Das September Komplott - Volker Jochim - E-Book

Das September Komplott E-Book

Volker Jochim

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Beschreibung

09/11 - diese Zahlen haben sich unauslöschbar in das Bewusstsein der ganzen Welt eingegraben. Aber was geschah an diesem 11. September 2001 wirklich? Dieser spannende Roman schildert die unglaublichen Ereignisse aus der Sicht eines investigativen Journalisten, dem es mit seinem Team gelingt, die Hintergründe eines gigantischen Komplotts aufzudecken, das bis in höchste Regierungskreise reicht und der dadurch in Lebensgefahr gerät.

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Seitenzahl: 184

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Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit steht von alleine aufrecht.

Thomas Jefferson (1743 – 1826)

3. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika

© 2017 Volker Jochim

Umschlag, Illustration: tredition,

Das Titelfoto wurde von Pixabay bereitgestellt und gemäß der Verzichtserklärung Creative Commons CC0 freigegeben

https://pixabay.com/de

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7439-3172-5

Hardcover

978-3-7439-3173-2

e-Book

978-3-7439-3174-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Volker Jochim

Das September Komplott

Roman

Inhalt

1 Die Einreise

2 Die Vorbereitung

3 Der Angriff

4 Der Informant

5 Insiderhandel

6 Die Drohung

7 Die Piloten

8 Falsche Fakten

9 Die Anrufe

10 Ground Zero

11 Das Attentat

1

Die Einreise

Mark Phillips stand geduldig in der Schlange, die sich vor den Schaltern der Passkontrolle am Miami International Airport gebildet hatte. Vor knapp einer halben Stunde war er mit der Mittagsmaschine der American Airlines aus Venezuela gelandet und wartete nun darauf, irgendwann auch einmal an die Reihe zu kommen. Aber bei Fluggästen, die aus diesem Land, oder aus Kolumbien kamen, waren die Einreisekontrollen besonders streng und so hieß es warten. Zum Glück war der Flughafen klimatisiert.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, es waren immerhin nur noch fünf Passagiere vor ihm, fing er aus Langeweile an die Umgebung in Augenschein zu nehmen. Seine Zeitung hatte er bereits zum zweiten Mal durchgelesen. Was sollte er auch sonst noch tun, außer im Stehen einzuschlafen?

Zuerst fiel ihm der Mann in dem grauen Anzug auf, der wie eine Statue neben dem Nachbarschalter stand und von dessen rechten Ohr ein helles Spiralkabel betont unauffällig im Revers seines Jacketts verschwand. Ein paar Schritte weiter standen noch zwei solcher Typen, die aussahen, als hätte man sie geklont.

„Gehen Sie doch weiter.“

Die Frau hinter ihm hatte ihren Zeigefinger in den Rücken gebohrt.

„Sonst drängt sich noch jemand vor.“

Er hatte doch tatsächlich nicht mitbekommen, dass nur noch vier Leute vor ihm waren und er einen Schritt aufrücken konnte.

Neben der Warteschlange am Nebenschalter erschienen plötzlich zwei Männer. Dem Aussehen nach, mit ihrem dunklen Teint und den schwarzen Haaren, kamen sie wohl aus dem arabischen Raum. Sie sahen sich kurz um, dann wurden sie von den beiden Anzugträgern angesprochen und schon waren sie durch einen Seitenausgang verschwunden. Und das ohne jegliche Wartezeit. „Die müssen ja etwas ganz Besonderes sein“, dachte Phillips, der sich gleich wieder umdrehte, als sein Interesse an dieser Szene der Statue mit dem Knopf im Ohr zu missfallen schien.

„Sie kommen aus Caracas, Mr. Phillips?“

Der Mann am Schalter sah ihn misstrauisch an.

„Was war der Zweck Ihres Aufenthalts?“

„Das war beruflich.“

„So, was machen Sie denn beruflich in Caracas?“

„Ich habe für einen Artikel recherchiert.“

„Ach, Sie sind Schriftsteller? Schreiben Sie Krimis?“

Ein Kollege des Mannes erschien hinter dem Schalter.

