, Sie haben Nachforschungen angestellt. Sie sind auf meine Website gegangen, haben meine Firma und meinen Werdegang gegoogelt.«
Ihr Schweigen ist für mich Bestätigung genug.
»Wo ist Delilah?«, frage ich und achte sorgfältig darauf, jeden triumphierenden Unterton aus meiner Stimme zu verbannen.
»Ich dachte, Sie wüssten nichts über meine Schwester?«
»Ich lerne schnell. Und ich weiß, dass jemand Ihren Aufenthaltsort getwittert hat.«
»Verdammt!«
Das beweist, sie hatte keine Ahnung davon. »Sie hätten einen Alarm einrichten sollen«, sage ich mit leisem Vorwurf.
»Habe ich ja.« Wieder flucht sie unterdrückt. »Nur kam in letzter Zeit so viel im Internet über Delilah, dass mein Handy nur noch Alarm gab. Jetzt kümmert sich über Nacht unser Pressesprecher darum und mailt es mir jeden Morgen.«
»Hören Sie, das Crown ist wirklich ein großartiges kleines Hotel, aber für Sie einfach nicht sicher genug. Holen Sie Ihre Schwester, kommen Sie zu mir runter, und dann fahre ich Sie an einen sicheren Ort.«
»Wieso kümmert Sie das überhaupt?«
Das ist wahrhaftig eine sehr gute Frage. Und ich weiß nicht mal, ob ich sie beantworten kann. Vor allem weil ich mir die Wahrheit – dass sie mir nicht aus dem Kopf geht und ich ihr einfach helfen muss – nicht eingestehen will. Und schon gar nicht preisgeben.
Also antworte ich stattdessen mit einer stimmigen Lüge. Es ist zwar etwas Wahres dran, aber eigentlich nicht der Grund. »Weil ich glaube, Sie und ich haben etwas gemeinsam«, sage ich.
»Das möchte ich ernsthaft bezweifeln.«
»Ich habe eine jüngere Schwester«, erkläre ich. »Und würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit ihr nichts passiert.«
Einen Moment herrscht Schweigen in der Leitung. Dann sagt sie sehr leise: »Sie ist nicht hier. Sie musste noch mal zum Set. Einer vom Sicherheitsdienst der Produktionsfirma bringt sie zurück. Aber sie hat mir vor ein paar Minuten eine SMS geschickt. Sie sind fast da.«
Jetzt habe ich das Crown erreicht. Es ist ein niedriges, weitläufiges und wie ein U geformtes Gebäude. In der Mitte befindet sich eine beliebte – und öffentliche – Open-Air-Bar, die um einen Pool herum gebaut wurde. Alle Zimmer haben Terrassen entweder mit Blick auf den Pool oder die Parkanlage. Direkt am Zugang zum Barbereich, in der Mitte der kreisförmigen Auffahrt, befindet sich der Parkservice. Ich gehe davon aus, dass Delilah den Fehler beging, entweder an ein Fenster oder gar auf die Terrasse zu treten, und ein Fan von der Bar aus ein Foto geschossen hat.
Der Parkservice befindet sich auch direkt am Haupteingang zum Hotel, durch den man durch einen kurzen, überdachten Gang gelangt, der an der Bar vorbeiführt. Was heißt, dass jeder, der ins Hotel will, an der Bar vorbeilaufen muss. Was großartig fürs Geschäft ist. Aber für Sicherheit und Privatsphäre ganz und gar nicht.
Als ich langsam an der Front entlangfahre, sehe ich, dass die Bar brechend voll ist. Sie war schon immer gut besucht, aber jetzt wimmelt es dort derartig von Menschen, dass sie aussieht wie Dantes Version der Hölle.
Ich hoffe nur, die Massen sind dort, weil es mittwochs eine super Happy Hour gibt. Allerdings glaube ich, etliche Gäste sind nicht wegen der Drinks, sondern wegen der Unterhaltung gekommen. Ich fürchte, Delilah ist die Hauptattraktion.
