Das Faxenbuch - Milena Moser - E-Book

Das Faxenbuch E-Book

Milena Moser

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Beschreibung

Eine Auswahl aus den grotesk-schnurrigen Telefaxen, mit denen Autorin und Lektorin einander zur Ermunterung heimsuchen – über so weltbewegende Themen wie Schuhkauf-Sucht, Prinzen und Prinzessinnen, Meeresfrüchte und fruchtlose Arbeit und die «weltweite Schnepfenverschwörung» … Ein aufschlußreich komischer, fortlaufender Hintergrundbericht zu Milena Mosers Œuvre.

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Seitenzahl: 244

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Milena Moser • Angela Praesent

Das Faxenbuch

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Eine Auswahl aus den grotesk-schnurrigen Telefaxen, mit denen Autorin und Lektorin einander zur Ermunterung heimsuchen – über so weltbewegende Themen wie Schuhkauf-Sucht, Prinzen und Prinzessinnen, Meeresfrüchte und fruchtlose Arbeit und die «weltweite Schnepfenverschwörung» …

Ein aufschlußreich komischer, fortlaufender Hintergrundbericht zu Milena Mosers Œuvre.

Über Milena Moser • Angela Praesent

Milena Moser wurde 1963 in Zürich geboren. Sie absolvierte eine Buchhändlerlehre und schrieb für Schweizer Rundfunkanstalten. 1990 erschienen ihre Kurzgeschichten «Gebrochene Herzen oder Mein erster bis elfter Mord». Ein Jahr später schrieb sie ihren ersten Roman, «Die Putzfraueninsel», der sich schnell zum Bestseller entwickelte und dessen Kino-Verfilmung preisgekrönt wurde. Es folgten weitere erfolgreiche Romane. Seit 2015 lebt Milena Moser in Santa Fe, New Mexico.

 

Angela Praesent (1945–2009) war Verlagslektorin, Übersetzerin und Schriftstellerin.

Inhaltsübersicht

FAX reçu de: ...

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 12. August 1993

danke für den hocherfreulichen Fax, der mir aus Zürich weitergeleitet wurde (vergiß nicht, daß bei mir zu Hause die potentiellen (charmanten) Schnorrer gleich neben dem Telefon hocken …) Wie auch immer. Ich sitze hier an einem wackligen Holztischchen im hochfashionablen Oberengadin, sozusagen St. Moritz. Glorreiche Idee, mich ein bißchen zurückzuziehen. Höhenluft soll ja gut sein fürs DENKEN, schon Nietzsche konnte nichts dagegen sagen. Nur hatte der wohl kein 5jähriges Kind dabei, und keinen HAUSHALT zu besorgen … Liebe Angela, falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, dies ist ein typischer Schriftstellerinnen-Jammerbrief, wie du sie wahrscheinlich zu Dutzenden bekommst, um so besser, dann weißt du auch, damit umzugehen (das sag ich nur so großspurig, weil ich weiß, daß ich den Brief hier oben eh nicht ausdrucken kann, also …) Wie ich mir einbilden konnte, bei tagtäglicher Alleinbeanspruchung durch meinen wunderbaren und höchst geschwätzigen Sohn, plus die ganze Einkaufen-, Kochen-, Abwaschen-, Aufräumen-Scheiße (entschuldige meine Wortwahl) auch noch zum Schreiben zu kommen, ist mir schleierhaft. Irgendwo muß bei mir eine Schraube locker sein. Für wen halte ich mich? Bessere als ich haben den Kopf in den Backofen gesteckt!

Ich weiß, was ich jetzt mache. Ich fange wieder an zu rauchen. Habe nämlich seit einer Woche nicht geraucht, nicht geschrieben und mit keinem Erwachsenen geredet.

Zigaretten hab ich gefunden, aber keine Streichhölzer.

Wahrscheinlich liegt der ganze Jammer, außer am prämenstruellen Syndrom natürlich, nur daran, daß ich mit «dem Buch» gnadenlos steckengeblieben bin. Wenn du mich fragst, ist es der größte Bullshit, für den je eine Tastatur mißbraucht worden ist. Ach, ach, ach. Wie kannst du nur das Wort GENÜSSLICH im Zusammenhang mit Schreiben benutzen?????? Tausche 20000 Vorbestellungen gegen Genüßlichkeit, jederzeit.

 

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 12. August 1993 page 2

 

Aber das Schlimmste weißt du noch gar nicht. Falls ich nämlich je wieder weiterkomme, wird wohl ein rechter SCHUNKEN daraus werden, du weißt schon, fünf verschiedene Handlungsstränge und so weiter. Was Amerikanisches. Was Handfestes. Was immer. Leider hab ich das erst nach hundert Seiten gemerkt, als ich dachte, so langsam gegen Schluß zu kommen. Eigentlich reizt es mich ja schon SEHR, einen solchen Schunken zu schreiben, nur, kann ich das? Kann ich überhaupt etwas? Gibt es nicht schon genug schlechte Bücher auf der Welt (und drei davon von mir)?