„Ich soll dich zur Pause ablösen.“

„Nein, ich schreibe keine Krimis. Ich bin Journalist und schreibe für die Washington Post“, erwiderte Phillips genervt, „hier ist mein Presseausweis.“

„Ach so, danke. Was machen Sie hier in Florida? Auch recherchieren?“, fragte der Beamte mit einem Augenzwinkern und gab ihm seine Papiere zurück.

„Ich lege mich drei Tage an den Strand und fliege dann zurück nach Washington. Aber was war das denn hier nebenan für eine Aktion?“

Der Mann wurde ernst und stand auf, um seiner Ablösung Platz zu machen.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Ich meine das, was gerade hier abgelaufen ist. Wir stehen hier eine Ewigkeit an der Einreise und da kommen ein paar Ausländer, offenbar arabischer Herkunft, werden von zwei Schlipsträgern in Empfang genommen und unkontrolliert durch die Hintertür einfach ins Land gebracht. Hier nebenan steht ja auch noch so einer rum. Was war das?“

Der Mann sah seinen Kollegen an, drehte sich wortlos um und verschwand. Phillips nahm seine Papiere und ging ebenfalls um die Mietwagenschalter zu suchen, die er dann schließlich in der Nähe der Gepäckausgabebänder fand.

„Hier sind die Schlüssel und die Wagenpapiere, Mr. Phillips. Den Wagen finden Sie auf dem Parkplatz gegenüber dem Ausgang in Ebene zwei. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“

Er bedankte sich bei der freundlichen, jungen Dame und machte sich auf den Weg zur Rolltreppe. Auf dem Weg dorthin wurde er plötzlich von einem Mann angesprochen und er erkannte den Beamten vom Einreiseschalter.

„Kommen Sie bitte mit hierhin, Mr. Phillips“, sagte der Mann und zog ihn neben eine Säule, „hier sieht uns keine Kamera.“

„Was gibt es denn so geheimnisvolles?“ fragte Phillips, dessen journalistische Neugier bei dieser Aktion natürlich geweckt war.

Der Mann blickte sich nach allen Seiten um. Er sah aus, als hätte er Angst vor irgendetwas.

„Mr. Phillips, es ist nicht ungefährlich für mich hier mit Ihnen zu sprechen. Verstehen Sie?“

„Also ehrlich gesagt, verstehe ich momentan gar nichts. Was ist daran gefährlich mit mir zu reden? Um was geht es eigentlich?“

„Um die Geschichte vorhin am Schalter. Sie wissen schon, die Araber.“

„Ich dachte Sie wissen nichts davon, Mr. …?“

Wieder sah er sich nach allen Seiten um und drückte sich noch enger an die Säule. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn.

„Bullet, Sam Bullet. Man hat uns zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Das kam von ganz oben.“

Dabei sah er zur Decke und hob vorsichtig den Zeigefinger.

„Ich kann aber nicht darüber hinwegsehen, dass da etwas nicht stimmt. Als Sie sagten, dass Sie für die Washington Post schreiben, hatte ich gleich Vertrauen zu Ihnen. Die haben das ja auch damals mit Präsident Nixon herausgefunden, nicht wahr?“

„Sie meinen den Watergate Skandal? Ja, das waren Bob Woodward und Carl Bernstein, frühere Kollegen von mir.“

„Genau, die hab ich im Kino gesehen. Tolle Jungs.“

Phillips wunderte sich über die Schlichtheit dieses Mannes, aber so war ein Großteil seiner Landsleute. Sie hielten Hollywood für die Realität.