»Simsen Sie Ihre Schwester an. Ihr Fahrer soll sie wieder zum Set zurückbringen.«
»Zu spät«, sagt sie. »Sie sagt, sie sind gerade vorgefahren.«
In der Tat hält ein Lincoln Town Car vor dem Parkservice. Offenbar kennt der Angestellte den Wagen, denn er eilt sofort zur Tür des Fonds, um sie zu öffnen. Der Chauffeur steigt aus und will ebenfalls zur Beifahrerseite gehen.
Ich persönlich kann nicht sehen, wer im Wagen sitzt, die Gäste der Bar aber schon, und kaum geht die Tür auf, stehen unzählige auf und recken die Köpfe. Da ich mein Fenster geöffnet habe, höre ich die Pfiffe, Buhrufe und Schmähungen mehr als deutlich.
Ich lege den ersten Gang ein und fahre langsam los, aber da fängt die Menge schon an, mit faulen Tomaten zu werfen. Und ununterbrochen blitzen mindestens ein Dutzend Kameras auf und tauchen die Szenerie in ihr grelles Licht.
Die Tomaten zerplatzen auf dem Bürgersteig, und Delilah duckt sich wieder in den Wagen zurück und zieht die Tür hinter sich zu, als ein Hagelsturm aus kleinen roten Bomben auf die Wagenseite niedergeht.
Ich bremse quietschend neben dem Lincoln. »Was ist da los?«, ruft Jezebel, und durch die Lautsprecher klingt ihre Stimme blechern.
Ich mache mir nicht mal die Mühe zu antworten, sondern springe aus meinem Wagen und öffne die linke Fondtür des Lincoln. Delilah, die sehr jung und verängstigt aussieht, schreckt vor mir zurück. Ich strecke die Hand aus. »Jez schickt mich. Kommen Sie.«
Als sie zögert, befürchte ich schon, dass ich sie mit Gewalt aus dem Wagen zerren muss, aber da bellt Jez’ Stimme aus den Lautsprechern des Range Rovers: »Tu’, was er sagt, Del. Ich komme sofort.«
Auf der Stelle stürzt Delilah in meine Richtung. Ich packe ihre Hand, ziehe sie zu mir und schiebe sie auf den Rücksitz des Range Rovers.
»Hey«, ruft der Sicherheitsbeauftragte und bestätigt damit meinen Eindruck, dass er ein unfähiger Trottel ist.
Vom Hotel aus nähert sich eine Gruppe Frauen dem Lincoln. In ihren Augen blitzt Wut, die ich nicht verstehen, aber eindeutig sehen kann.
»Miststück!«
»Levyl war viel zu gut für dich!«
»Wie konntest du ihm nur so wehtun?«
»Nutte!«
Sie kommen immer näher. Ich bin schon auf der Fahrerseite und rufe Jez zu, dass sie am Personaleingang auf uns warten soll.
Doch gerade als ich einsteigen will, stürzt sie aus dem Haupteingang und bremst so abrupt ab, dass sie fast das Gleichgewicht verliert, nur wenige Meter von der aufgebrachten Menge. Shit.
Sie hat ihr Handy am Ohr, und ihren Ruf »Delilah!« kann ich stereo hören: vom Bürgersteig ein paar Meter entfernt und durch das offene Fenster meines Range Rovers.
»Jez!«, ruft Delilah. »Bitte, Mister!«
Eine Sekunde zögere ich, weil ich mich frage, ob ich schneller im Rover oder am Bürgersteig wäre.
Dann renne ich los.
Zuerst beachtet der aufgebrachte Mob sie gar nicht, aber dann kreischt jemand »Jezebel!«, worauf sich die Masse en bloc zu ihr schiebt und ihr Fragen zu Delilah zubrüllt. Eine Woge des Zorns steigt in mir auf – wehe, sie rühren sie an! Ich sprinte noch schneller und werde erst langsamer, als ich endlich ihre ausgestreckte Hand packen kann.