Dabei wäre es eine schöne Geschichte, so eine Art Bandenkrieg à la West Side Story, die guten Hausfrauen gegen die schlechten Mütter, und in der Mitte immer dieser Mann, und am Schluß kommt alles gut … eben, wie mein Freund, der rasende Reporter, immer sagt: ES KOMMT ALLES GUT. Hin und wieder hat er auch recht.

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 28. August 1993

damit du dir ein Bild von meinen Leiden machen kannst, schick ich dir nachträglich noch einen Jammerbrief, den ich in den Bergen verfaßt habe. Das alles nur, weil du dich erfrechst, am Schreiben etwas Genüßliches zu finden!

Wie auch immer, unterdessen sitze ich wieder in meinem Büro, habe den Faden wiedergefunden und sogar eine, wie ich mir einbilde, rettende Idee.

Nächste Woche fahr ich für drei Wochen nach Bagnols, mit Kind und Reporter und Computer, danach ist Lino DREI WOCHEN bei seinem Vater und in der Zeit sollte, wollte ich eigentlich das Buch fertigmachen (bevor es mich fertigmacht, haha). Wenn ich in Bagnols keine größeren hysterischen Anfälle habe, ruf ich dich an. Ich hab selber leider oder zum Glück kein Telefon.

Was ich noch fragen wollte: Muß ich nach Frankfurt? Wenn ja, wann und wie lange? Denn die Buchmesse fällt genau in meine drei kinderfreien Wochen und ich würde eigentlich lieber durchschreiben (und danach ein neues Leben anfangen, ein besserer Mensch werden und ein Fitneßvideo herausgeben). Aber wenn ihr mich ruft, komme ich natürlich.

Ich überlasse dich jetzt der Aufzählung meiner diversen Leiden und grüße dich ganz herzlich

 – FAX von: Angela Praesent –

29. August 1993 –

toll, wenn da plötzlich was aus dem Kasten quillt, nur hat mich gestern abend die Lust nach einem Glas im Freien zu mächtig überfallen und ich hab das Antworten verschoben.

Von Buchmesse-Zwängen für Dich weiß ich nichts. Sollte Dich eine Pressetante von Rowohlt noch ködern wollen, sag einfach nein, Du bist am Schreiben. Das kannst Du Dir nun wirklich leisten. Das Schlampenbuch kommt prima ohne Dich zurecht.

Nix da, Backofen – nur für Quiches, nicht für Köpfe. Vor allem jetzt, mit Mikrowelle. Bah. Ruf mich auf alle Fälle aus Bagnols an, und speziell und gerade dann, wenn’s hysterisch anfällt. Dann sag der Schunken-Schreiberin einfach, sie soll weitermachen, Dich ging’s nichts an. Du guckst ihr nur manchmal über die Schulter, aber wenn sie’s geniert – bitte, auch recht.

Zu fragen, ob Du oder sie so einen Schunken schreiben kann, hieße doch, irgendwer wüßte, wie so ein Ding geschrieben gehört. Die überhaupt interessanten Dinger erfinden aber ihre Regeln selbst, und nur für ihren eigenen Fall. Miles Davis: «Don t play what you can. Play what you can’t.» Voilà. Klar, es kommt alles gut. (Gefällt mir noch besser als mein diesjähriger Klagenfurt-Lieblingssatz: «Sie heiraten wie am Spieß.»)

Hier sagen fette graue Wolken, ich soll gefälligst was schaffen und nicht schwimmen, nicht in Cassis oder in Aix Herbstklamotten gucken gehn. Ob ich gehorche?

Siehst Du, kaum DARF ich mal schreiben, mischt sich der Qual-Aspekt auch schon wieder ein.

Herzliche Grüße, und ich hoffe, es gibt ein sympathisches Bistro in Bagnols.

FAX reçu de: Milena Moser

Created: Montag, 23. Mai 1994 11:19 Uhr

 

Chère Angela!

Bin aus Kairo zurück, gesund und unverschleiert, aber schwanger. Paßt ja ganz gut zu dem Buch (dabei hatte ich ehrlich gesagt gerade jetzt das dringende Bedürfnis, wieder mal zu schauen, ob es nicht noch was anderes gibt im Leben als KINDER). Apropos Buch, habe meine ganze Post durchwühlt und KEIN Leseexemplar gefunden.

Warum?

Was gibt es Neues?

Noch eine Frage: seh ich dich am 4. Juni in Reinbek?

Weiß noch nicht, ob ich wirklich nach Bagnols fahre, wir werden sehen. Ich grüße dich auf ägyptisch: welcome no problem!

 – FAX von: Angela Praesent –

23. Mai 1994 –

gut, daß Du ungeschoren wieder da bist. Stimmt, ich hab auch noch kein Leseexemplar gesehen – warum, krieg ich morgen raus, wg. Pfingsten, ja?