„Redford und Hoffman haben die Kollegen nur gespielt, Sam. Ich darf Sie doch Sam nennen?“

„Ja natürlich Mr. Phillips.“

„Mark, sagen Sie bitte einfach Mark.“

„Gerne. Also das, was Sie da gesehen haben, ist kein Einzelfall gewesen. Das kam schon mehrmals vor. Die Jungs in den Anzügen sind von der CIA. Die nehmen die Araber in Empfang und nehmen sie einfach mit. Die lassen sie praktisch unkontrolliert einreisen. Da stimmt doch etwas nicht, oder?“

„Würde ich auch so sehen. Was hat man Ihnen denn gesagt?“

„Nur, das wir nicht darauf achten und die Klappe halten sollen. Man hat uns sogar mit Gefängnis gedroht. Verstehen Sie nun, warum ich so vorsichtig bin?“

„Sicher verstehe ich das. Wissen Sie denn, wohin man die Araber bringt, sofern es sich wirklich um solche handelt, oder woher sie kommen?“

„Die heute kamen aus Frankfurt in Deutschland über London. Es kamen auch schon welche direkt aus Frankfurt, oder über Madrid. Wohin man sie bringt, weiß ich nicht. Ein Kollege hat mir mal erzählt, dass er sie vor dem Terminal auf dem Parkplatz gesehen hat, wie sie mit den CIA Leuten in einen schwarzen Van gestiegen sind. Mehr weiß ich nicht. Danke fürs Zuhören. Ich bin jetzt erleichtert.“

„Danke Ihnen, machen Sie‘s gut, Sam.“

Phillips sah dem Mann nach, bis er in der Menge verschwand und überlegte, was er nun mit dem eben Gehörten anfangen könnte. Zuerst einmal nichts. Er fuhr nach oben und trat hinaus in die nachmittägliche Hitze, die um diese Uhrzeit schwül und schwer über der Stadt lag. Sein Wagen stand glücklicherweise gleich in der ersten Reihe. Er warf seine kleine Tasche und seinen Laptop auf den Rücksitz und wollte gerade einsteigen, als er direkt vor dem Terminal den CIA Agenten wieder sah, der vorhin noch neben dem Schalter der Einreise gestanden hatte. Er ging direkt auf einen schwarzen Chrysler mit abgedunkelten Scheiben zu und stieg ein. Umgehend setzte sich der Van in Bewegung und fuhr los.

„Jetzt wird’s interessant“, dachte Phillips, stieg ein, kurvte vom Parkplatz und versuchte den Wagen nicht aus den Augen zu verlieren. Zuerst ging es ein paar Kilometer auf der State Road 836 nach Westen, dann über die 826 nach Norden. Kurz darauf nahm der Wagen die Ausfahrt zum Interstate Highway 75. Auf dieser schnurgeraden Strecke konnte er genügend Abstand lassen, um nicht bemerkt zu werden. Er schaltete die Klimaanlage ab, öffnete das Fenster und ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen.

Nach dreieinhalb Stunden Fahrt erreichten sie das Städtchen Venice an der Westküste Floridas. Gerade noch rechtzeitig bemerkte Phillips, dass der Van die Geschwindigkeit drosselte und die Ausfahrt nahm.

„Was wollen die denn hier in diesem Nest“, fragte er sich, als sie wieder eine Weile zurück nach Süden fuhren, um dann plötzlich nach rechts auf die Center Road einzubiegen. Hier bekam er seine Antwort. Auf Höhe von Venice Gardens sah er ein Hinweisschild zum Flughafen und er war sich sicher, dass die Fahrt dort enden würde. Der Van bog in die Airport Avenue ein und fuhr auf einen Parkplatz. Phillips hielt schräg gegenüber in einer Seitenstraße und beobachtete im Rückspiegel, wie die drei CIA Agenten, die er schon in Miami am Flughafen gesehen hatte, gemeinsam mit ihren zwei ausländischen Fahrgästen ausstiegen und auf ein flaches Gebäude zugingen, um ein paar Minuten später wieder alleine herauszukommen. Als der Van abgefahren und außer Sichtweite war, fuhr Phillips auch auf diesen Parkplatz, um sich das Gebäude näher anzusehen. Es handelte sich um eine Flugschule. Warum zum Teufel wurden einfache Flugschüler vom CIA in Miami an den Einreisekontrollen vorbei ins Land geholt und dann über zweihundert Meilen entfernt zu einer kleinen Flugschule in der Provinz gebracht? Das ergab keinen Sinn. Um dieser Sache nachzugehen, würde er halt seine drei freien Tage hier in Venice, statt in Miami verbringen. Ein paar hundert Meter weiter vorne hatte er das Hinweisschild eines Holiday Inn gesehen. Dorthin fuhr er nun und nahm sich ein Zimmer.

