GRÜN MINUS - Volker Jochim - E-Book

GRÜN MINUS E-Book

Volker Jochim

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Beschreibung

Ein älterer Mann bittet Pieroth, die Todesumstände seines Vaters aufzuklären. Obwohl vom Arzt eine natürliche Todesursache diagnostiziert wurde, glaubt der Mann an Mord. Pieroth willigt ein und kommt schnell zu der Auffassung, dass jemand aus der Familie hinter dem Tod des alten Mannes steckt. Nur wer war es und wie wurde es bewerkstelligt? Immer tiefer dringt er in die Familiengeheimnisse ein, bis es zu einer nahezu unglaublichen Lösung des Falles kommt.

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Volker Jochim

Grün minus

Ein Mühlheim Krimi

Pieroths dritter Fall

Kriminalroman

© 2019 Volker Jochim

Umschlag, Illustration: tredition,

Volker Jochim (Foto)

Osiris Pendel

Verlag und Druck: tredition GmbH,

Halenreie 42, 22359 Hamburg

1. Auflage

ISBN

 

Paperback

978-3-7497-1330-1

Hardcover

978-3-7497-1331-8

e-Book

978-3-7497-1332-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1

Es war unübersehbar Herbst geworden. Nach einem langen, überaus trockenen Sommer war es plötzlich Herbst.

Einen Übergang, wie man ihn früher noch kannte, gab es nicht mehr. Die Jahreszeiten wechselten beinahe über Nacht von einem Extrem ins andere.

Die Bäume hatten ihr braunes Laub bereits fast vollständig abgeworfen, was auf den nassen Straßen zu der einen oder anderen Rutschpartie führte. Besonders bei den zahlreichen Möchtegernrennfahrern, die nur zu oft Mühlheims Straßen mit dem Hockenheimring verwechselten.

Seit Tagen fegte ein nasskalter Wind durch die kleine Stadt und der Himmel zeigte sich nur noch in einem grauen Einerlei.

Für Henry A. Pieroth war das egal. Er verließ sein Haus im Franzosenviertel ohnehin nur wenn es unbedingt sein musste, aber jetzt hatte er eine passende Ausrede, wenn sein Freund und Assistent Frank Sommer ihn zu einem Spaziergang oder zum Einkaufen animieren wollte.

Als Sommer ihn seinerzeit überredete die Detektei zu eröffnen, hatte Pieroth darauf bestanden, dass er als sein Assistent auch mit im Haus wohnte und ließ eigens für ihn eine Einliegerwohnung und ein Büro im Souterrain einbauen.

Nun hatte er sich seit Tagen in seinem Büro vergraben und frönte seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Studium der Fallakten unaufgeklärter Verbrechen.

Sommer bekam ihn nur zu Gesicht, wenn er ihm zwischendurch einen Kaffee brachte, oder beim gemeinsamen Frühstück oder Abendessen.

Ein neuer Fall war auch nicht in Sicht, da Pieroth seit Wochen alle Anfragen als uninteressant eingestuft und abgelehnt hatte.

Als uninteressant betrachtete er alles, was den Anschein des Normalen, Trivialen hatte, wie zum Beispiel ein ganz einfacher, gewöhnlicher Mord. Das war dann etwas für die Polizei und nicht für ihn.

„Wenn er das so weiter betreibt“, dachte Sommer, „dann kann er die Detektei gleich schließen. Dann kommt bald niemand mehr.“

***

Sommer war gerade auf dem Weg um Pieroth den nachmittäglichen Kaffee zu bringen, als die Türglocke ertönte.

Zuerst dachte er nicht daran zu öffnen, da er es ohnehin für sinnlos erachtete und er sich eine weitere Ablehnung eines Hilfe suchenden Klienten ersparen wollte. Doch dann sagte ihm eine innere Stimme, dass er öffnen sollte.

Er stellte er den Kaffeebecher in der Diele ab und ging zur Haustür.