»Los«, befehle ich, völlig unnötig, denn sie rennt sofort los, zurück zum Wagen, Hand in Hand mit mir. Junge Frauen grapschen nach meiner Jacke, schreien uns Flüche und Fragen nach und schwören, Delilah wird dafür bezahlen, dass sie ihrem süßen, wunderbaren Levyl wehgetan hat.
»Rein da!«, befehle ich und reiße die Tür auf, damit Jez hinter mir zu ihrer Schwester steigen kann. Ich knalle die Tür zu, steige auf den Fahrersitz und rase mit quietschenden Reifen zurück auf die Straße.
Ich fahre, bis wir das Hotel weit hinter uns gelassen haben. Dann halte ich auf einem der Parkplätze am Zilker Park, schalte den Motor aus, entspanne mich und blicke über den Rückspiegel sofort nach hinten. Zu ihr.
Die Frauen sitzen dicht nebeneinander. Jez hat ihre Arme um Delilah gelegt, die sich leise weinend an sie schmiegt. Nach einer Weile hebt Jez den Blick und sieht mich über den Rückspiegel an. Als sie sich lautlos bedankt, muss ich den Blick abwenden, weil mir vor lauter Emotionen der Brustkorb eng wird. Ich rede mir ein, das liegt nur daran, weil ich an Kerrie denken muss. Weil ich mich in Jez hineinversetze und nachvollziehen kann, wie sie sich jetzt, da ihre Schwester in Sicherheit ist, fühlt.
Aber das stimmt natürlich nicht. Denn die Anerkennung dieser Frau ist wie ein Schock für mich. Dieser sanfte, dankbare Blick einer Frau, die, wie ich weiß, stark und kompetent ist, die mich aber trotzdem braucht. Und ich bin stolz, es geschafft zu haben. Für sie.
Für sie.
Denn hier geht’s mir nicht um den Job. Sondern um die Frau. Und das habe ich schon seit langer Zeit nicht mehr auf diese Weise empfunden.
Offen gestanden will ich das auch gar nicht.
Mit einem Mal bekomme ich in der geräumigen Kabine des Range Rovers Platzangst. Ich greife nach dem Griff, öffne die Tür, steige aus und drücke sie hinter mir zu. Die beiden können jetzt etwas Privatsphäre brauchen. Und ich brauche Luft.
Doch nach ein paar Minuten höre ich, wie die Tür aufgeht und dann zugeknallt wird. Ich stehe an die Motorhaube des Rovers gelehnt und blicke hinaus auf das Fußballfeld und den Fluss.
Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich auch meine Wohnung, und ich sehe das Apartmentgebäude, das mit der Skyline von Austin verschmilzt.
Mein Zuhause.
»Eine schöne Aussicht«, bemerkt Jez, als sie zu mir tritt.
»Sie sind das erste Mal in Austin, stimmt’s?«
Zwar blicke ich immer noch auf die Lichter der Stadt, nehme Jez aber am Rand meines Sichtfelds wahr. Wie sie sich mit ganz leicht zur Seite geneigtem Kopf zu mir wendet, als wäre ich ein kniffliges Rätsel, das sie lösen müsste. »Wieso waren Sie im Thyme? Jedenfalls nicht, um sich mit mir zu treffen.«
»Wegen eines Blind Dates«, erkläre ich und drehe mich zu ihr. »Es war eine Verwechslung.« Nickend weise ich mit dem Kinn Richtung Wagen. »Wir sollten das aufschreiben. Daraus könnte einer dieser romantischen Heist-Movies werden. Mit Ihrer Schwester als Star.«
Sofort verschließt sich ihre Miene, und sie schlingt die Arme um sich, als wäre ihr kalt. Es ist März, aber wir befinden uns in Austin, daher ist die Luft nicht kühl. Dennoch ziehe ich meine Jacke aus und lege sie ihr um die Schultern. Als sie mir ein kurzes Lächeln schenkt, wirkt sie gleichzeitig verlegen und verletzlich. »Langsam frage ich mich, ob sie überhaupt noch in einem Film mitspielen wird.«
»Was meinen Sie?«
Ganz kurz habe ich den Eindruck, sie wollte antworten. Dann klappt erneut ihr Visier herunter, und sie schüttelt nur den Kopf. »Nichts. Egal.«
»Jez …«
»Wirklich, das ist nicht Ihr Problem.« Sie stößt sich vom Wagen ab. »Danke für die Hilfe – ehrlich. Aber jetzt fahren wir zurück. Doch wenn Sie uns zurückbringen, sollten Sie wahrscheinlich wirklich am Personaleingang halten.«
»Wir fahren nicht zurück«, sage ich.
