Das blaue Licht /Dienen - Rebekka Kricheldorf - E-Book

Das blaue Licht /Dienen E-Book

Rebekka Kricheldorf

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Beschreibung

"Alles, was du über dich weißt, ist falsch. Alles, woran du dich erinnerst, hat so nicht stattgefunden." Wie kommt ein Soldat aus dem Krieg in den Frieden? Im Grimmschen Märchen mit der Erkenntnis, nicht mehr gebraucht zu werden. "Lohn erhält nur der, der mir Dienste dafür leistet", lässt der König ihn wissen. So zieht er mittellos in den Wald, dient einer Hexe und bemächtigt sich des mysteriösen blauen Lichts, das beim Anzünden seiner Pfeife ein schwarzes Männchen erscheinen lässt. Das Männchen wird ihm fortan zu Diensten sein. Mit seiner Hilfe wird er die Menschen unterwerfen, bis ihm der König Reich und Tochter überlässt. Rebekka Kricheldorf lotet das Grimmsche Märchen neu aus. Das schwarze Männchen scheint eine Kopfgeburt des zurückgekehrten Soldaten zu sein. Auch er steht vor dem Nichts und versucht sich zurechtzufinden in einer Gesellschaft, die sich in degenerierter Lust, anbiedernder Geselligkeit und gänzlicher Interesselosigkeit gefällt. So wird es zunehmend einsamer um den Soldaten, der zuletzt mit einem Baseballschläger in die Welt läuft. Seine Welt und Wahrnehmung gerät aus den Fugen. Was ist Fiktion, was Wirklichkeit? Was war einmal? Und was ist? Rebekka Kricheldorfs Märchen vom blauen Licht fragt nach möglichen Biographien und individuell erlebter Wahrheit. Es war einmal ein Soldat. Es war einmal ein Junge. Es war einmal ein Mensch. Es war einmal ein Täter. Es war einmal ein Irrer. Es war einmal ein Erlöser. Märchen beginnen so und sie enden meist mit dem Satz: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute." In diesem Märchen – würde es so enden - klingt die versöhnliche Schlussphrase jedoch wie eine Drohung.

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Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Theatertexte finden Sie auf unserer Websitewww.kiepenheuer-medien.de

© 2017 Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u. a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH erworben werden und bedürfen der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung. Nicht genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Personen:

A

B / C/ D / E / F

Was ist grün und dämlich und sieht den Bullen ähnlich?

Die Bundeswehr, die Bundeswehr, wir scheißen auf das ganze Heer!

Demo-Spruch

Das Stück entstand als Auftragswerk des Staatstheaters Kassel.

White Trash

B's Stube.

Aputzt.

Bliegt.

B Da. Eine Wollmaus.

A Was?

B Es heißt: Wie bitte.

A Wie bitte?

B WOLLMAUS. Unter dem Schrank.

Aputzt.

B Da. Ein Silberfisch.

A Was?

B Wie bitte.

A Wie bitte?

B Ein Silberfisch. Pause. SILBERFISCH. Unter der Spüle.

Aputzt.

B Da. Ein Blutfleck.

A Wie bitte?

B BLUTFLECK. Bist du taub?

A Ich bin nicht taub, ich hör nur schlecht.

B Ich bin nicht dumm, ich bin nur'n Vollidiot. Oder was. Pause. Oder was?

Pause.

A Warum ist hier überhaupt ein Blutfleck?

B Mir ist der Eimer mit den alten, vollgesuppten Monatsbinden umgefallen.

Averzieht das Gesicht.

B Du bist so ein Trottel. Bin ich etwa in dem Alter, in dem eine Frau noch blutet? Ich hab dort bloß den Hund massakriert.

Averzieht das Gesicht.

B Für einen Mörder bist du ganz schön empfindlich.

A Ich bin kein Mörder. Pause. Hört auf zu putzen. Kann ich gehen?

B Wohin?

A An die Luft.

B Luft? Für was brauchst du Luft?

A Vergiss es.

B Schon passiert.

Aflüstert Blöde, alte Hexe.

B Sei bloß nett zu mir. Ich hab dir das Leben gerettet.