***

Mark Phillips war ein mittelgroßer, unauffälliger Mittvierziger, dunkelblond mit schon leicht angegrauten Schläfen und sportlicher Figur, der sich als investigativer Journalist einen Namen gemacht hatte.

Am nächsten Morgen war er schon früh auf den Beinen. Dank eines gut klimatisierten Zimmers hatte er tief und fest geschlafen. Von den Reisestrapazen keine Spur mehr. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Kaffee, Orangensaft, Rührei und Roggentoast, steckte er sich vor der Türe eine Zigarette an und fuhr gemächlich zu dieser Flugschule, die gestern Abend den merkwürdigen Besuch bekommen hatte. Auf dem Flugfeld war schon Betrieb. Eine Beechcraft Bonanza, mit dem typischen V-Leitwerk, rollte zum Start.

Er sah sich um. Vor dem Gebäude standen einige kleinere Flugzeuge in einer Reihe. Vor dem Eingang zu den Büroräumen parkte ein neuer Pickup mit dem Logo der Flugschule auf der Türe. Ein Mann in einem Overall machte sich an einer der Maschinen zu schaffen.

Die Beechcraft war gestartet und während er ihr nachsah, wie sie in den blauen Himmel entschwand, bemerkte er auf einer Grünfläche nahe dem Flugfeld kleine Zelte und die Wohnwagen eines kleinen Wanderzirkus. Zwei dieser Zirkusleute standen am Zaun. Sie hatten Ferngläser in den Händen, deren Linsen sich in der Morgensonne spiegelten, und beobachteten das Treiben auf dem Flugfeld.

„Wahrscheinlich Spotter“, dachte er, obwohl es ja hier nichts Besonderes zu sehen gab.

Plötzlich kamen drei Männer aus dem Gebäude und gingen zielstrebig auf eine der davor abgestellten Maschinen zu. Zwei dieser Gruppe erkannte er sofort wieder. Es waren die beiden Ausländer, die gestern Abend von den CIA Agenten hier abgesetzt wurden.

„Was zum Teufel soll das? Die werden doch nicht einfach nur Flugstunden nehmen? Wofür dann der ganze Aufwand gestern am Flughafen in Miami?“, wunderte sich Phillips.

Zwischenzeitlich waren die drei Männer in eine Cessna geklettert. Die kleine Maschine rollte in Richtung Startbahn. Dort blieb sie ein paar Sekunden stehen, dann beschleunigte sie.

„Das muss aber ein richtiger Anfänger sein“, dachte er, als die Cessna anfänglich leichte Schlangenlinien fuhr, bevor sie offenbar vom Fluglehrer geradegezogen wurde und abhob. „Und deshalb verzichte ich auf ein kühles Bier am Strand von Miami Beach.“

Aber wenn er nun schon einmal hier war, konnte er sich auch umschauen. Das Wetter war ohnehin genauso schön wie in Miami und noch einmal zurückfahren lohnte nicht. Langsam schlenderte er am Flugfeld entlang. Plötzlich fühlte er sich beobachtet und als er zu diesem Zirkus hinüber blickte, sah er, dass einer der beiden, die bislang das Treiben auf dem Flughafen beobachtet hatten, ihn mit dem Fernglas anvisierte. Phillips beschloss ihnen einen Besuch abzustatten. Vielleicht konnte er dabei etwas über das Treiben in dieser Flugschule in Erfahrung bringen. Als sie bemerkten, dass er näher kam, wandten sie sich wieder den Flugzeugen zu.

„Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich.“

Phillips hatte den kleinen Zirkus erreicht und wurde misstrauisch beäugt. Die beiden Männer sahen seiner Meinung nach nicht gerade wie Zirkusleute aus. Sie trugen zwar Jeans und karierte Hemden, sahen aber nicht wie körperlich hart arbeitende Menschen aus. Eher so, als wenn sonst ein klimatisiertes Büro ihr Zuhause war.

„‘Morgen“, sagte einer der Männer nicht gerade freundlich und musterte ihn von oben bis unten.

„Als ich Sie mit Ihren Ferngläsern sah, fragte ich mich, was es hier denn so interessantes zu beobachten gibt.“

„Wir schauen nur den Fliegern zu, wenn wir Zeit haben.“

„Sind sie von hier?“

„Wir sind ein Wanderzirkus“, mischte sich der andere ein, „wir sind mal hier und mal da. Und Sie?“

„Ach so“, ignorierte er die Frage. „Ist Ihnen hier irgendetwas Besonderes aufgefallen?“

Die beiden sahen ihn argwöhnisch an.

„Nein, was soll uns hier schon auffallen?“

„Na, dann viel Erfolg!“, Phillips winkte ihnen noch kurz zu und überließ sie dann ihren Beobachtungen. Irgendwie hatte er das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht stimmte und er unerwünscht war.

Auf dem Rückweg sah er, wie die Cessna mit den arabischen Flugschülern schwankend in Richtung Landebahn eindrehte und dann gerade gezogen wurde. Offenbar hatte der Fluglehrer wieder eingegriffen, um eine mögliche Bruchlandung zu verhindern.

Im Foyer des Hotels nahm er sich eine Ausgabe des Miami Herald, dann fuhr er zum Strand. Seinen Wagen ließ er auf einem Parkplatz am Brohard Park stehen. Der lange, schmale Sandstrand war trotz des schönen Wetters fast menschenleer. Phillips setzte sich in den warmen Sand und sah hinaus auf die endlos scheinende Wasserfläche, die am Horizont flimmernd, wie eine Fata Morgana, in den blauen Himmel überging. Er genoss noch eine Weile diese Stimmung und die Ruhe, dann schlug er die Zeitung auf. Als er sich bis zu den Lokalnachrichten durchgearbeitet hatte, fiel ihm ein kleiner Artikel ins Auge. Tragischer Unfall am Miami International Airport, las er. Sam Bullet, ein Mitarbeiter der Einreisebehörde, wurde beim Überqueren der Straße in der Nähe des Terminals von einem Wagen erfasst und so schwer verletzt, dass er noch am Unfallort verstarb. Der Unfallfahrer flüchtete. Von ihm fehlt bisher jede Spur. Bei dem Fahrzeug soll es sich nach Aussagen der wenigen Zeugen um einen dunkelblauen oder schwarzen Pickup handeln. Die Polizei hat eine Fahndung eingeleitet.

„Armer Kerl“, dachte Phillips, faltete die Zeitung zusammen und machte sich auf den Weg zurück zum Hotel.

Dort hielt zu seiner Überraschung gerade ein Wagen der Flugschule, aus dem die beiden ausländischen Flugschüler ausstiegen. Er ging ihnen nach ins Foyer. Dort hatte sich eine Gruppe junger Leute niedergelassen, die sich angeregt, aber leise in einer Sprache unterhielten, die er nicht verstand. Die Gruppe bestand insgesamt aus fünf Männern und drei Frauen. Alle etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt.

„Könnte hebräisch sein“, dachte er und setzte sich in den einzigen freien Sessel.