Zu der biologischen Neuigkeit: ich bin da von monströsem Inspirationsmangel. (Gratulieren?) Vielleicht kannst Du ja einen Super-Bestseller schreiben (ob Du in diesem Punkt bereits Vorsorge oder Vorarbeit geleistet hast, wird ja SOWIESO bald klar sein) und vom Ertrag eine diplomierte englische Nanny mit spitzem Finger rumkommandieren? Meiner Beobachtung nach geraten so gewickelte Geschöpfe auch nicht schlechter. (Eine Frau mit dieser Strategie hat mir mal erklärt: «Ich habe mir meine Kinder immer nur satt und duftend abends vor dem Schlafengehen überreichen lassen.» Die schienen gut gediehen zu sein.)

 

 – FAX von: Angela Praesent –

23. Mai 1994 page 2 –

 

In Reinbek hab ich eigentlich im Juni nichts zu suchen; und ich war im Mai schon viermal auf Trip … Wenn wir uns doch in Bagnols sehen könnten, wär das prima.

Herzliche Grüße von der

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 1. Juni 1994 18:58 Uhr

 

Liebe Angela

das Geld hab ich bekommen, das Leseexemplar auch! Sieht gut aus! Hineinzuschauen trau ich mich noch nicht, bald werd ich aber nicht mehr drum herum kommen. MEINST DU WIRKLICH, DAS KOMMT GUT MIT DEM BUCH????

Bagnols fällt dieses Jahr leider ins Wasser wegen diverser Schulvorbereitungsveranstaltungen. Es ist mir gelungen, Lino in einer der drei öffentlichen Tagesschulen in Zürich unterzubringen (wird mir ja nun nicht viel nützen, aber trotzdem. In der Schweiz muß man sich über den geringsten Fortschritt freuen)

Was den Vater angeht: das kommt schon gut, meint er (was denn sonst) Was mich im Moment am meisten beunruhigt, ist die Tatsache, daß ich bereits so fett bin wie ein Walroß und gut und gern im fünften Monat geschätzt werde. Wichtigere Fragen werden vorläufig noch verdrängt.

Wünsch mir Glück bei der Lesung vor den Buchhändler-Stiften (dt.: Azubis)!

Lieben Gruß

FAX reçu de: Milena Moser

Created: Mittwoch, 29. Juni 1994 12:42 Uhr

 

Liebe Angela

 

mal sehen, ob deine Leitungen funktionieren! Thomas hat eine DIÄT (!!) angefangen und so führen wir nun alle gezwungenermaßen ein schrecklich vernünftiges Leben. Das ich wohl nicht lange durchhalten werde (Tomaten mit Mozzarella, aber ohne Mozzarella und ohne Olivenöl …) Gestern habe ich Peter Zeindler im Supermarkt getroffen, dem ich eine Geschichte für seine Krimianthologie versprochen und komplett vergessen hatte. Abgabetermin gestern. Außerdem sind noch zwei Artikel aus Kairo fällig, noch keine Zeile geschrieben und sowieso ist das alles schon viel zu weit weg. Würde mich also besser wieder an die Arbeit machen. Es ist heiß, und alle anderen liegen am Seeufer. Nur ich nicht. Gemein!

 

Lieben Gruß mm

 

PS: Hochzeit: Die Braut hatte eine Frisur wie in Hairspray und eine Freundin war so besoffen, daß ihr dauernd die Zigarette aus dem Mund fiel. Ich hab sie aber jedesmal wieder aufgehoben und zwischen ihre Lippen gesteckt. So bin ich eben.

 

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 29. Juni 1994

 

LIEBE ANGELA

 

NOCH WAS WICHTIGES HAB ICH VERGESSEN: OB DU NICHT BEI GELEGENHEIT MAL NACHFRAGEN KÖNNTEST, OB DIE2. HÄLFTE VORSCHUSS UNTERWEGS SEI …? ALL DAS VIELE SCHÖNE GELD HAB ICH LEIDER RESTLOS AUSGEGEBEN, WOFÜR WEISS ICH NICHT MEHR, ABGESEHEN VON DEN UNS BEKANNTEN AUSRUTSCHERN … DAS NÄCHSTE MAL HÖR ICH AUF DICH UND KAUF MIR ETWAS HANDFESTES DAFÜR (eine batteriebetriebene Nanny?)

 

DANKE TSCHÜS MILENA

 

 – FAX von: Angela Praesent –

6. August 1994 –

 

Liebe Milena, grade piepte das Fax mal wieder, ohne zu spucken, und da dachte ich, schick doch der Milena mal einen Gruß und frag, ob sie eigentlich weiß, daß sie schon wieder einen Bestseller fabriziert hat, daß letzte Woche die erste Blondinen-Auflage schon fast weg war …

Obwohl Du noch nicht mal tourst.

Und benimmt sich das leibliche work in progress okay? Überwacht das Zahlengenie die Honorarbuchhaltung?