A Leben gerettet. Na ja.

B Du warst halb verhungert.

A Halb verhungert. Na ja.

B Gut sahst du nicht aus.

A Ich war schon noch lebendig.

B Mehr oder weniger. Jetzt stehst du gut im Futter.

A Gut im Hundefutter.

B Besser als nichts. Das ist Premium-Qualität. Früher hat Zerbero das bekommen. Aber den musste ich ja massakrieren. Weißt du, warum?

A Nein. Und ich will's auch nicht wissen.

B Er war nicht brav genug. Er hat meine Füße nicht mehr hingebungsvoll geleckt, sondern nur noch routiniert.

A Blödsinn. Seit ich in diesem Haushalt wohne, ist mir noch keinerlei Hund begegnet.

B Der war vor deiner Zeit.

Pause. A putzt. Riecht am Lappen.

A Ich tippe auf Rote Beete.

B Glaub doch, was du willst, du Opfer.

Aflüstert. Widerliche, alte Ekelhexe.

B Interessant. Die anderen Männer nannten mich geile Schlampe, willige Dreiloch-Stute oder Fickschlitten.

Awürgt.

B Weißt du, was dein Problem ist, Spatzenhirn? Du bist prüde wie ein Besen. Und das mit deiner Backstory.

Aflüstert. Vorgeschichte.

B Was hast du gesagt?

A Nichts.

B Ich hab’s genau gehört, Sprachmimose. So spricht man halt heutzutage.

Aflüstert. Vor zwanzig Jahren heutzutage.

B Was hast du gesagt?

A Nichts.

B Ich hab’s genau gehört. Das ist ein Fachausdruck, Spatzenhirn. Den benutzen professionelle Geschichtenerzähler. Aber davon hast du ja keinen Schimmer. Da fällt mir ein: Der Garten muss noch umgegraben werden.

A Bitte? Es ist mitten in der Nacht.

B Na und?

A Kann ich den nicht morgen früh umgraben?

B Ich finde, du solltest ihn jetzt umgraben.

A Und warum findest du das?

B Wüsste nicht, was dich das anginge. Pause. Du wolltest doch AN DIE LUFT.

A Ha. Ha.

Pause.

B Oh oh oh. Wird Zeit, dass ich mir mal wieder die Krampfadern veröden lasse. Und die Hämorrhoiden wegschneiden.

A Ich gehe.

B Wohin?

A Den Garten umgraben.

B Na bitte. Geht doch.

Aab.

Bruft A hinterher. Wessen Mitleid willst du eigentlich erregen mit deinem peinlichen Gehumpel?

Aaus dem Off. Ha. Ha.

Bposiert vor dem Spiegel. Brüllt. Für mein Alter bin ich noch ganz gut in Schuss, oder? Pause. Oder?

Akommt. Soll ich jetzt den Garten umgraben oder nicht?

B Lass mich kurz überlegen. Hm. Ich glaube, es ist jetzt viel wichtiger, dass du mir beim Bodycheck behilflich bist. Wer ist auch so doof und gräbt nachts den Garten um?

A Ha. Ha.

B Also, was sagst du?

A Was sag ich zu was?

B Zu meinem Körper, du Vollhonk.

A Dazu müsst ich ja wohl wissen, wie alt du bist.

B Bitte?

A Um entscheiden zu können, ob du für dein Alter noch gut in Schuss bist.

B Ha, netter Versuch.

A Ich sag mal: Für eine Achtzigjährige bist du top in Schuss.

B Danke verbindlichst.

A Dumm nur, dass du wesentlich jünger bist als achtzig.

B Was weißt denn du? Du wiederum: Schon ganz schön runtergerockt für deine fünfundzwanzig.

A Woher willst du wissen, dass ich fünfundzwanzig bin?

B Steht auf deiner Hundemarke. Pause. Weißt du, was die Wissenschaft behauptet?

A Nein. Und ich will's auch nicht wissen.

B Die Wissenschaft behauptet, dass im Alter der Hormonspiegel fällt und die sexuelle Gier abnimmt.