»Wie bitte?«
»Momentan läuft das South by Southwest-Festival in Austin«, erkläre ich. »Das heißt: Fans, Reporter und so weiter und so fort. Alle in dieser Stadt. Und im Violet Crown ist es nicht sicher. Meinen Sie vielleicht, die Fotografen würden sich von der Bar fernhalten, nur weil Sie sie nett drum bitten?«
»Sie haben recht«, sagt sie, was mich verblüfft. »Morgen kümmere ich mich darum.«
»Wie wär’s, wenn wir uns schon heute Abend darum kümmern?«
Sie presst die Lippen zusammen. »Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Hilfe«, sagt sie. »Aber ich werde Sie nicht einstellen. Ich brauche jemanden für eine langfristige Lösung und nicht nur für eine Nacht.«
»War aber heute Abend ziemlich gut für Sie«, erwidere ich ironisch grinsend. »Doch um eines klarzustellen: Bei der Arbeit geht’s mir auch um langfristige Beziehungen.«
»Also suchen Sie nur im Privatleben nach schnellen Lösungen?«
Das trifft mich wie ein Schlag in den Magen. Als hätte sie mich durchschaut und gesehen, wie bedürftig ich bin. »Ja«, erwidere ich. »Den Beziehungsanzug habe ich schon mal getragen. War mir ein bisschen zu eng.«
Sie nickt. »Nun, ich schätze, das ist jetzt unwichtig. Wir haben keine Beziehung, wir werden keinen One-Night-Stand haben, und ich habe bereits für den Rest des Drehs ein neues Sicherheitsteam engagiert.«
»Von dem Typen, der nicht im Thyme aufgetaucht ist?«
»Ja, genau.«
Ich nicke. »Wirkt sehr zuverlässig und solide. Gute Wahl.«
»Das Studio hat ihn überprüft«, gibt sie gepresst zurück. »Und das Datum des Termins verwechselt. Er fliegt morgen nach Austin.«
»Und Larry?«
Sie runzelt die Stirn. »Was ist mit Larry?«
»Der war doch Ihr früherer Sicherheitsmann, oder? Der fünf Jahre bei Ihnen war.« Ich kreise mit meinem Finger an meiner Schläfe. »Ich bin im Kopf noch mal unser Gespräch durchgegangen. Und nun, da ich weiß, dass Sie nicht mein Blind Date waren, ergibt es viel mehr Sinn.«
»Was ist mit Larry?«
»Würde er Ihren neuen Sicherheitsmann billigen?«
»Ich … das weiß ich nicht.« Sie holt tief Luft und senkt den Blick. »Er ist vor über einen Jahr gestorben. Von einem Betrunkenen in Newport Beach überfahren worden.«
Mir stockt der Atem: Die Geschichte kommt mir zu bekannt vor. »Larry?«, frage ich. »Laurence Piper? Colonel Laurence Piper?«
Sie reißt die Augen auf. »Sie kannten ihn?«
»Ich habe sechs Monate unter ihm gedient. Und war auch bei seiner Beerdigung«, füge ich hinzu.