Wenn Du mir auf einer halben Seite das nächste Fabulierding skizzieren magst (nur falls sich entscheidend was geändert hat seit circa Mai), sorge ich Ende August/Anfang Sept. gern für neue Raten. Waren die letzten eigentlich in Ordnung? Oder wäre eine andere Lösung geschickter?

Laß es mich wissen, die hier nur schwitzt und übersetzt und schwimmt.

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 15. August 1994

Das war nicht ich, die gepiept hat, aber trotzdem: danke für die guten Nachrichten. Ein Bestseller käme wie gerufen, bzw. das Geld, das dranhängt … Ich habe gerade zehn Tage bewegungsunfähig im Bett liegend verbracht (irgendein Nerv eingeklemmt), auch schwitzend, aber nicht schwimmend. Lino war mit seinem Vater in Bagnols und ich bin eifersüchtig, habe bereits zehn Kilo zugenommen, sehe aus wie ein Walroß und muß mich nun (zeitweise) von Früchten ernähren. Überlege ernsthaft, mir das Buch «Die Icecream-Diät» zu bestellen (Millionen fette Amerikaner können sich nicht irren, außerdem hat Zürich jetzt auch seinen Hägendasz) Was das neue (Buch) angeht, so hat sich noch nichts groß getan, beziehungsweise, je länger ich daran arbeite (n werde), desto mehr wird sich ändern. Vorläufig kannst du mich noch auf dem behaften, was ich dir geschrieben habe. Ich glaube, es wäre nicht schlecht, wenn so auf Ende Jahr hin wieder Raten kämen.

 

Wünsche dir schöne Tage in Cotignac

sei froh bist du dort und nicht da!

Herzlich

M.M.

 

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 28. August 1994

 

Liebe Angela, die Buchvernissage in Zürich war nicht so toll (wie es ein Freund von mir formuliert hat: «Es war super, nur schade, daß man dich nicht gehört hat und daß das Licht so schlecht war und daß diese Vase vor deinem Kopf stand …») Zum Vorlesen eignet sich das Ding aber ganz gut und ich bin ziemlich ausgebucht. Außer dem einen oder anderen Tippfehler, den ich zufällig gesehen habe, ist mir nichts aufgefallen, andererseits habe ich es jetzt auch nicht richtig gründlich durchgelesen. Falls das nicht sowieso schon jemand tut, würd ich es machen, allerdings ungern (wer liest schon gern sein eigenes Zeug?)

Ansonsten leide ich unter den Auswirkungen des über die Maßen schmeichelhaften Umschlagfotos. Ich kann es kaum glauben, daß ich mich in drei Jahren so verändert haben soll. Sogar Frau Ohlbaum selber, die ich vor ca. einem halben Jahr hier an einer Vernissage getroffen hatte, konnte sich kaum mehr beruhigen. Sie waren doch früher mal so hübsch, hat sie gesagt. Kürzlich ist ein junger Filmemacher extra mit dem Auto aus Norddeutschland angereist, um mich kennenzulernen. Als er mich aber in natura sah (Brille, Bauch und keine Lederjacke mehr aus naheliegenden Gründen), fiel ihm ganz schnell ein, daß die Blondinenträume eigentlich gar nicht sein Thema sein können, und weg war er. Ein Radiomensch entschied plötzlich, das Interview doch lieber am Telefon zu machen, als ich ihn sanft darauf hinwies, daß er mich nach dem Foto kaum erkennen würde. Das alles schlägt mir einigermaßen aufs Gemüt. Ja, du lachst jetzt, aber meinst du nicht, man sollte mit der Zeit etwas naturgetreuere Bilder nehmen? Ich sage das nur, weil ich zufällig einen Fotografen kenne, der sich auf die ungeschminkte Realität spezialisiert hat. Andererseits könnte ich mir ja auch Kontaktlinsen zulegen …

Ruf mich doch bitte am Montag oder so an, wenn ich noch Zeit für ein gründliches Lesen und Korrigieren hätte.

Bis dann

 – FAX von: Angela Praesent –

3. September 1994 –

Dir gehört was auf den Po! Klar, neue Fotos – und zwar zwei Monate, nachdem das Baby da ist. (Private natürlich auch vorher.)

Was die taktvollen Besucher/Nicht-Besucher/Fluchtbesucher angeht: daß es Leute gibt, die mit Fortpflanzungsprojekten ihre Schwierigkeiten haben, ist Dir bestimmt nicht neu. Da Du’s trotzdem so entschieden hast, wirst Du auf solche Leute halt mal ein paar Monate verzichten. Hochnäsig, bitte.

Im übrigen warst Du sehr schön, als ich Dich auf dem Zürcher Flughafen gesehen habe. Vielleicht anders als vor drei Jahren, aber es ist ja auch was geschehen seitdem, oder? Bah, wie langweilig diese unbeschriebenen Puppengesichter. Brillen sind in, Lederjacken, na ja.