A Nicht mein Thema. Echt jetzt.

B Ich sage: Wissenschaft, Arsch offen oder was? Das Gegenteil ist der Fall. Je älter ich bin, desto geiler werd ich.

Awürgt.

B Gut nur, dass ich alle Schwänze haben kann, die ich will. Ich brauch bloß zuzugreifen.

Awürgt.

B Und wenn grad kein strammes Ding zur Verfügung steht, schieb ich mir ne Zucchini rein.

Awürgt.

Bzieht sich das Gesicht mit den Fingern nach hinten. Meinst du, ich sollte mich liften lassen? Ich könnte mir auch Fett aus den Hinterbacken saugen und in die Brüste spritzen lassen. Oder – hier – diesen Wabbel am Oberarm abschneiden lassen. Und – hier – dieser –

A Könnt'st du das mit wem anderen besprechen bitte?

B Mit wem denn? Ist doch keiner sonst da.

A Hast du keine Freundinnen?

B Freundinnen? Um Gottes Willen.

A Ex-Männer?

B Die haben längst das Zeitliche gesegnet. Hatte mein Lebtag für Gatten kein gutes Händchen. Robuste Naturen: Fehlanzeige. Ich ziehe die Versehrten an. Die Schlaffen und Schlappen, Kranken und Siechen. Opfer eben.

A Ich platz gleich vor Mitleid.

B Lach nur. Das ist ein wahrer Höllenfluch.

A Und mit wem hast du geredet, bevor ich hier einzog?

B Mit deinem Vorgänger.

A Und wo ist der jetzt?

B Hat das Zeitliche gesegnet.

A Aha. Sehr beruhigend.

B Das ist halt das, was Menschen irgendwann tun.

A Was?

B Das Zeitliche segnen.

A Ja. Irgendwann schon.

Pause.

B Was ist deine Haltung zum Thema Schamlippen-Lifting?

A Hör auf.

B Du hast gut Reden, du hast ja keine. Meine werden länger und länger, die hängen mir bald in den Kniekehlen. Die reiben aneinander beim Gehen. Pendeln seitlich aus dem Bikini raus. Das stört ganz schön! Aber kann man ja alles wunderbar weg schnippeln. Dazu eine hübsche Vagina-Verengung. Das ist ein vollkommen easy Eingriff: Der Onkel schneidet die Schleimhaut auf und zieht darunterliegenden Muskeln straff. Zur Krönung noch ein künstliches Jungfernhäutchen eingesetzt und fertig ist die taufrische Lustgrotte.

Awürgt.

B Kostet ein bisschen, aber dafür kriegt man die Möse einer Vierzehnjährigen. Und wer hätte nicht gern die Möse einer Vierzehnjährigen? Du doch auch, Spatzenhirn. Gib's zu. Pause. Hast du dir schon mal Gedanken über Anal-Bleaching gemacht?

A Es reicht jetzt.

B Ich hab ja auf eigene Faust versucht, mir die Rosette zu veredeln. Mit After-Aufhellungs-Creme. Die hemmt angeblich das Enzym, das dir den Arscheingang verfinstert. Hat's allerdings nicht gebracht! Wochenlang schmiere und schmiere ich und man sieht: Nichts. Mein Loch bleibt dunkel wie das Höllentor. Da muss demnächst der Fachmann ran!

A Bitte.

B Gut, wir versuchen was Mainstreamigeres. Das Schamhaar – Segen oder Fluch?

A Lass das.

B Das ist ein wichtiges Zeitgeist-Thema. Verdammt ungerecht: Jetzt, wo alle Welt die Rückkehr des Schamhaars feiert, fällt es mir aus. Büschelweise. Erst wurd es grau, dann fiel es aus. Meine Pflaume sieht aus wie der Hinterkopf eines alten Penners, dem ein Neonazi eins mit der Axt übergezogen hat.

Averzieht das Gesicht.

B Ach komm, das war ein lustiger Vergleich.

A Hörst du mich lachen?

B Du bist eben nicht nur prüde, sondern auch humorlos. Ich hab mit dir also die doppelte Arschkarte gezogen.

A