Die Gruppe stellte ihre Unterhaltung ein. Zwei von ihnen sahen Phillips an, während die anderen den Tresen im Auge hatten, an dem gerade die beiden Flugschüler standen.

„Hallo, wo kommen Sie her, wenn ich fragen darf?“

„Wir sind Kunststudenten aus Tel Aviv“, sagte eine junge Frau, „wir studieren für ein Semester an der University of Florida in Miami.“

„Ah, sehr schön. Na, dann viel Erfolg!“

Phillips nahm seine Zeitung und tat so, als ob er sich intensiv damit befassen würde. Und wieder hatte er das unbestimmte Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte.

***

Nach einer sehr unruhigen Nacht war Mark Phillips schon früh auf den Beinen. Um die Müdigkeit aus den Knochen zu bekommen, nahm er eine kalte Dusche. Danach fühlte er sich in der Tat etwas besser. Der Geist Sam Bullets war ihm im Schlaf erschienen und wollte etwas mitteilen. Doch jedes Mal, bevor er etwas sagen konnte, verschwand das von Angst gezeichnete, blutverschmierte Gesicht dieses Mannes. Phillips kam zu der Überzeugung, dass mit diesem Unfall etwas nicht stimmen konnte und er beschloss, der Sache nachzugehen. Nach einem kurzen Frühstück checkte er aus und fuhr nach Miami zurück.

Um etwas über diesen Unfall, sofern es denn überhaupt einer war, in Erfahrung zu bringen, gab es keine bessere Quelle, als seine Kollegen von der schreibenden Zunft. Er stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz vor der herrlich am Wasser gelegenen Redaktion des Miami Herald ab und betrat das Gebäude. Sein Büro in Washington lag auch nicht schlecht, aber bei dieser Lage hier konnte man schon neidisch werden. Er fragte sich zur Lokalredaktion durch und fand auch gleich den Journalisten, der den Artikel über den Unfall verfasst hatte.

„Oh, welch hoher Besuch! Ein Kollege der Washington Post in unserer bescheidenen Hütte. Was kann ich denn für Sie tun?“

„Tja, Mr. Robson, wenn ich die Lage Ihres Büros mit der meines Büros vergleiche, würde ich gerne tauschen. Sie könnten mir aber tatsächlich helfen. Ich habe gestern Ihren Artikel über den Unfall am Airport gelesen. Ich würde gerne mehr darüber erfahren.“

„Was ist daran so interessant? Ein Mann wurde überfahren und der Fahrer ist abgehauen. War vielleicht so ein scheiß Junkie. Das ist alles. So etwas passiert halt immer mal wieder.“

„Ich denke, da ist mehr dran.“

„Und wieso denken Sie das? Könnten Sie einen Provinzjournalisten an Ihren Überlegungen teilhaben lassen?“

„Warum so feindselig? Ich dachte, wir sind Kollegen. Ich arbeite bei der Post, weil ich in Washington geboren und aufgewachsen bin und immer noch dort lebe. Deswegen bin ich trotzdem nicht mehr als ein ganz normaler Schreiber, der seinen Storys hinterher rennt, genau wie Sie.“

„Tut mir leid. Sie haben recht. Gehen wir etwas essen? Dann erzähle ich Ihnen, was ich weiß und Sie dürfen dafür bezahlen.“

Sie fuhren über den Venetian Causeway auf die Belle Isle, eine der Inseln zwischen Miami und Miami Beach. Das Lokal, das Frank Robson ausgesucht hatte, war ein Traum. Von der Terrasse aus hatten sie einen herrlichen Blick auf die Bucht und in diesem Moment hatte Phillips den dringenden Wunsch hier bleiben zu wollen. Sie bestellten Pasta mit Meeresfrüchten und eine gut gekühlte Flasche Kalifornischen Chardonnay. Während des Essens erzählte Robson seinem Kollegen, was er über diesen Unfall wusste.