„Guten Tag. Sind Sie Herr Pieroth, der Privatdetektiv?“

Der kleine ältere Mann, der diese Frage gestellt hatte, trat nervös von einem Bein auf das andere und fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut.

„Nein, ich bin Frank Sommer, sein Assistent und wenn Sie Herrn Pieroth bitte als Ermittler bezeichnen würden. Den Begriff Detektiv mag er nicht besonders.“

Der Mann wurde noch nervöser.

„Was können wir denn für Sie tun?“

„Nun, es geht um meinen Vater…“

„In Familienangelegenheiten ermitteln wir nicht. Dies nur vorab“, unterbrach ihn Sommer.

„Nun, eigentlich ist es ja eine Familienangelegenheit…“

„Na, dann auf Wiedersehen…“

„…aber es geht um einen möglichen Mord.“

Sommer zog die Tür wieder auf. Jetzt war die Gelegenheit gekommen seinen Freund mit einem Fall zu überraschen. Wenn er ihn dann trotzdem nicht übernehmen wollte, dann sollte er dem Mann selbst seine Ablehnung ins Gesicht sagen.

„Wenn das so ist, kommen Sie bitte herein. Darf ich um ihren Namen bitten?“

„Mein Name ist Gustav Schönfelder.“

Sommer nahm ihm Mantel und Hut ab, führte ihn zu Pieroths Büro und klopfte an.

Zuerst dachte er, sein Freund hätte sich heimlich aus dem Staub gemacht, doch dann tauchte sein Kopf hinter einem Berg Papier auf.

„Was gibt’s denn?“

„Hier ist ein Mann, der dich sprechen möchte.“

„Du weißt doch, dass ich keine Zeit habe. Schick ihn weg.“

„Er steht schon hier draußen und du wirst ihn jetzt anhören. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du den Fall annimmst, oder dich weiter hinter deinen verstaubten Akten vergräbst.“

„Na gut“, stöhnte Pieroth. „Welchen Tag haben wir heute?“

„Montag, der Tag nach einem weiteren langweiligen und bedeutungslosen Wochenende.“

Sommer ließ den Mann herein, räumte einen Stuhl frei und bat ihn Platz zu nehmen.

„Kaffee?“

„Danke, das wäre sehr freundlich.“

„Sie sehen ja, dass ich sehr beschäftigt bin, Herr…?“, begann Pieroth, als Sommer in Richtung Küche verschwunden war.

„Schönfelder, Gustav Schönfelder.“

„Der Name sagt mir etwas.“

„Ich bin Juniorpartner der Schönfelder Maschinenbau GmbH.“

Pieroth musste schmunzeln.

„Wie ein Junior sieht der aber nicht gerade aus“, dachte er amüsiert.

„Ach ja, die kenne ich. Was führt Sie zu uns? Mein Assistent hat Ihnen sicher gesagt, dass wir keine Familienangelegenheiten bearbeiten.“

Der Mann nagte an seiner Unterlippe.

„Also grob betrachtet ist es eine Familienangelegenheit…“

„Dann können wir uns den Rest sparen.“

„…aber in erster Linie geht es um einen Mord.“

Pieroth lehnte sich in seinem Humphrey Bogart Gedächtnissessel zurück.

„Könnten Sie diese Aussage bitte präzisieren. Wer wurde wann ermordet und warum gehen Sie damit nicht zur Polizei?“

Schönfelder rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Seine Suche nach der richtigen Formulierung wurde von Frank Sommer unterbrochen, der in diesem Moment den Kaffee brachte.

„Frank, würdest du bitte hier bleiben. Ich habe das Gefühl es könnte kompliziert werden.“

Sommer setzte sich an einen Tisch vor der riesigen Pinnwand und schaltete sein kleines Aufnahmegerät ein.