»Sie waren bei den Special Forces?«
Ich nicke. Über meine Zeit in Uniform rede ich nicht gern. Zwar bedaure ich nichts – meine Ausbildung und meinen jetzigen Job verdanke ich dem Militär –, aber was ich da sah, kann einem Mann ganz schön zusetzen. Allerdings habe ich vor langer Zeit gelernt, mich davor zu verschließen.
»Ich glaube, Larry würde wollen, dass ich für Ihre Sicherheit sorge«, sage ich nun. »Und Sie aus dem Crown hole.« Der Wind hat ihr eine Haarsträhne über den Mund geweht, und als ich sie unbewusst wegstreiche, überrascht mich der Blitz, der mich durchfährt, als meine Finger ihre Wange berühren.
Sie hat das auch gespürt. Da bin ich mir sicher. Ich höre, wie sie zittrig Luft holt. Ich sehe, wie sie den Blick senkt und einen Schritt zurückweichen will. Aber sie beherrscht sich und zieht meine Jacke enger um sich. Als sie mich wieder ansieht, ist sie sehr geschäftsmäßig. »Wir werden niemals ein Zimmer finden. Schließlich läuft gerade das Festival. Und all unsere Sachen sind im Crown.«
»Mit anderen Worten: Wenn ich Ihre Sachen und ein neues Zimmer besorgen kann, dann ziehen Sie ohne Widerrede um?«
»Ja, verdammt«, sagt sie. »Da bin ich ja schön in die Falle getappt.«
Ich unterdrücke ein selbstgefälliges Grinsen. »Ohne zu zögern.«
Wieder presst sie die Lippen zusammen, aber nicht aus Ärger, sondern weil sie sich zwingt, nicht zu lachen. Dadurch leuchten ihre Augen auf, sie bekommen einen Schimmer, der gleichzeitig sexy ist und süß … und mich in eine Richtung denken lässt, die ich auf keinen Fall einschlagen sollte.
Nach einer Sekunde reißt sie sich zusammen. »Na gut. Schön. Sie haben gewonnen. Aber ein Zimmer kriegen Sie nie im Leben. Nicht während des Festivals.«
»Sollen wir wetten?« Jetzt bin ich derjenige, der mit dem Feuer spielt. Aber ich kann nicht anders. Ich will das Feuer spüren, selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich verbrenne.
Sie kneift leicht die Augen zusammen. »Um was?«
»Zu Beginn des Abends habe ich Sie für mein Date gehalten. Machen wir’s offiziell. Gehen Sie morgen Abend mit mir essen.«
Wieder hebt sie auf ihre ganz spezielle Weise ihre Augenbraue. »Als Sie mich für Ihr Date hielten, haben wir nur etwas zusammen getrunken.«
»Stimmt«, räume ich ein. »Also Drinks und Häppchen. Abgemacht?«
»Abgemacht«, sagt sie. »Aber Sie werden ohnehin nicht gewinnen.«
»Dann passen Sie mal auf.« In der Hoffnung, dass meine Zuversicht mich nicht trügt, hole ich mein Handy heraus und wähle die Nummer eines Freundes, den ich seit Jahren nicht mehr gesprochen habe. »Ryan Hunter«, erkläre ich ihr. »Hatte früher seine eigene Sicherheitsfirma, ist jetzt aber der Sicherheitschef von Stark International«, fahre ich fort und meine mit Letzterem das riesige internationale Unternehmen des ehemaligen Tennisprofis und jetzigen Selfmade-Milliardärs Damien Stark.