ES GIBT KEINE MENSCHENPFLICHT, UNVERÄNDERT ZU BLEIBEN.

Mit der Eiscreme-Diät hast Du vollkommen recht: Marlon Brando hat ein imposantes Lebenskonzept darauf errichtet. Aber es gibt, wie für viele Widersprüche, auch für diesen (Eiscreme versus Früchtekur) eine elegante Synthese: man nehme beliebige reife Früchte, wie Aprikosen, Bananen, Feigen, Trauben, Pfirsiche, in beliebiger Mischung, tue sie ohne Kerne in eine Schüssel, halte einen Mixstab rein und befördere den Brei – ohne alle weiteren Zutaten – ins Gefrierfach. Nach ca. 2 Stunden kann man sich an Sorbet zum Eskimo fressen. Und alle Gäste damit kaltstellen. (Provençalische nouvelle cuisine.) Hägendasz ist auch bah.

Am 19. bin ich in Hamburg, da mache ich Deine nächste Apanage klar. Aber wie hoch soll die Monatsrate vernünftigerweise sein? (Bitte mit Leib-Mathematiker LINO diskutieren.)

Nach wie vor – fordere mich an, wenn Du was besprechen möchtest. Ich schwöre auf Cross Air Marseille-Zürich-Pampa. (Außer, daß man nicht rauchen darf. Pff.)

 

Herzliche Grüße Angela

 

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 7. September 1994

du hast natürlich recht. Eitelkeit wird sofort bestraft. Hab ich dir die Geschichte von dem Fotografen erzählt, der sich nicht traute, mich auf eine türkisfarbene Kruste entlang des Unterkiefers aufmerksam zu machen (Rest der vorbeugend aufgetragenen Schönheitsmaske …)? Die nächsten Bilder also mit Kinnbart. Nicht genug damit, hab ich mir diese idiotischen Kontaktlinsen gekauft. Weil, ich hab ja am Freitag geheiratet (ich weiß, ich weiß) und wollte nett aussehen. Leider hab ich sie am selben Abend im allgemeinen Überschwang der Gefühle in ein Kleenex gespült und weggeworfen. Anstrengende Sache, das Heiraten. Aber das wußte ich ja schon.

Na ja, du weißt, Kontaktlinsen sind nicht gratis und wenn man bedenkt, daß ich schon zwei Brillen und eine korrigierte Sonnenbrille habe … Ansonsten bin ich aber recht vernünftig geworden. Vier Paar Schuhe sind alles, was ich mir seit dem letzten Mal geleistet habe. Seien wir ehrlich, fünf. Dafür billige (d.h. ich kann sie bald wieder wegwerfen. Vernünftig nehme ich zurück). Also was die Vorschuß-Raten für das nächste Buch angeht, so weiß ich eben auch nicht. Vielleicht wäre es wirklich gescheiter, kleinere Häppchen auszuzahlen? Ich verlasse mich da voll auf dich. Aber erst einmal müssen «sie» «es» ja noch nehmen. Auf Lino ist auch kein Verlaß mehr, der kürzlich seine sämtlichen Goldvreneli zur Bank tragen und verkaufen wollte, um sich die größte, je geschaffene Lego-Eingeboreneninsel zu kaufen. Immerhin war er klar genug, um eine Zeitung anzufordern und sich vorlesen zu lassen, wieviel das Gold im Moment wert sei. So kam der Plan ans Licht und es blieb mir überlassen, einen kiloschweren Sparlöwen ins Warenhaus zu schleppen und die Zwanziger zu sortieren, bis es für eine kleinere Inselausgabe reichte. Kurz, Lino ist auch bankrott.

Herzliche Grüße

 – FAX von: Angela Praesent –

8. September 1994 –

 

Liebe Milena,

 

Zehennägel noch feucht, Haare nicht gekämmt, Tasche nicht gepackt, Auto nicht betankt, aber ich muß jetzt GLEICH nach Marseille zum Flughafen.

Weißt Du eigentlich, was ich in Wien noch mal soll?

Wo das Meer hier sublim ist, das Haus leer, der Kaffee noch nicht ausgetrunken und lauter pralle FAZen rumliegen?

Mein Vertrauen in Lino ist gestiegen! Gold ist unproduktiv (wie Versicherungen), eine Lego-Insel nicht.

Ich bespreche das mit der Sekretärin Christel Jensen, die ist für realistische Erwachsenensummen gut.

Über Schuhe etc. Montag.

Wirklich, es gibt noch viel zu faxen, aber nicht gleich.

(Auf geht’s.)

Herzliche Grüße

 – FAX von: Angela Praesent –

13. September 1994 –

 

Liebe Milena,

 

trotz Sündfluten zu Lande und in der Luft bin ich wieder in Cotignac – und versuche, alle losen Fäden irgendwie zu verknotteln.

Leg doch mal ein Über-Daumen-Budget an:

Ein Schweizer zahlt für Wohnung zur Zeit 20 % seines Einkommens.