„Also, Herr Schönfelder“, drängte Pieroth, „erzählen Sie.“

„Es ist so. Die Firma wird geleitet von meinem Bruder Ewald, meiner Schwester Dorothea Wiedmann und mir, aber unser Vater hatte noch eine im Gesellschaftervertrag verankerte Sperrminorität.“

„Das ist bei Aktiengesellschaften zwar üblich, aber bei einer GmbH?“

„Er wollte es so, sonst hätte er die Leitung nicht an uns übergeben. Nun ist mein Vater vor zweieinhalb Wochen plötzlich gestorben und ich glaube, dass es kein natürlicher Tod war.“

„Wie kommen Sie darauf? Wie alt war Ihr Vater, wenn ich fragen darf?“

„Vierundachtzig.“

„Also ich bitte Sie, Herr Schönfelder. In dem Alter kann es durchaus sein, dass ein Mensch stirbt.“

„Mein Vater war in einem sehr guten Gesundheitszustand und total fit. Der stirbt nicht so einfach.“

„Wer hat denn den Totenschein ausgestellt?“

„Unser Hausarzt, Doktor Cornelius.“

„Und welche Todesursache hat er festgestellt?“

„Multiples Organversagen. Und das ist es ja, was mich stutzig gemacht hat. Mein Vater war Kerngesund mit Ausnahme einiger Alterserscheinungen.“

„Und die waren?“

„Arthrose in den Gelenken und kleinere Probleme beim, sie wissen schon…“

„Nein, weiß ich nicht.“

„…beim Wasserlassen. Aber davon bekommt man kein multiples Organversagen, oder?“

„Das denke ich auch. Was sagt Doktor Cornelius dazu? Hatten Sie ihn darauf angesprochen?“

„Zuerst wollte ich das nicht. Ich bin schließlich medizinischer Laie und er eine Kapazität, aber dann tat ich es doch. Mit dem gebührenden Respekt versteht sich. Er bestand natürlich auf seiner Diagnose. Er ist ein anerkannter Mediziner. Er hat einen Namen.“

Pieroth wunderte sich immer mehr über den kleinen älteren Mann, der da vor ihm saß. Wie konnte jemand mit so wenig Selbstvertrauen und Esprit solch eine Firma leiten?

„Und wann kam Ihnen der Gedanke, dass mit dem Tod Ihres Vaters etwas nicht stimmen könnte?“

„Eigentlich direkt, nachdem Doktor Cornelius einen natürlichen Tod diagnostizierte.“

„Wenn Sie Bedenken hatten, warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?“

„Ich habe meinen Verdacht zuerst mit meinen Geschwistern besprochen. Die waren beide nicht sehr angetan und mein Schwager riet mir vehement ab, wegen des möglichen Skandals. Ich wollte mich damit nicht abfinden, meine Familie aber auch nicht vor den Kopf stoßen. Da erinnerte ich mich an Ihren Namen, den ich in Bezug auf Ihre Fälle in der Zeitung gelesen hatte. Und nun bin ich hier und bitte Sie um Hilfe. Es ist mir wahrlich nicht leicht gefallen.“

Pieroth sah zur Decke und drehte sich mit seinem Sessel hin und her.

„Am Geld soll es nicht liegen“, warf Schönfelder ein und hoffte ihn damit zu einem positiven Entschluss zu bewegen.

Pieroth beugte sich vor und sah dem Mann ins Gesicht.

„Das spielt keine Rolle bei meiner Entscheidungsfindung. Das regelt ohnehin Herr Sommer. Mir kommt es alleine darauf an, ob mich ein Fall interessiert und dieser tut es.“

„Sie nehmen also an?“, fragte Schönfelder aufgeregt.