»Und wie kann der uns helfen?«
»Das neue Starfire Hotel auf der Congress Avenue gehört zu Stark. Wenn da also ein Zimmer fürs Management frei gehalten wird, kann Ryan es mir geben, da bin ich ziemlich sicher.«
Er meldet sich nach dem vierten Klingeln, und nachdem wir uns kurz auf den neuesten Stand gebracht haben, komme ich zur Sache. »Am besten eine Suite«, sage ich, nachdem ich die Lage erklärt habe. »Aber ich bin dankbar für alles, was du aus dem Hut zaubern kannst.«
»Warte mal«, sagt er und drückt mich in die Warteschleife. »Es klappt«, verkündet er, als er sich wieder meldet. »Frag nach Luis, wenn ihr dort seid. Er wird sich um sie kümmern.«
»Ich schulde dir was.«
»Das behalte ich im Hinterkopf.«
Leise lachend beende ich das Gespräch. In der Sicherheitsbranche geht es viel um Gefallen und Gegengefallen. Heute hat diese Praxis gut für mich funktioniert – und für Jez, die mich neugierig ansieht.
Ich lächele triumphierend. »Man sollte nie gegen das Haus setzen.«
»Na, dann los«, sagt sie nur, und obwohl ihre Stimme streng klingt, höre ich einen amüsierten Unterton.
Wie versprochen kümmert sich Luis gut um Del und Jez. Er gibt ihnen beim Check-in Pseudonyme, weist ihnen eine Suite auf einem Flur mit privatem Zugang zu, und die Suite besteht aus zwei Schlafzimmern, die ein riesiges Wohnzimmer miteinander verbindet.
»Ich hoffe, es gefällt Ihnen?«, fragt Luis.
»Es ist großartig«, versichert Jez ihm.
»Hier sind Sie jetzt sicher«, sage ich, nachdem Luis gegangen ist. Er hat versprochen, sich persönlich darum zu kümmern, das Gepäck der beiden Frauen aus dem Crown herbringen zu lassen. »Morgen Abend hole ich Sie um acht Uhr ab.«
»Wir treffen uns am Thyme«, entgegnet sie und lächelt dann unschuldig.
»Nun gut. Aber kein Mineralwasser mit Zitrone.«
»Abgemacht«, nickt sie.
»Darauf solltet ihr euch die Hand geben«, bemerkt Delilah, die gerade aus dem Zimmer kommt, das sie für sich gewählt hat.
Bislang hatte ich kaum Zeit, sie mir genauer anzusehen, aber es ist unschwer zu erkennen, warum sie ein Star ist. Sie ist zwar erst achtzehn, wirkt aber viel reifer. Gleichzeitig hat sie jedoch etwas Unschuldiges an sich, so als wäre sie ein bisschen zu behütet aufgewachsen.
Sie ist kleiner als ihre Schwester und dünner. Für meinen Geschmack fast zu dünn.
Ihr Gesicht ist klassisch schön geschnitten, doch wirkt sie nicht kühl, weil es von Sommersprossen übersät ist. In ihren Augen blitzt der Schalk, trotz der erst so kurz zurückliegenden Szene mit den Fans, und man sieht leicht, wer von den beiden Schwestern die ernstere ist.
»Noch mal danke«, sagt Delilah wohl zum tausendsten Mal. »Für die Rettung und für das Zimmer.«
»Noch mal: gern geschehen«, erwidere ich, worauf sie grinst.
»Er war gut, findest du nicht?«, sagt sie zu Jez gewandt.
»Grob und arrogant«, erwidert Jez und lässt ganz kurz ihren Blick zu mir huschen. »Aber ja: Er war gut.«
Ich lächele, weil ich mich vollkommen unverhältnismäßig über das Lob freue.
»Aber selbstverständlich ist er auch ein Mistkerl«, fügt sie hinzu, worauf Delilah losprustet.
»Achtung, sonst wetten wir noch mal. Und wir wissen doch beide, wie Ihre Chancen stehen.«
»Ich schlottere vor Angst.«
Mit großen Augen schaut Delilah immer wieder von mir zu ihr und wieder zu mir, wie bei einem Tennismatch. »Also bis morgen, oder? Ich bin hier.«