Wieviel zahlst Du? (Abzüglich der Beteiligungen erwachsener Mitbewohner.)

Nimm das mal 5, als zu erreichende Grundeinkommenszahl.

Dann könntest Du Dir diesen Plan machen:

 

 – FAX von: Angela Praesent –

13. September 1994 page 2 –

 

20 % Wohnung

15 % Strom, Telefon, Versicherungen

15 % Steuer

10 % Rücklagen (GANZ WICHTIG, Unternehmen Dagobert)

10 % Dienstleistungen (Nanny etc.)

30 % Leben und Luxus

Könnte es so klappen? Nimm das mal für ein paar solide Minuten ernst (dann geht’s ganz bohemig weiter).

Wenn ich nichts von Dir höre, nehme ich an, daß Du … Vorauszahlung brauchst, in monatlichen Raten.

Ich habe heute den ganzen Tag nur mit Zahlen jongliert und bin komplett phantasielos – entschuldige bitte, ich komm schon wieder zu mir.

Herzliche Grüße von der

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 14. September 1994

 

ANGELA!!! Bist du wahnsinnig geworden? So viel? in monatlichen Raten? Das würde ja heißen, daß ich für nächstes Jahr bereits ausgesorgt hätte. Mach mich nicht fertig. Wieviel ist das in Schuhen?

Ja, nehmen würd ichs schon, aber vielleicht bräuchte ich ein Sperrkonto oder so etwas. Meinst du das ernst im Ernst? Dann müßte ichs ja außerdem auch noch schreiben oder nicht? Vielleicht überlaß ich das besser Lino, der erst kürzlich gesagt hat, also wenn das nächste Mal so ein Roboter vom Robot-Verlag anruft, dann frag ich ihn selber, wie das jetzt ist mit deinem Geld.

Ich selber werde jetzt in die Stadt gehen, um das Geld auszugeben, das ich noch gar nicht habe. Etwas durcheinander

 – FAX von: Angela Praesent –

14. September 1994 –

Also, in Schuhen standesgemäßester Qualität sind das bloß läppische 100 Paar, und als die permanent flanierende bag lady, die Du bei dieser Investitionsform dann natürlich wirst, brauchst Du die auch glatt. Wenn Du’s nach meinem Daumenplan betrachtest, reduzieren sich die Schuhe schon arg. Für Mozzarella-Tomaten ohne Mozzarella reicht’s aber.

Ich spinne überhaupt nicht – jedenfalls nicht ökonomisch, ich will nur dem Roboter-Verlag signalisieren, daß Deine allseits einträgliche Arbeit unterfüttert werden muß. (Unterfüttert, nicht etwa trivial materiell gestopft. Wenn man so Ober-Roboter nicht ein bißchen fordert, achten sie einen weniger.)

Aber bitte – wenn Du’s lieber etwas putziger und kindfraulicher hättest, biete ich mich mit Vergnügen als Taschengeld zuteilendes Sperrkonto an. Dann würdst Du mir zwar nur noch beleidigte Miesepetereien ins Fax pusten, aber ein Haus hättest Du schnell.

Ganz wie Du willst.

Wieso bist Du überhaupt zu Hause? Beginnt die Leseachsenochsentour erst nach der Buchmesse? Oder bist Du auf Mutterschaftsstreik?

Wenn ich jetzt nicht aufhöre, mit Dir zu plaudern, bin bald ich wegen nachweislicher Pflichtvernachlässigung eine bag lady und muß jaulend nach Zürich gelatscht kommen. Die Gewitter haben auch aufgehört, und damit habe ich gar keine Ausrede mehr, von wegen Blitzgefahr für Computer oder so.

Herzlich und diszipliniert grüßend –

 – FAX von: Angela Praesent –

15. Oktober 1994 –

übrigens hab ich Deine Schuh-Währung richtig fortschrittlich gefunden, nachdem ich die Preisliste von Waren in Europa zur Wikingerzeit (ca. 800) gelesen habe:

In Gramm Silber:

Kettenhemd

820

Pferd

300–478

Helm

410

Sklave

306

Sklavin

204

Kuh

100–137

Schwein

30

Mantel

12

1 kg Getreide/Messer

3

10 Hühner

1

Bitte mit Lino diskutieren! (1 Gramm Silber steht heute bei ca. 0,20DM, aber das ist bloß wegen all der Maschinen und lenkt nur von den spannenden Relationen ab.)