„… und die Polizei fahndet noch immer erfolglos nach diesem Pickup. Das ist alles. Und jetzt sind Sie dran. Warum glauben Sie nicht an einen Unfall?“

„Ich kannte diesen Mann …“

Robson sah ihn verständnislos an.

„… nein, nicht persönlich. Als ich vorgestern hier in Miami am Flughafen ankam, saß dieser Sam Bullet am Schalter bei der Einreise. Bevor ich überhaupt abgefertigt wurde, hatte ich zufällig etwas beobachtet ...“

Und Phillips erzählte seinem Kollegen ausführlich was sich am Flughafen ereignet hatte, bis hin zu seinem Abstecher nach Venice.

„Als ich dann Ihren Artikel las, dachte ich mir erst nichts dabei, aber heute Nacht ging mir die Geschichte nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht spinne ich ja und es ist nichts dran, aber wenn doch …?“

Robson kratzte sich am Hinterkopf und starrte einen Moment ins Leere.

„So abwegig ist das nicht, Mr. Phillips…“

„Mark, sagen Sie Mark.“

„Ok, Mark, ich bin Frank. Also wie gesagt, so abwegig ist das nicht. Wir haben schon von einigen Flugschulen in Florida gehört, bei denen Flugschüler aus dem arabischen Raum Stunden nehmen. Meistens jedoch ohne Erfolg und interessiert hat es bisher auch niemanden. Wir haben auch schon die Einwanderungsbehörde kontaktiert, doch die haben uns nur gesagt, da sei nichts dran, sie hätten die Sache im Auge und wir sollten uns aus nationalem Interesse raushalten. Wenn es Ihnen recht ist, bleibe ich da dran.“

„Das wäre super, danke. Ach, da fällt mit noch etwas ein. Am Flugfeld in Venice sah ich einen Wanderzirkus. Zwei der Zirkusleute haben mit Ferngläsern das Geschehen dort beobachtet. Als ich mit ihnen ins Gespräch kommen wollte, kam ich mir unerwünscht vor. Jedenfalls kamen sie mir auch nicht wie Zirkusleute vor. Als ich später ins Hotel zurückkam, standen gerade die beiden Flugschüler im Foyer. Dort saß auch eine Gruppe junger Leute die, so hatte ich das Gefühl, die beiden beobachteten. Sie erzählten mir, sie wären Kunststudenten aus Israel, die an der University of Florida in Miami studieren würden. Das kam mir auch etwas seltsam vor.“

„Da haben Sie wohl recht. Da stimmt was nicht.“

„In wie fern?“

„Nun ja, die University of Florida ist nicht in Miami, sondern in Gainesville. In Miami ist die Florida international University und dort gibt es, soviel ich weiß, keinen künstlerischen Studiengang. Den gibt es aber in Gainesville. Das sind fünf Autostunden.“

„Das ist in der Tat seltsam. Was machen die dann in Venice? Bleiben wir in Kontakt.“

Sie tauschten ihre Visitenkarten aus und Phillips beglich die sündhaft teure Rechnung.

„Ich würde noch gerne die Unfallstelle sehen. Hätten Sie noch so viel Zeit?“

„Klar, zeige ich Ihnen.“

Robson brachte Phillips zum Redaktionsgebäude, wo er seinen Mietwagen stehen gelassen hatte. Dann fuhren sie zum Flughafen, wo er den Wagen zurückgab. Anschließend zeigte ihm Frank Robson die Unfallstelle.

„Hier auf der Perimeter Road war es. Direkt vor der Kurve.“

„Komisch.“

„Was ist komisch?“

„Na ja, es ist eine recht einsame Stelle, besonders so spät am Abend. Was hatte er hier gewollt? Das ist doch bestimmt über eine Meile bis zum Terminal und gewohnt hat er hier wahrscheinlich auch nicht.“

„Wahrscheinlich nicht, da haben Sie wohl recht. Das lässt sich aber schnell herausfinden.“

„Was genau haben denn die Zeugen gesehen?“