„Ja. Den Bürokram wie den Vertrag et cetera macht Herr Sommer mit Ihnen. Ich hätte nur noch ein paar Fragen.“

„Ja, natürlich. Vielen Dank, Herr Pieroth.“

„Zuerst brauche ich die Adressen und Telefonnummern Ihres Bruders, Ihrer Schwester und von Doktor Cornelius. Herr Sommer wird alles notieren. Hat Ihr Vater alleine gewohnt?“

„Ja, seit dem Tod unserer Mutter vor vier Jahren lebte er alleine in seinem Haus. Also mit seinem Personal. Ich hatte ihm zwar angeboten zu mir zu ziehen, aber er lehnte ab.“

„Dann benötige ich auch diese Adresse und die Namen der Angestellten. Haben Sie einen Schlüssel für das Haus?“

„Ja, warum?“

„Ich werde mich dort umsehen müssen. Ich nehme an, dass Ihr Vater dort verstorben ist?“

„Ja, in seinem Schlafzimmer. Das Mädchen wollte ihm seinen Kaffee bringen und fand ihn leblos im Bett.“

„Dann geben Sie bitte Herrn Sommer den Schlüssel. Und nun entschuldigen Sie mich.“

Herr Schönfelder bedankte sich mehrmals und Sommer geleitete ihn hinunter in sein Büro, um die Formalitäten zu erledigen und die Adressen der Verwandtschaft und der Angestellten zu notieren.

„Endlich wieder ein Fall“, dachte er, als er den ersten Klienten seit Wochen zur Haustür gebracht hatte.

Als Frank Sommer zurück in Pieroths Büro kam, war sein Freund gerade damit beschäftigt das Chaos, das er dort in letzter Zeit angerichtet hatte, wieder aufzuräumen. Er schien es tatsächlich ernst zu meinen mit diesem Fall.

„Was ist an dem Fall so interessant, dass du bereit bist dich damit zu beschäftigen? Ich dachte schon, du verlässt dein Büro nie mehr.“

„Erstens klingt dieser Fall sehr vielversprechend und zweitens werde ich das Haus auch jetzt nur verlassen, wenn es absolut unumgänglich ist.“

„Könntest du einen kriminalistischen Laien wie mich auch an deinen Überlegungen teilhaben lassen? Wochenlang lehnst du die schönsten Fälle ab und bei diesem hier bist du sofort dabei, obwohl ich bisher nicht sehe, was daran so interessant sein soll. Ein etwas verwirrt wirkender älterer Mann behauptet, dass man seinen Vater ermordet hat, der laut der Diagnose eines renommierten Arztes auf natürliche Weise das Zeitliche segnete.“

Pieroth sah seinen Freund an und musste schmunzeln.

„Du musst lernen zuzuhören.“

„Ich denke, ich habe alles gehört. Ich bin ja nicht taub.“

„Du hast akustisch alles verstanden, aber inhaltlich nicht das, worauf es ankommt. Er hat uns unbewusst ein mögliches Motiv für einen Mord genannt, falls es denn einer war. Und das möchte ich erst einmal herausfinden.“

„Welches Motiv?“, fragte Sommer irritiert.

„Die Schönfelder GmbH ist eines der größten Unternehmen dieser Branche in ganz Hessen und wird trotzdem immer noch patriarchalisch geleitet. Eigentlich in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellbar.“

„Aber die Firma wird doch von den drei Geschwistern geleitet.“

„Ja, aber der Vater hatte eine Sperrminorität und konnte damit alle wichtigen Entscheidungen der drei Geschäftsführer blockieren. Da ist es doch möglich, dass jemand den alten Mann aus dem Weg räumte, damit man freie Bahn hat. Für was auch immer.“

„Ach so, du verdächtigst die Familie. Aber dieser Herr Schönfelder war doch selbst so erzkonservativ. Dem würde ich solche Ideen nicht zutrauen.“

„Aber vielleicht den anderen. Wir müssen uns schnellstens ein Bild von der ganzen Familie machen. Leg am besten von jedem ein Dossier an. Und wir brauchen Einblick in die Finanzen der Firma und der Familienmitglieder. Das Unternehmen übernehme ich. Das kann der Geschäftsführer meiner Firma machen.“

„Und wie soll ich ohne richterlichen Beschluss an die Bankdaten der Familie kommen?“