Hier in Brignoles gibt es zwei Schuster, einen wunderschönen Sohn und einen strahlenden, knittrigen Vater, die Schuhe noch machen können, von Anfang an. Und mit denen unterhalten ich und G. uns manchmal, weil der, selten, sehr teure Schuhe kauft (die er sechs Jahre plus trägt) und die er für gewisse Vorbeugearbeiten etc. zu diesen Schustern bringt, die dann endlich mal the state of the art diskutieren können und nicht immer nur Pappmache zu flicken kriegen. Das ist so toll anzuhören, daß ich nach einem Schuhmodell Ausschau halte, das ich mir von denen anfertigen lassen könnte – im besten aller Leder, mit den edelsten, klügsten Nähten an genau den richtigen Stellen und so; Sandale, Pumps, Hosenstiefel; mehrere Anproben. Und vielleicht je in zwei, drei Exemplaren: Dann könnte man alle Schuhläden hochmütig für Jahre vergessen. – Was hältst Du von diesem Suchtangebot? Stehen nicht handgemachte Schuhe Frauen, die sich ihre Bücher selber schreiben, zu? Könnte natürlich ein halbes Wikingerschwein kosten, aber weniger als eine Sklavin. (In Wien soll es auch so einen Schuhmacher geben; bei dem bestellen sich alle Fotografinnen ihre Schuhe, weil die so viel zu Fuß unterwegs sind und soviel schleppen müssen.)

 

 – FAX von: Angela Praesent –

15. Oktober 1994 page 2 –

 

Während Du auf Deiner Lesetour Deutschland aufgeklärt und Tränen provoziert hast, war ich jeden Frühnachmittag in Cassis im puderhellblauen Meer schwimmen, das plötzlich wieder richtig warm geworden ist. Ein paar riesige Felsklötze sind von der Steinkante runtergebrochen, so sauber quaderförmig, als hätte ein Pharao sie bestellt. Und es gibt frisches Seegetier und massenweise Sanguin-Pilze zu essen. Nach der Buchmesse finde ich diese hier die beste aller sowieso unmöglichen Welten. (Kann sich aber rasch ändern.)

Kriegst Du die Wohnung hinter dem Verbesserer-Rücken auf einen akzeptablen Zwischenstand? Ich meine, wind- und wasserdicht sowie staubnormalisiert? Mit Hilfe von Zwischenhilfsverbesserern?

Herzliche Wochenendgrüße von der

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 17. Oktober 1994

 

dear angela

 

Du bist mir eine schöne Schnepfe!! Erzählst mir von hellblauem Meer und frischem Fisch, von handgenähten Schuhen ganz zu schweigen, und das mir, die ich gerade eine Woche in der eutschen Bundesbahn zugebracht habe!! Nur halbwegs gefaßt sehe ich fünf weiteren Mahlzeiten im Speisewagen entgegen. Mein nächstes Projekt heißt «Wie man aus Niveacreme eine Salatsauce herstellt». Im Ernst, die Sache ist enorm anstrengend, aber ich bin immer noch nicht dahintergekommen, warum. Physisch ist das einzige Problem die Reisetasche.

 

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 17. Oktober 1994 page 2

 

Die Lesungen waren bis jetzt auch in Ordnung. Wahrscheinlich liegt es an den immer anderen Situationen/Leuten, auf die man sich einläßt. Und irgendwie scheine ich zuwenig Divamoleküle auszuschleudern, so daß immer ich es bin, die die Anwesenden hätschelt und auf ihre Launen/Nervosität/Eifersüchteleien/was immer eingeht. Sollte es nicht eigentlich umgekehrt sein? Dafür habe ich Exemplare der Buchhändlerrasse angetroffen, die ich für ausgestorben hielt (selbstgestrickte Pullover bis zum Knie, runde Brille).

 

Ansonsten übe ich mich im positiven Denken, bis mir die Kiefer wackeln (ist es nicht schön, allein zu reisen? Die Landschaft zu beobachten? Zeit haben, um nachzudenken???? (Worüber?)) In Kiel hatte ich eine Schwäche und wurde fast ohnmächtig, aber das Hotelzimmer war Gott sei Dank zu klein, um umzufallen. Jedenfalls glaube ich, die ganze Erfahrung ist ein bißchen an der Grenze des Machbaren, aber ich Versuchs jetzt durchzuziehen. Allerdings glaube ich nicht, daß ich die zehn Lesungen im November in der Schweiz dann auch noch alle schaffe.

Na ja was solls. In einer Stunde geht mein Zug nach Ulm, wo ich immerhin jemanden kenne. Über Silberschuhe reden wir ein andermal.

Es grüßt dich aus dem hellen Meer des Selbstmitleids

 – FAX von: Angela Praesent –

17. Oktober 1994 –

 

Liebe Milena,

 

nur noch diese Woche! (Die Schweizer Termine im November solltest Du wirklich zumindest radikal ausjäten. So eine gute Ausrede findest Du so schnell nicht wieder.)

Interessant, daß auch Du bei Lesungen offenbar in die Therapeuten- und Pfarrerrolle rutschst; so scheinen sich die Leute einen fast kostenlosen Extrakick zu beschaffen, eine Zugabe zum gekauften Buch. Sie pumpen einen ganz eigenartig ab.

Bis Du am Freitag zurückkommst, hab ich die Formel für die transportable Salatsauce, Ausführung Diva Nomadina, fertig. Ich meine, es muß eine Menge Knoblauch ran, zur Distanzverstärkung. Und statt Nivea … mal sehen.

Als Erste Hilfe für die Reiseödheit schlag ich eine Dosis Kino pro Stadt vor. (Soll auch kalorienmäßig günstig sein.)

Herzliche Grüße von der zynischen Schnepfe

 – FAX von: Angela Praesent –

23. Oktober 1994 –

 

Liebe Milena,

 

bist Du ohne weitere Faiblessen wieder sicher daheim?

Hast Du in den Buchhandlungen aus dem Augenwinkel auch das Schmelzen der Stapel Deiner Bücher registriert und im Kopfe hochgerechnet? Leider kann ich Dir noch ein paar Tage keine aktuellen Zahlen zur Belohnung servieren, weil Frau Jensen in Ferien ist. Auf der Putzfraueninsel.

Ich hoffe, Du warst verantwortungsbewußt auf der Bank ablegen, denn eines ist sicher: das Baby unter Deinem Herrrzen wird mal ein reisewütiges, somit kostspieliges Balg. (Oder ein extremer Nesthocker, der/die/das nicht mal Straßenbahn fahren mag, weil es so früh ICE kutschieren mußte, und die brauchen dann gräßlich viel Liebe, Bücher, Tempotaschentücher, Brillen, Pantoffeln, Computer und sonstige Sehnsuchtsgeräte. Auch nicht billig.)

Aber was ich dringend sagen wollte – – – und Du bist der einzige Mensch, der meine Abscheu und Empörung verstehen wird: in welchen Zeiten des moralischen Verfalls leben wir eigentlich? Ich meine, da opfert sich eine glückliche Kindergartentante für ihr Land, ergreift schweren Herzens einen Beruf, in dem man NIE in der Nase bohren oder sonstwie kleckern kann, untenrum platte Schuhe und obenrum britische Unmöglichkeiten tragen muß und außerdem nationale Zuchtkuh ist – und ein paar Jahre später wird sie von ihrem Geschäftspartner lauthals desavouiert: Ehe von Anfang an ein Desaster, Liebe-von-wegen, Frau bah und psychiatriereif?

Und wenn sie mal, was ihr nun wirklich zusteht, im Garten mit dem Reitlehrer gevögelt hat (wozu sind Reitlehrer – der Reitpädagogenverband möge mir verzeihen – sonst je gut gewesen, die wollen doch nichts anderes, wie jede unternehmungslustige Zwölfjährige weiß), wird sie vom Geheimdienst ihrer dankbaren Nation gefilmt? Jetzt könnte man ja einfach sagen: einer der höchsten Werte – gentlemanship – ist morsch geworden, muß mit zentnerweise Pattex restauriert werden wie die Akropolis, aber das ist wohl, alas, nur ein Sonderfall des männlichen Selbstbildes, in dem es heute so bröselig aussieht wie in einer Keksdose von Weihnachten 57. Aber nein, die Lage ist noch viel furchtbarer.

 

 – FAX von: Angela Praesent –

23. Oktober 1994 page 2 –

 

Die Dekadenz hat die Frauen erfaßt. Denn nun äußern sich schon – öffentlich! im Fernsehen! – Begleiterinnen obengenannten Geschäftspartners mit dem harten Beruf über dessen sexuelle Performanz: «Wham, bam, thank you Ma’am» – so schockierend lautete die Rezension. Wissen diese Törichten denn nicht, daß sie den Gesellungs-Markt ruinieren? International?

Nun frage ich Dich, was können wir letzten Tugendhaften TUN, um ein Mindestmaß an Gesittung wiederherzustellen? Sollen wir einen offenen Brief lancieren, mit langer prominenter Unterschriftsliste, in dem wir unseren Intimpartnern (gewesenen und künftigen) Stillschweigen und das Recht auf Experimente sowie auf deren Scheitern garantieren? Selbstverständlichkeiten?

Um den zu publizieren müßten wir aber am Ende noch wieder … zahlen! Nur, wie sonst können wir das letzte Lustschutzgebiet retten, bevor gar keiner mehr hingeht, weder Prinz noch good-looking bastard?

Ich bitte um ein klärendes, Deiner bewährten Weisheit entspringendes Wort. So kann es nicht weitergehen.

In tiefer Sorge um die Grundlagen der Gesittung und um die Gültigkeit ungeschriebener Verträge

FAX reçu de: Milena Moser

Created: 23. Oktober 1994

 

LIIIIIIEBE ANGELA

 

ja, ich bin wieder zu Hause. Hart verdientes Geld. Es kam so weit, daß ich im vollgestopften Zug eine Stunde lang stehen mußte, bis ein langhaariger Jugendlicher den Schaffner (der immer nur meinte, er könne ja auch nichts dafür) zwang, einen Platz für mich freizuboxen. Unter ständigen Hinweisen auf die entsprechenden DB